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ZEFnews Nr. 8 September 2001 1 Zentrum für Entwicklungsforschung Center for Development Research Universitt Bonn ZEF news Nr. 8 September 2001 Editorial Dougbedji Fatondji, Christopher Martius und Paul Vlek Zai - traditionelle Methode der Landsanierung im Niger Paul Vlek Direktor am ZEF Bodenlos! M it Hilfe von Zai, einer traditio- nellen Methode zur Landsanie- rung aus Burkina Faso, ist es mglich, degradierte Trockengebiete wirk- sam wieder instand zu setzen und die Bo- denfruchtbarkeit zum Wohl der dort leben- den Farmer wieder herzustellen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie, die das ZEF in Kooperation mit dem International Crop Research Institute for the Semi-Arid Tropics (ICRISAT) in Niamey (Niger) durch- geführt hat. Ausma der Bodendegradierung Die Degradierung von Landflchen ist ein alarmierendes Problem. Ungefhr 36 Millio- nen km 2 landwirtschaftlicher Nutzflche, 28% der gesamten Anbauflche weltweit, sind mig bis stark degradiert. In Afrika allein sind dies 65% der dortigen Anbau- flche. Die Farmer in der westafrikani- schen Sahelzone verlieen sich tradi- tionell auf eine lange Bracheperiode zur Wiederherstellung der Bodenfruchtbar- keit. Mit zunehmen- dem Bevlkerungs- druck und der damit einhergehenden Ausweitung der An- bauflche wurden die Brachezeiten im- mer kürzer und die Bden demzufolge so stark überbeansprucht, dass eine weitrei- chende Bodendegradierung die Folge war. Neue Anstze, das Land wieder nutzbar zu machen, werden dringend gebraucht, denn die meisten degradierten Flchen knnen sich noch erholen, wenn dies sofort ge- schieht. Zai Ein vielversprechender Ansatz ist Zai, ein traditionelles Verfahren zur Landsanierung, das von Farmern in Burkina Faso entwickelt wurde. Lcher von 20-30 cm Durchmesser und 10-20 cm Tiefe werden in die hartkrusti- gen degradierten Bden gegraben. Am Grunde der Vertiefungen platzieren die Far- mer ca. zwei Handvoll organisches Material (Viehdung oder Ernteabflle). Sobald es reg- net, werden diese Vertiefungen mit Hirse be- pflanzt. Das Verfahren hat einige Vorteile: Das nur schwer verfügbare organische Ma- terial wird gezielt an der Pflanze ausgebracht und nicht über das ganze Feld verteilt. Zu- stzlich sammeln und konzentrieren die Zai-Lcher Wasser direkt an der Pflanze. Wasser und Klima haben - momentan zumindest - ihren festen Platz in der Debatte um Ressourcenschutz. Dem Boden wird hingegen wenig Aufmerk- samkeit geschenkt. Die internationalen Bemühungen zur Bekmpfung der Desertifikation sind im Vergleich zu den Fortschritten in anderen Berei- chen eher bescheiden. In einer gerade verffentlichten Studie warnt die FAO, dass aktuell 36 Millio- nen km 2 Land von Desertifikation bedroht sind. Zwar liegt ein Groteil der gefhrdeten Gebiete in den trockenen Regionen der Welt, die Folgen der Wüstenbildung werden aber weltweit zum Tragen kommen. Haben die Menschen in Trocken- gebieten keine Existenzgrundlage mehr, werden sie anderswo nach berlebensmglichkeiten suchen. Das Schicksal derer, die ihr Land nicht rechzeitig werden verlassen knnen, wird uns per Fernsehen vor Augen geführt werden. Dann wird auch die Politik nicht umhin knnen, Hilfe zu leisten. Die Kosten für die Erneuerung versalzter oder erodierter Bden sind immens. Im Vergleich dazu kosten prventive Manahmen des Boden- schutzes nur Pfennigbetrge. Ob Instandsetzung oder Schutz letzt- lich wird beides weniger kosten, als alle Manahmen, die ergriffen werden müssen, wenn Menschen ihr Land verlassen. Diese Erkenntnis scheint sich innerhalb der Entwicklungsgemeinschaft nur langsam durchzusetzen; die Entwicklungshilfegelder zumindest werden weiterhin gekürzt. No8-09-2001-dt.p65 18.09.01, 12:20 1

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Page 1: Universität Bonn ZEF · Zai verbindet Wasser- und Nährstoffmanage-ment zu einem Verfahren, das nur geringen externen Material- und Energieeinsatz be-nötigt und für die Farmer

ZEFnews Nr. 8 September 2001 1

Zentrum für EntwicklungsforschungCenter for Development ResearchUniversität Bonn

ZEFnewsNr. 8 September 2001

Editorial

Dougbedji Fatondji, Christopher Martius und Paul Vlek

�Zai� - traditionelle Methodeder Landsanierung im Niger

Paul VlekDirektor am ZEF

Bodenlos!

Mit Hilfe von �Zai�, einer traditio-nellen Methode zur Landsanie-rung aus Burkina Faso, ist es

möglich, degradierte Trockengebiete wirk-sam wieder instand zu setzen und die Bo-denfruchtbarkeit zum Wohl der dort leben-den Farmer wieder herzustellen. Zu diesemErgebnis kommt eine neue Studie, die dasZEF in Kooperation mit dem InternationalCrop Research Institute for the Semi-AridTropics (ICRISAT) in Niamey (Niger) durch-geführt hat.

Ausmaß der Bodendegradierung

Die Degradierung von Landflächen ist einalarmierendes Problem. Ungefähr 36 Millio-nen km2 landwirtschaftlicher Nutzfläche,28% der gesamten Anbaufläche weltweit,sind mäßig bis starkdegradiert. In Afrikaallein sind dies 65%der dortigen Anbau-fläche. Die Farmer inder westafrikani-schen Sahelzoneverließen sich tradi-tionell auf eine langeBracheperiode zurWiederherstellungder Bodenfruchtbar-keit. Mit zunehmen-dem Bevölkerungs-druck und der damite i n h e r g e h e n d e nAusweitung der An-baufläche wurdendie Brachezeiten im-mer kürzer und die Böden demzufolge sostark überbeansprucht, dass eine weitrei-chende Bodendegradierung die Folge war.Neue Ansätze, das Land wieder nutzbar zu

machen, werden dringend gebraucht, denndie meisten degradierten Flächen könnensich noch erholen, wenn dies sofort ge-schieht.

�Zai�

Ein vielversprechender Ansatz ist �Zai�, eintraditionelles Verfahren zur Landsanierung,das von Farmern in Burkina Faso entwickeltwurde. Löcher von 20-30 cm Durchmesserund 10-20 cm Tiefe werden in die hartkrusti-gen degradierten Böden gegraben. AmGrunde der Vertiefungen platzieren die Far-mer ca. zwei Handvoll organisches Material(Viehdung oder Ernteabfälle). Sobald es reg-net, werden diese Vertiefungen mit Hirse be-pflanzt. Das Verfahren hat einige Vorteile:Das nur schwer verfügbare organische Ma-

terial wird gezielt an der Pflanze ausgebrachtund nicht über das ganze Feld verteilt. Zu-sätzlich sammeln und konzentrieren die�Zai�-Löcher Wasser direkt an der Pflanze.

Wasser und Klima haben - momentanzumindest - ihren festen Platz in derDebatte um Ressourcenschutz. DemBoden wird hingegen wenig Aufmerk-samkeit geschenkt. Die internationalenBemühungen zur Bekämpfung derDesertifikation sind im Vergleich zuden Fortschritten in anderen Berei-chen eher bescheiden.In einer gerade veröffentlichten Studiewarnt die FAO, dass aktuell 36 Millio-nen km2 Land von Desertifikationbedroht sind. Zwar liegt ein Großteilder gefährdeten Gebiete in dentrockenen Regionen der Welt, dieFolgen der Wüstenbildung werdenaber weltweit zum Tragen kommen.Haben die Menschen in Trocken-gebieten keine Existenzgrundlagemehr, werden sie anderswo nachÜberlebensmöglichkeiten suchen. DasSchicksal derer, die ihr Land nichtrechzeitig werden verlassen können,wird uns per Fernsehen vor Augengeführt werden. Dann wird auch diePolitik nicht umhin können, Hilfe zuleisten. Die Kosten für die Erneuerungversalzter oder erodierter Böden sindimmens. Im Vergleich dazu kostenpräventive Maßnahmen des Boden-schutzes nur Pfennigbeträge. ObInstandsetzung oder Schutz � letzt-lich wird beides weniger kosten, alsalle Maßnahmen, die ergriffen werdenmüssen, wenn Menschen ihr Landverlassen.Diese Erkenntnis scheint sich innerhalbder Entwicklungsgemeinschaft nurlangsam durchzusetzen; dieEntwicklungshilfegelder zumindestwerden weiterhin gekürzt.

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2 ZEFnews Nr. 8 September 2001

In einer Region mit nur geringen und spora-dischen Niederschlägen reduziert dies dieGefahr von Wasserstress ganz erheblich. Zaiverbindet Wasser- und Nährstoffmanage-ment zu einem Verfahren, das nur geringenexternen Material- und Energieeinsatz be-nötigt und für die Farmer finanziell zugäng-lich und auch handhabbar ist.

Wirksamkeit der Methode

Um den Prozess der Nährstofffreigabe ausdem Dünger und dessen Aufnahme durchdie Pflanze besser verstehen zu können,wurden Experimente sowohl auf dem Ver-suchsgelände von ICRISAT als auch aufzwei Farmen in Niger durchgeführt. Das Zielwar, die Wirksamkeit der Zai-Technik im Ver-gleich mit einem or-ganischen Dünge-mittelzusatz auf derBodenoberfläche,also ohne zu graben,zu ermitteln. Kurz ge-sagt, wurde gefragt:�Ist das aufwendigeGraben der Zai-Lö-cher tatsächlich not-wendig?�

In den Experi-menten wurden 3Tonnen Hirsestrohund Viehdung proHektar verwendet,eine den Farmern inder Region typi-scherweise zur Verfü-gung stehende Men-ge. An einem Standort mit sehr geringer na-türlicher Bodenfruchtbarkeit brachte die ge-pflanzte Hirse ohne Zai und ohne irgend-welche Zusätze überhaupt keinen Ertrag.Wurde die Hirse in die Vertiefungen, aberohne den Zusatz von Düngemitteln ge-pflanzt, ergab sich eine sehr geringe Erntevon 20 kg pro Hektar. Im Gegensatz dazuergab das Experiment bei den mit Viehdunggefüllten Vertiefungen einen Ertrag von1200 kg pro Hektar. Dies zeigt, dass bei densehr schlechten Böden, wie sie für den Sa-hel typisch sind, für eine Ernte aus einemZai-Feld die Zugabe von organischem Ma-terial wichtiger ist als das Wasser. An denStandorten mit besserer Bodenfruchtbarkeiterhielt man auch ohne Zai und ohne Zusät-ze einen höheren Ertrag, aber die Bereitstel-lung der Löcher und des Düngers erhöhtenden Getreideertrag noch einmal beträchtlich.Die Qualität des verwendeten organischenMaterials spielt dabei eine wichtige Rolle:Der Ertrag von einer mit Viehdung gedüng-ten Anbaufläche auf flachem Boden (ohneZai) überstieg den durchschnittlichen Hir-seertrag in Niger, der bei ca. 400 kg pro Hek-tar liegt. Wenn Erntereste anstelle von Vieh-

dung verwendet wurden, war der Ertrag sehrviel niedriger (180 kg pro Hektar).

Um im Zai-System den Weg der Nähr-stoffe zu den Pflanzen zu verstehen, wurdedie Zersetzung des zugegebenen organi-schen Materials und die Nährstoffaufnah-me durch die Hirsepflanzen untersucht. DasPflanzverfahren (mit Zai/ohne Zai) hattekeinen Einfluss auf den Abbau des Vieh-dungs. Allerdings wurden an zwei Stand-orten, von denen einer besseren Boden alsder andere aufwies, erhebliche Unterschie-de festgestellt. Der Abbau ging an demStandort mit geringerer Bodenfruchtbarkeitviel rascher voran (55 % Abbau nach 40Tagen), als an dem Standort, der noch einebescheidene Bodenfruchtbarkeit aufzeigte(15 % Abbau). Am Ende des Experiments

war auf dem nährstoffarmen Standort fastder gesamte Dung vollständig zersetzt. Andiesem Unterschied könnten Termiten be-teiligt sein, die am ersten Standort aktiverwaren. Trotz dieser Unterschiede liess sichjedoch feststellen, dass nach 40 Tagen Ver-suchszeit mehr als 85 % des im organischenMaterial gebundenen Stickstoffs und Phos-phors an beiden Stellen freigesetzt war.

Dougbedji Fatondji ist Wissenschaft-ler am ICRISAT in Niamey, Niger, undfertigt gegenwärtig am ZEF seineDoktorabeit an. Dr. Christopher Mar-tius, Wissenschaftler am ZEF, hat dieForschungsarbeiten betreut. Prof.Paul Vlek ist Direktor am ZEF.

Unter Zai konnten die Anbaupflanzen dieNährstoffe besser nutzen als ohne Zai, wassich an der erhöhten Nährstoffaufnahme derPflanzen zeigte. Dies führte zu einer höhe-ren Ernte, wenn Zai mit Viehdung kombi-niert wurde.

Fazit

Die Untersuchungen machen deutlich, dassim Sahel beim Anwenden des Zai-Verfah-rens eine über dem Durchschnitt liegendeErnte erzielt werden kann. Dies giltinsbesondere für stark degenerierte Böden.Allein durch das Graben der Vertiefungenkann der Getreideertrag um 500 kg gestei-gert werden, für einen Farmer ein bedeuten-der Zugewinn. Ein qualitativ hochwertigerorganischer Zusatz (Viehdung statt Ernte-reste) ist bei den stark degradierten Bödenunerlässlich. Da Viehdung nicht ausrei-chend vorhanden ist, könnte dies eine Ein-schränkung für die Anwendung des Zaisein. Allerdings sind die Farmer in der Lage,aus Küchenabfällen, Unkraut und den Res-ten der Hülsenfrüchte qualitativ guten Kom-post herzustellen, der ähnlich wirkt wie Vieh-dung.

Das Zai-Verfahren ist zwar eine einfa-che Technik, erfordert aber harte Arbeit. Dadie Vertiefungen außerhalb der Saison ge-graben werden, wenn die Farmer nicht mitFeldarbeiten beschäftigt sind, ist Arbeits-kraft jedoch nicht der limitierende Faktor.Zai hat nicht nur das Potenzial, den Lebens-unterhalt der Landbevölkerung im Sahel zusteigern, sondern es ermöglicht gleichzei-tig auch eine effiziente Bekämpfung der De-sertifikation.

kurz notiertMitte September erscheintder englischsprachige ZEFJahresbericht 2000/2001. DerBericht dokumentiert die Ar-beit des ZEF in den Berei-chen Forschung, Beratung,Politikdialog und Ausbildungund kann kostenlos angefor-dert werden (Tel.: 0228/73-1811; E-mail: zef@uni-

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bonn.de)

Am 10. Juli 2001 präsentier-te das ZEF sein Projekt�Economic and EcologicalRestructuring of Land- and

Water Use in the RegionKhorezm (Uzbekistan): A Pi-lot Project in DevelopmentResearch� einem wissenschaft-lichen Gutachtergremium desBundesministeriums für Bil-dung und Forschung (BMBF).Das Gremium stufte das aufvier Jahre angelegte Projekt alsförderungswürdig ein. DasProjekt wird voraussichtlich in

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2002 beginnen.

Joseph Intsiful, Doktorand amZEF, wurde im Rahmen desdiesjährigen Sommer-Kolloqui-

ums des International Centrefor Theoretical Physics inTriest, Italien mit dem erstenPreis für die Präsentation sei-ner Studie über �Impact ofLand Cover Change on Soil-Vegetation-AtmosphereInteractions� ausgezeichnet.Joseph Intsiful, der aus Gha-na stammt, führt seine Unter-suchungen im Rahmen desGLOWA - Volta Projektesund in Zusammenarbeit mitdem Fraunhofer Institut fürAtmosphärische Umweltfor-

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schung (IFU) durch.

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ZEFnews Nr. 8 September 2001 3

Was isst China?Lebensmittelkonsumtrendsund PrognosenMingzhi Sheng und Joachim von Braun

Angesichts der wachsenden Bedeutung derchinesischen Volkswirtschaft und der Tat-sache, dass die chinesische Bevölkerung einFünftel der Weltbevölkerung ausmacht, gibtes ein zunehmendes internationales Inter-esse an der Frage, was und wieviel China inZukunft essen wird. In Kooperation mit demchinesischen Staatlichen Statistischen Amt(State Statistical Bureau � SSB) hat das ZEFeine umfassende Analyse zum Lebensmit-telkonsum und Konsumtrends in Chinadurchgeführt. Dafür wurden städtische undländliche Haushaltsdaten der Provinzen Ji-angsu und Sichuan hochgerechnet.

Arm und Reich - Stadt und Land

Ein zentrales Ergebnis der Studie ist, dasssich im Zuge der wirtschaftlichen und sozi-alen Entwicklung Chinas die unterschiedli-chen Konsumgewohnheiten zwischen armund reich sowie Stadt und Land weiter ver-stärkt haben und noch verstärken werden.So haben während der 90er Jahre die mittle-ren und oberen Einkommensklassen Grund-nahrungsmittel durch tierische Produkte er-

setzen können, wäh-rend die untere städ-tische Einkommens-klasse den Konsumvon Getreide sowieFleisch und Fischeinschränken muss-te. Offensichtlichhat sich die Kauf-kraft der städtischenUnterschicht in den90er Jahren verrin-gert. Die ärmereländliche Bevölke-rung reduzierte zwi-schen 1990 und 1995zwar auch ihren Ge-treideverbrauch umca. 10 kg pro Kopfund Jahr, sie konntejedoch im Gegensatzzu den städtischenArmen den Konsuman Fleisch und Fischum rund 3 kg pro Kopf und Jahr erhöhen,wenn auch von einem vergleichsweise sehrniedrigen Niveau aus.

Veredlungsprodukte stärker gefragt

Auf der Grundlage von ökonometrisch ge-schätzten Nachfragemodellen des Typs�Almost Ideal Demand System� und unterBerücksichtigung einer Reihe von Annah-men wie u.a. eines durchschnittlichen jähr-lichen Einkommenswachstums von 3 Pro-zent, weiter zunehmender Einkommensun-

gleichheit, eines durch-schnittlichen jährlichen Be-völkerungswachstums von0,7 Prozent und einer weitererUrbanisierung, wurde der zu-künftige Konsum und dieKonsumstruktur in China biszum Jahr 2020 prognostiziert.

Die Ergebnisse deutendarauf hin, dass in den Städ-ten die ärmeren Haushalte ih-ren Fleischkonsum um rund30 Prozent auf über 40 kg proKopf und Jahr zwischen 1995und 2020 erhöhen werden,ohne ihren Getreideverbrauchdabei wesentlich einzu-

Mingzhi Sheng hat im Juni 2001 ihreDoktorarbeit in der Abteilung wirt-schaftlicher und technologischerWandel am ZEF abgeschlossen. Prof.Joachim von Braun war Betreuer derArbeit und ist Direktor dieser Abtei-lung.

schränken: Die Haushalte mit mittlerem undhohem Einkommen werden ihren Fleisch-konsum im gleichen Zeitraum sogar um 80Prozent erhöhen und gleichzeitig ihren Ge-treideverbrauch deutlicher verringern als dieHaushalte mit niedrigem Einkommen. Einein der Tendenz ähnliche Entwicklung ist fürdie ländlichen Haushalte zu erwarten.

Betrachtet man den durchschnittlichenVerbrauch, so ergibt sich, dass die Getrei-denachfrage kontinuierlich sinken wird und

zwar von 99 kg pro Kopf und Jahr auf 89,5kg pro Kopf und Jahr in der Stadt und von189 kg pro Kopf und Jahr auf 168 kg proKopf und Jahr auf dem Land.Demgegenüber steigt der durchschnittlicheFleischverbrauch der Städter von 41 kg proKopf und Jahr auf 64 kg pro Kopf und Jahrund jener der ländlichen Bevölkerung vonrund 19 kg pro Kopf und Jahr auf 33,9 kg.

Insgesamt zeigt diese Studie, dass Chi-nesen zunehmend Veredlungsproduktenachfragen und damit die Internationalisie-rung von Konsumtrends auch China vollerfasst hat. Dies bietet Chancen für die in-ternationale Lebensmittelindustrie, Wachs-tumschancen für die heimische chinesischeErnährungswirtschaft, aber auch Heraus-forderungen für die kleinstrukturierte chi-nesische Landwirtschaft und die Trans-portinfrastruktur sowie die regionale Ar-beitsteilung.

Die Bevölkerung Chinas wächst.Kann die weltweite

Nahrungsmittelproduktion damitSchritt halten? Wie ändern sichdie Ernährungsgewohnheiten in

China? Eine Studie des ZEF zeigtmögliche Entwicklungen bis zum

Jahr 2020.

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Recht, Rechts-wirklichkeit, Rechts-räumeJoanna Pfaff-Czarnecka undReinhart Kößler

�Small is beautiful� -Bioenergie in Entwick-lungsländern

Heidi Wittmer und Thomas Berger

Bioenergieträger wie Holz, Ölpflanzen undBiogas weisen als regenerative Energiequel-len ein beträchtliches Potenzial für die nach-haltige Entwicklung auf. Ihre verstärkte Nut-zung in Entwicklungsländern könnte durchden im Kyoto-Protokoll vorgesehenen�Clean Development Mechanism� (CDM)eine wichtige Rolle für den Klimaschutz spie-len. Wie im Juli 2001 bei der Bonner Klima-konferenz beschlossen wurde, dürfen In-dustrieländer ihrer Verpflichtung zur CO2-Reduzierung durch die Finanzierung vonentsprechenden Energieprojekten in Ent-wicklungsländern nachkommen.

Vor diesem Hintergrund wurden am ZEFim Auftrag des Deutschen Bundestags dieChancen und Hemmnisse einer verstärktenund verbesserten Nutzung von Bioenergiein Entwicklungsländern untersucht. FürEntwicklungsländer bestehen dabei inter-essante neue Möglichkeiten aufgrund vondrei Faktoren: Erstens könnte die Anrech-nung von Bioenergieprojekten für die CO2-Reduzierung zusätzliche Entwicklungshil-fegelder ins Land bringen. Zweitens sindentsprechende kleine kombinierte Gas- undDampfkraftwerke mittlerweile wettbewerbs-fähig. Drittens ist die vermehrte Nutzungvon Bioenergie auch vor dem Hintergrunddes allgemeinen Trends zur Liberalisierungder Energiemärkte sehr interessant.

Dennoch stehen viele altbekannteHemmnisse einer Ausweitung der dezen-tralen, kleinskaligen Energieversorgung aufBiomassebasis entgegen. Typische ökono-mische Barrieren sind die immer noch ge-währten Subventionen für fossile Energie-träger sowie der Mangel an Krediten. Wei-tere politische und institutionelle Hinder-nisse hängen mit der Regulierung der Ener-giemärkte und den häufig unklaren Eigen-tumsverhältnissen in der Produktion vonBioenergieträgern zusammen. Auch ausökologischer Perspektive könnten Landnut-zungs- und Rückstandsentsorgungsproble-me eine erfolgreiche Einführung von Bio-energie erschweren. Aus diesen Gründenerscheinen �nachfrageorientierte� Politik-maßnahmen notwendig, denn nur wenn fürdie Endenergienutzer Bioenergie eine at-traktive Option darstellt, können die ge-nannten Chancen wahrgenommen werden.

Ein besonderer Schwerpunkt der Stu-die lag auf der Untersuchung der Energie-versorgung armer Haushalte in Entwick-lungsländern. Obwohl Biomasse häufig diewichtigste Energiequelle ist, ist die traditi-

onelle Verwendung etwa zum Kochen nichtper se umweltfreundlich. Der Zugang vonarmen Haushalten zu modernen und nach-haltigen Energieformen bleibt eine drängen-de Aufgabe für die nächsten Jahrzehnte.Aufgrund der neuen Wettbewerbsfähigkeitvon dezentralen kleinen Einheiten in der

Dr. Heidi Wittmer war im Jahr 2000wissenschaftliche Mitarbeiterin amZEF. Dr. Thomas Berger, ebenfalls wis-senschaftlicher Mitarbeiter des ZEF,koordinierte das vom Büro für Tech-nikfolgenabschätzung in Berlin fi-nanzierte Forschungsprojekt.

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PD Dr. Joanna Pfaff-Czarnecka, Eth-nologin, und Prof. Reinhart Kößler,Soziologe, sind Mitarbeiter am ZEFund haben die Tagung organisiert.

Sowohl in der Entwicklungspraxis als auchin den auf Entwicklungsprozesse bezoge-nen Forschungsagenden nimmt die Bedeu-tung von Recht zu. Dies ist auf drei zusam-menhängende Entwicklungen zurückzufüh-ren. Erstens nimmt die Zahl internationaler(Freihandelsabkommen, Menschenrechte)und regionaler Rechtsnormen (im Rahmender EU, ASEAN, NAFTA, etc.) zu und dieNormen werden zunehmend verfeinert. Mitder Ausdehnung der Geltungsbereicherechtlicher Regelungen steigt zweitens dieTendenz ihrer Pluralisierung an. Gebiete desinternationalen Rechts - beispielsweise dieILO-Konventionen und WTO-Normen -nationale Gesetzgebungen sowie die wiederim Aufwind begriffenen kollektiven Rechtegeraten nicht selten auf Kollisionskurs.Drittens zeigt sich anhand konkreter Situa-tionen in den Dörfern und Städten in denLändern des Südens, dass angesichts derPluralisierung und schnell aufeinander fol-gender Rechtsreformen eine weitgehendeVerunsicherung darüber herrscht, welcheRechtsnormen gültig sind und auf welchenWegen Recht eingeklagt werden kann.

Vor diesem Hintergrund tagten vom 10.bis 12. Mai 2001 am ZEF circa 60 Entwick-lungsexperten aus Deutschland, derSchweiz und Österreich zum Thema �Rechtim Entwicklungskontext�. Auf der vom ZEFgemeinsam mit der Sektion �Entwicklungs-soziologie und Sozialanthropologie� derDeutschen Gesellschaft für Soziologie or-ganisierten Tagung wurden 20 Beiträge zu

den folgenden Themenbereichen präsen-tiert: Globale und lokale Perspektiven aufRechtspluralismus; Rechtspluralismus undRechte an Ressourcen; Recht, Macht undBesitz sowie Entwicklung, Verwaltung undRechtswirklichkeit. Mehrere Tagungsbei-träge setzten die weltumspannenden Ver-änderungen in den Rechtsordnungen in ei-nen Zusammenhang mit konkreten Situati-onen, in denen solch unterschiedliche Part-ner wie staatliche Verwaltungen, Entwick-lungsorganisationen, Nichtregierungs-organisationen und verschiedene Interes-sengruppen aus der Bevölkerung innerhalbvon Projekten zusammenkommen. Wäh-rend der Vorträge und der lebhaften Dis-kussionen wurde unter anderem deutlich,dass die Expansion der vielfältigen Rechts-normen in die lokalen Lebenswelten zu kon-fliktgeladenen Prozessen führen kann, de-nen gegenüber die EZ-Interventionen vorOrt nicht neutral sind. Entwicklungsprojek-te, die nicht selten die Machtkonstellatio-nen in den lokalen Arenen tangieren, kön-nen Konflikte schüren. So kommt es häufigvor, dass Auffassungen darüber aufeinan-derprallen, was Recht bedeutet, welche In-stanzen der Rechtsprechung als legitimgelten und welche Vorkehrungen notwen-dig sind, um Rechtssicherheit zu gewähr-leisten. Eine Sensibilisierung für diese Span-nungsfelder � so der Grundtenor währendder Konferenz � ist als eine notwendigeVoraussetzung dafür zu sehen, dass dieGesellschaften des Südens beim Aufbaustabiler Rechtsordnungen unterstützt wer-den können.

Energieerzeugung dürfte jedochdie Versorgung gerade in ländli-chen Gebieten wesentlich leichterfallen als noch in der Vergangen-heit. Für Bioenergie gilt deshalbder Slogan �Small is beautiful�nicht nur wegen der möglichenReduzierung von Treibhausga-sen, sondern auch aufgrund ihrertechnischen und ökonomischenEffizienz.

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ZEFnews Nr. 8 September 2001 5

DoktorandenprogrammDas Internationale Doktorantenprogrammdes ZEF wächst. Im September 2001 wirdder dritte Jahrgang mit 30 neuen Teilneh-mern aus 17 Ländern am ZEF erwartet.Damit umfasst das Programm nun über 90Doktoranden aus mehr als 35 Ländern.Während sich die neuen Doktoranden imihrem ersten Jahr in verschiedenen Kur-sen und Projektarbeiten auf ihre Feldfor-schung in einem Entwicklungsland oderbei internationalen Organisationen vorbe-reiten werden, kehren momentan die Dok-toranden, die das Programm 1999 began-nen, von ihren Feldforschungen zurück.

Einer von ih-nen ist TadesseGole aus Äthiopi-en, der sich mitFragen der Erhal-tung der geneti-schen Vielfalt vonKaffee in seinemLand beschäftigt.

Die weltweitbeliebteste Kaf-feesorte CoffeaArabica wird

zwar nicht nur in Äthiopien angebaut, dasLand verfügt aber weltweit über die höchs-te genetische Vielfalt dieser Kaffeeart. DieAusbreitung des Arabica-Kaffees in derWelt beruhte einst auf einigen wenigenKaffeepflanzen, so dass die genetische

Variabilität außerhalb Äthiopiens sehrgering ist. Die Entwicklung neuer Sorten,die beispielweise gegen bestimmte Krank-heiten resistent sind, hängt jedoch voneiner breiten genetischen Variabilität ab.Es ist daher unerlässlich, diese zu bewah-ren und zu schützen. Die zunehmendeAbholzung wilder Arabica-Kaffeebestän-de in Äthiopien stellt somit eine ernsteGefahr dar.

Tadesse Gole untersuchte in Äthiopi-en Umfang und Verteilung wilder Arabi-ca-Kaffeebestände innerhalb von Wald-Ökosystemen und die Auswirkungen ver-schiedener Landnutzungssysteme auf die-se Bestände. Ziel seiner Arbeit ist es, ge-eignete Standorte für die in situ - Konser-vierung von Wildbeständen zu identifi-zieren und Managementmaßnahmen undPolitikempfehlungen zur Erhaltung dergenetischen Vielfalt zu entwickeln.

Tadesse Gole wird, wie auch die ande-ren Teilnehmer des ersten Jahrgangs, inden kommenden Monaten seine Datenauswerten und seine Doktorarbeit fertig-stellen. Nachwuchswissenschaftler, diesich für das Programm, das im Herbst 2002startet, bewerben möchten, müssen ihreUnterlagen bis 30. September (Nicht-Eu-ropäer) bzw. 31. Mai 2002 (aus EU-Mit-gliedsstaaten) beim ZEF einreichen. Wei-tere Informationen finden sich auf der Ho-mepage des ZEF (http://www.zef.de).

Vom 19. bis 20. Juni 2001 organisierte dasZEF in Zusammenarbeit mit dem Zentrumfür Europäische Integrationsforschung(ZEI) eine internationale Konferenz mit demTitel �Does Culture Matter? Politics andGovernance in the Mediterranean�. Die vonder Volkswagen-Stiftung geförderte Konfe-renz wurde von Prinz Hassan von Jordani-en, Präsident des Club of Rome und Bot-schafter für Interkulturellen Dialog bei derUNESCO eröffnet. Er sprach über die Be-deutung der Förderung des gegenseitigenkulturellen Verständnisses im Mittelmeer-raum.

Die wissenschaftliche Diskussion glie-derte sich in drei Themenbereiche.Zunächst wurde der Begriff Kultur als Fak-tor des politischen Lebens analysiert. Ex-perten aus dem Mittelmeerraum setzten Kul-tur dabei in den weiter gefassten Begriff

Kultur weniger wichtig sei als die formellenpolitischen Institutionen und hob einigeLektionen aus europäischen Erfahrungenhervor, in denen Institutionen bei kulturel-ler Unvereinbarkeit vermittelten.

Die zweite Runde widmete sich Fallstu-dien aus dem Mittelmeerraum. Paul Salemund Theodor Hanf unterstrichen die Instru-mentalisierung von Kultur durch politischeEliten als eine Ursache für Konflikte. An-hand politischer Meinungsumfragen ausder Türkei untermauerte Ergun Özbudunseine These, politische Kultur sei bestim-mender für das politische Leben als Insti-tutionen, da unterschiedliche institutionel-le Experimente nicht zu den gewünschtenErgebnissen führten. Erich Weede erklärte,der sogenannte �Zusammenprall� zwischenwestlichen und asiatischen Werten könnteangesichts der starken empirischen An-haltspunkte zu Gunsten eines liberalen �ka-pitalistischen� Friedens durch ökonomischeFaktoren abgewendet werden .

Das abschließende Diskussionsforumwidmete sich den Auswirkungen der Er-kenntnisse für die Politik und den Fragender akademischen Forschung. Stephen Cal-leya beklagte die geringe Aufmerksamkeit,die der Entwicklung eines kulturellen Ver-ständnisses innerhalb des Barcelona-Pro-zesses während der EU-Mittelmeer-Asso-ziierungsverhandlungen entgegengebrachtworden wäre. Diese sei aber notwendig, umgrundlegende Werte des gegenseitigen Re-spekts zu fördern.

Udo Steinbach und Frank Biancheri plä-dierten dafür, durch Studentenaustauschund entsprechende Programme Bildung zu

fördern. Steinbach sprachsich für einen breiteren inter-kulturellen Dialog innerhalbder westeuropäischen Gesell-schaften aus. Insgesamt gabes sowohl Zustimmung alsauch Dissens über das Aus-maß der Bedeutung von Kul-tur im politischen Leben.Überwältigende Übereinstim-mung herrschte jedoch dar-über, dass dies angesichts derVerkennung in der öffentli-chen Diskussion und in derPolitik eine zentrale Frage fürweiterführende akademischeForschung sei.

Ist Kultur wichtig?Politik und Regierungs-führung im Mittel-meerraumIndra de Soysa und Peter Zervakis

der Zivilisation. LawrenceHarrison wies darauf hin,dass vieles, was eine er-folgreiche Demokratieauszeichne, eher auf Kul-tur zurückzuführen sei alsauf politische Institutio-nen. Mohammed Arkounargumentierte, dass einegemeinsame humanisti-sche Tradition von Islamund Christentum bis insMittelalter zurückverfolgtwerden könne, jedoch po-litische Manipulation dieUrsache sei für die derzei-tige - in den Köpfen weitverbreitete - Kluft zwi-schen beiden. Ebensostellte Jocelyne Cesariheraus, dass Religion kei-ne große Rolle mehr für muslimische Immi-granten in Europa und in den VereinigtenStaaten spiele und die große Mehrheit er-folgreich an den liberaldemokratischen Tra-ditionen ihrer neuen Länder teilnähme.Klaus von Beyme wies darauf hin, dass

Dr. Indra de Soysa ist wissen-schaftlicher Mitarbeiter am

ZEF und beschäftigt sich mit kultu-rellen Fragen im Entwicklungspro-zess. Dr. Peter Zervakis leitet am Zen-trum für Europäische Integrations-forschung (ZEI) die Forschungsgrup-pe �Institutionen und Institutionen-entwicklung in der EU�.

Prinz Hassan von Jordanien(rechts) im Gespräch mit Andre-as Wimmer, Direktor am ZEF

Foto: E. Lichtenscheidt

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6 ZEFnews Nr. 8 September 2001

Standpunkte

ZEF: Herr Töpfer, Sie sind ein vielbeschäftigter, international gefragterMann. Was hat Sie dazu bewogen, denVorsitz des ZEF-Beirats zu überneh-men und sich dort für das ZEF zu en-gagieren?

Töpfer: Die nachhaltige Entwicklung unse-rer Welt ist eine der größten gemeinsamenHerausforderungen, vor der wir weltweitstehen. Ich glaube, dass der Entwicklungs-forschung und damit dem ZEF hier eine ganzbesondere Rolle zukommt. Das ZEF hat dieChance, die Notwendigkeit einer nachhalti-gen Entwicklung nicht nur mit schönenWorten zu beschreiben, sondern dafür ganzkonkrete Lösungsansätze zu entwickeln,diese umzusetzen und die gewonnenen Er-fahrungen weiterzugeben. Deswegen istmein Engagement im ZEF keine verloreneZeit, sondern � ganz im Gegenteil � eine In-vestition in die Zukunft. Letztlich werde ichauch in meiner Arbeit bei den Vereinten Na-tionen davon profitieren.

ZEF: Das ZEF hat das Ziel, sich als�Think Tank� der Entwicklungsfor-schung nach internationalem Mus-ter zu etablieren. Wie beurteilen Siedie Arbeit des ZEF vor diesem Hin-tergrund? Kann das ZEF im interna-tionalen Konzert überhaupt eineRolle spielen?

Töpfer: Irgendjemand hat einmal den schö-nen Satz gesagt, dass in dieser Welt nur et-was Falsches gänzlich neu sein kann. Na-türlich werden Fragen, die das ZEF bearbei-tet, auch an anderer Stelle aufgegriffen undintensiv diskutiert. Es gibt unendlich vieleVeröffentlichungen zu Fragen der Entwick-lungspolitik und der Entwicklungsfor-schung. So gesehen könnte man sich na-türlich fragen, ob man noch ein weiteres In-stitut braucht. Ich bin allerdings überzeugt,dass das ZEF bereits in der Kürze seinesBestehens bewiesen hat, dass es sehr wich-tig war, dieses Institut zu gründen. Nach-haltige Entwicklung ist ein so komplexesGebiet, dass hier bislang viel zuwenig pra-xisorientierte Forschung geleistet wurde. Ichbetone hier ausdrücklich den Praxisbezug,

dem sich das ZEF ja verschrieben hat. Ausmeiner eigenen Tätigkeit bei UNEP weiß ich,dass es oft genug an der Verbindung vonwissenschaftlicher Forschung und prakti-scher Anwendung mangelt. Das ZEF hatmeines Erachtens - nach anfänglichen Grün-dungsproblemen, die immer da sind - sei-nen Weg sehr schnell gefunden. Ich bindaher auch sehr zuversichtlich, dass dasZEF diesen Weg zielstrebig weitergehenwird und damit in der Entwicklungsfor-schung insgesamt ein sehr eigenständigesProfil entwickeln wird.

ZEF: Sie erwähnten gerade Ihre ei-gene Tätigkeit bei den Vereinten Na-tionen. Wie beurteilen Sie von die-sem Standpunkt aus die Position desZEF? Wird das Zentrum internatio-nal ausreichend wahrgenommen?

Der ehemalige Bundesum-weltminister Prof. Dr. KlausTöpfer leitet seit Februar1998 das Umweltprogrammder Vereinten Nationen(UNEP) in Nairobi. Seit No-vember 1999 ist er zudemVorsitzender des Internatio-nalen Beirats des ZEF.

Töpfer: Als ich noch Bundesminister war,habe ich die Breite der Entwicklungs- undArmutsproblematik gar nicht so richtig ge-sehen. Jetzt, nachdem ich fast vier Jahre beiden Vereinten Nationen bin, weiß ich vielbesser einzuschätzen, wie wichtig dieseThemen sind. Natürlich kann das ZEF in dervergleichsweise kurzen Zeit seines Beste-hens noch nicht so bekannt sein wie andereInstitute, die sich seit Jahren mit der The-matik beschäftigen. Aber ich sehe darinüberhaupt keinen Nachteil, ganz im Gegen-teil. Hier ist ein neues Institut, das auf alt-hergebrachtes Denken keine Rücksicht neh-men muss. Das ZEF kann und sollte einStück gegen den Strich denken. Das Pro-gramm des ZEF, junge Leute unterschiedli-cher Fachrichtungen aus aller Welt hierhernach Deutschland bringen, die dann ge-meinsam forschen, bevor sie wieder in dieWelt hinausgehen und für die gelerntenIdeen als Multiplikatoren wirken, finde ichgroßartig. Nicht zuletzt dadurch wird das ZEFinternational sehr schnell an Bekanntheitgewinnen.

ZEF: Sie haben damals als Regie-rungsmitglied den Umzug der Haupt-stadt Deutschlands von Bonn nachBerlin mit auf den Weg gebracht.Glauben Sie, dass das ZEF in Bonnan der richtigen Stelle ist?

Töpfer: Diese Frage kann ich ohne jede Ein-schränkung bejahen. Natürlich war es fürBonn zunächst ein Schock, als der Umzugs-beschluss getroffen wurde. Schließlich hat

Das diesjährige Treffen des internatio-nalen Beirats des ZEF am 21. und 22.Juni 2001 in Bonn stellte einenweiteren wichtigen Schritt in ZEFsinstitutioneller Entwicklung dar. ImVerlauf des ersten Tages wurden demBeirat einige Forschungsprojektevorgestellt, mit denen sich die ZEF-Mitarbeiter gegenwärtig befassen. DieAuswahl umfasste kleine und großeProjekte der Natur-, Wirtschafts- undSozialwissenschaften, sowohl Grund-lagenforschung als auch Aktivitäten,in deren Zentrum der Wissenstransfersteht. Die Beiratsmitglieder erhieltendadurch einen fundierten Hintergrundfür die Agenda des nächsten Tages.Unter dem Vorsitz von Klaus Töpfer,Vorsitzender des Beirats (s. Interview),wurden zunächst der Jahresbericht2000/2001 diskutiert und vom Beiratangenommen. Der Beirat begrüßte dieneue Struktur des Berichts, welche dieBeziehung zwischen den Aktivitäten

des vergangenen Jahres und denlangfristigen strategischen Zielendeutlicher zutage treten lässt.Anschliessend beschäftigten sich dieBeiratsmitglieder mit der mittel- undlangfristigen startegischen Ausrichtungdes Zentrums. Kernpunkt der Strategieist die weitere Integration derForschungsprogramme der drei Abtei-lungen durch die Bearbeitung vonThemen von interdisziplinärem Charak-ter. Die drei Themen sind: Armut undGleichheit, Regierungsführung undRegierbarkeit und Knappheit an natürli-chen Ressourcen. Der Beirat begrüßtediese strategische Ausrichtung und denNachdruck, mit dem das ZEF dieseverfolgt. Hinsichtlich möglicher künfti-ger Forschungsthemen gab der Vor-stand wichtige Ratschläge und ermu-tigte die Direktoren, eine klar definierteStrategie des Wissenstransfers zuverfolgen. Die Sitzung zeigte erneutden hohen Wert von Kritik, Rat undUnterstützung durch ein hochrangigbesetztes und kompetentes Gremiumwie den Beirat.

Beiratssitzung 2001

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ZEFnews Nr. 8 September 2001 7

Bonn seine Aufgabe als Hauptstadt jahr-zehntelang hervorragend erfüllt.Andererseits war sich die Bundesregierungschon damals bewusst, dass Deutschlandsich nicht nur auf sich selbst oder seine Rollein Europa beschränken darf, sondern auchVerantwortung für die globale Entwicklungträgt. Die in der Ausgleichsvereinbarungfestgelegten Ziele, Bonn als Zentrum fürForschung und internationale Zusammen-arbeit auszubauen, war also durchaus sinn-voll. Bonn kann hier ja auch beachtliche Er-folge vorweisen. Ich erwähne nur die Ein-richtungen der Vereinten Nationen wie dasSekretariat der Konvention zur Wüstenbe-kämpfung oder das Sekretariat der Klima-rahmenkonvention. Aus deren Arbeit erge-ben sich direkte Anknüpfungspunkte zurArbeit des ZEF, so dass Bonn als Standortfür das ZEF durchaus vorteilhaft ist. Auchdie Verlagerung entwicklungspolitischerInstitutionen von Berlin nach Bonn lässterwarten, dass sich wechselseitige Syner-gieeffekte mit weitreichender Signalwirkung

Termiten - verkannteNützlingeCäcilia Hanne und Christopher Martius

ergeben. Das ZEF wiederum trägt mit seinerArbeit nicht nur zur Profilierung der Stadt,sondern auch des Landes Nordrhein-West-falen und der Bundesrepublik bei.

Lassen Sie mich in diesem Zusammen-hang noch etwas zur Anbindung des ZEFan die Universität sagen. Es gibt viele guteGründe für diese Anbindung. Aber wir brau-chen für Forschungsinstitute wie das ZEF,die in der praktischen Anwendung stehenund bei denen die Drittmitteleinwerbungeine große Rolle spielt, größtmögliche Fle-xibilität. Diese ist im Rahmen der universi-tären Strukturen nicht immer ausreichendgegeben. Hier ist also auch die Universitätgefordert, mit den teils sehr spezifischenAnforderungen einer international ausge-richteten Forschungseinrichtung unbüro-kratisch und wirklich flexibel umzugehen.Vergleichbare Institute in den USA und invielen anderen Staaten können in vielenBereichen wesentlich freier agieren undsind damit für Wissenschaftler aus ande-ren Ländern einfach attraktiver.

Termiten spielen im Kohlenstoffkreislauftropischer Regenwald-Ökosysteme eine be-deutende Rolle. Bisher weitgehend unbe-merkt sind sie in der Lage, bis zu einem Drit-tel des Kohlenstoffs im Boden dieser Öko-systeme umzusetzen. Darüber hinaus tragensie allein bis zu 3 % zur weltweiten atmos-phärischen Kohlenstoff-Nettoemission bei,doppelt soviel wie bisher angenommen. Diessind zwei wesentliche Ergebnisse einer neu-en Studie des ZEF, die zum Ziel hat, die Rol-le der Termiten für die Entwicklung ange-passter Landnutzungssysteme für Regen-waldgebiet zu erforschen.

In der Studie wurde das durch Atmungfreigesetzte Kohlendioxid von 24 Termiten-arten gemessen, das sind ca. ein Viertel derin einer Regenwald-Lebensgemeinschaftvorkommenden Termitenarten. Die Datenwurden in ein Kohlenstoffmodell integriert,in dem die Kohlenstoff-Freisetzung durchTermiten differenziert nach ihrer Zugehö-rigkeit zu den verschiedenen �Nahrungs-gilden� (Zersetzer von Holz und organi-schem Material sowie Generalisten und Spe-zialisten) bestimmt wurde. Mit dieser diffe-renzierten Herangehensweise konnten dieBeiträge der einzelnen Termitengilden zum

Cäcilia Hanne ist Doktorandin ander Universität Frankfurt und hat dieStudie mit Unterstützung des DAADdurchgeführt. Dr. Christopher Mar-tius ist Wissenschaftler am ZEF.

Kohlenstoffbudget des Ökosystems Regen-wald sowie zum globalen Kohlenstoffkreis-lauf genauer als bisher errechnet werden.Es zeigte sich, dass Holzfresser doppeltsoviel CO2 produzieren wie die anderenGruppen.

Termiten stellen auch nach diesen Be-rechnungen keine primäre Quelle für atmos-phärisches Kohlendioxid dar. Allerdingssteuern sie bis zu 19 %zum globalen Aus-stoß an Methan bei, das wie CO2 ein Treib-hausgas ist. Für die Nährstoffkreisläufe tro-pischer Regenwälder sind sie allerdingsessentiell, da sie bis zu 28 % des Boden-kohlenstoffs metabolisieren.

Von vielen Forschern werden soge-nannte Agroforstsysteme als eine realisier-bare, an tropische Bedingungen angepassteAlternative zum konventionellen slash-and-burn Feldbau angesehen. Für die ange-strebte Optimierung der Nährstoffkreisläu-fe in diesen Agrarsystemen gilt es nun, dieAktivitäten der Termiten funktionell nutz-bar zu machen, ohne dabei aber die ange-bauten Kulturpflanzen zu beeinträchtigen.

Termiten werden oft als Schädlin-ge angesehen - zu Unrecht, wie

eine Studie des ZEF zeigt.

ZEF Discussion Paperson Development Policy

Publikationen

Artikel (Auswahl)

No. 38 - Ringler, C.: Optimal WaterAllocation in the Mekong River Basin,Bonn, Mai 2001.

No. 39 - Grote, U., Kirchhoff, S.:Environmental and Food SafetyStandards in the Context of TradeLiberalization: Issues and Options,Bonn, Juni 2001.

Berger, T.: Objektorientierte Implemen-tierung eines Programmierungsan-satzes mit Verhaltensheterogenitätund betrieblichen Interaktionen.Zeitschrift für Agrarinformatik 9/2,2001, S.. 26-33.

Matambalya, F., Wolf, S.: The CotonouAgreement and the Challenges ofMaking the New EU-ACP TradeRegime WTO Compatible, in: Journalof World Trade 35 (1), 2001, S.123-144.

Schetter, C., Ehlers, E..: PastoralNomadism and Environment: Bakhtiariin the Iranian Zagros Mountains. In:Petermanns Geographische Mitteilun-gen 145, 2001, S. 54-64.

van de Giesen, N., Mata, L. J., Döll, P.,Hoekstra, A., Pfeffer, M., Ramirez,J.A.: Modeling Water Availability:Scaling Issues. In: Ehlers, E., Krafft, T.(eds): Understanding the EarthSystem, Springer Verlag, 2001, S. 245-255.

van de Giesen, N., Andreini, M., vanEdig, A., Vlek, P.: Competition forWater Resources of the Volta Basin.In: Regional Management of WaterResources, IAHS Nr. 268, 2001, S.199-205.

Weinberger, K., Jütting, J.: Women�sParticipation in Local Organizations:Conditions and Constraints. In: WorldDevelopment, Vol. 29, No. 8, 2001, S.1391-1404.

Wimmer, Andreas: Globalisations avantla Lettre. A Comparative View onIsomorphization in an InterconnectingWorld. In: Comparative Studies inSociety and History, 2001, 43(3), S.435-466.

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Zentrum für EntwicklungsforschungCenter for Development ResearchUniversität BonnWalter-Flex-Str. 3D�53113 BonnISSN: 1438-0943

Redaktion: Monika ReuleBeirat: Dr. Johannes Jütting, Dr. AnjaSchoeller-Schletter, Dr. Rolf SommerTel.: 0228/73-1811Fax: 0228/73-5097E-Mail: [email protected]: http://www.zef.de

ZEFnews erscheint dreimal jährlich inenglischer und deutscher Sprache.Der Bezug ist kostenlos.

Impressum

Dr. Anja Schoeller-Schletter ist Ju-ristin und arbeitet am ZEF im BereichDemokratisierung und Rechtsstaat-lichkeit.

Anja Schoeller-Schletter

Bürger in Uniform?Rechtsreformen undMilitär in Lateinamerika

Die Entpolitisierung und Einglie-derung der Streitkräfte in die

verfassungsrechtliche Ordnung istim Demokratisierungsprozess in

Lateinamerika eine vieldiskutierteFrage. Welche Wege hier

erfolgversprechend sind, ist eineder Fragen, der das ZEF imRahmen seines Forschungs-

schwerpunkts �Law andGovernance� nachgeht.

Der Sturz von General Stroessner nachmehr als 30 Jahren diktatorischerRegierung in Paraguay markiert denBeginn eines Demokratisierungs-prozesses, im Rahmen dessen 1992eine neue Verfassung verabschiedetwurde. Das Buch Verfassungstraditionund Demokratieverständnis, Paradig-menwechsel und Reform. Die Verfas-sung der Republik Paraguay vom 20.Juni 1992 behandelt die normativen

und institutionellen Neuerungen, dieReformansätze und -alternativen,sowie die Schwierigkeiten und Erfolgevor dem Hintergrund der verfassungs-rechtlichen und politischen Traditiondes Landes. Die Analyse des in derVerfassung formulierten Demokratie-prinzips bezieht den Einfluss des US-amerikanischen Republikverständnissesmit ein und untersucht das vergleich-bar klare paraguayische Modell derVerfassungsänderung, Maßnahmen zurInstitutionalisierung und Entpoliti-sierung des Militärs, sowie die Neu-organisation des Obersten Gerichtshofs.

Die Verfassung derRepublik Paraguay

Anja Schoeller-Schletter: Verfassungstradition und Demokratieverständnis, Paradig-menwechsel und Reform. Die Verfassung der Republik Paraguay vom 20. Juni 1992,Nomos, Baden-Baden 2001, 249 S., ISBN 3-7890-7200-1.

In Ländern wie Paraguay, Chile oder Bolivi-en spielt das Militär eine einflussreiche Rol-le in Politik und Gesellschaft, die jeweils tiefin der politischen Landesgeschichte wur-zelt. Sie ist untrennbar verbunden mit derUnabhängigkeit von Spanien und den Aus-wirkungen des Kalten Kriegs, insbesonde-re mit der Bekämpfung von �inneren Fein-den� unter dem Mantel der von Amerika un-terstützten Anti-Kommunismus-Haltung.Mit den Demokratisierungsbestrebungender letzten Jahre und Jahrzehnte wird dieRolle der Streitkräfte, ihr Handeln und ihrSelbstverständnis als �Hüter der Nation� mitden Anforderungen eines demokratischen,rechtsstaatlichen, gewaltengeteilten und -kontrollierten Verfassungsstaates konfron-tiert.

Angesichts des Agierens von Militär-angehörigen zwischen und neben den po-

Militärs rechtfertigen. Längerfristig stelltsich allerdings die Frage, ob die Entpoliti-sierung der Militärangehörigen nicht zu ih-rer Entmündigung führt, das Militär also zueinem wertneutralen Werkzeug macht, wel-ches gegebenenfalls verfassungswidrigmissbraucht werden kann. Alberto Fujimo-ri, langjähriger Präsident von Peru, konntesich so im Namen der Bekämpfung des Ter-rorismus das Militär auf eine Weise für sei-ne eigenen Zwecke nutzbar machen, die vorder Entpolitisierungsreform der Streitkräftein den 70er Jahren kaum denkbar gewesenwäre.

Die konkreten Probleme sind in jedemLand anders gelagert und verlangen ent-sprechend landesspezifische Lösungen.Dennoch gibt es Regelungen, die geeigne-ter oder weniger geeignet sind, ein bestimm-tes Ergebnis zu fördern, und die eine stär-kere oder weniger starke Anfälligkeit ange-sichts bestimmter Störungen aufweisen.Ausgehend von dieser Annahme unter-sucht und vergleicht das Forschungspro-jekt �Public Law and Governance� am ZEFSystemanfälligkeiten und Strukturschwä-chen betreffend Aufbau, Organisation undVerfahren der an staatlichen Entschei-dungsprozessen beteiligten Organe. Hinter-grund ist die Frage nach möglichen Rechts-strukturreformen zur Stärkung verfas-sungskonformer demokratischer undrechtsstaatlicher Entscheidungsprozesseund deren Grenzen, gemessen an den Vor-gaben der jeweiligen Verfassung. In engemZusammenhang damit werden Fragen derImplementierung sog. good governanceKonzepte untersucht, welche ihren Schwer-punkt auf Rechtsstaatlichkeit als Voraus-setzung für ein stabiles politisches und wirt-schaftliches Umfeld legen.

litischen Institutionen und über die ihnenvon Rechts wegen zugedachten Aufgabenhinaus, haben die verschiedenen Länder zuunterschiedlichen Zeiten Reformversucheunternommen, die in Zielsetzung, Maßnah-men und Erfolgen variieren.

Zentrale Fragen sind immer wieder, in-wieweit die Organisation der Streitkräftedurch das Parlament mittels Gesetz ge-schieht, Militär und Polizei organisatorischvoneinander getrennt sind, ob gegen dieEntscheidungen der Militärgerichte Rechts-mittel bei der ordentlichen Gerichtsbarkeiteingelegt werden können, wie weit der Zu-ständigkeitsbereich der Militärgerichte ge-fasst ist und inwieweit die Rechte von An-gehörigen der Streitkräfte eingeschränktwerden.

Um der Korrumpierung staatlicher Ent-scheidungsprozesse wirksam entgegenzu-treten, hat sich beispielsweise der para-guayische Verfassungsgeber für eine Ent-politisierung der Streitkräfte durch derenBeschränkung auf bestimmte politischeRechte entschieden. So ist Militär- und Po-lizeibediensteten, solange sie nicht im Ru-hestand sind, die Übernahme von Partei-ämtern wie auch jegliche Art politischerAktivität untersagt. Die peruanische Ver-fassung hingegen beschränkt das passiveund auch das aktive Wahlrecht der Militär-angehörigen.

Vor dem Hintergrund bestehender Mög-lichkeiten des Missbrauchs lassen sichBeschränkungen der politischen Rechte des

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