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05 der Freitag | Nr. 35 | 30. August 2012 der Freitag | Nr. 35 | 30. August 2012 04 ILLUSTRATION: DER FREITAG, MATERIAL: JEWEL SAMAD/AFP/GETTY IMAGES, FOTOLIA, ISTOCKPHOTO Wochenthema Schon verloren Selbst wenn Barack Obama gewinnt: Die Republikaner haben das Land fest im Griff Wochenthema Mehr zu unseren aktuellen und vergangenen Wochen- themen finden Sie online auf freitag.de/wochenthema No, you can’t Wahl 2012 Die Demokraten haben in allen großen Fragen den Republikanern das Feld überlassen müssen. Da ist es fast schon egal, ob Barack Obama noch einmal Präsident wird Matthias Dell I ch bin Republikaner in vierter Genera- tion“, ist einer der ersten Sätze, die James Baughman sagt, um fast seuf- zend anzufügen: „Es ist eine harte Zeit.“ Nicht nur wegen des Verweises auf die Fa- miliengeschichte wirkt Baughman, Jahr- gang 1952, wie ein Mann aus einer ande- ren Epoche. Man merkt ihm an, dass er Lust hat an der Auseinandersetzung, dazu aber Respekt für den politischen Gegner rechnet. Eine Tugend, die an das alte Ame- rika erinnert; in Filmen würden solche Fi- guren von Tommy Lee Jones gespielt. Baughman ist Journalistikprofessor an der Universität von Wisconsin-Madison. Als Ort für eine Begegnung hat er ein Café vorgeschlagen, nicht sein Büro, was den Gegenstand, um den es gehen soll, schon bedeutet: der Zustand einer medial ver- mittelten Öffentlichkeit in den USA. Diese Öffentlichkeit ist fragmentiert, was für den Erfolg der Tea Party als politi- scher Drückerkolonne von der Straße eine Bedingung ist. Fragt man Tea-Party- Aktivisten nach ihren Rezeptionsgewohn- heiten, ihrer nachrichtlichen Grundver- sorgung, hört man von populären Radio- talkern, selektiven Mailinglisten, obskuren Internetseiten und Murdochs Fernsehsen- der Fox News. Die magischen Kanäle Dadurch wird eine Realität sichtbar, von der in theoretischen Modellen selten aus- gegangen wird: Dass die Bürger das Ende einer Öffentlichkeit mit einigen wenigen, autoritären journalistischen Leitmedien eben nicht nutzen, um sich noch breiter und umfassender zu informieren, son- dern sich einen Korridor errichten, in dem nur Platz hat, was die eigene Welt- sicht bestärkt, auch wenn es mit der fakti- Unfairness Die fragmentierte Öffentlichkeit als Voraussetzung für den Erfolg der Tea Party. Über eine Begegnung mit dem alten Amerika Kuchen am Stück Verena Schmitt-Roschmann M itt Romney? „Das macht mich nicht glücklich“, sagt Jorge Landi- var. „Aber immerhin werde ich auch nicht mehr jeden Tag zum Himmel schreien.“ Der 29-jährige Texaner sitzt in Jeans, rotem Polohemd und mit einem Cowboyhut auf dem Kopf im Block seiner Delegation links vom Podium des Tampa Bay Times Forum und erklärt sehr ernst- haſt und freundlich, warum der Präsident- schaſtskandidat der Republikaner eigent- lich zu liberal ist. Landivars Mann ist Ron Paul, der libertä- re Außenseiter, der das Billionen-Dollar- Loch im US-Haushalt in nur zwei Jahren stopfen und dafür die halbe Regierung ab- schaffen will – der Abgeordnete aus Texas, den sie den Mentor der Tea Party Bewe- gung nennen. Ihm fühlt sich Landivar als Delegierter auf dem Parteitag der Republi- kaner verpflichtet, und es regt ihn auf, dass der Mann dort keine faire Chance bekom- men hat. Aber sei’s drum. Alles immer noch besser als das tägliche Grauen: „Obama ist schrecklich“, sagt Landivar mit Inbrunst. „Er ist einfach nur schrecklich.“ So also ist die Lage. Die Republikaner ha- ben einen ungelenken und ungeliebten Kandidaten, dem die dreitägige, vom Sturm „Isaac“ durcheinandergewirbelte Krö- nungsmesse in Florida irgendwie Schub für das große Duell mit Präsident Barack Oba- ma im November geben soll. Die Partei be- müht dafür ziemlich großzügig die Abtei- lung Pathos und stilisiert die Wahl zur „wichtigsten in der Geschichte der Nation“– so sagt es die Parteivizechefin Sharon Day in ihrer Eröffnungsrede. Die Demokraten werden nächste Woche dasselbe Spektakel für Obama inszenieren, um dessen enttäuschte Wähler noch ein- mal rumzukriegen. In Deutschland erreich- te der Demokrat in einer Forsa-Umfrage zuletzt 86 Prozent Zustimmung. Zuhause kann Obama davon nur träumen. Nach der neuesten Erhebung von Washington Post und ABC News liegt Romney bei 47 Prozent der Stimmen, Obama bei 46. Der Staat als Feind Den gut 2.000 Delegierten der Republika- ner begegnet ihr Kandidat in der blau-roten Parteitagsarena zunächst nur auf den riesi- gen Bildschirmen – mit der nicht gerade vielschichtigen Botschaft: „Ich bin Mitt Romney. Ich glaube an Amerika. Und ich will Präsident werden.“ Die Begeisterung ist, nun ja: verhalten. Die Partei führt mit dem 65-jährigen Ex-Gouverneur von Massachu- setts eine Vernunſtehe. Die Leidenschaſt hebt sie sich auf für einen anderen: den Vi- zepräsidentschaſtskandidaten Paul Ryan. Als Romney den 42-jährigen Kongressab- geordneten aus Wisconsin Mitte August benannte, herrschte allseits großes Stau- nen. Der Haushaltsexperte hat sich mit sei- nem „Ryan Budget“ als Liebling der Tea Party profiliert, als strammer Staats- und Wohlfahrts-Verächter, der den US-Haushalt ebenso radikal zusammenstreichen will wie die Steuerlast von Unternehmen und Gutverdienern. Wie passt so einer zu Rom- ney, der bisher immer auf die Wechselwäh- ler in der Mitte schielte? Doch die Rechnung des Präsidentschaſts- kandidaten geht inzwischen anders: Was wirklich zählt, ist die Mobilisierung der Parteitag Die Republikaner stehen ohne Leidenschaſt zu ihrem Spitzenkandidaten. Er ist ihnen nicht radikal genug Dem bösen Staat das Handwerk legen konservativen Basis. Und die ist auf Krawall gebürstet, wie sich auch auf dem Parteitag zeigt: Im Streit über den Einfluss des rech- ten Flügels gibt es zeitweise Buhrufe und Protestgeschrei inmitten der ansonsten so prächtig inszenierten Harmonie. Romney muss dem radikalen Rand etwas bieten, und die Botschaſt ist dort auch angekom- men. „Dass er Ryan ausgewählt hat, war ein cleverer Schachzug, um Reagan-Republika- ner wie mich auf seine Seite zu ziehen“, sagt zum Beispiel Edward Matthias, Ersatz- delegierter aus Pennsylvania, bevor er sich im Parteitagsshop die Romney-iPhone- Schutzhüllen für 40 Dollar anschaut. Proteste nur am Stadtrand Der Journalist Joel Achenbach formulierte es in der Washington Post so: „Ryan speist die volle Koffein-Dosis Ideologie in die Prä- sidentschaftskandidatur ein.“ Im Kern heißt diese Ideologie: Der Staat ist der Feind, der den Bürgern das Leben schwer macht. Drumherum drapiert sich die kon- servative Sehnsucht, die verhassten gesell- schaſtlichen Reformen der letzten Jahr- zehnte irgendwie zurückzudrehen. Das Recht auf Abtreibung? Noch vor zehn Jahren setzte sich Romney dafür ein, Frau- en die Wahl zu lassen. Nun steht ein strik- tes Abtreibungsverbot auf der republikani- schen Agenda. Homoehe? Einst eierte Romney noch herum, als es um die Rechte gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ging. Jetzt will er sich für ein verfassungs- rechtliches Verbot einsetzen. Klimaschutz? Als Gouverneur von Massachusetts ver- handelte Romney monatelang über ein re- gionales Emissionshandelssystem. Jetzt lehnt er es strikt ab und zweifelt wie Ryan öffentlich am menschlichen Zutun zur glo- balen Erwärmung. Und so weiter: Obamas Gesundheitsreform? Widerrufen. Kranken- versicherung für Senioren? Privatisieren. Steuern? Runter. Waffenrechte einschrän- ken? Niemals. Kurios an der Idee vom bösen, kraken- haften Staat ist nur, dass sie bisweilen schon an der nächsten Ecke endet – in die- sem Fall ein paar Meter vor dem Tampa Bay Times Forum. Dort hat der verpönte Staat Barrikaden auauen lassen, um die Partei- veranstaltung zu schützen. „Anarchisten“ sollen Übergriffe planen. Und zur Abwehr gibt es nicht nur eine, sondern gleich drei Verteidigungslinien mit Straßensperren, Gitterzäunen, Betonbarrieren und quer ge- stellten Lastwagen. Gesichert werden die Absperrungen von sechs, sieben verschiedenen Sorten Sicher- heitskräſten – von der normalen Polizei, die zum Teil auf Fahrrädern durch die aus- gestorbenen Straßen der tropisch damp- fenden Küstenstadt patrouilliert, über State Troopers, FBI, Secret Service, die National- garde, Anti-Terror-Spezialisten der Critical Intervention Services und Uniformierte des Department of Homeland Security. Lei- se schleicht sich der Gedanke ein, der si- cherheitsstaatliche Krake habe in diesem Fall tatsächlich ein paar Arme zu viel. „Die haben sich auf einen Krieg vorberei- tet“, meint jedenfalls Rick Bishop, der sich vielleicht hundert Meter vor dem ersten Kontrollpunkt ganz alleine mit einem Pla- kat aufgebaut hat. „You’re not welcome here!“ hält er den Republikanern entgegen: Wir wollen euch hier nicht! Ansonsten ver- hält sich Bishop – der sich selbst als Ange- höriger der 1-Prozent-Millionärsschicht beschreibt und als glühender Obama-Fan outet – möglichst unauffällig. Der Unifor- mierte an der Straßenecke schaut immer mal zu ihm rüber, lässt ihn aber fürs erste dort gewähren. Ganz im Gegensatz zu den Aktivisten von resistRNC.org und Occupy, die sich mit ihren Zelten weit ab vom Zentrum hinter dem Busbahnhof niederlassen mussten. Täglich formieren sich von dort Demonst- rationen zu einer offiziell erlaubten „Pro- testzone“ hinter dem Kongresszentrum, wo garantiert kein Republikaner etwas von den Forderungen nach Jobs und Wohnun- gen oder dem Slogan „Kapitalismus ist Kannibalismus“ mitbekommt. „Wir marschieren, und niemand merkt es“, meint Gregory Walker, ein 25-Jähriger aus Connecticut. „Das macht nicht so viel Spaß.“ Andererseits sieht er das mit dem Protest ziemlich locker, er findet das ganze politische System sowieso korrupt und ab- surd. Romney oder Obama? „Hey, das ist so was von egal!“, sagt Gregory. „Für mich macht das nicht den geringsten Unter- schied.“ Angetrieben werden die Republikaner vom Verlangen, die verhassten Reformen zurückzudrehen schen Welt nichts zu tun hat. Diese Kanäle sind tatsächlich magisch. Man sollte meinen, sagt Baughman, dass der Mensch nicht Lust hat, immer nur Kuchen zu essen, sondern auch ein- mal Obst oder Gemüse. Der Blick auf die eingeschränkte Medienwahrnehmung der Tea-Party-Aktivisten korrigiert die Annah- me: „Es ist wohl so, dass viele Kuchen be- vorzugen.“ Das Internet ist das Werkzeug, das die Fragmentierung nach eigenem Gusto sichtbar und praktikabel macht. Die Geschichte dazu ist aber älter. Baughman verweist auf zwei Einschnitte in der jüngeren US-amerikanischen Me- diengeschichte. 1987 schae die Federal Communications Commission (FCC), die Zulassungsbehörde für Radio und Fernse- hen, die sogenannte Fairness-Doktrin ab. Bis dahin wurden Lizenzen an Sender nur vergeben, wenn sie ausgewogen berichte- ten, verschiedene politische Sichten auf einen Gegenstand reportierten. Der Kon- gress versuchte, die Doktrin wieder einzu- führen, aber Präsident Ronald Reagan legte sein Veto ein. Dabei befürchteten damals nicht wenige Konservative, so Baughman, dass der Wegfall der Regelung vor allem linke Talkradios hervorbringen würde. Das Gegenteil ist eingetreten, der Boden für Moderatoren vom Schlage Rush Lim- baughs wurde bereitet, und Baughman hat bis heute keine Antwort darauf, warum es unter den bedeutsamen Talkradios keine populäre linke Stimme gibt. Im globalen Ohio Die zweite Neuerung war die Gründung des TV-Senders Fox News 1996 mit Roger Ailes an der Spitze, dem einstigen Medi- enberater von Nixon, Reagan und Bush senior. Ailes‘ Modell war aus kommerziel- ler Sicht brillant, sagt Baughman, er führ- te als Unterscheidungsmerkmal zwischen Fernsehstationen Parteilichkeit ein, Ideo- logie. „Ailes selbst würde das verneinen, aber er hat es getan.“ Das Resultat sind die verzerrten Rück- kopplungseffekte zwischen Publikum und Sendern, die sich gegenseitig ihrer Ansich- ten versichern. Die seriöse New York Times gilt im Umkehrschluss den Tea-Party-An- hängern als Lügenblatt und kommt in de- ren Erzählungen nur vor, wenn sie die Po- pularität der eigenen Bewegung erwähnt. So landet man am Ende der Begegnung mit Baughman noch einmal im alten Amerika. In meiner Heimatstadt Cleve- land in Ohio, erählt er, gab es einen be- kannten Baseballspieler, Bob Feller. „Feller war eine erzkonservative Marie-Antoinet- te, aber er las bis ins hohe Alter jeden Tag die New York Times.“ Und sei es nur, um sich darüber aufzuregen. Der Autor wurde gefördert von der Otto- Brenner-Stiſtung und Netzwerk Recherche Thomas Greven W enn das aus Bill Clin- tons Wahlkampf be- kannte Diktum „It’s the economy, stupid!“ auch 2012 gilt, dann hat Ba- rack Obama die Präsidentschaftswahl schon verloren. Denn in den USA liegt die Arbeitslosigkeit derzeit bei acht Prozent. Der Republikaner Mitt Romney kann die Wahl eigentlich nur noch selbst verlieren. Mit der Nominierung des konservativen Hardliners Paul Ryan zum Kandidaten für die Vizepräsidentschaſt ist allerdings eine Richtungswahl wahrscheinlicher gewor- den. Die Abstimmung über die Wirt- schaſtslage und Obamas Leistung tritt da- gegen in den Hintergrund. Sollte sich an der gleichgültigen oder gar ablehenden Wahrnehmung Romneys nichts ändern, trotz der Millionen von Dollar, die derzeit von seinen Wahlkämpfern dafür einge- setzt werden, sein Image zu verbessern, wird Obama die Wahl wohl knapp gewin- nen. Was würde Obama mit einer zweiten Amtszeit anfangen? Eines ist sicher: Es wird keine weitere Enttäuschungsfalle geben. Obamas Anhän- ger sind ernüchtert, insbesondere diejeni- gen, die ihn für einen Linken oder gar ei- nen Heilsbringer gehalten haben. Es hat sich gezeigt, dass die von Obama aufgebau- te Grassroots-Organisation nicht als Unter- bau für den versprochenen gesellschaſtli- chen Wandel gedacht war, sondern für die Wiederwahl. Und trotz Friedensnobelpreis ist Obama eben Präsident einer Weltmacht, Drohnenangriffe inklusive. Der politische Gegner sieht in Obama gleichwohl unverdrossen einen Extremis- ten. Die Polarisierung der US-Gesellschaſt hat sich durch Obamas historischen Wahl- sieg 2008 noch verschärſt. Nicht weil der Präsident es inhaltlich oder im Stil darauf angelegt hätte, sondern weil er verkörpert, womit die Republikaner seit den späten sechziger Jahren ihre Politik der Angst ma- chen: Die Ansprüche von Minderheiten auf gesellschaſtliche, politische und wirtschaſt- liche Teilhabe – und ihre wachsende Bedeu- tung im Land. Für 2050 wird prognostiziert, dass die Summe der Minderheiten die Zahl der weißen Amerikaner übersteigt. Der Aufruf der konservativen Tea-Party-Anhän- ger lautet schon jetzt: „Wir wollen unser Land zurück.“ Verdrängte Demokraten Die Polarisierung des Landes beruht letzt- lich nicht auf starken programmatischen Kontrasten zwischen den Parteien. Sie ist vielmehr das Ergebnis einer hegemonialen Spaltungsstrategie der Republikaner und der gleichzeitigen strategischen und pro- grammatischen Schwäche der Demokra- ten. Während Letztere sich auf Wahlsiege und die Verteidigung von Resten des Wohl- fahrtsstaats verlegten, bauten die Republi- kaner gezielt eine landesweite Infrastruk- tur von Stiſtungen, Think Tanks und ande- ren Instituten auf, um die Hegemonie des verhassten New Deals zu überwinden. Geld floss und fließt reichlich von denen, die an niedrigen Steuern und geringer staatlicher Regulierung interessiert sind. Doch die nö- tigen Wählerstimmen konnten letztlich nur durch den Aufruf von Vorbehalten der weißen (Noch-)Mehrheitsbevölkerung ge- genüber den Ansprüchen von Minderhei- ten gewonnen werden, zunächst im Süden der USA, dann in den Vorstädten, nun überall. Heute hat sich diese rechtspopulistische Strategie so verselbstständigt, dass die Re- publikaner von den Stimmen gerade der weißen Arbeiter- und unteren Mittelschich- ten (also denen ohne College-Abschluss und mit Jahreshaushaltseinkommen zwi- schen 30.000 und 100.000 Dollar), die von der Wirtschafts-, Sozial- und vor allem Steuerpolitik der Demokraten profitieren würden, abhängig sind. Die USA steuern damit auf ein ethnisch polarisiertes Zwei- parteiensystem zu, wenn es den Demokra- ten nicht gelingt, die weißen Arbeiter- und untere Mittelschichten jenseits der gewerk- schaftlich organisierten Wähler wirt- schaſts- und sozialpolitisch stärker anzu- sprechen. Die erste Amtszeit Barack Obamas zeig- te ebenso eindrücklich die Hegemonie der Republikaner wie die strategische Schwä- che der Demokraten. Trotz anfänglich kla- rer Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses, die jegliche Blockadeversuche der Republikaner im Senat hätten zunichtemachen können, fehlte den De- mokraten ebenso die Geschlossenheit wie eine gemeinsame Agenda. Sie verfügten auch nicht über ein wirkliches Mandat der Wähler. Denn diese hatten unter dem Ein- druck der Finanzkrise vor allem die de- saströse Regierung von George W. Bush abgestraſt. Trotzdem war aber die Gele- genheit da, bespielsweise mit einer Re- form des Arbeitsrechts, die Kräſteverhält- nisse zugunsten der Gewerkschaſten, ohne die die Demokraten kaum eine Wahl ge- winnen könnten, zu verschieben und da- mit auch die extrem wachsende soziale Ungleichheit zu bändigen. Doch es reichte schon der Widerstand einer einzigen de- mokratischen Senatorin aus Arkansas, dem Hauptsitz des gewerkschaſtsfeindli- chen Konzerns WalMart, um das Vorhaben zu verhindern. Aber was ist mit der Gesundheitsreform, war das nicht eine historische Leistung? Tatsächlich ist die Reform das beste (wenn auch paradoxe) Beispiel für die Hegemonie der Republikaner: Die Verpflichtung für je- den, eine Krankenversicherung abzuschlie- ßen, war ursprünglich, wie fast das gesam- te Reformkonzept, eine Idee der konserva- tiven Heritage Foundation. Ziel war, die von den Demokraten geforderte Verpflich- tung für alle Arbeitgeber, ihren Beschäſtig- ten eine Krankenversicherung anzubieten, politisch abzuwehren. In den achtziger Jah- ren opponierten die Demokraten gegen die Pläne der Republikaner. Noch im Vorwahl- kampf 2008 lehnte Obama das Konzept ab, änderte seine Haltung aber, nachdem man ihm vorrechnete, dass es anders nicht gin- ge. Nun, da die Gesundheitsreform be- schlossen worden ist, bringt sie den priva- ten Versicherungsunternehmen – Klientel der Republikaner – Millionen neuer Kun- den. Die Ausdehnung von Medicare oder eine andere Form einer gesetzlichen Ge- sundheitsvorsorge wurde dagegen noch nicht einmal diskutiert. Die Republikaner haben in wesentlichen Fragen der Wirt- schaſts-, Finanz- und Sozialpolitik die poli- tischen und intellektuellen Auseinander- setzungen gewonnen. Amerikanische Poli- tik findet inzwischen auf ihrem diskursiven Terrain statt. In manchen Politikbereichen müssen die Republikaner nur warten: Selbst wenn sie die Privatisierungen von Social Security und Medicare kurzfristig nicht durchsetzen können: Solange die Finanzierungsgrund- lagen nicht an veränderte Einkommensbe- dingungen und demografische Verhältnis- se angepasst werden, laufen die altehrwür- digen Programme unaualtsam auf ihre eigene Finanzierungskrise zu – und damit auf ihr Scheitern. Trotz dieser republikanischen Hegemo- nie in zentralen Politikbereichen gibt es wichtige Unterschiede zwischen den Par- teien und den Kandidaten, die für viele Bürger der USA (gerade für diejenigen, die tendenziell gegen ihre ökonomischen Inte- ressen abstimmen werden) wichtig sind, und die auch weltpolitisch relevant sind. Was will, was kann Obama mit einer zwei- ten Amtszeit anfangen? Da die Republikaner ihre Mehrheit im US-Repräsentantenhaus, das zur Hälſte neu gewählt wird, fast sicher verteidigen und auch die Tea-Party-Anhänger gestärkt sein werden, wird sich die Blockade in Washing- ton fortsetzen. Die größere Kompromisslo- sigkeit und klarere Richtung, die Obama im Wahlkampf zeigt, würde also möglicher- weise zu wenig führen, selbst wenn er die- sen Kurs nach der Wahl fortsetzte. In einem System, welches institutionell darauf aus- gerichtet ist, das Regieren zu erschweren, dazu noch im Kontext einer von Staats- skepsis geprägten politischen Kultur, kann die Kompromissunfähigkeit der gewählten Repräsentanten das Land schnell in eine Situation der Unregierbarkeit bringen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass auch in der Haushaltsdebatte 2013 wieder Präsi- dent, Demokraten und kompromissbereite Republikaner – und mit ihnen das Land und seine Kreditwürdigkeit – von den von der Tea Party unterstützten Volksvertretern sowie von den radikalen Feinden jeglicher Steuererhöhung in ideologische Geiselhaſt genommen werden. Kleinteilige Reformen Institutionelle Reformen helfen hier nicht. Es bedarf vielmehr einer grundsätzlichen Debatte über die gemeinsamen kulturellen Grundlagen und Werte der amerikanischen Demokratie. Ihr großes tragisches Thema, der Rassismus, darf dabei nicht ausgespart werden. Barack Obama hat die Chance bis- her verpasst, diese Debatte zu führen. Viel- leicht wird er, von der Last einer erneuten Wiederwahl befreit, diese Tür aufstoßen. Aber es bleibt abzuwarten, ob ihm über- haupt jemand zuhören würde. Das Urteil des Supreme Court zur Ge- sundheitsreform hat den Präsidenten ge- stärkt, sein wichtigstes Projekt der ersten Amtszeit hat überlebt. Allerdings steckt der Teufel im Detail der Urteilsbegründung. Und es gibt durchaus weitere Blockade- möglichkeiten in den einzelnen Bundes- staaten. Immerhin setzen auch einige Gou- verneure der Republikaner die Reform pragmatisch um, wenn auch wohl nur, um nicht am Ende vom Bund vorgeschrieben zu bekommen, was sie zu tun haben. Die großen Sozialprogramme (und insgesamt der Bundeshaushalt) brauchen aber Ein- nahmereformen. Diese sind derzeit aber nicht durchsetzbar. Obama blieben – wie Clinton in seiner zweiten Amtszeit – nur kleinteilige Reformen. Obwohl Obama sich eine gewisse Frei- heit von der Wall Street erarbeitet hat, hat er ihren Vertretern die Krisenlösung weit- gehend überlassen. Dies wird sich nur un- ter gesellschaſtlichem Druck ändern. Es muss aber bezweifelt werden, ob die Occu- py-Bewegung dazu in der Lage ist. Sie wirkt zu richtungslos und hält sich Wahlkampf 2012 sehr stark zurück. Obama hat mit der Rettung der Autoindustrie gepunktet, und da das verarbeitende Gewerbe derzeit ein kleines Comeback erlebt (auch wegen stei- gender Transportkosten und Löhne in Chi- na), kann er hier möglicherweise gestal- tend eingreifen. Grundsätzliche Fragen wie die skandalöse Ungleichheit und die gestiegene Armut werden weiterhin schwer zu fassen sein, weil sie genau an der Schnittstelle der polarisierten Partei- politik liegen. Dazu gehören die kodierten Vorbehalte von Teilen der weißen Bevölke- rung gegenüber den „anderen“ – und da- mit denjenigen, welche die Hilfe der Ge- sellschaſt nicht verdient haben. Obama wird kaum mehr tun können, als (endlich) eine breite gesellschaſtliche De- batte zu eröffnen. Wirklicher Wandel kann nur durch Druck von unten erzwungen werden, aber die Gewerkschaſten und an- dere Organisationen sind derzeit zu schwach, diesen zu erzeugen. Thomas Greven ist Dozent am Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin Obama müsste neue Debatten anstoßen. Aber es ist fraglich, ob ihm noch jemand zuhört ILLUSTRATION: DER FREITAG, MATERIAL: JEWEL SAMAD/AFP/GE TTY I Y Y Y Y Y Y Y Y MAGES, FOTOLIA, ISTOCKPHOTO Ö Unfairness Die fragmentierte Öffentlichkeit als Voraussetzung für den Erfolg der Tea Party. Über eine Begegnung mit dem alten Amerika Verena Schmitt-Roschmann itt Romney? „Das macht mic nicht glücklich“, sagt Jorge Land var. „Aber immerhin werde ic auch nicht mehr jeden Tag zum Himme schreien.“ Der 29-jährige Texaner sitzt i Jeans, rotem Polohemd und mit einem Cowboyhut auf dem Kopf im Block seine Delegation links vom Podium des Tamp Bay Times Forum und erklärt sehr erns haſt und freundlich, warum der Präsiden schaſtskandidat der Republikaner eigen lich zu liberal ist. Landivars Mann ist Ron Paul, der libertä re Außenseiter, der das Billionen-Dolla Loch im US-Haushalt in nur zwei Jahre stopfen und dafür die halbe Regierung ab schaffen will – der Abgeordnete aus Texa den sie den Mentor der Tea Party Bewe gung nennen. Ihm fühlt sich Landivar a Delegierter auf dem Parteitag der Republ kaner verpflichtet, und es regt ihn auf, das der Mann dort keine faire Chance bekom men hat. Aber sei’s drum. Alles immer noc besser als das tägliche Grauen: „Obama i schrecklich“, sagt Landivar mit Inbruns „Er ist einfach nur schrecklich.“ So also ist die Lage. Die Republikaner ha ben einen ungelenken und ungeliebte Kandidaten, dem die dreitägige, vom Sturm „Isaac“ durcheinandergewirbelte Krö nungsmesse in Florida irgendwie Schub fü das große Duell mit Präsident Barack Oba ma im November geben soll. Die Partei be müht dafür ziemlich großzügig die Abte lung Pathos und stilisiert die Wahl zu „wichtigsten in der Geschichte der Nation“ so sagt es die Parteivizechefin Sharon Da in ihrer Eröffnungsrede. Die Demokraten werden nächste Woch dasselbe Spektakel für Obama inszenieren um dessen enttäuschte Wähler noch ein mal rumzukriegen. In Deutschland erreich te der Demokrat in einer Forsa-Umfrag zuletzt 86 Prozent Zustimmung. Zuhaus kann Obama davon nur träumen. Nach de neuesten Erhebung von Washington Pos und ABC News liegt Romney bei 47 Prozen der Stimmen, Obama bei 46. Der Staat als Feind Den gut 2.000 Delegierten der Republika ner begegnet ihr Kandidat in der blau-rote Parteitagsarena zunächst nur auf den ries gen Bildschirmen – mit der nicht gerad Parteitag Die Republikaner stehen ohne Leidenschaſt zu ihrem Spitzenkandidaten. Er ist ihnen nicht radikal genug Angetrieben werden die Republikaner vom Verlangen, die verhassten Reformen zurückzudrehen chen ellen chen ema, spart e bis- Viel- uten oßen. über- r Ge- n ge- rsten kt der dung. kade- ndes- Gou- form r, um eben . Die samt Ein- aber – wie – nur Frei- t, hat weit- r un- n. Es Occu- wirkt ampf t der und t ein stei- der Freitag | Nr. 35 reitag | Nr. 35 | 30 . August 2012 d t wird en) wichtig s ch relevant s a mit einer z hre Mehrhei as zur Hälſte verteidigen ger gestärkt kade in Wash e Kompromi ng, die Obam also möglic lbst wenn er rtsetzte. In ei onell darauf n zu erschwe iner von Sta hen Kultur, k eit der gewäh d schnell in rkeit bringen ch, dass auc 13 wieder P mpromissbe ihnen das L eit – von den n Volksvertre Feinden jegli gische Geise men helfen hier n sind, sind. zwei- it im e neu und sein hing- isslo- ma im cher- r die- inem aus- eren, aats- kann hlten eine n. Es ch in Präsi- ereite Land n von etern icher lhanicht.

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Matthias Dell ■

Ich bin Republikaner in vierter Genera-tion“, ist einer der ersten Sätze, die James Baughman sagt, um fast seuf-

zend anzufügen: „Es ist eine harte Zeit.“ Nicht nur wegen des Verweises auf die Fa-miliengeschichte wirkt Baughman, Jahr-gang 1952, wie ein Mann aus einer ande-ren Epoche. Man merkt ihm an, dass er Lust hat an der Auseinandersetzung, dazu aber Respekt für den politischen Gegner rechnet. Eine Tugend, die an das alte Ame-rika erinnert; in Filmen würden solche Fi-guren von Tommy Lee Jones gespielt.

Baughman ist Journalistikprofessor an der Universität von Wisconsin-Madison. Als Ort für eine Begegnung hat er ein Café vorgeschlagen, nicht sein Büro, was den Gegenstand, um den es gehen soll, schon bedeutet: der Zustand einer medial ver-mittelten Öff entlichkeit in den USA.

Diese Öff entlichkeit ist fragmentiert, was für den Erfolg der Tea Party als politi-scher Drückerkolonne von der Straße eine Bedingung ist. Fragt man Tea-Party- Aktivisten nach ihren Rezeptionsgewohn-heiten, ihrer nachrichtlichen Grundver-sorgung, hört man von populären Radio-talkern, selektiven Mailinglisten, obskuren Internetseiten und Murdochs Fernsehsen-der Fox News.

Die magischen Kanäle

Dadurch wird eine Realität sichtbar, von der in theoretischen Modellen selten aus-gegangen wird: Dass die Bürger das Ende einer Öff entlichkeit mit einigen wenigen, autoritären journalistischen Leitmedien eben nicht nutzen, um sich noch breiter und umfassender zu informieren, son-dern sich einen Korridor errichten, in dem nur Platz hat, was die eigene Welt-sicht bestärkt, auch wenn es mit der fakti-

Unfairness Die fragmentierte Öff entlichkeit als Voraussetzung für den Erfolg der Tea Party. Über eine Begegnung mit dem alten Amerika

Kuchen am Stück

Verena Schmitt-Roschmann ■

Mitt Romney? „Das macht mich nicht glücklich“, sagt Jorge Landi-var. „Aber immerhin werde ich

auch nicht mehr jeden Tag zum Himmel schreien.“ Der 29-jährige Texaner sitzt in Jeans, rotem Polohemd und mit einem Cowboyhut auf dem Kopf im Block seiner Delegation links vom Podium des Tampa Bay Times Forum und erklärt sehr ernst-haft und freundlich, warum der Präsident-schaft skandidat der Republikaner eigent-lich zu liberal ist.

Landivars Mann ist Ron Paul, der libertä-re Außenseiter, der das Billionen-Dollar-Loch im US-Haushalt in nur zwei Jahren stopfen und dafür die halbe Regierung ab-schaff en will – der Abgeordnete aus Texas, den sie den Mentor der Tea Party Bewe-gung nennen. Ihm fühlt sich Landivar als Delegierter auf dem Parteitag der Republi-kaner verpfl ichtet, und es regt ihn auf, dass der Mann dort keine faire Chance bekom-men hat. Aber sei’s drum. Alles immer noch besser als das tägliche Grauen: „Obama ist schrecklich“, sagt Landivar mit Inbrunst. „Er ist einfach nur schrecklich.“

So also ist die Lage. Die Republikaner ha-ben einen ungelenken und ungeliebten Kandidaten, dem die dreitägige, vom Sturm „Isaac“ durcheinandergewirbelte Krö-nungsmesse in Florida irgendwie Schub für das große Duell mit Präsident Barack Oba-ma im November geben soll. Die Partei be-müht dafür ziemlich großzügig die Abtei-lung Pathos und stilisiert die Wahl zur „wichtigsten in der Geschichte der Nation“– so sagt es die Parteivizechefi n Sharon Day in ihrer Eröff nungsrede.

Die Demokraten werden nächste Woche dasselbe Spektakel für Obama inszenieren, um dessen enttäuschte Wähler noch ein-mal rumzukriegen. In Deutschland erreich-te der Demokrat in einer Forsa-Umfrage zuletzt 86 Prozent Zustimmung. Zuhause kann Obama davon nur träumen. Nach der neuesten Erhebung von Washington Post und ABC News liegt Romney bei 47 Prozent der Stimmen, Obama bei 46.

Der Staat als Feind

Den gut 2.000 Delegierten der Republika-ner begegnet ihr Kandidat in der blau-roten Parteitagsarena zunächst nur auf den riesi-gen Bildschirmen – mit der nicht gerade vielschichtigen Botschaft: „Ich bin Mitt Romney. Ich glaube an Amerika. Und ich will Präsident werden.“ Die Begeisterung ist, nun ja: verhalten. Die Partei führt mit dem 65-jährigen Ex-Gouverneur von Massachu-setts eine Vernunft ehe. Die Leidenschaft hebt sie sich auf für einen anderen: den Vi-zepräsidentschaft skandidaten Paul Ryan.

Als Romney den 42-jährigen Kongressab-geordneten aus Wisconsin Mitte August benannte, herrschte allseits großes Stau-nen. Der Haushaltsexperte hat sich mit sei-nem „Ryan Budget“ als Liebling der Tea Party profi liert, als strammer Staats- und Wohlfahrts-Verächter, der den US-Haushalt ebenso radikal zusammenstreichen will wie die Steuerlast von Unternehmen und Gutverdienern. Wie passt so einer zu Rom-ney, der bisher immer auf die Wechselwäh-ler in der Mitte schielte?

Doch die Rechnung des Präsidentschaft s-kandidaten geht inzwischen anders: Was wirklich zählt, ist die Mobilisierung der

Parteitag Die Republikaner stehen ohne Leidenschaft zu ihrem Spitzenkandidaten. Er ist ihnen nicht radikal genug

Dem bösen Staatdas Handwerk legen

konservativen Basis. Und die ist auf Krawall gebürstet, wie sich auch auf dem Parteitag zeigt: Im Streit über den Einfl uss des rech-ten Flügels gibt es zeitweise Buhrufe und Protestgeschrei inmitten der ansonsten so prächtig inszenierten Harmonie. Romney muss dem radikalen Rand etwas bieten, und die Botschaft ist dort auch angekom-men. „Dass er Ryan ausgewählt hat, war ein cleverer Schachzug, um Reagan-Republika-ner wie mich auf seine Seite zu ziehen“, sagt zum Beispiel Edward Matthias, Ersatz-delegierter aus Pennsylvania, bevor er sich im Parteitagsshop die Romney-iPhone-Schutzhüllen für 40 Dollar anschaut.

Proteste nur am Stadtrand

Der Journalist Joel Achenbach formulierte es in der Washington Post so: „Ryan speist die volle Koff ein-Dosis Ideologie in die Prä-sidentschaftskandidatur ein.“ Im Kern heißt diese Ideologie: Der Staat ist der Feind, der den Bürgern das Leben schwer macht. Drumherum drapiert sich die kon-servative Sehnsucht, die verhassten gesell-schaft lichen Reformen der letzten Jahr-zehnte irgendwie zurückzudrehen.

Das Recht auf Abtreibung? Noch vor zehn Jahren setzte sich Romney dafür ein, Frau-en die Wahl zu lassen. Nun steht ein strik-tes Abtreibungsverbot auf der republikani-schen Agenda. Homoehe? Einst eierte Romney noch herum, als es um die Rechte gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ging. Jetzt will er sich für ein verfassungs-rechtliches Verbot einsetzen. Klimaschutz? Als Gouverneur von Massachusetts ver-handelte Romney monatelang über ein re-gionales Emissionshandelssystem. Jetzt lehnt er es strikt ab und zweifelt wie Ryan öff entlich am menschlichen Zutun zur glo-balen Erwärmung. Und so weiter: Obamas Gesundheitsreform? Widerrufen. Kranken-versicherung für Senioren? Privatisieren. Steuern? Runter. Waff enrechte einschrän-ken? Niemals.

Kurios an der Idee vom bösen, kraken-haften Staat ist nur, dass sie bisweilen schon an der nächsten Ecke endet – in die-sem Fall ein paar Meter vor dem Tampa Bay Times Forum. Dort hat der verpönte Staat Barrikaden aufb auen lassen, um die Partei-veranstaltung zu schützen. „Anarchisten“ sollen Übergriff e planen. Und zur Abwehr gibt es nicht nur eine, sondern gleich drei Verteidigungslinien mit Straßensperren, Gitterzäunen, Betonbarrieren und quer ge-stellten Lastwagen.

Gesichert werden die Absperrungen von sechs, sieben verschiedenen Sorten Sicher-heitskräft en – von der normalen Polizei, die zum Teil auf Fahrrädern durch die aus-gestorbenen Straßen der tropisch damp-fenden Küstenstadt patrouilliert, über State Troopers, FBI, Secret Service, die National-garde, Anti-Terror-Spezialisten der Critical Intervention Services und Uniformierte des Department of Homeland Security. Lei-se schleicht sich der Gedanke ein, der si-cherheitsstaatliche Krake habe in diesem Fall tatsächlich ein paar Arme zu viel.

„Die haben sich auf einen Krieg vorberei-tet“, meint jedenfalls Rick Bishop, der sich vielleicht hundert Meter vor dem ersten Kontrollpunkt ganz alleine mit einem Pla-kat aufgebaut hat. „You’re not welcome here!“ hält er den Republikanern entgegen: Wir wollen euch hier nicht! Ansonsten ver-hält sich Bishop – der sich selbst als Ange-höriger der 1-Prozent-Millionärsschicht beschreibt und als glühender Obama-Fan outet – möglichst unauff ällig. Der Unifor-mierte an der Straßenecke schaut immer mal zu ihm rüber, lässt ihn aber fürs erste dort gewähren.

Ganz im Gegensatz zu den Aktivisten von resistRNC.org und Occupy, die sich mit ihren Zelten weit ab vom Zentrum hinter dem Busbahnhof niederlassen mussten. Täglich formieren sich von dort Demonst-rationen zu einer offi ziell erlaubten „Pro-testzone“ hinter dem Kongresszentrum, wo garantiert kein Republikaner etwas von den Forderungen nach Jobs und Wohnun-gen oder dem Slogan „Kapitalismus ist Kannibalismus“ mitbekommt.

„Wir marschieren, und niemand merkt es“, meint Gregory Walker, ein 25-Jähriger aus Connecticut. „Das macht nicht so viel Spaß.“ Andererseits sieht er das mit dem Protest ziemlich locker, er fi ndet das ganze politische System sowieso korrupt und ab-surd. Romney oder Obama? „Hey, das ist so was von egal!“, sagt Gregory. „Für mich macht das nicht den geringsten Unter-schied.“

Angetrieben werden dieRepublikaner vom Verlangen, die verhassten Reformen zurückzudrehen

schen Welt nichts zu tun hat. Diese Kanäle sind tatsächlich magisch.

Man sollte meinen, sagt Baughman, dass der Mensch nicht Lust hat, immer nur Kuchen zu essen, sondern auch ein-mal Obst oder Gemüse. Der Blick auf die eingeschränkte Medienwahrnehmung der Tea-Party-Aktivisten korrigiert die Annah-me: „Es ist wohl so, dass viele Kuchen be-vorzugen.“ Das Internet ist das Werkzeug, das die Fragmentierung nach eigenem Gusto sichtbar und praktikabel macht. Die Geschichte dazu ist aber älter.

Baughman verweist auf zwei Einschnitte in der jüngeren US-amerikanischen Me-diengeschichte. 1987 schafft e die Federal Communications Commission (FCC), die Zulassungsbehörde für Radio und Fernse-hen, die sogenannte Fairness-Doktrin ab. Bis dahin wurden Lizenzen an Sender nur vergeben, wenn sie ausgewogen berichte-ten, verschiedene politische Sichten auf einen Gegenstand reportierten. Der Kon-

gress versuchte, die Doktrin wieder einzu-führen, aber Präsident Ronald Reagan legte sein Veto ein. Dabei befürchteten damals nicht wenige Konservative, so Baughman, dass der Wegfall der Regelung vor allem linke Talkradios hervorbringen würde. Das Gegenteil ist eingetreten, der Boden für Moderatoren vom Schlage Rush Lim-baughs wurde bereitet, und Baughman hat bis heute keine Antwort darauf, warum es unter den bedeutsamen Talkradios keine populäre linke Stimme gibt.

Im globalen Ohio

Die zweite Neuerung war die Gründung des TV-Senders Fox News 1996 mit Roger Ailes an der Spitze, dem einstigen Medi-enberater von Nixon, Reagan und Bush senior. Ailes‘ Modell war aus kommerziel-ler Sicht brillant, sagt Baughman, er führ-te als Unterscheidungsmerkmal zwischen Fernsehstationen Parteilichkeit ein, Ideo-

logie. „Ailes selbst würde das verneinen, aber er hat es getan.“

Das Resultat sind die verzerrten Rück-kopplungseff ekte zwischen Publikum und Sendern, die sich gegenseitig ihrer Ansich-ten versichern. Die seriöse New York Times gilt im Umkehrschluss den Tea-Party-An-hängern als Lügenblatt und kommt in de-ren Erzählungen nur vor, wenn sie die Po-pularität der eigenen Bewegung erwähnt.So landet man am Ende der Begegnung mit Baughman noch einmal im alten Amerika. In meiner Heimatstadt Cleve-land in Ohio, erählt er, gab es einen be-kannten Baseballspieler, Bob Feller. „Feller war eine erzkonservative Marie-Antoinet-te, aber er las bis ins hohe Alter jeden Tag die New York Times.“ Und sei es nur, um sich darüber aufzuregen.

Der Autor wurde gefördert von der Otto-Brenner-Stift ung und Netzwerk Recherche

Thomas Greven ■

Wenn das aus Bill Clin-tons Wahlkampf be-kannte Diktum „It’s the economy, stupid!“ auch 2012 gilt, dann hat Ba-

rack Obama die Präsidentschaftswahl schon verloren. Denn in den USA liegt die Arbeitslosigkeit derzeit bei acht Prozent. Der Republikaner Mitt Romney kann die Wahl eigentlich nur noch selbst verlieren. Mit der Nominierung des konservativen Hardliners Paul Ryan zum Kandidaten für die Vizepräsidentschaft ist allerdings eine Richtungswahl wahrscheinlicher gewor-den. Die Abstimmung über die Wirt-schaft slage und Obamas Leistung tritt da-gegen in den Hintergrund. Sollte sich an der gleichgültigen oder gar ablehenden Wahrnehmung Romneys nichts ändern, trotz der Millionen von Dollar, die derzeit von seinen Wahlkämpfern dafür einge-setzt werden, sein Image zu verbessern, wird Obama die Wahl wohl knapp gewin-nen. Was würde Obama mit einer zweiten Amtszeit anfangen?

Eines ist sicher: Es wird keine weitere Enttäuschungsfalle geben. Obamas Anhän-ger sind ernüchtert, insbesondere diejeni-gen, die ihn für einen Linken oder gar ei-nen Heilsbringer gehalten haben. Es hat sich gezeigt, dass die von Obama aufgebau-te Grassroots-Organisation nicht als Unter-bau für den versprochenen gesellschaft li-chen Wandel gedacht war, sondern für die Wiederwahl. Und trotz Friedensnobelpreis ist Obama eben Präsident einer Weltmacht, Drohnenangriff e inklusive.

Der politische Gegner sieht in Obama gleichwohl unverdrossen einen Extremis-ten. Die Polarisierung der US-Gesellschaft hat sich durch Obamas historischen Wahl-sieg 2008 noch verschärft . Nicht weil der Präsident es inhaltlich oder im Stil darauf angelegt hätte, sondern weil er verkörpert, womit die Republikaner seit den späten sechziger Jahren ihre Politik der Angst ma-chen: Die Ansprüche von Minderheiten auf gesellschaft liche, politische und wirtschaft -liche Teilhabe – und ihre wachsende Bedeu-tung im Land. Für 2050 wird prognostiziert, dass die Summe der Minderheiten die Zahl der weißen Amerikaner übersteigt. Der Aufruf der konservativen Tea-Party-Anhän-ger lautet schon jetzt: „Wir wollen unser Land zurück.“

Verdrängte Demokraten

Die Polarisierung des Landes beruht letzt-lich nicht auf starken programmatischen Kontrasten zwischen den Parteien. Sie ist vielmehr das Ergebnis einer hegemonialen Spaltungsstrategie der Republikaner und der gleichzeitigen strategischen und pro-grammatischen Schwäche der Demokra-ten. Während Letztere sich auf Wahlsiege und die Verteidigung von Resten des Wohl-fahrtsstaats verlegten, bauten die Republi-kaner gezielt eine landesweite Infrastruk-tur von Stift ungen, Think Tanks und ande-ren Instituten auf, um die Hegemonie des verhassten New Deals zu überwinden. Geld fl oss und fl ießt reichlich von denen, die an niedrigen Steuern und geringer staatlicher Regulierung interessiert sind. Doch die nö-tigen Wählerstimmen konnten letztlich nur durch den Aufruf von Vorbehalten der weißen (Noch-)Mehrheitsbevölkerung ge-genüber den Ansprüchen von Minderhei-ten gewonnen werden, zunächst im Süden der USA, dann in den Vorstädten, nun überall.

Heute hat sich diese rechtspopulistische Strategie so verselbstständigt, dass die Re-publikaner von den Stimmen gerade der weißen Arbeiter- und unteren Mittelschich-ten (also denen ohne College-Abschluss und mit Jahreshaushaltseinkommen zwi-schen 30.000 und 100.000 Dollar), die von der Wirtschafts-, Sozial- und vor allem Steuerpolitik der Demokraten profi tieren würden, abhängig sind. Die USA steuern damit auf ein ethnisch polarisiertes Zwei-parteiensystem zu, wenn es den Demokra-ten nicht gelingt, die weißen Arbeiter- und

untere Mittelschichten jenseits der gewerk-schaftlich organisierten Wähler wirt-schaft s- und sozialpolitisch stärker anzu-sprechen.

Die erste Amtszeit Barack Obamas zeig-te ebenso eindrücklich die Hegemonie der Republikaner wie die strategische Schwä-che der Demokraten. Trotz anfänglich kla-rer Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses, die jegliche Blockadeversuche der Republikaner im Senat hätten zunichte machen können, fehlte den De-mokraten ebenso die Geschlossenheit wie eine gemeinsame Agenda. Sie verfügten auch nicht über ein wirkliches Mandat der Wähler. Denn diese hatten unter dem Ein-druck der Finanzkrise vor allem die de-saströse Regierung von George W. Bush abgestraft . Trotzdem war aber die Gele-genheit da, bespielsweise mit einer Re-form des Arbeitsrechts, die Kräft everhält-nisse zugunsten der Gewerkschaft en, ohne die die Demokraten kaum eine Wahl ge-winnen könnten, zu verschieben und da-mit auch die extrem wachsende soziale Ungleichheit zu bändigen. Doch es reichte schon der Widerstand einer einzigen de-mokratischen Senatorin aus Arkansas, dem Hauptsitz des gewerkschaft sfeindli-chen Konzerns WalMart, um das Vorhaben zu verhindern.

Aber was ist mit der Gesundheitsreform, war das nicht eine historische Leistung? Tatsächlich ist die Reform das beste (wenn auch paradoxe) Beispiel für die Hegemonie der Republikaner: Die Verpfl ichtung für je-den, eine Krankenversicherung abzuschlie-ßen, war ursprünglich, wie fast das gesam-te Reformkonzept, eine Idee der konserva-tiven Heritage Foundation. Ziel war, die von den Demokraten geforderte Verpfl ich-tung für alle Arbeitgeber, ihren Beschäft ig-ten eine Krankenversicherung anzubieten, politisch abzuwehren. In den achtziger Jah-ren opponierten die Demokraten gegen die Pläne der Republikaner. Noch im Vorwahl-kampf 2008 lehnte Obama das Konzept ab, änderte seine Haltung aber, nachdem man ihm vorrechnete, dass es anders nicht gin-ge. Nun, da die Gesundheitsreform be-schlossen worden ist, bringt sie den priva-

ten Versicherungsunternehmen – Klientel der Republikaner – Millionen neuer Kun-den. Die Ausdehnung von Medicare oder eine andere Form einer gesetzlichen Ge-sundheitsvorsorge wurde dagegen noch nicht einmal diskutiert. Die Republikaner haben in wesentlichen Fragen der Wirt-schaft s-, Finanz- und Sozialpolitik die poli-tischen und intellektuellen Auseinander-setzungen gewonnen. Amerikanische Poli-tik fi ndet inzwischen auf ihrem diskursiven Terrain statt.

In manchen Politikbereichen müssen die Republikaner nur warten: Selbst wenn sie die Privatisierungen von Social Security und Medicare kurzfristig nicht durchsetzen können: Solange die Finanzierungsgrund-lagen nicht an veränderte Einkommensbe-dingungen und demografi sche Verhältnis-se angepasst werden, laufen die altehrwür-digen Programme unaufh altsam auf ihre eigene Finanzierungskrise zu – und damit auf ihr Scheitern.

Trotz dieser republikanischen Hegemo-nie in zentralen Politikbereichen gibt es wichtige Unterschiede zwischen den Par-teien und den Kandidaten, die für viele Bürger der USA (gerade für diejenigen, die tendenziell gegen ihre ökonomischen Inte-

ressen abstimmen werden) wichtig sind, und die auch weltpolitisch relevant sind. Was will, was kann Obama mit einer zwei-ten Amtszeit anfangen?

Da die Republikaner ihre Mehrheit im US-Repräsentantenhaus, das zur Hälft e neu gewählt wird, fast sicher verteidigen und auch die Tea-Party-Anhänger gestärkt sein werden, wird sich die Blockade in Washing-ton fortsetzen. Die größere Kompromisslo-sigkeit und klarere Richtung, die Obama im Wahlkampf zeigt, würde also möglicher-weise zu wenig führen, selbst wenn er die-sen Kurs nach der Wahl fortsetzte. In einem System, welches institutionell darauf aus-gerichtet ist, das Regieren zu erschweren, dazu noch im Kontext einer von Staats-skepsis geprägten politischen Kultur, kann die Kompromissunfähigkeit der gewählten Repräsentanten das Land schnell in eine Situation der Unregierbarkeit bringen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass auch in der Haushaltsdebatte 2013 wieder Präsi-dent, Demokraten und kompromissbereite Republikaner – und mit ihnen das Land und seine Kreditwürdigkeit – von den von der Tea Party unterstützten Volksvertretern sowie von den radikalen Feinden jeglicher Steuererhöhung in ideologische Geiselhaft genommen werden.

Kleinteilige Reformen

Institutionelle Reformen helfen hier nicht. Es bedarf vielmehr einer grundsätzlichen Debatte über die gemeinsamen kulturellen Grundlagen und Werte der amerikanischen Demokratie. Ihr großes tragisches Thema, der Rassismus, darf dabei nicht ausgespart werden. Barack Obama hat die Chance bis-her verpasst, diese Debatte zu führen. Viel-leicht wird er, von der Last einer erneuten Wiederwahl befreit, diese Tür aufstoßen. Aber es bleibt abzuwarten, ob ihm über-haupt jemand zuhören würde.

Das Urteil des Supreme Court zur Ge-sundheitsreform hat den Präsidenten ge-stärkt, sein wichtigstes Projekt der ersten Amtszeit hat überlebt. Allerdings steckt der Teufel im Detail der Urteilsbegründung. Und es gibt durchaus weitere Blockade-möglichkeiten in den einzelnen Bundes-staaten. Immerhin setzen auch einige Gou-verneure der Republikaner die Reform pragmatisch um, wenn auch wohl nur, um nicht am Ende vom Bund vorgeschrieben zu bekommen, was sie zu tun haben. Die großen Sozialprogramme (und insgesamt der Bundeshaushalt) brauchen aber Ein-nahmereformen. Diese sind derzeit aber nicht durchsetzbar. Obama blieben – wie Clinton in seiner zweiten Amtszeit – nur kleinteilige Reformen.

Obwohl Obama sich eine gewisse Frei-heit von der Wall Street erarbeitet hat, hat er ihren Vertretern die Krisenlösung weit-gehend überlassen. Dies wird sich nur un-ter gesellschaft lichem Druck ändern. Es muss aber bezweifelt werden, ob die Occu-py-Bewegung dazu in der Lage ist. Sie wirkt zu richtungslos und hält sich Wahlkampf 2012 sehr stark zurück. Obama hat mit der Rettung der Autoindustrie gepunktet, und da das verarbeitende Gewerbe derzeit ein kleines Comeback erlebt (auch wegen stei-gender Transportkosten und Löhne in Chi-na), kann er hier möglicherweise gestal-tend eingreifen. Grundsätzliche Fragen wie die skandalöse Ungleichheit und die gestiegene Armut werden weiterhin schwer zu fassen sein, weil sie genau an der Schnittstelle der polarisierten Partei-politik liegen. Dazu gehören die kodierten Vorbehalte von Teilen der weißen Bevölke-rung gegenüber den „anderen“ – und da-mit denjenigen, welche die Hilfe der Ge-sellschaft nicht verdient haben.

Obama wird kaum mehr tun können, als (endlich) eine breite gesellschaft liche De-batte zu eröff nen. Wirklicher Wandel kann nur durch Druck von unten erzwungen werden, aber die Gewerkschaft en und an-dere Organisationen sind derzeit zu schwach, diesen zu erzeugen.

Thomas Greven ist Dozent am Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin

Obama müsste neue Debatten anstoßen. Aber es ist fraglich, ob ihm nochjemand zuhört

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Unfairness Die fragmentierte Öff entlichkeit als Voraussetzung für den Erfolg der Tea Party. Über eine Begegnung mit dem alten Amerika

Verena Schmitt-Roschmann■

itt Romney? „Das macht micnicht glücklich“, sagt Jorge Landvar. „Aber immerhin werde ic

auch nicht mehr jeden Tag zum Himmeschreien.“ Der 29-jährige Texaner sitzt iJeans, rotem Polohemd und mit einemCowboyhut auf dem Kopf im Block seineDelegation links vom Podium des TampBay Times Forum und erklärt sehr ernshaft und freundlich, warum der Präsidenschaft skandidat der Republikaner eigenlich zu liberal ist.

Landivars Mann ist Ron Paul, der libertäre Außenseiter, der das Billionen-DollaLoch im US-Haushalt in nur zwei Jahrestopfen und dafür die halbe Regierung abschaff en will – der Abgeordnete aus Texaden sie den Mentor der Tea Party Bewegung nennen. Ihm fühlt sich Landivar aDelegierter auf dem Parteitag der Republkaner verpfl ichtet, und es regt ihn auf, dasder Mann dort keine faire Chance bekommen hat. Aber sei’s drum. Alles immer nocbesser als das tägliche Grauen: „Obama ischrecklich“, sagt Landivar mit Inbruns„Er ist einfach nur schrecklich.“

So also ist die Lage. Die Republikaner haben einen ungelenken und ungeliebteKandidaten, dem die dreitägige, vom Sturm„Isaac“ durcheinandergewirbelte Krönungsmesse in Florida irgendwie Schub füdas große Duell mit Präsident Barack Obama im November geben soll. Die Partei bemüht dafür ziemlich großzügig die Abtelung Pathos und stilisiert die Wahl zu„wichtigsten in der Geschichte der Nation“so sagt es die Parteivizechefi n Sharon Dain ihrer Eröff nungsrede.

Die Demokraten werden nächste Wochdasselbe Spektakel für Obama inszenierenum dessen enttäuschte Wähler noch einmal rumzukriegen. In Deutschland erreichte der Demokrat in einer Forsa-Umfragzuletzt 86 Prozent Zustimmung. Zuhauskann Obama davon nur träumen. Nach deneuesten Erhebung von Washington Posund ABC News liegt Romney bei 47 Prozender Stimmen, Obama bei 46.

Der Staat als Feind

Den gut 2.000 Delegierten der Republikaner begegnet ihr Kandidat in der blau-roteParteitagsarena zunächst nur auf den riesgen Bildschirmen – mit der nicht gerad

Parteitag Die Republikanerstehen ohne Leidenschaft zu ihrem Spitzenkandidaten. Er ist ihnen nicht radikal genug

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der Freitag | Nr. 35reitag | Nr. 35 | 30. August 2012

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