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ORNITHOLOGISCHERANZEIGER
Zeitschrift bayerischer und baden-württembergischer Ornithologen
Band 53 – Heft 1/2 Dezember 2014
Langfristige Veränderungen in der Frühjahrsankunft vonZugvögeln im Lech-Donau-Winkel, Bayern
Franz Bairlein und Friedrich Heiser
Long-term changes in first arrival dates of migratory bird species in the Lech-Donau region, Bavaria.
Climate change is not uniform but rather shows considerable regional variation. Consequently, migra-tory birds’ responses to climate change also show regional variation. Here we report on changes in firstarrival dates of 48 migratory species in the Lech-Donau region in southern Bavaria during 36 yearsbetween 1967 and 2002. Data were collected by F.H. each year between 1 March and 14 May, duringwhich period he visited the study site on average 4.7 times/week. Data were analyzed using GAM-functions approach as well as linear trend analyses. In 23 of the 48 species significant linear trendswere discovered of which 22 were negative, revealing a long-term advancement in spring arrival. Ofthe species with a change of at least one day per decade, 35 advanced (91.4 %), and only three species(Honey Buzzard, Common Tern, Tree Pipit) delayed their first arrival. Non-passerines and passer-ines did not differ, nor did short/medium distance European migrants and long-distance tropicalmigrants. The trophic guild showed no effect either. In 29 of the 48 species first arrival dates wererelated to climatic factors: in ten species the local temperature at the study site explained most of vari-ation in first arrival, in seven species the temperature in southern France and in 10 species the temper-ature in southern Spain. The North Atlantic oscillation explained first arrival in only two species.A particular case emerged for the cuckoo: while the cuckoo did not advance arrival, one of its mainhost species, the Reed Warbler, advanced significantly, which may affect host species selection andbreeding success.
Key words: climate change, first arrival dates, migratory bird species, North Atlantic oscillation, localtemperature
Prof. Dr. Franz Bairlein, Institut für Vogelforschung „Vogelwarte Helgoland“, An der Vogelwarte 21,D-26386 WilhelmshavenE-Mail: [email protected]
Friedrich Heiser, Obervolkacher Str. 8, D-97332 VolkachE-Mail: [email protected]
Ornithol. Anz., 53: 1–21
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Einleitung
Der Klimawandel zeigt bereits vielfältige Spuren inder Vogelwelt (z. B. Walther et al. 2002, Bairleinund Hüppop 2009, Møller et al. 2010). Für Zug -vögel werden besonders häufig langfristige Ver -änderungen in den Zugzeiten im Frühjahr berichtet(z. B. Hubalek 2003, Hüppop und Hüppop 2003,Lehikoinen et al. 2004, Tryanowski et al. 2005,Lehikoinen und Sparks 2010, Hüppop undHüppop 2013). Eine große Zahl von Arten kehrtheute früher aus den Wintergebieten zurück alsnoch vor 30 oder 40 Jahren. Diese Ver frühungenin den Ankunftsterminen, meist Erst beobach -tungen, aber auch mittlere Durch zugs daten aufFangstationen (Hüppop und Hüppop 2003, Aholaet al. 2004, Hüppop und Hüppop 2005, 2011),werden dabei mit klimatischen Ver änderungen,insbesondere der Erwärmung, in Verbindunggebracht. Allerdings zeigen diese Veränderungenerhebliche geografische und zeitliche Unterschiede(Sparks et al. 2005, Hüppop und Winkel 2006).
Ursachen für scheinbar widersprüchlicheEntwicklungen können unterschiedliche Betrach -tungszeiträume sein, vor allem aber die geografi-sche Lage des Untersuchungsgebietes und diedadurch bedingten regionalen Unterschiede imKlima und seiner Veränderung. Denn der Klima -wandel vollzieht sich nicht gleichförmig, sondernweist regionale und sogar kleinräumige Unter -schiede auf (Schiermeier 2010, IPCC 2013). Sobeträgt die Erwärmung zwischen 1951 und 2000global 0,49°C (0,01°C/Jahrzehnt), deutschland-weit 1,0°C (0,02°C/Jahrzehnt) und in der Iller-Lech-Region Bayerns zwischen 1931 und 20000,8°C (0,01°C/Jahrzehnt; Schönwiese und Jano -schitz 2008, Arbeitskreis KLIWA 2012).
Mit verallgemeinernden Schlussfolgerungensollte also vorsichtig umgegangen werden; viel-mehr ist eine geografische Differenzierung erfor-derlich. Deshalb sollen in der vorliegenden Arbeittrotz bereits vieler Berichte über Veränderungender Zugzeiten aus Mitteleuropa (z. B. Tryanowskiet al. 2002, Hubalek 2003, Hüppop und Hüppop2003, 2005, Kooiker 2005, Peintinger und Schuster2005, Tryanowski et al. 2005, Schönfeld 2006,Christen 2007, Schmidt und Hüppop 2007, Bezzel2010, Hüppop und Hüppop 2011, Ernst 2013),auch die 36-jährigen Beobachtungsdaten von F. H.aus dem Lech-Donau-Winkel vorgestellt und mitWetterdaten verglichen werden.
Dazu wählten wir die lokale bodennahe Luft -temperatur im Beobachtungsgebiet sowie in zwei
Regionen im Überwinterungs- bzw. Durch zugs -gebiet in S-Frankreich und S-Spanien. Die Tempe -ratur ist ein wichtiger Treiber für Ver ände rungender Zugzeiten (z. B. Sparks et al. 2002, Cotton2003, Hüppop und Hüppop 2003, Lehi koinen etal. 2004, Sparks et al. 2005, Hüppop und Winkel2006, Saino et al. 2007).
Weiterhin berücksichtigen wir die Nord atlan -tische Oszillation. Unter ihr versteht man die lang-jährigen Schwankungen des Druck verhältnissesüber dem Nordatlantik zwischen dem Islandtiefim Norden und dem Azorenhoch im Süden. Sieist ein wichtiger „Motor“ für die Witterungsver -hält nisse in Europa, insbesondere durch ihre Aus -wir kung auf westliche Winde, die besonders dieStrenge unserer Winter bestimmen. Dargestelltwird der Druckunterschied in einem Index (NAOI).Bei positivem NAOI sind sowohl Azoren hoch alsauch Islandtief gut ausgebildet. Dies führt zustarken Westwinden, die milde und feuchte Luftnach Europa führen. Bei negativem NAOI dagegensind die Druckunterschiede nur schwach und dieWestwinde schwach. Die Folge sind kalte Winterin Mitteleuropa, bei zugleich aber feuchteremWetter im Mittelmeerraum. Folglich be schreibenzahlreiche Publikationen einen Zusam men hangzwischen dem NAOI und dem folgenden Zug -geschehen (z. B. Forchham mer et al. 2002, Waltheret al. 2002, Hüppop und Hüppop 2003, Hubalek2003, Vähätalo et al. 2004).
Material und Methoden
Die Erfassungen erfolgten ausschließlich durchF. H. im Lech-Donau-Winkel (Abb. 1) in denJahren 1967 bis 2002. Aufgrund der Erfassungdurch nur einen Beobachter spielen „Beobach ter -effekte“ als Grund für Variationen in den jährli-chen Erstbeobachtungsdaten kaum eine Rolle.Zwischen dem 1. März und dem 14. Mai wurdenregelmäßig durchschnittlich 4,7 Exkursionen jeWoche durchgeführt, mit meist ganztägigen Ex -kursionen an Samstagen, Feiertagen und Ferien -tagen sowie jeweils 2–4-stündigen Exkursionenan den meisten anderen Wochentagen. Das Beob -ach tungs gebiet umfasste die Donauauen zwi-schen Flusskilometer 2528,0 und 2489,0 und dieumliegende Donautalebene südlich des Flussesbis zum Tertiären Hügelland mit intensiv ge nutz -tem Acker- und Grünland, aber auch Nieder moor -resten, sowie die Lechtalaue von der Mündungbis 12 km flussaufwärts. Hier erstreckten sich dieBeobachtungen auf die Auwälder und Altwässer
2 Ornithol. Anz., 53, 2014
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entlang des Flusses und die Ebenen östlich undwestlich des Flusses. Die Exkursionen erstrecktensich über das gesamte Untersuchungsgebiet;schwerpunktmäßig und sehr regelmäßig aufge-sucht wurden die Staustufen an Lech (Feldheim)und Donau (Bertoldsheim) mit ihren Verlan dungs -zonen und ufernahen Auwäldern, größere Bagger -seen-Kom plexe bei Tapfheim, Hamlar und Gen -der kingen, die Niedermoorreste der „MertingerHöll“, Grünländer des Donaurieds bei Gremheimund Blindheim, die Donau-Alt wässer „Apfel -wörth“ und „Neugeschütt wörth“ im Lkr. Dillin -gen, Altwässer südl. Tapfheim und die Klär- undSchlammteiche der Zucker fa brik Rain bei Mittel -stetten und Rain. Während der Exkursionen
wurden alle Beobachtungen notiert. Erfasst wurdegrundsätzlich optisch (Fernglas und Spektiv) undakustisch; Klang attrappen wurden nicht einge-setzt. Alle beobachteten Vogelarten wurdenerfasst, für die vorliegende Auswertung wurdenaber nur solche Arten berücksichtigt, die nicht imLech-Donau-Winkel überwintern. Insgesamt lagenzur Auswertung Daten von 48 Vogelarten vor, 19Nicht-Singvogel- und 29 Singvogelarten (Tab. 1).
Für alle Datenreihen wurden Ausgleichslinienund deren Standardfehlerbereiche mittels des„Generalized Additive Models“ (GAM; mgcv-Paket; Wood 2011) des frei verfügbaren Statistik -pakets R (R Core Team 2013) gerechnet. Dabeiwird jeweils die Ausgleichskurve dargestellt,
3Bairlein & Heiser: Langfristige Veränderungen in der Ankunft von Zugvögeln
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Lech-Donau-Winkel
Abb. 1. Lage des Untersuchungsgebietes sowie der Regionen für die Analyse der Temperaturabhängig -keit. Quellen: Europakarte: Google Earth, Insert: http://geoportal.bayern.de/bayernatlas. – The studysite as well as the regions of which temperature data were related to first arrival dates at the study site. Map sources:Google Earth and http://geoportal.bayern.de/bayernatlas, respectively.
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welche die Daten bei vorgewählten maximalenFreiheitsgraden (hier 3) am besten repräsentiert.Für den Vergleich von Veränderungen über dieZeit von z. B. Kurz- und Mittelstreckenzieherngegenüber Transsaharaziehern oder von Nicht-Singvögeln gegenüber Singvögeln wurden zudemfür alle Arten lineare Regressionen ermittelt.
Zudem wurden die Erstbeobachtungsdatenmit Wetterdaten korreliert. Als Wetterdatenwählten wir zum einen die bodennahe monat-liche Lufttemperatur in Monaten des Zuges indrei ausgewählten Regionen: Februar bis Aprilim Lech-Donau-Winkel (Bayern), Februar bis Maiin der Region Toulouse (S-Frankreich) und derRegion Malaga (S-Spanien). Damit sollten dieZug perio den in verschiedenen Regionen derÜberwinterung (für die Kurz- und Mittelstrecken -zieher) bzw. des Durchzuges (Transsaharazieher)repräsentiert werden. Die Lufttemperaturen fürdie drei Regionen wurden als NCEP-Daten fürdas betreffende 2,5° x 2,5° Längen- und Breiten -graderaster http://www.esrl.noaa.gov/psd/data/gridded/data.ncep.reanalysis.surface.html(letzter Zugriff 27. Mai 2014) bezogen. Zumanderen prüften wir den Einfluss der Nordatlan -tischen Oszillation auf die Zugzeiten. Dazu habenwir in dieser Arbeit aus den monatlichen Wertendes NAOI (http://www.cpc.ncep.noaa.gov/pro-ducts/precip/CWlink/pna/norm.nao.monthly.b5001.current.ascii; letzter Zugriff am 27. Mai 2014)einen mittleren NAOI für die Monate Februar bisApril berechnet, welche die Zugzeiten der hierbehandelten Arten unseres Erachtens besser abde-cken als der sonst meist benutzte Winter-NAOI(Hurrell 1995), der die Monate Dezember bis Märzumfasst (Hurrell DJFM-NAOI: https://climate-dataguide.ucar.edu/sites/default/files/climate_index_files/nao_station_djfm.txt; letzter Zugriffam 27. Mai 2014). Zwischen beiden besteht aberfür den Untersuchungszeitraum ein signifikanterZusammenhang (R2 = 0,26; p = 0,001; n = 36).
Statistik: Mit Ausnahme der GAM (s. o.)wurden alle statistischen Auswertungen mit demPro gramm IBM SPSS Statistics 21 durchgeführt.Als statistisch signifikant werden alle Aussagenbezeichnet, für die die Irrtumswahrscheinlichkeitp kleiner als 5 % ist (p < 0,05).
Ergebnisse
Die zeitlichen Veränderungen der jährlichenErstbeobachtungen sind für alle 48 Arten inAbb. 2 dargestellt; die statistischen Kenndaten
sind in Tab. 1 zusammengefasst. In 24 der 48Arten sind die angepassten GAM-Funktionensignifikant; die linearen Trends sind es in 23 der48 Arten. Nur bei zwei Arten der statistisch gesi-cherten Fälle, Wespenbussard und Pirol, ist einedeutliche Abweichung von einem langfristignäherungsweise linearen Verlauf auffällig. Beieinigen Arten zeigt sich, dass langfristig signi -fikant lineare Veränderungen in erster Liniedurch die Ver änderungen seit Mitte der 1980erJahre bedingt sind, so bei Trauerseeschwalbe,Rauch- und Uferschwalbe, Gartengrasmückeund Girlitz. Bei der Misteldrossel beruht dieSignifikanz allerdings auf Veränderungen vorden 1980er Jahren.
Von den 23 statistisch signifikanten Trendssind 22 negativ, d.h. die Arten zeigen eine signi-fikante Verfrühung ihrer Erstbeobachtungsdatenüber die 36 Jahre. Nur eine Art, der Baumpieper,zeigt eine signifikante Verspätung seiner Erst -beobachtung. Nimmt man die Fälle hinzu,bei denen eine Veränderung von mindestens1 Tag/Dekade zu beobachten ist, sind von den 35Trends 32 (91,4 %) negativ; drei Arten (nebenBaumpieper noch Flussseeschwalbe und Wespen -bussard) wurden über die 36 Jahre zunehmendspäter beobachtet.
Trennt man die Arten auf in diejenigen, dieinnerhalb Europas überwintern (Kurz- und Mit tel -streckenzieher, KMZ) und die, die ins tropischeAfrika ziehen (Langstreckenzieher, LZ), so findetman keinen Unterschied im Anteil verfrühtergegenüber späterer Erstbeobachtung (Tab. 2): Vonden 12 KMZ wurden alle zunehmend früher beob-achtet, bei den LZ sind es 20 von 23 Arten (χ2-Test;p = 0,373).
Mittlere Trends. Die mittleren Veränderungenreichen von Verfrühungen um bis zu 8 Tagen in 10Jahren beim Flussregenpfeifer bis zu Ver spä -tungen von 3,3 Tagen/Jahrzehnt beim Baum -pieper und der Flussseeschwalbe (Abb. 3). Be -trach ten wir nur Arten mit einem mittleren Trendvon mehr als 1 Tag Veränderung pro Dekade,so zeigen sich keine Unterschiede zwischen Nicht-Singvögeln und Singvögeln (ANOVA,F1,33 = 0,006; p = 0,939), keine zwischen KMZ undLZ (ANOVA, F1,33 = 2,629; p = 0,114) und auch dieErnährungsweise spielt keine Rolle (ANOVA,F4,30 = 0,737; p = 0,574).
Einfluss von lokaler Temperatur und NAO. ImBeobachtungsgebiet wie in den Überwinterungs-
6 Ornithol. Anz., 53, 2014
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7Bairlein & Heiser: Langfristige Veränderungen in der Ankunft von Zugvögeln
Knäkente Fischadler Wespenbussard
Rohrweihe
Knäkente Fischadler
Schwarzmilan
Wespenbussard
Wachtelkönig Flussuferläufer Flussregenpfeifer
Grünschenkel Kampfläufer Bruchwasserläufer
Baumfalke
Abb. 2. Veränderung der jährlichen Erstbeobachtung von 48 Zugvogelarten im Lech-Donau-Winkel zwi-schen 1967 und 2002. Die Ausgleichskurven und ihre Streuung wurden über eine GAM-Analyse ermit-telt (s. Methoden). Zur Statistik s. Tab. 1. Zum besseren Vergleich wurden die y-Achsen auf ± 45 Tage umden Mittelwert skaliert. – Changes in first arrival dates of 48 migratory species in the Lech-Donau region be tween1967 and 2002. The curves and their respective deviations result from GAM-analyses (for details see Methods). Forstatistics see Table 1. For better comparison the y-axes were scaled to ± 45 days around the mean arrival date.
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8 Ornithol. Anz., 53, 2014
Zwergmöwe Flussseeschwalbe Trauerseeschwalbe
Ringeltaube Kuckuck Turteltaube
Mauersegler Neuntöter Pirol
Uferschwalbe Mehlschwalbe Rauchschwalbe
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9Bairlein & Heiser: Langfristige Veränderungen in der Ankunft von Zugvögeln
Fitis Feldschwirl Zilpzalp
Sumpfrohrsänger Gelbspötter Teichrohrsänger
Mönchsgrasmücke Klappergrasmücke Gartengrasmücke
Dorngrasmücke Singdrossel Misteldrossel
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10 Ornithol. Anz., 53, 2014
Rotdrossel Trauerschnäpper Grauschnäpper
Halsbandschnäpper Blaukehlchen Braunkehlchen
Hausrotschwanz Steinschmätzer Gartenrotschwanz
Baumpieper Girlitz Schafstelze
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gebieten in S-Europa haben sich die monatlichenDurchschnittstemperaturen der bodennahen Luftüber den Beobachtungszeitraum erhöht (Anhang),wobei die linearen Trends im März im Beobach -tungsgebiet sowie jeweils im Februar in S-Frank -reich bzw. S-Spanien nicht signifikant sind (s. An -hang). Ebenso hat sich im Beobachtungs zeitraumder NAOI für die Zugzeiten signifikant zu posi-tiveren Werten verändert (Anhang).
In zahlreichen Fällen korrelieren die Erst -beobach tungstermine im Lech-Donau-Winkel mitder regionalen bodennahen Lufttemperatur imBeobachtungsgebiet und/oder im Durchzugs -gebiet und/oder auch mit dem Frühjahrsindexder Nordatlantischen Oszillation (NAOI_FMA;Tab. 3). Bei 10 der insgesamt 48 Arten gibt es einensignifikanten Zusammenhang mit dem NAOI, inacht Fällen negativ, die Arten also umso früherankommen, je positiver der NAOI ist. Bei 24 Artenbesteht ein signifikanter Zusammenhang mit einerder monatlichen Mitteltemperaturen im Beob -achtungs gebiet, davon 23 negativ, d. h. je wärmeres im Beobachtungsgebiet war, umso früher lagdie jährliche Erstbeobachtung. Bei 19 Arten fandsich eine signifikant negative Korre lation mit denmonatlichen Durchschnitts tem pera turen zwischenFebruar und Mai in S-Frank reich, bei 24 Artenmit den monatlichen Durch schnittstemperaturenzwischen Februar und Mai in S-Spanien. In einemFall (Baumpieper) war dieser Zusammenhangsignifikant positiv.
Um den wichtigsten dieser Klimafaktoren fürjede einzelne Art zu erkennen, haben wir eineschrittweise multiple Regressionsanalyse durch-geführt, aus der wir im Folgenden nur den imersten Schritt als bedeutsamsten Faktor identifi-zierten vorstellen. Bei 19 der 48 Arten konntenkeinerlei signifikante Zusammenhänge mit einemder Klimafaktoren gefunden werden, bei zehn
Arten waren es die lokalen Temperaturen imBeobachtungsgebiet, die die Erstbeobachtungenbestimmten, bei weiteren sieben Arten dieTemperaturen in S-Frankreich und bei anderenzehn Arten die Temperaturen in S-Spanien. Nurin zwei Fällen (Rohrweihe, Hausrotschwanz)erklärt vor allem der NAOI die Variation der Erst -beobachtungen im Beobachtungsgebiet, wobeibei der Rohrweihe der Zusammenhang positivist, beim Hausrotschwanz dagegen negativ.
Diskussion
Wie schon für viele Orte und Regionen gezeigt(s. Einleitung), haben sich auch im Lech-Donau-Winkel die Erstbeobachtungen der meisten Artenüber 36 Jahre zwischen 1967 und 2002 verfrüht.Lediglich bei drei Arten ist eine nennenswerteVerspätung sichtbar. Der Klimawandel zeigt alsoauch hier deutliche Spuren. Dabei fanden wirkeine Unterschiede in der Häufigkeit wie imAusmaß der Verfrühung zwischen den Lang -strecken ziehern, die in Afrika südlich der Saharaüberwintern, und den Kurz- und Mittel strecken -ziehern, die innerhalb Europas überwintern. Diesscheint im Widerspruch mit anderen Berichtenzu stehen, wonach Kurz- und Mittel strecken zie -her ihre Ankunftszeiten stärker verfrühen alsLangstreckenzieher (z. B. Tryanowski et al. 2002,Peintinger und Schuster 2005). Allerdings fandensich auch andernorts keine signifikanten Unter -schiede zwischen KMZ und LZ (z. B. Zalakevicius1998, Hüppop und Hüppop 2003, Zalakevicius etal. 2006, Ernst 2013). Insofern sind verallgemei-nernde Schlussfolgerungen mit Vorsicht zu sehen.KMZ reagieren aber scheinbar mehr auf lokaleTemperaturen, die LZ dagegen mehr auf groß-räumige Klimafaktoren wie den NAO (Hubalek2003, Hüpopp und Hüppop 2003, Zalakevicius
11Bairlein & Heiser: Langfristige Veränderungen in der Ankunft von Zugvögeln
Tab. 2. Übersicht zu den festgestellten Veränderungen der Erstbeobachtungen zwischen 1967 und2002. – Summary of changes of first arrival dates between 1967 and 2002.
Verfrühung Verspätung
Anzahl >1 Tag proArten Dekade Anzahl Arten signifikant Anzahl Arten signifikant
Nicht-Singvögel 19 14 12 7 2 0Singvögel 29 21 20 15 1 1alle Arten 48 45 32 22 3 1
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12 Ornithol. Anz., 53, 2014
Abb. 3. Mittlere jährliche Veränderungen der Erstbeobachtungen aller Arten, sortiert nach dem Ausmaßder Veränderung. Fett gedruckt: signifikanter linearer Trend. – Mean annual trend of change of first arrivaldate of all species, listed in order of magnitude of change. In bold: statistically significant linear trend.
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et al. 2006, Lehikoinen und Sparks 2010). Zudemsollte immer berücksichtigt werden, dass den ver-schiedenen Studien verschiedene Artengruppenund teilweise verschiedene Zeiträume zugrundeliegen, und nicht nur Klimafaktoren Zugverhaltenund Ankunftstermine beeinflussen (z. B. Berthold1996, Coppack und Pulido 2004, Tryanowski etal. 2005, Gill et al. 2014).
Angesichts der Diskussion um die Bedeutungund Konsequenz einer früheren Rückkehr ausdem Winterquartier, früheren Brutterminen, unter-schiedlicher Raten klimabedingter phänologischerVeränderungen verschiedener trophischer Stufen(Thackery et al. 2010) und der daraus möglicher-weise resultierenden Asynchronität („mis-match“)zwischen Nestlingszeit und Futter angebot (z. B.Saino et al. 2011), ist interessant zu sehen, dasswir in unserer Analyse keinen Zu sammenhangzwischen dem Nahrungstyp und Veränderungender Erstbeobachtungen fanden. Auch wenn wirfür die Gilde der sich animalisch oder granivorernährenden Arten nur wenige Fälle haben, zeigensich keinerlei signifikante Zusammenhänge. Esfällt aber auf, dass die Varia tionsbreite der Trendsbei den sich aquatisch ernährenden Arten sehrviel größer ist als in den anderen Gilden.
Neben dem Zugtyp sind es insbesondere kli-matische Faktoren, die als Treiber der Verände -rung von Zugzeiten diskutiert werden. In unsererAnalyse zeigten sich bei 60 % der Arten Korrela -tio nen der Erstbeobachtungsdaten mit den durch-schnittlichen monatlichen Temperaturen im Beob -achtungsgebiet bzw. im Winterquartier undentlang der Zugwege oder dem NOAI, wobeiaber der NAOI nur in zwei Fällen als signifikantbedeutsam erscheint. In den anderen Fällen sindes die regionalen Temperaturen, welche die Ver -änderungen in den Erstbeobachtungen am bestenerklären. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommenHüppop und Winkel (2006) in einer europaweitenAnalyse für den Trauerschnäpper oder auchMarra et al. (2005) für Nordamerika. Allerdingswerden die regionalen Temperaturen stark vonder Nordatlantischen Oszillation bestimmt.
Wie repräsentativ und relevant sind Erst beob -achtungsdaten? So zahlreich die Arbeiten sind,die Veränderungen, überwiegend Verfrühungen,in den Erstbeobachtungsdaten über die letztenJahrzehnte beschreiben, so offen sollte man aberauch diskutieren, welche Relevanz und Konse -quenz Erstbeobachtungen bzw. die Feststellungvon früheren Ankunftsterminen haben (Sparks et
al. 2001, 2005). So fanden Ahola et al. (2004) amTrauerschnäpper in S-Finnland, dass sich dort zwardie Erstbeobachtungen verfrüht haben, der jähr-liche Median, also der Zeitpunkt, an dem 50 % derPopulationen angekommen waren, dagegen nicht.Ähnliches fanden Ptaszyk et al. (2003) beim Weiß -storch in Polen. Andererseits können Hüppop undHüppop (2003, 2005) an den Durch zugszahlen vonHelgoland zeigen, dass sich bei vielen Arten auchdie mittleren Durchzugstermine im Frühjahr signifikant verfrüht haben. Ähnliches gilt für diemittleren Durchzugzeiten im Frühjahr auf derKurischen Nehrung (Sokolov 2001). Für Mönchs -grasmücke und Zilpzalp fand Bezzel (2010) keinenUnterschied in den zeitlichen Veränderungeninnerhalb der ersten zehn Beobachtungen einesJahres, beim Berglaubsänger dagegen haben sichdie Erstbeobachtungen stärker verfrüht als die5. bis 10. Feststellungen. Zwar können wir mitunserem Material aus den Beobachtungsdatennicht ableiten, wann die jährlichen medianenDurchzugstermine waren, aber durch die hoheFrequenz der Beobachtungsgänge können wirprüfen, in welcher Beziehung die Erstbeob ach -tungen zu den folgenden vier Beob achtungenstehen. Dazu haben wir die Spearman-Rangkorre -lationen zwischen den ersten fünf Beob achtungenermittelt, sofern aus mindestens fünf Jahren Datenvorlagen (Abb. 4). Während die je weils zweiteBeobachtung noch sehr gut mit der Erst beob -achtung korreliert und alle 48 Korre la tio nen auchsignifikant sind, sind es bei der 3. Beob achtungnur mehr 37 von 47, bei der 4. Beob achtung 22 von42 und bei der 5. Beob ach tung 14 von 30. Zwischender 5. und Erst beobachtung besteht durchschnitt-lich nur noch ein recht schwacher Zusammenhang(rs = 0,466 ± 0,301; n = 30). Dabei gab es keine sig-nifikanten Unterschiede zwischen KMZ und LZ.Mit der Interpretation von Erst beobachtungsdatensollte also sehr sorgfältig umgegangen werden,da Erstbeobachtungen nicht zwingend das An -kunfts verhalten der Population abbilden. Møller etal. (2008) fanden allerdings in einer Metastudie,in der sie 100 europäische Arten berücksichtigten,einen negativen Zusammenhang zwischen Po -pulationsentwicklung und Verände rungen derErstankunft. Arten, die sich verfrühten, nahmenzu, während Arten mit keiner Verfrühung odergar Verspätung abnahmen. Sie führen dies aufdie nachfolgende Asynchronität („mis-match“)zwischen Nestlingszeit und Futterangebot zu -rück. Eine solche ist als Folge der unterschied - lichen Raten klimabedingter phänologischer Ver -
13Bairlein & Heiser: Langfristige Veränderungen in der Ankunft von Zugvögeln
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14 Ornithol. Anz., 53, 2014Ta
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änderungen verschiedener trophischer Stufen oftbeschrieben (Thackery et al. 2010) und als Faktorfür Populationsentwicklungen bekannt (Saino etal. 2011). Ein Zusammenhang zwischen Erstan -kunft und Brutbeginn ist aber nicht zwingend, wiez. B. Both und Visser (2001) für den Trauer -schnäpper in den Niederlanden be schrei ben, woes keinerlei Veränderungen in der Ankunft gab,dennoch aber der Legebeginn früher war. Zudemkann die Häufigkeit einer Art einen Ein fluss aufdie Erstbeobachtung haben (s. hierzu die Diskus -sion in Hüppop und Hüppop 2005). So wurden inGroßbritannien Turteltauben umso früher beob-achtet, je zahlreicher sie waren (Sparks 1999). Inun serem Datensatz fanden sich keine signi fi kan -ten Zusammenhänge in der Verän derung derAnkunftszeiten mit der Häufigkeit der Art (selten,verbreitet, häufig; ANOVA, F2,48 = 1,346; p = 0,270)oder mit ihrer Be stands entwick lung (abnehmend,gleichbleibend, zunehmend; ANOVA, F2,47 = 0,962;p = 0,389). Auch Hüppop und Hüppop (2005)fanden bei 22 von 24 Arten keinen Zusammen -hang zwischen mittlerem Frühjahrszugtermin aufHelgoland und der Fangzahl. Ungeachtet der unbe-stritten auffälligen und vielerorts gezeigtenVerfrühungen in den Erstbeobachtungen vonZugvögeln als „Fingerabdruck“ des derzeitigenKlimawandels, sollten die populationsbiologischenKonse quen zen daraus vorsichtig interpretiert undartspezifisch genauer betrachtet werden. Un ge -achtet dieser Unsicherheiten der popula tions -biologischen Bedeutung von Erst ankömm lingen,sollten Erstbeobachtungen unbedingt weiterge-
führt werden, denn sie können Anzeiger dafürsein, dass sich eine Antwort der Population aufUmweltänderungen ankündigt. Mehr als bishersollte aber untersucht werden, welche Folgen früheErstankunft für die individuelle Fitness hat, dennnur dann können evolutionsbiologische Konse -quenzen des Klimawandels abgeleitet werden.
Kommt der Kuckuck zu spät? Gibt es nicht nurzwischen trophischen Ebenen „mis-match“, son-dern möglicherweise auch zwischen der Rück -kehr des Kuckucks und der Rückkehr bzw. derBrutzeit seiner Wirte? In Bayern (Wüst 1981) undandernorts in Mitteleuropa, z. B. Baden-Württem -berg (Hölzinger und Mahler 2001), ist der Teich -rohrsänger eine der wichtigsten Wirtsvogelartendes Kuckucks. Der Teichrohrsänger hat in unse -rem 36-jährigen Beobachtungszeitraum seineRückkehr aus dem Winterquartier um 12 Tage(3,4 Tage/Jahrzehnt) signifikant verfrüht, wäh-rend der Kuckuck keinerlei Veränderung zeigt(Abb. 1 und Tab. 1). Am Unteren Inn zeigte derKuckuck zwischen 1971 und 1995 ebenfalls keineveränderten Erst beob achtungen; gegenüber dem19. Jahrhundert sogar eine verspätete Rückkehr(Reichholf 2005). Auch in Baden-Württembergfanden Hölzinger und Mahler (2001) keine lang-fristigen Veränderungen in der Erst ankunft desKuckucks; für Teilgebiete berichten aber Pein -tinger und Schuster (2005) von Ver frühungen. InGroßbritannien zeigte der Kuckuck eher verspä-tete Rückkehr (Mason 1995). Aus den Erstbeob -ach tungen darf zwar nicht zwingend auf die Lage
16 Ornithol. Anz., 53, 2014
Abb. 4. Mittlere Spearman-Rang korrela tions koeffi zien -ten (± Stan dardab weichung)zwischen Erst beob achtungund den nächsten vier Beob -achtungen. Die Zahlen inden Säulen geben die Stich -probengröße an. – MeanSpear man Rank Correlationcoefficient (± s. d.) between firstarrival date and the immediatefour subsequent observationdates. The numbers within thebars denote sample size.
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der Bruttermine des Teichrohrsängers geschlossenwerden (s. o.), aber es ist nicht auszuschließen,dass ein solcher „mis-match“ durchaus Folgenfür Wirtsvogelwahl und/oder Bruterfolg unddamit für die Bestandsentwicklung des Kuckuckshaben kann (Douglas et al. 2010, Møller et al. 2011,Jelinek et al. 2014). Im Vogtland da gegen ver-frühten sich die Erstbeobachtungen des Kuckuckszwischen 1967 und 2011 (Ernst 2013), ebenso inMecklenburg-Vorpommern seit Mitte der 1970 erJahre (Schmidt und Hüppop 2007). Dort verfrühtesich auch der Teichrohrsänger seit Anfang der1980er, aber wesentlich ausgeprägter als derKuckuck (Schmidt und Hüppop 2007). Es wärealso interessant zu prüfen, ob diese regionalenUnterschiede z. B. durch die geografische Lageund/oder regional-klimatische Faktoren bestimmtwerden, und wie sich in den verschiedenen Ge -bieten die Wirtsvogelwahl und die Populations -ent wicklung darstellen.
Zusammenfassung
Der Klimawandel vollzieht sich nicht überallgleichförmig, sondern weist große regionaleUnterschiede auf. Folglich zeigen sich auch regio-nale Unterschiede in der Reaktion von Zugvögelndarauf. Wir werteten dazu die Erstbeob ach tungs -termine von 48 Zugvogelarten aus, die F. H. zwi-schen 1967 und 2002 im Lech-Donau-Winkelin durchschnittlich 4,7 Exkursionen je Woche zwischen 1. März und 14. Mai eines jeden Jahreszusammengetragen hat. Dazu wurden den DatenGAM-Funktionen angepasst sowie lineare Trendsberechnet.
Bei 23 der 48 Arten sind diese linearen Trendssignifikant, davon 22 negativ, d. h. die Artenzeigen eine signifikante Verfrühung ihrer Erst -beobachtungsdaten über die 36 Jahre. Nimmtman noch die Arten hinzu, bei denen eine Ver -änderung von mindestens 1 Tag/Dekade zu beob-achten ist, so sind von den 35 Trends 32 (91,4 %)negativ; nur drei Arten (Wespenbussard , Fluss -seeschwalbe, Baumpieper) werden heute späterbeobachtet als vor 36 Jahren. Es zeigen sich wederUnterschiede zwischen Nicht-Singvögeln undSing vögeln noch zwischen Arten Kurz- und Mit -telstreckenziehern und Langstreckenziehern.Auch die Ernährungsweise spielt keine Rolle. Bei29 der 48 Arten fanden sich signifikante Zusam -menhänge mit einem der Klimafaktoren: bei zehnArten waren es die lokale Temperaturen imBeobachtungsbiet, bei sieben Arten die Tempe -
raturen in S-Frankreich und bei zehn Arten dieTemperaturen in S-Spanien. Nur in zwei Fällenerklärt der NAOI die Variation der Erstbeob -achtungen. Eine besondere Situation ergibt sichbeim Kuckuck: Während sich seine Ankunft nichtverfrüht hat, kommt eine seiner wichtigen Wirts -vogelarten, der Teichrohrsänger, signifikant früherzurück. Daraus könnten sich Probleme beider Wirtswahl und folglich im Bruterfolg desKuckucks ergeben.
Dank. Wir danken Dr. O. Hüppop für die Extrak -tion der NCEP-Daten, die GAM-Analysen undKommentare zum Manuskript. Ebenso gilt unserDank den Gutachtern E. Bezzel und R. Brandl fürwertvolle Anmerkungen zum Manuskript.
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Eingegangen am 17. Juli 2014Angenommen nach Revision am 3. August 2014
19Bairlein & Heiser: Langfristige Veränderungen in der Ankunft von Zugvögeln
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Anhang – appendix
20 Ornithol. Anz., 53, 2014
Tab. Pearson-Korrelationskoeffizienten der Ver än -de rungen des NAOI der Monate Februar bis Aprilsowie der Lufttemperaturen im Beob ach tungs -gebiet (LDW), in S-Frankreich und S-Spa nien zwi-schen 1967 und 2002. – Pearson-corre la tion coeffi-cients of changes in February-April NAOI as well asair temperatures at the study site (LDW), in S-Franceand S-Spain, respectively, between 1967 and 2002.
R p
NAOI 0,401 0,015Temperatur
März_LDW 0,318 0,058April_LDW 0,345 0,039
Mai_LDW 0,399 0,016Februar_Frankreich 0,263 0,121
März_Frankreich 0,538 0,001April_Frankreich 0,339 0,043Februar_Spanien 0,320 0,057
März_Spanien 0,551 0,001April_Spanien 0,510 0,001
Friedrich Heiser, Jg. 1939, Gymnasiallehrer i. R.; Studium der Biologie,Chemie und Geografie für das Lehramt. Von 1966–2001 Lehrer amGymnasium in Donauwörth. Ornithologischer Schwerpunkt: seit Jahr -zehnten aktiv im Naturschutz, passionierter Vogelbeobachter im In- undAusland.
Prof. Dr. Franz Bairlein, Jg. 1952, Studium der Biologie, Physik undChemie an der Universität Konstanz, dort auch Promotion; danach amheutigen Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell, an derUniversität Köln und an der University of Southern Mississippi. Seit 1990Direktor des Instituts für Vogelforschung „Vogel warte Helgoland“ inWilhelmshaven. Ornitholo gischer Schwerpunkt: Vogelzug.
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21Bairlein & Heiser: Langfristige Veränderungen in der Ankunft von Zugvögeln
North Atlantic Oscillation
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März April Mai
S-Frankreich
März April Februar
S-Spanien
März April Februar
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Abb. Veränderung des NAOI der Monate Februar bis Aprilsowie Veränderungen der lokalen Temperatur während derBeobachtungsperiode im Beobach tungs gebiet sowie in S-Frankreich und S-Spanien. – Change of February-April NAOIand change of local temperature at the study site as well as at two passage regions in S-France and S-Spain, respectively.
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Einleitung
Das Auerhuhn Tetrao urogallus hat in Deutschlandnur einen geringen Bestand mit eingeschränkterregionaler Verbreitung und es reagiert sensibelauf Veränderungen in seinem Lebensraum. Dadie Art im Anhang I der Europäischen Vogel -schutzrichtlinie (Richtlinie 2009/147/EG) geführtwird, müssen für sie Schutzgebiete („SPAs“ = spe-cial protection areas) ausgewiesen und geeigneteErhaltungsmaßnahmen getroffen werden, umihren dauerhaften Fortbestand zu gewährleisten.Als Folge der Umsetzung der Vogelschutz- undFFH-Richtlinie wurde eine Schutzgebietskulisse
für die im Standarddatenbogen aufgeführtenSchutzgüter festgelegt, die heute das EuropäischeBiotopverbundnetz Natura 2000 bildet. Für dieseGebiete werden derzeit in Bayern behördenver-bindliche Managementpläne erstellt. In den Plä -nen wird der Erhaltungszustand der Schutzgüterbewertet und notwendige Erhaltungsmaßnahmenformuliert.
In Bayern wird das Auerhuhn in 15 Vogel -schutzgebieten (SPA) als Schutzziel genannt. DieseGebiete haben eine Fläche von insgesamt 215.443ha, davon 71.199 ha außerhalb der Alpen (Bear -beitungsstand: Abb. 1). Die Datenlage für diesegroßen Gebiete war zu Beginn der Aufnahmen
22 Ornithol. Anz., 53, 2014
Ornithol. Anz., 53: 22–44
Das Auerhuhn Tetrao urogallus in den bayerischenVogelschutzgebieten – Natura 2000-Lebensraumschutz von
der Modellierung bis zum Managementplan
Helena Löffler und Martin Lauterbach
Capercaillie Tetrao urogallus in Bavarian special protection areas – Natura 2000 habitat conservation fromhabitat model to management plan
Within the framework of Natura 2000-conservation planning, survey and mapping of CapercaillieTetrao urogallus in the Bavarian SPAs (special protection areas) has been in progress since 2006. Theprocess from modelling the “search area” up to the complete action plan is fulfilled in large parts ofthe special protection areas using a standardized method. Now results allow both assessment of relative population density and essential habitat structure. In seven SPAs 184 signs of capercailliewere identified at 3782 survey points, this corresponds to a mean activity of 4.9 %. In total 12.070 haof very important habitat could be identified, surrounded by areas where additional conservationmeasures are planned. A result of the inventory was the high amount of old coniferous-dominatedstands with a sparse canopy cover (52 %). Within the potential habitats capercaillie preferred older (meanage 131 years) and lighter (37.6 % mean canopy cover of dominant tree layer) stands. As a result of surveyand mapping, conservation measures are planned. The aim of this article is to explain the process ofNatura 2000 capercaillie conservation in Bavaria and discuss previous results.
Key words: Capercaillie, Tetrao urogallus, Natura 2000, conservation planning, habitat suitability model
Helena Löffler, Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, Hans-Carl-von-Carlowitz-Platz 1, 85354 FreisingE-Mail: [email protected]
Martin Lauterbach, Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, Hans-Carl-von-Carlowitz-Platz 1, 85354 FreisingE-Mail: [email protected]
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sehr heterogen. Zudem ist die in Arenen balzendeArt nicht über die sonst übliche Revierkartierungzu erfassen (Südbeck et al. 2005) und die Er -mittlung belastbarer Individuenzahlen für eingroßes Gebiet bedarf gar genetischer Unter -suchungen (z. B. Rösner et al. 2014a). Dadurchwerden Aussagen zur Größe und zum Erhal -tungs zustand der Populationen deutlich er -
schwert. Für das Natura 2000-Gebietsmanage -ment musste deshalb eine landesweit einheitlicheErfassungs- und Bewertungsmethode etabliertwerden. Die derzeit praktizierte Methodik bautsowohl auf den zahlreichen Studien, die es zudieser gut untersuchten Art gibt, als auch aufeigenen Untersuchungen (Löffler 2010) auf. Dieeinheitliche Methodik liefert nicht nur belastbare
23Löffler & Lauterbach: Auerhühner in bayerischen SPA-Gebieten
Abb. 1. Bearbeitungsstand (Juli 2014) der 15 bayerischen Natura 2000-Vo gel schutzgebiete (SPAs), beidenen das Auerhuhn als Schutzziel genannt wird. – Processing state (July 2014) of the 15 BavarianNatura 2000 special pro tection areas for capercaillie.
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Ergebnisse zur Bewertung des Erhaltungs zu -standes im jeweiligen Gebiet, sondern sie erlaubtauch Vergleiche über große Landschaftsräumehinweg. Eine besondere Herausforderung stelltdie Auflösung möglicher Zielkonflikte mit ande -ren, gleichwertigen Schutzgütern im Rahmen derManagementplanung dar.
Im Folgenden wird die Arbeit in den Natura2000-Auerhuhnschutzgebieten der letzten Jahrebeschrieben und die Ergebnisse zusammenfas-send dargestellt (Abb. 2) und diskutiert.
Konzept der Natura 2000-Managementplanung
Allgemein. Ziel des Natura 2000-Gebiets manage -ments ist der Erhalt oder die Wiederherstellungdes günstigen Erhaltungszustandes der Schutz -güter. Als „günstig“ wird erachtet, wenn eine Art
auch langfristig ein lebensfähiges Element desnatürlichen Lebensraumes, dem sie angehört,bildet. Ferner darf das „natürliche Verbreitungs -gebiet der Art weder abnehmen noch in abseh-barer Zeit vermutlich abnehmen“ und es mussein „genügend großer Lebensraum vorhandensein, um ein langfristiges Überleben der Popu -lation“ zu sichern (Richtlinie 92/43/EWG, FFH-Richtlinie, Art.1). Die Bewertung dieser weitrei-chenden Vorgaben erfolgt über ein bundesweiteinheitliches Bewertungsschema, das von derArbeitsgemeinschaft „Naturschutz“ der Landes -umweltministerien (LANA) auf ihrer 81. Sitzungim September 2001 in Pinneberg beschlossenwurde (Tab. 1). Demnach werden „Zustand derPopulation“, „Habitatqualität“ und „Beein träch -tigungen“ je Vogelart und Vogelschutzgebiet ineinem dreistufigen Schema (A, B, C) beurteilt. DieZusammenführung dieser drei Bewertungs -
24 Ornithol. Anz., 53, 2014
Abb. 2. Übersicht über den Ablauf der Natura 2000-Arbeiten für das Auerhuhn vom Suchraum -modell bis zur Maßnahmenplanung. – Overview of the Natura 2000 process for capercaillie from model toaction planning.
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ergebnisse ergibt den Erhaltungszustand einerArt im Gebiet. Die Bewertungsschwellen sind inTab. 2 dargestellt.
Bewertungskriterien der Population. DieBewertung der Population erfolgt bei Vogelartennormalerweise vor allem über die Beurteilungder Siedlungsdichte. Beim arenabalzenden Auer -huhn sind Brutpaare jedoch nicht zählbar. EineZählung von Individuen am Balzplatz unterliegtzudem großen Unsicherheiten, da nur ein Teil derfortpflanzungsfähigen Tiere am Balzplatz er -scheint und diese zum Teil zwischen den Balz -plätzen über weite Entfernungen wechselnkönnen. Schließlich bestehen sehr große Wissens -lücken über die tatsächlich genutzten Balzplätzeund viele Balzarenen werden bei den derzeitkleinen Teilpopulationen nur noch von Einzel -tieren aufgesucht (LWF 2002). Deshalb wird diePopulation in Anlehnung an die von Storch (1999)vorgeschlagene Methodik indirekt über dieAktivitätsdichte in einem Gebiet bewertet (sieheKapitel Kartierung).
Bewertungskriterien des Habitats. Bei der Bewer -tung des Lebensraumes der Arten greift ein zwei-teiliges Bewertungsschema. Zunächst wird dieGröße der potenziell besiedelbaren Fläche be wertet.Die zahlreichen Habitatanalysen zum Auerhuhnunterstreichen die hohe Bedeutung von großflä-chigen lichten, älteren und nadelbaumdominiertenBaumbeständen mit lockerer Kraut vegetation(Klaus 1989, Storch 1993, Scherzinger 2009). DieBewertungsschwellen sollen dies widerspiegeln.Anschließend erfolgt eine genauere Betrachtung
der Strukturen innerhalb dieser Flächen: konkretdie Baumartenzusammen set zung, das Bestands -alter, die Schichtigkeit, der Überschirmungsgradder Baumkronen, der Deckungs grad der Kraut -schicht und gesondert die Deckung der Beer -sträucher (siehe Erfassungs protokoll Abb. 3). Letz -tere muss differenziert betrachtet werden, da diesez. B. im Kalkalpin auch natürlicherweise geringereAnteile einnimmt.
Bewertungskriterium „Beeinträchtigungen“. Beidiesem Kriterium werden gutachterlich Beein -trächtigungen dokumentiert, die sich auf dieGröße und/oder den Reproduktionserfolg derlokalen Population signifikant und nachhaltigauswirken können. Neben dem direkten Verlustgeeigneter Habitate stehen hier besondersStörungen durch menschliche Aktivitäten imFokus, die dazu führen, dass Teile potenziellgeeigneter Lebensraumflächen nicht mehr odernur zeitweise besiedelt werden (Thiel et al. 2011,Rösner et al. 2014b). Um die gutachterlicheBewertung zu unterstützen, werden an denInventurpunkten im 20-m-Radius festgestellte„Beeinträchtigungen“ dokumentiert. Dies sindz. B. Zäune, Wanderwege, Loipen, Forststraßenund starke Vergrasung.
Erfassungsmethodik
Die zuvor genannten Bewertungskriterien müssennun nachvollziehbar und vergleichbar ermitteltwerden. Eine flächendeckende Erfassung ist inden großen Gebieten weder machbar noch sinn-voll. Aber auch eine Fokussierung auf alle rezent
25Löffler & Lauterbach: Auerhühner in bayerischen SPA-Gebieten
Tab. 1. Allgemeines Bewertungsschema zum Erhaltungszustand der Arten in Deutschland. – Evalua -tion scheme of the conservation status for species of European conservation concern.
Habitatqualität A B C(artspezifische (hervorragende (gute (mäßige bisStrukturen) Ausprägung) Ausprägung) schlechte
Ausprägung)
Zustand der Population A B C(gut) (mittel) (schlecht)
Beeinträchtigungen A B C(keine/gering) (mittel) (stark)
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26 Ornithol. Anz., 53, 2014
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Deckung B1*
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Deckung Kräuter*
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Abb. 3. Formular für die Erfassung der Nachweise und der Lebensraumparameter an den Inventur -punkten. – Logging form for capercaillie records and habitat parameters at inventory localities.
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geeigneten Lebensräume ist unzweckmäßig, dasie nicht das natürliche Potenzial eines Gebieteswiderspiegelt. Vor allem dann, wenn diesesdurch menschliche Nutzung bereits seit Jahr -hunderten überprägt ist und geeignete Lebens -räume auf größerer Fläche zu erwarten wären.Im Gegensatz dazu wären natürlicherweise großeTeilflächen der Schutzgebiete nicht als Lebens -raum für das Auerhuhn geeignet, z. B. sehr wüch-sige Bergmischwald-Standorte. Manche Standortesind auch aufgrund von Geländeeigenschaftensowohl als primärer als auch als sekundärerLebensraum auszuschließen. Die Bewertung derPopulations- und Habitatparameter erfolgt des-halb in vorab modellierten Suchräumen.
Die Modellierung dieser Suchräume beruhthierbei bewusst auf unbeeinflussbaren Gelände -parametern und nicht auf Waldstrukturparame -tern, um potenziell geeignete, aber derzeit un -günstig bestockte Flächen nicht auszuschließen,sondern mit zu erfassen.
Die Bewertung des Erhaltungszustandeserfolgt also in drei Schritten
1. Zunächst wird mithilfe eines GIS (Geoinfor -mationssystem) eine Modellierung anhandvon Geländeparametern, basierend auf bereitsbestätigten Schwellenwerten, durchgeführt.
2. Der modellierte „Suchraum“ wird nach ein-heitlicher Methode (s. u.) kartiert.
3. Die Ergebnisse der Kartierungen werden imTextteil des Managementplans ausgewertetund kartografisch dargestellt.
Modellierung. Für Habitatmodellierungen lassensich die Ansprüche des Auerhuhns grundsätzlichin Waldstrukturparameter (Bestandesalter, Über-schirmung, Baumarten, Schichtigkeit) und Gelän -de parameter (Hangneigung, Exposition, Höhen -lage) unterteilen. Da Daten zu den Waldstrukturen(noch) nicht flächendeckend vorliegen und auchals Auswahlkriterium für einen Suchraum nichtverwendet werden sollen, um potenzielle Habitatenicht von vornherein auszuschließen, werden beider Modellierung lediglich ganz unbewaldeteFlächen (außerhalb der Waldflächen des AmtlichTopografisch-Kartographischen Informa tions -
27Löffler & Lauterbach: Auerhühner in bayerischen SPA-Gebieten
Abb. 4. Klassifizierung der Lebensraumeignung anhand von Geländevariablen (Höhe, Hang nei gung,Exposition, mittlere Junitemperatur) für das Evaluierungsgebiet Mangfallgebirge, rot = schlecht,grün = gut. – Classification of habitat suitability by terrain variables (elevation, slope inclination, exposition,mean June temperature) for evaluation site Mangfallgebirge, red = bad quality, green = good quality.
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systems [ATKIS]) ausgeschlossen. Unbeein fluss -bare Geländeparameter bestimmen also einen„Suchraum“, dessen Größe und Struktur Rück -schlüsse auf die potenzielle und tatsächlicheHabitateignung erlauben.
Durch Einsatz eines GIS wurden diese Such -räume für jedes Gebiet modelliert. Für die vor2010 bearbeiteten, kleineren Gebiete (GroßerArber, Schneeberggebiet) ergab die Gelände -analyse, dass jeweils die gesamte SPA-Fläche denSuchraum darstellt, weil hier nur die geeignetenHochlagen in die Schutzgebietskulisse über-nommen wurden. Deshalb wurde dort jeweils diegesamte SPA-Fläche erfasst. In den großen Alpen -gebieten musste jedoch der Suchraum differen-ziert werden. In einem ersten Testlauf wurdenhier geeignete Geländeparameter aus der Literaturverwendet und gewichtet (Hangneigung, Gelän -de exposition, mittlere Junitemperatur, Höhe überNN, s. Graf et al. 2008). Das so bewertete poten-zielle Auerhuhnhabitat wurde in Güteklassen
unterteilt und die besten 10 (von 20) Klassen kar-tiert (Abb. 4). Nach einer Evaluierung dieser erstenSuchraumkulisse im Mangfallgebirge (Löffler2010) wurde diese verbessert und für alle fol-genden Gebiete in angepasster Form verwendet.Neben dem Ausschluss von Nicht-Wald-Flächen,Flächen in Geländeeinschnitten und zu steilenFlächen (Hangneigung > 35°, die vom Auerhuhndeutlich weniger genutzt werden [Storch 1999b]und zudem auch nur eingeschränkt begehbarwären), sind Höhenlage und Hangneigung nunflexible Eingangsgrößen, die je nach „zu kartie-render Fläche“ die Suchraumkulisse sukzessiveverkleinern. Entsprechend der Vorgaben derKartieranleitung (Lauterbach et al. 2010) werdenfestgelegte Prozentsätze (je nach Gebietsgröße10–30 %) der SPA-Gebietsfläche kartiert.
Kartiermethodik. Die Kartierung erfolgt ange-lehnt an die von Storch (1999a) empfohleneKartiermethodik. In dem durch die Modellierung
28 Ornithol. Anz., 53, 2014
Abb. 5. Auerhuhn-Vorranggebiete und -Nachweise in einem Ausschnitt der bayerischen Alpen. –Capercaillie core areas and presences in an alpine region of Bavaria.
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festgelegten Suchraum wird ein Raster von 200 x200 m gelegt. An den Rasterpunkten erfolgt eine5-minütige Nachweissuche im 5-m-Radius (ge -sucht werden indirekte Nachweise wie Federnoder Kot) und anschließend eine Erfassung derLebensraumparameter im 20-m-Radius (Über-schirmung, Schichtigkeit, Baumarten, Ameisen -haufen, Beeinträchtigungen, s. Abb. 3, Erfas -sungs proto koll). Die Kartierungen erfolgen inden Monaten Ende Juli bis Oktober, da nach derMauser und mit beginnender Auflösung derFamilienverbände die meisten indirekten Nach -weise zu erwarten sind. Um den Infor mations -gehalt der Bestandskarten im Managementplanzu erhöhen, werden auch sämtliche zusätzlicheNachweise, die auf dem Weg zwischen denInven turpunkten oder im Zuge der Kartierungender anderen Vogelarten oder Schutzgüter er -bracht werden, ebenfalls kartografisch festge-halten. Die Nachweis-Punktewolken geben einenguten Überblick zu den Verbreitungs schwer -punkten innerhalb eines Gebietes. Zur Bewertungder Population und zur Vergleichbarkeit zwi-schen den Gebieten wird jedoch nur die Akti vi -täts dichte (beruhend auf den Nachweisen inner-halb der Inventurkreise) herangezogen. DieAktivitäts dichte entspricht dem Prozentsatz derInven tur punkte mit Nachweis im 5-m-Radius(Bewertung s. Tab. 2)
Durch die einheitliche Erfassungsmethodesind die Ergebnisse sowohl zwischen den Ge -bieten vergleichbar als auch für ein Monitoringan denselben Punkten wiederholbar.
Ergebnisse der Aufnahmen
Bei der nachfolgenden Ergebnisdarstellung wer -den von den 10 bislang bearbeiteten Gebieten dieVogelschutzgebiete DE6533-471 NürnbergerReichs wald, DE6946-301 Nationalpark Baye -rischer Wald und DE8136-306 Taubenberg nichtmit einbezogen. Im Nürnberger Reichswald konn -ten im Zuge der Kartierungen aktuelle Art nach -weise, darunter sogar ein Reproduktionsnachweis(Gesperre mit Henne und Küken), erbracht wer -den. Die rezenten Nachweise bestehen jedoch aussehr wenigen Einzelfunden. Gleichzeitig sind his-torische Nachweise und ehemals von der Artgenutzte Waldorte dort sehr gut dokumentiert.Deshalb wurde hier auf eine flächige Raster kar -tierung verzichtet. Im Nationalpark BayerischerWald gab es bis zum Jahr 2000 ein Auerhuhn -schutzprojekt, dessen Inhalte für die Bewertung
des Erhaltungszustandes herangezogen werdenkonnten (Scherzinger 2003). Am Taubenberg er -scheint aufgrund fehlender großflächiger Habitat -strukturen und fehlender Artnachweise die Eta -blierung einer kleinen Teilpopulation unmöglich.
Nachweise. Insgesamt konnten an 3.782 Inven -turpunkten 184 direkte und indirekte (Abb. 3)Artnachweise an den Inventurpunkten undzusätzlich 511 Nachweise benachbart