praxis der hmd wirtschaftsinformatik

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Praxis der HMD Heft 264 Dezember 2008 Wirtschaftsinformatik 971-1 dpunkt.verlag Hans-Peter Fröschle . Rüdiger Zarnekow (Hrsg.) Û Grundlagen, Vorgehen, Werkzeuge Û Service Value Lifecycle Û IT Service Management Support System Û Zwei Frameworks im Vergleich Û Interaktive Portfolioauswahl Û Performance-Messungen Û Shared-Service-Organisation Û Next Generation Outsourcing Û Geschäftsprozess-Monitoring

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Praxis derHMD

Heft 264Dezember 2008

Wirtschaftsinformatik

971-1dpunkt.verlag

Hans-Peter Fröschle . Rüdiger Zarnekow (Hrsg.)

Û Grundlagen, Vorgehen, Werkzeuge

Û Service Value Lifecycle

Û IT Service Management Support System

Û Zwei Frameworks im Vergleich

Û Interaktive Portfolioauswahl

Û Performance-Messungen

Û Shared-Service-Organisation

Û Next Generation Outsourcing

Û Geschäftsprozess-Monitoring

Praxis der Wirtschaftsinformatik – InhaltH

MD

264

Wertorientiertes IT-Servicemanagement

2 Cartoon

3 Editorial

4 Einwurf von Frank Zielke

7 Rüdiger Zarnekow, Koray ErekNachhaltiges IT-Servicemanagement – Grundlagen, Vorgehensmodell und Managementinstrumente

19 Matthias Goeken, Rainer Heck, Heiko KleinMit dem Service Value Lifecycle zur wertorientierten Serviceorganisation

29 Markus Bick, Kathrin BörgmannIT Service Management Support System (IT-S3) – wertorientierte Einführung und Etablierung von IT-Servicemanagement

38 Jürgen GrossBest Practice im wertorientierten IT-Servicemanagement – zwei Frameworks im Vergleich

48 Christian Stummer, Thomas NeubauerInteraktive Portfolioauswahl im IT-Servicemanagement

56 Volker NitzschkePerformance-Messungenim IT-Servicemanagement

63 Veit Schulz, Andreas Resch, Falk Uebernickel, Walter BrennerShared-Service-Organisationen als Möglichkeit wertorientierter Steuerung des IT-Bereichs

73 Holger von Jouanne-Diedrich, Jürgen Slaar, Simon SchmidtNext Generation Outsourcing aus IT-Dienstleistersicht

82 Frank SteinbeckStabiler IT-Betrieb durch Geschäftsprozessüberwachung

115 Glossar

Weitere Themen Rubriken93 Hauke Heier, Mervyn G. Maistry

Wertbeitrag von IT Governance-Applikationen

104 Christiane Mauch Ungenutzte Potenziale in der IT-Leistungsverrechnung

117 Notizen

118 Bücher

121 Vorschau

123 Stichwortverzeichnis

128 Impressum

HMD 264 3

Editorial

Was? – Wie? – Warum?

Mit diesen Fragewörtern lassen sich sehr gutdie Entwicklung und der aktuelle Stand des IT-Servicemanagements beschreiben. Viele Jahrelang haben sich die Theorie und die betrieblichePraxis mit der Frage auseinandergesetzt, wasBestandteil eines »ordnungsgemäßen IT-Be-triebs« sein sollte. Frühzeitig wurde in diesemZusammenhang herausgearbeitet, dass das»Wie« des IT-Betriebs situationsspezifisch undvon den Unternehmen angepasst an die spezi-fischen Herausforderungen zu beantworten ist.Heute stellt sich in zunehmendem Maße dieFrage nach dem »Warum«: Welchen Wertbei-trag steuert das IT-Servicemanagement zumGesamterfolg eines Unternehmens bei? Das IT-Servicemanagement bekommt ein stärkeresstrategisches Gewicht.

Mit dem vorliegenden Heft wollen wir un-seren Leserinnen und Lesern hierzu erste Ant-worten geben. Untypisch für ein HMD-Heft be-ginnen wir die Abhandlung nicht mit einemGrundlagenbeitrag, sondern haben eine grund-legende Darstellung zu Anforderungen undManagementmethoden zur Gewährleistungeines nachhaltigen Servicemanagements er-gänzt um einen zweiten grundlegenden Beitragzu den Wertbeitragspotenzialen des IT-Betriebs,wenn die Leistungen konsequent als Servicesdefiniert und behandelt werden.

Die darauf aufbauenden Beiträge stellenMethoden zur Einführung und Etablierung ei-ner Wertorientierung im IT-Servicemanage-ment vor und positionieren die gemeinsame

Nutzung von ITIL und CobiT zur Erreichung derentsprechenden Ziele. Mit Portfolioansätzenzum Management der IT-Services und geeig-neten Methoden zur Messung der Leistungsfä-higkeit dieser Services werden Lösungsansätzefür das »Warum« des IT-Servicemanagementsfür die betriebliche Praxis beschrieben.

Mit der »Shared-Service-Organisation« wirdeine konkrete Organisationsform zur wertorien-tierten Steuerung des IT-Betriebs in einer Kon-zernorganisation vorgestellt. »Next GenerationOutsourcing« wendet die Perspektive bei derOutsourcing-Entscheidung weg von der Opti-mierung des Betriebs hin auf die optimale Un-terstützung der Kerngeschäfte des Unterneh-mens. Mit der zunehmenden Steuerung durchdie Anforderungen der betrieblichen Kernge-schäftsprozesse und der damit verbundenenÄnderungsdynamik sind hohe Anforderungenan die Stabilität des IT-Betriebs und die kon-sequente Geschäftsprozessüberwachung ver-bunden.

Steigen Sie mit der Lektüre der Beiträge indie spannende Diskussion um die Zukunft desIT-Servicemanagements ein und beurteilen Sieselbst, inwieweit mit den dargestellten Ansät-zen eine Entwicklung in der IT hin zu einemwertorientierten IT-Servicemanagement unddamit zu einem Business-/IT-Alignment mög-lich ist.

Hans-Peter Fröschle und Rüdiger Zarnekow

Einwurf

4 HMD 264

Es ist Montagmorgen, 08.15 Uhr. Ich gehe zurRezeption, um auszuchecken, denn mein ITIL-Managementseminar geht um 09.00 Uhr los.An der Rezeption bildet sich eine Schlange. Ichsehe die genervten Gesichter meiner Kollegen,die anscheinend schon ein bisschen länger hierstehen, um in die Woche gehen zu wollen, aberoffenbar nicht können.

»Guten Morgen«, sage ich deutlich, ummeiner Hoffnung Ausdruck zu verleihen. Dochaußer fassungsloser Blicke sehe ich nichts. Nurein Murmeln des Mitarbeiters an der Rezep-tion, das so viel bedeutet wie »so geht es auchnicht schneller«. Ich danke in solchen Augen-blicken immer wieder Gott, der mir trotzschmerzhafter Erfahrungen das Lächeln immerwieder zurückgegeben hat und der mich jedenMontagmorgen wieder aufstehen lässt, um zuhoffen, dass ich Serviceorientierung in der Pra-xis nicht nur in meinen Seminaren erleben darf.

Nun ja, die Uhr zeigt mittlerweile 08.30 Uhran und ich scheine so langsam dranzukommen.Wenn da nicht der Ausruf des Rezeptionistenwäre, der zu dem Kunden vor mir sagt: »Tut mirleid, aber die Kreditkartenzahlung scheint nichtzu laufen, können Sie vielleicht auch mit EC-Kar-te bezahlen?« Sie hätten sehen müssen, in wel-cher Blitzgeschwindigkeit sich der Nacken desMannes vor mir verfärbt hat. Wenn ich nichtschon öfter dieses Erlebnis gehabt hätte, hätteich vermutet, dass er gleich einen Herzinfarktbekommt oder seine Halsschlagader zerreißt.Im Seminar hätte ich meinen Anwendern ver-mutlich verdeutlicht, dass es sich eigentlich ersteinmal nur um einen Incident handelt, der mög-licherweise durch den Workaround mit der EC-Karte behoben werden kann, und somit der rot-lila verfärbte Herr ein Glückspilz ist, da ihm seinService doch möglichst schnell bereitgestellt

wird, und ich dann gleich dran bin. Ich verkneifemir die Bemerkung, denn ich möchte nichtschuld an einem montagmorgendlichen Not-arztprogramm sein, und stelle geschockt fest,dass es schon 08.40 Uhr ist. Jetzt wird es auchbei mir langsam eng, und die Schweißdrüsenfangen an zu arbeiten. Es ist 08.45 Uhr, nach-dem sich der rote Herr mit dem Rezeptionistenauf die EC-Karten-Zahlung verständigen konnteund ich an der Reihe bin. Immer noch froh ge-launt spreche ich den Rezeptionisten an undsage, dass er es ja auch nicht einfach habe. »Hö-ren Sie mir auf. Mir ist völlig unerklärlich, war-um immer am Montagmorgen so viele Men-schen zur selben Zeit auschecken wollen. Esmuss doch möglich sein, dass nicht alle auf ein-mal kommen.« Da frage ich doch mal nach:»Das heißt, es dauert bei Ihnen jeden Montag-morgen so lange?« »Solange alle zur selben Zeithier auftauchen, wird sich daran auch nichts än-dern.« Es ist zwar schon 08.52 Uhr und ich mussjetzt wirklich los, aber eine Frage liegt mir den-noch auf der Zunge: »Warum sind denn nichtmehrere Personen hier am Montagmorgen amEmpfang, damit es schneller geht, wenn esdoch immer so ist?« »Na, Sie haben ja Ideen.Wenn hier alles leer ist, dann kann ich ja gleichnach Hause gehen!« »Okay«, denke ich, einenbesseren Einstieg für mein Seminar kann ichmir gar nicht wünschen. Zumal ich jetzt eh zuspät kommen werde und eine Ursache dafürbrauche. IT- und Nicht-IT-Service haben dochalle das gleiche Grundübel: Der Wert des Serviceist nur hoch, wenn er durch ein unersättlichesIndividuum erbracht wird!

Aber ist das wirklich so? Ich gehe zum Semi-narraum und nutze die paar Minuten, um zuüberlegen, ob ich dem Herrn jetzt eigentlich zu-stimme. »Utility« und »Warranty« schießt es

Frank Zielke

Was ist Service wert?

Einwurf

HMD 264 5

mir durch den Kopf. Die Utility war ja okay. Aberdie Warranty ließ noch sehr zu wünschen übrig.Die Verfügbarkeit des Personals und die Zuver-lässigkeit des Service, um meine unproduktiveZeit auf ein Minimum zu beschränken, warennicht gewährleistet. Da wäre mir doch ein zwei-ter, dritter, vierter Rezeptionist sehr lieb gewe-sen. »Ha«, denke ich, »wie genial sich doch dieITIL-Konzepte auf jede Lebenssituation übertra-gen lassen!« Ich gehe gut gelaunt in das Semi-nar und sehe eine verärgerte Teilnehmerschaftvor mir, da ich zu spät komme. »Recht habensie«, denke ich und erzähle erst einmal vonmeinem Rezeptionsbesuch, der das Verständnisdes Nutzens und der Zusicherung prüfungs-sicher macht.

In der Kaffeepause gehe ich noch einmal zurRezeption. Mein »Betreuer« von vorhin ist nochda, er steht an seinem Terminal und scheintnoch immer mit dem Kreditkartenleser nichtzurechtzukommen. »Hallo«, sage ich freundlich.Ohne hoch zu schauen, sagt der Mann: »Waswünschen, Sie?« »Ich würde gern für Montag-morgen hier am Empfang aushelfen.« Entrüstetstarrt der Mann mich an. »Wieso das denn?«»Ich würde Ihnen gern zeigen, dass ein zweiterMann hier vorne nicht Ihren Arbeitsplatz strittigmacht, sondern erhält.« »Was ist das denn fürein Schwachsinn? – Wenn Sie hier arbeiten wol-len, dann bewerben Sie sich bei meinem Chef!«»Ist der denn da?«, frage ich höflich. »Norbert,hier ist einer für Dich.« »Guten Tag«, sage ich,»ich habe heute Morgen gesehen, dass hiermontagmorgens sehr viel zu tun ist. Ich möchteIhnen gern zeigen, dass Sie durch zwei PersonenIhren Rezeptionisten nicht überflüssig machen,sondern seine Position stärken und dass Sieauch neue Kunden hinzugewinnen werden bzw.erst einmal keine aufgrund der momentan ho-hen Wartezeiten verlieren.«

»Aha«, scheint alles zu sein, was Norbert sa-gen kann. Dieses »Aha« kenne ich doch als Bera-ter. Das heißt bei uns im Norden so viel wie»Schnack Du man«. Ich habe mir über die Jahreangewöhnt, dieses »Aha« nicht als Abwertung,

sondern als Ansporn zu sehen. »Ich finde dasgenial, dass Sie so skeptisch sind. Kein Wunder,dass Ihr Hotel grundsätzlich so gut läuft!« »Washeißt denn hier grundsätzlich? – Unser Hotel istbis aufs Wochenende immer gut gebucht.« »Erhat angebissen«, denke ich und steige ein: »Wasmeinen Sie denn mit gut gebucht? – Wie hochist denn Ihre Auslastung?« »Da müsste ich malganz genau nachgucken …« »Was halten Sie da-von, wenn wir uns heute Nachmittag mal aufeine Tasse Kaffee zusammensetzen und Sie mirIhr Erfolgsrezept vom Hotel erzählen?« »Daskönnen wir gern machen.« Zufrieden gehe ichfürs Erste zurück in mein ITIL-Seminar und er-kläre den Servicekreislauf, beginnend mit derService Strategy.

Der Seminartag vergeht wie im Fluge. Ge-gen 17 Uhr gehe ich wieder zur Rezeption, an dersich so langsam wieder eine kleine Schlange bil-det, es ist Anreisezeit.

»Toll«, sage ich zu Norbert, »Ihr Geschäftläuft ja bestens.« »Das ist noch gar nichts«, sagter, »Sie müssen erst einmal die Schlange um18 Uhr sehen.« Ich verkneife mir fürs Erste mei-ne Bemerkung und setze mich mit Norbert aneinen Tisch.

»Wer ist denn eigentlich Ihre Zielkundschaftfür Ihr Hotel – ich meine, es ist ja nicht das aller-günstigste und auch nicht das schlechtesteHaus am Platze!« »Also, im Prinzip nehmenwir hier jeden auf, der eine gute Übernachtungsucht.«

»Also, ich glaube, dass Sie mit dem CharmeIhres Hotels, der Qualität Ihrer Zimmer und derGüte Ihres Restaurants vornehmlich Business-Kunden montags bis freitags und am Wochen-ende die gut situierten Familien ansprechensollten. Durch ein entsprechendes Zielpublikumkönnen Sie sich optimal auf deren Bedürfnisseund Wünsche einstellen. Sei es bezogen auf de-ren gastronomischen Geschmack, die Anforde-rungen an Technologie auf den Zimmern oderdie schnellen Abfertigungszeiten an der Rezep-tion. Diese Serviceorientierung wird Sie gegen-über Ihren Mitbewerbern unterscheiden. Fra-

Einwurf

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gen Sie auch Ihre Gäste regelmäßig nach ihrenWünschen, was sie am/im Hotel vermissen undbenötigen.«

Und jetzt kommen wir zum Kern: »Wenn Siees schaffen, dass Ihre Kunden montagmorgensspätestens nach 5 Minuten bedient werden,dann wird die positive Mund-zu-Mundpropa-ganda wirken und die Hotelnachfrage steigen.Ich zum Beispiel würde meinen Kollegen nichtmehr berichten, dass sie lieber ein anderesHotel nehmen sollen, damit sie auch pünktlichbei ihrem Seminar sind und durch die Un-freundlichkeit der Rezeption sich nicht lieberwünschten, im Wochenende geblieben zu sein.Sie sehen, wenn Sie einen zweiten Mitarbeiterhinter die Rezeption stellen, dann bedeutet dasnicht, dass Ihr erster Mitarbeiter bald nichtsmehr zu tun hat, sondern dass Sie vielleicht baldnoch einen dritten Mitarbeiter benötigen. Au-ßerdem können Sie den ersten Mitarbeiter da-mit betrauen, Ihnen die Reports zu erstellen –Sie erinnern sich, wann Sie wie viele Gäste hat-ten und ob die Anzahl der Gäste auch in dennächsten Wochen und Monaten anwächst. Da-mit geben Sie Ihrem Mitarbeiter das gute Ge-fühl, unbedingt gebraucht zu werden und dasser mehr Potenzial in sich trägt, als er dachte.«

Norbert guckt mich verblüfft an: »Sie sindHotelmanager?« »Nein«, sage ich, »ich lebe dieWertorientierung im Servicemanagement undmöchte dass es Deutschland wieder gut geht.«

»Oh, Gott«, sagt, Norbert, »was meinen Siedenn mit Wertorientierung und Servicema-nagement?«

»Servicemanagement ist quasi das, was Siejetzt machen: Sie richten sich an den Bedürfnis-sen Ihrer Kunden aus und stellen Ihre internenServicemöglichkeiten darauf ein. – Was Sie alsoim Hotel machen, tue ich in der IT. Wir habenbeide dasselbe Ziel: Wir wollen den Wert, denwir leisten, erhöhen. Und diesen Mehrwert kön-nen wir nur durch einen Service bieten, der ander Nachfrage des Kunden ausgerichtet ist, derneben einer Unterkunft, einem Frühstück undder Internetverbindung auf dem Zimmer daraninteressiert ist, dass das Frühstück auch nochum 10 Uhr frische Wurst und Käse bietet, dassdie Internetverbindung um 18.00 Uhr hochper-formant läuft und er an der Rezeption spätes-tens nach 5 Minuten dran ist.«

»Ach so, Sie meinen Value Creation!«, sagtNorbert, »warum sagen Sie das denn nichtgleich?!«

Dipl.-Betriebsw. (BA) Frank ZielkeGeschäftsführerITSM Consulting Nord GmbHStadthausbrücke 1-320355 [email protected] www.ITSM-Consulting.de

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Rüdiger Zarnekow, Koray Erek

Nachhaltiges IT-Servicemanagement – Grundlagen, Vorgehensmodell und Managementinstrumente

Mit der wachsenden Bedeutung von Informa-tionstechnologien nimmt deren Einfluss aufÖkonomie, Ökologie und Gesellschaft zu. In An-betracht steigender Kosten für Ressourcen undeiner zunehmenden globalen Vernetzung sindnachhaltige Konzepte für das IT-Servicemanage-ment erforderlich. Während das Konzept derNachhaltigkeit in anderen industrialisiertenBranchen bereits seit Längerem verfolgt wird,fehlt es im IT-Servicemanagement, abgesehenvon den eher technisch orientierten Maßnahmenim Rahmen einer »Green IT«, noch weitgehendan einer theoretischen und konzeptionellenGrundlage. Das Konzept der Nachhaltigkeit lässtsich in das IT-Servicemanagement als Vorgehens-modell übertragen. Möglichkeiten zur Integra-tion von Nachhaltigkeitsaspekten des IT-Service-managements in eine IT-Balanced-Scorecard so-wie in IT-Reifegradmodelle sind gegeben.

Inhaltsübersicht1 Bedeutung der Nachhaltigkeit für das

IT-Servicemanagement2 Der Grundsatz unternehmerischer

Nachhaltigkeit3 Ansätze für nachhaltiges

IT-Servicemanagement3.1 Ein Vorgehensmodell für nachhaltiges

Informationsmanagement3.2 Integration der Nachhaltigkeit in eine

»Sustainability-IT-Balanced-Scorecard«3.3 Nachhaltiges Reifegradmodell zur

Leistungsbeurteilung4 Ausblick5 Literatur

1 Bedeutung der Nachhaltigkeit für das IT-Servicemanagement

Der zunehmende Einfluss von Informations-technologien (IT) auf Ökonomie, Ökologie undGesellschaft zwingt das IT-Servicemanage-ment (ITSM), sich mit Konzepten des nachhal-tigen Managements auseinanderzusetzen.Nachhaltiges Management kann in diesemZusammenhang als langfristiger, simultanerOptimierungsprozess von ökonomischen, öko-logischen und sozialen Zielen zur Sicherungeiner dauerhaften Geschäftstätigkeit definiertwerden [Elkington 1997].

Der wachsende Energieverbrauch in Re-chenzentren sowie die immer kürzer wer-denden Lebenszyklen von IT-Services erfordernneue nachhaltige Konzepte für das ITSM, dieüber die aktuell unter dem Schlagwort »GreenIT« diskutierten Maßnahmen hinausgehen. DerBedarf nach nachhaltigem Wirtschaften ent-steht hierbei nicht nur durch die ökonomischeNotwendigkeit zur Effizienzsteigerung auf-grund steigender Energie- und Rohstoffpreise.Auch der öffentliche Druck sowie die Forderunginterner und externer Stakeholder nach um-welt- und sozialbewusstem Handeln habenUmweltthemen stärker in das Blickfeld desITSM gestellt und deuten auf einen Wandel hin.

Der ökologische Einfluss der IT wird in denMedien unter dem Schlagwort »Green IT«diskutiert. Eine Hauptproblematik stellt derEnergieverbrauch von IT-Services während desBetriebs dar. Der durch IT verursachte Energie-verbrauch betrug im Jahr 2001 ca. 23,6 Tera-wattstunden (TWh) und damit 4,9 % des ge-samten Elektroenergieverbrauchs [BMU & UBA2006]. Prognosen für das Jahr 2010 gehen hier-

Nachhaltiges IT-Servicemanagement

8 HMD 264

bei von einer Zunahme um 50 % auf 36,4 TWhaus, wobei der Großteil des Zuwachses durchdie Infrastruktur (Server, Breitbandanschlüsseetc.) bedingt ist. Nach Schätzungen von Analys-ten der Gartner Group verursacht die IT-Bran-che durch ihren Energiekonsum ca. 2 % derweltweiten Gesamtemissionen an CO2 und ent-spricht damit der CO2-Bilanz des globalen Flug-verkehrs [Gartner 2007]. Der wichtigste Treiberfür den immensen Anstieg des weltweitenStromverbrauchs von Rechenzentren ist die glo-bal rasant steigende Nutzung internetbasierterDienste. Allein das Internetportal Google be-treibt rund 450.000 Server und verursacht da-mit einen Verbrauch von 800 Gigawattstunden(GWh) pro Jahr [Chou 2008].

Nachhaltigkeit bezieht sich jedoch nicht nurauf »Green IT«-Maßnahmen. Soziale und ökolo-gische Probleme resultieren zudem aus demAbfallstrom elektronischer Komponenten (Elek-tronikschrott), der jährlich um ca. 3 bis 5 % an-wächst. Die jährliche Gesamtmenge an Elektro-nikschrott beträgt ca. 20 bis 50 Millionen Ton-nen, von denen 25 % die IT verantwortet [UNEP2007]. Das entspricht dem Gewicht von 9.000voll beladenen Passagierflugzeugen vom TypAirbus A380, belastet mit gefährlichen Metallenwie Blei, Quecksilber und Kadmium.

Die beschriebenen Fakten verdeutlichen dieNotwendigkeit, aber auch die Komplexitäteines nachhaltigen ITSM. Für IT-Organisationenwird die Notwendigkeit einer nachhaltigenEntwicklung immer mehr zu einem Schlüssel-faktor. Viele der in der Praxis umgesetzten»Green IT«-Ansätze beschränken sich auf Ein-zelmaßnahmen auf Systemebene, wie z. B. Kon-zepte der energieeffizienten IT-Leistungserstel-lung. Ungeachtet deren Bedeutung zur Reduk-tion des Energieverbrauchs und damit der CO2-Emissionen, betreffen diese Ansätze jedoch nurden IT-Leistungserstellungsprozess. Infolgedes-sen ist eine Erweiterung des »Green IT«-Ver-ständnisses erforderlich. Zu einem nachhal-tigen ITSM zählen mitunter Aspekte der Be-schaffung ressourcen- und umweltschonender

Produkte sowie die Optimierung der inner- undaußerbetrieblichen Stoffströme. Zudem ist eineübergeordnete (Service-)Strategie zur Nach-haltigkeit erforderlich, die diese Punkte in derIT-Servicebereitstellung verankert.

Eine Erfolg versprechende Umsetzung desNachhaltigkeitsansatzes ist an bestimmte Be-dingungen geknüpft. Zum einen muss Nach-haltigkeit im Sinne eines Top-down-Ansatzesintegraler Bestandteil der IT-Strategie sein.Nachhaltigkeit sollte dabei keine eigenständigeInitiative sein, sondern konsequent in die Pro-zesse des ITSM integriert werden. Zum anderenist auf operativer Ebene eine konsequenteUmsetzung energieeffizienter Konzepte not-wendig, um die CO2-Bilanz der IT weiter zu opti-mieren, was aufgrund stetig steigender Ener-giepreise nicht zuletzt auch zu besseren Kosten-strukturen führt.

Während das Konzept der Nachhaltigkeit inanderen industrialisierten Branchen bereits seitLängerem verfolgt wird, fehlt es innerhalb desITSM nach wie vor an einer breiteren theore-tischen und konzeptionellen Grundlage. Vordiesem Hintergrund liegt es nahe, die Frageaufzugreifen, welche Anstöße der Nachhaltig-keitsansatz für die weitere Entwicklung desITSM leisten kann und wie dieser effizient um-gesetzt werden kann. Ziel des vorliegenden Bei-trags ist es, das Konzept der Nachhaltigkeit indas ITSM zu übertragen, und damit einen wis-senschaftlichen Beitrag zur aktuellen Diskus-sion um Umweltrelevanz und »Green IT« imITSM zu leisten. Hierzu ist es zunächst notwen-dig, sich mit den betriebswirtschaftlichen Aus-sagen des Nachhaltigkeitsansatzes zu befas-sen.

2 Der Grundsatz unternehmerischer Nachhaltigkeit

Das Konzept der Nachhaltigkeit ist Gegen-stand zahlreicher wissenschaftlicher Diskussi-onen. Das heute vorherrschende Verständnisder Nachhaltigkeit wurde durch die Definition

Nachhaltiges IT-Servicemanagement

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der Brundtland-Kommission im Jahre 1987 ge-prägt [WCED 1987], die »nachhaltige« bzw.»dauerhafte Entwicklung« als eine Entwick-lung bezeichnet, die »den Bedürfnissen der heu-tigen Generation gerecht wird, ohne die Mög-lichkeiten künftiger Generationen zu gefährdenbzw. zu riskieren, ihre eigenen Bedürfnisse zubefriedigen«.

In der Unternehmenspraxis wird der BegriffNachhaltigkeitsmanagement überwiegend imZusammenhang mit den Aufgaben, Konzeptenund Instrumenten einer nachhaltigen Unter-nehmensentwicklung verwendet. Im betrieb-lichen Kontext hat sich das Konzept der Nach-haltigkeit, ausgehend von Zielen der Ressour-censchonung und des Umweltschutzes, zueiner gleichberechtigten und gleichzeitigen Be-rücksichtigung ökonomischer, ökologischer undsozialer Ziele weiterentwickelt. Diese Dimensi-onen repräsentieren die drei Säulen der Nach-haltigkeit [Elkington 1997] und werden auch alsdas Drei-Säulen-Modell (engl. »Triple BottomLine«) der Nachhaltigkeit bezeichnet (sieheAbb. 1).

Abb. 1: Dimensionen der Nachhaltigkeit

Das Drei-Säulen-Modell bietet Unternehmeneinen Rahmen, ihr unternehmerisches Wirkenauf Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt zustrukturieren und zu beurteilen, und geht vonder Annahme aus, dass nachhaltigkeitsorien-tiertes Wirtschaften neben ökonomischen As-pekten auch ökologische und soziale Aspektebeinhalten muss.

In der praktischen Umsetzung wird Nach-haltigkeit häufig mit ökonomischer Nachhaltig-keit gleichgesetzt (Prinzip der Kapitalerhaltung)[Dyllick & Hockerts 2002]. Das eigentliche Zielvon Nachhaltigkeit in Unternehmen ist jedochauf eine realistische Ausgewogenheit zwischenGewinnerzielung und Sicherung der Zukunfts-fähigkeit gerichtet. Eine integrierte Betrach-tung ist nur dann gewährleistet, wenn dieInterdependenzen zwischen den drei Säulen er-kannt werden und eine optimale Balance zwi-schen diesen langfristig erhalten wird. Dabei isteine ganzheitliche, durchgängige Implementie-rung des Ansatzes, ausgehend vom oberstenManagement, zu gewährleisten. Ohne dieDurchgängigkeit des Verständnisses über alleHierarchieebenen einer Organisation hinwegist Nachhaltigkeit nicht umsetzbar.

3 Ansätze für nachhaltiges IT-Servicemanagement

In diesem Kapitel werden, ausgehend von denin den vorherigen Abschnitten dargestelltennachhaltigkeitsorientierten Herausforderun-gen innerhalb der IT-Branche, ausgewählte Me-thoden und Modelle zur Integration der Nach-haltigkeit in das ITSM vorgestellt. Im Speziellenwird der Frage nachgegangen, welche Metho-den und Instrumente geeignet sind, um eineNachhaltigkeitsstrategie umzusetzen.

3.1 Ein Vorgehensmodell für nachhaltiges Informationsmanagement

Das in Abbildung 2 dargestellte Vorgehensmo-dell ermöglicht die praktische Umsetzung einesnachhaltigen ITSM über die gesamte Wert-schöpfungskette auf Basis der Ressourcentheo-rie [Schmidt et al. 2009]. Das Modell bestehtaus sechs aufeinanderfolgenden Schritten, be-ginnend mit der Identifikation der Ressourcendes ITSM.

Im Rahmen der Ressourcenidentifikationwerden die Ressourcen hinsichtlich ihres Ein-flusses auf den ökonomischen Erfolg und ihrer

Ökonomische Nachhaltigkeit

ÖkologischeNachhaltigkeit

SozialeNachhaltigkeit

NachhaltigkeitNachhaltigkeit

Nachhaltiges IT-Servicemanagement

10 HMD 264

Ressourcen-identifikation

Beurteilung

PriorisierungImplementierung

Umsetzung & Kontrolle

Nachhaltiges Informations-management

Maßnahmen-identifikation

Ressourcen-identifikation

Beurteilung

PriorisierungImplementierung

Umsetzung &Kontrolle Maßnahmen-

identifikation

Ressourcen-identifikation

Beurteilung

PriorisierungImplementierung

Umsetzung & Kontrolle

Nachhaltiges

managementMaßnahmen-identifikation

externen Effekte analysiert. In der Literatur fin-den sich zu diesem Zweck zahlreiche unter-schiedliche Ansätze, um die Ressourcen desITSM zu bestimmen. Wade und Hulland er-mittelten beispielsweise durch die Analysezahlreicher Studien acht zentrale Ressourcendes Informationsmanagements [Wade & Hul-land 2004]: externes Beziehungsmanagement,Marktreaktionsvermögen, strategische Part-nerschaften im IT-Geschäft, IT-Planungs- und-Change-Management, IT-Infrastruktur, tech-nische IT-Fähigkeiten, IT-Entwicklung und kos-teneffizienter Betrieb. Ausgewählte Ressourcenkönnen nach Bedarf weiter differenziert wer-den. So beinhaltet beispielsweise die IT-Infra-struktur einerseits materielle Ressourcen (z. B.Gebäude, IT-Hardware) und andererseits imma-terielle Ressourcen, wie z. B. Elektrizität oderLage. Zu beachten ist der Aspekt der Inter-konnektivität einzelner Ressourcen [Hart 1995].Die Beschaffung, Herstellung, Anwendung undSicherung einzelner Ressourcen kann demnachdavon abhängen, ob bereits andere Ressourcenzur Verfügung stehen.

Nach der Ressourcenidentifikation erfolgtdie Beurteilung einzelner Ressourcen hinsicht-lich ihres Beitrags zur strategischen Position der

IT-Organisation. Beispielsweise lassen sich Res-sourcen in Kernressourcen, Basisressourcen unddisponible Ressourcen unterteilen [Johnson &Scholes 1999]. Auf Basis dieser Dreiteilung kön-nen die Ressourcen dann mithilfe von Portfolio-techniken analysiert werden, um Geschäfts-strategien abzuleiten. Typischerweise wird dieinterne Bedeutung der Ressource dem Ausmaßan externen Effekten gegenübergestellt, umaus der Positionierung strategische Handlungs-empfehlungen ableiten zu können. Die exter-nen Effekte einer Ressource verdeutlichen dieökologischen und sozialen Auswirkungen jederRessource. Aus dem Portfolio können schließ-lich strategische Stoßrichtungen ermittelt wer-den. Insbesondere müssen die Ressourcen miteiner hohen Bedeutung für die Wettbewerbs-situation des Unternehmens und hohen exter-nen Effekten nachhaltig gemanagt werden.

Im nächsten Schritt gilt es, für jeden Prozessder Wertschöpfungskette Maßnahmen zu iden-tifizieren, die zu der ökologischen und sozialenZieldimension der Ressource beitragen, um da-durch ihre negativen externen Effekte zu redu-zieren. Die in der Praxis existierenden Maßnah-men im Bereich der »Green IT« können, wieoben beschrieben, dem Produktionsprozess zu-

Abb. 2: Vorgehensmodell zur Umsetzung von Nachhaltigkeit

Nachhaltiges IT-Servicemanagement

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geordnet werden. Weiterhin können Umwelt-kennzeichen beim energie- und ressourcenbe-wussten Einkauf von IT zum Einsatz kommen,wie z. B. der blaue Engel oder der Energy Star fürreine Energieaspekte. Die in den Vergabegrund-lagen dieser Zeichen festgelegten Kriterien bie-ten praxistaugliche Anforderungen für eineumweltfreundliche Beschaffung der Großver-braucher und sind somit für die technische Spe-zifikation oder als Zuschlagskriterien für Aus-schreibungen nutzbar.

Die identifizierten Maßnahmen müssenhinsichtlich ihrer Durchführbarkeit, Bedeutungund Kosteneffizienz priorisiert werden. Die Ent-scheidung, bestimmte Maßnahmen umzuset-zen, kann aus den zu erwartenden Kosten,Wertzuwächsen und Risiken abgeleitet werden.Dabei müssen die Interdependenzen verschie-dener Ressourcen berücksichtigt werden. Nach-haltigkeitsmaßnahmen für eine Ressource kön-nen positive oder negative Effekte bei einer an-deren verursachen. Beispielsweise kann dieUmstellung von Desktop-Computern auf ThinClients im Büro Energie sparen, im Rechenzent-rum kann dadurch jedoch der Ressourcenver-brauch ansteigen.

Nach der Implementierung der Nachhaltig-keitsmaßnahmen sind diese mit angemes-senen Kennzahlen zu steuern und zu kontrollie-ren. Die wohl bekanntesten Reporting-Richt-linien zur Messung der Nachhaltigkeitsleistungsind die der Global Reporting Initiative (GRI), dieGrundsätze und Kennzahlen zur Messung derökonomischen, ökologischen und sozialen Leis-tungen bereitstellt [GRI 2006]. Durch diesestandardisierten Richtlinien können die Leis-tungen mit den Anforderungen von Regula-toren, Gesetzgebern oder Branchenverbändenverglichen werden. Um passende Kennzahlenfür die Nachhaltigkeitsmaßnahmen zu bestim-men, ist es notwendig, klare und messbare Zielefür jede Maßnahme festzulegen. Ein Beispielfür derartige Kennzahlen im Source-Prozess wä-re die Anzahl der Lieferanten, die nach ISO 14001zertifiziert sind, oder der Anteil der Lieferanten,

die ökologisch gekennzeichnete Produkte, z. B.mit dem TCO Label oder dem Energy Star,führen.

Zur Übersetzung einer Nachhaltigkeitsstra-tegie in spezifische Kennzahlen eignen sich dar-über hinaus bestehende, in der Unternehmens-praxis verbreitete Managementkonzepte, wiez. B. die IT-Balanced-Scorecard oder die kenn-zahlenbasierte Beurteilung der Effektivität an-hand eines Reifegradmodells.

3.2 Integration der Nachhaltigkeit in eine »Sustainability-IT-Balanced-Scorecard«

Die operative Umsetzung einer Nachhaltig-keitsstrategie kann mithilfe der Balanced Score-card (BSC) gesteuert werden, die für den spezi-fischen Einsatz im Bereich der IT-Nachhaltigkeitangepasst ist. Wie eine auf die Bedürfnisse derNachhaltigkeit und der IT ausgerichtete Balan-ced Scorecard entwickelt werden kann, wird indiesem Kapitel verdeutlicht.

Die BSC ist ein Kennzahlen- und Manage-mentsystem und leitet strategische Ziele undKennzahlen direkt aus der Vision und Strategiedes Unternehmens ab, wobei finanzielle Kenn-zahlen vergangener Leistungen um nicht mo-netäre Kennzahlen und treibende Faktoren zu-künftiger Leistungen ergänzt werden. Dabeikönnen die Ziele und Kennzahlen durch ein Top-down-Vorgehen auf unterschiedliche Ebenenim Unternehmen, so auch auf den IT-Bereich,heruntergebrochen und somit die Organisationauf die Vision und Strategie systematisch aus-gerichtet werden [Bernhard 2002]. Die Leis-tungsbeurteilung von Organisationseinheitenerfolgt aus vier Perspektiven heraus, wobei diePerspektiven nicht starr sind, sondern Unter-nehmen einen Rahmen für die Abbildung ihrerStrategie zur Verfügung stellen und somit be-liebig ausgetauscht und erweitert werdenkönnen.

Für IT-Organisationen lassen sich die An-wendungsfälle einer IT-Balanced-Scorecard (IT-BSC) auf fünf Bereiche konkretisieren: für dieinterne IT im Unternehmen, für die ausgegrün-

Nachhaltiges IT-Servicemanagement

12 HMD 264

dete IT eines Unternehmens oder für einen IT-Dienstleister, für ausgewählte interne oderexterne IT-Dienstleistungsbereiche wie z. B.Callcenter oder User-Helpdesk, für komplexeund strategisch bedeutsame IT-Projekte (z. B.für die Einführung eines Customer-Relation-ship-Management-Systems) und für eCom-merce-Firmen (Shopanbieter, Serviceprovideretc.). Dabei sind die Perspektiven der BSC fürden Einsatz im Bereich der IT angepasst. Soschlägt das IT Governance Institute für interneIT-Organisationen die Dimensionen »Unterneh-mensbeitrag der IT«, »Kundenorientierung derIT«, »Zukunftsfähigkeit der IT« und »operatio-nelle Leistungsfähigkeit der IT« vor, an der dieKennzahlen auszurichten sind [ITGI 2003]. Aus-gangspunkt für die Ableitung der IT-BSC sindhierbei die übergeordneten Unternehmens-ziele, die bei der Formulierung der IT-Strategiezu berücksichtigen sind.

Aufbauend auf den theoretischen und kon-zeptionellen Grundlagen der BSC und der IT-BSC stellt sich nun die Frage, wie der Ansatz derNachhaltigkeit in eine IT-BSC integriert werdenkann. Mittlerweile existieren in der wissen-schaftlichen Diskussion diverse Ansätze zurKonzeption einer Sustainability-Balanced-Scorecard (SBSC), sodass auf diesen Überle-gungen aufgebaut werden kann. Das Ziel einerum Nachhaltigkeitsaspekte erweiterten IT-BSCliegt darin, die drei Säulen der Nachhaltigkeit(siehe Kapitel 2) bei der IT-Strategieformulie-rung und -umsetzung gemäß ihrer strate-gischen Relevanz zu integrieren, um dadurchdie Unternehmensleistung in allen drei Nach-haltigkeitsdimensionen zu verbessern [Schalte-gger & Dyllick 2002].

Der wesentliche Nutzen einer Sustainabi-lity-IT-BSC ergibt sich durch die Ausrichtung vonUmwelt- und Sozialaspekten am Unter-nehmenserfolg über Ursache-Wirkungs-Ketten[Hahn & Wagner 2001]. Somit wird gewährleis-tet, dass ökologische und soziale Aspekte nebenherkömmlichen ökonomischen Belangen beider Identifikation und Steuerung von strate-

gischen Erfolgsfaktoren berücksichtigt werden.Zu beachten ist, dass eine bestehende Strategieumgesetzt wird. Die Sustainability-IT-BSC dientnicht dazu, eine Nachhaltigkeitsstrategie zuformulieren. Vielmehr werden Nachhaltig-keitsaspekte in die Strategieumsetzung mittelsder IT-BSC integriert.

Konzeptionell lassen sich grundsätzlich dreimögliche Ansatzpunkte zur Formulierung einerSustainability-IT-BSC ableiten [Schaltegger &Dyllick 2002]:

! Einordnung von Nachhaltigkeitsaspekten indie bestehenden Perspektiven der IT-BSC: Beidieser Integrationsvariante können ökolo-gische und soziale Aspekte in eine oder auchalle bestehenden Perspektiven der IT-BSC ein-geordnet und durch entsprechende strate-gische Ziele und Kennzahlen in den Dimen-sionen messbar gemacht werden. Diese Formder Integration ist für Nachhaltigkeitsaspektegeeignet, die bereits in den Marktmechanis-men integriert sind (z. B. bei der Herstellungvon Öko-IT-Produkten).

! Erweiterung der IT-BSC um eine zusätzlichePerspektive »Nachhaltigkeit«: Diese Variantebietet sich für strategisch relevante Umwelt-aspekte an, die nicht über den Marktmecha-nismus auf die Organisation wirken. Da diekonventionelle IT-BSC weitgehend im ökono-mischen Umfeld verbleibt, können durch dieSchaffung einer Nicht-Marktperspektive die-jenigen Nachhaltigkeitsaspekte berücksich-tigt werden, die zwar noch nicht in denMarktmechanismus integriert sind, jedochKernaspekte einer erfolgreichen Umsetzungder IT-Strategie darstellen.

! Erstellen einer speziellen Umwelt-IT-Scorecard:Bei dieser Form wird eine separate Scorecardmit ausschließlich ökologischen und sozialenZielen, Kennzahlen und Maßnahmen entwi-ckelt. Als eine Erweiterung der beiden ande-ren Varianten ist diese Integrationsvariantevor allem für die Koordination einer Umwelt-abteilung im Konzern sinnvoll.