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Asset Management Lebenszykluskosten von Trink - wasserversorgungsleitungen Instandhaltungsstrategien Herausforderung demografischer Wandel und Klimawandel DVGW-Regelwerk Strategisches Asset Manage- ment in Deutschland spezial LESAM 2011 energie | wasser-praxis

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Asset ManagementLebenszykluskosten von Trink -wasserversorgungsleitungen

InstandhaltungsstrategienHerausforderung demografischerWandel und Klimawandel

DVGW-RegelwerkStrategisches Asset Manage -ment in Deutschland

spezial

LESAM 2011

energie | wasser-praxis

SEE YOU IN...

7.-11. MAY 2012

Contact for advertisements:Energy MedienserviceWolfram Schmidt (responsible) · Mühlfelder Str. 20 · 82211 Herrsching · Germanytel.: +49 (0) 8152 969770 · fax: +49 (0) 8152 969772e-mail: [email protected] · web: www.energy-medienservice.de

THE NEXT ISSUE OF bluefactsWILL BEPUBLISHED AT IFAT ENTSORGA 2012.

Source: fotolia.com / Messe München

wvgw_Berlin_2012_Layout 1 18.05.11 10:28 Seite 1

LESAM Spezial 2011 3

A sset Management ist – beieiner in die Jahre kom-

menden Infrastruktur – eine derKernaufgaben der Ver- und Ent-sorgungswirtschaft.“ Dieses oderÄhnliches ist aktuell in vielen Bran-chenpublikationen, aber auch aufFachveranstaltungen zu lesen bzw.zu hören. Beim Asset Management(engl. Vermögensverwaltung) gehtes um die optimierte Bewirtschaf-tung eines Vermögens, im Falle derWasserversorgung und Abwasser-beseitigung angelegt in Wasser-werken, Netzen und Kläranlagen.

Die mit dem Begriff „Asset Management“ verbundenen Ziele sindoptimierte Strukturen und Prozesse, die Minimierung von Lebens-zykluskosten der langlebigen Infrastruktur sowie die geeignetenBetriebs- und Instandhaltungsstrategien.

Im Kern sind damit systematische Instandhaltungsstrategien fürAnlagen und Netze der Wasserversorgung und Abwasserbesei-tigung gemeint – von der strategischen Zielentwicklung über diePlanung bis zur operativen Umsetzung. Dazu gehören Bestands-und Zustandsdatenerfassung, die Entwicklung technischer undökonomischer Bewertungskriterien für den Netzzustand sowiedie dazu notwendige IT-Infrastruktur. Nicht zu vergessen die tech-nischen Verfahren zur Sanierung und Erneuerung sowie der Ein-satz von neuen Werkstoffen zur Störungserkennung und Leckor-tung. Und weil dies alles nicht von selbst geschieht, bedarf esausgebildeter Mitarbeiter und geeigneter Organisationsstruktu-ren. Fachwissen und Standards für all dies bündelt das techni-sche Regelwerk – in Deutschland von DVGW, DWA und DIN/ISO,in der Schweiz und in Österreich in den entsprechenden techni-schen Regeln.

Auch wenn uns der Begriff „Asset Management“ vergleichsweiseneu erscheint, ist all das, was hinter diesem Wort steckt, imdeutschsprachigen Raum seit vielen Jahrzehnten gelebte Praxis.Nicht zuletzt deswegen spielt z. B. das Thema Wasserverluste beiuns bei vielen Unternehmen keine Rolle. Nachhaltigkeit bedeutetfür uns nicht zuletzt auch das In-Ordnung-Halten unserer Anlagenund Netze. Eine Sichtweise, die wir ruhig lauter international ver-treten sollten!

Deutsches Know-how in der Welt und international führende An-sätze in Deutschland bekannt zu machen – dies war die Motivationfür die beiden wissenschaftlichen Institute IWW Zentrum Wasser(Mülheim) und FiW (Aachen) vor über vier Jahren, sich in der IWASpecialist Group „Asset Management“ um die Ausrichtung einerLESAM-Konferenz in Deutschland zu bewerben. LESAM steht für„Leading Edge Strategic Asset Management“ und ist das Format

einer alle zwei Jahre auf verschiedenen Kontinenten organisiertenFachkonferenz der International Water Association (IWA). Der An-spruch dieser international ausgerichteten Veranstaltung ist, dieführenden Forscher, Praktiker und Regelsetzer zum Austauschüber Konzepte, Innovationen und Praxisbeispiele im Asset Ma-nagement zusammenzuführen.

Die deutsche Bewerbung zur LESAM 2011 war erfolgreich: Vom27. bis 29. September 2011 kommen Fachleute aus Europa undder ganzen Welt in Mülheim an der Ruhr zusammen. Mehr als 110eingereichte Beiträge, von denen knapp 50 zum Vortrag zur Kon-ferenz ausgewählt wurden, sind eine hervorragende Resonanz.Von den 21 deutschsprachigen Beiträgen werden in diesem LE-SAM-Sonderheft 13 Vorträge vorab veröffentlicht – die „DVGWenergie-wasser-praxis“ ist der exklusive deutsche Medienpartnerder LESAM 2011.

Eine hochklassig besetzte Fachkonferenz mitten in Deutschland –Grund genug für alle Instandhaltungs-Fachleute der Wasserwirt-schaft, im September nach Mülheim zu kommen. Gleichzeitig bie-tet die Veranstaltung auch die Gelegenheit für z. B. Rohrleitungs-bauunternehmen, IT- und Softwarespezialisten, Ausrüster fürLeckortungen und Sanierungsplaner, ihre innovativen Produkteund Dienstleistungen im Rahmen einer Fachausstellung dem in-ternationalen Kundenkreis bekannt zu machen. Nutzen Sie dieChance!

Das „IWW Zentrum Wasser“ hat seine Chancen genutzt und sichmit diesem internationalen Highlight gleichzeitig ein Geburtstags-geschenk gemacht: 1986 auf Initiative regionaler Wasserversor-ger am Standort Mülheim gegründet, gehört das IWW im 25. Jahrseines Bestehens zu den führenden deutschen Instituten für Was-serforschung, Beratung und Analytik – mit hoher internationalerReputation, wie die erfolgreiche LESAM-Bewerbung eindrucks-voll zeigt.

Dank des hohen Engagements seiner Mitarbeiter konnte das IWWso im Laufe der Jahre seine ganzheitliche Sicht auf die Wasserver-sorgung – von der Ressource bis zum Kunden, von der Technikbis zur Ökonomie – erfolgreich ausbauen. Hierzu möchte ich imNamen des DVGW allen IWW-Mitarbeitern aufs Herzlichste gratu-lieren!

Dr.-Ing. Walter ThielenDVGW-Hauptgeschäftsführer

Asset Management – die ganzheitliche

Sicht auf die Infrastruktur

Editorial |

LESAM Spezial 20114

| LESAM 2011 Programm

Session number and title

1 Opening Session

2 Enabling environment at the

national level

3 Enabling environment

at utility level

4 Approaches to AM (mixed session)

5 a Approaches to AM (drinking water)

5 b Approaches to AM

(waste water)

6 Role of Standardisation

7 Technical innovations,

models, tools

8 a Techn. innovations models,

tools (drinking water)

8 b Techn. innovations, models,

tools (waste water)

9 Sustainability approaches

Surname

AlegreBodeBurns

Rochevan EkkendonkMairRobakWallsgroveChung

N.SawaiVreeburgGrafEskafJames

ConroyGrünCardosoBeukenMalmBuckland

Sandrazvan ThienenVloerberghVangdalDonner

Sorge

ShindeKraft

MarquesCovasSægrovEvers

SchlichtMarshallMöderlde la Pena

Hochbein

Cate

LumbersFuchs-HanuschUhlenbrochCarricoCoelhoHeyen

Renaudvan DaalArsenioKorthLeeKropp

MaurerWardUgarellide MassiacSyachraniRodríguez

KleidorferMilinaSiekmannGenzowskyThomasius

PodewilsStaben

Abstract no

214133139199

16404597

102

2669748595

1027316583

107

125

44487879

223246

61

84

713551549636

21523505659

458

819394

729384268

90108

First Name

HelenaHarroPenny

DanielleFrancoisMichaelAnna MichelleRuthColin

N.TakayukiJanWalterShadiLarissa

PaulEmanuelMaria AdrianaRalphAnnikaPeter

Anne-ClairePeterIrene NathalieArne ChristianChristoph

Hans-Christian

JagdishAngelika

Maria JulietaDidiaSveinungPeter

HorstBrentonMichaelMaria Eugenia

Manfred

Frederick

Jeremy P.DanielaAdrianNelsonSergioBernd

EddyKimAndré MarquesAndreasSewanIngo

MaxBenRita MariaJ.-C.SyadaruddinJuan Pablo

ManfredJadrankaThomasKristofferChristian

WolfgangNadine

Organisation

Senior Vice President of IWAChair of the German IWA National CommitteePrincipal Director of AMQ International

Water Services AssociationDHV Water BVUniversität InnsbruckUniversity of South Australia AMCL Ltd.GHD

Japan Water Works Association (JWWA)KWRWater Environment Research FoundationUniversity of North CarolinaGHD Consulting Inc.

Halcrow Group Ltd.Emschergenossenschaft - LippeverbandLNECKWRChalmers University of TechnologyPhysical Asset Management Pty Ltd

Veolia Water KWRKWRBreivoll Inspection TechnologiesRWW

IWW Water Centre

Emschergenossenschaft - LippeverbandSMAS de Oeiras e Amadora

Instituto Superior TéchnicoNTNURuhrverband

ISO TC 224 WG 6GHDUniversität InnsbruckNational Water Commission

Gelsenwasser AG

Interival ZT GmbH

Tynemarch Systems EngineeringTechnische Universität GrazS&P Consult GmbHInstituto Superior TéchnicoLNECGelsenwasser AG

Cemagref BordeauxKWRKWRDVGW TechnologiezentrumUniversity of SeoulIngenieurbüro Baur + Kropp

EAWAGAECOMSINTEF Building and InfrastructureG2C EnvironnementOklahoma State UniversityImperial College of Science

Universität InnsbruckCity of OsloRWTH AachenRWTH AachenBerliner Wasserbetriebe

RWE Aqua GmbHIWW Water Centre

LESAM Spezial 2011 5

Title

Keynote lecture on enabling environment for AM at the national levelThe Dutch Water Sector: current practices and where to go to?Assessment of Cascade Vulnerability for Water InfrastructureStated and measured benefits of small potable water supply upgrades in New ZealandAsset Management in the UK Water Industry: Progress out of Regulation and CrisisK-water: Carving the Path for Korea’s Asset Management

Keynote lecture on enabling environment for AM at the utility levelImplementation of asset management applicable for small and medium utilitiesHydrant maintenance revisited as example of targeted Asset ManagementWERF’s Research Helps Utilities Improve Strategic Management of Their AssetsBenchmarking Utilities’ Rates and Finances for Decision and Policy MakersImplementing an Enterprise-wide Asset Management Decision Making Framework in a Large Utility

Keynote lecture on approaches to asset managementMaintenance management of technical plants at Emschergenossenschaft and LippeverbandUrban water infrastructure asset management – structured approach in four Portuguese water utilitiesEnabling investment prognoses by defining lifetime distribution curves for water mainsStrategic asset management in water and wastewater networks using present conditionsJustification of Investment Involving Intangible Returns

Integration of water losses in Veolia Water’s drinking water networks asset management strategy and toolsCharacterization and Effects of Valve Management at Dutch Water CompaniesPipe-fitters help to predict investment needsExperience from inspection of water pipes – hard fact based AM – opportunities and consequences From Asset Management to Asset Service – How can we enhance the evolution of water and wastewater companies? An operational transfer example to show the ongoing challengeMaintenance strategy for trunk mains: development and implementation of a high resolution risk based approach

Acquisition Engineering Model – Multi-criteria framework for sustainable asset acquisition decision planning in asset intensive industriesExperiences with the application of planning and control tools for the maintenance of the infrastructure of Emschergenossen-schaft and Lippeverband Rehabilitation in Oeiras & Amadora: A Practical ApproachIntegrated approach for infrastructure asset management of urban water systemsMaking urban water networks sustainable – Some examples from NorwayAsset Management of Water Supply and Wastewater Infrastructure – Experience of the Ruhrverband (Ruhr River Association) in Germany

Keynote lecture on the role of standardisationCapital Works Prioritisation Principles and Guideline for the Australian Water IndustryUrban Drainage Safety PlansMexican Experience in the Implementation of International Standards for Improving Efficiency of Water Supply and Sanitation Systems and Generating Performance IndicatorsThe German holistic approach to strategic asset management based on the technical rules, standards and recommendation ofthe DVGW (German Technical and Scientific Association for Gas and Water)Comparison of the Approaches to Strategic Asset Management of Wastewater Infrastructure in ISO and CEN

Keynote lecture on technical innovations, models and toolsWhole of Life Cost Calculations for Water Supply Pipes based on Failure Prediction with a Proportional Hazard Model (PHM)Decision making in rehabilitation strategy forecastsPrioritization of rehabilitation interventions for urban water assets using multiple criteria decision-aidAWARE-P: a collaborative, system-based IAM planning softwareRehabilitation of Water Distribution Facilities – The Holistic Approach of the German DVGW standard

Using a break prediction model for drinking water networks asset management: From research to practice.Analysis of external effects of pipe bursts of a water distribution network in a built environmentReal-life inline inspection of PVC push-fit joints using NDE equipmentExperiences with demand-oriented flushing of drinking water networksReliability Assessment of Water Distribution Systems using Management Reliability IndexIs the service life of water distribution pipelines linked to their failure rate?

Synthetic network date to identify systematic data bias in sewer deterioration modelsA Multi-objective Optimisation model for Sewer RehabilitationDevelopment of a Spatial Decision Support Model for Sewer MaintenanceDeploying an unbiased sewer asset management strategy using the Indigau decision support systemAdvanced Criticality Assessment Method For Sewer Pipeline AssetsA decision support system for defining periodical sewer sediment cleaning and maintenance proactive plans

Keynote lecture on sustainability approachesToward sustainable urban water systems and services: How to measure progress? Oslo case, NorwayAdaptive potential of the stormwater management in urban areas faced by the climate changeThe Carbon Footprint of processes and facilities in the water sectorSustainable Sewer Asset Management – Optimized Control by Risk Management and Evaluation of Whole Life Cycle Costs Scenarios in BerlinReduced operating costs through increased energy efficiency in wastewater treatment plants of different sizesAdaptation pathways for water infrastructure under climate change conditions

Country

PortugalGermanyAustralia

AustraliaNetherlandsAustriaNew ZealandGreat BritainUSA

JapanNetherlandsUSAUSAUSA

Great BritainGermanyPortugalNetherlandsSwedenAustralia

FranceNetherlandsNetherlandsNorwayGermany

Germany

AustraliaGermany

PortugalPortugalNorwayGermany

GermanyAustraliaAustriaMexiko

Germany

Austria

Great BritainAustriaGermanyPortugalPortugalGermany

FranceNetherlandsNetherlandsGermanySouth KoreaGermany

SwitzerlandGreat BritainNorwayFranceUSAGreat Britain

AustriaNorwayGermanyGermanyGermany

GermanyGermany

LESAM Spezial 20116

| Inhalt

ImpressumHerausgeber:DVGW Deutscher Verein des Gas- und Wasser faches e. V. – Technisch-wissenschaftlicher VereinJosef-Wirmer-Straße 1-3, 53123 BonnTel.: 0228 9188-5, Fax: 0228 9188-990E-Mail: [email protected], Internet: www.dvgw.de

Verlag und Vertrieb:wvgw Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbHGeschäftsführerin: Dr. Bianca MatzekJosef-Wirmer-Straße 3, 53123 BonnTel.: 0228 9191-40, Fax: 0228 9191-498E-Mail: [email protected], Internet: www.wvgw.de

Schriftleiter:Dr.-Ing. Walter Thielen

Chefredaktion & Produktmanagement:ppa. Stephan Maul M.A. (verantwortlich)

Redaktion:Dipl.-Geogr. Heike Gruber, Tel.: 0228 9191-419

Erfüllungsort und Gerichtsstand:Bonn

Gestaltung, Satz und Repro, Druck:KNM Krammer Neue Medien GmbH, DüsseldorfSchaffrath DruckMedien GmbH & Co. KG, Geldern

3 Editorial

4 Programm

Fachbeiträge

7 Kaskadenvulnerabilität kritischer WasserinfrastrukturDr. Robert Sitzenfrei, Dr. techn. Michael Möderl, Prof. Dr. techn. Wolfgang Rauch, Michael Mair, Dipl.-Inform. Heiko Kinzel

10 Instandhaltungsmanagement technischer Anlagen bei Emschergenossenschaft und LippeverbandDr.-Ing. Emanuel Grün, Dr.-Ing. Angelika Kraft

16 Steuerungstools zur Instandhaltung von Anlagen der WasserwirtschaftDr.-Ing. Angelika Kraft, Dipl.-Kaufmann Jörg Saathoff

20 EntwässerungssicherheitspläneDr. techn. Michael Möderl, Univ.-Prof. Dr. techn. Wolfgang Rauch, Johannes Lammel, Ing. Marcus Apperl

23 Strategisches Asset Management in der deutschen WasserversorgungDipl.-Ing./MBA Manfred Hochbein

26 Lebenszykluskosten von TrinkwasserversorgungsleitungenDr. Daniela Fuchs-Hanusch, Dipl.-Ing. Birgit Kornberger, Dipl.-Ing. Franz Friedl, Dipl.-Ing. Doris Kasess

31 Entscheidungsmodellierung in Sanierungsstrategie -prognosenDr. Robert Stein, Adrian Uhlenbroch

34 Der ganzheitliche Ansatz im DVGW-Regelwerk zur Rehabilitation von WasserverteilungsanlagenDipl.-Ing. Bernd Heyen

42 Bestimmung der Nutzungsdauerverteilung in Rohr -leitungsnetzen anhand limitierter DatenDipl.-Ing. Ingo Kropp, Yves Le Gat, PhD, Matthew Poulton, PhD

45 Dynamik von Anpassungsstrategien der Wasser -infrastrukturDr. Manfred Kleidorfer, Dipl.-Ing. Christian Urich, Dipl.-Ing.Günther Leonhardt, Dr. Robert Sitzenfrei, Dr. Wolfgang Rauch

48 Anpassungspotenziale der konventionellen Regen -wasserbehandlung im Mischsystem an Auswirkungendes KlimawandelsThomas Siekmann, Dr. Karsten Müller

52 Der Carbon Footprint von Prozessen und Anlagen in der WasserwirtschaftDipl.-Ing. Kristoffer Genzowsky, Dr.-Ing. Friedrich-WilhelmBolle, Dipl.-Ing. Anja Rohn, Dr.-Ing. Wolf Merkel

56 Betriebskostenreduzierung durch Steigerung der Energie-effizienz auf Kläranlagen unterschiedlicher GrößenordnungDr. Thomas Sichla, Dipl.-Ing. Wolfgang Podewils

20

4548

Titelbild Quelle: by-studio – Fotolia.com

LESAM Spezial 2011 7

LESAM 2011 |

Kaskadenvulnerabilität kritischer

Wasserinfrastruktur

Dieser Beitrag zeigt, dass bei Risikoanalysen für Wasserinfrastrukturen verkettete (kaskadische)

und simultane Belastungen in die Beurteilung aufgenommen werden sollten, damit es nicht zu

einer Unterschätzung von Risikoszenarien kommt.

Eine der wichtigsten Vorgaben derSiedlungswasserwirtschaft ist der

weitgehend störungsfreie Betrieb. Folglichspielt die Stabilität der Netzwerke der Sied-lungswasserwirtschaft eine besondere Rol-le. Beim Ausfall von Komponenten oderanderen Systemveränderungen dieserWasserinfrastrukturen wird naturgemäßdie Wasserversorgung bzw. die Abwas-serbeseitigung beeinträchtig. Wasserver-

sorgungs- und Abwasserbeseitigungsan-lagen werden daher als kritische Infrastruk-tur klassifiziert [1]. Das Ziel dieses Beitragsist es, Risikoanalysen für diese Systemeneu zu beleuchten, indem verkettete (kas-kadische) und simultane Belastungen inderen Beurteilung aufgenommen werden.

Nach [2] kann Risiko als Eintrittswahr-scheinlichkeit mal Auswirkungen bezie-

hungsweise auch als Vulnerabilität malGefährdung definiert werden. In dieserzweiten Definition steht die Gefährdungfür einen Prozess, welcher eine zusätzli-che Belastung oder eine Störung im Sys-tem auslösen kann, und Vulnerabilität fürdie Neigung eines Systems oder von Sys-temkomponenten, durch eine zusätzlicheBelastung zu versagen [3]. Hier wird alsoangenommen, dass zusätzliche Belastun-

Quelle: R. Sitzenfrei

Abb. 1: Kaska-denvulnerabilitätim Vergleich mitEinzelvulnerabili-tät einer Wasser-versorgungs-anlage

VulnerabilitätFassungenBehälterKnotenVentilePumpenLeitungen

Vorgehensweise „Achilles-Ansatz“

� sequenzielle Veränderung von Systemkomponenten,z. B. Löschwasserentnahme oder Komponentenausfall

� Bewertung der resultierenden Änderung der System -leistungsfähigkeit mit Bewertungsfunktionen (BF), z. B. niederer Druck

� örtliche Referenzierung BF auf veränderte System -komponente, z. B. grün � niedere Auswirkung,rot � hohe Auswirkung

hohe Auswirkung(rote Ref.)

(I) Löschwasserentnahme

(III) Kaskadenanalyse(II) Komponentenausfall

��

nieder

hoch

VulnerabilitätFassungenBehälterKnotenVentilePumpenLeitungen

nieder

hoch

VulnerabilitätFassungenBehälterKnotenVentilePumpenLeitungen

nieder

hoch

LESAM Spezial 20118

| LESAM 2011

gen (d. h. Störfälle und Fehlerereignisse)singuläre Vorfälle und nicht voneinanderabhängige Ereignisse sind. Das heißt,dass mehrere simultan auftretende Ein-wirkungen sowie Kaskadeneffekte nichtberücksichtigt werden. Wenn beispiels-weise die Wasserzufuhr an einem Ein-speisepunkt in der Wasserversorgung(Hochbehälter, Quelle etc.) durch einenStörfall unterbrochen wird, kann diesdurch eine erhöhte Wasserzufuhr an eineranderen Stelle kompensiert werden (re-dundante Kapazitäten, Notbrunnen etc.).Dies führt unter Umständen jedoch zu ei-ner Änderung der hydraulischen Verhält-nisse (Druckregime, Fließrichtungen etc.),was wiederum zu einer zusätzlichen Be-lastung für das Rohrnetz und somit zuRohrbrüchen führen kann. Als Beispiel füreine Abwasserbeseitigungsanlage ist dieMöglichkeit anzuführen, dass bei einemGewitterereignis mit Hochwasser dieStromzufuhr durch Wasser im Stromkreisfür Hochwasserpumpwerke ausfällt undgleichzeitig ein Einstau von Mischwasser-entlastungen aufgrund eines Hochwas-serabflusses im Vorfluter auftritt. Diese Er-eignisse stehen also in einem kausalenZusammenhang und können durch einzuvor eintretendes Ereignis ausgelöstwerden. Um solche simultanen und auf-einanderfolgenden Einwirkungen zu un-tersuchen, wird der Begriff der Kaska-denvulnerabilität eingeführt. Ursprünglichwurde die Kaskadenvulnerabilität in derInformatik verwendet [4], heutzutage aberauch in der Energieversorgung [5]. DieKaskadenvulnerabilität dient zur Untersu-chung von simultanen, aufeinander fol-genden Störfällen und Fehlerereignissen.Im Kontext dieser Arbeit werden mit Hilfedes „Achilles-Ansatzes“ Kaskadenrisiko-karten erstellt, die eine Kombination undVerschneidung von Gefahren- und Kas-kadenvulnerabilitätskarten darstellen.Dies wird exemplarisch für Wasserversor-gungs- sowie auch für Abwasserbeseitigungsan-lagen dargestellt.

Materialien und MethodenDie vorgestellte Arbeit basiert auf demAchilles-Ansatz. In [6] wurde eine Metho-dik vorgestellt, um die Gefährdung undVulnerabilität von Systemkomponenten inder Siedlungswasserwirtschaft zu be-stimmen. Mit diesem Achilles-Ansatzkönnen örtlich verteilt Schwachstellenbzw. die Vulnerabilität der urbanen Was-serinfrastruktur (Wasserversorgungsanla-gen und Abwasserbeseitigungsanlagen)in einer GIS-Umgebung bestimmt wer-den. Dabei werden die Auswirkungen von

Komponentenausfällen – aber auch vonSystemveränderungen (z. B. Erhöhungdes Versiegelungsgrades) – basierend aufhydraulischen Simulationen holistisch be-wertet. Zusätzlich zur Vulnerabilitätsbeur-teilung kann auch das Gefährdungspo-tenzial abgeschätzt werden, was in wei-terer Folge eine Risikoanalyse ermöglicht.Mit der Entwicklung des Achilles-Ansat-zes wurden aber auch völlig neue Risiko-analysen entwickelt (z. B. systematischeVulnerabilitätssimulation des Eintrags vonGiften in ein Versorgungsnetzwerk). ImLaufe des Projektes wurde die praxisna-he Einbindung dieses Planungswerk-zeugs bei der Entwicklung von Rehabili-tierungsstrategien an mehreren Bedarfs-trägern (Kommunen und Stadtwerken)getestet. Synergien zwischen Sicher-heitsplanung und Rehabilitierungspla-nung konnten dabei genutzt werden. DieImplementierung von Wassersicherheits-plänen [7] wird durch das Planungswerk-zeug Achilles ebenso unterstützt. Achillesstellt ein Schwachstellenidentifizierungs-system inklusive Planungswerkzeug dar,welches auf jeden Bedarfsträger an-wendbar ist und mit dem eine erhöhteVersorgungs- bzw. Entwässerungssi-cherheit in der Siedlungswasserwirt-schaft erreicht werden kann (siehe auchhttp://www.hydro-it.com/achilles/). Diesystematische Vulnerabilitätsuntersu-chung nach dem Achilles-Ansatz kann alsräumlich verteilte Sensitivitätsanalyse mitParametervariationen entsprechend denAuswirkungen von Gefährdungen aufWasserinfrastrukturen gesehen werden.Um Kaskadeneffekte abzubilden, wurdenBefragungen von Betreibern von Wasser-infrastrukturen, Ingenieurkonsulentenund Wissenschaftlern zu Kaskadenaus-fällen und simultanen Einwirkungen ana-lysiert. Hierzu wurde ein Gefahrenkatalogentsprechend [8] und [9] erarbeitet. Damitwurden potenzielle Ausfälle von System-komponenten (Quellen, Hochbehälter,Rohrleitungen, Pumpen, Überfälle, Ent-lastungen etc.) und deren mögliche Ursa-chen identifiziert und gegebenenfalls aufverkettete Ausfälle zurückgeführt. Zu-sätzlich wurden Ausfälle mit hohem Po-tenzial eines gleichzeitigen Auftretensidentifiziert. In einem zweiten Schritt wur-den Modellparameter definiert, welchedie entsprechenden Ausfälle repräsen-tierten, und im Folgenden mit einer räum-lich verteilten Sensitivitätsanalyse syste-matisch untersucht (Abb. 1). Die in Abbil-dung 1 dargestellten Schritte (1), (2) und(3) wurden für alle Systemkomponentendurchgeführt. Die verschiedenen Zustän-de von Modellkomponenten wurden ba-

sierend auf simultanen Auswirkungen vonkaskadisch auftretenden Störfällen ermit-telt. Die jeweiligen maximalen Auswirkun-gen durch simultane Einwirkungen wur-den räumlich je Systemkomponente refe-renziert. Diese jeweiligen maximalen Aus-wirkungen wurden als Indikatoren für dieKaskadenvulnerabilität herangezogen.Als Fallstudien wurden eine alpine Was-serversorgungsanlage für ca. 3.000 Ein-wohner und ein Grobmodell einer Abwas-serbeseitigungsanlage für ca. 120.000Einwohner systematisch untersucht.

Ergebnisse und DiskussionIn Abbildung 1 (I) und (II) sind Vulnerabili-tätskarten für eine singuläre Belastungdargestellt. In Abbildung 1 (I) wurde füreine Wasserversorgungsanlage mit Hilfedes Achilles-Werkzeuges die Auswirkungeiner Löschwasserentnahme von 26,7 l/s(entsprechend den Österreichischen Re-gelwerken) sequenziell für jeden Knotenuntersucht. Die hydraulische Berechnungerfolgte mit Epanet2 [10] und eine Be-wertung dieser Ergebnisse wurde mit ei-nem Kriterium für die minimal auftreten-den Drücke im Gesamtsystem über denUntersuchungszeitraum [6] durchgeführt.Die Auswirkungen (d. h. die Bewertungs-funktionen) wurden im Wertevergleich zu-einander visualisiert, das heißt, dass fürden untersuchten Lastfall die resultieren-de Auswirkung eines rot markierten Kno-tens im Vergleich höher ist als bei einemgrün markierten. Es wurden die Auswir-kungen von Komponentenausfällen un-tersucht (Abb. 1 (II)), einer hydraulischenBerechnung unterzogen und mit dem Kri-terium „Niederer Druck“ (analog zu (I)) be-wertet. Die Bewertung wurde wiederumauf die Systemkomponenten (Knoten undKanten) farblich gekennzeichnet örtlichreferenziert. Rote Systemkomponentenwurden hinsichtlich dieser Bewertung alsvulnerabler als grüne identifiziert. Auchdie Kaskadenvulnerabilität (Verkettung)der Auswirkungen von (I) und (II) wurdeuntersucht (Abb. 1 (III)). Das heißt, dassfür jeden Komponentenausfall noch zu-sätzlich sequenzielle Löschwasserent-nahmen als Kaskadenlastfall aufgebrachtwurden. Diese Kaskadenvulnerabilitäts-karte ermöglicht zusammen mit den Kar-ten (I) und (II) nicht erkannte Systemkom-ponenten als vulnerabel zu identifizieren(z. B. blau gepunktet eingekreiste Sys-temkomponenten in Karte (III)).

Der Achilles-Ansatz ist nicht nur für dieUntersuchung von Wasserversorgungs-anlagen geeignet – es können auch Ab-wasserentsorgungsanlagen nach dem-

selben Prinzip analysiert werden. Konkretwurde für eine Abwasserentsorgungsan-lage untersucht, inwieweit singuläre Aus-fälle von Entlastungen und Stromausfälle(d. h. Ausfall Hochwasserpumpwerk) imGegensatz zu einer Verkettung von Aus-fall Entlastung und Stromausfall zu be-werten sind. Analog zur Kaskadenvulne-rabilitätsuntersuchung bei Wasserversor-gungsanlagen konnten zusätzliche kriti-sche Systemkomponenten identifiziertwerden. Aus Übersichtlichkeitsgründenkann auf diese Untersuchungen hier je-doch nicht im Detail eingegangen wer-den. Eine detaillierte Diskussion dieserUntersuchungen für Abwasserbeseiti-gungsanlagen kann in [11] nachgelesenwerden.

SchlussfolgerungenIm Achilles-Ansatz wurden neben Einzel-auch Kaskadenvulnerabilitätsuntersu-chungen (gleichzeitiges Eintreten unter-schiedlicher Stör- und Lastfälle) entwi-ckelt und auf Fallstudien angewendet.Vergleiche zwischen diesen Einzel- undKaskadenausfällen zeigten, dass zusätz-liche Systemkomponenten als kritischidentifiziert werden konnten. Damit wurdegezeigt, dass die Vernachlässigung derKaskadenvulnerabilität zu einer signifi-kanten Unterschätzung von Risikoszena-rien führen kann.

DanksagungDiese Arbeit wurde durch das vom Bun-desministerium für Verkehr, Innovationund Technologie (BMVIT) und der Öster-reichischen Forschungsförderungsgesell-schaft (FFG) in der Programmelinie 3 desThemenprogramms „KIRAS Sicherheits-

forschung“ finanziell geförderte Achilles-Projekt (FFG-Projektnummer: 824682)ermöglicht. Ein besonderer Dank gilt allenProjektpartnern, welche stets mit Rat,Daten und technischer Ausstattung zumErfolg beigetragen haben.

Referenzen:

[1] Reid, R.L., Guiding Critical Infrastructure. CivilEngineering, 2009. 79(2): p. 50-55.

[2] UN DHA, Internationally Agreed Glossary of Ba-sic Terms Related to Disaster Management.1992, UN DHA (United Nations Department ofHumanitarian Affairs): Geneva.

[3] Turner, B.L., et al., A framework for vulnerabilityanalysis in sustainability science. Proceedingsof the National Academy of Sciences of the Uni-ted States of America, 2003. 100(14): p. 8074-8079.

[4] Gritzalis, S. and D. Spinellis, The Cascade Vul-nerability Problem: the detection problem anda simulated annealing approach for its correcti-on. Microprocessors and Microsystems, 1998.21(10): p. 621-627.

[5] Wang, J.W. and L.L. Rong, Cascade-based at-tack vulnerability on the US power grid. SafetyScience, 2009. 47(10): p. 1332-1336.

[6] Möderl, M., et al., Spatial Vulnerability Assess-ment for Urban Water Systems by means of theAchilles GIS Module. Environmental Modellingand Software, submitted.

[7] Möderl, M., et al., Entwässerungssicherheits-pläne (ESP). DVGW energie | wasser-praxis,2011 im Druck.

[8] ÖVGW W 88, Anleitung zur Einführung eineseinfachen Wassersicherheitsplanes. 2008,Österreichische Vereinigung für das Gas- undWasserfach: Wien.

[9] EN 752, Drain and sewer systems outside buil-dings. 2008, European Committee for Stan-dardization: Brussels.

[10] Rossman, L.A., EPANET 2 user manual. 2000,National Risk Management Research Labora-tory – U.S. EPA: Cincinnati, Ohio. p. 200.

[11] Mair, M., et al. Assessment of Cascade Vulne-rability for Water Infrastructure. in IWA 4thLeading Edge Conference of Strategic AssetManagement. 2011. Mülheim, Germany.

Autoren:Dr. Robert SitzenfreiDr. techn. Michael MöderlProf. Dr. techn. Wolfgang RauchUniversität InnsbruckInstitut für InfrastrukturTechnikerstr. 13A-6020 InnsbruckÖsterreichTel.: +43 512 507-6695Fax: +43 512 507-2911E-Mail: [email protected]: www.uibk.ac.at/umwelttechnik

Michael MairDipl.-Inform. Heiko Kinzelhydro-IT GmbHTechnikerstr. 13A-6020 InnsbruckÖsterreichTel.: +43 512 507-6933Fax: +43 512 507-2911E-Mail: [email protected]: www.hydro-it-com n

dynaklim-Symposium

Ruhrfestspielhaus RecklinghausenGemeinsam für eine regionale Klimaanpassung: 2 Jahre dynaklim-Netzwerk

Ergebnisse und Lösungsansätze: Neues aus dem Projekt und den dynaklim

Erfahrungen und Wissen austauschen: Netzwerkpartner, Experten und Interessierte

09.November 2011

www.dynaklim.de

Das aktuelle Branchenbild der Wasser-wirtschaft belegt in beeindruckender

Weise den technischen Stand und die Inno-vationsfähigkeit der Trink- und Abwasser-branche. Auch die hohe Kundenzufriedenheitist ein Ausdruck der gesellschaftlichen Ak-zeptanz. Die Wettbewerbsfähigkeit der deut-schen Wasserwirtschaft wurde aktuell in einerStudie im Auftrag des BDEW (VEWA-Studie)eindrucksvoll dokumentiert. Emschergenos-senschaft und Lippeverband haben diesenProzess der kontinuierlichen Verbesserungbereits vor Jahren aufgegriffen und in ihreUnternehmensziele und Leitlinien integriert,um auch in Zukunft als Dienstleistungsun-ternehmen kompetenter Partner ihrer Mit-glieder zu sein. Die Emschergenossenschaftist seit 1899 der regionale Dienstleister einer

ganzheitlichen Wasserwirtschaft im Einzugs-gebiet der Emscher und seit dem Zusam-menschluss mit dem Lippeverband im Jahr1926 auch im Einzugsgebiet der Lippe. Ineinem Raum von 4.145 km² mit ca. 4 Millio-nen Einwohnern und einer Abwassermengeaus Industrie und Gewerbe von weiteren 3Millionen Einwohnergleichwerten betreibtdas Unternehmen rund 460 Betriebsstand-orte. Die Instandhaltungsschwerpunkte sind60 Kläranlagen mit Ausbaugrößen von 500bis 2,4 Millionen Einwohnerwerten, mehrerehundert Kilometer Gewässer und Abwas-sersammler, Hochwasserrückhaltebeckenund in den bergbaubedingten Poldergebie-ten Deichanlagen und Pumpwerke. Mit ca.1.500 Beschäftigten und einer Bilanzsummevon über 3 Milliarden Euro werden jährlich

ca. 250 Millionen Euro in Anlagen der Was-serinfrastruktur investiert (Abb. 1).

Ziele der Bewirtschaftung

Die Kernziele der Bewirtschaftung sind na-türlich eingeordnet in eine soziale Verant-wortung für die Region und die Schonungvon Umwelt und Naturressourcen. Sie ori-entieren sich dabei an der gesetzlichenAufgabenerfüllung, so zum Beispiel für dieAbwasserreinigung an vorgegebenen Ab-laufwerten und beim Hochwasserschutzan den im gesellschaftlichen Konsens ent-wickelten Hochwasserschutzzielen. Ne-ben der Beachtung betriebswirtschaftli-cher Grundsätze für eine effiziente undkostenoptimierte Instandhaltung hat die Si-cherheit des Anlagenbetriebes im Sinne

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Instandhaltungsmanagement

technischer Anlagen bei

Emschergenossenschaft und

Lippeverband

Im Rahmen einer Instandhaltungsstrategie werden neben dem technisch sicheren Anlagenbetrieb

auch die klassischen Nachhaltigkeitsziele der Ökonomie und Ökologie verfolgt. Hierzu wurden

für unterschiedliche Anlagentypen spezifische, innovative Instandhaltungskonzepte entwickelt.

Neben der angepassten Organisation bedarf es zur Umsetzung der Instandhaltungsstrategien

entsprechender Controlling- und Steuerungsinstrumente. Eine optimierte Betriebsführung muss

sich flexibel auf zukünftige Herausforderungen der Wasserwirtschaft, wie zum Beispiel demo -

grafischen Wandel und Klimawandel, anpassen.

LESAM Spezial 2011 11

der eigenen Belegschaft, aber auch Dritterhöchste Priorität.

Instrumente der Betriebsführung

Controlling

Dieses klassische Instrument der Betriebs-wirtschaft ist seit einigen Jahren fester Be-standteil der Ablauforganisation in allenKernbereichen von Emschergenossen-schaft und Lippeverband. Innerhalb desGeschäftsbereiches Betrieb ist die Aufga-be des operativen Controllings einer zen-tralen Einheit zugeordnet (Abb. 2).

Zertifiziertes betriebliches

Managementsystem und kontinu-

ierlicher Verbesserungsprozess

Integrales Steuerungswerkzeug ist daserstmals 2004 nach ISO 9000 ff. zertifizier-te Managementsystem für die Betriebsan-lagen. Hiermit wurde der kontinuierlicheVerbesserungsprozess in die betriebli-chen Abläufe fest implementiert. Die Un-ternehmensziele münden in Qualitätspro-grammen. Die einzelnen Projekte dieserProgramme finden sich in den persönli-chen Zielvereinbarungen der Mitarbeiterwieder.

Prozessoptimierung

Die zyklische Analyse von Prozessen er-möglicht die Identifikation von Verbesse-rungsmöglichkeiten (kontinuierlicher Ver-besserungsprozess). Tätigkeitsschwer-punkte im Geschäftsbereich Betrieb bil-den zurzeit die Felder des betrieblichenAufgabenmanagements und der Instand-haltung.

Benchmarking

Mit ersten Benchmarking-Projekten imBereich Kläranlagen wurde bereits 1996begonnen. Inzwischen liegen auf Basis ei-ner Vielzahl von Projekten mit nationalenund internationalen Partnern umfangrei-che Erfahrungen vor. Mit dem Ziel derkontinuierlichen Verbesserung in techni-scher und wirtschaftlicher Hinsicht ist diebewährte Methodik inzwischen Bestand-teil eines internen periodischen Prozes-ses. Erste Übertragungen auf den Bereichder Abwasserableitung in einem Pilotpro-jekt sowie auf Maßnahmen der Gewäs-serumgestaltung bestätigen die allgemei-ne Anwendbarkeit des entwickelten An-satzes.

Zielgerichtete Personal -

entwicklung

Nicht nur die Organisationsstruktur erfor-dert ein hohes Maß an Flexibilität, sondernauch durch gezielte Personalentwick-lungsmaßnahmen, Fort- und Weiterbil-

dungsprogramme kann veränderten, ex-ternen Anforderungen zielgerichtet be-gegnet werden.

Steuerung durch Kennzahlen

Auf der Basis einer umfangreichen Balan-ced Scorecard werden einmal jährlichmessbare Kenngrößen wie Energieeffi-zienz, Quote der Eigenenergieerzeugung,Instandhaltungs- und Reinvestitionsquo-ten für den Betrieb dargestellt und bewer-tet.

Instandhaltung nach Anlagen -

typen

Gemäß der sondergesetzlichen Aufgabensind Emschergenossenschaft und Lippe-verband für das Sammeln und Ableitensowie Reinigen von Abwasser verantwort-lich. Mit ca. 1 Milliarde m³ Abwasser istdas Unternehmen damit der größte Ab-wasserentsorger in Deutschland. Mit demRückgang des Bergbaus wird das histo-risch bedingte Entwässerungssystem –

die Ableitung des Abwassers in offenenGewässern – grundlegend verändert. DasAbwasser wird durch große Sammelka-näle unmittelbar den Kläranlagen zuge-führt. Die so vom Abwasser befreiten Ge-wässer werden anschließend ökologischumgestaltet. Für das Gesamtprojekt, dasim Jahr 1992 startete und im Jahr 2020abgeschlossen sein wird, werden 4,5 Mil-liarden Euro in wasserwirtschaftliche In-frastruktur investiert. Das System ist ein-malig in Europa und stellt höchste Anfor-derungen an die Technik und auch an dieBetriebsmannschaft.

Kanäle

Das Kernstück der neuen Abwasserinfra-struktur im Emschergebiet ist ein zentralerAbwassersammler mit einer Länge von 51Kilometern, der sämtliche kommunalen undindustriellen Abwässer der Region auf-nimmt. Durch das geringe Gefälle und dielange Verweildauer des Abwassers im Kanalerhöht sich die Korrosionsbelastung für die

Quelle: Emschergenossenschaft/Lippeverband

VerbandsgebietGenossenschaftsgebietWasserlaufEntwässerungspumpwerk

Kläranlage

Emscher

Lippe

Lippe

Lippe

Lippe

Seseke

Rhein

Emscher

Lünen

Ober-hausen

DuisburgEssen

MülheimBochum

Herne

Gelsen-kirchen

Witten

Wesel

Dinslaken

Dorsten

Marl

Haltern

Datteln

Reckling-hausen

Herten

Dülmen

Münster

Coesfeld

Lüdinghausen

Gladbeck

BorkenAhlen

Waltrop

Werne

Bönen

Bergkamen

Kamen

UnnaCastrop-Rauxel

Dortmund

WerlSoest

LippborgHamm

Bottrop

Dren-steinfurt

Dren-steinfurt

Abb. 1: Einzugsgebiet Emschergenossenschaft/Lippeverband

Quelle: Emschergenossenschaft/Lippeverband

Abb. 2: Betriebsbudget

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Kanalrohre aus Beton. Der biogeneSchwefelsäureanteil senkt dadurch denpH-Wert auf einen Wert von ca. 2. Nebender Verwendung besonderer Hochleis-tungsbetone wird der gesamte Kanal-strang zwangsbelüftet, um damit ein kor-rosives Milieu im Gasraum des Kanales zuverhindern.

Neu ist die Entwicklung von Systemen fürdie Inspektion von größeren Kanalrohren(DN 1600 – DN 2800), die auch im laufen-den Abwasserbetrieb zum Einsatz kom-men. Im Auftrag der Emschergenossen-schaft entwickelte das Fraunhofer Institut

(IFF) in Magdeburg das schwimmendeSchadenserkennungssystem (SEK), um ei-ne Inspektion großer Abwasserkanäledurchzuführen, die aus technischen Grün-den nicht außer Betrieb genommen wer-den können (Abb. 3 und Tab. 1). EineKombination aus digitalen Kameras undmodernsten Bildverarbeitungstechnolo-gien verbunden mit der Messung des Un-terwasserprofils mittels Ultraschallscannerermöglicht eine neue Qualität der Kanalin-spektion und Zustandserfassung. Die neuentwickelte Sensorik sowie die 3-D-Dar-stellung des Kanals stellen einen Meilen-stein in der Kanalinspektion dar.

Hochwasserrückhaltebecken

Im gesamten Emschergebiet werden Hoch-wasserrückhalteräume mit einem Gesamt-volumen von ca. 5 Millionen Kubikmeter er-stellt. Einer davon, der Phoenix-See, ist einkünstliches Stadtgewässer auf einem ehe-maligen Stahlwerksstandort, mitten in Dort-mund. Er wird auch als Rückhalteraum fürHochwässer aus der Emscher genutzt. Ein-stau und Abfluss erfolgen über eine gesteu-erte Wehranlage.

Aber auch außerhalb der Hochwasserzeitenist der See zu bewirtschaften. Die Proble-matik von Flachwasserseen – der Phoenix-See ist maximal 3,50 Meter tief – ist bekannt.Starke Sonneneinstrahlung fördert das Al-genwachstum; auch die Umwälzung durchden Wind verhindert die Ablagerung vonBiomasse. Der Nutzungsdruck kann z. B.durch Nährstoffeintrag dazu führen, dassinsbesondere Algenwachstum ein ökologi-sches Gleichgewicht im See verhindert. DieGegenmaßnahmen in der Bewirtschaftungumfassen ein intensives, biologisches undchemisches Monitoring, einen Hegeplanund den Betrieb einer Phosphatelimination.

Grundwasserbewirtschaftung

Durch Bergsenkungen von bis zu 25 Meterbetragen die Polderflächen im Emscherge-biet 40 Prozent der Gesamtfläche, und dasim dichtest besiedelten BallungsraumDeutschlands. Die hohen Grundwasser-stände werden durch entsprechende Maß-nahmen, z. B. Pumpwerke und die Vertie-fung von Gewässern, geregelt. Dieses kom-plexe System ist anfällig und muss wasser-wirtschaftlich immer nachjustiert werden.Zum Beispiel kann es durch Entsiegelungvon Flächen und die Abdichtung von städti-schen Kanälen, die heute eine gewisse Drai-nagewirkung zeigen, zu schädlichen Grund-wasseranstiegen kommen. Um dieses zuvermeiden, stellt die Emschergenossen-schaft den Städten und Industriebetriebenfür ihre Planungen ein Bewirtschaftungsin-formationssystem Regenwasser/Grund-wasser als Internetportallösung zur Verfü-gung. Auf diese Weise können auch geeig-nete Gebiete für Maßnahmen zur Regen-wasserabkopplung identifiziert und optimaleBewirtschaftungsformen für diese Flächenfestgelegt werden (Abb. 4).

Pumpwerke

Außergewöhnliche Wetterphänomene, dieteilweise auch auf den Klimawandel zurück-zuführen sind, zeigen zunehmend, wie ver-wundbar vor allem Anlagen sind, die von derStromversorgung abhängen. Zur systemati-schen Risikoabschätzung solcher Ereignis-se sind vielfältige raumbezogene Informatio-

Abb. 3: Schadenserkennungssystem (SEK)

Quelle: Emschergenossenschaft/Lippeverband

Tabelle 1: Zu detektierende Schadensarten

Genauigkeit Detektion erforderlich

Zustandsart Zustandsspezifikation Gasraum Wasserraum

chemische Korrosion an Materialverlust/ Ja Nein

Korrosion Rohrwänden Unterscheidung von

(Gasraum) und -verbindungen - glatter Rohrwand

- angerauter Rohrwand

- Zuschlag sichtbar

- Zuschlag herausgefallen

- Bewehrung sichtbar

(Vergleich mit vorherigen

Inspektionen)

mechanische Abrasion Materialverlust (10 mm) Nein Ja

Korrosion (Vergleich mit vorherigen

(Wasserraum) Inspektionen)

Abfluss- Hindernisse, 5 % der Querschnittsfläche Ja Ja

hindernisse Ablagerungen

Inkrustationen

Lage- horizontal/vertikal = 8 mm Ja Nein

abweichung

axial = 5 mm Ja Nein

Risse Längsriss/Radialriss � 0,5 mm Rissbreite Ja Nein

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nen und Betriebs-Know-how erforderlich.Hier werden insbesondere Kanalnetzdaten,digitale Geländemodelle und Pumpwerksin-formationen zur Analyse benötigt. In diesemRahmen erarbeiten Emschergenossen-schaft/Lippeverband zurzeit ein Maßnah-menbündel, das neben der Hochwasservor-hersage, der Notfallkommunikation unddem Inselbetrieb von Kläranlagen insbeson-dere die Erstellung von Risikostudien für ca.200 Pumpwerke beinhaltet.

Kläranlagen

Die Instandhaltungskosten der abwasser-technischen Anlagen machen nach den Er-fahrungen der letzten Jahre neben den Per-sonal- und Energiekosten den dritten großenKostenblock aus und können bis über 30Prozent des Betriebsaufwandes erreichen(Abb. 5).

Es liegt in der Verantwortung des Betreibersder Anlage, eine Instandhaltungsplanung sodurchzuführen, dass die Verfügbarkeit unddie Wirtschaftlichkeit optimiert, die Arbeits-sicherheit gewährleistet und die Rechtssi-cherheit erreicht wird. Gleichzeitig sollte derAufwand dokumentiert und dann auch ge-genüber z.B. Aufsichtsgremien, Gebühren-zahlern oder Behörden vertreten werden.

Zur Instandhaltung wird bei EG/LV die RCM-Methode (Reliability Centered Maintainance)eingesetzt, um die Zuverlässigkeit der Be-triebsanlagen sicherzustellen, den War-tungs- und Inspektionsaufwand auf daswirklich notwendige Maß festzulegen, dasWissen der Mitarbeiter zu dokumentierenund allgemein verfügbar zu machen (Abb.6). Nur so können eine einheitliche Instand-haltungsstrategie auf allen Anlagen der Ver-bände, eine rechtssichere Dokumentationsowie eine spätere übergreifende Auswer-tung des Instandhaltungsaufwandes er-reicht werden.

Die RCM-Analyse wird, ausgehend von derGesamtanlage, über die einzelnen Verfah-rens- und Funktionseinheiten je nach Risikobis zur einzelnen Baugruppe heruntergebro-chen. Bei der Analyse der Anlagen wird zu-erst eine Risikoabschätzung durchgeführt.Dabei wird z. B. auf Kläranlagen die Auswir-kung einer Störung auf die Ablaufwerte so-wie auf die Kosten betrachtet.

Seit dem Start des RCM-Projektes im Jahr2007 wurden bisher ca. 1.500 RCM-Ge-spräche geführt; für rund 50 Anlagen wur-den neue W+I-Pläne eingestellt. Bei der Er-fassung der W+I-Pläne im SAP ist festzule-gen, wie die notwendigen, regelmäßigen Instandhaltungsarbeiten durchgeführt wer-

den. Dabei werden zwei mögliche Strategienverfolgt:

Die statische Strategie:• gewährleistet die nach Risikoanalyse fest-gestellte notwendige Häufigkeit der Inter-valle,

• erlaubt eine Bündelung von Wartungstä-tigkeiten, die immer zum gleichen Zeit-punkt abgearbeitet werden, in einem W+I-Auftrag,

• ermöglicht die Planung von jährlichen War-tungspaketen für mehrere Anlagen auf je-weils einen anderen Monat der Ausfüh-rung.

Die dynamische Strategie:• gewährleistet eine optimale Nutzung desVerschleißvorrates bzw. der vermutetenHaltbarkeit nach der letzten Wartung,

• verlangt eine Splittung der Maßnahmen in

verschiedene W+I-Aufträge bei gleichemIntervall, wenn sie unterschiedlich erledigtwerden. Die Einzeltätigkeiten laufenzwangsläufig im Laufe der Zeit auseinan-der.

Deiche

Den Hochwasserschutz an Emscher undLippe garantieren 220 Kilometer Deiche.Der höchste Flussdeich Europas liegt an derLippe in Hamm mit einer Höhe von 17 Me-tern. Durch die großen Poldergebiete, diekünstlich entwässert werden müssen, istdas natürliche Abflussverhalten insbeson-dere an der Emscher erheblich verändert.Diese Poldergebiete hinter den Deichensind potenziell überflutungsgefährdet. BeiVersagen oder Überströmung der Deichewürden hier wegen der dichten Besiedelungz. T. sehr hohe Schäden auftreten. Für beideGewässer sind Hochwasseraktionspläne

Abb. 4: Potenzieller Grundwasseranstieg

Quelle: Emschergenossenschaft/Lippeverband

Abb. 5: Betriebskostenverteilung

Quelle: Emschergenossenschaft/Lippeverband

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erarbeitet worden, in denen die potenziellenÜberflutungsflächen ausgewiesen sind.

Der erste Deich wurde 1901 im Emscher-gebiet erbaut; derzeit ist ein 80-Millionen-Euro-Deichprojekt an der Lippe geplant. Mitdem technischen Fortschritt sind auch diefür Deiche geltenden anerkannten Regelnder Technik weiterentwickelt worden. Ausder Summe dieser Weiterentwicklungen,der Fortschreibung des Bemessungshoch-wassers sowie der teilweise mehrfachenAnpassung der Deiche an Bergsenkungensind in dem langen Zeitraum seit der Errich-tung die Anforderungen an diese Bauwerkekontinuierlich gestiegen. Vor diesem Hinter-grund ist es notwendig, Unterhaltungsver-pflichtungen nachzukommen und die Dei-che nach den allgemeinen anerkannten Re-geln der Technik zu ertüchtigen. Im Fokusdieser Maßnahmen steht stets das Wohl derAllgemeinheit. Um eine fundierte Basis fürderartige Ertüchtigungsmaßnahmen zu

Grunde zu legen, haben sich Emscherge-nossenschaft und Lippeverband dazu ent-schieden, flächendeckend die Deiche inden Verbandsgebieten zu untersuchen. Da-zu wurde im Jahr 2009 das „Deichertüchti-gungsprogramm“ initiiert.

Die Bestandsdokumentation wird zukünftigin einem Deich-Daten-Dienst digital zur Ver-fügung gestellt. Ziel des Deich-Daten-Dienstes ist es, den Geschäftsbereich Be-trieb durch eine effektive und effiziente Be-reitstellung von Daten zu unterstützen, umfrühzeitig Deichverteidigungs-Maßnahmeneinleiten zu können. Mit dem Deich-Daten-Dienst sollen alle validierten Deichdaten aneiner Stelle abrufbar sein und zuverlässigeAussagen für den Betrieb liefern (Abb. 7).

Gewässer

Insgesamt werden 750 Kilometer Gewässerim Einzugsgebiet von Emscher und Lippebewirtschaftet. Gemeinsam mit den parallel

verlaufenden Abwasserkanälen ergibt sichhier ein sehr personalintensiver Betriebs-und Instandhaltungsaufwand. Das reichtvon Untersuchungen der Betonkorrosion inKanälen über die M- und E-technischeÜberwachungen von Abwasserpumpwer-ken und Regenwasserbehandlungsanlagenbis hin zu Sicherheitsbegehungen vonDeichanlagen und die Pflege von Gewäs-serauen. Alle hierzu erforderlichen Tätigkei-ten werden insbesondere durch eine sorg-same Arbeitsvorbereitung, eine effizienteAuftragsabwicklung, eine umfassende Kos-tensteuerung und durch interne sowie ge-setzliche Dokumentationspflichten geprägt.Zum Betrieb und Erhalt des Anlagenbestan-des arbeiten ca. 150 Mitarbeiter im BereichKanäle/Gewässer und 180 Mitarbeiter imBereich der Kläranlagen, Pumpwerke undRegenwasserbehandlungsanlagen. Hinzukommen zur technischen Unterstützung ca.100 Fachkräfte aus dem Elektro-, Maschi-nen- und Bautechnikbereich.

Die Grundüberlegung des neuen Betriebs-führungssystems ist die, dass von der Ar-beitsvorbereitung bis zur Dokumentation je-der Mitarbeiter bestmöglich unterstütztwird. Hierzu haben Emschergenossen-schaft/Lippeverband eine neue serviceori-entierte IT-Architektur entwickelt, die, ein-fach strukturiert und erweiterbar, die bishe-rigen Programme und Systeme bestmög-lich verbindet (Abb. 8). Dabei werdenSAP-Produkte, geografische Informations-systeme, Dokumentenmanagementtoolsund Projektinformationsdienste anwender-freundlich miteinander verbunden. Bei-spielsweise kann der Arbeitsvorbereiter ei-nen zu überprüfenden Kanal- und Gewäs-serabschnitt in einer elektronischen Land-karte in einem GIS-System auswählen underhält automatisch hierzu aus dem Instand-haltungsmodul von SAP alle kaufmänni-schen und technischen Daten einschließlichder erforderlichen Wartungspläne und Ma-terialstücklisten, die zur Erledigung der Ar-beit erforderlich sind. Zum anderen opti-miert das Betriebsführungssystem Budge-tierung und Abrechnung und ermöglicht eineinheitliches und durchgängiges operativesControlling.

Führungs- und Unterstützungs-

funktionen

Ohne detaillierte und belastbare Daten sindAnalysen mit dem Ziel der Anlagenoptimie-rung nicht durchführbar. Aus diesem Grundwurden bei Emschergenossenschaft undLippeverband in den vergangenen Jahreneine Reihe von Berichtswerkzeugen aufGrundlage der vorhandenen IT-Landschaftentwickelt und inzwischen intensiv genutzt.

statische Strategie

SAP Auftrag

Bearbeitung

SAP Auftrag

Bearbeitung

*) gewähltes Wartungsintervall

0 1 2 3 4 5 Zeit

dynamische Strategie

x

x x x x x

x x0

000 0 0

00 0x

Abb. 6: RCM-Strategie

Quelle: Emschergenossenschaft/Lippeverband

Abb. 7: Deich-Daten-Dienst bei EG/LV

Quelle: Emschergenossenschaft/Lippeverband

LESAM Spezial 2011 15

Hierzu gehören u. a. • der jährliche technisch-wirtschaftliche Be-richt für die Kläranlagen (für Pumpwerke,RWB und Gewässer),

• die jährlichen Energieberichte, • eine systematisierte Planung und Steue-rung der Instandhaltungsmaßnahmenüber detaillierte Reports aus SAP-PM,

• die Planung der Verbrauchsmittel (inkl.Energie) auf der Grundlage von Mengen-erfassungen,

• das Ideenmanagement zur Systematisie-rung von Verbesserungsvorschlägen,

• die hausweit eingeführte Balanced Sco-recard,

• und das Management der Energie -verbrauchsdaten (Energiedatenmanage-ment).

Zukünftige Herausforderung

Der globale Klimawandel wird regional diffe-renzierte Auswirkungen im Hinblick auf denhydrologischen Kreislauf haben. Die Ein-schätzung der regionalen Veränderungenund die Entwicklung geeigneter Maßnah-men, um diesen aus wasserwirtschaftlicherSicht zu begegnen, sind auch aktuelle Auf-gabenstellungen, die sich für den Betrieb derAnlagen ergeben. In einer internen Arbeits-gruppe wird hierzu ein Leitfaden „Klimawan-del – Handlungsempfehlungen“ für das Ma-nagement, die Investitionsprojekte und denBetrieb entwickelt. In diesem Kontext sindauch die erheblichen Anstrengungen zurSteigerung der Energieeffizienz und Eigen-energieerzeugung zu nennen, die einen we-sentlichen Beitrag zur CO2-Reduzierung leis-ten.

Auch der demografische Wandel, insbe-sondere in der Kernzone des Emscherge-bietes, wird Auswirkungen auf die Ver- undEntsorgungsinfrastruktur haben. Sinkende

Abwassermengen und damit verbundenebetriebliche Probleme, wie z. B. Ablagerun-gen im Kanalnetz, Geruchsbildung und ge-ringere Auslastung der Kläranlagen, werdentechnische und betriebliche Anpassungenerfordern.

Aber auch der höhere Verbrauch von Phar-maka in der Bevölkerung mit einer Zunahmevon Arzneimittelkonzentrationen im Abwas-ser kann neue Herausforderungen an denBetrieb stellen. Inwieweit es zu einer weiter-gehenden Abwasserreinigung (4. Reini-gungsstufe) kommt, bleibt abzuwarten. Em-schergenossenschaft und Lippeverbandhaben jedenfalls zum Thema Spurenstoffeeine ganzheitliche Strategie entwickelt, dieden Lebenszyklus von der Produktion überden Konsum bis zur Entsorgung der Mikro-verunreinigung beinhaltet. Der Betrieb unddie Instandhaltung setzen sich bereits heutemit diesem Thema auf mehreren Pilotanla-gen intensiv auseinander.

Eine wirtschaftlich-technisch optimierte In-standhaltung mit kompetenten und moti-vierten Mitarbeitern und der Bereitschaft zurInnovation kann auf die zukünftigen Heraus-forderungen der Wasserwirtschaft flexibelreagieren.

Literatur:

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Saathoff, J.; Kopplung von SAP und GIS als Grund-lage für ein EDV-gestütztes Controlling am Beispieleines Wasserverbandes, Seminar „Erfolgreiche In-standhaltung durch bedarfsgerechte IT-Unterstüt-zung“ der Firma Dr. Kalaitzis, Köln; 2010.

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Terhart, L.; Erfahrungsbericht: Betriebsführung undControlling in heterogenen IT-Landschaften – NeueSoftwarearchitekturen für Integration und Wirtschaft-lichkeit; Aachen; 2010

Autoren:

Dr.-Ing. Emanuel GrünEmschergenossenschaft/LippeverbandKronprinzenstr. 2445128 EssenTel.: 0201 104-2021Fax: 0201 104-2629E-Mail: [email protected]: www.eglv.de

Dr.-Ing. Angelika KraftEmschergenossenschaft/LippeverbandKronprinzenstr. 2445128 EssenTel.: 0201 104-2283Fax: 0201 104-3089E-Mail: [email protected]: www.eglv.de n

Abb. 8: IT-Architektur

Quelle: Emschergenossenschaft/Lippeverband

Steuerungstools zur Instandhaltung

von Anlagen der Wasserwirtschaft

Erfahrungen mit der Anwendung von Planungs- und Steuerungstools für die Instandhaltung

der Infrastruktur bei Emmschergenossenschaft/Lippeverband

D ie Emschergenossenschaft und derLippeverband bewirtschaften die

natürlichen Flussgebiete von Emscherund Lippe, in denen 3,8 Millionen Men-schen leben und die großen Industrieun-ternehmen des Reviers ansässig sind. Fürdiese Aufgabenstellung sind 61 Kläranla-gen, 292 Pumpwerke, 208 Regenwas-serbehandlungsanlagen, 72 Regenrück-haltebecken, 52 Regenüberläufe, 49Hochwasserrückhaltebecken, 1.158 kmKanäle, 752 km Wasserläufe und 220 km

Deiche mit einem Anlagevermögen vonrund drei Milliarden Euro zu betreiben. Einsolches Aufgabenspektrum setzt eine in-takte und leistungsfähige Infrastruktur derAnlagen voraus. Diese Anlagen müssennach technischen und wirtschaftlichenKriterien instandgehalten werden. Hierfürstehen der Emschergenossenschaft unddem Lippeverband Planungs- und Steue-rungstools zur Verfügung, die eine effi-ziente und wirtschaftliche Instandhaltunggewährleisten.

Zielsetzung/AufgabenstellungFür die Instandhaltung der Infrastruktur er-geben sich für die Verantwortlichen unter-schiedliche Zielrichtungen, um den Anla-genbetrieb mit optimalem Einsatz der Res-sourcen zu gewährleisten:

• Sicherstellung der notwendigen Anlagen-verfügbarkeit

• Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen• optimaler Wartungs- und Inspektionsauf-wand

• optimaler Einsatz der zur Verfügung ste-henden Ressourcen

• wirtschaftlicher Betrieb der vorhandenenInfrastruktur

• optimaler Zeitpunkt der Reinvestitionen

Diese Zielstellungen sind bei stetig steigen-dem Kostendruck umzusetzen. Das Zieldes Steuerungssystems und des damitverbundenen EDV-Einsatzes bei Emscher-genossenschaft und Lippeverband ist dieVerknüpfung von Technik, Management,

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1) Enterprise Resource Planning System (Unternehmensressourcenplanungssystem)

2) Plant Maintenance

3) Project System

4) Einhundertprozentige Erfassung der Stunden aufAufträge im gesamten Mitarbeiterbereich

Abb. 1: Instandhaltungsoptimum

Quelle: D

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09

Quelle: p

mph

oto-Fo

tolia.com

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Organisation und Information. Das bei Em-schergenossenschaft und Lippeverbandzu diesem Zweck eingesetzte ERP-Sys-tem¹ ist SAP.

Die gesamte Instandhaltungssteuerung er-folgt über das PM²-Modul von SAP. Mitdem System werden die Funktionen• Budgetsteuerung (Kombination mit demPS³-Modul),

• Cost-Center-Steuerung Instandhaltung,• Betriebsführungssystem für den Kanal-betrieb (in Verbindung mit Portaltechno-logie) und

• die mobile Instandhaltung

unterstützt.

Globale Zielsetzung ist die einhundertpro-zentige Erfassung4 der Instandhaltungsauf-gaben bzw. -aufwendungen im Auftrags-wesen (keine Arbeit ohne Auftrag). Die Auf-tragsstruktur teilt sich nach der DIN 31051auf fünf Auftragsarten und 13 Leistungsar-ten auf. Durch diese Auftragstypzuordnungerfolgt die Steuerung der Instandhaltung.Sie zielt weitergehend auf eine Optimierungder Instandhaltungsaktivitäten (Abb. 1). Dieverwendete Strategie zielt auf die Reduzie-rung der Gesamtkosten bis zu einem Opti-mum. Das Optimum wird erreicht, wenndurch die vorbeugende W+I die störungs-bedingte Instandsetzung im Verhältnis zuden Gesamtkosten am geringsten ist.

Budgetsteuerung (Kombination mit dem PS-Modul)Das Ziel dieses Projekts bzw. Tools ist diequantitative Einhaltung der vereinbartenBudgets. Diese Budgets werden, basie-rend auf der vorhanden Auftragsstruktur,verschiedenen Budgettöpfen und Verant-wortungsbereichen zugeordnet (Abb. 2).Auf Basis des SAP-PM-Moduls werden dieAufträge über das vorhandene SAP-PS-Modul den Budgettöpfen automatisiert zu-geordnet. Eine Budgetüberschreitung wirdfrühzeitig erkannt und systemseitig durch

• eine automatisierte Meldung an den Be-stellenden und

• gegebenenfalls die Sperrung von Bestel-lungen

unterbunden.

Durch die programmierten Reports werdenden Führungskräften und Entscheidern dieInformationen zur Instandhaltung bereitge-stellt. Diese Informationen bieten die not-wendige Transparenz der Kosten und er-möglichen eine zeitnahe Reaktion auf einedrohende Budgetüberschreitung (Abb. 3).

Cost-Center-Steuerung InstandhaltungDie zentrale Instandhaltungsabteilung über-nimmt zu einem Großteil die Abwicklung derInstandhaltungsmaßnahmen im Geschäfts-bereich Betrieb von Emschergenossen-schaft und Lippeverband. Hierbei ist dieAufgabe des Cost-Centers die Übertragungder Marktmechanismen auf das VerhältnisBetrieb und Instandhaltung. Die Instandhal-tungsabteilung hat als Ziel eine einhundert-prozentige Entlastung des Cost-Centersüber Instandhaltungsaufträge. Wie in einemeigenständigen Unternehmen gilt hier das

Abb. 2: Zuordnung der Auftragsarten/Leistungsarten zu Budgettöpfen

Quelle: E

GLV

Abb. 3: Ampelbericht

Quelle: D

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Abb. 4: Betriebsführungssystem für den Kanalbetrieb

Quelle: D

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Auftragsart PM01 PM02 PM03 PM02 PM03 PM05 PM03

IH-Leistungsart SGA

GrundrauschenGroße, geplanteInstandsetzungen

Umbau Verbesserungen Betriebliche Tätigkeiten

SÜW W/I GEF GEI STI VEF SON GIG E/U VER BTT

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Ziel der Erreichung einer ausgeglichenen Bi-lanz. Gesteuert wird das Cost-Center überdas Auftragswesen im SAP-PM und demFreigabemanagement. Die Effizienz der In-standhaltungsabteilung lässt sich überKennzahlen wie z.B. den Auslastungsgrad,die Anzahl geplanter Instandhaltungsaufträ-ge etc. im System nachweisen. Zudem un-terstützt das System die Entscheidung überexterne/interne Vergaben.

Betriebsführungssystem für den Kanalbetrieb/Mobile InstandhaltungDas Betriebsführungssystem soll — aus-gehend von dem Betrieb der Linienobjek-te wie Gewässern und Kanälen — die Ar-beitsabläufe der Betriebsbereiche opti-mieren und vereinheitlichen, indem es dieEinsatzplanung und Abwicklung von Auf-trägen vereinfacht und die Erfüllung der

gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich Be -richtspflicht und Dokumentation unter-stützt (Abb. 4). Die im Portalsystem vonEmmschergenossenschaft und Lippever-band realisierte Kopplung von SAP-Sys-tem und GIS auf Basis einer serviceorien-tierten Architektur ist im Jahr 2009 mitdem internationalen ESRI-Award für inno-vative Leistungen auf dem Gebiet derGeografischen Informationssysteme aus-

Abb. 5: Aufgaben Betriebsführungssystem

Quelle: E

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Abb. 6: Mobile Instandhaltung

Quelle: E

GLV

UMTS-Online

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gezeichnet worden. Mit dem Betriebsfüh-rungssystem steht eine integrierte und aufStandardsoftware basierende Anwen-dung zur Verfügung, die prozessorientiertden Anforderungen des Unternehmensan Planung, Abwicklung und Controllingder betrieblichen Aufgaben einschließlichder mobilen Instandhaltung gerecht wird(Abb. 5). Die mobile Instandhaltung wur-de ebenfalls über das Portal und die ser-viceorientierte Architektur realisiert, ba-siert auf dem Auftragswesen des SAP-PM und erlaubt über eine Online-Verbin-dung (UMTS) die Auftragsübernahme undAuftragsrückmeldung vor Ort durch denjeweiligen Instandhaltungsmitarbeiter(Abb. 6). Diese Abwicklung erlaubt es inder Fläche, die Instandhaltungsmitarbei-ter in die Lage zu versetzen, zusätzlicheInformationen abzurufen und den Arbeits-stand online an die Arbeitsvorbereiter wei-terzugeben.

ErgebnisseDie Verknüpfung der einzelnen Steue-rungs- und Informationstools führt langfris-tig zu einem Regelkreis, der auf eine opti-male Instandhaltung abzielt (Abb. 7).Durch maximale Transparenz der Kostensteht dem Verantwortlichen über die be-schriebenen Steuerungswerkzeuge eineoptimale Entscheidungsgrundlage zur Ver-fügung. Ein Schwerpunkt der Optimie-rungsprojekte ist die Instandhaltung. Zielist hier insbesondere, zu transparenten

und effizienten Instandhaltungsprozessenzu gelangen. Durch die Integration ver-schiedener Systeme innerhalb eines Por-tals werden unnötige Schnittstellen undSystembrüche vermieden. Ein zuverlässi-ger Ablauf der Instandhaltungsprozesse istgewährleistet. Gleichzeitig wird durch dieNutzung der Portaltechnologie der Arbeits-platz des Arbeitsvorbereiters vereinfachtund die Qualität der Eingaben optimiert.Nach der erfolgten Produktivschaltung derSysteme steht jetzt die flächendeckendeNutzung und Anwendung auf der Tages-ordnung. Für diesen entwickelten Regel-kreis bekamen die Emschergenossen-schaft und der Lippeverband die Auszeich-nung des „MAINTAINER – Projekt des Jah-res/Industrieunternehmen 2011“ auf demInstandhaltungskongress MainDays inPotsdam verliehen.

Literatur:

DIN 31051/2003; DIN 31051 Normenausschuss In-standhaltung (NIN) im DIN Deutsches Institut für Nor-mung e. V. Grundlagen der Instandhaltung

Grün, E.; Kraft, A.; Stratemeier, N.; Qualitätsmanage-ment – Ein Erfolgsfaktor zur Wertschöpfung. In: Pinne-kamp, J. (Hrsg.); 40. Essener Tagung für Wasser- undAbfallwirtschaft; 14.3. – 16.3.2007; Aachen; 2007.

Kordus, J.; Umsetzung der Ergebnisse in SAP-PM,Praxis-Tag Instandhaltung „Risikoorientierte Instand-haltung in der Abwassertechnik“; Lünen; 2010.

Kraft, A.; Saathoff, J.; Erfahrungen mit der Anwen-dung von Planungs- und Steuerungstools für die In-standhaltung der Infrastruktur bei Emschergenossen-schaft/Lippeverband, Main Days T.A. Cook; Pots-dam; 2011.

Kraft, A.; Instandhaltungsplanung bei Emscherge-nossenschaft/Lippeverband, Praxis-Tag Instandhal-

tung „Risikoorientierte Instandhaltung in der Abwas-sertechnik“; Lünen; 2010.

Preiß, W.; et.al.; Instandhaltung von Kläranlagen;DWA-Themen; DWA; Hennef; 2009.

Preiß, W.; Ziele der Emschergenossenschaft/ des Lip-peverbandes für Wartung und Inspektion; Praxis-TagInstandhaltung „Risikoorientierte Instandhaltung inder Abwassertechnik“; Lünen; 2010.

Saathoff, J.; Kopplung von SAP und GIS als Grund-lage für ein EDV-gestütztes Controlling am Beispieleines Wasserverbandes, Seminar „Erfolgreiche In-standhaltung durch bedarfsgerechte IT-Unterstüt-zung“ der Firma Dr. Kalaitzis, Köln; 2010.

Terhart, L.; Erfahrungsbericht: Betriebsführung undControlling in heterogenen IT-Landschaften – NeueSoftwarearchitekturen für Integration und Wirtschaft-lichkeit; Aachen; 2010

Autoren: Dr. Angelika KraftEmschergenossenschaft/LippeverbandKronprinzenstr. 2445128 EssenTel.: 0201 104-2566Fax: 0201 104-3089E-Mail: [email protected] Internet: www.eglv.de

Dipl.-Kaufmann Jörg SaathoffEmschergenossenschaft/LippeverbandKronprinzenstr. 2445128 EssenTel.: 0201 104-2604Fax: 0201 104-3089E-Mail: [email protected]: www.eglv.de n

Abb. 7: Regelkreis Planungs- und Steuerungstools der Instandhaltung

Quelle: E

GLV

Aufbau Steuerungs- und Planungstools

StrukturInstand -

haltungsprozess

Steuerung Cost-Center

Ziel:

Budgeteinhaltung!

Keine Arbeit ohne Auftrag!

BetriebsführungssystemBetriebsführungssystem

Werkzeugeeinfache

Anwendung

Quelle: Magda Fischer – Fotolia.com

Entwässerungssicherheitspläne

Da sich Sicherheitspläne in der Wasserversorgung bewähren, sollen sie in diesem Beitrag

auf die Bedürfnisse der Abwasserentsorgung angepasst und durch ein Rahmenwerk

vorgestellt werden.

D ie Funktionalität einer Abwasserent-sorgungsanlage kann durch unter-

schiedlichste Einwirkungen an unterschied-lichen Stellen beeinträchtigt werden. Bei-spiele für Einwirkungen sind Terrorismus,Sabotage (innere wie äußere), baulicheMaßnahmen, Sanierungsarbeiten (z. B.Straßenbauten), Unfälle (z. B. Eindringenvon leicht entzündlichen Gütern in die Ka-nalisation und das damit verbundene Risikoeiner Explosion) bis hin zu Naturgefahren(Erdbeben, Hangrutschungen etc.). ÄltereTeile der Kanalisation können natürlich auchohne äußere Einwirkung einstürzen und ihreFunktion einbüßen. Diese Beeinträchtigun-gen verursachen nicht nur Reparaturkosten,sondern können auch zu Schadensersatz-forderungen an Betreiber führen [5]. WeitereEinwirkungen, welche die Abflussmengenungünstig verändern können, sind bei einer

Mischkanalisation beispielsweise die Min-derung der Entlastungskapazität durch einHochwasser bei Starkregenereignissenoder aber auch Landnutzungsänderungenund der Klimawandel. Auf all diese außer-gewöhnlichen bzw. zukünftigen Einwirkun-gen sollten Betreiber kritischer Infrastruk-turen vorbereitet sein. Dafür wird in diesemBeitrag ein Risikomanagementkonzept vor-geschlagen.

Hazard Analysis and Critical Control Points(HACCP) ist ein stringentes und präventi-ves Sicherheitskonzept, welches sich ur-sprünglich in der Lebensmittelindustrieetablierte. Es befasst sich mit potenziellenphysikalischen, chemischen und biologi-schen Gefährdungen von Lebensmittelnwährend der gesamten Logistik- und Pro-duktionskette. Die Methode wurde 1960

von der Pillsbury Company, der US Armyund der NASA vorgestellt, um Produkt-mängel zu vermeiden, bevor sie entstehen.Diese Entwicklung entstand aus dem Be-dürfnis der NASA nach „Null-Defekt-Pro-dukten“ für die Raumfahrt [1]. Heutzutagewird das weiterentwickelte HACCP-Kon-zept in der Lebensmittelindustrie für die Er-höhung der Lebensmittelsicherheit ge-nutzt, indem priorisierte Gefährdungenbzw. kritische Punkte (Critical ControlPoints) in der Produktionskette kontrolliertund im Idealfall sogar eliminiert werden.Der risikobasierte Ansatz der Weltgesund-heitsorganisation zur Erhöhung der Versor-gungsicherheit mit hygienisch einwandfrei-em Wasser basierte in weiten Bereichenauf dem HACCP-Konzept. Die Grundsätzedes HACCP-Konzeptes wurden jedochvon Betreibern von Wasserversorgungsan-

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lagen aus den USA und Australien verfei-nert und auf die Belange einer optimalenTrinkwasserversorgung zugeschnitten. DieErfahrungen, die während der Anwendungdes HACCP-Konzeptes von den Betrei-bern gesammelt wurden (z. B. [9]), führtenzur Entwicklung der nun weitverbreitetenWassersicherheitspläne [2]. Diese Plänesollen die Versorgungsicherheit mit hygie-nisch einwandfreiem Trinkwasser durch einmehrstufiges Risikomanagementsystemgarantieren.

Unter dem Begriff „Schutz kritischer Infra-struktur“ versteht man den Schutz von In-stitutionen und Einrichtungen, welche vonbesonderer Bedeutung für das staatlicheGemeinwesen sind. Ein Ausfall bzw. einegeminderte Funktionsausführung solcherInfrastrukturen wirkt sich nachteilig auf dieVersorgung mit wichtigen Gütern aus undführt zu erheblichen Störungen der öffent-lichen Sicherheit. Der Schutz dieser Infra-strukturen, für den die Betreiber der Ein-richtungen verantwortlich sind, wird mitt-lerweile gesetzlich durch eine EU-Richtlinie[4] behandelt. Darin wird der Begriff Risi-koanalyse für die Prüfung relevanter Be-drohungsszenarien verwendet. DieseAnalyse beinhaltet die Bewertung vonSchwachstellen und die möglichen Aus-wirkungen einer Störung oder Zerstörungkritischer Infrastrukturen. HACCP und dasKonzept der Wassersicherheitspläne sindsolche Verfahren und können deshalbdurch Anpassung für die Identifikation vonSchwachstellen und zur Risikominimie-rung verwendet werden.

Abwassersysteme sind wie Wasserversor-gungsysteme kritische Infrastrukturen[10], wobei es in der EU und ihren Staatennoch keine eindeutige Definition gibt, wel-che Infrastrukturen als kritisch einzustufensind. Wie vorher beschrieben, sind Sicher-heitspläne eine Möglichkeit, den Schutzkritischer Infrastrukturen zu erhöhen. DieMindestanforderungen für Sicherheitsplä-ne sind auf EU-Ebene geregelt [4]. In ein-schlägigen Normen [3] werden die Ausar-beitung und Bereitstellung von Störfallplä-nen erläutert, jedoch keine integrale Si-cherheitsplanung zum Stand der Technikvorgeschlagen. Für kritische Infrastruktu-ren und generell zur Erhöhung der Ent-wässerungssicherheit wäre ein System,wie es bereits für andere Bereiche verwen-det wird, aber sicherlich zweckdienlich. Indiesem Sinne ist es das Ziel dieses Bei-trags, die vorliegenden risikobasiertenKonzepte für die Belange der Abwasser-entsorgung anzupassen und ein Rahmen-werk für die Implementierung von Entwäs-

serungssicherheitsplänen (ESP) zu be-schreiben. Die Aufgabe dieser ESPs imFalle von Abwas serbeseitigungsanlagenist die sichere Entwässerung von Regen-wasser und Hochwasser mit Hilfe einesRisikomanagements zu optimieren unddabei Störfälle jeglicher Art in Betracht zuziehen.

Material und MethodenIm Folgenden wird die verwendete Litera-tur, mit der ein ESP konzipiert wird, zusam-mengefasst dargestellt. Die Analyse desÜberflutungsrisikos beim Versagen vonsensiblen Systemkomponenten, zur Ver-minderung bzw. Vermeidung von Folge-schäden, ist jetzt schon Stand der Technik[3], genauso wie die Störfallplanung. Darinwird festgelegt, welche Maßnahmen beimAusfall eines Systemteils getroffen werden.Vorgehensweisen hinsichtlich Mindestan-forderungen [3] werden für eine Reihemöglicher Zwischenfälle benötigt. Dazuzählen die in der Einleitung beschriebenenEreignisse, welche durch Expertenbefra-gung identifiziert wurden. Mindestanforde-rungen für Sicherheitspläne sind laut EU-Richtlinie 2008/114/EG wie folgt geregelt:

• Nennung der wichtigen Anlagen• Analyse wichtiger Bedrohungsszenarienzur Ermittlung von Schwachstellen dereinzelnen kritischen Infrastrukturen und ei-ne Analyse der möglichen Auswirkungen• Ermittlung, Auswahl und Rangfolge vonGegenmaßnahmen und Verfahren; da-bei ist zwischen permanenten und ab-gestuften Sicherheitsvorkehrungen, dieje nach Ausmaß des Risikos und der Be-drohung ergriffen werden können, zu un-terscheiden

Die Wassersicherheitspläne [8] schlagenein achtstufiges Verfahren vor, welches alleMindestanforderungen für Sicherheitsplä-ne erfüllt und nicht im Widerspruch zu die-sen steht:

• Unternehmensorganisation, Kompetenzder MitarbeiterInnen beschreiben• Bestandsaufnahme der gesamten Anla-ge inkl. Aktualisierung veralteter Daten-sätze vornehmen• Gefahren definieren, bewerten und kriti-sche Anlagenteile auflisten• Einmalige Maßnahmen zur Beseitigungoder Reduktion von Gefahren festlegen• Anweisungen zur Instandhaltung erstel-len und aktualisieren• Anweisungen zur Kontrolle von kritischenAnlagenteilen erstellen• Alltägliche Anweisungen und deren Aus-wirkungen protokollieren und beurteilen

• Jährliche Berichte zur Wasserqualität, zurAnlage, zu Prozessen und zur Organisa-tion erstellen sowie Verbesserungsvor-schläge ausarbeiten

Die einzelnen Stufen der Sicherheitsplänekönnen direkt übernommen werden. DieAdaption für Entwässerungssysteme wirdim Folgenden unter Berücksichtigung ein-schlägiger Normen näher beschrieben. DieAnwendung von Unterstützungswerkzeu-gen wie Geoinformationssystemen (GIS)und modelltechnischen Sensitivitätsanaly-sen [7] wird dabei ebenfalls dargestellt.

Für eine GIS-basierte Risikoanalyse, wel-che hier empfohlen wird, kann prinzipiellmit der Definition „Risiko ist Vulnerabilitätmal Gefährdung“ [6], [11], [12] gearbeitetwerden. Vergleicht man diese mit demhäufig verwendeten „Risiko ist Schadenmal Wahrscheinlichkeit“ (ohne örtlichenBezug), kann Schaden mit Vulnerabilitätund Wahrscheinlichkeit mit Gefährdunggleichgesetzt werden. Diese Festlegungermöglicht eine GIS-basierte Vereinigungvon Schwachstellen der Infrastruktur mitGefahren in einer Risikokarte. Diese Verei-nigung wird mit Hilfe einer Angreifbarkeits-matrix erreicht, welche auf Basis von Ex-pertenmeinungen und einer intensiven Li-teratursuche über aufgetretene Schadens-ereignisse entwickelt wurde. Ihre Elementerepräsentierten die Wahrscheinlichkeit ei-ner fehlerhaften Anlagenkomponente bzw.Schwachstelle (z. B. Haltung auf einer Brü-cke), ausgelöst durch eine spezifische Ge-fährdung (z. B. Hochwasser).

Ergebnisse und DiskussionAuf die Stufen 1, 2 (Organisation, Anlagenund Mitarbeiter beschreiben) und 8 (Jah-resbeurteilung) der ESP wird hier nicht nä-her eingegangen. Für die Gefahrensuche(Stufe 3) wurde ein allgemeiner Gefahren-katalog für den Katastrophenschutz (sol-che sind von unterschiedlichen Institutio-nen bereits entwickelt worden) übernom-men. Eine Vielzahl von Gefahren aus demallgemeinen Katalog haben Auswirkungenauf die Funktion der Abwasserentsor-gung. Ferner wurde ein Katalog speziellfür Abwassersysteme auf Basis von Ex-pertenmeinungen, Normen und andererLiteratur angefertigt. Insgesamt wurden38 potenzielle spezifische Gefährdungen(z. B. kritische Indirekt-Einleiter, Verstop-fungen, Verkrustungen, Fettanlagerun-gen, Versagen von Be- und Entlüftung,Zugänglichkeit der Infrastruktur im Notfall,Ausfall der Energieversorgung etc.) iden-tifiziert und nach Komponententypen ka-tegorisiert. Abbildung 1 (links) zeigt alle

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Gefahren, die unter Verwendung des Ka-taloges mit örtlicher Zuordnung erhobenwurden. Diese Karte repräsentiert die Ge-fahrenlage eines Teilausschnittes der ge-samten Anlage.

Für die Bewertung der Schwachstellen derInfrastruktur wird eine Sensitivitätsanalyse[6] angewandt, um eine Vulnerabilitätskartezu erzeugen. Abbildung 1 (rechts) zeigt ei-ne Vulnerabilitätskarte für das Thema Hal-tungseinsturz, welcher durch unterschied-liche Gefahren (z. B. Explosion) ausgelöstwerden kann. Erzeugt wird diese Karte, in-dem jede Haltung modelltechnisch zumEinsturz gebracht und mit einer hydrauli-schen Simulation bewertet wird. Die Kartezeigt demzufolge die Überstauzunahmebei Einsturz der entsprechend gefärbtenHaltung. Die Daten der Gefahren- und Vul-nerabilitätskarte werden zur Risikokartezusammengefügt und mit Hilfe der Angreif-barkeitsmatrix überlagert und interpretiert.Mit ihr werden Risiken identifiziert, welchedurch präventive Maßnahmen verringertwerden.

Im Folgenden werden Beispiele für Maß-nahmen zur Sicherheitsverbesserung an-geführt, um die Durchführung der Stufen4 bis 7 der ESP zu beschreiben. Eine ein-malige Maßnahme (Stufe 4) zur Beseiti-gung oder Reduktion einer Gefahr ist z. B.die Installation eines Hochwasserpump-werkes, welches auch bei flussbedingtemEinstau des Entlastungsbauwerkes einenSystemausfluss ermöglicht. Eine Anwei-sung zur Instandhaltung (Schritt 5) wärebeispielsweise die Sanierung einer Hal-tung, welche bei Einsturz ein hohes zu-sätzliches Überstauvolumen produzierenkann. Eine Instandhaltungsmaßnahme istz. B. auch die Verringerung der Verstop-fungsgefahr durch regelmäßige Inspekti-on und im Bedarfsfall auch der Räumung

von Ablagerungen in vulnerablen Anlage-teilen. Eine Kontrolle von kritischen Anla-genteilen (Stufe 6) ist z. B. das Monitoringvon Pegeln bei den Entlastungsbauwer-ken zur Analyse flussbedingter Einstausi-tuationen. Die Stufe 7 dient zur Überprü-fung, ob die Sicherheitsplanung auchfunktioniert. Es wird festgestellt, ob dieAnweisungen im Alltag umgesetzt wer-den. Die Planung und Auswirkung derMaßnahmen sollen protokolliert werden,um deren Nutzen beurteilen zu können.Eine Testanwendung der ESP zeigte,dass diese stringente Vorgehensweisenicht nur für die Wasserversorgung, son-dern auch für die Entwässerung äußerstnützlich ist. Damit lässt sich das Risikovon potenziellen Gefährdungen schon vorEintritt wirkungsvoll verringern.

DanksagungDas Achilles-Projekt (FFG-Projektnummer:824682), welches diese Arbeit ermöglich-te, wird durch das Bundesministerium fürVerkehr, Innovation und Technologie(BMVIT) und die Österreichische For-schungsförderungsgesellschaft (FFG) inder Programmelinie 3 des Themenpro-gramms „KIRAS Sicherheitsforschung“ fi-nanziell gefördert. Ein besonderer Dank giltallen Projektpartnern, welche stets mit Rat,Daten und technischer Ausstattung zumErfolg beigetragen haben.

Referenzen:

[1] Bauman, H.E., "HACCP CONCEPT AND MICRO-BIOLOGICAL HAZARD CATEGORIES", in: FoodTechnology, 28(9) (1974).

[2] Davison, A.; Howard, G.; Stevens, M.; Callan, P.;Fewtrell, L.; Deere, D. und Bartram, J. Water safetyplans: Managing drinking-water quality fromcatchment to consumer, WHO/SDE/WSH/05.06,Series Tile, Geneva, Switzerland 2005.

[3] EN 752, Drain and sewer systems outside buil-dings, European Committee for Standardization,Brussels 2008.

[4] EU Richtlinie 2008/114/EG, Richtlinie über die Er-mittlung und Ausweisung europäischer kritischer

Infrastrukturen und die Bewertung der Notwen-digkeit, ihren Schutz zu verbessern, Amtsblatt derEuropäischen Union, 2004.

[5] Jayaram, N. und Srinivasan, K., "Performance-ba-sed optimal design and rehabilitation of water dis-tribution networks using life cycle costing", in: Wa-ter Resources Research, 44(1) (2008).

[6] Kelman, I., "Defining Risk", in: FloodRiskNetNewsletter, 2) (2003).

[7] Moderl, M.; Kleidorfer, M.; Sitzenfrei, R. undRauch, W., "Identifying weak points of urban drai-nage systems by means of VulNetUD", in: WaterScience and Technology, 60(10) (2009).

[8] ÖVGW W 88, Anleitung zur Einführung eines ein-fachen Wassersicherheitsplanes, ÖsterreichischeVereinigung für das Gas- und Wasserfach, Wien2008.

[9] Rauch, W., "Anwendung des HACCP Konzeptszum Schutz eines Trinkwasserbrunnens", in: GWF– Wasser Abwasser, 7/8(2009).

[10] Reid, R.L., "Guiding Critical Infrastructure", in: Ci-vil Engineering, 79(2) (2009).

[11] UN DHA. Internationally Agreed Glossary of BasicTerms Related to Disaster Management, SeriesTile, UN DHA (United Nations Department of Hu-manitarian Affairs), Geneva 1992.

[12] Varnes, D.J., Landslide hazard zonation: a reviewof principles and practice, in: Unesco, Paris 1984.

Autoren:Dr. techn. Michael Möderl, Univ.-Prof. Dr. techn. Wolfgang Rauch (Uni-versität Innsbruck), Johannes Lammel (alpS GmbH), Ing. Marcus Apperl (Innsbrucker Kommunal -betriebe AG)

Kontakt:Dr. techn. Michael MöderlUniversität InnsbruckInstitut für InfrastrukturTechnikerstr. 136020 InnsbruckÖsterreichTel.: +43 512 507-6921Fax: +43 512 507-2911E-Mail: [email protected]: www.uibk.ac.at/umwelttechnik n

Abb. 1: links: Beispiel für Gefahrenkarte (alle Gefahren); rechts: Beispiel für Vulnerabilitätskarte (Thema Haltungseinsturz)

Quelle: Inst. f. Infrastruktur, Universität Innsbruck

GefährdungPunktLiniePolygon

VulnerabilitätAuslassBeckenSchachtWehrPumpeHaltung

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D ie heutzutage in Deutschland hervor-ragende Trinkwasserqualität ist das

Ergebnis eines bewährten Multi-Barrieren-Systems [1]. Es umfasst alle Aspekte, umeine nachhaltige, sichere und effiziente Was-serversorgung von den Wasserressourcenbis zum Zapfhahn des Kunden zu garan-tieren. Mehr als 300 technische Regeln ent-lang der gesamten Wertschöpfungskettein der Wasserversorgung, von den Wasser-ressourcen über die Wassergewinnung, vonder Wasseraufbereitung, Speicherung undVerteilung bis zur Trinkwasserinstallation inden Gebäuden, definieren heute den hohendeutschen Standard in der öffentlichenWasserversorgung. Diese Regeln legen dieallgemeinen Anforderungen an den erfor-derlichen Wasserdruck, an die Menge unddie Versorgungssicherheit fest, währendgleichzeitig Risiken der Wasserqualität mi-nimiert werden. Die Grundprinzipien allerDVGW-Regeln sind Vorsorge, Sicherheitund Zuverlässigkeit. Sie werden heute vonmehr als 200 spezialisierten Gremien erar-beitet. Diese Gremien [2] bestehen aus Ex-perten mit langjährigen praktischen Erfah-rungen, aus Vertretern von Behörden und

aus Repräsentanten der jeweiligen Industrie,ergänzt um das wissenschaftliche Know-how von Instituten und Universitäten. Imletzten Jahrzehnt wurde das TechnischeRegelwerk um die Bereiche Organisationund Management ergänzt, um u. a. auchinternationale Anforderungen zu erfüllen.So ist z. B. das Technische Sicherheitsma-nagement (TSM) des DVGW [3] u. a. diedeutsche Antwort auf die Auflagen und An-forderungen des HACCP (Hazard Analysisand Critical Control Points).

Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltungvon Wasserversorgungssystemen sind diefundamentalen Bestandteile eines Wissens-kreislaufs, die einen ganzheitlichen Ansatzbeim Strategischen Asset Management bil-den. Das Einbringen von Erfahrungswertenaus Betrieb und Instandhaltung, besondersaber das Lernen aus Fehlern oder Fehlent-wicklungen sind die Grundlage für eine er-folgreiche Umsetzung des Management-Regelkreislaufs „plan, do, check, act“. ImFolgenden wird der Bereich der Wasserver-teilung aus dem Blickwinkel des Strategi-schen Asset Managements weiter unter-

sucht, unter besonderer Berücksichtigungder Aspekte von Sicherheit, Qualität, Kun-denservice, Nachhaltigkeit und Effizienz.

PlanungDie grundlegenden Planungsziele derWasserversorgung berücksichtigen im Be-sonderen eine geplante Betriebsdauer von100 Jahren und mehr. Im Vergleich zu an-deren Versorgungssparten oder anderenIndustriebereichen ist diese Vorgabe ein-zigartig und stellt den Planer vor eine he-rausfordernde Aufgabe. Der Lebenszyklusund die Lebenszykluskosten, also dieNachhaltigkeit der Anlage, werden von ei-ner verlässlichen Planung bestimmt, die al-le zugehörigen Aspekte der Versorgungberücksichtigt, wie erforderlicher Versor-gungsdruck, ausreichende Menge, hoheVersorgungssicherheit mit minimalen Ver-sorgungsunterbrechungen sowie diehöchste Wasserqualität von den Wasser-ressourcen bis zum Zapfhahn. Bei der Pla-nung eines Projekts sind deshalb dieselangfristigen Ziele mit einer Lebenszyklus-betrachtung in jedem Fall einem kurzfristi-gen ökonomischen Erfolg vorzuziehen.

Quelle: M

iredi –Fotolia.com

Der deutsche ganzheitliche Ansatz beim Strategischen Asset Management basiert auf

den technischen Regeln, Hinweisen und Empfehlungen des DVGW.

Strategisches

Asset Management

in der deutschen

Wasser versorgung

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BauAlle notwendigen Bauteile eines Wasserver-sorgungssystems, wie Rohre, Armaturen,Hydranten und Fittings, benötigen eine Zer-tifizierung und eine Überprüfung von Festig-keit, Funktion und Hygiene. Wasservertei-lungssysteme werden von Mitarbeitern vonWasserversorgungsunternehmen gebautoder als Dienstleistung von Rohrleitungs-bauunternehmen erstellt. In beiden Fällenwerden Rohrleger und Ingenieure anhandvon speziellen Schulungsprogrammen per-manent fortgebildet, um so einen hohenStandard beim Bau von Wasserversor-gungssystemen zu garantieren. Rohrlei-tungsbauunternehmen benötigen ein spe-zielles Zertifikat (GW 301) [4], in dem ihrQualitätsmanagementsystem, ihr theoreti-sches und praktisches Wissen im Bereichder Rohrverlegung und ggf. der Schweiß-technik auf der Grundlage des geltendenRegelwerkes überprüft und festgestellt wer-den. Ergänzend hierzu wird die erforderlicheMaschinen- und Geräteausstattung vorge-geben und überprüft.

Verpflichtende Druckprüfungen und bakte-riologische Untersuchungen und Freigabenbestimmen nach dem Bau einer Wasserlei-tung, ob diese dann sicher, im Sinne vonFestigkeit und Hygiene, in Betrieb genom-

men werden kann. Sie bilden zwei wesent-liche Merkmale eines Qualitätssicherungs-systems im Trinkwasserleitungsbau inDeutschland.

Betrieb und InstandhaltungDiese Aufgaben werden in Deutschland vonqualifizierten und regelmäßig geschultenMitarbeitern ausgeführt. Während der In-spektion untersuchen sie den Ort und dieZugänglichkeit der Verteilungssysteme so-wie die Betriebssicherheit und die Wasser-qualität. Die Reduzierung von Wasserver-lusten ist eine grundlegende Versorgungs-aufgabe und wird erreicht durch die Bilan-zierung von Ein- und Ausspeisemengensowie durch Leckortung, die von geschul-ten und erfahrenen Spezialisten durchge-führt wird. Die Beobachtung und Analysevon Rohrbrüchen an Transportleitungen,Versorgungsleitungen und Hausanschluss-leitungen mit ihren speziellen Netzcharakte-ristiken und deren Umgebungsdaten lieferndie Grundlage für Rehabilitationsprogram-me, mit deren Vorgaben die Wasservertei-lungsanlagen für die nächsten Jahrzehntenachhaltig erneuert werden sollen, sodassderen Bestand für die Zukunft gesichert ist.

Strategisches Asset ManagementDer vom DVGW initiierte ganzheitliche An-

satz zum Strategischen Asset Managementrepräsentiert heute einen für die deutscheWasserversorgung maßgeschneidertenStandard. Im DVGW-Regelwerk werdenMaßnahmen und Hinweise beschrieben,wie die sich zum Teil widersprechenden Zie-le von Versorgungssicherheit, Qualität, Kun-denservice, Nachhaltigkeit und Effizienz er-reicht werden können. Im Vergleich zu an-deren Asset Managementsystemen, wie z.B. der PAS 55 aus Großbritannien, berück-sichtigt das deutsche Regelwerk im beson-deren Maße die Belange und Erfordernisseder öffentlichen Trinkwasserversorgung undbeschränkt sich nicht auf allgemeine Hin-weise zum Management von Infrastruktur-objekten der öffentlichen Daseinsvorsorge.Das DVGW-Regelwerk gibt Hinweise undHandlungsempfehlungen zu den folgendenFragen: Wie sehen die Rohrnetzsituationund die Qualität der Anlagen (Assets) heuteaus? Welchen Zustand sollen sie in dennächsten Jahrzehnten haben und welchetechnischen, personellen und finanziellenRessourcen sind hierfür erforderlich? DieFormulierung des Strategischen Asset Ma-nagements ist also eine Kombination ausreaktiven Maßnahmen (Beschreibung desIst-Zustandes auf Grund ausreichenderRohrnetzdaten und eigener Statistiken) unddaraus abgeleiteten Maßnahmen zur Errei-

WirtschaftWirtschaftPolitikPolitik GesellschaftGesellschaft ÖkologieÖkologie TechnikTechnik RechtsrahmenRechtsrahmen

RegulierungRegulierung KlimawandelKlimawandel

SicherheitSicherheit QualitätQualität Kunden-service

Kunden-service NachhaltigkeitNachhaltigkeit EffizienzEffizienz

TREIBERTREIBER

ZIELEZIELE

MASSNAHMENMASSNAHMEN DVGW Technisches SicherheitsmanagementDVGW Technisches Sicherheitsmanagement

DVGW RisikomanagementDVGW Risikomanagement

DVGW BenchmarkingDVGW Benchmarking

DVGW Planung von WasserverteilungssystemenDVGW Planung von Wasserverteilungssystemen

DVGW Bau von WasserverteilungssystemenDVGW Bau von Wasserverteilungssystemen

DVGW Zertifizierung von Rohrleitungsbauunternehmen DVGW Zertifizierung von Rohrleitungsbauunternehmen

DVGW Betrieb und Instandhaltung von WasserverteilungssystemenDVGW Betrieb und Instandhaltung von Wasserverteilungssystemen

DVGW WasserverlusteDVGW Wasserverluste

Forschung &Entwicklung

Forschung &Entwicklung

InternationaleNormung

InternationaleNormung

� Abb. 1: Treiber, Ziele und Maßnahmen des deutschen strategischen Asset Managements

Quelle: M

. Hochbein

LESAM Spezial 2011 25

chung des Soll-Zustandes (z. B. kalkulierteund tolerierbare Schadensraten, Darstel-lung der Versorgungssicherheit und erwar-tete Wasserverluste), der die zukünftigenunternehmensinternen und allgemeinenwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zieleumfasst. Die Umsetzung des StrategischenAsset Managements erfordert ein ständigesBeobachten der maßgeblichen Entwicklun-gen im Sinne von „man kann nur das mana-gen, was man auch messen kann“. Techni-sche und finanzielle Kennzahlenentwicklun-gen sind daher über verschiedene Zeitab-schnitte zu vergleichen und zu bewerten.Etwaigen Abweichungen vom geplantenZielpfad ist mit geeigneten Maßnahmen ent-gegenzusteuern. Der demografische Wan-del in Deutschland mit seinen zum Teil gro-ßen Auswirkungen auf die Besiedlungs-struktur, der immer noch anhaltende Stadt-umbau Ost sowie die zukünftigenHerausforderungen des Klimawandels fürdas jeweils örtliche Wasserdargebot sindAufgaben, die bei der Formulierung desStrategischen Asset Managements zukünf-tig im besonderen Maße berücksichtigt wer-den müssen.

FazitDas DVGW-Regelwerk mit seinen nationa-len Experten und der internationalen Anbin-dung an IWA, CEN und ISO bietet den deut-schen Wasserversorgern eine gute und pra-xisbezogene Plattform, um auch künftigenVeränderungen immer aktuell und fachge-recht zu begegnen. Internationale Verglei-che [5] zeigen, dass Deutschland mit sei-nem ganzheitlichen Ansatz bei der Einhal-tung der Trinkwasserqualität, der Minimie-rung von Wasserverlusten und derständigen Erneuerung des Leitungsnetzes

zur Reduzierung von Rohrschäden Spitzen-plätze einnimmt. Dies ist umso bedeutsa-mer, da dies mit einer hohen Kundenzufrie-denheit und einem gleichzeitig kostende-ckenden Wasserpreis einhergeht. Dasdeutsche Regelwerk akzeptiert keine wirt-schaftlichen Wasserverluste und bezeichnethohe Wasserverluste von 40 Prozent nichtals geschönte Umkehrung mit einer „Leis-tungsfähigkeit des Rohrnetzes von 60 Pro-zent“. Ebenso wie bei den betrieblichenRohrschadenszahlen fordert das Regel-werk aus hygienischen und Nachhaltig-keitsgründen eine Minimierungsstrategie.Dieser Nachhaltigkeitsaspekt, der sich in ei-nem langfristigen Rehabilitationsprogrammwiderspiegeln muss, ist auf jeden Fall unab-hängig von der jeweiligen Unternehmens-form der öffentlichen Wasserversorgung zusehen. Öffentlich-rechtliche und privat-rechtliche Unternehmen haben die gemein-same Aufgabe, die nachhaltige Erhaltungdes kompletten Anlagevermögens zu ga-rantieren. Bei der Gestaltung der Laufzeitenvon Dienstleistungs- oder Wasserversor-gungsverträgen sollte der Aspekt der Sub-stanzerhaltung ein wesentlicher Bestandteilsein, da nur so über die Vertragslaufzeit hi-naus ein volkswirtschaftlich angemessenesVerhalten des Dienstleisters gewahrt ist. Ei-ne langfristige und nachhaltige Rohrnetz-strategie ist immer einer kurzfristigen undggf. nur auf Quartalsergebnisse zielendenBetriebsführung vorzuziehen.

Abbildung 1 zeigt, wie das Regelwerk mitseinen verschieden Maßnahmen nicht nurdie technische Normung abdeckt. Betrieb-liche Organisation, angewandtes Risikoma-nagement und Kennzahlenvergleiche derUnternehmen sind mittlerweile feste Be-

„Wasser und Energie: Effizienz ist mehr als Stromsparen“

Energiesparende Technik ist grundsätzlich verfügbar – woran scheitert der Einsatz in der Praxis? Erfahrene Praktiker berichten über ihre Erfahrungen, stellen neue Werkzeuge vor und zeigen Einsparpotenziale.

5. Juli 2011 in Mülheim an der Ruhr mit begleitender Fachausstellung

Ort: RWW Aquatorium / Informationen unter www.iww-online.deAnmeldung: IWW Rheinisch-Westfälisches Institut für Wasserforschung gemeinnützige GmbH Susanne Bonorden: [email protected] oder Hannelore Servatius: [email protected]

standteile des betrieblichen Alltags inDeutschland geworden und sorgen so füreine aktuelle Umsetzung der breitgefächer-ten Anforderungen von Regulierungsan-sprüchen bis hin zur Adaptierung europäi-scher und internationaler Normung. Derganzheitliche Ansatz mit der Regelsetzungdes DVGW, wie er in der jüngsten Vergan-genheit erarbeitet und praktisch umgesetztworden ist, eröffnet einen guten und zuver-lässigen Weg, im Sinne von Ökonomie undÖkologie auch in den nächsten Jahrzehntennachhaltig Wasserversorgung in Deutsch-land und einer möglicherweise immer grö-ßer werdenden Europäischen Gemein-schaft zu betreiben.

Literatur:

[1] Dr. Claudia Castell-Exner: Das Multi-Barrieren-System – Basis für eine sichere und nachhaltigeTrinkwasserversorgung, DVGW energie | wasser -praxis 10/2001

[2] DVGW Geschäftsordnung GW 100, Juni 2009,Tätigkeit der DVGW-Fachgremien und Ausarbei-tung des DVGW-Regelwerkes

[3] Schlicht, H: WHO Trinkwasserleitlinie: Water SafetyPlan – Neuer Ansatz oder gängige Praxis, gwf,13/2005

[4] DVGW GW 301, Zertifizierung von Rohrleitungs-bauunternehmen

[5] ATT, BDEW, DBVW, DVGW, DWA, VKU: Bran-chenbild der deutschen Wasserwirtschaft 2011

Autor:Dipl.-Ing./MBA Manfred HochbeinGelsenwasser AGAscheberger Str. 2859348 Lüdinghausen Tel.: 02591 24-200Fax: 02591 24-204E-Mail:[email protected]: www.gelsenwasser.de n

IWW-Innovationstag � �

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5. Juli 2011 in Mülheim an der Ruhr mit begleitender Fachausstellung

„Wasser und Energie: Effizienz ist mehr als Stromsparen“

Energiesparende Technik ist grundsätzlich verfügbar – woran scheitert der Einsatz in der Praxis? Erfahrene Praktiker berichten über ihre Erfahrungen, stellen neue Werkzeuge vor und zeigen Einsparpotenziale. Der IWW-Innovationstag, organisiert vom IWW-Förderverein, bringt Techniker, Kaufleute und Wissen-schaftler zusammen, um über Hindernisse auf dem Weg zu einer höheren Energieeffizienz nachzudenken. Die zahlreichen Praxisbeispiele zeigen Lösungen auf und regen zu eigenen Aktivitäten an. Für Mitglieder des Fördervereins: Jährliche Mitgliederversammung mit Beratung der kommenden Schwerpunkte des Fördervereins

9:00– 10:00 Mitgliederversammlung IWW-Förderverein MITGLIEDER DES FÖRDERVEREINS

Programm

09:30 Anmeldung, Begrüßungskaffee

10:00 Begrüßung und Moderation DR.-ING. WOLF MERKEL (IWW)

10:15 Energieeffizienz in der Wasserwirtschaft

• Energieautarke Wasser- und Abwasserbetriebe: die Vision HamburgWasser

DR. KIM AUGUSTIN (HAMBURGWASSER)

• Inhaltliche Einführung: Potenziale und Grenzen, Richtlinien und Regelwerke zur Energieeffizienz

ANNEGRET-CL. AGRICOLA (DEUTSCHE ENERGIEAGENTUR)

11:00 Werkzeuge und Konzepte zur Energieeffizienz

• VDMA-Regelwerk Pumpenaudit: Optimierung der Lebenszykluskosten

PETER KÖLLING (GRUNDFOS GMBH)

• Carbon Footprint – ein universelles Werkzeug zur Bewertung und Auslegung von Wasser- und Ab-wassersystemen

DR.-ING. FRIEDRICH-WILHELM BOLLE (FIW)

11:45 Kaffeepause

12:15 Praxisbeispiele zur Energieoptimierung (1)

• Planungsbeispiele zur energieeffizienten Wasser-versorgung

DR. FRANK URBAN (H2U)

• Klima und Wasser auf der Messe Düsseldorf: Ener-giesparen, nicht auf Kosten der Betriebssicherheit

DR. UTE RUHRBERG (IWW)

• Steigerung der Energieeffizienz durch Betriebsopti-mierung bestehender wasserwirtschaftlicher Infra-struktur

RONALD ROEPKE (RWW)

13:00 Mittagessen, Meinungsforum, Fachausstellung

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IWW-INNOVATIONSTAG

2011

LESAM Spezial 201126

| LESAM 2011

Ein Ziel von Lebenszykluskostenbetrachtungen ist es, wirt-schaftlich nachhaltige Erneuerungszeiträume für Einzelobjekte

zu ermitteln. Ferner kann anhand der aggregierten Kostenberech-nungen mehrerer Objekte vorausschauend das laufende Instand-haltungsbudget (Wartung, Betrieb und Reparatur sowie Rehabili-tation) berechnet werden.

Um die Kosten zu berechnen, die an einzelnen Leitungsabschnit-ten von Trinkwasserversorgungsnetzen im Lebenszyklus anfallen,wurde Gleichung (1) in Anlehnung an Kleiner, Nafi and Rajani,2009 abgeleitet.

Die Kosten der mit der Zeit (t) alternden Leitung (i), die dabei be-rücksichtigt werden, errechnen sich vor allem durch die Anzahlder Schäden (Si), die im Zeitraum j = 1 bis t auftreten. Bei denSchadenskosten wird dabei zwischen den Baukosten, unterteilt in

Rohrreparatur- (KREP) und Straßeninstandsetzungskosten (KSI),den Fremdkosten (KEXT) und den Kosten infolge Wasserverlustund Leckortung (KWV) differenziert. Die einzelnen Kostenfaktorenvariieren in Abhängigkeit von externen und internen Rahmenbe-dingungen, die auf die unterschiedlichen Leitungsabschnitte zu-treffen, und sollten aus Kostendaten der Vergangenheit abgeleitetwerden.

Die Reparaturkosten sind dabei maßgeblich von den Scha-densarten (Längsriss, Rundriss, Scherbenbruch, Loch etc.) ab-hängig, da aus diesen unterschiedliche Schadenslängen undReparaturverfahren resultieren. Anhand der Daten von dreiösterreichischen Wasserversorgern wurden rohrtypspezifischeReparaturarten und -längen abgeleitet. Bei längsrissgefährde-ten Werkstoffen in Straßen mit erhöhten Instandsetzungskosteninfolge Aufbau und Belag ergaben sich die höchsten spezifi-schen Baukosten. Im Wesentlichen dominieren die Straßenin-standsetzungskosten und, in Abhängigkeit vom Straßenaufbauund insbesondere vom Straßenbelag, die Schadenskosten(Abb. 1).

Trinkwasserleitungen haben lange Lebensdauern, während

derer sie betrieben und erhalten werden

müssen. Daher sollten Erneuerungsent-

scheidungen letztlich auf Kalkulationen

basieren, die den gesamten Lebens -

zyklus der Rohre einbeziehen. Eine der

Herausforderungen dieser Kalkulationen

stellt die Vorhersage zukünftiger Schäden

und der dadurch entstehenden Kosten

dar. Eine Möglichkeit, die Schadens -

wahrscheinlichkeit einzelner Leitungs -

abschnitte zu berechnen, wird in diesem

Beitrag beschrieben. Des Weiteren wird

eine Funktion zur Berechnung der Le-

benszykluskosten von Trinkwasserleitun-

gen unter Einbeziehung von Rohrerneuerungskosten, Rohrschadens kosten,

Wasserverlustkosten sowie Kosten für Wartung und Inspektion vorgestellt.

Lebenszykluskosten von Trinkwasser -

versorgungsleitungen

(1)

Quelle: Martina Berg – Fotolia.c

om

LESAM Spezial 2011 27

keit von der Entscheidungsfindungsme-thodik für Rehabilitationsplanungen unter-schiedliche Prognosemodelle zur Anwen-dung (Rostum, 2000; Park und Longanat-han, 2002; Kleiner, Nafi und Rajani, 2009,unter vielen). Im Projekt IRM „InfrastructureRehabilitation Management“, ein Projektdes Knet „Waterpool“, gefördert durch dasösterreichische Wirtschaftsministeriumund drei österreichische Wasserversorger,wurde ein Proportional Hazard Modell(PHM) an die Fragestellung „Prognose vonRohrschäden im Lebenszyklus von Lei-

Die Untersuchungen zu Fremdkosten in-folge Wasseraustritts sind noch nicht ab-geschlossen. Dazu wird derzeit die Mög-lichkeit untersucht, die Gefährdung durchWasseraustritt auf Basis hydraulischer Mo-delle in Abhängigkeit von Schadensbildernabzuschätzen. Zur Quantifizierung derWasserverluste in Abhängigkeit von Scha-densarten werden derzeit noch Schätzun-gen aus Lambert, 2009 herangezogen.

Abbildung 2 zeigt exemplarisch die Zu-ordnung der Schadenskosten auf einzelneRohrabschnitte mittels Geoinformations-system (GIS) am Beispiel des Trinkwasser-versorgungsnetzes der Stadt Wien. Dieunterschiedlich schraffierten Flächen stel-len verschiedene Belagstypen dar, welchezu weiteren Zuschlägen im Bereich derStraßeninstandsetzung führen. Des Weite-ren wurden in der Stadt Wien Zuschlägefür geforderte Nachtarbeiten bei Rohren imNahbereich von Straßenbahnschienen an-gesetzt.

Aus Expertenbefragungen bei mehrerenWasserversorgungsunternehmen konnteabgeleitet werden, dass spezifische Netz-inspektions- und Wartungskosten mit demAlter der Leitungen zunehmen. Dies ist eineFolge des erhöhten Wartungsaufwandesfür die ebenfalls alternden Armaturen so-wie die Verdichtung von Netzinspektions-kampagnen. Der Kostenanteil KW&I erhöhtsich in Abhängigkeit eines mit dem Was-serversorger abgestimmten Parameters ai.Auf alternden Rohren muss darüber hinausmit einer Zunahme der Hintergrundverlusteim Bereich von Verbindungen und An-schlüssen gerechnet werden (KHWV). Dieserwird ebenfalls in Anlehnung an Lambert,2009 herangezogen und mit einer jährli-chen Steigerung (bi) in Abstimmung mitdem Versorger versehen.

Im Lebenszyklus der Leitung sind fernerKosten für die Rehabilitation einzubeziehen.Die Kostenansätze für Rehabilitationenwurden ebenfalls anhand der Kostendatenvon drei österreichischen Wasserversor-gern aufgeschlüsselt. Als Differenzierungs-merkmale wurden dabei Nennweite undStraßenaufbau definiert. Die Summe derKosten der alternden Leitung und der Er-neuerung wird fortlaufend mit der Zeit, dis-kontiert auf einen Bezugszeitpunkt, be-rechnet. Als Bezugszeitpunkt wird dabeidas Betrachtungsjahr, ab dem hochge-rechnet wird, herangezogen. Index z1 be-rücksichtigt hierfür den Barwertzinssatz ab-züglich Baupreisindex, und z2 berücksich-tigt Barwertzinssatz abzüglich Verbraucher-preisindex. Je nachdem, ob zukünftige

Kostenentwicklungen vom Baupreis odervom Verbraucherpreisindex beeinflusstwerden, wird z1 bzw. z2 in die Kalkulationeinbezogen. Der wirtschaftlich optimale Er-neuerungszeitpunkt (topt) ergibt sich, wennKtot, die Summe aus den Kosten der Reha-bilitation und den kumulierten Kosten deralternden Leitung, ein Minimum wird.

Schadensprognosen von Versor-gungsleitungenFür die Schadensprognose von Trinkwas-serleitungen kommen meist in Abhängig-

Abb. 1: Schadenskosten in Abhängigkeit von Reparaturart und Straßenaufbau(Datenbasis dreier österreichischer Wasserversorger)

Quelle: T

U Graz, Institut für Siedlungswasserwirtschaft

Reparaturkosten Rohrschaden inkl. Straßeninstandsetzung

Abb. 2: GIS-gestützte Schadenskostenzuordnung (Punktgröße = Kostenhöhe) zu Leitungsabschnitten in Abhängigkeit vom Straßenbelag (schraffierte Flächen) und derLage in der Straße

Quelle: F

uchs-Hanusch und

Kasess, 201

0

Schelle 50 bis 100Schelle 125 bis 250Teilerneuerung 50 bis 100Teilerneuerung 125 bis 150Teilerneuerung 175 bis 250

Bundesstraße

Landesstraße

Nebenstraße(Asphalt)

Güterweg

Schotterstraße

Wiese

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tungsabschnitten” angepasst. PHM er-möglichen es, über Regressionsanalysen,ähnlich wie in der multiplen Regressions-analyse, eine unbestimmte Anzahl vonEinflussparametern auf Signifikanz zu tes-ten und in einem Modell gemeinsam zuberücksichtigen. Zu den Einflussparame-tern auf die Schadenswahrscheinlichkeitvon Rohrleitungen zählen dabei zeitunab-hängige Variablen, wie Nennweite, Boden-art, Verlegejahr oder Material, sowie zeit-abhängige Faktoren wie Temperatur oderVerkehrsbelastung. Meist begrenzt dieDatenlage die Einbeziehung einer mög-

lichst großen Anzahl von Einflussparame-tern in die Prognosemodelle.

Anhand der Schadens- und Bestandsda-ten der im Projekt beteiligten Wasserrohr-netze konnten von den genannten Fakto-ren das Verlegejahr, das Material, dieNennweite und die Bodenart in die statisti-schen Untersuchungen einbezogen wer-den. Die Datengrundlage reichte dabei je-doch teilweise bis in die 1970er-Jahre zu-rück. Als substituierende Größe für die Vielfalt an unbekannten schadensbeein-flussenden Faktoren wurde daher die An-

zahl der vorangegangenen (aufgezeichne-ten) Schäden in die Untersuchungen ein-bezogen (siehe auch Rostum, 2000; Parkund Longanathan, 2002). Der Einfluss derAnzahl der Vorschäden (AVS) zeigte in dermultiplen Regressionsanalyse mittels vor-wärts schrittweiser Prüfung der Chi-Qua-drat-Quotienten der Einflussvariablen diegrößte Signifikanz.

Aus Abbildung 3 ist erkennbar, wie dieZeitabstände zwischen den Schäden mitder Anzahl der Schäden abnehmen. Au-ßerdem konnten Verlegejahr, Material,Nennweite und Länge der Leitung als sig-nifikante Einflussvariablen ermittelt werden.Die Bodenarten im Bereich der aufgetrete-nen Schäden waren lediglich für einen Ver-sorger bekannt und konnten nicht als sig-nifikant nachgewiesen werden. Dies ist vorallem auf die Tatsache zurückzuführen,dass in Bereichen mit korrosiven Bödenkaum korrosionsgefährdete Materialtypeneingesetzt wurden. Gleichung (2) be-schreibt somit die Schadensrate (HazardRate) h(t) mittels PHM mit den abschlie-ßend berücksichtigten EinflussgrößenDurchmesser (dia), Leitungslänge (len),Verlegejahr (VJ) und der AVS.

h(t,x) = h0 (t) · exp (xdia `βdia + xlen `βlen + xVJ`βVJ + xAVS `βAVS (2)

Eine Vorkategorisierung nach Material wur-de gewählt, da der Einfluss der Nennweiteauf die Schadenswahrscheinlichkeit beieinzelnen Materialtypen (z. B. PVC) mitsteigender Nennweite zunimmt (positivesβ), bei anderen Materialtypen (GG, GGG,AZ) mit steigender Nennweite jedoch ab-

Abb. 3: Zeitspannen zwischen Schäden, sortiert nach Schadensanzahl

Quelle: T

U Graz, Institut für Siedlungswasserwirtschaft

Abb. 4: Geschätzte Überlebensfunktion für Grauguss-Leitungen, VJ 1959, Länge 150 m, Nennweiten 100 mm sowie mit einemVorschaden bzw. mit zwei Vorschäden (Villach)

Quelle: T

U Graz, Institut für Siedlun

gswasserwirtschaft

Anzahl Schäden

Überleben bis zum Schaden

1 2 3 4 5 6 7 8

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40

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0

Überleben

GG mit 1 Vorschaden Villach GG mit 2 Vorschäden Villach

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0,2

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0 20 40 60 80 0 20 40 60 80

Zeitspanne

S(t)

S(t)

Zeitspanne

LESAM Spezial 2011 29

nimmt (negatives β). Dies war sowohl ausden statistischen Tests als auch aus demExpertenwissen der beteiligten Wasserver-sorger ableitbar. Die Schadensrate h(t,x)jeder Leitung im betrachteten System kannsomit bei Kenntnis des Materials, desDurchmessers, der Leitungslänge, desVerlegejahres und der Anzahl bereits vo-rangegangener Schäden gemäß Glei-chung (2) berechnet werden. Wobei dieParameter ßi für das jeweils betrachteteNetz und die einzelnen Rohrmaterialien ge-sondert geschätzt werden.

Nachdem die Modellparameter geschätztwurden, kann basierend auf der Scha-densrate h(t,x) für jeden Leitungsabschnittdie Überlebensfunktion S(t,x) bis zumnächsten Schaden gemäß Gleichung (3)berechnet werden.

S (t,x) = exp (-H0 (t,x)) (3)

wobei

H0 (t,x) = cum (h0 (t,x)) (4)

Die Überlebensfunktion S (t) kann heran-gezogen werden, um die Zeitspannen

zwischen zwei aufeinander folgendenSchäden – sowie die Zeitspannen vomEinbaujahr bis zum Erstschaden – abzu-schätzen. Um die Überlebenszeiten zwi-schen Schäden für die Nutzung in der Le-benszykluskostenfunktion abzuschätzen,wird das 50-Prozent-Quantil der Überle-bensfunktionen herangezogen. Zusätz-lich wird ein 95-Prozent-Konfidenzinter-vall angegeben. Abbildung 4 zeigt diegeschätzten Überlebensfunktionen biszum nächsten Schaden für eine Grau-gussleitung aus dem Verlegejahr 1959mit einer Nennweite von 100 Zentimeterund einer Länge von 150 Meter bei einemund einer weiteren Graugussleitung mitgleichen Eigenschaften, jedoch mit zweiVorschäden am Beispiel des RohrnetzesVillach. Die vertikalen gestrichelten Linienzeigen die 50-Prozent-Quantilen derÜberlebenszeiten. Der dritte Schadenwird demnach mit 50 Prozent Wahr-scheinlichkeit zehn Jahre nach dem zwei-ten erwartet.

Um die Modellgenauigkeit zu validieren,wird die Anzahl der jährlichen Schäden imbetrachteten Netz prognostiziert und denbereits beobachteten Schäden gegen-

übergestellt. Abbildung 5 zeigt die Validie-rung des Modells für ein Teilgebiet derStadt Wien mit 700 Kilometern Länge.

Zusammenfassung und AusblickAnhand des beschriebenen Schadens-prognosemodells können als Grundlagefür die Lebenszykluskostenberechnungzukünftige Schäden abschnittbezogenprognostiziert werden und die dabei ent-stehenden Kosten bei bekannter Umge-bungssituation der Leitung (Abb. 2) be-rechnet werden. Sensitivitätsbetrachtun-gen haben gezeigt, dass neben denSchadenskosten vorwiegend die Erneue-rungskosten die Lebenszyklen maßgeb-lich beeinflussen (Abb. 6).

Insbesondere der Koordination von Bau-maßnahmen mit anderen Infrastruktur -sparten kommt dabei besondere Bedeu-tung zu. Es sollte jedoch im Einzelfall un-tersucht werden, ob die Leitung durch diekoordinierte vorgezogene Maßnahme tat-sächlich ihren optimalen Lebenszyklus er-reicht bzw. ob sie durch die geplante Bau-stelle gefährdet ist. Um die Einhaltunglangfristiger technischer und wirtschaftli-cher Ziele zu gewährleisten, sollten

Quelle: G

ina Sande

rs –Fo

tolia.com

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| LESAM 2011

vorgezogene Rehabilitationen infolge ko-ordinierter Baustellen keinesfalls zur Ver-nachlässigung von Leitungen mit hoherPriorität führen.

Neben der abschnittsbezogenen Kalkula-tion des wirtschaftlichen Rehabilitations-zeitpunktes wird dazu mit der vorgestelltenMethode die Möglichkeit geschaffen, jähr-

liche Schäden und ihre Veränderung in Ab-hängigkeit von Rehabilitationsentschei-dungen zu prognostizieren (Abb. 5 und 7).

Die Schadensrate des Gesamtsystems, alseine der wesentlichen technischen Zielgrö-ßen der strategischen Erneuerung, sowiedie jährlichen Instandhaltungskosten ge-mäß Lebenszykluskostenansatz könnendemnach in Abhängigkeit von strategi-schen Erneuerungsentscheidungen prog-nostiziert und einander gegenübergestelltwerden.

Offene Fragestellungen im Kontext mit Le-benszyklusbetrachtungen verblieben nachAbschluss des Projektes im Bereich derKosten und Mengen von leitungsspezifi-schen Wasserverlusten und ihrer Bedeutungim Lebenszykluskostenansatz. Weiterhinwird an der Einbindung von zeitabhängigenVariablen, insbesondere der Temperatur indie Schadensprognose, weitergearbeitet.Dadurch wird erwartet, einen Beitrag zur Le-ckagefrüherkennung von Rohrbrüchen in-folge Verformungen des Untergrundes auf-grund von Bodenwasserhaushaltsschwan-kungen leisten zu können.

Literatur:

Fuchs-Hanusch D. und Kasess D.(2010): Risiko-und zustandsorientierte Rohrleitungsrehabilitation –Erfahrungen der Wiener Wasserwerke, Tagungs-band Kongress Fachmesse ÖVGW

Kleiner, Y. Nafi A. and Rajani.B. (2009) Planning re-newal of water mains while considering deteriorati-on, economies of scale and adjacent infrastucture.in Proceedings of 2nd Conference on Water Econo-mics, Statistics and Finance., 3-5 July 2009, 619-632.

Lambert, A.O. (2009): Ten years experience in usingthe UARL Formula to calculate Infrastructure leaka-ge Index, Proceedings of IWA Water Loss Confe-rence , Kapstadt South Africa, 189-196.

Park, S. and Longanathan G.V. (2002) Optimal pipereplacement analysis with a new pipe prediction mo-del, J. Korean Soc. Water and Wastewater, 16(6),710-716.

Rostum, J. (2000) Statistical Modelling of pipe failu-res in water networks, PhD thesis, Norwegian Uni-versity of Science and Technology, Trondheim, Nor-way.

Autoren:Dr. Daniela Fuchs-Hanusch, Dipl.-Ing. Birgit Kornberger, Dipl.-Ing. FranzFriedl, Dipl.-Ing. Doris Kasess

Kontakt:Dr. Daniela Fuchs-HanuschGraz University of TechnologyInstitute of Urban Water ManagementStremayrgasse 10/1A-8010 GrazÖsterreichTel.: +43 (0) 664 60873-8378Fax: +43 (0) 316 873-8376E-Mail: [email protected]: www.sww.tugraz.de n

Abb. 6: Beispiel Lebenszykluskostenberechnung eines Leitungsabschnittes

Quelle: T

U Graz, Institut für Siedlungswasserwirtschaft

0,20

0,15

0,10

0,05

0,20

0,15

0,10

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Erneuerungen vorwiegend aus Prioritätsklasse 1

Schadensjahr (a)

Sch

aden

srat

e (#

/100

km)

Abb. 7: Schadensratenprognose bei Rehabilitation gemäß Priorisierung infolge Lebenszykluskostenansatz

Quelle: P

iREM

Schadensprognose ohne Rehabilitation

Training“ Verifizierung“ Prognose“

Schadensprognose DZ 17

0,00

5,00

10,00

15,00

20,00

25,00

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013

Jahr (a)Rate_Prog Rate (bisher)

Sch

äden

je 1

00 k

mS

chad

ensr

ate

(#/1

00 k

m)

Abb. 5 : Modell Validierung Teilnetz Wien (250 km) und Prognose (VernachlässigungRehabilitation) Q

uelle: T

U Graz, Institut für Siedlungswasserwirtschaft

Lebenszykluskosten Beispiel

koordinierte Maßnahme 2010Geringere Gesamtkosten =>Vorgezogene Rehabilitation

GG DN 100, 1959, L = 150 m2 VorschädenOpt. Reha: um 2020

LESAM Spezial 2011 31

E ine effiziente Kanalnetzinstandhaltungerfordert ein vorausschauendes Netz-

management, um die Bandbreite des mög-lichen Handelns nicht von vornherein ein-zugrenzen und drohende schwere, kosten-intensive Defizite bereits im Vorfeld zuerkennen. Die Anwendung von Alterungs-

modellen zur Prognose des zukünftigen Zu-standes bzw. der Zustandsentwicklung vonKanalnetzelementen sowie die Verwendungder Prognosen für ein langfristiges Netzma-nagement sind bereits ausführlich in Fach-kreisen diskutiert und in der Literatur doku -mentiert. So prognostizieren zum Beispiel

die Alterungsmodelle auf Basis von Semi-Markov-Ketten die Zustandsverschlechte-rung eines Objektes durch die Bestimmungder Wahrscheinlichkeit des Wechsels desbetrachteten Objektes in die jeweils nächs-te, schlechtere Zustands klasse. Grundlagedazu ist das aus den vorhandenen Zu-

Entscheidungsmodellierung

in Sanierungsstrategieprognosen

Betrieb, Unterhalt und Sanierung von Abwasserentsorgungsnetzen werden gegenwärtig aus bau-

lich-technischer Sicht durch die Ergebnisse der Kanalinspektionen bestimmt. Mit der Einführung

der europäischen Norm EN 13508, welche von der DWA in nationales Regelwerk umgesetzt wurde,

existiert ein einheitliches und umfassendes System zur Zustandserfassung und -beschreibung. Die

bewerteten Ergebnisse solcher Inspektionen sind gut geeignet, um die Dringlichkeit der Behebung

festgestellter Defizite, wie etwa Undichtigkeiten oder Standsicherheitsprobleme infolge struktureller

Schäden, zu bestimmen und daraus resultierende Unterhalts- und Sanierungsmaßnahmen in

Prioritätslisten zu ordnen.

Quelle: zorndsign – photocase.de

standsbeschreibungen des Netzes statis-tisch abgeleitete Alterungsmodell.

Die Fortschreibung des Zustandes des Kanalnetzes zur Erfassung der zukünftigenEntwicklung des durch den Substanzwertrepräsentierten Anlagevermögens ist je-doch nur der erste Schritt einer voraus-schauenden Instandhaltung, da hier ledig-lich die Ergebnisse der Beibehaltung des„Status quo“ des jeweiligen Handelns be-trachtet werden. Für eine langfristig effi-ziente Instandhaltung ist es jedoch ange-raten, mögliche Änderungen im Instand-setzungsverhalten (wie Änderungen beiBudgethöhe und -einsatz oder Material-präferenzen) in vergleichende Strategie-prognosen einzubeziehen und damit vorabihren Einfluss auf die Netzalterung einerWirksamkeitskontrolle zu unterziehen. Daszentrale Problem hierbei ist die an -gemessene Umsetzung der jeweili -gen Entscheidungsprozesse innerhalb derStra te gieprognoseprozesse.

Netzalterung und Sanierungsent-scheidung in StrategieprognosenEin geeignetes mathematisches Modell zurBeschreibung der Alterungsprozesse von

Kanalnetzen stellt das eingangs erwähnteModell der Semi-Markov-Ketten dar. Beidiesem Modell sind unterschiedliche Zu-stände oder Klassen definiert, in welchensich die zu alternden Objekte befindenkönnen. Die Klassenzugehörigkeit wird da-bei zu Beginn der Prognose durch den je-weiligen Ausgangszustand, resultierendaus den Ergebnissen der Zustandsbewer-tung, festgelegt. Im weiteren Verlauf be-stimmen die im Alterungsmodell hinterleg-ten Übergangsfunktionen über die Verweil-dauer innerhalb einer Klasse bzw. dieWahrscheinlichkeit des Übergangs in dienächstfolgende Klasse.

Die Übergangsfunktionen werden netzin-dividuell über die Weibullverteilungen, einehäufig zur Untersuchung von Zuverlässig-keiten und Lebensdauerverteilungen ange-wandte statistische Verteilung, der aus denInspektionen resultierenden Zustandsklas-sen der jeweiligen Kanalobjektgruppe er-mittelt. Die Verteilungsfunktionen bzw. dieresultierenden Übergangsfunktionen wer-den dabei mittels der „Methode der kleins-ten Quadrate“, einem mathematischenStandardverfahren zur Ausgleichsrech-nung, kalibriert.

Mit der Verwendung des Modells der Semi-Markov-Ketten für die eigentlichePrognose werden die jeweiligen Zugehö-rigkeitswahrscheinlichkeiten zu den jewei-ligen Klassen objektindividuell ermittelt. Derso entstehende Vektor ändert seine Wertein der Fortschreibung des Alterungspro-zesses, sodass für jedes in der Prognosemathematisch gealterte Kanalobjekt für jedes Prognosejahr der wahrscheinliche Objektzustand, charakterisierbar durchSanie rungsdringlichkeit und Abnutzungs -vorrat, bekannt wird und somit die Ent-wicklung dieser beiden Kenngrößen nach -vollziehbar wird. Es sind damit also nichtnur der wahrscheinliche Zeitpunkt desAusfalls, sondern auch die wahrscheinli-chen Zeitpunkte des Erreichens bestimm-ter Vorstadien ermittelbar.

Durch die Kenntnis der individuellen Ent-wicklung der Kanalobjekte ist es möglich,die zu treffenden Sanierungsentscheidun-gen direkt in die Prognose zu integrierenund von einer reinen Alterungsprognose,also dem ungehinderten Verzehr des Anla-gevermögens durch die Zustandsver-schlechterung, zu einer Strategieprognosezu gelangen, welche das Sanierungshan-

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ZustandsklassenanteileStrategie_2

ZustandsklassenanteileStrategie_1

ZustandsklassenanteileStrategie_3

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� Abb. 1: Unterschiedliche Strategieergebnisse bei z. T. gleichem Budget

Quelle: S&P Consult GmbH

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deln und die resultierenden Auswirkungenabbildet (Abb. 1). Mit der Kenntnis und Ab-bildbarkeit der Zwischenwerte als Klassen-vektoren ist es zudem möglich, einzelneKanalobjekte nicht nur durch Ersatz zu sa-nieren, sondern auch unvollständige Sa-nierungen (welche nicht den Neuzustandwiederherstellen – wie Reparaturen) durch-zuführen. Auf diese Weise lässt sich dasSanierungshandeln aus der Praxis mathe-matisch modellieren.

Um das Entscheidungsverhalten weitest-gehend wirklichkeitsgetreu innerhalb vonStrategieprognosen mathematisch abzu-bilden, bieten sich Entscheidungsbäumean. Sie gestatten die transparente Darstel-lung bzw. Definition von hierarchischen,aufeinander folgenden Entscheidungenund eignen sich damit besonders für dieHerleitung formaler Regeln aus Erfah-rungswissen. Gerade im Bereich der Ka-nalsanierung basieren eine Vielzahl vonEntscheidungen auf empirischem, oftmalsnur lokal relevantem Wissen, welches sichmit Standardvorgaben nicht oder nur be-grenzt berücksichtigen lässt.

Mit der Einführung von Entscheidungsbäu-men in die Strategieprognose können allezu den jeweiligen Kanalobjekten hinterlegtenAttribute (z. B. Material, Nennweite, Tiefen-lage etc.) sowie alle den Netzbetreiber be-einflussenden Kennzahlen und Informatio-nen – ob extern (z. B. Koordinierung geplan-ter Maßnahmen mit anderen Baulastträgern)oder intern (z. B. Funktionsänderung vonNetzbereichen) – als Entscheidungskriterienverwendet werden. Der widerspruchsfreienDefinition der Entscheidungsbäume für diejeweilige Strategie kommt dadurch entschei-dende Bedeutung zu, um in den hierar-chischen Bäumen die Dominanz hierar-chisch nachrangiger Entscheidungskriterien

über vordringliche Kriterien zu vermeiden.So wäre es fatal, wenn eine geplante Maß-nahme wegen Budgeterschöpfung ver-schoben wird, obwohl sie durch eine im Ab-lauf fälschlicherweise später folgende Ent-scheidungsregel in einen anderen, nochnicht erschöpften Budgetbereich (Investition� Unterhalt) wechseln würde.

Die Strategieprognose zerfällt dadurch inzwei Teile, die eigentliche Prognose unddie Verarbeitung der Entscheidungskrite-rien, welche für den Prognosezeitraum je-weils für jeden diskreten Prognoseschritt(in der Regel ein Jahr) durchgeführt wer-den. Auf diese Weise greifen die mittelsdes Entscheidungsbaumes getroffenenEntscheidungen direkt in die weitere Prog-nose und die Prognoseergebnisse ein.

Innerhalb des Modells STATUS ist der Ent-scheidungsprozess weiter untergliedert.Nach der Alterung werden allen Kanalnetz -elementen zunächst eine individuelle Sa-nierungsdringlichkeit und wahrscheinlichesSanierungshauptverfahren (Reparatur, Re-novation oder Erneuerung), basierend aufdurch den Netzbetreiber individualisiertenEntscheidungskuben (Abb. 2), zugeord-net, welche die drei Anforderungen Dich-tigkeit, Standsicherheit und Betriebssicher-heit entsprechend der Netzbetreibervorga-be berücksichtigen.

In einem weiteren Schritt werden dieKanal netzelemente anhand der individuel-len Vorgaben des Netzbetreibers in eineRangliste gebracht. Neben der Dringlich-keit der Sanierung, welche in der Regel dasbestimmende Sortiermerkmal darstellt,sind alle auch in der Sanierungspraxis vor-kommenden Ranglistenkriterien denkbar,solange sie entsprechend mit Informatio-nen hinterlegt sind.

Der dritte und letzte Schritt, bevor die Alte-rung des nächsten Prognosejahres startet,ist die Abarbeitung des eigentlichen, netz -individuellen Entscheidungsbaumes. Die-ser beantwortet im Prozess der Strategie-prognose als Pendant zum Ingenieur diefür den Netzbetreiber bei der Sanierung re-levanten Fragen und übernimmt die ent-sprechende, im ersten Entscheidungs-schritt vordefinierte Sanierungsentschei-dung, ändert sie anhand der hinterlegtenEntscheidungskriterien (wie Verkehrsbe-lastung, Gebietszuordnung etc.) in eine an-dere oder setzt die Entscheidung aus.Letzteres passiert in der Regel, aber nichtnur, bei Erschöpfung des gerade gültigenBudgets, welches wie alle anderen Strate-gievorgaben sehr individuell definiert wer-den kann.

FazitDurch die Möglichkeit der höchst individu-ellen Definition von Strategievorgaben mitHilfe eines Entscheidungsbaumes lassensich für die langfristige Sanierungsplanungkonkrete Handlungsalternativen auf ihreAuswirkungen und Wirksamkeit untersu-chen, Zielvorgaben ansteuern und einhal-ten und auf diese Weise eine optimierte,für den Netzbetreiber und das Umfeld(Kunden, Gesetzgeber) passende Sanie-rungsstrategie finden.

Mit der Ergänzung von Alterungsmodellenum ein Werkzeug zur realitätsnahen Ent-scheidungsmodellierung kann mit Strate-gieprognosen zur Folgenabschätzung deszukünftigen Sanierungshandelns eine deut-lich erhöhte Planungssicherheit hergestelltwerden.

Autoren:Dr. Robert SteinS&P Consult GmbH BochumTechnologiequartierKonrad-Zuse-Str. 644801 BochumTel.: 0234 5167-110Fax: 0234 5167-109E-Mail: [email protected]: www.stein.de

Adrian UhlenbrochS&P Consult GmbH BochumAbteilung NetzmanagementTechnologiequartierKonrad-Zuse-Str. 644801 BochumTel.: 0234 5167-164Fax: 0234 5167-109E-Mail: [email protected]: www.stein.de n

� Abb. 2: Entscheidungskuben

Dichtheit Statik

Substanz voll

Substanz aufgebraucht

n Erneuerung n Renovierung n Reparaturn Unterhaltungn keine Maßnahme

Substanz aufgebraucht

Quelle: S&P

Consult GmbH

Der ganzheitliche Ansatz im

DVGW-Regelwerk zur Rehabilitation

von Wasserverteilungsanlagen

Gemäß DVGW-Regelwerk wird eine langfristig technisch und wirtschaftlich optimale Rehabilitation

von Wasserverteilungsanlagen gefordert, die ein hohes Niveau für Versorgungsqualität und Netz -

zustand bei einem niedrigen Gefährdungspotenzial und geringstmöglichen Gesamtkosten sicher-

stellt. Mit der eindeutigen und strukturierten Systematik einer risikoorientierten Netzbewertung

liefert das DVGW-Regelwerk einen universellen und ganzheitlichen Ansatz für die Rehabilitation

von Wasserverteilungsanlagen, der jeden Trinkwasserversorger in die Lage versetzt, zielführende,

nachhaltige Reha-Strategien und -Planungen zu erarbeiten. Dass sowohl die Anforderungen als

auch die Vorgehensweise praxisgerecht sind, wird im Folgenden am Beispiel der Rehabilitation

des GELSENWASSER-Wasserverbundrohrnetzes aufgezeigt.

O bwohl die Instandhaltung von Was-serverteilungsanlagen weltweit bei

den Versorgern zunehmend an Bedeutunggewinnt, ist der hierdurch beeinflusste Stan-dard hinsichtlich Versorgungsqualität undNetzzustand sehr unterschiedlich. Im inter-nationalen Vergleich, der zumeist mit einerWasserpreisdiskussion einhergeht, wird derdeutschen Wasserversorgung hinsichtlichVersorgungsqualität und Netzzustand seitLangem durchgängig ein hoher Standardbescheinigt [1, 2]. Dies ist sicherlich auchin dem Grundgedanken der in Deutschlandgeltenden allgemein anerkannten Regelnder Technik, d. h. des maßgebenden DIN-und DVGW-Regelwerks, begründet.

Grundgedanke des DVGW-RegelwerksDas DVGW-Regelwerk definiert einentechnischen Standard, der von einer Mehr-heit repräsentativer Fachleute als Standder Technik angesehen wird. Die dort be-schriebenen Anforderungen beziehen sichauf Planung, Bau, Prüfung, Betrieb und In-standhaltung von Wasserverteilungsanla-gen sowie die damit befassten Unterneh-men und Personen, d. h. auf alle Anlagen-arten und Prozesse der Wasserverteilung.Es wird ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt,bei dem zwar Schutzziele und Anforderun-gen festgeschrieben, aber konstruktive Lö-sungswege weitgehend offen gelassenwerden [3].

Die Grundlage für den hohen technischenStandard bei der Errichtung der Wasser-verteilungsanlagen wird schon mit den An-forderungen an die Planung und den Bauvon Wasserverteilungsanlagen in denDVGW-Arbeitsblättern W 400-1 und W400-2 gelegt [4, 5]. Vor dem Hintergrund,dass die Netze in Deutschland weitgehendaufgebaut sind und jetzt die Rehabilitationder Wasserverteilungsanlagen verstärkt inden Fokus rückt, wurde das Regelwerk indiesem Themenbereich maßgeblich ent-sprechend der o. g. Grundgedanken ak-tualisiert und erweitert.

Die Grundsätze zur Planung der Rehabili-tation von Wasserverteilungsanlagen sindbereits seit 2006 im DVGW-Arbeitsblatt W400-3 „Technische Regeln Wasservertei-lung (TRWV) – Teil 3: Betrieb und Instand-haltung“ dokumentiert [6]. Eine grundle-gende Ausgangsbasis zur Rehabilitations-planung ist das DVGW-Arbeitsblatt W 402„Netz- und Schadensstatistik“ [7], das seitSeptember 2010 das DVGW-MerkblattDVGW W 395 „Schadensstatistik für Was-serrohrnetze“ ersetzt und erweitert. Das imApril 2010 erschienene DVGW-MerkblattW 403 „Entscheidungshilfen für die Reha-bilitation von Wasserverteilungsanlagen“[8], das den DVGW-Hinweis W 401 ersetzthat, konkretisiert gemäß der grundlegen-den Struktur des DVGW-Arbeitsblattes W400-3 unter Einbeziehung der Besonder-

heiten von Wasserverteilungsanlagen derFernwasserversorgungssysteme die sys-tematische Vorgehensweise bei der Reha-bilitation von Wasserverteilungsanlagen.Die Grundlagen für die Planung und denBau der in der Reha-Strategie und -Pla-nung ermittelten Reha-Maßnahmen sindanalog zu Neubaumaßnahmen in den o. g.DVGW-Arbeitsblättern W 400-1 und W400-2 festgeschrieben. Für die insbeson-dere bei der Rehabilitation von Wasserver-teilungsanlagen oft eingesetzten grabenlo-sen Bauverfahren gelten ergänzend dieDVGW-Arbeitsblätter GW 320 ff., W 343und GW 304 [9-19]. Generell werden me-thodische Hinweise und keine technischenVorschriften für einen Handlungsrahmenvon der Einführung einer Rehabilitations-strategie über das Aufstellen von Rehabili-tationsplänen bis hin zur Maßnahmenum-setzung gegeben. Trotzdem werden kon-krete Anforderungen definiert und Zielwer-te vorgegeben, mit denen die Wirksamkeitund die Nachhaltigkeit der Rehabilitationbewertet werden können.

Der Anspruch der Ganzheitlichkeit desDVGW-Regelwerkansatzes im Hinblick aufdie Rehabilitation von Wasserverteilungs-anlagen zeigt sich konkret in der

• Definition und Vorgabe von Vorausset-zungen für eine zielführende Planung derRehabilitation,

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LESAM Spezial 2011 35

• Strukturierung und Integration aller Ar-beitsschritte und Prozesse von der Da-tenerfassung bis hin zur Maßnahmenum-setzung,

• Forderung einer langfristig technischund wirtschaftlich optimalen Rehabilita-tion und

• Vorgabe einer universellen, in Abhängig-keit von der jeweiligen Datenverfügbar-keit (Umfang, Qualität, Aktualität) an-passbaren Methodik.

Voraussetzungen für zielführendeRehabilitationsplanungDie Rehabilitation erfordert ausreichendeund belastbare Daten zu Netzbestandund Netzzustand. Voraussetzungen hier-für sind eine qualifizierte und qualitätsge-sicherte Erfassung, Aufbereitung, Aus-wertung und Speicherung der netz -relevanten Daten. Standen bis dato vorallen Dingen die Schadensdaten im Vor -dergrund, werden im DVGW-Arbeitsblatt W 402

• Bestandsdaten,• Schadensdaten,• weitere Zustandsdaten und• Umgebungsdaten

als Grundlage für die Rehabilitation gefor-dert und definiert. Hierbei werden dieSachdaten je Datenkategorie gemäß ihrerBedeutung für die Rehabilitation bewertet,sodass der „Neueinsteiger“ sich von Be-ginn an auf die maßgeblichen Daten fokus-sieren und unnötigen Aufwand vermeidenkann. Dem Anwender wird eine klare Leit-linie für eine strukturierte und zielführendeDatenerfassung, -aufbereitung, -auswer-tung und -speicherung gegeben. Beson-derer Wert wird darauf gelegt, dass nichtnur die Daten selbst, sondern auch die Ver-knüpfung der Schadens-, Umgebungs-und weiteren Zustandsdaten mit den Netz-bestandsdaten eindeutig und georeferen-ziert sind und auch nach der Außerbetrieb-nahme der jeweiligen Wasserverteilungs-anlage bestehen bleiben. Denn neben derQualität des einzelnen Datensatzes, diedurch regelmäßige Plausibilitätsprüfungensichergestellt werden muss, ist es geradedie korrekte Datenzuordnung, die denWert der erfassten Daten für die Rehabili-tation bestimmt. Die geforderte Berück-sichtigung der Umgebungsdaten erlaubtnicht nur, den Einfluss der Umgebung aufden Netzzustand zu bewerten, sondern er-möglicht auch, das Umgebungsrisiko zu

bestimmen, das im Schadensfall von denWasserverteilungsanlagen ausgeht. Erstdamit ist die Grundlage geschaffen, eineumfassende Risikobewertung für ein Was-serverteilungssystem durchzuführen. Abernicht nur die Berücksichtigung von erfor-derlichen Daten wird vorgegeben, sondernauch die organisatorischen Voraussetzun-gen für die Schaffung und Pflege einer ver-lässlichen Datengrundlage für die Rehabi-litation. Zur zwingend erforderlichen, lang-fristigen Qualitätssicherung wird der Ein-satz von eingewiesenen und geschultenFachkräften gefordert. Zudem werdenkonkrete Empfehlungen für die Vorgehens-weise und gezielte EDV-Unterstützung beider Datenerfassung und -auswertung ge-geben. Dadurch, dass das DVGW-Arbeits-blatt W 402 nicht nur allgemeine Hinweisegibt, sondern eine ganz konkrete Daten-struktur vorgibt, die Bedeutung von einzel-nen Sachdaten für die Rehabilitation be-wertet sowie darüber hinaus konkrete methodische Hinweise für die Erfassung,Verarbeitung, Auswertung und Qualitätssi-cherung der Daten gibt, wird jeder Versor-ger in die Lage versetzt, mit geringstmög-lichem Aufwand klar und strukturiert dasGrundlagenwissen zu erarbeiten, um

w vgw Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft

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seine Wasserverteilungsanlagen wirkungs-voll, nachhaltig und wirtschaftlich rehabili-tieren zu können. Der Nutzen einer qualifi-zierten Datenerfassung und -verarbeitungkommt dem Unternehmen aufgrund dererforderlichen Datenquantität nicht sofort,sondern erst Jahre oder Jahrzehnte späterzu Gute. Viele Unternehmen profitierenheute davon, dass vor 20 oder 30 Jahrenbegonnen wurde, systematisch Scha-densdaten zu sammeln. Entsprechend istes auch eine Aufgabe des DVGW-Regel-werks, jetzt die Unternehmen dafür zu sen-sibilisieren, eigene Aufgrabungen bei Rohr-netzarbeiten und auch TiefbauarbeitenDritter zu nutzen, um zusätzlich zu denSchadensdaten "weitere Zustandsdaten"zu erfassen und langfristig mit eindeutigerZuordnung zu den Rohrnetzkomponentenzu speichern.

Strukturierung und Integration aller Arbeitsschritte und ProzesseIm DVGW-Regelwerk wird die Rehabili-tation der Wasserverteilungsanlagen zu-nächst einmal klar von laufenden In-standhaltungsaufgaben, d. h. von In-spektion und Wartung, abgegrenzt. DiePlanung der Rehabilitation erfolgt gemäßDVGW-Arbeitsblatt W 400-3 in Abhän-gigkeit von den kurz-, mittel- und lang-fristigen Planungszeiträumen dreistufig(Abb. 1):

• Ermittlung einer langfristigen Reha-Stra- tegie,

• Entwurf einer mittelfristigen Reha-Pla-nung,

• Umsetzung der kurzfristig erforderlichenReha-Maßnahmen.

Mit der Entwicklung der Reha-Strategiewerden zunächst für einen langfristigenBetrachtungszeitraum der erforderlicheUmfang an Rehabilitationen und das dazu-gehörige Reha-Budget ermittelt, um einausreichendes Niveau bei Versorgungs-qualität und Anlagenzustand zu erreichenbzw. zu erhalten. Grundlage ist hierbei eineanlagengruppenbezogene Betrachtung,z. B. eines bestimmten Rohrtyps (v. a.Werkstoff, Nennweite), nicht jedoch dereinzelne Leitungsabschnitt. Erst bei derReha-Planung werden die einzelnen Lei-tungsabschnitte und deren Umgebung be-rücksichtigt. Im Teilprozess Reha-Planungwerden auf der Grundlage einer Netzbe-wertung für einen mittelfristigen Zeitraumdie erforderlichen Reha-Maßnahmen er-mittelt und priorisiert sowie die Reha-Tech-nologie und der Reha-Werkstoff vorausge-wählt. Bei der Umsetzung wird schließlichdie tatsächliche Ausführung der Reha-Maßnahmen hinsichtlich Trasse, Nennwei-te, Werkstoff und Bauverfahren unter Be-rücksichtigung von etwaigen Alternativ-maßnahmen untersucht und festgelegt.

Die Teilprozesse sind hierbei nicht unab-hängig zu betrachten, sondern die Ergeb-nisse für die Reha-Strategie, -Planung und-Maßnahmen sind sowohl miteinander alsauch mit den parallel zu erarbeitendenstrategischen Planungen zur Netzstrukturund -kapazität abzugleichen.

Diese integrierte Vorgehensweise, die allemethodischen und zeitlichen Abhängigkei-ten bei der Rehabilitation systematisch er-fasst, bildet zusammen mit der qualifizier-ten Datenerfassung und -verarbeitung eineverlässliche Grundlage, um die im DVGW-Regelwerk angegebenen Kernziele der Re-habilitation zu erreichen.

Forderung einer langfristig technisch und wirtschaftlich optimalen RehabilitationDas DVGW-Regelwerk beschränkt sichnicht darauf, Hinweise für eine qualifiziertePlanung der Rehabilitation hinsichtlichGrundlagenermittlung und Methodik zugeben, sondern gibt auch ganz konkreteAnforderungen für den Netzzustand unddie Versorgungsqualität vor, die bei einernachhaltigen Rehabilitation Berücksichti-gung finden müssen. Ausgangspunkt isthierbei die grundlegende Aufgabendefiniti-on, dass Wasserverteilungssysteme dasTrinkwasser

• in hygienisch einwandfreier Qualität,• in der erforderlichen Menge,• mit ausreichendem Druck und• kontinuierlich

bereitstellen müssen [6]. Diese Anforderun-gen, die man unter dem Begriff „Versor-gungsqualität“ zusammenfassen kann,

MaßnahmeStrategie Planung

Zunahme von Bearbeitungstiefe und Detaillierungsgrad

Abb. 1: Die drei Teilprozesse der Rehabilitation

Que

lle: [

8]

STANET-NetzmodellAutomat. Störfallanalyse

Reha-Strategie

GIS

KANEW

Rohrnetzbestand

Nutzungsdauer-annahmen

Reha-Planung

STANET-RehamodellNetzbestand/RohrschädenSchadensrateVersorgungsdruckHydraulische BedeutungGefährdung/Kosten…

Ausfallmenge im Störfall

Weitere Zustands-datenUmgebungsdaten…

Rohr-schäden

Excel-Makro„Schadenstrend“

SchadensfunktionenRohrtypen

Abb. 2: Grundlegende Systematik der Reha-Strategie und -Planung

Que

lle: G

ELS

EN

WA

SS

ER

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werden maßgeblich durch den Zustandder Wasserverteilungsanlagen bestimmt.Eine hohe Versorgungsqualität und ein gu-ter Netzzustand nach dem DVGW-Regel-werk sind nur gegeben, wenn sowohl dieWasserverluste und Netzschadensratenals auch das Risiko, das von einer Wasser-verteilungsanlage ausgeht oder auf dieseeinwirkt, auf einem niedrigen Niveau liegen.Folgerichtig sind die Kernziele der Rehabi-litation von Wasserverteilungsanlagen ge-mäß DVGW-Regelwerk daher die

• Minimierung von Rohrschäden und Ver-sorgungsunterbrechungen,

• Reduzierung oder Niedrighaltung vonWasserverlusten,

• Vermeidung der Gefährdung vonMensch, Fremdanlage und Umwelt und

• Verbesserung oder Erhalt der Versor-gungsqualität

bei geringstmöglichem Gesamtkostenauf-wand [8]. Das Erreichen der Reha-Ziele be-dingt also die Kenntnis des Risikos. MitAusnahme von Qualitätsproblemen (z. B.Trübungen), die vielfältige Ursachen habenkönnen, ergibt sich das Risiko, das vondem Wasserverteilungssystem ausgeht,generell aus der Eintrittswahrscheinlichkeitvon Rohrschäden (mittelbar auch vonWasserverlusten) und dem jeweiligenSchadensausmaß bezüglich der Gefähr-dung von Mensch, Fremdanlage und Um-welt, der Versorgungsqualität, der Kostenund ggf. der öffentlichen Wahrnehmungbzw. des Images des Versorgungsunter-nehmens. Die Eintrittswahrscheinlichkeitund das Ausmaß von Qualitätsbeeinträch-tigungen kann aus Kundenreklamationen,Betriebserfahrungen, Messwerten undRohrnetzberechnungen abgeleitet wer-den. Bei der Reha-Strategie kann der Risi-koaspekt nur ansatzweise berücksichtigtwerden. Lediglich die Entwicklung der an-lagengruppenbezogenen Schadenswahr-scheinlichkeit kann für die technische Be-wertung der Rehabilitation generell analy-siert und prognostiziert werden. WennWasserverluste oder Trübungen eindeutigeinzelnen Rohrtypen (Anlagengruppen)und nicht nur einzelnen Leitungsabschnit-ten zuzuordnen sind, können auch dieseAspekte in der Reha-Strategie berücksich-tigt werden. Bei der Reha-Planung undden Reha-Maßnahmen können durch denOrtsbezug der Einzelanlagen alle Einfluss-faktoren des Risikos bewertet werden(Tab. 1). Die Forderungen müssen insge-samt erfüllt werden und sind nicht gegen-einander aufrechenbar. Das heißt, wennniedrige Schadensraten bei gleichzeitig ho-hen Wasserverlusten vorliegen, ist noch

keine hohe Versorgungsqualität erreicht.Vielmehr liegen Rohrschäden vor, die je-doch beispielsweise durch ungünstige Bo-denverhältnisse unentdeckt bleiben. Durchverstärkte Inspektionsmaßnahmen zurWasserverlustreduzierung können in ei-nem ersten Schritt die Wasserverlustezwar lokal erkannt und reduziert werden,langfristig jedoch können die Netzscha-densraten, die Wasserverluste und damitauch das Risiko nur durch eine gezielte Re-habilitation des Rohrnetzes dauerhaft nied-rig gehalten werden. Dass das Risiko so-wie Störungen in der Versorgungsqualitätzu minimieren sind, ist nicht nur abstraktgefordert, sondern im DVGW-Regelwerkdurch Grenz- und Richtwerte konkretisiert(Tab. 2). Die durch den Wasserversorger

bereitzustellende Wasserqualität ist über-geordnet bereits in der Trinkwasserverord-nung (TrinkwV) vorgeschrieben. Die Anfor-derungen der TrinkwV gelten als erfüllt,wenn die dort angegebenen Grenzwertesowie die DIN 2000 mit ihren Leitsätzenund Verweisen auf die allgemein anerkann-ten Regeln der Technik hinsichtlich Was-sergewinnung, -aufbereitung und -vertei-lung eingehalten sind. Der Erhalt bzw. dieVerbesserung der Wasserqualität ist zu-dem im Minimierungsgebot für die Rohr-schäden und Wasserverluste im DVGW-Arbeitsblatt W 400-3 impliziert [6].

Das Schadensausmaß hinsichtlich der Ge-fährdung von Personen und Bauwerken,das in Folge eines Rohrschadens auftreten

Tabelle 1: Umsetzbarkeit von Reha-Zielen in den Teilprozessen Reha-Strategie,-Planung und -Maßnahme

Que

lle: [

8]

Rehabilitationsziele

Minimierung der Rohr-schäden und Versor-gungsunterbrechungen Reduzierung oder Niedrighaltung der Wasserverluste

Vermeidung der Gefährdung von Mensch,Fremdanlage und Umwelt

Verbesserung oder Erhalt der Versorgungs-qualität

Minimierung der erforderlichen Gesamt -kosten für die Instandhaltung bei Einhaltung des erforderlichen Versorgungsstandards

(x = umsetzbar, o = umsetzbar, wenn Zuordnung zu Anlagengruppen möglich, – = nicht umsetzbar)

Gesamtsystem

Anlagengruppe

Anlage

Druck und Menge

Wasserqualität

Verfügbarkeit

Reha-Strategie(Wie viel?)

x

x

o

o

x

Reha-Planung(Wo undwann?)

x

x

x

x

x

x

x

x

x

Reha- Maßnahme(Wie?)

x

x

x

x

x

x

x

Tabelle 2: Durch Rehabilitation beeinflussbare Kennwerte und Merkmale hoherVersorgungsqualität und guten Netzzustands gemäß DVGW-Regelwerk

Que

lle: [

4, 6

, 20,

21,

22]

Richtwert fürniedrige Schadensrate[DVGW W 400-3 (A)]

Richtwert für niedrige Wasserverluste[DVGW W 392 (A)]

Kontinuierliche, bedarfsgerechteWasserlieferung mit Mindestdruck,aber < MDP[DVGW W 400-1 (A)]

Wasserqualität[DIN 2000]

Minimales Risiko[DVGW W 1001 (A), W 400-3 (A), W 392 (A)](AL = Anschlussleitung , VL = Versorgungsleitung, HL = Hauptleitung , ZL = Zubringerleitung)

� 0,10 S/(km · a) - VL, HL� 0,01 S/(km · a) - ZL, Leitungen mit hohem

Schadensausmaß� 0,005 S/(AL · a) - AL

< 0,10 m3/(h · km) - großstädtisch< 0,07 m3/(h · km) - städtisch< 0,05 m3/(h · km) - ländlich

> 2,00 bar - EG> 2,35 bar - EG + 1G> 2,70 bar - EG + 2G> 3,05 bar - EG + 3G usw.

Grenzwerte gemäß TrinkwV, genusstauglichund rein

niedrige Schadensrate/Wasserverluste, Minimierungsgebot für Risiko

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kann, kann nicht allgemeingültig in einemRegelwerk definiert und quantifiziert wer-den. Jedoch sind im DVGW-Regelwerk fürFern- und Zubringerleitungen sowie fürsonstige Leitungen mit besonderer versor-gungstechnischer Bedeutung, bei denenes im Rohrschadensfall zu beträchtlichemSchadensausmaß kommen kann (z. B.großflächige Versorgungsausfälle, Gefähr-dung von Menschen, Sachschäden), dieAnforderungen hinsichtlich der Schadens-wahrscheinlichkeit deutlich verschärft.Statt einer schon niedrigen Schadensratefür Wasserverteilungsnetze von 0,1 S/(km· a) sind für diese Leitungen Schadensratenvon 0,01 S/(km · a) gefordert. Nichtsdes-totrotz gilt darüber hinaus das allgemein-gültige Risikominimierungsgebot gemäßDVGW-Arbeitsblatt W 1001 [22]. Die Was-serversorger müssen für entsprechendhoch bewertete Risiken technische, orga-nisatorische oder personelle Maßnahmenerarbeiten, die die Risiken dauerhaft elimi-

nieren oder minimieren. Gemäß DVGW-Regelwerk wird also kein kurzfristiges tech-nisches oder betriebswirtschaftliches Op-timum angestrebt, sondern eine langfristigtechnisch und wirtschaftlich optimale Re-habilitation, bei der sowohl die Versor-gungsqualität, der Netzzustand und dasGefährdungspotenzial als auch die erfor-derlichen Investitions- und Betriebskostenberücksichtigt werden müssen.

Universelle, in Abhängigkeit vonder jeweiligen Datenverfügbarkeitanpassbare MethodikDie Güte der Reha-Strategien und -Pla-nungen wird maßgeblich von der verfüg-baren Datenbasis bestimmt. Oftmals wirdaufgrund einer eingeschränkten Datenver-fügbarkeit auf eine systematische Rehabi-litation verzichtet und nach einer Ausfall-strategie verfahren. Durch die in Folge derzwangsläufigen Verschlechterung des An-lagenzustands zunehmenden Kosten für

die Schadensreparatur steigen dann je-doch die Instandhaltungskosten langfristigüberproportional hoch an. Im Ergebnissind dann von den Kunden tatsächlich ho-he Wasserpreise für eine schlechte Versor-gungsqualität zu zahlen. Genau hier setztdas DVGW-Regelwerk an, indem es einesolche Ausfallstrategie ausschließt und imDVGW-Merkblatt W 403 konkret drei ver-schiedene Verfahren anbietet, mit denen inAbhängigkeit von der verfügbaren Daten-grundlage (Umfang, Qualität, Aktualität)der erforderliche Rehabilitationsbedarf injedem Fall ermittelt werden kann [8]:

1. Direkte Ableitung aus technischer Nut-zungsdauer der Anlagengruppen:

• Abschätzung des mittleren Alters undder technischen Nutzungsdauer auf Ba-sis von Erfahrungs- und Literaturwertenohne Berücksichtigung von Schadens-daten,

• Reha-Rate in % = 1 / (Nutzungsdauer –Alter) in Jahren, wenn bis dahin nicht re-habilitiert wurde.

2. Ableitung aus technischer Nutzungs-dauer und altersbezogenen Bestands-längen der Anlagengruppen:

• Verfügbarkeit einer altersbezogenenLängenverteilung,

• Abschätzung der technischen Nut-zungsdauer auf Basis von Erfahrungs-und Literaturwerten ohne Berücksichti-gung von Schadensdaten,

• Reha-Rate = Jahressumme aller Rohrlei-tungen, die am Ende ihrer technischenNutzungsdauer erneuert werden müssen.

3. Ableitung aus mathematischen Vertei-lungsfunktionen:

• Verfügbarkeit einer altersbezogenen Län -genverteilung und langjähriger Scha-densdaten,

• Ermittlung der technischen Nutzungs-dauer unter Berücksichtigung der Scha-densentwicklung,

• Ableitung der Reha-Rate aus der an -lagengruppenbezogenen Ausfallwahr-scheinlichkeit mit Hilfe von mathemati-schen Verteilungsfunktionen.

Bei geringer Datenverfügbarkeit und denresultierenden vereinfachten Verfahren istein höherer Sicherheitszuschlag zur Absi-cherung der Ergebnisse erforderlich. DieBelastbarkeit der Ergebnisse steigt mit derMenge der verfügbaren Daten und dermöglichen Bearbeitungstiefe, sodass imHinblick auf die Erhöhung der Wirtschaft-

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0,4

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Jahr

Net

zern

euer

ung

srat

en [%

]Bedarf Strategie inkl. Fremdveranlassung

Abb. 3: Netzerneuerungsraten der zukünftigen Reha-Strategie für Versorgungsleitun-gen � DN 200

Que

lle: G

ELS

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0,12

0,13

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0,15

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/km

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Bedarf Strategie Nichts tun

Abb. 4: Prognostizierte Rohrschadensratenentwicklung der Versorgungsleitungen � DN 200 in Abhängigkeit von der Reha-Strategie

Que

lle: G

ELS

EN

WA

SS

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2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 2024 2026Jahr

LESAM Spezial 2011 39

lichkeit und Planungssicherheit mittel- bislangfristig eine ausreichend große und ver-lässliche Datenbasis gemäß den Vorgabenaus W 402 aufzubauen und die Methodikentsprechend den Ver besserungen in derverfügbaren Datengrundlage anzupassenist. Analog zur variablen Methodik für dieReha-Strategie bietet das DVGW-Merk-blatt W 403 auch für die Reha-Planung ei-ne grundlegende und umfassende Syste-matik an, die in Abhängigkeit von der ver-fügbaren Datenbasis im Detaillierungsgradschrittweise angepasst werden kann.Wenn beispielsweise im ersten Schritt dieUmgebungsdaten der Leitungen nicht vor-handen sind, kann die Priorisierung der Re-ha-Maßnahmen zunächst auf die Auswer-tung von Schadenshäufigkeiten an deneinzelnen Leitungsabschnitten fokussiertwerden. Aufbauend auf dieser Zustands-bewertung kann die Priorisierung schritt-weise zu einer Bewertung nach dem je-weiligen Schadensrisiko (Kombination ausEintrittswahrscheinlichkeit und Ausmaß)ausgebaut werden, ohne dass die Grund-lagen und Ergebnisse von vorangegan -genen Arbeitsschritten wertlos werden. DieBaumaßnahmenkoordination mit anderenSparten und Baulastträgern kann ebensomit in die Bewertung einfließen. Die Pra -xistauglichkeit des DVGW-Regelwerks -ansatzes sowohl hinsichtlich der grundle-genden Systematik als auch der schrittwei -sen Detaillierung der Reha-Strategien und -Planungen wird nachfolgend am Beispielder Rehabilitation des GELSENWASSER-Wasserverbundrohrnetzes aufgezeigt.

Beispiel GELSENWASSER-Wasser verbundrohrnetzGELSENWASSER verfolgt schon seit Lan-gem die Philosophie einer stetigen Erneue-rung der Wasserverteilungsanlagen. Diejährlichen Erneuerungsraten lagen – abge-leitet aus einer unterstellten Nutzungsdauervon 100 Jahren – in den letzten Jahrzehn-ten in der Größenordnung von ca. einemProzent des Rohrnetzbestands. Im Jahre2003 wurde diese langjährige Reha-Ratedurch erstmals erarbeitete separate Reha-Strategien für die Versorgungsleitungen so-wie für die Haupt- und Zubringerleitungenbestätigt. Die Reha-Strategien wurden mitHilfe der Software KANEW erstellt, die aufeinem Kohortenüberlebensmodell aufbautund die Berechnung des jährlichen Rohr-netzerneuerungsbedarfs auf der Grundlagevon Nutzungsdauerverteilungen erlaubt[23]. Die Priorisierung der Reha-Maßnah-men erfolgte jeweils durch eine Zustands-bewertung von Einzelsträngen durch die je-weiligen Sachbearbeiter, in die sowohl dieErfahrungen der Mitarbeiter als auch die

Schadensstatistiken und die Schadens-häufigkeit an den einzelnen Leitungsab-schnitten eingeflossen sind. Im Jahr 2008wurden die Reha-Strategien erneut unterBerücksichtigung der aktuellen Grundla-gendaten geprüft und um eine einheitlichenetzweite Zustandsbewertung für die Re-ha-Planung erweitert. Die für das GELSEN-WASSER-Wasserverbundrohrnetz ange-wandte Systematik zur Entwicklung einermiteinander verknüpften Reha-Strategieund -Planung ist in Abbildung 2 zusam-mengefasst.

Die Grundlage für die Entwicklung der Re-ha-Strategie bildet weiterhin das in derSoftware KANEW implementierte Überle-bensmodell auf der Basis der Herz-Vertei-lungsfunktion. Die dort verwendeten Nut-zungsdauerannahmen werden jedochnicht mehr nur wie ursprünglich auf Basisvon Erfahrungswerten und Expertenein-schätzungen festgelegt, sondern werdenso weit wie möglich mit Prognosefunktio-nen für die Schadensraten der einzelnenRohrtypen abgeglichen. Die mittels Ka-plan-Meier-Verfahren ermittelte empirischeAusfallwahrscheinlichkeit je Rohrtyp wirddurch eine Weibull-Funktion approximiert,

auf deren Grundlage dann die Schadens-rate prognostiziert wird [24]. Der Abgleichmit den technischen Nutzungsdauern er-folgt über so genannte Eingriffsgrenzen fürdie Schadensraten der einzelnen Rohrty-pen. Ausgehend von einer erneuten Be-darfsprogose wurde wiederum eine Stra-tegie abgeleitet, die sich durch eine gleichbleibende Erneuerungsrate auszeichnet,jedoch eine Reduzierung der Rehabilitati-onsrate und des Rehabilitationsbudgetserlaubt und trotzdem nicht zu einem Sub-stanzverlust der Anlagen führt. Für das Ver-sorgungsleitungsnetz wird beispielsweisedie ehemalige jährliche Rehabilitationsratevon einem Prozent abgestuft auf ein kon-stantes Niveau von ca. 0,85 Prozent desRohrnetzbestandes (einschließlich fremd-veranlasster Maßnahmen ohne dringen-den Rehabilitationshintergrund) reduziert(Abb. 3). Durch die Integration der ermit-telten Schadensprognosen in der SoftwareKANEW können die Auswirkungen von un-terschiedlichen Strategien auf die zu er-wartende Entwicklung der Schadensratendirekt miteinander verglichen und bewertetwerden. Gemäß der Schadensprognosewird sich die Rohrschadensrate zunächstmindestens auf dem heutigen Niveau sta-

R = SRP x (1 + S1 + S2 + S3 + S4) x (FAG + FAV + FAK) + TR x FAT

R Risiko

SRP Schadensrate des Rohrtyps

TR Trübungsrate

S1…S4 Leitungsspezifische Bewertungsfaktoren Schadenswahrscheinlichkeit

FAG Fehlerausmaß hinsichtlich Gefährdung von Mensch und Umgebung

FAV Fehlerausmaß hinsichtlich Versorgungsqualität

FAK Fehlerausmaß hinsichtlich Kosten

FAT Fehlerausmaß hinsichtlich Trübung

Abb. 5: Bewertungssystematik für risikoorientierte Rehabilitation

Que

lle: G

ELS

EN

WA

SS

ER

Abb. 6: STANET-Rehamodell mit risikoorientierter Maßnahmenpriorisierung

Que

lle: G

ELS

EN

WA

SS

ER

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| LESAM 2011

bilisieren und am Ende der Strategiephaseim Jahr 2027 bei ca. 0,085 S/(km · a) liegen(Abb. 4). Die Prognose der rohrtypspezifi-schen Schadensraten wird jedoch nichtnur für die Bewertung von alternativen Re-ha-Strategien genutzt, sondern bildet denAusgangspunkt für die Zustandsbewer-

tung der einzelnen Leitungsabschnitte inder Reha-Planung (Abb. 2). Die grundsätz-liche Ausfallwahrscheinlichkeit der jeweili-gen Rohrtypen wird auch für den einzelnenLeitungsabschnitt unterstellt und mittelsabschnittsbezogener Faktoren auf- bzw.abgewertet. Berücksichtigt werden hierbei

• die Anzahl der Schäden (insgesamt/inden letzten zehn Jahren),

• der max. Versorgungsdruck sowie• hohe Verkehrsbelastungen.

Mittlerweile erfolgt diese zunächst zu-standsorientierte Maßnahmenpriorisierungrisikoorientiert. Daher wird heute neben derBetrachtung der Ausfallwahrscheinlichkeitauch das resultierende Schadensausmaßim Falle eines Rohrschadens hinsichtlichder

• Gefährdung von Menschen und Bauwer-ken,

• Versorgungsqualität (Druck, Menge,Qualität und Verfügbarkeit) und

• Reparatur-/Folgekosten

ermittelt. Die Trübungserscheinungen wer-den unabhängig vom Rohrschadensrisikogesondert nach Häufigkeit und Stärke be-rücksichtigt. Die abgeleitete grundlegendeBewertungssystematik ist in Abbildung 5zusammengefasst.

Bis dato noch nicht systematisch doku-mentierte, erforderliche Zustands- undUmgebungsdaten, wie z. B. gefährdete In-frastruktur/Bauwerke oder Trübungen,wurden erstmalig nach vorgegebenen De-finitionen dezentral durch die zuständigenMeister und Techniker in GIS-Übersichts-plänen erfasst. Die hydraulische Leitungs-bedeutung wurde für jeden der ca. 85.000GIS-Leitungsabschnitte über eine automa-

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

110

120

130

0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5

Ausfallwahrscheinlichkeit [S/km · a]

Sch

aden

saus

maß

[Pkt

.]

Abb. 7: RisikomatrixQ

uelle

: GE

LSE

NW

AS

SE

R

0,060

0,065

0,070

0,075

0,080

0,085

0,095

0,100

0,105

0,110

0,115

Net

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aden

srat

en [S

/km

· a]

Ist-Werte Mittelwert Ist-Werte 2007-2010Prognose für Strategie0,120

0,090

Niedrige Schadensraten gemäß DVGW W 400-3 (A)

Niedrige Schadensraten gemäß DVGW W 400-3 (A)

Abb. 8: Vergleich der Ist-Schadensraten der Versorgungsleitungen � DN 200 mit der prognostizierten Rohrschadensraten-entwicklung gemäß Reha-Strategie

Que

lle: G

ELS

EN

WA

SS

ER

2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 2023 2025 2027Jahr

LESAM Spezial 2011 41

tisierte Störfallberechnung im vorhandenenSTANET-Netzmodell [25] ermittelt und imGesamtnetzzusammenhang bewertet. DieZusammenführung aller relevanten Grund-lagendaten und Bewertungsfaktoren so-wie die Prioritätenermittlung erfolgen in ei-nem so genannten STANET-Rehamodell.Ausschlaggebend für die „Fremdnutzung“des RohrnetzberechnungsprogrammsSTANET waren die ohne Zusatzaufwandverfügbare georeferenzierte grafische Dar-stellung des Netzbestandes und der Rohr-schäden, die frei konfigurierbare Import-schnittstelle sowie die leistungsfähige undkomfortable Datenbankfunktionalität. Fürjeden Rohrleitungsabschnitt wird eine Risi-kobewertung durchgeführt, die im STA-NET-Rehamodell sowohl als Datensatz alsauch grafisch abrufbar ist (Abb. 6). Zusätz-lich werden die Maßnahmen gebietsweisein einer so genannten Risikomatrix zusam-mengefasst (Abb. 7). Selbstverständlich istdie ermittelte Maßnahmenpriorität nicht al-leiniges Auswahlkriterium, sondern dientlediglich als Hilfestellung für die Maßnah-menauswahl. Der Sachbearbeiter mussweiterhin vor Ort verfügbare Informationen(z. B. Maßnahmenkoordination mit ande-ren Bauträgern, Maßnahmenzusammen-fassung) in seine endgültige Umsetzungs-entscheidung mit einbeziehen.

Der Vergleich der Ist-Schadensraten derletzten Jahre mit der prognostizierten Rohr-schadensratenentwicklung zeigt schonheute, dass durch die gezielte Auswahl derRehabilitationsmaßnahmen mit einer hohenPriorität die tatsächliche Rohrschadensrateselbst in Jahren mit höheren, witterungsbe-dingten Schadenshäufigkeiten (z. B. im Jahr2009) unter dem in der Reha-Strategieprognostizierten Niveau liegt (Abb. 8). Dieausgewählten Reha-Maßnahmen werdenmit Hilfe von gezielten Rohrnetzberechnun-gen dimensioniert und unter Berücksichti-gung der aktuellen technischen Randbedin-gungen und alternativen Versorgungsvari-anten auf der Grundlage von gesamtkon-zeptionellen Planungsrechnungen weiteroptimiert. Im Endergebnis werden heute ca.60 Prozent der städtischen Versorgungslei-tungen und knapp 70 Prozent der Haupt-und Zubringerleitungen im Rohreinzugsver-fahren erneuert.

Für eine vereinfachte Fortschreibung wer-den zukünftig alle grundlegenden Zu-stands- und Umgebungsdaten im GIS vor-gehalten. Ebenso werden die strangteilbe-zogenen Ergebnisse der risikoorientiertenReha-Planung nicht nur im STANET-Reha-modell, sondern auch im GIS abrufbarsein. Inwieweit eine GIS-Integration der ri-

sikoorientierten Reha-Planung selbst mit-telfristig sinnvoll ist, wird parallel zur regel-mäßigen Fortschreibung des STANET-Re-hamodells geprüft.

FazitAufgrund der eindeutigen und strukturier-ten Systematik und der im Hinblick aufdie Datenverfügbarkeit variablen An-wendbarkeit liefert das DVGW-Regelwerkeinen tatsächlich ganzheitlichen Ansatzfür die Rehabilitation von Wasservertei-lungsanlagen, der eine langfristig kosten-günstige Wasserversorgung mit einer ho-hen Versorgungsqualität sicherstellt, je-doch den Unternehmen in der konkretenAusgestaltung der lang-, mittel- und kurz-fristigen Planung große Freiräume lässt.Die Güte und Wirtschaftlichkeit der Re-habilitation wird nur am Endergebnis ge-messen, nämlich an der dem Kunden be-reitgestellten Versorgungsqualität. Dasssowohl die Anforderungen als auch dieVorgehensweise praxisgerecht sind, zeigtnicht nur das angeführte Beispiel derGELSENWASSER AG, sondern bestätigtsich auch bei Unternehmensvergleichenim Rahmen von Benchmarking-Projekten[26].

Das Spektrum der am Markt verfügbarenSoftwareprodukte, die unter den Stichwor-ten Asset Management und Rehabilitati-onsplanung angeboten werden, ist sehrgroß. Nicht nur, dass die grundsätzlicheMethodik von einer stark wirtschaftlichenbis zu einer rein technischen Ausrichtungvariiert, auch unterscheiden sich oftmalsdie jeweils „optimalen“ Ergebnisse deutlichvoneinander. Auch in diesem Zusammen-hang erscheint es sinnvoll, die Leistungs-fähigkeit dieser Produkte an den Anforde-rungen und Zielen des ganzheitlichenDVGW-Regelwerksansatzes zu messenund kritisch zu hinterfragen.

Literatur:

[1] Kraemer R. A. und Piotrowski R. (1998). Wasser-preise im Europäischen Vergleich – Kurzfassungdes Endberichts des Ecologic Institut. Berlin,http://ecologic.eu/ download/projekte/950-999/970/970_Wasserpreise_kurz_de.pdf.

[2] BDEW Bundesverband der Energie- und Wasser-wirtschaft e. V (September 2010). VEWA – Ver-gleich Europäischer Wasser- und Abwasserpreise.

[3] DVGW-Arbeitsblatt GW 100 (Juni 2009). Tätigkeitder DVGW-Fachgremien und Ausarbeitung desDVGW-Regelwerkes.

[4] DVGW-Arbeitsblatt W 400-1 (Oktober 2004).Technische Regeln Wasserverteilungsanlagen(TRWV) – Teil 1: Planung.

[5] DVGW-Arbeitsblatt W 400-2 (September 2004).Technische Regeln Wasserverteilungsanlagen(TRWV) – Teil 2: Bau und Prüfung.

[6] DVGW-Arbeitsblatt W 400-3 (September 2006).Technische Regeln Wasserverteilungsanlagen(TRWV) – Teil 3: Betrieb und Instandhaltung.

[7] DVGW-Arbeitsblatt W 402 (September 2010).Netz- und Schadenstatistik – Erfassung und Aus-wertung von Daten zur Instandhaltung von Was-serrohrnetzen.

[8] DVGW-Merkblatt W 403 (April 2010). Entschei-dungshilfen für die Rehabilitation von Wasserver-teilungsanlagen.

[9] DVGW-Arbeitsblatt GW 320-1 (Februar 2009). Er-neuerung von Gas- und Wasserrohrleitungen durchRohreinzug oder Rohreinschub mit Ringraum.

[10] DVGW-Arbeitsblatt GW 320-2 (Juni 2000). Re-habilitation von Gas- und Wasserrohrleitungendurch PE-Reliningverfahren ohne Ringraum; An-forderungen, Gütesicherung und Prüfung.

[11] DVGW-Arbeitsblatt GW 321 (Oktober 2003).Steuerbare horizontale Spülbohrverfahren fürGas- und Wasserrohrleitungen – Anforderungen,Gütesicherung und Prüfung.

[12] DVGW-Arbeitsblatt GW 322-1 (Oktober 2003).Grabenlose Auswechslung von Gas- und Was-serrohrleitungen mit Press-/Ziehverfahren – An-forderungen, Gütesicherung und Prüfung.

[13] DVGW-Arbeitsblatt GW 322-2 (Februar 2007).Grabenlose Auswechslung von Gas- und Was-serrohrleitungen – Teil 2: Hilfsrohrverfahren – An-forderungen, Gütesicherung und Prüfung.

[14] DVGW-Merkblatt GW 323 (Juli 2004). Grabenlo-se Erneuerung von Gas- und Wasserversor-gungsleitungen durch Berstlining; Anforderun-gen, Gütesicherung und Prüfung.

[15] DVGW-Arbeitsblatt GW 324 (August 2007). Fräs-und Pflugverfahren für Gas- und Wasserrohrlei-tungen; Anforderungen, Gütesicherung und Prü-fung.

[16] DVGW-Arbeitsblatt GW 325 (März 2007). Gra-benlose Bauweisen für Gas- und Wasser-An-schlussleitungen; Anforderungen, Gütesicherungund Prüfung.

[17] DVGW-Arbeitsblatt GW 327 (März 2011). Aus-kleidung von Gas- und Wasserrohrleitungen miteinzuklebenden Gewebeschläuchen.

[18] DVGW-Arbeitsblatt W 343 (April 2005). Sanie-rung von erdverlegten Guss- und Stahlrohrleitun-gen durch Zementmörtelauskleidung – Einsatz-bereiche, Anforderungen, Gütesicherung undPrüfungen.

[19] DVGW-Arbeitsblatt GW 304 (Dezember 2008).Rohrvortrieb und verwandte Verfahren.

[20] DVGW-Arbeitsblatt W 392 (Mai 2003). Rohrnetz-inspektion und Wasserverluste – Maßnahmen,Verfahren und Bewertungen.

[21] DIN 2000 (Oktober 2000). Zentrale Trinkwasser-versorgung: Leitsätze für Anforderungen anTrinkwasser – Planung, Bau, Betrieb und Instand-haltung der Versorgungsanlagen.

[22] DVGW-Arbeitsblatt W 1001 (August 2008). Si-cherheit in der Trinkwasserversorgung – Risiko-management im Normalbetrieb.

[23] BAUR+KROPP Software, Nieritzstraße 5, 01097Dresden.

[24] Wehr R. und König D. (2007). Die Instandhaltungvon Versorgungsnetzen mit risiko- und kosten-orientierter Ersatzerneuerung. GWF-Wasser/Ab-wasser 148 Nr. 13, S. 42-49.

[25] Ingenieurbüro Fischer-Uhrig, Württembergallee27, 14052 Berlin.

[26] Wasserversorgung Nordrhein-Westfalen, Bench-marking Projekt, Ergebnisbericht 2009 (April2010).

Autor:Dipl.-Ing. Bernd HeyenGELSENWASSER AGWilly-Brandt-Allee 2645891 GelsenkirchenTel.: 0209 708-1849Fax: 0209 708-669E-Mail: [email protected]: www.gelsenwasser.de n

LESAM Spezial 201142

Bestimmung der Nutzungsdauer-

verteilung in Rohrleitungsnetzen

anhand limitierter Daten

Die Nutzungsdauerverteilung von Rohrleitungen ist eine wichtige Kenngröße in der Rehabilitations-

planung. Neben Schadensstatistiken liefern Reha-Statistiken hierzu wertvolle Informationen.

D ie Qualität der Bestimmung der Nutzungsdauer von Rohr-leitungen ist nicht nur von essenzieller Bedeutung für die Si-

mulation und Festlegung von Reha-Strategien. Verfügbare Reha-Statistiken sollten deshalb bei der Ermittlung von Nutzungsdauer-verteilungen bzw. Überlebensfunktionen von Leitungsgruppen aufjeden Fall berücksichtigt werden.

Viele Rohrleitungen wurden verlegt, lange bevor Netzbetreiber be-gonnen haben, detaillierte Netz- und Schadensstatistiken zu füh-ren. Reha-Statistiken sind in der Regel nur für die letzten Jahreverfügbar. Leitungen, die vor diesem Zeitraum verlegt wurden undheute noch in Betrieb sind, stellen die sogenannten „Überleben-den“ ihrer Generation/Kohorte dar. Die Betrachtung einer Zufalls-variable – wie der Nutzungsdauer – mit einer unvollständigenGrundgesamtheit ist „links abgeschnitten“ (left-truncated). Für dieBestimmung des Anteils von ausgewechselten Leitungen einesBaujahrgangs müsste deshalb auch ihr originaler Ausgangsbe-stand geschätzt werden.

Ein weiteres Problem für die Ermittlung der Nutzungsdauer stelltdie Tatsache dar, dass man bei einem begrenzten Beobachtungs-zeitraum die tatsächliche Nutzungsdauer erneuerter Leitungen nurfür einen kleinen Teil aller Leitungen genau kennt. Für die meistenLeitungen steht lediglich fest, dass deren Nutzungsdauer größerals ihr aktuelles Alter am Ende des Beobachtungszeitraums ist.Man spricht in diesem Fall auch von einer „rechts zensierten“(right-censored) Nutzungsdauer.

Der vorliegende Beitrag beschreibt in verkürzter Form zwei Metho -den zur Nutzungsdauerbestimmung bei „links abgeschnittenen“sowie „rechts zensierten“ Daten:

• nicht-parametrisch nach Turnbull [1]• parametriertes Weibull-Modell

Die beiden Methoden wurden auf aktuelle Daten (Grauguss GG) einesgroßen französischen Wasserversorgungsnetzes angewandt. Nach-folgend sind einige Kenngrößen des betrachteten Netzes aufgelistet:

• Netzlänge 4.000 Kilometer• Beobachtungszeitraum 1995 bis 2007• Verlegezeitraum Grauguss 1855 bis 1971• Anzahl registrierter Schäden ca. 12.000

ÜberlebensfunktionenEs ist üblich, die Nutzungsdauer von Rohrleitungen durch Überle-bensfunktionen zu beschreiben, formal definiert als Überlebens-wahrscheinlichkeit nach einem bestimmten Alter:

S(t) = P{T > t}

Der zugehörige Funktionsverlauf beginnt mit dem StartwertS(0)=1 und erreicht den Wert 0, wenn das Alter gegen unendlichstrebt. In Abbildung 1 ist ein solcher Funktionsverlauf beispielhaftdargestellt. Kohortenüberlebensmodelle, z. B. nach Weibull undHerz (implementiert in KANEW), ermöglichen dann die Berech-nung des langfristigen Erneuerungsbedarfs in einem Rohrlei-tungsnetz [2, 3].

Nicht-parametrische Bestimmung der Nutzungs-dauer nach TurnbullDie nicht-parametrische Bestimmung einer Überlebensfunktionfolgt einer absteigenden Treppenfunktion (step function), die beigleichen beobachteten Nutzungsdauerwerten konstant (horizon-tal) verläuft und sich bei veränderten Nutzungsdauerwertensprunghaft ändert (absteigt).

Für die Beschreibung des Berechnungsalgorithmus werden zu-nächst folgende Konventionen festgelegt: Die Zufallsvariable der

Quelle: a_korn – Fotolia.com

LESAM Spezial 2011 43

„Nutzungsdauer“, definiert als T, wird für insgesamt N Leitungsab-schnitte, zusammengefasst in n Gruppen, betrachtet. Jede Grup-pe besteht aus ei Abschnitten (Σ i=1

n ei=N), die in einem Altersintervall[ai, bi] betrachtet werden. Die Indikatorvariable C erhält den Wertci=0, wenn die Abschnitte von Gruppe i im Alter bi erneuert wordensind, oder den Wert ci=1, wenn die Abschnitte im Alter bi nochnicht erneuert worden sind. Der erste Fall ci=0 beschreibt eineexakte Nutzungsdauer T = bi, während der zweite Fall ci=1 einerechtszensierte Nutzungsdauer T>bi beschreibt. Innerhalb der betrachteten Alterswerte bi gibt es m nicht zensierte Werte. Diesewerden in aufsteigender Reihenfolge sortiert {tj, 1, …, m}. a=minn

i=1ai und b=maxni=1bi. Es wird angenommen, dass b>tm ist

(Abb. 1).

Die nicht-parametrische Überlebensfunktion ist eine empirischeSchätzung der bedingten Wahrscheinlichkeit S(t) = P{T > t | T > a},da keine Information über eine Nutzungsdauer T < a verfügbar ist.Weiterhin ist keine Information verfügbar für Alter größer b. S(t) istdann definiert für das Altersintervall [a, b] als Vektor von Sprüngens=(s1, s2, …, sm+1) mit

Σj=1m+1sj=1:

Die Ermittlung des Vektors s basiert auf der Arbeit von Turnbull [1].Zunächst werden für die n x (m+1)-Matrizen folgende Größen be-rechnet:

αij = ciΙ(tj > bi) + (1 – ci)Ι(tj = bi)βij = Ι(tj ≥ ai),

Danach erfolgt für die n x (m+1)-Matrizen die Berechnung folgen-der Werte:

Zum Schluss wird der (m+1)-Vektor ermittelt:

Mit der Anfangsschätzung s(0) = 1/(m+1) für jedes j und der Berech-nung von sj

(1) = Πj (s(0)) für jedes j, die sich bis sj(N) ≅ sj

(N-1) wiederholt,hat Turnbull nachgewiesen, dass eine in sich widerspruchsfreieBestimmung von s möglich ist. Abbildung 2 zeigt das entspre-chende Ergebnis für den untersuchten Datensatz mit Graugusslei-tungen. Das beobachtete Alter lag zwischen 25 Jahren (letzte Ver-legung im Jahr 1971, beobachtet 1995) und 153 Jahren (erste Ver-legung im Jahr 1855, noch in Betrieb im Jahr 2007).

Parametriertes Weibull-ModellDie Bestimmung der Überlebensfunktion S(t) mit einem parame-trischen Modell wird für eine theoretische Verteilung der Nutzungs-dauer T durchgeführt. In dieser Studie wurde die Weibull-Vertei-lung gewählt, die eine breite Anwendung in Zuverlässigkeits- und

s (t) = 1 for any t ∈ [a,t1[s (t) = 1 – s1 for any t ∈ [t1,t2[. . .s (t) = 1 – Σk=1

j sk any t ∈ [tj,tj+1[. . .s (t) = sm+1 for any t ∈ [tm,b]

Σk=1m+1 αik sK

αijsjμij =

Σk=1m+1 βik sK

(1 – βij)sjνij = ,

Σk=1m+1 Σi=1

n ei (μik + νik)Σk=1

n ei (μij + νij)πj(s) =

Nutzungsdaueranalysen von technischen Systemen gefundenhat. Die analytische Form der Weibull-Überlebensfunktion wirddurch zwei Parameter näher beschrieben, einen Skalierungspara-meter λ > 0 und einen Form-Parameter δ > 1, zusammengefasstim Parameter-Vektor θ = (λ δ):

Um „links abgeschnittene“ und „rechts zensierte“ Daten korrekt zubehandeln, werden die folgenden bedingten Überlebens- undWahrscheinlichkeitsdichtefunktionen verwendet:

Sθ(t | a) = Pr {T > t | T ≥ a} = Sθ(t)/Sθ(a)ƒθ(t | a) = –dSθ(t | a)/dt

Die Bestimmung des Parametervektors θ erfolgt mit der Maxi-mum-Likelihood-Methode, im vorliegenden Fall durch die Maxi-

Sθ(t) = exp �–� �δ�tλ

I

N

• ◦

• ◦

• ◦

• ◦

a t1 t2 t3 · · · tm b t

S (t)

1

1 − s1

1 − s1 − s2

...

sm+1

0

Abb. 1: Nicht-parametrische Überlebensfunktion

Que

lle: I

ngen

ieur

büro

Bau

r+K

ropp

20 40 60 80 100 120 140 160

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

t (age in years)

P{{T

>>t | T≥≥

25}}

Abb. 2: Nicht-parametrische Bestimmung der Überlebensfunk-tion nach Turnbull

Que

lle: I

ngen

ieur

büro

Bau

r+K

ropp

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| LESAM 2011

mierung der Likelihood-Funktion der kombinierten Wahrschein-lichkeiten der beobachteten Nutzungsdauern:

L(θ) = Πi=1

n ƒθ(bi | ai)ei (1–ci) sθ (bi | ai)eici

Abbildung 3 zeigt die große Übereinstimmung der parametriertenWeibull-Überlebensfunktion mit der nicht-parametrierten Schät-zung der Überlebensfunktion nach Turnbull. Die nicht-parame-trierte Schätzung hat den Vorteil, dass sie die reale Nutzungsdau-erverteilung abbildet, jedoch nur im bekannten Altersintervall [a,b].Aus diesem Grund empfiehlt sich zusätzlich die Bestimmung einerparametrierten Überlebensfunktion, z. B. nach Weibull oder Herz,um die Anteile erneuerter Leitungen vor dem Alter a und nach demAlter b abzuschätzen. Man kann den Prognosen außerhalb desbekannten Altersintervalls [a,b] vertrauen, wenn die parametrierteÜberlebensfunktion mit der nicht-parametrierten Funktion im be-kannten Altersintervall [a,b] weitgehend übereinstimmt.

Eine wichtige Frage bei der Analyse der Reha-Statistik bezieht sichauf den Grund für die Erneuerung von Leitungen, z. B. ob eine Er-neuerung vorrangig bei besonders störanfälligen Abschnitten durch-geführt wurde oder überwiegend koordiniert mit anderen Arbeitenim Straßenraum. Sollte diese Information nicht in der Reha-Statistikverfügbar sein, so bietet sich ein Vergleich der Schadensraten vonalten, bereits erneuerten Leitungen mit den Schadensraten der nochin Betrieb befindlichen Leitungen an. Abbildung 4 zeigt für den un-tersuchten Datensatz, dass die bereits erneuerten Leitungsabschnit-te eine höhere Schadensrate aufweisen als die in Betrieb befindlichenLeitungen. Die Kurven berücksichtigen in beiden Fällen ausschließ-lich die schadhaften Leitungen. Bei den noch in Betrieb befindlichenLeitungen sind fast 90 Prozent bis jetzt schadfrei, bei den bereits er-neuerten Leitungen waren es 77,6 Prozent. Der relative hohe Anteilan nicht schadhaften, aber schon erneuerten Leitungen weist ver-mehrt auf andere Gründe für die Rehabilitation der Leitungen hin.

AusblickDie vorgestellten Methoden zur Bestimmung der Nutzungsdaueranhand von Reha-Statistiken zeigen deutlich, dass eine Reha-His torie wertvolle Informationen zur Bestimmung der Nutzungs-

dauer liefern kann, insbesondere, wenn die Störanfälligkeit desLeitungsabschnitts nicht der vorrangige Grund für die Erneuerungwar. Darüber hinaus liefert der Zusammenhang zwischen Erneue-rung und leitungsscharfer Störanfälligkeit weitere Möglichkeitenzur Bestimmung der Überlebensfunktion der Nutzungsdauer, z. B.mit dem LEYP-Modell (Linear Extended Yule Process) zur Scha-densprognose von Le Gat [4,5].

In einem ausführlichen englischen Beitrag für den Tagungsbanddes kommenden LESAM 2011 wird diese zusätzliche Methode vor-gestellt und mit den hier vorgestellten beiden Methoden ver glichen.Der englischsprachige Beitrag enthält auch die Bestimmung derParameter der Überlebensfunktion nach Herz sowie die Anwendungder vorgestellten Methoden auf weitere reale Datensätze.

Literatur:

[1] B.W. Turnbull (1976): The empirical distribution function with arbitrarily grouped,censored and truncated data. Journal of the Royal Statistical Society. Serie B(Methodological), 38(3):290–295.

[2] Herz, R. (1995): Alterung und Erneuerung von Infrastrukturbeständen – Ein Ko-hortenüberlebensmodell. Jahrbuch für Regional-Wissenschaft, 14-15, pp. 5-29.

[3] Baur, R.; Herz, R. (2005): Erneuerungsstrategie und Prioritäten bei der Rehabi-litationsplanung von Rohrleitungsnetzen. DVGW. In: energie wasser praxis. 56,(2005) 5, 22-27.

[4] Y. Le Gat (2009): Une extension du Processus de Yule pour la modélisation sto-chastique des événements récurrents - Application aux défaillances de canali-sations d’eau sous pression. PhD thesis, Engref – Paris.

[5] Kropp, I., Le Gat, Y. And Poulton M. (2009): The application of the LEYP failureforecast model at the strategic asset management planning level, In Proc. of LE-SAM 2009, Miami.

Autoren:

Dipl.-Ing. Ingo Kropp (Ingenieurbüro Baur+Kropp), Yves Le Gat,PhD (Cemagref Bordeaux), Matthew Poulton, PhD (WTSim SARL)

Kontakt:

Dipl.-Ing. Ingo KroppIngenieurbüro Baur+KroppNieritzstr. 5, 01097 DresdenTel.: 0351 4824-531, Fax: 0351 4824-550E-Mail: [email protected]: www.baur-kropp.de n

0 50 100 150 200 250

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0.8

1.0

t (age in years)

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WeibullEmpirical

Abb. 3: Parametrisches Weibull-Modell (grün) und nicht-para-metrische Überlebensfunktion nach Turnbull (blau)

Que

lle: I

ngen

ieur

büro

Bau

r+K

ropp

0 2 4 6 8 10

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

l 77.6 %

→→ 106.5

l 89.9 %

→→ 49.6

Failure Rate (Failures/km/year)

Em

piric

al D

istr

ibution F

unction

DecommissionedIn service

Abb. 4: Vergleich der Schadensratenverteilungen für bereits erneuerte (rot) und in Betrieb befindliche (grün) Rohrleitungen

Que

lle: I

ngen

ieur

büro

Bau

r+K

ropp

Quelle: Christian Schwier – Fotolia.com

Dynamik von Anpassungsstrategien

der Wasserinfrastruktur

Die Planung von Anpassungsmaßnahmen der Wasserinfrastruktur an Klimawandel, Landnutzungs-

änderung und gesellschaftliche Entwicklung erfordert neue Überlegungen zur Berücksichtigung

der zeitlichen Dynamik.

D ie Infrastruktur der Wasserversorgungund Entwässerung in Mitteleuropa ist

gut ausgebaut. In Deutschland versorgenrund 6.000 Wasserversorgungsunterneh-men 99 Prozent der Bevölkerung mit Trink-wasser, in Österreich werden 87 Prozentder Einwohner von mehr als 5.000 Unter-nehmen versorgt. Auch in der Entwässe-rung ist der Ausbauzustand mit einem An-

schlussgrad von mehr als 90 Prozent in bei-den Ländern sehr gut. Es stellt sich also dieFrage, ob die notwendigen Investitionen indie Siedlungswasserwirtschaft nun abge-schlossen sind. Die Antwort ist klar: Nein.Die Infrastruktursysteme haben nun ein Altererreicht, in dem für eine Sicherung des der-zeit hohen Standards der Wasserver- und-entsorgung sowie für einen Werterhalt der

getätigten Investitionen eine effiziente Re-habilitierungsplanung notwendig ist. Die He-rausforderungen der nächsten Jahre in derSiedlungswasserwirtschaft werden sich alsovom Bau neuer Anlagen auf eine Erhaltungund Sanierung bestehender Anlagen ver-lagern. Für Deutschland wird der jährlicheInvestitionsbedarf dafür auf 17 Mrd. Eurofür das Jahr 2015 und auf 26 Mrd. Euro für

LESAM Spezial 2011 45

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das Jahr 2025 geschätzt [1]. Sollten dienotwendigen Investitionen nicht getätigtwerden, ist zum einen ein deutlicher Verlustim Servicelevel (z. B. Zunahme Ausfallzeitenund Wasserverluste, Umweltbelastung) undzum anderen ein Werteverlust von schongetätigten Investitionen zu erwarten.

Gleichzeitig kommen durch sich änderndeRandbedingungen (z. B. Klimawandel, Be-völkerungsentwicklungen, Landnutzungs-änderungen etc.) neue Herausforderungenauf die bestehenden Systeme zu. Nurdurch eine Koppelung der daraus notwen-digen Systemanpassungen mit Rehabilitie-rungsstrategien ist eine nachhaltige Ent-wicklung der Wasserinfrastruktur möglich.Die verschiedenen Einwirkungen auf dieWasserinfrastruktur sind dabei überauskomplex und vielfältig. So kann der Klima-wandel zu erhöhten Starkniederschlägen(mit erhöhter Belastung der Entwässe-rungssysteme) oder zu längeren Trocken-perioden (mit erhöhter Belastung der Was-serressourcen) führen. Des Weiteren ist esnotwendig zu wissen, ob – aufgrund derBevölkerungsentwicklung – eine Stagnati-on der Einwohner zu erwarten ist (alsogleichbleibender Bedarf und somit gleich-bleibende Kapazitäten) oder aber eine Er-

höhung oder Verringerung der Kapazitätennotwendig bzw. sinnvoll ist. Zur Bevölke-rungsentwicklung zählt dabei jedoch nichtnur die absolute Zu- oder Abnahme selbst,sondern auch die Entwicklung in der Be-völkerungsstruktur wie der Trend zu Ein-personenhaushalten oder ein verändertesVerhalten, wie beispielsweise die zuneh-mende Verwendung von wassersparen-den Armaturen und Geräten. Dabei gehenveränderte Verhaltensmuster nicht nur alszu berücksichtigende Randbedingung ein,sondern können unter Umständen durch-aus schon als Lösungsstrategie getestetwerden. Falsche Einschätzungen und Pla-nungen können zu Problemen im System-verhalten führen. Beispielsweise kann beiWasserversorgungsanlagen bei zu kleinenDurchmessern (zu geringe Kapazität) derBedarf nicht zur Verfügung gestellt werden,andererseits sinkt bei zu großen Durch-messern (zu große Kapazität) aufgrund zulanger Aufenthaltszeiten und der daraus re-sultierenden Wasserstagnation die Was-serqualität.

Derartige Fragestellungen werden derzeitim EU-FP7-Projekt „PREPARED – enab-ling change“ bearbeitet und sollen einenachhaltige Planung der Wasserinfra-

struktur unterstützen. Der Schwerpunktliegt dabei zum einen in einer integriertenBetrachtung verschiedener Wasserinfra-struktursysteme (Versorgung und Entsor-gung) und zum anderen in einer integrier-ten Betrachtung verschiedener Einfluss-faktoren (Klimawandel, Bevölkerungsent-wicklung, soziale Entwicklung). Dazu wirddas Softwarewerkzeug DAnCE4Water(Dynamic Adaptation for Enabling CityEvolution for Water) als strategischesPlanungswerkzeug entwickelt. Ziel ist es,eine Methodik zu schaffen, mit der vor al-lem verschiedene Anpassungsstrategienunter Berücksichtigung unterschiedlichs-ter Zukunftsprognosen getestet werdenkönnen. Besondere Beachtung findet da-bei die Dynamik in den erwähnten Ent-wicklungen. So sind nicht nur Systemzu-stände zu verschiedenen Zeitpunkten vonInteresse, sondern vor allem auch die zeit-lichen Abhängigkeiten in der Entwicklungder Systeme. Die Problemstellung „Waswollen wir erreichen?“ wird um die Frageerweitert „Wie kommen wir dorthin?“. Umdiese Fragestellungen zu beantworten,können mit DAnCE4Water verschiedens-te Was-wäre-wenn-Szenarien unter Be-rücksichtigung der komplexen Interaktio-nen zwischen dem urbanen Raum der

Quelle

: Ch. Ulrich

Abb. 1: Überstauim Mischsystem

im Jahr 2010(links) und im Jahr

2020 (rechts)

l Überstau Durchmesser [mm]

30092015400216027803400

Versiegelungsgrad [-]

< 1.0< 0.9< 0.8< 0.7< 0.6< 0.5< 0.4< 0.3< 0.20.0 < 0.1

Einwohner [Personen]

< 800< 720< 640< 560< 480< 400< 320< 240< 1600 < 80

Bevölkerung 2010 Bevölkerung 2020

Versiegelungsgrad 2010 Versiegelungsgrad 2020

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Quelle: C. Urich

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Wasserinfrastruktur sowie der Gesell-schaftsstruktur untersucht werden.

MethodikDas Softwarewerkzeug DAnCE4Water solles den Entscheidungsträgern ermögli-chen, die Auswirkungen verschiedener An-passungsstrategien auf zukünftige Ent-wicklungen auszutesten und möglicheProblemstellen zu identifizieren. Diesschließt explizit nicht nur technische An-passungen (z. B. Leitungsaustausch), son-dern auch eine konzeptionelle Anpassungdurch geänderte Regelungen und Verfah-ren sowie der gesellschaftlichen Strukturenein. Das Kernstück von DAnCE4Water bil-den dabei Module zur Abbildung von

• gesellschaftlichen Veränderungen,• Stadtentwicklung,• Infrastrukturentwicklung und Beurteilungder Leistungsfähigkeit der Wasserversor-gungs- und Entsorgungssysteme.

Das Modul zur Abbildung von Verände-rungen in der Gesellschaftsstruktur wirdin [2] detailliert beschrieben. Dabei wer-den Änderungen in der Verhaltensweiseder Bevölkerung simuliert sowie die Ak-zeptanz neuer Technologien berücksich-tigt. Das Modul zur Stadtentwicklungwird in [3] beschrieben und basiert aufdem Softwarepaket UrbanSim [4]. In [3]befindet sich ebenfalls eine Beschrei-bung des Moduls zur Infrastrukturent-wicklung, welches auf agentenbasiertenModellen aufbaut [5]. Zur Beurteilung derLeistungsfähigkeit der Systeme werdenSchnittstellen zu Berechnungsprogram-men für Wasserversorgung [6], Entwäs-serung [7] und integrierter Modellierung[8] bereitgestellt.

Durch eine Verknüpfung der Module kön-nen die verschiedenen Aspekte der Ent-wicklung wasserwirtschaftlicher Infrastruk-tur ganzheitlich betrachtet werden. So istes möglich, Problemstellen in neuer oderbestehender Infrastruktur, die beispielswei-se durch Stadtwachstum oder Klimawan-del auftreten können, zu identifizieren undwiederum die Rückkoppelung auf die wei-tere Entwicklung zu berücksichtigen. Inweiterer Folge können auch gesellschaftli-che Anpassungsstrategien (z. B. Verhal-tensänderungen durch Öffentlichkeitskam-pagnen) ausgetestet und der Einfluss aufdie Akzeptanz einer Anpassungsstrategiegetestet werden.

In einem ersten einfachen Beispiel kannanhand einer Fallstudie eines Entwässe-rungssystems im Mischverfahren die

grundlegende Funktionsfähigkeit des Mo-dells erläutert werden. Dazu wird ein be-stehendes System ausgehend vom Jahr2010 bis ins Jahr 2030 in die Zukunft ent-wickelt. Dafür werden in Zeitschritten voneinem Jahr bestehende Bevölkerungs-prognosen [9] im Stadtentwicklungsmodulräumlich übersetzt und entsprechendeneue Mischwasserkanäle integriert. Da-raus wird mittels hydrodynamischer Simu-lation im Modul zur Ermittlung der Leis-tungsfähigkeit die Überstauhäufigkeit be-stimmt. Abbildung 1 zeigt beispielhaft dasSystem für die Jahre 2010 und 2020 sowiedie überstauten Schächte bei einem Stark -regenereignis der Jährlichkeit 5.

Als Anpassungsstrategie wird in diesemBeispiel die Abkoppelung von Dachflächenvom Kanalsystem getestet. Dazu wird an-genommen, dass für alle neu bebautenFlächen im bestehenden System eineDachwasserversickerung vorgeschriebenwird. Durch einen Vergleich verschiedenerErneuerungsraten kann festgestellt wer-den, dass eine Erneuerungsrate von 5 Pro-zent in diesem Fall eine Systemverschlech-terung kompensieren kann.

Unsicherheiten und Inter-pretationEs ist offensichtlich, dass derartige Zu-kunftsprognosen mit hohen Unsicherhei-ten behaftet sind. Neben Unsicherheitenin den Randbedingungen, welche als Mo-delleingangsdaten wirken (z. B. Klimawan-delprognosen), hat auch die beschriebeneVorgangsweise selbst hohe Unsicherhei-ten (z. B. Prognose der Bevölkerungsent-wicklung). Während solche Unsicherheits-quellen mit statistischen Methoden undMonte-Carlo-Simulationen noch einiger-maßen einzuschätzen sind, kommen ge-rade bei der langfristigen Zukunftsprogno-se durch völlig unbekannte Entwicklun-gen, wie z. B. neue, derzeit noch nicht be-kannte Technologien, Unsicherheiten insSpiel, die nicht berücksichtigt werden kön-nen. Daher müssen die Ergebnisse auchentsprechend interpretiert werden. Diehier dargestellte Methodik soll nicht alsWerkzeug verstanden werden, mit demdie Zukunft eindeutig beschrieben werdenkann. Vielmehr dient sie dazu, das Sys-temverständnis zu verbessern und be-stimmte Entwicklungsszenarien auszutes-ten. Ein derartiges Szenario kann dabeihelfen, mögliche Konfliktpunkte in der Ent-wicklung aufzuzeigen, bleibt dabei aberals Szenario eine von unendlich vielen Ent-wicklungsmöglichkeiten. Dessen unge-achtet, kann durch die Verbesserung desSystemverständnisses dazu beigetragen

werden, Fehlplanungen zu verhindern undAnpassungsmaßnahmen nachhaltig zugestalten.

DanksagungDie dieser Arbeit zugrundeliegende For-schung wird gefördert durch das Projekt„PREPARED – enabling change“ im 7. Rah-menprogramm der Europäischen Union.

Literatur:

[1] Cashman, A. & R. Ashley: „Costing the long-termdemand for water sector infrastructure”. foresight,2008. 10 (3): S. 9-26.

[2] de Haan, J., B. Ferguson, R. Brown & A. Deletic:„A Workbench for Societal Transitions in WaterSensitive Cities”. In: 12th International Conferenceon Urban Drainage. 2011. Porto Alegre/Brazil.

[3] Urich, C., P. Bach, C. Hellbach, R. Sitzenfrei, K.M., M. D., A. Deletic R. W.: „Dynamics of cities andwater infrastructure in the DAnCE4Water model”.In: 12th International Conference on Urban Drai-nage. 2011. Porto Alegre/Brazil.

[4] Waddell, P., A. Borning, M. Noth, N. Freier, M. Be-cke & G. Ulfarsson: „Microsimulation of urban de-velopment and location choices: Design and im-plementation of UrbanSim”. Networks and SpatialEconomics, 2003. 3(1): p. 43-67.

[5] Urich, C., R. Sitzenfrei, M. Möderl & W. Rauch: „Anagent based approach for generating virtual sewersystems in the software VIBe”. Water Science &Technology, 2010. 62(5): p. 1090-1097.

[6] Rossman, L. A.: EPANET 2 user manual, 2000,National Risk Management Research Laboratory -U.S. Environmental Protection Agency: Cincinnati,Ohio.

[7] Rossman, L. A.: Storm Water Management Mo-del – User's Manual Version 5.0, 2008, NationalRisk Management Research Laboratory - U.S. En-vironmental Protection Agency: Cincinnati, Ohio.

[8] Burger, G., S. Fach, H. Kinzel & W. Rauch: „Parallelcomputing in conceptual sewer simulations”. Wa-ter Science and Technology, 2010. 61(2): p. 283-291.

[9] Hanika, A.: Kleinräumige Bevölkerungsprognosefür Österreich 2010-2030 mit Ausblick bis 2050,2010, Österreichische Raumordnungskonferenz.

[10] Arnbjerg-Nielsen: „Quantification of climatechange impacts on extreme precipitation usedfor design of sewer systems”. In: 11th Internatio-nal Conference on Urban Drainage. 2008. Edin-burgh, Scotland, UK.

Autoren:Dr. Manfred Kleidorfer, Dipl.-Ing. Christian Urich, Dipl.-Ing. Günther Leonhardt, Dr. Robert Sitzenfrei, Dr. Wolfgang Rauch

Kontakt:Universität InnsbruckInstitut für InfrastrukturTechnikerstr. 136020 InnsbruckÖsterreichTel.: +43 (0) 512 507 6934Fax: +43 (0) 512 507 9490 6934E-Mail: [email protected]: http://umwelttechnik.uibk.ac.at,http://www.dance4water.com n

I n einer Stellungnahme der DeutschenMeteorologischen Gesellschaft zur Kli-

maproblematik vom 9. Oktober 2007 wer-den die Veränderungen hinsichtlich des Nie-derschlags für die nächsten drei Jahrzehntein Deutschland wie folgt zusammengefasst:„Sommer trockener, Herbst und Winter nas-ser mit mehr Regen und weniger Schnee,Ergiebigkeit von Einzelereignissen deutlichhöher als bekannt“ [1]. Die Auswertung gilt

hinsichtlich des Niederschlags als verlässlichund nennt als Auswirkung „Überschwem-mungsgefahr“ aufgrund „u. a. unterdimen-sionierter Entwässerungssysteme“ [1].

Ein „demografischer Wandel“ bewirkt einenRückgang der Bevölkerung in Deutschlandmit einhergehender Verschiebung der Al-tersstruktur. Bis zum Jahr 2030 rechnet dasstatistische Bundesamt mit einem Rück-

gang der Bevölkerung um rund zehn Millio-nen Einwohner (rd. minus 13 Prozent). DerAnteil der Altersgruppe 60+ soll parallel mitca. einer Million doppelt so groß wie dieZahl Neugeborener sein. Die Umwandlungvon Freiflächen in Wohn-, Verkehrs- undGewerbeflächen hält trotz demografischenWandels mit zumeist einhergehendem Be-völkerungsrückgang unvermindert an. InNRW lag der Anteil der „verbrauchten“ Flä-

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Anpassungspotenziale der

konventionellen Regenwasser -

behandlung im Mischsystem an

Auswirkungen des Klimawandels

Wasserwirtschaftliche Infrastrukturen weisen lange Nutzungsdauern mit entsprechend langen

Abschreibungszeiträumen von mehreren Jahrzehnten bis hin zu über 100 Jahren auf. Die

Bemessung solcher Bauwerke muss daher geeignet sein, nicht nur heutigen, sondern auch

allen zukünftigen hydraulischen und stofflichen Belastungen standzuhalten, die erwartungsgemäß

wiederum insbesondere durch klimatische Veränderungen, aber auch durch Flächenversiegelung,

Abkopplungsmaßnahmen, demografische Wandelprozesse oder Eingriffe in das Entwässerungs-

system, wie z. B. eine Fremdwassereliminierung, geprägt werden.

che in Bezug zur gesamten Landesflächein 2007 bei ca. 22 Prozent – Tendenz stei-gend. Täglich kommen ca. 15 Hektar hinzu,was die abflussrelevante Fläche in Abhän-gigkeit vom Kanalanschluss des versiegel-ten Gebietes ebenfalls erhöhen kann.

Im hier als Beispiel betrachteten Falle der Re-genwasserbehandlung im Mischsystem er-geben sich daraus folgende Konsequenzen:

• Hinsichtlich stofflicher Aspekte ist zu er-warten, dass es in längeren Trockenwet-terperioden mit geringen Schmutzwas-serabflüssen verstärkt zu Kanalablage-rungen kommt, die dann im Falle desMischwasserabflusses remobilisiert wer-den können. Dies führt im Entlastungs-falle zu relativ hohen stofflichen Belastun-gen der aufnehmenden Gewässer, die indiesen Zeiten aufgrund von Niedrigwas-serführung besonders leistungsschwachsind. Klimawandelprozesse und die obengenannten Entwicklungen, aber auch einverändertes Verbrauchsverhalten der An-

wohner (wassersparende Technologien)sowie ein weiterhin erwarteter wirtschaft-licher Wandel (vom produzierenden Ge-werbe zur Dienstleistungsgesellschaft)können sich aus entwässerungstechni-scher Sicht bzw. stofflichen Aspekten un-günstig überlagern.

• Hinsichtlich der hydraulischen Belastungist aufgrund der Zunahme von Starkre-genereignissen eine häufigere Überlas-tung der Retentionskapazitäten mit Aus-trägen aus dem Entwässerungssystemzu erwarten. Diesbezüglich ist eine fort-währende Versiegelung von Freiflächenvon Relevanz, da ein punktuell erhöhterOberflächenabfluss bzw. Zufluss in denKanal möglich erscheint. Der schmutz-wasserbürtige Anteil erfährt aufgrund deszuvor skizzierten demografischen Wan-dels und des verminderten Trinkwasser-bedarfs eine Reduzierung.

Bei lokal sehr unterschiedlichen Ausprägun-gen dieser Einflüsse auf die Systeme ist einegrößer werdende Spanne zwischen hydrau-lischen Minderbelastungen der Entwässe-rungssysteme und zeitweiligen hydrauli-schen Überlastungen mit entsprechendemEinfluss auf stoffliche Aspekte des Misch-wassers zu erwarten. Krebs et. al [2] fassendies wie folgt zusammen: „[…] vor allem be-treffen die veränderten Bedingungen aberden Übergang vom Trocken- zum Regen-wetterbetrieb, weil erstens die Variationenausgeprägter werden und zweitens dieAuswascheffekte [3] gelöster und vor allempartikulärer Stoffe die Kläranlage deutlichhöher belasten“. Für den Planungsprozessist dabei zu beachten, dass oben skizziertePrognosen großräumiger Natur sind, dielokal sehr unterschiedlich sein können.Dies führt dazu, dass Prognosen der kli-matischen Entwicklung in einer Kleinräu-migkeit, wie sie ein Kläranlagen-(teil)ein-zugsgebiet darstellt, hinsichtlich räumlicherund zeitlicher Auflösung nach wie vor er-hebliche Unsicherheiten aufweisen. Hinzukommen die Wechselwirkungen der unter-schiedlichen genannten ebenfalls nur mitentsprechenden Unsicherheiten prognos-tizierbaren Entwicklungen. Schlussendlichkann eine konkrete Bauwerksplanung, dieaktuell auf Basis bemessungsrelevanter re-trospektiver Niederschlagsereignisse er-folgt, nur schwerlich auf einer solchen Ba-sis fußen. Eine Rechtfertigung möglicherAdaptationen auf Basis dieser mit großenUnsicherheiten behafteten Prognosen er-scheint problematisch. Aus diesem Grundwird in der Fachwelt ([4]; [5]; [6]) ein Bedarfan so genannten „flexiblen Systemen“ for-muliert, die eine nachhaltige Regenwas-serbehandlung gewährleisten und die sich

abzeichnenden Entwicklungen proaktivaufgreifen sollen. Im Folgenden sollen „fle-xible“ Regenwasserbehandlungssysteme/-elemente im Mischsystem identifiziertwerden. Zur Flexibilität im technischenKontext sind zwei Aspekte zu nennen:

• Fähigkeit von Modellen/Systemen, aufAbweichungen in der Eingabe oder inden Randbedingungen stabil zu reagie-ren (interner Faktor)

• Anpassungsfähigkeit an äußere Größen(externer Faktor)

Der interne Faktor beschreibt die Robust-heit der Behandlungsmaßnahme, d. h. ei-nen Funktionserhalt (stabile Reaktion) beivariierenden Zulaufbelastungen, und damitdie Notwendigkeit, dieses System/Bauwerküberhaupt anzupassen. Der zweite Faktorbezieht sich auf einen externen Eingriff, derzu erfolgen hat (und erfolgen kann!), wenndie Reaktion der Behandlungsmaßnahmeauf variierende Bedingungen instabil ist undsomit eine Anpassung erforderlich ist. In Ab-hängigkeit vom technischen und monetärenAufwand kann eine Aussage über die An-passungsfähigkeit einzelner Maßnahmen imBestand getroffen werden.

Im Rahmen des Forschungsvorhabens dy-naklim wurden vor diesem Hintergrund Ro-bustheit und Anpassungsmöglichkeitenverschiedener Anlagen zur Regenwasser-behandlung im Mischsystem erfasst undbewertet [7]. In Anlehnung an die Grund -anforderung einer Regenwasserbehand-lung, der Minimierung der Emissionen ausdem Gesamtsystem, wurde schwerpunkt-mäßig der Einfluss einer klimatisch beding-ten Mehrbelastung auf die Oberflächenge-wässer untersucht. Mit dem Leitbild einer„klimarobusten, nachhaltigen Regenwas-serbehandlung“ wurden mittels SWOT-Analyse die Stärken und Schwächen konventioneller Behandlungsmaßnahmenskizziert und maßnahmenorientierte „Ver-sagensmechanismen“ erarbeitet. SWOTist ein Akronym für Strengths, Weaknes-ses, Opportunities, Threats und wird vorallem in der Betriebswirtschaft als Grund-lage einer Strategieentwicklung genutzt.Auf Basis dieser Potenzialanalysen (S, W)können Chancen und Risiken (O, T) durchdie nicht zu beeinflussenden klimatischen,sozio-kulturellen, ökologischen und recht-lichen Entwicklungen hinsichtlich des fixier-ten Erfolgsfaktors (Klimarobustheit, Nach-haltigkeit) aufgezeigt und No-Regret-Maß-nahmen identifiziert werden. Die beidenwesentlichen Qualitätskriterien, die Ro-bustheit und die Anpassungsfähigkeit,wurden hierfür hinsichtlich der Hauptfunk-

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tion der Behandlungsanlagen analysiert.Um den Einsatz einer Maßnahme bei vonPrognosen abweichenden Entwicklungennicht zu bereuen (No-Regret), müssen die-se Hauptfunktionen auch bei qualitativ undquantitativ variierenden Belastungen reali-siert werden bzw. eine monetär und tech-nisch unkritische Aufrüstung möglich sein.Bei den verschiedenen Mischwasserbe-handlungstypen liegen, ergänzt nach Milke[8], folgende Hauptfunktionen vor:

• Sedimentationswirkung/„Klärwirkung“(weitergehende klärtechnische Maßnah-men)

• Speicherwirkung• Trennwirkung

Wesentliche Stellgrößen der drei Prozessesind der Drosselabfluss (Trennung), das Bau-werksvolumen (Speicherung) sowie die Bau-werksgeometrie (Sedimentation), wobei die

Sedimentation wie auch die „Klärwirkung“weitergehender Maßnahmen neben der Hy-draulik stark von der stofflichen Zusammen-setzung abhängt. Aus diesem Grund ist die-ser Parameter besonders sensitiv.

Neben den Stoffeinträgen bildet der Nieder-schlag die wesentliche Belastung des Sys-tems. In Abhängigkeit von deren Intensitätkönnen Niederschlagsereignisse nach [9] wiefolgt charakterisiert bzw. gruppiert werden:

• Niederschläge mit extrem hohen Intensi-täten (Häufigkeit n < 1/a); bei ihnen sinddie entlasteten bzw. eingeleiteten Nieder-schlagsmengen im Bezug auf den Ab-fluss im Gewässer groß.

• Kleine bis mittlere Niederschläge (Häu-figkeit n = 5/a bis 10/a); sie verursachenim Mischsystem kleine Entlastungsmen-gen mit relativ hohen Schmutzstoffkon-zentrationen.

• Über Tage anhaltende Niederschläge mitvernachlässigbaren Trockenzeiten da-zwischen; sie führen zu einer Erschöp-fung des Speicherraums, insbesondereauch in großen Entwässerungssyste-men, und verursachen Mischwasserein-leitungen von erheblichen Mengen.

Im Folgenden werden zwei der drei Nie-derschlagstypen nochmals konkret be-trachtet, um künftige niederschlagsbe-dingte Verschiebungen der Zulaufbelas-tungen und deren Konsequenz für die Re-genwasserbehandlungsmaßnahmen zueruieren. Typ 1, also Niederschläge extremhoher Intensität, die Sphären nicht bemes-sungsrelevanter Bereiche der Entwässe-rungssysteme (n < 0,33; n < 0,2) erreichen,werden im Folgenden bewusst ausge-grenzt. Zwar werden im Vorhaben dyna-klim durch die Entwicklung von Risiko -managementsystemen überflutungsge-fährdete Bereiche identifiziert und durchwassersensible Stadtentwicklungsmaß-nahmen Lösungsansätze skizziert [10], je-doch wird dieses Vorgehen an dieser Stellenicht thematisiert. Bei den Darstellungen(nach Ergebnissen von [11]) ist zu beach-ten, dass es sich lediglich um qualitativeVerläufe handelt und aus quantitativerSicht erhebliche Unterschiede bei ver-schiedenen Niederschlagsereignissen zuerwarten sind (Abb. 1).

Bei über Tage andauernden Niederschlä-gen kann es durch Erschöpfung des Retentionsvolumens zu erheblichen Men-gen an entlastetem Mischwasser kommen.Der schmutzfrachtorientierte Gesamtwir-kungsgrad kann bei solchen Ereignissentrotzdem relativ hoch ausfallen, da eine gro-ße Menge über die Drossel Richtung Klär-anlage abgeführt wird (Trennung). Des Wei-teren ist hinsichtlich der CSB-Zulaufkon-zentration ein verhältnismäßig stabiler Ver-lauf (Spannbreite) zu erwarten. Je nachSchmutzvorrat in überliegenden Kanalhal-tungen (geringerer Trockenwetterabfluss,Trockenperioden) könnte die anfangs zu er-wartende stoffliche Zulaufbelastung jedochentsprechend steigen (siehe Fall 2). Bei die-sem Niederschlagstyp dominiert somit vorallem der punktuell über die Drossel abge-führte Mischwasseranteil, also die Trenn-wirkung. Ein bauwerksbezogener Trenn -erfolg durch lokale Weitergabe eines defi-nierten Drosselabflusses kann eine steteund optimierte Reinigung auf der Kläranla-ge ermöglichen. Dies offeriert den Ansatzeiner adaptiven Erhöhung des bauwerks-spezifisch weitergeleiteten Volumenstromsbzw. aus integraler Sicht eines erhöhtenMischwasserzuflusses zur Kläranlage.

Abb. 1: Qualitativer Verlauf der schmutzfrachtorientierten Teilwirkungsgradanteile und derCSB-Konzentration des Mischwassers im Zulauf für Niederschlagsereignis Typ 3 (Fall 1)

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Entlastungsbeginn

Dauer des Niederschlagsereignisses [h]

Schmutzfrachtorientierter Wirkungsgrad [%

]

Zulaufkonzentration CSB [m

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Abb. 2: Qualitativer Verlauf der Wirkungsgradanteile und der CSB-Konzentration desMischwassers im Zulauf für Niederschlagsereignis Typ 2 (Fall 2)

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Entlastungsbeginn

Dauer des Niederschlagsereignisses [h]

Schmutzfrachtorientierter Wirkungsgrad [%

]

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Trennung + Sedimentation + Speicherung --------Trennung + Sedimentation -------- Trennung --------Zulaufkonzentration CSB [mg/l] n

Trennung + Sedimentation + Speicherung --------Trennung + Sedimentation -------- Trennung --------Zulaufkonzentration CSB [mg/l] n

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Da in urbanen Regionen eine additive Volu-menvorhaltung zumeist begrenzt ist, kannder Volumenkörper durch gezielte Abfluss-steuerungen (lokal, Verbund), vorausgesetztfreie Kapazitäten unterliegend, optimiertausgenutzt und auf variierende Zuflüssestabil reagiert werden. Durch einen Eingriffin die Steueralgorithmen können Steuerzielenachträglich korrigiert bzw. angepasst wer-den (Anpassungsfähigkeit). Zwar kanndurch diese erhöhte Zwischenspeicherungdes Abwassers im Mischsystem (Speicher-/Trennerfolg) punktuell eine erhöhte Robust-heit bei hydraulischen Spitzen ermöglichtwerden, jedoch ist eine mangelnde Reini-gungsleistung auf der Kläranlage durch dieVerdünnungseffekte zu erwarten.

Abbildung 2 skizziert den qualitativen Ver-lauf von Niederschlagsereignissen mittlererIntensität (Typ 2), die im Vergleich zu denzuvor dargestellten Mischwasserereignis-sen zu geringen Entlastungsmengen füh-ren. Aufgrund „turbulenter“ Zulaufbedin-gungen werden jedoch Ablagerungenoberliegender Haltungen verstärkt remobi-lisiert und die CSB-Zulaufkonzentrationsteigt entsprechend an (siehe Verlauf/Spannbreite). Es zeigt sich ein schneller Ab-fall des prozentualen Anteils der Trennwir-kung, da der zufließende Anteil deutlichgrößer als der Drosselabfluss ausfällt. Beivergleichsweise geringer punktueller Ablei-tung überwiegt in der Einstau- und Entlas-tungsphase der „sedimentative Einfluss“auf das Mischwasser. Der Speichereffekttritt bei Annahme einer Plug-Flow-Strö-mung wie im Beispiel zuvor lediglich amEnde des Niederschlagsereignisses ein.Der Funktionserhalt einer Sedimentations-bzw. Klärwirkung bei variierenden hydrauli-schen Zulaufbelastungen ist jedoch nichtsichergestellt. Die für einen kritischen Zulaufausgelegten Verfahren erfüllen ihre Funktionin diesem definierten Rahmen, sodass beihydraulischen Spitzen deren Einfluss be-grenzt ist. Der Sedimentationserfolg undder Einfluss klärtechnischer Maßnahmenu. a. auf zuvor thematisierte stofflich höhereZulaufbelastungen durch remobilisierte Ab-lagerungen hängen ebenfalls von der Grö-ßenverteilung und den Absetzeigenschaf-ten dieser partikulären Stoffe ab. Falls esnach Trockenperioden zu einer Überlas-tung der Mischwasserretentionskapazitä-ten kommt, kann der Anteil remobilisierterKanalablagerungen die emittierte Schmutz-fracht entscheidend prägen. Der Einflusseiner stofflichen Mehrbelastung durch re-mobilisierte Ablagerungen zu Beginn desEreignisses könnte durch eine betrieblicheFlexibilität, einen Einsatz von Schwallspü-lungen oder aber den vermehrten Einsatz

von Speicherkammern zwischen Drossel-und Überlaufbauwerk bei Sedimentations-bauwerken (Durchlaufbecken und SKO, al-so Verbundbauwerke), wie nach [12] emp-fohlen, reduziert werden.

Fazit – Flexibilität der Regen -wasserbehandlungsmaßnahmenim MischsystemEs ist festzuhalten, dass in Abhängigkeitvon einer künftigen Verschiebung der Nie-derschlagscharakteristik differente bau-werksspezifische Anpassungsbedarfe vor-liegen. Die Ausprägung der drei Teilkom-ponenten des schmutzfrachtorientiertenGesamtwirkungsgrades ist bei den ver-schiedenen Niederschlagsereignistypensehr different. Während die Speicher- undTrennwirkung stetig volumenbedingt be-grenzt erfolgen, ist ein Funktionserhalt derSedimentation bzw. Klärung bei variieren-den Zulaufbelastungen nicht gegeben. DesWeiteren kann sich eine volumenorientierteAnpassung ggf. negativ auf stoffliche As-pekte und eine optimierte Klärwirkung(eventuell Rückstau provoziert) ggf. negativauf hydraulische Aspekte auswirken. Zwargewährleisten volumenorientierte Anpas-sungen eine gewisse hydraulische Robust-heit, jedoch stehen dem ein erhöhter in ur-banen Regionen zumeist begrenzter Platz-bedarf und eine mangelnde Anpassungs-fähigkeit im Bestand entgegen. Vor allemstoffliche Aspekte bzw. deren Einfluss aufdie Vorfluter, aber auch hydraulische Ein-flüsse könnten für mittlere Ereignisse durchbetriebliche Maßnahmen gezielt reduziertwerden.

Es zeigt sich, dass eine pauschalisierte Anpassung der Bemessungsgrundlagenbzw. eine universale Lösungskonzeption zuvermeiden ist. Mit Unsicherheiten behafteteEingangsdaten bei der Impact-Modellie-rung (siehe [6]) und Bandbreiten künftigerEntwicklungen erfordern vielmehr ein ein-zugsgebietsspezifisches Szenarienmana-gemenent, das bei einer Maßnahmenfin-dung Zeithorizont und monetäre Aspekteberücksichtigt. Mit dem Ziel der Entwick-lung von Konzepten zur nachhaltigen Be-wirtschaftung des lokalen Wasserhaushaltsverfolgt dynaklim einen interdisziplinärenAnsatz, der die verschiedenen Akteure ausWissenschaft, Politik und Verwaltung sowieZivilgesellschaft und Wirtschaft integriert.Das Verbundprojekt wird im Rahmen desProgramms „Klimawandel in Regionen zu-kunftsfähig gestalten“ (KLIMZUG) des Bun-desministeriums für Bildung und For-schung (BMBF) über fünf Jahre gefördert.Weitere Informationen und Lösungsansät-ze finden Sie unter www.dynaklim.de.

Literatur:

[1] DEUTSCHE METEOROLOGISCHE GESELL-SCHAFT DMG (2007): Stellungnahme der Deut-schen Meteorologischen Gesellschaft zur Klima-problematik, 09.10.2007. Quelle: http://www.dmg-ev.de/gesellschaft/stellungnahmen/Klimastatement_dmg_2007_09_10_c2.pdf (30.03.2010, 12:30)

[2] KREBS, P. (2011): Siedlungsentwässerungskon-zepte und Klimawandel. Beitrag auf 44. EssenerTagung für Wasser-und Abfallwirtschaft, Aachen

[3] KREBS, P. (2000): Stofftransport in der Siedlungs-entwässerung. Dresdener Berichte, Band 16, pp.85-108. Institut für Siedlungs- und Industriewas-serwirtschaft, TU Dresden

[4] SCHMITT, T. G. (2011): Risikomanagement anstattSicherheitsversprechen — Paradigmenwechselauch im kommunalen Überflutungsschutz? KAKorrespondenz Abwasser, Abfall 2011 (58) Nr. 1,Kaiserslautern

[5] EUWID (2010): Kommunen müssen auf Maßnah-men mit flexiblen Maßnahmen reagieren. Jahrgang13 (Heft 41).

[6] PECHER, K. H. (2011): Künftige Bemessung vonKanalisationen. KA Korrespondenz Abwasser, Ab-fall 2011 (58) Nr. 2, Erkrath

[7] SIEKMANN, T. (2011): Anpassungsmöglichkeitender konventionellen Regenwasserbehandlung imMischsystem an Auswirkungen des Klimawandels(nicht veröffentlicht), Aachen

[8] MILKE, H. (2003): Konstruktion und Gestaltungvon Anlagen der zentralen Regenwasserbehand-lung (Schwerpunkte der Anwendung des neuenArbeitsblattes A 166 und Merkblattes M 176). TAHannover Newsletter 2006/03, Hannover

[9] BWK Bund der Ingenieure für Wasserwirtschaft,Abfallwirtschaft und Kulturbau (2006a):BWK-Merkblatt 3. Ableitung von immissionsorientiertenAnforderungen an Misch- und Niederschlagswas-sereinleitungen unter Berücksichtigung örtlicherVerhältnisse. Fraunhofer IRB Verlag. 3. Auflage,Stuttgart

[10] SIEKMANN, M. (2011a): Strategisches Konzeptzur Bewertung der Vulnerabilität in Siedlungsräu-men. Beitrag auf 44. Essener Tagung für Wasser-und Abfallwirtschaft, Aachen

[11] MÜLLER, K. ET AL. (2004): Untersuchungenzum Entlastungs- und Betriebsverhalten von ge-steuerten Stauraumkanälen mit mittiger Entlas-tung. Abschlussbericht zum MUNLV For-schungsvorhaben. Nicht veröffentlicht, Aachen

[12] ATV (1999): ATV-Arbeitsblatt 166. Bauwerke derzentralen Regenwasserbehandlung und -rück-haltung, Hennef

Autoren:Thomas SiekmannForschungsinstitut für Wasser-und Abfall-wirtschaft an der RWTH Aachen FiW e.V.52056 AachenMies-van-der-Rohe-Str. 17Tel.: 0241 802-7977Fax: 0241 802-2825E-Mail: [email protected] Internet: www.fiw.rwth-aachen.de

Dr. Karsten MüllerForschungsinstitut für Wasser-und Abfall-wirtschaft an der RWTH Aachen FiW e.V.52056 AachenMies-van-der-Rohe-Str. 17Tel.: 0241 802-7977Fax: 0241 802-2825E-Mail: [email protected]: www.fiw.rwth-aachen.de n

Der Carbon Footprint von

Prozessen und Anlagen

in der Wasserwirtschaft

Die sondergesetzlichen Wasserverbände in Nordrhein-Westfalen

befassen sich traditionell mit der Optimierung der von ihnen verant-

worteten Aktivitäten in wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Hin-

sicht. Im Rahmen des von ihnen gestarteten Projektes „Carbon Footprint in

der Wasserwirtschaft“ wurde eine Systematik zur Bilanzierung von Anlagen und

Prozessen hinsichtlich der CO2-Emissionen erarbeitet. Diese Bilanzierungsmethodik

soll die Einführung von ressourcen- und energiesparender Technik unterstützen sowie

die nachhaltige Entwicklung der Wasserwirtschaft aufzeigen. Im Folgenden

wird die Bilanzierungsmethodik anhand der Prozesse Kläranlage,

Pumpwerk und Gewässer dargestellt.

D ie Anforderungen an den Umwelt-schutz, insbesondere im Bereich

der Abwasserreinigung, sind in den letztenJahren stetig gestiegen. Die aktuelle Dis-kussion über die Elimination von Spuren-stoffen zeigt dies deutlich. Dass aber auchin der Wasserwirtschaft klimaschädlicheTreibhausgase entstehen, ist lange Zeitunbeachtet geblieben. Tatsächlich wirktsich der Betrieb wasserwirtschaftlicherAnlagen nicht nur durch den Verbrauchfossiler Energieträger auf den Klimawandelaus. Verursacht durch biogene Abbaupro-zesse entstehen ebenfalls deutlich stärkerwirkende Klimagase. In der öffentlichenWahrnehmung ist seit Längerem bekannt,dass durch den Verbrauch fossiler Ener-gieträger in Kraftwerken zur Stromerzeu-gung, den Betrieb von Heizungsanlagenund durch immer stärkeres Verkehrsauf-kommen weltweit jedes Jahr erheblicheMengen an CO2 in die Atmosphäre gelan-gen. Durch biogene Abbauprozesse, ins-besondere auf Kläranlagen, entstehenebenfalls die Treibhausgase Lachgas (N2O)und Methan (CH4), welche um den Faktor298 bzw. 25 klimaschädlicher als CO2sind. Alle bekannten Treibhausgase wer-den auf das Treibhausgas CO2 als Refe-renzgas normiert. Diese Normierung be-schreibt die Klimawirksamkeit eines Gasesund wird als Global Warming Potential

(GWP) bezeichnet [1]. Danach wird demKohlendioxid für das GWP der Wert „1“zugemessen. Um diesen normierten CO2-Ausstoß verursachergerecht zu bilanzie-ren, wurde der Carbon Footprint (CF) ent-wickelt. Der CF zeigt das Treibhaus po -tenzial (GWP) eines Landes, einesUnternehmens oder eines einzelnen Pro-dukts während einer festgelegten Zeit-spanne auf. In der Regel umfasst der CFdie gesamte Lebensdauer eines Prozes-ses oder Produktes – einschließlich derspäteren Verwertung oder Entsorgung.Die Ermittlung des CF beschreibt der Leit-faden Publicly Available Specification (PAS)2050 [2] und erfolgt mittlerweile weltweitfür eine Vielzahl von Prozessen und Pro-dukten. Bilanziert werden heute jedochvornehmlich Dienstleistungen und kom-merzielle Produkte, eine umfassende Be-wertung des wasserwirtschaftlichen Auf-gabenfeldes ist bisher noch in den Ansät-zen.

Sehr häufig wird der CF heute von Unter-nehmen eingesetzt, um die Aktivitäten zumKlimaschutz zu dokumentieren. Der Ver-gleich des Carbon Footprint verschiedenerAktivitäten ist aber oft vom Produkt abhän-gig und daher problematisch. Im vorliegen-den Fall wird angestrebt, den Carbon Foot-print (CF) in die Planung zukünftiger Maß-

nah-menund die Do-kumentation derEntwicklung des Car-bon Footprint einzelner An-lagen einzubeziehen.

KläranlagenInternational hat es in den letzten JahrenBemühungen gegeben, den Einfluss desWassersektors auf den Klimawandel zuquantifizieren. Insbesondere die in der Ab-wasserentsorgung bzw. -reinigung biogengebildeten Gase N2O und CH4 können sichauf Grund des hohen GWP stark auf denCF auswirken. Auf Kläranlagen wird N2Ounter bestimmten Betriebsbedin-gungen bei der Stickstoffeli-mination sowohl wäh-rend der Nitrifikation alsauch bei der Denitrifi-kation gebildet. Nitrifi-kanten können unterSauerstoffmangel Nitritals Sauerstoffquelle nutzen,wodurch N2O gebildet wird.Bei der Denitrifikation ist N2O einZwischen produkt der Reduktions-kette zu N2. Unter inhibitierenden Ein-flüssen wie Restsauerstoff, Kohlenstoff-

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Quelle: gem

enacom– Fotolia.com

LESAM Spezial 2011

Abb. 1: Intermediate des biologischen Stickstoffkreislaufes

Quelle: [3]

LESAM Spezial 2011 53

mangel oder Vorliegen toxischer Substan-zen (z. B. Sulfid) wird NO2- nicht vollständigzu N2 reduziert (Abb. 1). Als Folge steigendie Emissionen an N2O deutlich an [3]. Un-tersuchungen großtechnischer Anlagenhaben gezeigt, dass unter ungünstigenBedingungen bis zu 14,6 Prozent des or-ganischen Stickstoffs und des Ammoni-ums (NH4) (Total Kjeldahl Nitrogen (TKN))zu N2O umgesetzt werden können [4]. AufGrund der geringen Erfahrungen bei derCF-Bilanzierung und der Vielzahl von Ein-flussgrößen existiert bisher noch kein um-fassendes parameterabhängiges Bilanzmo-dell. Eine aktuelle Richtlinie des niederländi-schen Ministeriums für Bau, Raumplanungund Umwelt (VROM) geht von einer durch-schnittlichen Umsetzung von einem Prozentder TKN-Fracht zu Lachgas aus [5]. Mes-sungen an drei Kläranlagen unterschiedli-cher Ausbaugrößen haben jedoch gezeigt,dass dieser pauschale Ansatz, ohne Be-rücksichtigung der Einflussparameter, dietatsächlichen Emissionen nur ungenau wi-derspiegelt. Tatsächlich wurden in dem Vor-haben der niederländischen Stiftung für an-gewandte Wasserforschung (STOWA) dreiKläranlagen der Ausbaugrößen 40.000,100.000 sowie 360.000 Einwohner hin-sichtlich möglicher Emissionen untersucht.Hierbei wurden, bezogen auf die Stickstoff-fracht im Zulauf, N2O-Emissionen zwischen0,04 und 0,42 Prozent gemessen. Bei einerweiteren sechstägigen Messreihe auf der

Kläranlage Kralingseveer (360.000EW) konnten jedoch

durchschnittlicheEmissionen von6,1 Prozentnachgewiesenwerden [6].

Die kontrollierte Bil-dung von CH4 in Faul-behältern ist auf Kläran-lagen im Rahmen derenergetischen Selbst-versorgung ein gezielt

betriebener Prozess. Faul-gasverluste durch Diffusion,

undichte Leitungen oder währendInertisierungsspülungen können denCF dennoch ungünstig beeinflussen. In-ternationale Messungen an anaerobenStabilisierungsanlagen haben gezeigt,dass hierdurch bis zu zehn Prozent derKlärgasproduktion an die Atmosphäre ab-gegeben werden können [7]. Unkontrollierttreten CH4-Emissionen auch vermehrt un-ter an aeroben Bedingungen bei Tempe-raturen über 15 C auf. Neben der ana-eroben Abwasserbehandlungsstufe und

der Klärschlammstabilisierung sind Vorklär-becken und Verfahren zur biologischenPhosphorelimination potenzielle Emissi-onsquellen. Ebenso kann CH4 in offen aus-geführten Vor- und Nacheindickern in nichtunerheblichem Maß freigesetzt werden.Theoretisch könnte so im Abwasserreini-gungsprozess stöchiometrisch 1 g CH4 aus4 g CSB gebildet werden. Der Leitfadendes VROM geht davon aus, dass real etwa0,8 Prozent des CSB unkontrolliert wäh-rend der Abwasserreinigung zu CH4 umge-setzt werden. Diese Größenordnung konn-te bei Messungen an unterschiedlichen An-lagen in den Niederlanden bestätigt werden[6].

Im Abwasserreinigungsprozess gebildetesCO2 hingegen wird nicht als klimaschädlichbewertet, da es nicht fossilen Ursprungsist und einen zeitnahen Kreislauf schließt.Neben den direkten Emissionen haben diemittelbaren CO2-Emisionen durch den Ver-brauch fossiler Energieträger in Form vonelektrischer Energie und Erdgas, den Ein-satz von Flockungs- und Fällmitteln sowieden weiteren Betrieb, z. B. von Transport-fahrzeugen, Einfluss auf den Carbon Foot-print. Aber auch die bei der thermischenVerwertung des Klärgases und Faul-schlammes entstehenden Abgase enthal-ten CH4 und N2O.

Die Systemgrenzen zur CF-Bilanzierung ei-ner kommunalen Kläranlage werden ein-deutig auf die ökologisch klimatischenAuswirkungen der Abwasserreinigungfestgelegt. Soziale sowie ökonomische As-pekte werden hierbei nicht berücksichtigt.Eingangspunkt der Bilanzhülle ist die Über-nahme des Abwassers einschließlich allerenthaltenen Frachten am Zulaufbauwerk.Grenze der Bilanzhülle bezüglich des Was-serpfades ist die Übergabe des Wassersim Ablauf zum Vorfluter. Emissionen außer-

halb dieser Übergabepunkte (Kanalisation,Gewässer) werden für den BilanzraumKläranlage nicht berücksichtigt. Alle Pro-zesse innerhalb des Bilanzraumes werdengewichtet und in der CF-Bilanz berück-sichtigt (Abb. 2). Hierzu zählen alle direktenEmissionen aus den Reinigungsstufen undder Schlammbehandlung sowie der Klär-gasverbrennung und Faulschlammentsor-gung. Weiterhin werden als indirekte Emis-sionen der Verbrauch an fossilen Energie-trägern in Form von elektrischer Energiesowie an Primärenergieträgern berück-sichtigt. Ebenfalls zu den indirekten Emis-sionen wird der Verbrauch an Betriebsmit-teln wie Fäll- und Flockungsmitteln sowieweiterer Verbrauchsmaterialien gezählt.Unter Berücksichtigung international ver-öffentlichter aktueller Emissionskennzahlenkann für eine Kläranlage mit 100.000 Ein-wohnern überschlägig von einer jährlichenCO2-Emission von 7.000 t bzw. 71 kg proEinwohner ausgegangen werden. Diesentspricht etwa einer PKW-Fahrt von 350Kilometern. Im direkten Vergleich verursa-chen hierbei die unmittelbaren Emissionenin Form von N2O und CH4 deutlich über 50Prozent der gesamt CO2-Bilanz einer kom-munalen Kläranlage.

Die Sensitivität der CO2-Bilanz allein auf dieN2O-Emissionen wird deutlich, wenn derEmissionsfaktor der NiederländischenRichtlinie des VROM mit der Schwan-kungsbreite aktueller Messungen vergli-chen wird (Abb. 3). Geringe N2O-Emissio-nen (0,004 Prozent des TKN) senken denCF der Modellkläranlage um 25 Prozentbzw. 1,8 t CO2 pro Jahr. Wird die N2O-Bil-dung jedoch begünstigt, hier als Beispielmit 6,1 Prozent des TKN, steigt der CF um9,6 t CO2 pro Jahr. Dies entspricht einerErhöhung der Gesamtemissionen um denFaktor 2,3. Entsprechender Forschungs-bedarf ergibt sich daher noch, um be-

Der biologische N-Kreislauf

� Aerobe Ammonium-Oxidation� Aerobe Nitrit-Oxidation Nitrifikation� Nitrat-Reduktion zu Nitrit� Nitrit-Reduktion zu Stickstoffmonoxid� NO-Reduktion zu Distickstoffmonoxid Denitrifikation� N2O-Reduktion zu N2� Stickstofffixierung (bei ARA meist nicht relevant)

��

¸˝˛

¸˝˛

N2

NO3-

NO

NO3-

NH4+

N2O

N2ONO

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| LESAM 2011

triebsbedingte Einflusse in den Emissions-faktoren zu berücksichtigen.

Pumpwerke Der CF wasserwirtschaftlicher Pumpwerkeist in erster Linie durch den Betrieb undden damit verbundenen Energieeinsatzgekennzeichnet. Zu den Verbrauchernkönnen neben den Pumpen auch periphe-

re Anlagenteile wie z. B. Rechen, Sandfangoder Heizungsanlagen zählen. Einfluss hie-rauf haben der zu fördernde Volumenstromsowie die geodätische Förderhöhe. Wei-terhin sind anlagenspezifische Kenngrößenwie der Pumpenwirkungsgrad sowieDruckverluste in den Leitungen signifikantfür den spezifischen Energiebedarf. Nebendem eigentlichen Betrieb des Pumpwerks

ergeben sich CO2-äquivalente Emissionenaus den Instandhaltungsarbeiten durch dieAn- und Abfahrten des Betriebspersonalsbei Wartung und Instandhaltung, den Ein-satz benötigter Materialien und je nachPumpwerk die Entsorgung angefallenerAbfallstoffe wie z. B. Rechengut. Um denCF eines Pumpwerks gewichten zu kön-nen wird dieser auf die funktionelle Einheitm³ gefördertes Wasser pro Meter Förder-höhe normiert. Hierbei erfolgt eine Eintei-lung in die Nutzungsklassen Abwasser-,Mischwasser-, Niederschlags- und Grund-wasserhaltungspumpwerk (Abb. 4).

Gewässer und TalsperrenDie Bewirtschaftung von Gewässern undTalsperren unterscheidet sich maßgeblichvon anderen wasserwirtschaftlichen Pro-zessen, aufgrund der starken Abhängigkeitvon naturräumlichen Gegebenheiten undden Nutzungsarten. Methodische Ansätzezur CF-Bilanzierung sind für diese beidenSysteme bisher kaum bekannt. Wie im Bi-lanzraum Kläranlage müssen die SystemeGewässer und Talsperren anhand der was-serwirtschaftlichen Kernfunktionen zu-nächst definiert und Prozesse zugeordnetwerden. Dieser Arbeitsschritt stellt sich aufGrund der besonderen Abhängigkeit vonden naturräumlichen Gegebenheitenschwierig dar, weil möglichst Prozesse

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2.000

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2O hohe N2OEmissionen

2

18.000

Verwaltung und Transport

Indirekte EmissionenBetriebsmittelverbrauch

EmissionenFaulgasverbrennung

EmissionenKlärschlammverbrennung

EmissionenSchlammbehandlung

EmissionenAbwasserreinigung

Stromverbrauch

VROM Standard geringe NEmissionen

CO

-Em

issi

one

n [k

g/a

]

Abb. 3: Vergleich unterschiedlicher N2O-Emissionsfaktoren auf den Carbon Footprinteiner kommunalen Modellkläranlage

Quelle: FiW e.V.

CO2E

Abfall

Energieeinsatz Mitteleinsatz

indirekte EmissionenEnergieverbrauchCO2E

CO2E24 N OCH

direkte Emissionen

• Strippung Gase aus der Kanalisation

Einlaufbauwerk Mechanische Reinigung Biologische Reinigung Anaerobe Klärschlamm-stabilisierung

Faulgasnutzung

Schlammentsorgung

Verwaltung

Entsorgung

• Filtration von Grobstoffen• Sedimentation von Feststoffen• Sedimentation von organischen Feststoffen

• Nitrifikation• Denitrifikation• Fällmitteleinsatz

• Klärschlammeindickung• Anaerobe Stabilisierung• Faulgaserzeugung• Faulschlammentwässerung

• Faulgasverbrennung in BHKW

• Faulschammverbrennung• Landwirtschaftliche Nutzung

• Betriebsgebäude• Transportprozesse• Instandhaltung

Abb. 2: Bilanzhülle für den Carbon Footprint einer kommunalen Kläranlage mit anaerober Klärschlammstabilisierung

Quelle: FiW e.V.

LESAM Spezial 2011 55

festzulegen sind, die für alle Betreiber zu-treffen. Er ist aber unerlässlich für einenaussagekräftigen CF, der mit zukünftigenWerten sowie mit anderen Anlagen vergli-chen werden kann. Eine Vergleichbarkeitist nur unter homogenen Randbedingun-gen oder bei Betrachtung von Einzelpro-zessen gewährleistet. Es ist sinnvoll, imRahmen einer Grobanalyse zunächst diewesentlichen Material- und Energiemen-gen den Prozessen zuzuteilen und Um-weltbelastungen abzuschätzen. Anhandder daraus gewonnenen Erkenntnissekönnen die relevanten Prozesse für eineDetailanalyse identifiziert werden. Es ist zuerwarten, dass der größte Anteil des CFder Gewässer- und Talsperrenbewirtschaf-tung durch den Treibstoffverbrauch infolgevon Transportprozessen (z. B. Abtransportvon Pflanzenresten) und den Energiever-brauch (z. B. Pumpwerke, Verwaltungsge-bäude) verursacht wird. Aber auch die

Bauphase von Talsperren ist auf Grund derenormen Größe dieser Bauwerke bei derCF-Bilanzierung wahrscheinlich nicht zuvernachlässigen, auch wenn die Minde-rungspotenziale vorrangig bei den betrieb-lichen Prozessen zu sehen sind. Aus Ge-wässern sind grundsätzlich auch direkteTreibhausemissionen aufgrund anthropo-gener Einflüsse und Nährstoffeinträgemöglich. Um diese Emissionen quantifizie-ren zu können, müssten noch entspre-chende Untersuchungen durchgeführt wer-den. Der erkennbare Dokumentations-,Forschungs- und Optimierungsbedarf wirddurch die agw – Arbeitsgemeinschaft dersondergesetzlichen Wasserverbände inNRW aktuell in einer Kooperation des For-schungsinstituts für Wasser- und Abfall-wirtschaft an der RWTH Aachen (FiW) mitdem IWW Zentrum Wasser Mülheim iden-tifiziert und angegangen.

Literatur:

[1] Solomon, S., et al.: Climate Change 2007: ThePhysical Science Basis, in IPCC Fourth Assess-ment Report. 2007, IPCC: Cambridge, New York.

[2] BSI: Publicly Available Specification PAS 2050Specification for the assessment of the life cyclegreenhouse gas emissions of goods and services.2008, British Standards Institution: London.

[3] Kampschreur, M.J., et al.: Nitrous oxide emissionduring wastewater treatment. water research,2009. 43: S. 11 ff.

[4] Wicht, H., Beier M.: N2O-Emissionen aus nitrifizie-renden und denitrifizierenden Kläranlagen. Korres-

pondenz Abwasser, 1995. 42 (3): S. 404-413.

[5] VROM: Protocol 8136 Afvalwater – CH4 en N2O uitAfvalwater. 2008, Ministerie van Volkshuisvesting,Ruimtelijke Ordening en Milieu – Directie Klimaat-verandering en Industrie: Den Haag.

[6] STOWA: Emissies van Broeikasgassen vanRWZI’s. 2010, Stichting Toegepast OnderzoekWaterbeheer: Amersfoort.

[7] Williams, A, et al.: Methane emissions. Watt Com-mittee report no. 28. 1994, London: Watt Com-mittee on Energy.

Autoren:Dipl.-Ing. Kristoffer GenzowskyDr.-Ing. Friedrich-Wilhelm BolleForschungsinstitut für Wasser- und Abfall-wirtschaft an der RWTH Aachen (FiW) e.V.Mies-van-der-Rohe-Str. 1752056 AachenTel.: 0241 802-6825Fax: 0241 802-2825E-Mail: [email protected],[email protected]: www.fiw.rwth-aachen.de

Dipl.-Ing. Anja RohnDr.-Ing. Wolf MerkelIWW Rheinisch-Westfälisches Institut für Wasserforschung gemeinnützige GmbHMoritzstr. 2645476 Mülheim an der RuhrTel.: 0208 40303-0, Fax: 0208 40303-80E-Mail: [email protected],[email protected]: www.iww-online.de n

CO2E CO2E

CO2EAbfallEntsorgung

Energieverbrauch indirekte Emissionen

Energieeinsatz Mitteleinsatz

• Förderung des Wasservolumen- stroms Q

• Förderung auf das geodätische Energieniveau h

• Ausgleich der Druckverluste ζ

• Einfluss des Pumpenwirkungs- grades η

BetriebInstandhaltung

• Reinigung

• Austausch von Betriebsstoffen

• Austausch von Ersatzteilen• Reparaturarbeiten

Abb. 4: Bilanzhülle für den Carbon Footprint eines Pumpwerkes

Quelle: FiW e.V.

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wewewepunktwevaugewepunktdee

Quelle: ZOV d.o.o.

Abb. 1: Überblick über die CWWTP Zagreb/Kroatien

Betriebskostenreduzierung durch Steige-

rung der Energieeffizienz auf Kläranlagen

unterschiedlicher Größenordnung

Durch die RWE Aqua GmbH, Mülheim an der Ruhr, wurden in den letzten Jahren zahlreiche

Energieanalysen auf kommunalen Kläranlagen durchgeführt. Energieeinsparpotenziale konnten

auf vielen Anlagen identifiziert werden. Die Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen zur

Energieoptimierung führt zu einer signifikanten Einsparung bei den Anlagenbetriebskosten.

LESAM Spezial 201156

| LESAM 2011

K limawandel und steigende Energie-preise, Strukturwandel und demogra-

fische Entwicklung sowie knappe öffentlicheKassen machen Energieeffizienz und ratio-nalen Energieeinsatz zu wichtigen Zukunfts-themen und Herausforderungen, denen sichdie Gesellschaft, die Wirtschaft, aber auchdie Unternehmen der Wasserversorgung undAbwasserentsorgung stellen müssen.

RWE ist seit knapp 100 Jahren in der Was-serwirtschaft aktiv. Durch die Braunkohle-gewinnung in Tagebaubetrieben mit denhierzu erforderlichen Grundwasserabsen-kungen erfolgte der Einstieg in die Trinkwas-serversorgung. Die ersten Versorgungsnet-ze wurden 1914 gebaut und werden auchheute noch von RWE betrieben. In der Folgehat RWE neben der eigenen Trink- und Be-triebswasserversorgung mit seinem Know-how am Aufbau von Trinkwasserverbund -systemen mitgewirkt und so die Trinkwas-serversorgung von Kommunen langfristiggesichert. RWE ist an über 70 Versorgungs-

unternehmen beteiligt, die im Querverbundmit Strom, Gas und Fernwärme die Trink-wasserversorgung und in den letzten Jah-ren zunehmend auch die Abwasserbeseiti-gung betreiben. Als herausragendes Bei-spiel aktueller Aktivitäten ist das Engage-ment der RWE Aqua GmbH im BOT-ModellZagreb zusammen mit dem Konsortialpart-ner WTE Wassertechnik GmbH zu nennen.In Zagreb wurde eine mechanisch-biologi-sche Kläranlage mit Schlammfaulung undSchlammentwässerung für eine Ausbau-größe von 1.200.000 angeschlossenen Ein-wohnerwerten (EW) und der Option einerErweiterung auf 1.500.000 EW errichtet.Vertragsgegenstand waren die Finanzie-rung, der Bau und der Betrieb der Kläranla-ge sowie Finanzierung und Bau diverser In-frastruktureinrichtungen. Die Vertragslauf-zeit beträgt 28 Jahre, das Investitionsvolu-men 350 Millionen Euro (Abb. 1).

Die Wasserwirtschaft ist einerseits Energie-verbraucher, leistet aber andererseits auch

einen Beitrag zur regenerativen Energiege-winnung durch die Nutzung der Wasser-kraft, des Klärgases auf Kläranlagen und derenergetischen Verwertung von Klär-schlamm. Kläranlagen dienen der Reinigungvon Schmutz- und Regenwasser und benö-tigen Energie für die Abwasserförderungund die Belüftung zur Abwasserreinigung.Weiterer Energiebedarf besteht bei der Klär-schlammbehandlung zur Herstellung einesstabilen Produktes „Klärschlamm“, welcherin Deutschland zunehmend thermisch ver-wertet wird, so u. a. in Kraftwerken der RWEPower. Das auf Kläranlagen mit Schlamm-faulung entstehende Klärgas wird in Block-heizkraftwerken verwertet und zur Erzeu-gung von Strom und Wärme verwandt. Klär-anlagen sind in Deutschland die größtenkommunalen Stromverbraucher mit 4,2 bis4,4 TWh/a und liegen damit deutlich überdem Stromverbrauch aller Schulen (3TWh/a) oder dem der Straßenbeleuchtung(3,2 TWh/a) [12]. Sie bieten sich somit alsTätigkeitsfeld für Energieanalysen an.

LESAM Spezial 2011 57

Die Abwasserreinigung in Deutschlandzeichnet sich im internationalen Vergleichdurch einen hohen Standard aus. Die vor-gegebenen Reinigungsziele sind jedochnur mit einem hohen Ressourceneinsatz,insbesondere an Energie, zu erreichen. DieEnergiekosten gehen wiederum in die Ab-wassergebühren ein, die in den letztenJahren in Deutschland stark gestiegensind. Durch die Diskussion über die Höheder Abwassergebühren in der Öffentlich-keit hat sich der Spardruck auf die Betrei-ber von Kläranlagen verstärkt, die nachEinsparpotenzialen suchen müssen. Ener-giesparmaßnahmen dürfen jedoch die Rei-nigungsleistung und die Prozessstabilitätder Kläranlage nicht negativ beeinflussen,die die obersten Ziele des Anlagenbetrie-bes sind und bleiben müssen. Bei den Ka-pitalkosten für die Investitionen in Anlagenund Netze, welche einen beträchtlichen Teilder Jahreskosten ausmachen, ergebensich keine größeren Handlungsmöglichkei-ten. Bei den Betriebskosten nehmen dieEnergiekosten einen bedeutenden Teil ein.Sie liegen nach einer Untersuchung ausNordrhein-Westfalen [1] für Kläranlagenmittlerer Größenordnung bei ca. 15 Pro-zent der gesamten Betriebskosten.

Arbeitsmethodik

Energieanalysen werden von der RWEAqua GmbH nach dem Handbuch „Ener-gie in Kläranlagen“, herausgegeben vomUmweltministerium des Landes Nordrhein-Westfalen [1], durchgeführt. Zunächst wirdder Anlagenbetrieb generell geprüft, d. h.,es wird untersucht, ob die Kläranlagen diegeforderte Reinigungsleistung sicher er-bringen. Erst wenn dies nachgewiesen ist,wird der Fokus auf die Reduzierung desRessourceneinsatzes gerichtet. Für dieAnlagen wird der Energieverbrauch ermit-telt und mit Richt- und Idealwerten vergli-chen. Der Richtwert ist ein Wert, der sichaus dem praktischen Anlagenbetrieb er-gibt, der Idealwert ein theoretischer, mit ei-ner Modellrechnung ermittelter Wert. Sys-tematische Energieanalysen sind seit mehrals zehn Jahren in Deutschland ein aner-kanntes Instrument zur Betriebsoptimie-rung. Jedoch bestehen noch unterschied-liche Ansätze zur Durchführung in den ein-zelnen Bundesländern. Zukünftig wird dasin Vorbereitung befindliche DWA-Arbeits-blatt A 216 „Energieanalysen auf Abwas-seranlagen“ einen bundeseinheitlichenStandard für die Durchführung von Ener-gieanalysen auf Kläranlagen schaffen. DieRWE Aqua GmbH setzt diese Arbeitssys-tematik auch auf Anlagen von RWE-Betei-ligungsgesellschaften im zentraleuropäi-schen Ausland ein.

Untersuchungsergebnisse

Die untersuchten Kläranlagen in Deutsch-land, Polen und Kroatien umfassen dieGrößenklassen 1 bis 5 mit angeschlosse-nen Einwohnerwerten zwischen 2.500 EWund 1.100.000 EW. Die mittlere Anlagen-größe lag bei ca. 27.000 EW. Die Größen-klasse 3 – Anlagen zwischen 10.000 und30.000 EW – stellte mit 13 Kläranlagen diegrößte Gruppe im Untersuchungsumfangdar. Als Verfahren der Schlammstabilisie-rung wurde auf 13 Anlagen die Schlamm-faulung und auf elf Anlagen die aerobeSchlammstabilisierung eingesetzt (Abb.2). Für die Analyse der Anlagen wurdenmindestens die Angaben der letzten dreiBetriebsjahre ausgewertet.

Der spezifische Stromverbrauch [kWh/(EWx a)] der untersuchten Anlagen ist in Abbil-dung 3 dargestellt. Der Mittelwert des spezifischen Stromverbrauchs aller Anla-gen liegt bei 40,64 kWh/(EW x a). Diffe -renziert man den Mittelwert nach der Art der Schlammstabilisierung in Anlagen mit Schlammfaulung bzw. mit aeroberSchlammstabilisierung, so verbrauchendie Anlagen mit aerober Schlammstabili-sierung mit einem Mittelwert von 49,49kWh/(EW x a) ca. 17 kWh/(EW x a) mehrStrom als die Anlagen mit Schlammfaulungmit einem Mittelwert von 33,16 kWh/(EW xa). Als mittlerer Strompreis der Anlagenwurden 11,81 Cent/kWh ermittelt, wobeidas Preisspektrum zwischen 5,98Cent/kWh und 16,14 Cent/kWh lag. Beiden Anlagen im zentraleuropäischen Aus-land lag der Strompreis am unteren Endeder Skala.

Der spezifische Stromverbrauch der unter-suchten Kläranlage wird Richt- und Ideal-werten gemäß Handbuch [1] gegenüber-gestellt. Dabei sind Pumpwerke, die dengesamten Abwasserstrom anheben, sowieAbwasserfiltrationsanlagen mit Zuschlägenzu berücksichtigen. Der Richtwert des spe-

zifischen Stromverbrauchs aller Anlagenliegt im Mittel bei 39,15 kWh/(EW x a) undsollte unter normalen Betriebsverhältnissenerreicht werden können. Für die Anlagenmit Schlammfaulung ergibt sich im Mittelein Richtwert von 32,65 kWh/(EW x a), fürdie Anlagen mit aerober Schlammstabilisie-rung von 45,55 kWh/(EW x a). Der Ideal-wert des spezifischen Stromverbrauchs al-ler Anlagen liegt im Mittel bei 30,52kWh/(EW x a). Für die Anlagen mitSchlammfaulung ergibt sich im Mittel einIdealwert von 25,50 kWh/(EW x a), für dieAnlagen mit aerober Schlammstabilisierungvon 35,55 kWh/(EW x a). Von den 24 unter-suchten Anlagen lagen zwölf unterhalb desRichtwertes, von diesen wiederum drei un-terhalb des Idealwertes. Bezogen auf dieRicht- und Idealwerte wurden für jede An-lage die Einsparpotenziale berechnet. Ge-mäß [12] liegt das Einsparpotenzial allerdeutschen Kläranlagen bei ca. 25 Prozentbzw. 1,25 TWh/a (2008). Ältere Untersu-chungen aus Nordrhein-Westfalen lagenbei 35 Prozent. In den letzten zehn Jahrenist das Thema jedoch aktiv angegangenworden, sodass zwischenzeitlich bereitsPotenziale gehoben worden sind. Um eineVergleichbarkeit mit in der Fachliteratur ver-öffentlichen Ergebnissen zu ermöglichen,wurden die Einsparpotenziale in kWh/(EWx a), Prozent, €/(EW x a) und €/a berechnetund in Tabelle 1 zusammengefasst. Die

Quelle: ZOV d.o.o.

Abb. 2: Faulbehälter der CWWTPZagreb/Kroatien

Tabelle 1: Einsparpotenziale der 24 untersuchten Anlagen

Quelle: RWE Aqua GmbH

Einsparpotenziale

Erreichung Richtwert

Erreichung Idealwert

kWh/EW x a

%

€/EW x a€/a

kWh/EW x a

%

€/EW x a€/a

alle Anlagen

4,44

10

0,56

9.085

10,36

32

1,28

24.136

Faulung

2,03

7

0,22

11.013

7,60

30

0,87

34.458

aerobe Stabilisierung

7,52

15

0,99

7.925

14,52

39

1,84

16.350

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| LESAM 2011

nachgewiesenen Einsparpotenziale aus 24eigenen Untersuchungen auf Kläranlagenliegen in der Größenordnung von 4,44kWh/(EW x a) bezogen auf den Richtwertund 10,36 kWh/(EW x a) bezogen auf denIdealwert. Dies bedeutet ein Potenzial vonzehn Prozent (Richtwert) bzw. 32 Prozent(Idealwert). Umgerechnet auf den Strom-preis bedeutet dies ein Einsparpotenzialvon 0,56 €/(EW x a) (Richtwert) bzw. 1,28€/(EW x a) (Idealwert). Im Mittel über alleAnlagen konnte ein Einsparpotenzial von9.085 €/a (Richtwert) bzw. 24.136 €/a(Idealwert) ermittelt werden. Das gesamteüber alle Anlagen berechnete Einsparpo-tenzial lag bei ca. 580.000 €/a. Geht manvon der Realisierbarkeit eines spezifischenStromverbrauchs in der Mitte zwischenRicht- und Idealwert aus, so liegt das Einsparpotenzial im Mittel bei 92 Cent/(EWx a). Bei einer Kläranlage mit 30.000 EWlassen sich demzufolge 28.000 € pro Jahran Stromkosten einsparen. Mit den ermit-telten Ergebnissen liegt die Untersuchungder RWE Aqua GmbH im Bereich andererveröffentlichter Ergebnisse.

Empfehlungen zur Betriebs -

optimierung

Der Hauptstromverbraucher einer Kläran-lage ist die biologische Reinigungsstufe mitca. 65 bis 75 Prozent des gesamten Ener-gieverbrauchs. Demzufolge ist vorrangig

dieser Anlagenteil zu optimieren, z. B.durch den Einsatz effizienter Belüftungs-systeme im Belebungsbecken, die regel-mäßige Kontrolle des Sauerstoffeintrages,den regelmäßigen Austausch der Belüftersowie eine optimierte Steuerungstechnikmit Hilfe von Online-Messungen (Ammoni-um, Nitrat, Redox-Potenzial), die sich amtatsächlichen Sauerstoffbedarf in den Be-cken orientiert. Eine weitere wichtige Rollespielt die Trennung von Belüftung und Be-ckenumwälzung in Belebungsbecken.Aber auch im Bereich der Abwasserförde-rung und der Schlammbehandlung sindPotenziale zu identifizieren, wie z. B. im Be-trieb der Pumpen und der Maschinen zurSchlammentwässerung.

Im Rahmen der Energieanalysen werdenhäufig Maßnahmen vorgeschlagen, die nurmit Hilfe von Investitionen umgesetzt wer-den können. Die Wirtschaftlichkeit dieserMaßnahmen ist auf der Grundlage von Le-benszykluskosten beispielsweise nach [7]nachzuweisen.

Fazit

Energieeinsparpotenziale lassen sich auchheute noch auf vielen Anlagen finden. Mitder Umsetzung dieser Potenziale wird einBeitrag zur Reduzierung der Betriebskos-ten und der Energieeinsparung sowie zumGewässer- und Klimaschutz geleistet.

Literatur:

[1] Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Land-wirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen: Ener-gie in Kläranlagen (Handbuch), September 1999

[2] Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Land-wirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen: Ener-getische Grob- und Feinanalyse von Kläranlagen,Juni 1999

[3] ATV-Landesgruppe Baden-Württemberg: Sen-kung des Stromverbrauchs auf Kläranlagen – Leit-faden für das Betriebspersonal – November 1999

[4] Dichtl, Norbert: Die Eigenenergieversorgung vonKläranlagen – Rückblick und Ausblick, Korrespon-denz Abwasser 2004 (51) Nr. 6, S. 614-618

[5] Thöle, Dieter, Utecht, Kai-Uwe, Schmitt, Ferdi-nand: Praktische Erfahrungen mit der Umsetzungvon Energiesparmaßnahmen auf Kläranlagen, Kor-respondenz Abwasser 2004 (51), Nr. 6, S. 619-624

[6] Müller, Ernst A., Kobel, Beat: Energetische Be-standsaufnahme an Kläranlagen in Nordrhein-Westfalen mit 30 Millionen Einwohnerwerten, Kor-respondenz Abwasser 2004 (51), Nr. 6, S. 625-631

[7] Leitlinien zur Durchführung dynamischer Kosten-vergleichsrechnungen (KVR-Richtlinien), Länder-arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA), 7. Auflage2005

[8] Baumann, P.: Optimierung von Kläranlagen durchProzessmesstechnik und Prozessregelung, Kor-respondenz Abwasser 2006 (53), Nr. 6, S. 593-598

[9] Müller, Ernst A., Schmid, F., Kobel, B.: Aktion„Energie in Kläranlagen“ – Zehn Jahre Erfahrung inder Schweiz, Korrespondenz Abwasser 2006 (53),Nr. 8, S. 793 - 797

[10] Fachtagung Ökoeffizienz in der Wasserwirtschaft– Schwerpunkt Energieoptimierung von Kläran-lagen, TU Kaiserslautern, 19. November 2007

[11] Ministerium für Umwelt, Forsten und Verbrau-cherschutz (MUFV) des Landes Rheinland-Pfalz:Ökoeffizienz in der Wasserwirtschaft – Steigerungder Energieeffizienz von Abwasseranlagen, Ok-tober 2007

[12] Schröder, Markus, Schrenk, Georg: Energiepo-tenziale der deutschen Wasserwirtschaft, Kor-respondenz Abwasser 2008 (55), Nr. 6, S. 626-631

[13] DWA Landesverband Baden-Württemberg: Sen-kung des Stromverbrauches auf Kläranlagen –Leitfaden für das Betriebspersonal – Juli 2008

[14] Kolisch, Gerd, Osthoff, Thomas, Hobus, Inka,Hansen, Joachim: Steigerung der Energieeffi-zienz auf kommunalen Kläranlagen, Korrespon-denz Abwasser 2010 (57), Nr. 10, S. 1028-1032

Autoren:

Dr. Thomas SichlaZagrebacke otpadne vode d.o.o.Culinecka cesta 28710040 ZagrebCroatiaTel.: +385 12415-700Fax: +385 12415-710E-Mail: [email protected]: www.rwe.com

Dipl.-Ing. Wolfgang PodewilsRWE Aqua GmbHAm Schloss Broich 1-345479 Mülheim an der RuhrTel.: 0208 4433-714Fax: 0208 4433-760E-Mail: [email protected]: www.rwe.com n

54,34

53,9353,31

45,7941,43

40,4840,03

39,8637,85

37,46

37,20

36,6435,5935,19

35,0534,31

33,2632,56

25,33

24,03

18,54

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

Kläranlagen

spezifischer Stromverbrauch [kWh/EW x a] Gesamt

Mittelwert Faulung 33,16 kWh/EW x a

Mittelwert aerobe Stabilisierung 49,49 kWh/EW x a

Faulung

aerobe Stabilisierung

spez

ifisc

her

Str

om

verb

rauc

h kW

h/E

W x

a

alle

Anl

agen

77,82

80,96Mittelwert aller Anlagen 40,64 kWh/EW x a

24,51

Abb. 3: Spezifischer Stromverbrauch [kWh/(EW x a)] der untersuchten Anlagen

Quelle: RWE Aqua GmbH

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