balanceakt berufsbegleitendes studieren€¦ · für lebenslanges lernen ist, dass quali-fikationen...

112
⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇ ⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇ ⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇ Studie 1 SCHRIFTENREIHE DER ARBEITNEHMERKAMMER BREMEN 1|2016 Balanceakt berufsbegleitendes Studieren Zur Vereinbarkeit von Beruf, Studium und Privatleben

Upload: others

Post on 23-May-2020

6 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇

Studie1

S c h r i f t e n r e i h e d e r A r b e i t n e h m e r k A m m e r b r e m e n

1|2016

BalanceaktberufsbegleitendesStudieren

Zur Vereinbarkeit von Beruf, Studium und Privatleben

Bal

ance

akt

ber

ufs

beg

leit

end

es S

tud

iere

nS

ch

rif

te

nr

eih

e d

er

Ar

be

itn

eh

me

rk

Am

me

r b

re

me

nSt

ud

ie

Page 2: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

Problem Ausbildungsabbruch

h e r Au S g e b e r

Arbeitnehmerkammer bremenBürgerstraße 1

28195 Bremen

Telefon 0421·36301-0

Telefax 0421·36301-89

[email protected]

www.arbeitnehmerkammer.de

r e dA k t i o n

Susanne Hermeling

Elke Heyduck

L e k t o r A t

Martina Kedenburg

g e S t A Lt u n g

Designbüro Möhlenkamp & Schuldt, Bremen

f o t o S

Kay Michalak

druck

Girzig & Gottschalk, Bremen

Abgeschlossen zum Februar 2016

V e r fA S S e r i n n e n / V e r fA S S e r

Dr. Petra Boxler,

Akademie für Weiterbildung

der Universität Bremen

Dr. Claudia Fenzl,

Institut für Technik und Bildung

der Universität Bremen

Dr. Walburga Freitag,

Deutsches Zentrum für Hochschul-

und Wissenschaftsforschung

Dr. Julia K. Gronewold,

Institut für Berufspädagogik

und Erwachsenenbildung

der Universität Hannover

Jessica Heibült,

Zentrum für Arbeit und Politik (zap)

Susanne Hermeling,

Referentin für Bildungspolitik,

Arbeitnehmerkammer Bremen

Stefanie Hiestand,

Institut für Berufspädagogik und

Erwachsenenbildung

der Universität Hannover

Paul Naujoks,

Student im Master Sozialpolitik

der Universität Bremen

Dr. Roland Tutschner,

Institut für Technik und Bildung

der Universität Bremen

Page 3: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

1

inhalt

123456

7

Vorwortdankeinleitung Schritte zur Öffnung der hochschulenDebatte

Studie ›berufsbegleitendes Studieren in bremen‹Zentrale Thesen, empirische Datengrundlage und methodisches Vorgehen

die Perspektive von hochschulenQualitative Experteninterviews

die Perspektive von StudierendenQualitative Interviews Quantitative Befragung

die Perspektive von betriebenQualitative Experteninterviews

Literaturverzeichnis

expertinneninterviews und ergebnisse aus forschungsprojektenDie Herausforderung Studienangebote für Berufstätige umzusetzen

Interview mit Dr. Petra Boxler Anrechnung beruflicher Kompetenzen auf Hochschulstudiengänge

Interview mit Dr. Walburga Freitag Zur Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischerBildung – Konzeption und Durchführung eines berufsbegleitendenStudiengangs an der Universität Bremen ›Arbeiten, Lernen und Leben in Balance?!‹ – Instrumente für Betriebe zur Verbesserung von Life-Learn-Work-Balance

handlungsfelder und informationenHandlungsfelderInformationen zur Studienfinanzierung

234

67

1213

2021

323348

6465

72

7677

80

84

91

100101106

Page 4: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

2

Vorwort

Uns ist daran gelegen, in dieser Veröffent-lichung die Probleme und Bewältigungs-strategien berufsbegleitend Studierender darzustellen. Diese stehen immer in Zusammenhang mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen an Hochschulen, in Betrieben und in der privaten Sphäre. Für die Verbesserung von Rahmenbedin-gungen für berufsbegleitendes Studieren setzen wir uns ein und möchten unter anderem mit dieser Publikation in den Austausch mit Hochschulen, Betrieben, Politik und Verwaltung treten.

Es gibt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer viele gute Gründe, einen ersten oder einen höheren Hochschul-abschluss zu erwerben. Ein Studium kann sich etwa durch verbesserte Ar-beitsmarktchancen, größere Gestaltungs-spielräume bei der Arbeit, persönliche Weiterentwicklung oder ein höheres Einkommen auszahlen. Garantien für ein erfolgreiches Studium und anschließende Karrierechancen gibt es jedoch nicht. Die Unterbrechung der Berufstätigkeit für ein Vollzeitstudium stellt daher immer ein Risiko dar, das nur wenige auf sich neh-men wollen oder können. Hinzu kommt, dass für weiterbildende Studienangebote auch an staatlichen Hochschulen in der Regel das Geld für Studiengebühren auf-gebracht werden muss. Für berufstätige Studieninteressierte ist also oft die erste Frage, wie kann ich meinem Beruf, einem Studium und meinem privaten Umfeld gleichzeitig gerecht werden. Diese grund-sätzliche Frage nach der ›Vereinbarkeit‹ zentraler Lebensbereiche steht daher im Mittelpunkt der hier von der Arbeitneh-merkammer Bremen und dem Zentrum für Arbeit und Politik der Universität Bremen vorgelegten Studie.

Peter kruse ingo Schierenbeck Prof. dr. Andreas kleePräsident Hauptgeschäftsführer Direktor Zentrum für Arbeit und Politik

Page 5: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

3

Unser großer Dank geht an die Studien-gangsverantwortlichen an Hochschulen, die sich neben ihren umfangreichen Aufgaben in Forschung und Lehre, die Zeit genommen haben, unsere Fragen zu beantworten und den Kontakt zu berufs-begleitend Studierenden herzustellen. Ohne ihre Unterstützung hätten wir unsere Studie nicht durchführen können. Herzlich danken wir auch den Studieren-den, die trotz eines, in der Regel chroni-schen, Zeitmangels, offen und vertrauens-voll über ihre Erfahrungen berichteten und unseren Fragebogen ausfüllten. Ihre Perspektive bildet das Herzstück unserer Studie.

Personalentwicklerinnen und Personal-entwickler aus drei Betrieben haben uns ihre Sicht geschildert und damit unsere Analyse wesentlich bereichert. Ein herzli-ches Dankeschön an die Kolleginnen und Kollegen!

Nicht zuletzt gebührt unser Dank den Expertinnen und Experten, die Ergebnisse ihrer Forschungsprojekte für unseren Bericht aufbereitet und aus ihren Praxis- und Forschungserfahrungen berichtet haben. Ihre Beiträge bereichern die vorlie-gende Publikation in hohem Maß.

dank

Page 6: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

4

einleitung

Studiengangsverantwortliche bei der Ver-einbarkeit von Studium und Beruf beob-achten. Die subjektiven Erfahrungen von Studierenden aus verschiedenen Berufs-gruppen und Studiengängen sind Gegen-stand der Auswertung einer quantitativen Befragung sowie qualitativer Interviews im vierten Kapitel. Wie entscheidend für den Studienerfolg neben den Studienbe-dingungen Arbeitszeitregelungen und weitere betriebliche Rahmenbedingungen sind, kristallisiert sich deutlich heraus. Im Ergebnis ist es meist der private Be-reich, der den anderen Lebensbereichen Studium und Beruf untergeordnet wird. Ergänzend zu der Studierendenperspek-tive geben die Interviews mit Personalver-antwortlichen aus drei Bremer Betrieben im fünften Kapitel beispielhafte Einblicke in konkrete betriebliche Abläufe. Auch Interessen an der Weiterqualifizierung von Beschäftigten und konkrete Unter-stützungsmöglichkeiten für Studierende seitens der Betriebe werden thematisiert.

Im sechsten Kapitel werden in zwei Interviews mit Dr. Petra Boxler und Dr. Walburga Freitag die Felder der Studien-gangsgestaltung und der Anrechnung beruflicher Kompetenzen diskutiert. Beide Felder sind zentral für die Erhöhung der Durchlässigkeit und eröffnen insbeson-dere Handlungsmöglichkeiten für Politik und Hochschulen. Im folgenden Beitrag von Dr. Claudia Fenzl und Dr. Roland Tutschner werden die Herausforderungen zur Integration eines berufsbegleitenden

Im ersten Kapitel dieser Publikation werden die politischen Ziele und die praktischen Herausforderungen skizziert, die mit der Öffnung von staatlichen Hoch-schulen für Berufstätige verbunden sind. Deutlich wird, dass das Angebot an berufs-begleitenden Studiengängen bundesweit und im Land Bremen noch wenig ausdif-ferenziert ist, obwohl das Thema der offe-nen Hochschule einen hohen Stellenwert in der politischen Debatte einnimmt.

Von dieser Ausgangslage eines relativ beschränkten Studienangebots, das die Bedürfnisse von Berufstätigen besonders berücksichtigt, werden im zweiten Kapitel die zentralen Fragestellungen der explo-rativen Studie von Arbeitnehmerkammer und Zentrum für Arbeit und Politik entwi-ckelt. Dabei ist die leitende Frage die nach der Vereinbarkeit von Studium, Beruf und Privatleben. Die empirische Datengrund-lage und das methodische Vorgehen in der Studie werden im Detail dargestellt. Die Auswertung von Interviews mit Hoch-schulangehörigen im dritten Kapitel zeigt beispielhaft, welche Konzepte und Res-sourcen für die Ansprache und Betreuung von berufstätigen Studierenden genutzt werden und welche praktischen Probleme

Page 7: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

5

und der Expertise aus den Gastbeiträgen. Wo kann Politik auf Bundes- und Landes-ebene ansetzen, um berufsbegleitendes Studieren zu erleichtern? In welcher Form können Arbeitgeberverbände und Betriebe studierende Beschäftigte unterstützen und somit auch eigene Fachkräftebedarfe decken? Dass hier durchaus Möglichkei-ten auf betrieblicher, hochschulischer und politischer Ebene bestehen, das be-rufsbegleitende Studium zu fördern, zeigt dieses Kapitel.

Studienangebots in einen Regelstudien-gang deutlich. Der vorgestellte Bachelor-studiengang des Instituts für Technik und Bildung ist bisher der einzige berufsbe-gleitende Bachelorstudiengang an einer staatlichen Hochschule in Bremen.

Die Berufspädagoginnen Dr. Julia Gro-newold und Stefanie Hiestand bewegen sich mit ihrem Forschungsprojekt der Hans-Böckler-Stiftung auf der betriebli-chen Ebene. Die Autorinnen stellen ein neues Konzept von Vereinbarkeit dar, die ›Work-Learn-Life-Balance‹. Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden Instru-mente zur Verbesserung von Arbeiten, Lernen und Leben entwickelt und in mittelgroßen Betrieben der IT-Branche getestet.

Die im letzten Kapitel formulierten Handlungsfelder schlagen einen Bogen zwischen der explorativen Bremer Studie

Page 8: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

6

⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇

Schritte zur Öffnung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

der Hochschulen

1

Page 9: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

7

Hochschulen, ›um die Akademikerquote zu erhöhen‹ und so das volle Potenzial der ›Facharbeiter und Fachangestellten‹ zu nutzen.5 In einer Analyse des Referenz-Betriebs-Systems (RBS) des BIBB wurde außerdem deutlich, dass in Betrieben ein konkreter Bedarf nach Weiterbil-dungs- beziehungsweise Qualifizie-rungsmaßnahmen auf Hochschulniveau besteht.6 Ein Fünftel aller Betriebe sah sich 2008 mit einem steigenden Bedarf wissenschaftlicher Qualifikationen ihres Personals konfrontiert. Überwiegend Kleinbetriebe sind darauf angewiesen, Stammpersonal weiterzubilden. Unter-nehmen mit mehr als 500 Beschäftigten können sowohl Neueinstellungen tätigen als auch ihre Beschäftigten weiterquali-fizieren. Knapp 70 Prozent der befragten Betriebe favorisieren das berufsbegleiten-de Studium.7

Vor dem Hintergrund des demografi-schen Wandels wird, so Wolter8 weiter, zudem langfristig eine sinkende Anzahl von Abiturientinnen und Abiturienten und damit auch niedrigere Studieren-denzahl an Hochschulen prognostiziert. Hochschulen sollen sich deshalb in Zu-kunft vermehrt neue Zielgruppen – wie beruflich Qualifizierte und Berufstätige – erschließen.9 Wolter räumt außerdem der Europäisierung der Bildungspolitik besonderen Einfluss auf das Thema der ›Offenen Hochschule‹ ein. Im Rahmen der Bologna-Reform sollen Strukturen für lebenslanges Lernen im Hochschulkon-text geschaffen werden, was wiederum neue flexible Bildungswege erfordert:

›Das lebenslange Lernen umfasst den Erwerb von Qualifikationen, die Erwei-terung von Wissen und Verständnis, die Aneignung neuer Fähigkeiten und Kom-petenzen sowie die Unterstützung der Persönlichkeitsbildung. Voraussetzung für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch

Die Förderung berufsbegleitenden Studierens und die Entwicklung von berufsbegleitenden Studienformaten sind zentrale Elemente einer weiteren ›Öffnung der Hochschulen‹ für Studien-interessierte, die bereits im Berufsleben stehen. Für die Studienentscheidung ist die Frage der Vereinbarkeit von Studium, Beruf und Privatleben zentral. In dieser Publikation nehmen wir daher Erwerbs-tätige in den Blick, die während ihrer Berufstätigkeit erstmalig oder erneut ein Studium aufnehmen.1

Die beruflich qualifizierten Studie-renden ohne Abitur – auch Studierende des dritten Bildungsweges genannt –, die den Hochschulzugang über ihre berufli-che Qualifikation erwerben, bilden eine relativ kleine Gruppe2 unter den berufs-tätigen Studierenden. Dieser Gruppe gilt jedoch eine hohe politische Aufmerk-samkeit im Rahmen der Öffnung der Hochschulen, obwohl grundsätzlich alle Berufstätigen mit oder ohne Abitur von der Entwicklung neuer Beratungs- und Studienangebote an staatlichen Hoch-schulen profitieren. Die Möglichkeit des berufsbegleitenden Studierens ist jedoch für alle Berufstätigen relevant, und zwar unabhängig davon, ob diese eine schu-lisch erworbene Hochschulzugangsbe-rechtigung besitzen oder nicht.

Die Diskussion um die weitere Öff-nung der Hochschulen erlebt laut Andrä Wolter3 in den vergangenen Jahren aus verschiedenen Gründen Konjunktur. Arbeitsmarktpolitische Argumente gründen sich auf einen von Teilen der Wirtschaft und Politik befürchteten Fachkräftemangel. Arbeitgeber setzen sich für höhere Akademikerquoten als einem volkswirtschaftlichen Wettbe-werbs- und Standortvorteil ein.4 Der ehemalige Vorsitzende des arbeitgeber-nahen Arbeitskreises Hochschule / Wirt-schaft des BDA, BDI und der HRK Thomas Sattelberger plädiert für die Öffnung der

JeSSic A heibÜLtSuSAnne hermeLingPAuL nAuJokS

debatte

Studie

Page 10: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

8

im Teilzeitstudium oder berufsbeglei-tend.‹10

Neben der Fachkräftedebatte steht auch das Thema der Chancengerechtig-keit – durch die nachholende Möglich-keit eines Studiums nach einer Berufs-ausbildung – auf der bildungspolitischen Agenda.11 Auch darum stehen vor allem die Studierenden ohne Abitur im Fokus der Debatte.

Hochschulzugang und Anrechnung beruflicher Kompetenzen

Um Anpassungsprozesse der Hochschu-len zu fördern, legte der Bund in den vergangenen Jahren vermehrt Program-me und Initiativen auf. Die Anzahl berufsbegleitender Angebote soll erhöht und ein Studium für neue Zielgruppen attraktiver gestaltet werden. Zunächst wurde dafür auf struktureller Ebene der Hochschulzugang für beruflich Quali-fizierte ohne Abitur durch die Kultus-ministerkonferenz (KMK) im Jahr 2009 entscheidend erleichtert.12 Alle Bundes-länder haben seither entsprechende Regelungen in ihren Landeshochschulge-setzen getroffen.

Anreize für die Aufnahme eines Stu-diums werden maßgeblich auch davon bestimmt, ob berufliche Kompetenzen auf ein Studium angerechnet werden können. Laut KMK-Beschluss des Jahres 2002 können außerhochschulisch erwor-bene Kompetenzen auf bis zu 50 Prozent der Studienleistungen angerechnet werden.13 Die Kann-Bestimmung der An-rechnung beziehungsweise Empfehlung führt dazu, dass einheitliche Vorgehens-weisen und individuelle Anrechnungs-verfahren kaum angewandt wurden.14 Im Rahmen der BMBF-Initiative ›ANKOM – Anrechnung beruflicher Kompetenzen auf Hochschulstudiengänge‹ wurden von 2005 bis 2008 zwölf Entwicklungspro-jekte an verschiedenen Hochschulen in Deutschland gefördert.15 Unter der Pro-jektleitung des Hochschul-Informations-Systems (HIS) haben unter anderem das Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB), aber auch der Verband der Ingenieure (VDI) mitgearbeitet.16 In den Bereichen Gesundheit und Soziales, Ingenieurwis-senschaften, Informationstechnologien sowie Wirtschaftswissenschaften wurden übertragbare Anrechnungsverfahren und -instrumente entwickelt, mit deren

Hilfe beruflich erworbene Kompetenzen auf Bachelor- und Masterstudiengänge angerechnet werden können.17 Die breite Anwendung der entwickelten Verfahren steht allerdings noch aus. Aus der Initiati-ve ANKOM geht hervor, dass transparente Anrechnungswege schon bei der Entwick-lung von Studiengängen berücksichtigt werden sollten.18 Mit neueren Regelun-gen, die die Hochschulen dazu verpflich-ten, im Rahmen der Akkreditierung von Studiengängen Verfahren und Kriterien zur Anrechnung außerhochschulisch erworbener Kompetenzen zu entwickeln, wird sich voraussichtlich langfristig die vorausschauendere Praxis durchsetzen.19

Ein durchgängiges Problem bei Anrechnungsverfahren ist es, genau zu definieren, was beruflich erworbene Kompetenzen sind. Eine Mehrheit der befragten Betriebe des Referenz-Betriebs-Systems befürwortet die Anrechnung von Inhalten und Kompetenzen, die sich allein aus dem Arbeitsalltag ergeben. In der Regel befürworten Betriebe informel-le oder nicht formale Anrechnungsver-fahren.20 Diese Herangehensweise fordert jedoch den Hochschulen eine hohe Flexibilität ab.

Studienangebote

Berufsbegleitendes Studieren ist noch immer eine ›Randerscheinung‹21 an deut-schen Hochschulen. Vor allem berufsbe-gleitende Bachelorstudiengänge sind in Deutschland vergleichsweise selten, wäh-rend das Angebot an berufsbegleitenden Masterstudiengängen weitaus größer ist. Nach der bisher einzigen bundesweiten Erhebung durch die HIS GmbH22, die sich auf das Angebot im Jahr 2009 bezieht, war zudem der weitaus größere Teil berufsbegleitender Bachelorstudiengänge an Fachhochschulen (86 Prozent) ange-siedelt. 40 Prozent der berufsbegleiten-den Bachelorstudiengänge sehen dabei eine Studienzeit über drei Jahre vor. Die berufsbegleitenden Masterstudiengänge werden im Gegensatz zu den Bachelor-studiengängen geringfügig häufiger an Fachhochschulen als an Universitäten angeboten. Auffällig ist, dass sowohl an den Fachhochschulen als auch an den Universitäten die Wirtschaftswissenschaf-ten den Schwerpunkt bilden. An den Fachhochschulen zählt hierzu nahezu jeder zweite und an den Universitäten

Page 11: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

9

modelle. Die Defizite werden laut Minks zusätzlich durch den eher ausgrenzen-den und Status schützenden Charakter akademischer Institutionen verstärkt.28

Auch in berufsbegleitenden Studien-gängen wird wenig Rücksicht auf das unflexible Zeitbudget nicht traditionel-ler Studierender gegenüber traditionell Studierenden genommen. Karl-Heinz Minks und seine Kollegen kritisieren die partielle Überfrachtung einiger Studien-gänge. Ein realistischer Workload von 30 Stunden pro Kreditpunkt ist in der Tat für Berufstätige in der Regelstudienzeit kaum zu leisten. Angenommen, man setzt beispielsweise die Dauer von acht Semestern für ein Bachelorstudium mit 210 Kreditpunkten an, dann umfasst der Workload für das Studium beinahe so viel wie eine Vollzeitstelle. Studierende mit einer Vollzeitstelle hätten also eine Arbeitswoche von 70 oder mehr Stunden. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass viele Berufstätige keine ›akademi-schen Lernerfahrungen‹ haben.29 Auch Heibült und Müller stellen fest, dass für viele beruflich qualifizierte Studierende der universitäre Raum, aufgrund von beispielsweise Altersunterschieden oder habitueller Differenzen, zunächst eine große Herausforderung ist.30

Zur Situation im Land Bremen

Im Jahr 2011 verabschiedete die Bremi-sche Bürgerschaft nach dem Vorbild der KMK erweiterte Regelungen für die Hochschulzulassung beruflich Qualifi-zierter ohne schulische Hochschulzu-gangsberechtigung. Die Zulassungsvor-aussetzungen für beruflich Qualifizierte im Lande Bremen werden im Detail über das Bremische Hochschulgesetz geregelt. Die allgemeine Hochschulzugangsberech-tigung wird unter anderem über einen Meisterabschluss oder diverse Fortbil-dungsabschlüsse erworben. Studieninte-ressenten mit anerkannter Berufsausbil-dung und einschlägiger Berufserfahrung können eine fachgebundene Hochschul-zugangsberechtigung mittels Einstu-fungsprüfung oder Kontaktstudium oder weiterbildendem Studium erwerben. In Niedersachsen bekommen Absolventin-nen und Absolventen mit dreijähriger Be-rufsausbildung und entsprechender Be-rufserfahrung auch ohne Prüfung einen fachgebundenen Hochschulzugang (nach

jeder dritte Studiengang. Aufgrund des steigenden Bedarfs im (Alten-)Pflegesektor erwarteten die Autoren im Berichtsjahr 2011 im Bereich der Pflege- und Gesund-heitswissenschaften ein starkes Wachs-tum.23 Die meisten Angebote wurden im Bereich der Wirtschaftswissenschaften (42 Prozent der Bachelor- und 46 Prozent der Masterstudiengänge) und in den Inge-nieurwissenschaften (18 Prozent der Ba-chelor- und 11 Prozent der Masterstudien-gänge) ausgemacht.24 Insgesamt sind für das Jahr 2009 nur 257 berufsbegleitende Bachelor- und 697 Masterstudiengänge an privaten oder staatlichen Hochschu-len recherchiert worden. Demgegenüber wurden über 4.000 Zertifikatskurse ge-zählt, die als einzelne Angebote nicht zu einem akademischen Abschluss führen.25

Die Zahlen sagen viel über die Ange-botsstruktur, doch wenig über den Bedarf aus. Selbst wenn ein höherer Bedarf an berufsbegleitenden Bachelorstudiengän-gen festgestellt würde, so ist grundsätz-lich nicht vorgesehen, dass die Hochschu-len die Entwicklung solcher Angebote aus ihrem Grundhaushalt finanzieren. Auch über Studiengebühren dürfen berufsbegleitende Bachelorstudiengänge in der Regel nicht finanziert werden, da die Bundesländer Gebührenfreiheit für ein Erststudium bis zum Masterab-schluss garantieren. Ausgenommen sind weiterbildende Masterstudiengänge. Da Haushaltsmittel im Wesentlichen durch grundständige Studiengänge gebunden sind, führt das zwangsweise zu Defiziten in der Lehre und Organisation berufsbe-gleitender Studiengänge. Bisher ist auch die Nachfrage seitens Berufstätiger eher gering. Allerdings ist nach Heibült und Müller für den dritten Bildungsweg eher schwach geworben worden.26 Die Notwen-digkeit der Reorganisation der Studien-struktur scheitert also maßgeblich an fehlenden Mitteln im Grundhaushalt für neue Modelle. Zudem sind berufsbeglei-tende beziehungsweise weiterbildende Studiengänge stark von dem Engagement der Professoren und Professorinnen abhängig.27 Und dieses Engagement wird kaum honoriert, da zum Beispiel eine Lehrtätigkeit in der Weiterbildung nicht auf Lehrdeputate angerechnet wird. Eine Veränderung der üblichen Präsenzzeiten für Lehre und ein stärkerer Fokus auf E-Learning gelten als weitere Herausfor-derungen für berufsbegleitende Studien-

Page 12: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

10

An die Hochschulen erging mit den erweiterten Zulassungsregelungen der Auftrag, sich für Studierende mit Berufserfahrung weiter zu öffnen. Die Umstellungen sind, insbesondere für die Universität weitreichend, da günstige Rahmenbedingungen erst geschaffen werden müssen. Erst mit zielgrup-pengerechten Beratungsangeboten, berufsbegleitenden Studienformaten und Anrechnungsmöglichkeiten von beruflich erworbenen Kompetenzen auf Studiengänge, wird das Studium für viele Studieninteressierte überhaupt erst machbar und attraktiv.33 Die Möglichkeit des berufsbegleitenden Studierens hat dabei eine Schlüsselfunktion, denn für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die bereits einige Jahre einer berufsfach-lichen Tätigkeit nachgegangen sind, birgt die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit für ein Vollzeitstudium zumeist zu hohe finanzielle und berufliche Risiken.

Bisher findet an der Universität Bremen keine zielgruppenspezifische Beratung beispielsweise für berufsbeglei-tend Studierende statt. Die jeweiligen Fachbereiche und deren Studienzent-ren handeln in der Ausgestaltung der Beratung autonom. Dennoch ist perspek-tivisch eine auf Heterogenität ausgerich-tete Beratung und Betreuung in Planung. In einigen Bereichen der Hochschule Bremerhavens wird eine zielgruppen-spezifische Beratung und Betreuung bereits angeboten. Diese richtet sich explizit an Studierende des zweiten und dritten Bildungswegs, wie zum Beispiel an Handwerkerinnen und Handwerker, Facharbeiterinnen und Facharbeiter aus technischen Berufen.34

An den staatlichen Hochschulen im Land Bremen gibt es bisher nur einen berufsbegleitenden Bachelorstudiengang. Bisher besteht nur an der Hochschule Bremen die Möglichkeit, alle Studiengän-ge in Teilzeit zu absolvieren. Berufsbe-gleitende Masterstudiengänge in ver-schiedenen Fachrichtungen werden an mehreren Hochschulen angeboten. Für diese werden allerdings Studiengebühren erhoben.

Im Bund-Länder-Programm ›Aufstieg durch Bildung: Offene Hochschulen‹ werden seit 2011 Projekte gefördert, in denen Angebote für Studierende ohne Abitur, berufsbegleitende und duale Studiengänge sowie Weiterbildungsstu-

§ 18 Hochschulzugang des NHG). Hier sind also die Hürden für viele beruflich qualifizierte Studieninteressierte nied-riger. Über den KMK-Beschluss von 2009 hinausgehend werden in Bremen zum Beispiel auch Facharbeitertätigkeiten, die Führung eines Familienhaushaltes und häusliche Pflege als Berufserfahrung angerechnet.31 Zudem soll der Zugang für Studierende des dritten Bildungs-wegs durch festgelegte Quoten in den zulassungsbeschränkten Studiengängen erleichtert werden. Für Absolventinnen und Absolventen, die zum Beispiel ein Kontaktstudium durchlaufen oder eine Einstufungsprüfung abgelegt haben, ist eine Quote von zwei Prozent der Studien-plätze in den Auswahlverfahren vorgese-hen (§ 7 Abs. 1 BremHSVVO).32

Studieren ohne Abitur

Der erste und zweite Bildungsweg be-zeichnen den Prozess des Erwerbs der schulischen Hochschulreife, im zweiten Fall durch das Nachholen von Schlussabschlüssen. Der dritte Bil-dungsweg – oft auch als Studieren ohne Abitur bezeichnet – bezeichnet hinge-gen den formalen Erwerb der Hoch-schulzugangsberechtigung über eine berufliche Qualifikation, ohne zuvor die schulische Hochschulreife erworben zu haben.

Absolventinnen und Absolven-ten von Aufstiegsfortbildungen, wie Meister- und Technikerkursen sowie vergleichbaren landesrechtlich gere-gelten Fortbildungen, zum Beispiel im Gesundheits- oder Sozialwesen, besitzen bundesweit die allgemeine Hochschul-zugangsberechtigung für alle Studi-enfächer, wie es die KMK-Regelungen von 2009 vorsieht. Dies ist im § 33 Absatz 3a BremHG festgelegt. Wer eine mindestens zweijährige anerkannte Berufsausbildung und mehrjährige Jahre Berufserfahrung in einem zum Studiengang affinen Bereich vorweisen kann, kann einen fachgebundenen Hochschulzugang erwerben. Im Land Bremen ist nach § 33 Absatz 5 BremHG (und FachgHSchRVO) der fachgebunde-ne Hochschulzugang an eine fachlich einschlägige Einstufungsprüfung, ein Kontaktstudium oder ein weiterbilden-des Studium gebunden. [Vgl. Hermeling (2011), S. 111 f.]

Page 13: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

11

1 Eine genaue Definition der von uns

untersuchten Gruppe im Kapitel 2.

2 Nach Berechnungen des CHE (Centrum

für Hochschulentwicklung) auf Basis von

Daten des Statistischen Bundesamtes

gab es 2013 im Land Bremen nur 94

Studienanfänger (1,4 Prozent) und 406

Studierende ohne Abitur (1,2 Prozent).

Daten siehe Studieren ohne Abitur (o. J.).

3 Vgl. Wolter (2012a), S. 23 f.

4 Vgl. Wolter (2012b), S. 274 ff.

5 Vgl. Handelsblatt (2007).

6 Vgl. Völk (2011), S. 146.

7 Vgl. Völk (2011), S. 152.

8 Vgl. Wolter (2012a), S. 23 f.

9 Ob diese Prognosen aktuell bleiben,

ist allerdings ungewiss. Schließlich

gibt es neben dem Trend der alternden

Gesellschaft, der möglicherweise durch

die aktuelle Zuwanderung teilweise

ausgeglichen wird, einen Trend zu

höheren Schulabschlüssen und höherer

Studierneigung.

10 Leuvener Kommuniqué (2009), S. 3.

11 Vgl. BMBF (2014), S. 3.

12 Vgl. KMK (2009).

13 Vgl. KMK (2002), S. 2.

14 Vgl. Minks et al. (2011), S. 12; Freitag

(2009), S. 222.

15 Vgl. Freitag / Loroff (2011), S. 9.

16 Siehe ANKOM (o. J.).

17 Vgl. Hartmann et al. (2008), S. 16 ff.

18 Vgl. Koch / Meerten (2010), S. 10 ff.

19 Vgl. Akkreditierungsrat (2014).

20 Vgl. Völk (2011), S. 153 ff.

21 Minks et al. (2011), S. III.

22 Inzwischen umbenannt in Deutsches

Zentrum für Hochschul- und Wissen-

schaftsforschung.

23 Vgl. Minks et al. (2011), S. 36 f.

24 Vgl. Minks et al. (2011), S. III f.

25 Vgl. Minks et al. (2011), S. 48 f.

26 Vgl. Heibült / Müller (2014), S. 41.

27 Vgl. Faulstich / Oswald (2010), S. 11.

28 Vgl. Minks et al. (2011), S. 7 f.

29 Vgl. Minks et al. (2011), S. 28.

30 Vgl. Heibült / Müller (2014), S. 43.

31 FachgHSchRVO § 2.

32 § 7 Abs. 1 BremHSVVO und KMK

(2014), S. 27.

33 Dies belegen die Erfahrungen und

Ergebnisse der ANKOM-Initiative, vgl.

Freitag et al. (2015), S. 13.

34 Vgl. KMK (2014), S. 33.

35 Vgl. Nickel / Doung (2012), S. 20 f.

36 Nähere Informationen unter Offene

Hochschulen Bremen (o. J.).

diengänge35 entwickelt werden. In der ersten Förderphase reichten die bremi-schen Hochschulen einen gemeinsamen Antrag im Rahmen des Programms ein, der nicht bewilligt wurde. Die bremische Landesregierung legte daher ein kleine-res Programm ›Offene Hochschule‹ auf, das mit einer Anschubfinanzierung im Jahr 2012 an den staatlichen Hochschu-len gestartet ist. Unter dem Dach des Landesprogramms sind zum Teil neue berufsbegleitende Studiengänge sowie studienbegleitende Angebote initiiert worden.36 In der zweiten Förderrunde des Bundeswettbewerbs konnten alle staat-lichen Hochschulen in Bremen Projekte aus Bundesmitteln einwerben, die im Jahr 2015 gestartet sind.

›Offene Hochschule‹ im Land Bremen

❚ universität bremen: konstruktiv – Konsequente Orientie-rung an neuen Zielgruppen strukturell in der Universität Bremen verankern www.uni-bremen.de / konstruktiv.html

❚ hochschule bremen: HSBflex – Flexible Studienstrukturen für eine offene Hochschule www.hs-bremen.de / internet / de / hsb / projekte / hsbflex /

❚ hochschule bremerhaven: AufWind – Weiterbildungsangebote in der Windenergiebranche vom Brückenkurs bis zum Master www.wettbewerb-offene-hochschulen-bmbf.de / foerderprojekte / 2-wettbewerbsrunde- uebersichtsseite / verbundprojekte- uebersichtsseite / 19

❚ hochschule für künste: Entwicklung weiterbildender Studienprogramme mit einem Fokus auf musikalisch-ästhetischer Bildung www.imbik.hfk-bremen.de /

❚ Weitere Angebote der Hochschulen in Bremen sind online aufgeführt auf der Webseite des Landesprogramms ›Offene Hochschulen‹ www.offene-hochschulen-bremen.de /

Page 14: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

12

⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇

Studie

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

›BerufsbegleitendesStudieren in Bremen‹

2

Page 15: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

13

und institutionelle Praxen sind jedoch nicht ohne Bezug zu der jeweils überge-ordneten Makro-Ebene zu denken. In der Einleitung haben wir politische Diskurse und Beschlüsse sowie rechtliche Grundla-gen skizziert, um diese Zusammenhänge zu verdeutlichen. Arbeitssoziologische Analysen von Interviewdaten hinsichtlich der Entwicklung von Arbeitsorganisation, von geschlechtsspezifischen Berufsstruk-turen und privater Sorgearbeit wären da-rüber hinaus im Rahmen eines größeren Forschungsprojekts von Interesse. Wir stellen entsprechende Bezüge aufgrund begrenzter Kapazitäten nicht systema-tisch her, geben aber Hinweise auf einen weitergehenden Forschungsbedarf bei auffälligen Befunden. Konkretes Ziel der vorliegenden Studie ist es, mittelfristig zu realisierende Handlungsfelder für die Verbesserung der Studienbedingungen zu identifizieren. Diese richten sich in erster Linie an die institutionelle Ebene von Betrieben und Hochschulen sowie an politische Entscheidungsträger.

Forschungsleitende Thesen und Fragestellungen

Minks et al. bezeichnen berufsbegleiten-des Studieren als die Möglichkeit, neben einer beruflichen und / oder familiären Tätigkeit ein Studium aufnehmen zu können. Der ausgeübte Beruf und das Studienfach müssen dabei in keinem fachlichen Zusammenhang zueinander-stehen.3 Da die Gruppe der berufstätigen Studierenden hinsichtlich der Studien-zeiten und des Theorie-Praxis-Transfers andere Bedürfnisse hat als traditionelle Studierende (siehe Kasten), werden ausge-wiesene berufsbegleitende Studiengänge besonders gestaltet. Sie unterscheiden sich von den tradierten Vollzeitstudi-engängen im zeitlichen Format sowie in Didaktik und Methodik.4 Zu den berufsbegleitend Studierenden werden

Während Barrieren auf dem Weg zur Hochschule und notwendige Schritte für die weitere Öffnung der Institution Hoch-schule bereits seit Längerem Gegenstand der Forschung sind,1 fehlt eine systema-tische Untersuchung von Rahmenbedin-gungen für berufsbegleitendes Studieren. Mit der vorliegenden Studie möchten wir dieses Forschungsfeld explorativ öffnen. Unser Schwerpunkt liegt auf der Frage der Vereinbarkeit von Studium, Beruf und Privatleben aus der Sicht von Studie-renden. In der Wissensarbeit stehen Be-schäftigte mehr denn je vor der Heraus-forderung, Lernen, Beruf und Privatleben auszubalancieren. Steigende Leistungs-anforderungen, kürzere Halbwertszeiten von erworbenem Wissen sowie hohe Ansprüche an privater Selbstverwirkli-chung fordern Beschäftigte zunehmend heraus. Im Rahmen der Debatte um Work-Life-Balance (WLB) kann bereits auf eine Vielzahl von Untersuchungen und Empfehlungen zurückgegriffen werden. Syrek et al. machen allerdings deutlich, dass durch die zunehmenden Lernanfor-derungen und zahlreichen Optionen des Wissenserwerbs die Vereinbarkeit um die Komponente des Lernens erweitert werden muss. Permanentes Lernen muss mit dem Arbeitsleben und dem Privat-leben vereinbart werden und erfordert deshalb neue Strategien der Work-Learn-Life-Balance (WLLB).2

Die Ergebnisse unserer Studie stützen sich auf qualitative Interviews und eine quantitative Befragung von berufsbe-gleitend Studierenden. Die subjektive Perspektive von Studierenden auf die Vereinbarkeit von Studium, Beruf und Privatleben wird mit Experteninterviews in Hochschulen einerseits und in Betrie-ben andererseits in Beziehung gesetzt. Die individuelle Perspektive der Studie-renden wird methodisch somit um die institutionelle Perspektive von Hochschu-len und Betrieben ergänzt. Individuelle

JeSSic A heibÜLt SuSAnne hermeLing

Zentrale thesen, empirische datengrund-lage und methodisches Vorgehen

Studie

Page 16: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

14

Wir sprechen in unserer Untersuchung von berufsbegleitendem Studieren, wenn Studierende während ihres Studiums mit mindestens einer halben Vollzeit-stelle weiter in ihrem erlernten Beruf arbeiten oder eine darauf aufbauende komplexe Tätigkeit ausüben. Anders als die Ausübung von studentischen ›Nebenjobs‹, ist die berufsfachliche oder komplexe Tätigkeit mit hohen Anforderungen verbunden, da sie mit der Übernahme von fachlicher, orga-nisatorischer und gegebenenfalls auch personeller Verantwortung einhergeht. Das heißt, berufsfachlich Beschäftigte werden in der Regel sowohl zeitlich als auch psychologisch und organisatorisch stark in Anspruch genommen und stehen deshalb hinsichtlich der Vereinbarkeit von Studium, Beruf und Privatleben vor besonderen Herausforderungen. Ebenso ist denkbar, dass Beschäftigte, die bei komplexen Tätigkeiten eigenverantwort-lich arbeiten können, Freiräume haben, die die Vereinbarkeit verbessern können. Eine daraus abgeleitete These lautet, dass sowohl hohe berufliche Anforderungen als auch selbstverantwortliches Arbeiten die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Studium entscheidend beeinflussen.

Weiterhin setzten wir voraus, dass die Berufstätigkeit einen fachlichen Bezug zum Studium hat, um Aspekte des Theorie-Praxis-Transfers bewerten zu können. Wir gehen dabei von der These aus, dass eine fachliche Tätigkeit Möglichkeiten bieten kann, Studienin-halte im Arbeitsalltag oder in Form von Projektarbeiten zu bearbeiten. Auch eine leichtere Erschließung von Studieninhal-ten aufgrund einschlägiger beruflicher Erfahrung, also ein Praxis-Theorie-Trans-fer, könnte die Vereinbarkeit verbessern.

Da die Frage der Vereinbarkeit von Stu-dium und Beruf im Mittelpunkt unserer Studie steht, interessieren uns die Rah-menbedingungen und Bewältigungsstra-tegien unterschiedlicher Berufsgruppen. Dabei war die Annahme leitend, dass berufsgruppenspezifische betriebliche Rahmenbedingungen vorzufinden sind, die nach Branchen, Arbeitszeitmodellen oder Betriebsgrößen differenziert werden können und sich unterschiedlich auf die Vereinbarkeit von Studium, Beruf und Privatleben auswirken. Besonders inte- ressant waren für uns zudem die Fragen,

per Definition auch solche Studierende gezählt, die an regulären Studiengängen teilnehmen, auch wenn dies bislang sehr selten genutzt wird.5

Definition traditionelle/nicht traditionelle Studierende

Die Begriffe traditionelle beziehungs-weise nicht traditionelle Studierende begleiten die Diskussionen um die ›Öffnung der Hochschulen‹. Der Begriff der ›nicht traditionellen Studierenden‹ bezieht sich auf die Kategorie des ›non-traditional students‹ der angelsächsi-schen Länder. Dabei existiert internatio-nal bisher keine einheitliche Definition. Teichler / Wolter (2004, S. 70 ff.) bezeich-nen nicht traditionelle als Studierende, die nicht auf geradem Weg zur Hoch-schule gekommen sind; die nicht die regulären schulischen Voraussetzungen für den Hochschulzugang erfüllen und die nicht in der üblichen Form eines Vollzeit- und Präsenzstudiums studieren (also Teilzeit-, Abend- und Fernstudierende). In Anlehnung daran verstehen wir traditionelle Studierende als jene Studierende, die entsprechende Kriterien erfüllen. In dieser Studie wird der Begriff der ›nicht traditionellen Studierenden‹ jedoch nicht verwendet, da auch berufsbegleitend Studierende in Vollzeit- und Präsenzstudium in die Untersuchung einbezogen werden.

Page 17: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

15

Empirische Datengrundlage

In der Untersuchung haben wir uns auf Angebote der staatlichen Hochschulen beschränkt. Diese sind abhängig von öffentlicher Finanzierung und gesetzlich definierter Aufgabenstellung und damit auch ein wichtiger Bereich für die Poli-tikberatung. Ein empirischer Vergleich zwischen privaten und staatlichen Hoch-schulen wird aus forschungsökonomi-schen Gründen in dieser Untersuchung nicht vorgenommen, aber grundsätzlich als lohnenswert erachtet.6

Bei der Auswahl der Studiengänge, in denen wir Befragungen durchge-führt haben, war es uns wichtig, dass sie das Spektrum von Berufsgruppen adressieren, für die eine Akademisie-rung und wissenschaftliche Weiterbil-dung aufgrund der Veränderungen des jeweiligen Berufsfeldes oder aufgrund guter Aufstiegsmöglichkeiten bereits seit Längerem thematisiert werden. Wir wählten deshalb Angebote für kaufmän-nische und technische Berufsgruppen sowie für soziale Dienstleistungsberufe aus. Die weiterbildenden Masterstudien-gänge richten sich in der Regel vornehm-lich, aber nicht ausschließlich nur an eine dieser Berufsgruppen. So werden beispielsweise in der Fachrichtung Wirt-schaftswissenschaften technische oder andere Berufe angesprochen, die organi-satorische oder Managementaufgaben im Betrieb übernehmen. Hier regelt also die Berufserfahrung den Zugang zum Studi-um ebenso wie die formale Qualifikation.

Für kaufmännische Berufe (Kaufleute, Fach- und Betriebswirte) ist das Angebot an berufsbegleitenden Formaten am weitesten entwickelt, mehr als 40 Prozent aller Studiengänge liegen bundesweit im Bereich der Wirtschaftswissenschaf-ten, werden jedoch zum größeren Teil von privaten Hochschulen angeboten.7 Angebote für technische und IT-Berufe sowie für soziale Dienstleistungsberufe (hier sind Pflege-, Gesundheits- und Erzie-hungsberufe gemeint) entwickeln sich langsam. Doch nicht nur in der bundes-weiten Diskussion, sondern auch im Land Bremen ist für diese Berufsgruppen ein größerer Bedarf an wissenschaftlicher Weiterbildung formuliert worden.8

ob und in welcher Form die Studierenden von ihren Arbeitgebern unterstützt wer-den und ob sich die Arbeit der Befragten mit Beginn des Studiums verändert hat.

Durch das zentrale Auswahlkriterium der berufsfachlichen Tätigkeit, die einen Bezug zum Studium aufweist, werden in die Untersuchung sowohl Studierende mit als auch ohne Abitur eingeschlossen. Zudem sind Studierende mit Berufs- und / oder mit Hochschulabschlüssen einbezogen. Durch den Mix an Bildungs-profilen unter den Studierenden sind Berufstätige verschiedener betrieblicher Hierarchieebenen in der Studie vertreten. Wir gehen davon aus, dass Angehörige unterschiedlicher Hierarchieebenen auch unterschiedliche Rahmenbedingungen vorfinden, welche die Vereinbarkeit beeinflussen können. Wir haben bei-spielsweise danach gefragt, welche Rolle Arbeitszeitmodelle, die Position der ein-zelnen Beschäftigten im Betrieb oder das Verhältnis zu Vorgesetzten und Kollegen für die Vereinbarkeit spielen.

Neben dem Beruf stellt das Privatle-ben beziehungsweise das familiäre und soziale Umfeld der Studierenden eine entscheidende Variable der Vereinbar-keit dar. In der Studie haben wir daher Rahmendaten zu Kindern, Partnerschaft und Wohnformen erhoben. Wir nahmen an, dass die zweifache Belastung mit Beruf und Studium sich vor allem auf das Privatleben auswirken würde. Gleich-zeitig vermuteten wir, dass Verständnis und Unterstützung im sozialen Umfeld als wichtig erachtet werden. Sowohl in den Interviews als auch im Fragebogen hatten die Studierenden die Möglichkeit, Probleme ebenso wie Unterstützung und Entlastung in ihrem Privatleben zu thematisieren.

Eine gute Vereinbarkeit ist nicht zuletzt von den Studienangeboten und den hochschulischen Rahmenbedingun-gen abhängig. In den Interviews waren die Studierenden deshalb aufgefordert, die von ihnen gewählten Studienformate sowie ihr eigenes Studienverhalten zu bewerten. Darüber hinaus hatten sie die Möglichkeit, Probleme im Rahmen des Studiums zu benennen. Für die Politik-beratung steht schließlich die Frage im Raum, in welcher Form sich die staatli-chen Hochschulen der neuen Aufgaben annehmen und auf welche Ressourcen sie dabei zurückgreifen können.

Page 18: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

16

In der Stichprobe sind Studierende und Experten aus zwei Masterstudiengängen mit der Fachrichtung Wirtschaftswissen-schaften befragt worden, die entweder kaufmännische, technische und andere Berufsgruppen adressieren. Ein Bachelor-studiengang im Bereich Berufspädago- gik und ein Masterstudiengang im Bereich Mathematik / Informatik rich-ten sich ausschließlich an technische Berufsgruppen. Ein Master- und ein Ba-chelorstudiengang im Bereich Pflege- und Gesundheitswissenschaften richten sich vornehmlich an Sozial- und Pflegeberufe. In den genannten Studiengängen wurden neben Studierenden auch Studiengangs-verantwortliche interviewt. Ein weiterer Masterstudiengang aus der Fachrichtung der Erziehungswissenschaften, der aus-schließlich in der Fragebogenerhebung berücksichtigt wurde, setzt die Qualifi-zierung in einem pädagogischen Beruf voraus (siehe Tabelle 1).

Bei der Wahl der Studienformate haben wir eine Mischung aus Vollzeit-, Teilzeit- oder berufsbegleitenden Studi-enformaten angestrebt, um Hinweise darauf zu erhalten, wie sich verschiedene Formate für Berufstätige in der Praxis be-währen. Weiterhin stellten wir im Erhe-bungsprozess fest, dass keine Daten über die Grundgesamtheit von berufsbeglei-tend Studierenden vorliegen. Wir wissen zum Beispiel nicht, wie viele beruflich qualifizierte Studierende neben einem regulären Vollzeitstudium oder einem Teilzeitstudium an den Bremer Hoch-schulen ihre berufliche Tätigkeit weiter-führen. Diese Gruppe ist wahrscheinlich eher klein. Wir haben daher den Zugang zu Studierenden vor allem über solche Studiengänge gesucht, die entweder als berufsbegleitend ausgeschrieben sind oder die gezielt beruflich qualifizierte Studierende adressieren.

Der Kontakt zu Studierenden wurde über sieben Studiengänge an staatlichen Hochschulen im Land Bremen herge-stellt. Für die Studie wurden Interviews mit Studierenden und Studiengangsver-antwortlichen in zwei Bachelor- und vier Masterangeboten durchgeführt. Wir ha-ben uns auf Bachelor- und Masterstudien-gänge beschränkt, da diese Studiengänge aufgrund der zeitlichen Länge von zwei, drei oder mehr Jahren und der struktu-rierten Abschlussprüfungen in dieser Zeit besonders große organisatorische und psychologische Herausforderungen an die Studierenden stellen. Bachelor und Master bieten zudem klare Anschluss-möglichkeiten im Bildungssystem sowie Aufstiegsmöglichkeiten auf dem Arbeits-markt und sind deshalb mit anderen Studienmotivationen und beruflichen Perspektiven verbunden als alternative Weiterbildungen. Zwar können auch Zertifikatsstudiengänge Anschlüsse und Aufstiege ermöglichen und sind mitun-ter so konzipiert, dass sie in Bausteinen zu einem Hochschulabschluss führen können. Sie haben jedoch einen weniger etablierten Status in unserem Bildungs-system und auf dem Arbeitsmarkt.9

Alle sieben Studiengänge sind an der Universität und an der Hochschule Bre-men angesiedelt. Nur an diesen beiden staatlichen Hochschulen können derzeit Gruppen von berufstätigen Studierenden in unserem Sinne identifiziert werden. An beiden Hochschulen gibt es bereits einen Bachelor- und verschiedene Master-studiengänge in berufsbegleitenden For-maten. An der Hochschule Bremerhaven gibt es Pläne für die Entwicklung berufs-begleitender Studiengänge, bisher lässt sich jedoch keine nennenswerte Zahl von berufstätigen Studierenden nach unserer Definition an der Hochschule Bremer-haven ausmachen. Experteninterviews wurden jedoch auch hier durchgeführt. Diese zeigen, dass an der Hochschule ein Bedarf für die Entwicklung von berufs-begleitenden Studienformaten gesehen wird. An der Hochschule für Künste (HfK) wurden keine Interviews durchgeführt, da an der HfK bisher nur ein Zertifikats-studium im berufsbegleitenden Format angeboten wird.

Page 19: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

17

Methodisches Vorgehen

Für die Untersuchung haben wir einen Mix aus qualitativen und quantitativen Methoden gewählt. Die leitfadengestütz-ten Experteninterviews10 mit Studien-gangsverantwortlichen haben wir an den Anfang der Feldphase gesetzt, um einen Einblick in das Feld berufsbegleitendes Studieren und in die Gestaltung von ver-schiedenen Studiengängen zu erhalten. Auch Erfahrungs- und Deutungswissen der Studiengangsverantwortlichen hinsichtlich der beruflichen und betrieb-lichen Rahmenbedingungen von Studie-renden sowie möglicher Probleme bei der Vereinbarkeit wurden einbezogen. Die Interviews wurden auf der Basis von Mitschriften protokolliert und inhalts-analytisch ausgewertet. Die Protokolle wurden mit den Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern abgestimmt, um Fehler in der Auswertung zu minimie-ren. In einem Masterstudiengang für Erziehungsberufe wurden keine Exper-teninterviews durchgeführt. Wir führten die quantitative Befragung dort später durch, da wir den Bereich der sozialen Dienstleistungen zu diesem Zeitpunkt in der Erhebung unterrepräsentiert sahen.

Die Experteninterviews mit Personal-entwicklern in Betrieben wurden eben-falls protokolliert und inhaltsanalytisch ausgewertet. Da wir in Betrieben ledig-lich vier Interviews führten, können wir aus den Ergebnissen allenfalls Beispiele bezüglich besonderer Interessenlagen und Möglichkeiten von Unternehmen hinsichtlich der Förderung von berufs-begleitendem Studieren ableiten.

Die qualitativen Interviews mit Stu-dierenden setzten sich aus unterschied-lichen Teilnehmerzahlen zusammen. Für den kaufmännischen Bereich konnten wir ein Gruppeninterview mit vier Teil-nehmenden sowie ein Einzelinterview, für den technischen Bereich ein Grup-peninterview mit vier Teilnehmenden und zwei Einzelinterviews und für den Bereich der sozialen Dienstleistungen ein Gruppeninterview mit zwei Studieren-den auswerten. Im Bereich der sozialen Dienstleistungen gibt es für zwei Studi-enangebote nur quantitative Ergebnisse,

Dual Studierende, in deren Studienall-tag – in Anlehnung an das duale Ausbil-dungssystem – Theorie- und Praxisphasen strukturiert ineinandergreifen, wurden nicht in unsere Stichprobe einbezogen, da sich das Format grundlegend von einem berufsbegleitenden Studium unterscheidet. Bei Letzterem sind in erster Linie die Studierenden selbst dafür verantwortlich, Studium und Beruf miteinander in Einklang zu bringen. Im Fall des dualen Studiums koordinieren Hochschulen in Kooperation mit Unter-nehmen eine strukturierte Studienorga-nisation und garantieren somit bereits eine gute Vereinbarkeit zwischen Beruf und Studium.

Die Rekrutierung berufsbegleitend Studierender für Interviews und Befra-gungen war mit besonderen Schwie-rigkeiten behaftet. Das liegt besonders daran, dass in den ausgewählten Studi-enformaten nur eine kleine Anzahl von Menschen studiert, deren Alltag zusätz-lich von Zeitmangel beherrscht ist. Es ist uns nicht in jedem Studiengang gelun-gen, Gruppeninterviews zu organisieren. Wir haben daher neben den drei Grup-peninterviews auch drei Einzelinterviews geführt.

Um einen Einblick in betriebliche Pers-pektiven zu Möglichkeiten und Barrieren der Vereinbarkeit von Beruf und Studium zu bekommen, wurden vier Expertenin-terviews mit Personalentwicklungen von Bremer Betrieben durchgeführt. Für diese Gespräche konnten Personalverantwortli-che aus dem Gesundheitsbereich, aus der Logistikbranche und aus der Metallbran-che gewonnen werden.

Page 20: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

18

da keine Interviewteilnehmenden zur Verfügung standen und für ein Studien-angebot nur qualitative Ergebnisse, da die Anzahl der Studierenden für eine quantitative Erhebung zu gering war. Es bleibt damit zu berücksichtigen, dass die Gruppe der kaufmännischen und technischen Berufe stärker repräsentiert ist, als die der sozialen Dienstleitungen (vgl. Tabelle 1).

Die Gruppeninterviews sind an der Methode der Fokusgruppeninterviews orientiert.11 Bei dieser Methode stehen weniger Gruppendynamik und soziales Verhalten im Zentrum der Analyse. Viel-mehr geht es darum, durch thematische Impulse der Interviewer eine Bandbreite an subjektiven Erfahrungen zu einer be-stimmten sozialen Situation zu erfassen. In unserem Fall teilen die Interviewpart-ner die Erfahrung des berufsbegleiten-den Studierens. Die Interviews wurden leitfadengestützt durchgeführt, transkri-biert und sprachlich leicht bereinigt. Die Daten wurden inhaltsanalytisch ausge-wertet.

tabelle 1: Quantitative befragung und qualitative interviews

Soziale dienstleistungen Fachrichtung Abschluss Format Gruppeninterviews (n=10) Einzelinterviews (n=3) Quantitative Befragung (n=53) Experteninterviews (n=11) Experteninterviews (n=4)

Sozial-/Pflegeberufe u.a. Medizin/Gesundheit Master (WB) berufsbegleitend GI3 (n=2) / 1 (n=1) Pflegebranche

2(n=2) Pflegeberufe Medizin/Gesundheit Bachelor Vollzeit / / n=9 1 (n=1)

Erziehungsberufe Erziehungswissenschaft Master (WB) berufsbegleitend n=7 /

technischer bereich

IT-Berufe Mathematik/Informatik Master (kons.) Teilzeit/Vollzeit GI2 (n=4) / 1 (n=2) Metallbranche

(n=1)technische Berufe Berufspädagogik Bachelor berufsbegleitend/Vollzeit I1, I2 (n=2) n=7 1 (n=1)

technische Berufe u.a. Wirtschaftswissenschaften Master (WB) berufsbegleitend I3 (n=1) n=7 1 (n=1)

kaufmännischer bereich Logistik-

branche (n=1)kaufmännische und andere Berufe Wirtschaftswissenschaften Master (WB) berufsbegleitend GI1 (n=4) n=22 1 (n=2)

keine Zuordnung möglich n=1

Berufsgruppe Studienganginterviews und befragung

StudierenderStudiengangs-

verantwortlichePersonalentwicklung

in betrieben

Die Einzelinterviews orientieren sich an der Methode des problemzentrierten Interviews,12 in dem durch einen Wechsel von Frage und Antworten die forschungs-leitende Problemstellung und deren Rahmenbedingung thematisiert werden. Ergänzt wird das Interview durch einen Kurzfragebogen am Ende, in dem die wichtigsten Sozialdaten aufgenommen werden. Dieser Fragebogen wurde auch am Ende der Gruppeninterviews ausge-füllt, um eine einheitliche Datengrund-lage der Interviews zu gewährleisten. Die Einzelinterviews wurden ebenfalls leitfadengestützt durchgeführt, transkri-biert, sprachlich leicht bereinigt und inhaltsanalytisch ausgewertet.

Die qualitativen Erkenntnisse werden mit Ergebnissen einer quantitativen Fragebogenergebung unter berufstätigen Studierenden aus sechs verschiedenen Studiengängen ergänzt, es gab jedoch keinen Rücklauf aus einem Studiengang. Das Befragungsinstrument wurde nach den ersten Gruppeninterviews entwickelt, als die ersten Hinweise auf Problemlagen bei der Vereinbarkeit vorlagen. Aus einem Rücklauf von 59 Fragebögen konnten nach einer Bereinigung13 53 Fragebögen ausgewertet werden. Die quantitativen Daten beanspruchen keine Repräsentati-

Page 21: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

19

1 Vgl. unter anderem Hartmann et al.

(2008); Loroff et al. (2011);

Minks (2011); Hanft (2013);

Wolter (2013), Wolter et al. (2014).

2 Vgl. Syrek et al. (2014), S. 123 f.

3 Vgl. Minks et al. (2011), S. 14.

4 Vgl. Wolter (2012b), S. 277.

5 Vgl. Minks et al. (2011), S. 14.

6 Am Institut für Arbeit und Personal der

FOM Hochschule für Oekonomie und

Management Essen wurden im Rahmen

einer quantitativen Befragung die Antwor-

ten von 859 berufstätigen Studierenden

ausgewertet. Diese Studierendengruppe

studiert ausschließlich in privaten

Studiengängen, vornehmlich wirtschafts-

wissenschaftlicher Ausrichtung und ist

mit einem Durchschnittsalter von 27,6

Jahren relativ jung. Sie ist daher mit den

von uns befragten Studierenden nur sehr

bedingt vergleichbar. Die Befragung gibt

jedoch einige interessante Einblicke in

die Gestaltungsräume und Belastungen

im Erwerbsleben der Studierenden.

Vgl. Tegtmeier / Hellert (2015).

7 Vgl. Minks et al. (2011),

S. III f., S. 28, S. 38.

8 Vgl. Knigge (2010a, 2010b).

9 Vgl. Minks et al. (2011), S. V.

10 Vgl. Bogner et al. (2002).

11 Vgl. Przyborski (2008).

12 Vgl. Witzel (2000).

13 Wir haben unvollständige Daten-

sätze sowie Datensätze, die

nicht unserer Definition von berufs-

begleitend Studierenden entsprachen,

nicht ausgewertet.

Soziale dienstleistungen Fachrichtung Abschluss Format Gruppeninterviews (n=10) Einzelinterviews (n=3) Quantitative Befragung (n=53) Experteninterviews (n=11) Experteninterviews (n=4)

Sozial-/Pflegeberufe u.a. Medizin/Gesundheit Master (WB) berufsbegleitend GI3 (n=2) / 1 (n=1) Pflegebranche

2(n=2) Pflegeberufe Medizin/Gesundheit Bachelor Vollzeit / / n=9 1 (n=1)

Erziehungsberufe Erziehungswissenschaft Master (WB) berufsbegleitend n=7 /

technischer bereich

IT-Berufe Mathematik/Informatik Master (kons.) Teilzeit/Vollzeit GI2 (n=4) / 1 (n=2) Metallbranche

(n=1)technische Berufe Berufspädagogik Bachelor berufsbegleitend/Vollzeit I1, I2 (n=2) n=7 1 (n=1)

technische Berufe u.a. Wirtschaftswissenschaften Master (WB) berufsbegleitend I3 (n=1) n=7 1 (n=1)

kaufmännischer bereich Logistik-

branche (n=1)kaufmännische und andere Berufe Wirtschaftswissenschaften Master (WB) berufsbegleitend GI1 (n=4) n=22 1 (n=2)

keine Zuordnung möglich n=1

Berufsgruppe Studienganginterviews und befragung

StudierenderStudiengangs-

verantwortlichePersonalentwicklung

in betrieben

vität. Repräsentative Erhebungen dürften bei der derzeitigen Datenlage ohnehin kaum durchführbar sein. Nur in den als berufsbegleitend ausgewiesenen Studien-gängen ist die Gruppe der berufstätigen Studierenden überhaupt klar umrissen. Die Grundgesamtheit der berufsbeglei-tend Studierenden an allen Hochschulen ist nicht bekannt und auch die Hochschu-len führen keine entsprechende Statis-tik. Der Aufruf zur Interviewteilnahme erreichte jedoch immer alle Studierenden eines Studiengangs. Die Berufstätigen unter ihnen wurden in der Einleitung des Fragebogens gesondert angesprochen. Die quantitativen Ergebnisse können somit einen explorativen Einblick in die Situati-on der Studierenden geben und in diesem Rahmen die qualitativen Daten sinnvoll ergänzen.

Page 22: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

20bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇

Die Perspektive von Hochschulen

3

Page 23: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

21

Gruppen zu integrieren. Im Folgenden werden diese Studiengänge in Abgren-zung zu den Weiterbildungsmastern als ›gemischte‹ Studiengänge bezeichnet.

Konzeption, Zugang und Beratung – Weiterbildungsmaster

In die Konzeption der drei Studiengänge fließen langjährige Erfahrungen in der wissenschaftlichen Weiterbildung sowie eigene, einschlägige Berufserfahrung der Studiengangsverantwortlichen ein. Die von uns Interviewten haben keine typi-schen wissenschaftlichen Karrieren einer / eines Hochschullehrenden, die sich eher durch einen durchgängigen Verbleib an der Hochschule nach Ende des Studiums auszeichnen. Die Interviewten haben viel-mehr einen engen Bezug zu den beruf-lichen Praxisfeldern ihrer Studierenden und sind außerdem im System Hoch-schule verankert. Sie zeigen daher eine hohe Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Situation berufstätiger Studierender hineinzuversetzen.

Allen Studiengängen gingen einzelne oder zusammenhängende Angebote der wissenschaftlichen Weiterbildung voraus. Nachfragen und Rückmeldungen von Teilnehmenden und die Beobachtung der entsprechenden Berufsfelder zeigten daraufhin den Bedarf für einen vollum-fänglichen Studiengang an. Von systema-tischen Bedarfsanalysen berichteten die Studiengangsverantwortlichen nicht.1

Zwei der Studiengänge setzen für den Zugang einen Hochschulabschluss verschiedener Fachrichtungen voraus. In dem dritten Studiengang ist dagegen die Eingangsprüfung (in der zum Beispiel mittels Rollenspielen Potenziale ausge-lotet werden) relevanter bei der Auswahl als der formale Abschluss. Ausschlagge-bend ist hier die Berufserfahrung. Be-rufseinsteigern wird meist vom Studium abgeraten, auch weil sie die zusätzliche

Um mehrere Facetten der hochschuli-schen Praxis zu berücksichtigen, wur-den für die Expertengespräche sechs Studiengänge an der Universität und der Hochschule Bremen ausgewählt, die Berufstätige adressieren. Darunter sind sowohl berufsbegleitende als auch Regel-studiengänge (siehe Tabelle 1 in Kapitel 2). Die leitfadengestützten Interviews mit Studiengangsverantwortlichen wurden protokolliert und nach verschiedenen Themenfeldern ausgewertet. Da es vor allem darum ging, gezielte Informatio-nen über die Praxis der Institutionen zu bekommen, verzichteten wir auf Tran-skriptionen von Tonbandaufnahmen. Vereinzelt fließen jedoch auch in den Expertengesprächen subjektive Beobach-tungen und Deutungswissen über die Belastungen für Studierende ein, die für unsere Auswertung hinsichtlich einer ersten Einschätzung der Belastungssitua-tion von berufsbegleitend Studierenden relevant waren. Mit den Interviews ge-wannen wir ein klareres Bild der Interes-sen, Bedürfnisse und beruflichen Hinter-gründe berufsbegleitend Studierender. Im Mittelpunkt steht jedoch die Frage nach den Konzepten und der Didaktik, mit denen Hochschulen Berufstätige ansprechen, beraten und im Studium begleiten. Die drei berufsbegleitenden Masterstudiengänge in unserem Sample sind ausschließlich auf berufserfahrene und in der Regel vollzeiterwerbstätige Studierende ausgerichtet. Für diese Wei-terbildungsmaster werden Studiengebüh-ren erhoben. Schon aus diesem Grund haben sie einen anderen ›Servicecharak-ter‹ als Regelstudienangebote. Die zwei Bachelorprogramme und der konsekutive Masterstudiengang sind dagegen gebüh-renfrei und adressieren sowohl jüngere traditionelle Studierende als auch berufs-tätige Studierende. Die Herausforderung besteht in diesen Studienangeboten ins-besondere darin, die Bedürfnisse beider

SuSAnne hermeLing

Qualitative experteninterviews

Studie

Page 24: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

22

und machen die wichtige Erfahrung, dass ihre Arbeiten kritisiert werden. Die zeitlichen Formate der Weiterbil-dungsmaster unterscheiden sich deutlich vom Regelstudium. Aufgrund der höhe-ren Spezialisierung ist außerdem der Ad-ressatenkreis für Weiterbildungsmaster kleiner als bei den Regelstudienangebo-ten. Die Studiengänge werden daher über die Grenzen Bremens hinaus beworben, auch die mitunter langen Anfahrtswege für Beschäftigte außerhalb Bremens werden berücksichtigt. Die Präsenzver-anstaltungen der Weiterbildungsmaster werden im Block angeboten, belegen je-doch fast nie das ganze Wochenende, um wenigstens den Sonntag als Erholungstag zu erhalten.

Die Präsenzzeiten stehen lange im Voraus fest, sodass ein transparenter Studienplan entsteht. Zwei Studiengän-ge verzichten auf Präsenzzeiten in den Schulferien. In dem dritten Studiengang richten sich die Zeiten am regulären Semester aus, da einige Veranstaltungen aus Regelstudiengängen im Programm sind.

Bei den Weiterbildungsmastern der Fachrichtung Wirtschaftswissenschaft können einzelne zertifizierte Module als Weiterbildung belegt werden. Für viele ist das ein Einstieg in das gesamte Studium, zumal die dort erworbenen Kreditpunkte auf das Studium angerech-net werden. In einem der Studiengänge mit eher breiter fachlicher Ausrichtung, werden alle Module kontinuierlich neu angeboten und können so flexibel von den Masterstudierenden belegt werden. Urlaubssemester und zeitweise Exmat-rikulation sind in diesem Studiengang möglich, wenn Studierende beruflich oder privat stark belastet sind. Offensicht-lich ist, dass diese hohe Flexibilität in der Studienorganisation nur dann umsetzbar ist, wenn die angebotenen Module von einer größeren Studierendengruppe kon-tinuierlich nachgefragt werden. In den zwei Weiterbildungsmastern mit stärke-rer fachlicher Spezialisierung ist jedoch eher von kleineren Studierendengruppen auszugehen. Das mindert die Möglichkei-ten der Studienflexibilität.

Belastung erfahrungsgemäß nicht tragen können. Die Prüfung vermittelt außer-dem ein Bild der Profile der Teilnehmen-den. Diese sind meist in betrieblichen Führungspositionen oder freiberuflich in der Unternehmensberatung tätig. Über die Hälfte der Studierenden hat einen Hochschulabschluss, weitere haben eine fachschulische Aufstiegsfortbildung absolviert.

Die Studiengänge werden vornehmlich über das Internet und soziale Medien, aber auch durch teilweise regelmäßige Informationsveranstaltungen beworben. Bei den bereits etablierten Studiengän-gen ist die Empfehlung von Studierenden oder Absolventinnen und Absolventen an Kolleginnen und Kollegen im eigenen Berufsfeld eine wichtige informelle Wer-bemaßnahme. Einige Studierende sind ehemalige Teilnehmende an zertifizierter Weiterbildung der Hochschulen, die sich mit einzelnen Modulen der Studiengänge decken. Die Studierenden kommen in der Regel auf eigene Initiative und wer-den sehr selten von Unternehmen oder Organisationen entsendet. Im Marketing werden daher eher Menschen als Betriebe angesprochen.

Alle Interviewten sind sich darin einig, dass Berufstätige einen hohen indivi-duellen Beratungsbedarf haben. Dieser bezieht sich auf Fragen zur Studienorga-nisation, zu den inhaltlichen Anforde-rungen, aber auch auf persönliche Fra-gen zur Vereinbarkeit von Beruf, Studium und Privatleben. Bei zwei Studiengängen sind die inhaltlich Verantwortlichen die Hauptansprechpersonen für Studieninte-ressierte. In einem Studiengang wird eine umfassende persönliche Beratung vor und während des Studiums durch eine Studiengangskoordinatorin angeboten. Hier werden Fragen der Studierbarkeit geklärt und ein persönlicher Studien-verlaufsplan erstellt, der größtmögliche Flexibilität bei der Belegung der einzel-nen Module bietet.2

Ein Brückenangebot für Studierende zur Einführung in wissenschaftliches Arbeiten wird nur in einem Interview erwähnt. Es besteht nach Einschätzung dieser Studiengangsleitung ein hoher Bedarf, obwohl die Studierenden einen ersten Hochschulabschluss mitbringen. In der Einführung entwickeln die Studie-renden außerdem realistische Vorstellun-gen über die Anforderungen im Studium

Page 25: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

23

men der Weiterbildungsteilnehmer‹ eta-bliert ist, während ähnliche Diskurse in der allgemeinen ›hochschuldidaktischen Perspektive‹ noch ausstehen.4

Methoden des Blended-Learning mit E-Learning-Anteilen werden allerdings nur in einem Weiterbildungsmaster um-gesetzt. Die von der Studiengangsleitung und einer E-Learning-Expertin betreute Plattform wird von den Studierenden ausgiebig zum fachlichen und persön-lichen Austausch genutzt. Das gute ›Gruppengefühl‹ in der relativ kleinen Studierendengruppe und die intensive Betreuung unterstützen offensichtlich die gute Nutzung des Instrumentes. Dies gelingt, obwohl die Studierenden keinen technikaffinen Berufen angehören und nicht überdurchschnittlich jung sind. Die mittels der E-Plattform erbrachten Leistungen werden im Umfang eines Studienmoduls angerechnet.

In den wirtschaftswissenschaftli-chen Masterprogrammen berichten die Interviewten eher von einer ablehnen-den Haltung der Studierenden gegen-über E-Learning. In einem Studiengang werden anrechenbare E-Learning-Anteile bereitgestellt, jedoch kaum genutzt. Der persönliche Austausch mit Lehrenden und Studierenden wird von beiden Studi-engangsverantwortlichen als wesentlich attraktiver für die Berufstätigen einge-schätzt.5

Die Bildung von Gruppen und Netz-werken unter den Studierenden ist bei allen Weiterbildungsmastern ein Teil des didaktischen Konzepts. Die Heterogenität der Gruppen, hinsichtlich des Alters, der Berufe und der betrieblichen Funktionen, macht nach Einschätzung der Interview-ten den Austausch besonders attraktiv. So berichtet ein Interviewpartner, dass jüngere Studierende von der Berufserfah-rung älterer Studierender profitieren. Für die älteren sei es dagegen interessant, ein Feedback von jüngeren Studienkollegen zu bekommen. Auch betriebliche Hierar-chieebenen würden im Seminar aufgeho-ben, was zu einem besseren Verständnis aller für betriebliche Systeme beiträgt. Eine andere Studiengangsleitung stellt hohe Synergie-Effekte durch den Aus-tausch von Berufstätigen mit Studieren-den aus Regelstudiengängen fest, aus denen jeweils ein Modul in das Master-programm eingebettet ist. So hatten sich Studierende aus den unterschiedlichen

Anrechnung von beruflich erworbenen Qualifikationen und Kompetenzen – Weiterbildungsmaster

In allen drei Studiengängen können durch einschlägige Berufserfahrung oder durch Weiterbildung erworbene Kom-petenzen als Kreditpunkte individuell angerechnet werden. Maximal kann auf diesem Weg ein Viertel der Studienleis-tungen erlassen werden. Ein Studien-gangsverantwortlicher berichtet, dass eine solche Möglichkeit, die in den Infor-mationsmaterialien genannt wird, noch nie nachgefragt wurde. In einem weite-ren Studiengang wird auf ein an einer ausländischen Hochschule erprobtes Ver-fahren zurückgegriffen, in dem bereits erworbene Kompetenzen schriftlich do-kumentiert werden. Grundsätzlich wären die Kompetenzen auch auf der Grundlage eines Gesprächs ermittelbar, doch da die Verfahren in Deutschland neu sind, dient die schriftliche Form der Qualitätssiche-rung. Dies macht jedoch den Prozess für Studierende relativ aufwendig. Einige Studierende, die die Möglichkeit hatten, sich Studienleistungen aus vorangegan-gener wissenschaftlicher Weiterbildung anerkennen zu lassen, zogen es vor, die entsprechenden Module im Masterpro-gramm trotzdem zu belegen.3

Didaktik und Theorie-Praxis- Transfer – Weiterbildungsmaster

Die Weiterbildungsstudiengänge schei-nen eine größere methodische Vielfalt anzuwenden, als es im Regelstudium üblich ist. Neben den üblichen Formen von Kurzvorträgen, Gruppenarbeiten und Hausarbeiten, werden auch Simulations-programme, Rollen- und Systemspiele genannt. In einem wirtschaftswissen-schaftlichen Studiengang bringen die Lehrenden, allein aufgrund ihrer beruf-lichen und Auslandserfahrungen eine Bandbreite von Methoden ein. Der expli-zite Bezug zur beruflichen Praxis scheint die Methodenvielfalt zu befördern. Hier kommen die langjährigen Erfahrungen in der wissenschaftlichen Weiterbildung für Berufstätige ins Spiel. Auch Kreutz / Meyer weisen darauf hin, dass in der wissenschaftlichen Weiterbildung bereits seit den 1970er-Jahren ›die Orientierung an berufsbezogenen Fragen und Proble-

Page 26: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

24

in den Unternehmen oft die Bereitschaft, sich mit dem Studium von Beschäftigten zu befassen. Diese müssen daher viel Ausdauer und Eigeninitiative bei ihrer Arbeit für den Theorie-Praxis-Transfer einsetzen.6 Ergebnisse unserer Studie-rendenbefragung bestätigen tatsächlich auch, dass viele Studierende bereits während des Studiums selbsttätig einen Theorie-Praxis-Transfer leisten, indem sie Aufgaben anders bearbeiten oder mehr Verantwortung übernehmen (vergleiche Kapitel 4).

Studienmotivation und berufliche Perspektiven – Weiterbildungsmaster

In den Interviews werden Aufstiegspläne und Wünsche nach beruflicher sowie persönlicher Weiterentwicklung als gängige Motive für die Studienentschei-dung genannt. Die Verantwortlichen der bereits seit Längerem laufenden Weiterbildungsmaster im Fach Wirt-schaftswissenschaften geben an, dass der Abschluss für die Studierenden in der Regel zu einem Karriereschub im eigenen Unternehmen führt. Absolventenstudien in einem anderen Studiengang belegen zudem, dass Studierende mitunter schon vor ihrem Abschluss verantwortungsvol-lere Aufgaben im Betrieb übernehmen. Teilweise wechseln Absolventinnen und Absolventen in andere Unternehmen, um ihre Aufstiegspläne zu verwirklichen. Anschließende Promotionen sind grund-sätzlich möglich, kommen jedoch sehr selten vor.

Mit einem Weiterbildungsmaster im Bereich Medizin / Gesundheit, der sich im ersten Durchlauf befindet, sind noch keine Erfahrungen hinsichtlich des Verbleibs nach dem Abschluss gemacht worden. Der spezialisierte Master eröff-net ein Berufsbild, das aufgrund neuer gesetzlicher Regelungen und inhaltlicher Entwicklungen in den fachlichen und po-litischen Diskursen als zukunftsträchtig gilt. Gleichzeitig sind die Arbeitsfelder auf dem öffentlich finanzierten Arbeits-markt im Gesundheitswesen sehr weitge-hend von der Entwicklung öffentlicher Mittelverteilung abhängig, die sowohl Einkommens- als auch Aufstiegsmöglich-keiten begrenzen können.

Studiengängen für gemeinsame Arbeiten angemeldet. In einem Weiterbildungs-master der Wirtschaftswissenschaften wird besonders aktiv die Netzwerkbil-dung unter den Studierenden gepflegt. Einmal jährlich wird eine gemeinsame Auslandsreise angeboten, die im Betrieb als Bildungsurlaub beantragt werden kann. Sogar Alumni-Netzwerke der Absolventinnen und Absolventen werden durch Veranstaltungen und Exkursio-nen weiter gefördert. Dass der intensive Kontakt unter den Studierenden ein wichtiger Faktor für den Studienerfolg ist, bestätigen auch die Aussagen von berufsbegleitend Studierenden in den In-terviews und der Befragung im Rahmen unserer Studie (siehe Kapitel 4).

Ein Theorie-Praxis-Transfer in den Studiengängen wird insbesondere durch Hausarbeiten und Abschlussarbeiten gefördert, die mit betrieblichen Projek-ten verknüpft werden. Ein Interview-partner berichtet, dass die Studierenden gerne Beispiele aus ihrer Berufspraxis in Veranstaltungen diskutieren. Ein weiterer Interviewpartner dagegen erlebt die Stu-dierenden diesbezüglich eher als zurück-haltend, weil nach seiner Einschätzung betriebliche Interna ungern thematisiert würden. Mit bestimmten Übungen bekommen die Studierenden jedoch die Gelegenheit, ihre eigenen Aufgabenbe-reiche im Unternehmen zu reflektieren. Projekt- oder Masterarbeiten, in denen Anliegen der Unternehmen behandelt werden, tragen häufig einen Sperrver-merk. In diesen Fällen gibt es auch eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Betreuer der Arbeit und einem Vertreter oder einer Vertreterin des beschäftigen-den Unternehmens.

Der Theorie-Praxis-Transfer kann Vereinbarkeit fördern. Oft auch in dem Sinne, dass Vorgesetzte von Studierenden auf den Nutzen des Studiums aufmerk-sam werden und in der Folge mehr Unter-stützung anbieten. Studierende werden in einem Studiengang aktiv ermutigt, ihre neuen Kompetenzen bereits wäh-rend des Studiums einzusetzen, auch um den eigenen Aufstieg im Unternehmen zu initiieren. Die Studiengangsverant-wortlichen bieten an, im Unternehmen die Studieninhalte vorzustellen, um Möglichkeiten für einen Theorie-Praxis-Transfer aufzuzeigen. Allerdings fehlt nach Erfahrung der Studiengangsleitung

Page 27: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

25

Die Studiengangsleitung des Weiterbil-dungsmasters der Fachrichtung Medizin / Gesundheit äußert die Vermutung, dass die anfallenden Studiengebühren eine Hürde für viele Studieninteressierte darstellen. Diese gehören häufig Berufs-gruppen im mittleren Einkommensbe-reich an. Außerdem gibt es erst nach zwei Jahren die Möglichkeit, das Studium kostenneutral abzubrechen. Eine Teil-freistellung durch einen Arbeitgeber ist bisher von einer Studierenden bekannt, die ihren Arbeitgeber offensiv mit ihrer Situation konfrontiert hatte.

Konzeption, Zugang und Beratung – gemischte Studiengänge

Die folgende Auswertung bezieht sich auf zwei Bachelorstudiengänge und einen Masterstudiengang, die sowohl an traditionelle Vollzeitstudierende als auch an berufstätige Studierende gerichtet sind. Das breite Altersspektrum und die sehr unterschiedlichen Lebenssitu-ationen der Studierenden stellen die Studiengangsverantwortlichen vor die Herausforderung, alle Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen. Zudem muss die Konzeptionierung und Durchführung der Angebote aus der Grundfinanzierung der Hochschulen gedeckt werden.7

Ein Bachelorstudiengang der Fachrich-tung Berufspädagogik konnte mithilfe von Drittmitteln als berufsbegleitendes Angebot konzeptioniert und evaluiert werden. Das Studium kann somit in Vollzeit und berufsbegleitend studiert werden. Die letzte Variante wird von den älteren berufstätigen Studierenden genutzt. Der Planungsphase ist eine Bedarfsstudie vorausgegangen, in der auch Unternehmen befragt wurden. Ein dualer Bachelorstudiengang der Fach-richtung Medizin / Gesundheit, in dem Theorieanteile an der Hochschule und Praxisanteile ineinandergreifen, ist für dual Studierende in Ausbildung sowie für beruflich Qualifizierte konzipiert. Diese haben bereits eine einschlägige Berufsausbildung und absolvieren die Theorieteile des Studiums. Ein konsekuti-ver Masterstudiengang der Fachrichtung Mathematik / Informatik kann in Vollzeit und in Teilzeit studiert werden. In der Gruppe der Berufstätigen, in der Regel sind das Teilzeitstudierende, gibt es zwei Statusgruppen. Eine Gruppe studiert mit

Belastungssituation der berufsbegleitend Studierenden – Weiterbildungsmaster

In den beiden Studiengängen der Fachrichtung Wirtschaftswissenschaf-ten sind die meisten Studierenden in Vollzeit erwerbstätig. Eine Reduzierung von Arbeitsstunden ist nach Erfahrung der Interviewten für viele Studierenden schon deshalb nicht möglich, weil sie neben den Studiengebühren teilweise auch Kosten für Anfahrt und Übernach-tungen unter den Blocktagen tragen müssen. Ein Interviewpartner berichtet, dass Studierende, in der Regel Leitungs-kräfte, oft eine Unterstützung durch den Arbeitgeber bekommen. In der Regel erstreckt sich dies auf Arbeitszeitkonten und Teilfreistellungen, selten auf eine vollständige Übernahme von Kosten. In einem weiteren Studiengang ist eine Freistellung von Beschäftigten durch Unternehmen extrem selten. In der Regel wird das Studium als ›privates Enga-gement‹ betrachtet und nur unter der Bedingung toleriert, dass die Arbeit nicht darunter leidet. Die Haltung von Vorge-setzten kann sich jedoch ändern, wenn im Laufe des Studiums der Nutzen für die Unternehmen sichtbar wird. Es gibt auch Fälle, in denen die Studierenden ihren Arbeitgeber nicht über ihr Studium unterrichten, um nicht in den Verdacht zu geraten, weniger am Arbeitsplatz leis-ten zu können. In diesen Fällen entfällt der typischerweise positive, wechselsei-tige Nutzen, der aus Studienprojekten innerhalb des Unternehmens für beide Seiten erwächst. Insbesondere in klei-neren Unternehmen bestehen häufiger Bedenken, dass Absolventen nach dem Abschluss höhere Ansprüche an Aufstieg und Einkommen stellen würden. Dass das berufsbegleitende Studium insgesamt eine Belastungsprobe darstellt, sei jedoch im Grunde Teil des Konzepts. Die späte-ren Führungskräfte sollen zeigen, dass sie hohen Belastungen gewachsen sind. Insbesondere die ersten beiden Semester seien etwas ›härter‹ als die nachfolgen-den.

Page 28: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

26

lich in der zentralen Beratungsstelle vom Studium abgeraten. Obwohl auch Studiengangsverantwortliche mitunter vom Studium abraten, kann diese Ent-scheidung aus ihrer Sicht erst nach einer eingehenden Prüfung des Einzelfalls getroffen werden.

Bei dem berufsbegleitenden Bachelor-studiengang werden Präsenzveranstal-tungen des berufspädagogischen Teils am Abend und an den Wochenenden durchgeführt. Traditionelle Vollzeitstu-dierende desselben Studiengangs müssen sich auf die unorthodoxen Veranstal-tungszeiten einlassen. Das birgt nach Aussage der Interviewten zu Beginn des Studiums Konfliktpotenzial zwischen den ›traditionellen‹ und den berufstätigen Studierenden. Fachliche Veranstaltungen aus Regelstudiengängen, die tagsüber in der Woche stattfinden, sind ebenfalls in das Programm integriert. Das wiederum stellt ein organisatorisches Problem für die Berufstätigen dar. Der Studiengang ist somit vom Format her nicht in Gänze berufsbegleitend studierbar. Zentrales Problem ist aus Sicht der Interviewten, dass den Lehrenden im Regelstudium An-reize fehlen, um sich zeitlich oder auch didaktisch auf berufsbegleitend Studie-rende einzustellen.

Im dualen Bachelorprogramm liegen die Veranstaltungen teils verblockt und an den Wochenrändern und teils über die Woche verteilt. Mitunter beklagen be-rufstätige Studierende, dass Arbeitszeiten mit Präsenzveranstaltungen kollidieren. Allerdings profitieren die Pflegeberufe nach Aussage der Interviewten von flexib-len Arbeitszeitmodellen, zum Beispiel in Schicht- und Wochenenddiensten. Viele sind in der Regel in Teilzeit beschäftigt. Um jedoch extreme Prüfungsbelastungen zu bestimmten Zeiten zu vermeiden, kön-nen die Studierenden Modulprüfungen zeitlich flexibel ablegen.

Im konsekutiven Masterprogramm liegen die Veranstaltungen auch in der Teilzeitvariante innerhalb der üblichen Arbeitszeiten. Die adressierte Berufsgrup-pe verfügt jedoch nach Erfahrung der Interviewten in der Regel über flexible Arbeitszeitmodelle, die die Teilnahme an den Veranstaltungen ermöglicht.

Die verschiedenen Formate verdeutli-chen, dass es schon rein organisatorisch schwierig ist, Studiengänge für sehr heterogene Gruppen zu gestalten. Unsere

formaler Unterstützung ihres Arbeitge-bers, der einen Kooperationsvertrag mit der Hochschule abgeschlossen hat. Die Initiative für die Kooperationen ist von mehreren Unternehmen ausgegangen, die einen hohen wissenschaftlichen Wei-terbildungsbedarf für ihre Beschäftigten haben. Eine weitere kleinere Gruppe von Berufstätigen studiert in eigener Regie mit unterschiedlichen Vereinbarungen im Betrieb.

Für den konsekutiven Master wird ein einschlägiger erster Hochschulabschluss vorausgesetzt. Den Zugang zu den beiden Bachelorprogrammen bekommen Studi-eninteressierte auch ohne Hochschulreife über die beruflichen Abschlüsse, wie eine anerkannte Berufsausbildung oder Fortbildungen zum Meister oder Techni-ker. Beruflich Qualifizierte mit und ohne Abitur machen in den Jahrgängen etwa ein Drittel bis die Hälfte aller Studieren-den aus. Dem berufsbegleitenden Bache-lorstudiengang gehen Brückenkurse in wissenschaftlichem Arbeiten und Mathe-matik voraus. Die Studiengangsverant-wortlichen stellen fest, dass insbesondere Meister die Vorbereitung auf ein stärker reflektierendes Denken brauchen, das sich von dem in der beruflichen Bildung vermittelten Denken unterscheidet. In dem dualen Bachelorprogramm müssen beruflich Qualifizierte eine Anerken-nungsprüfung ablegen und anschließend ein einjähriges Probestudium durchlau-fen. Etwa 20 Prozent der Studieninteres-sierten bestehen die Anerkennungsprü-fung nicht, während das Probestudium bisher nicht zu Abbrüchen geführt hat.

Die Verantwortlichen der Bachelorstu-diengänge berichten von einem hohen individuellen Beratungsbedarf von berufsbegleitend Studierenden vor dem Studium und währenddessen. Neben den Zugangsvoraussetzungen und den Anforderungen im Studium sind die beruflichen Perspektiven für Absolven-tinnen und Absolventen Gegenstand der Gespräche. Die Beratung wird von den Studiengangsverantwortlichen geleistet. Diese haben die Erfahrung gemacht, dass zentrale Beratungsstellen der Hochschu-len unzureichend über Zugangsmodali-täten sowie über berufliche Perspektiven informiert sind und daher keine geeigne-te Anlaufstelle für beruflich qualifizierte Studieninteressierte darstellen. Einigen Studieninteressierten wurde vermut-

Page 29: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

27

Didaktik und Theorie-Praxis- Transfer – gemischte Studiengänge

Im berufsbegleitenden Bachelorstudi-engang sind die Veranstaltungen zur Berufspädagogik nicht nur zeitlich berufsbegleitend, sie unterscheiden sich auch methodisch-didaktisch deutlich von den ›berufsfernen‹ Fachveranstaltungen aus den Regelstudiengängen. Diese sind für einen Teil der berufsbegleitend Stu-dierenden kulturell und inhaltlich wenig zugänglich. Lehrende der Berufspädago-gik dagegen gestalten den Umgang mit der heterogenen Studierendenschaft sehr bewusst und bilden beispielsweise Tandems aus jüngeren und berufserfah-renen Studierenden, von denen beide Seiten profitieren. Von den Studieren-den selbst gebildete Lerngruppen sind meist homogen, weil Treffen dann wohl zeitlich einfacher koordiniert werden können. Möglichkeiten des Online-Ler-nens werden bisher kaum genutzt, sind aber für eine bessere Vereinbarkeit von Arbeits- und Studienzeiten in Planung. Ein gezielter Theorie-Praxis-Transfer war eigentlich konzeptionell vorgesehen, ist aber für die Berufstätigen wohl schwer zu realisieren. Diese scheinen Beruf und Studium strikt voneinander zu trennen.

Im dualen Bachelorprogramm stoßen Versuche, den Austausch zwischen ausbil-dungsbegleitend Studierenden und be-rufsbegleitend Studierenden zu fördern auf Widerstand. Nach Wahrnehmung der Studiengangsverantwortlichen bilden die Studierenden separate Gruppen und kommunizieren kaum miteinander. Die Nähe zur beruflichen Praxis ist im Curriculum schon aufgrund des dualen Konzepts fest verankert. Ein Austausch mit Betrieben findet außerdem einmal jährlich statt.

Befragung von berufsbegleitend Studie-renden zeigt, dass rein berufsbegleitende Formate organisatorisch besser zu bewäl-tigen sind als ›gemischte‹ Studiengänge (vergleiche Kapitel 4). Allerdings spricht das nicht gegen eine Öffnung des Regel-studienangebots, denn auch Berufstätige sollten eine breite Auswahl von Studien-angeboten vorfinden.

Anrechnung von beruflich erworbenen Qualifikationen und Kompetenzen – gemischte Studiengänge

Im berufsbegleitenden Bachelorstudi-engang erhalten Absolventinnen und Absolventen von Fortbildungen mittels eines individuell ausgefüllten Portfolios eine Anrechnung auf Studienleistun-gen. Bei Technikern wird pauschal ein Sechstel der im Studium zu erwerbenden Kreditpunkte angerechnet, bei Meistern werden einzelne Bestandteile der Fortbil-dung berücksichtigt. Für die Studieren-den reduzieren sich die verpflichtenden Präsenzveranstaltungen und Prüfungen entsprechend.

Im dualen Bachelorprogramm wurde aus der für den Zugang erforderlichen Berufsausbildung in der Vergangenheit mehr als ein Drittel der Studienleistun-gen angerechnet. Das Studium verkürzte sich damit auf vier Semester in Vollzeit. Später wurde nur noch ein Fünftel der Studienleistungen angerechnet, da das Bundesland Niedersachsen Masterabsol-ventinnen und -absolventen der Berufs-pädagogik aufgrund der großzügigen Anrechnung nicht zum Referendariat zuließ. Die Begründung war, dass be-stimmte Kenntnisse auf Hochschulniveau fehlten. Das Beispiel zeigt, dass die relativ neuen Anrechnungsverfahren zukünftig einer besseren Abstimmung zwischen Bundesländern und Hochschulen bedür-fen.8

Im konsekutiven Masterstudiengang werden Bachelorabschlüsse mit einer bestimmten Punktzahl vorausgesetzt. Wenn die Voraussetzungen nicht voll-ständig durch den vorliegenden Hoch-schulabschluss erfüllt werden, kann das individuell durch Kompetenzen aus einschlägiger Berufserfahrung kompen-siert werden.

Page 30: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

28

Belastungssituation der berufsbegleitend Studierenden, Studienmotivation und berufliche Perspektiven – gemischte Studiengänge

Im berufsbegleitenden Bachelorstudien-gang sind die Berufstätigen in der Regel in Vollzeit erwerbstätig, da aufgrund finanzieller Verpflichtungen (Haus, Fa-milie) ein reduziertes Einkommen nicht denkbar ist. Viele haben außerdem lange Anfahrtzeiten, da sie an einen festen Wohnort gebunden sind. Anscheinend ist ein ›Nachlassen‹ in der Erwerbsarbeit für die Studierenden nicht denkbar, teilweise übernehmen diese sogar schon während des Studiums mehr Verant-wortung im Betrieb. Dies kann zu einer Mehrbelastung im Betrieb führen. Unter der gesamten Situation leidet die Familie. Häufig wird beklagt, dass die Unterstüt-zung des familiären Umfelds im Laufe des Studiums nachlässt. Einige Studie-rende berichten sogar von Trennungen. Auch dass man sich durch persönliche Entwicklungen im Studium mit Partnern ›auseinanderlebt‹, ist schon thematisiert worden. Die Belastungen in der Zeit der Abschlussarbeit sind besonders hoch. Da die Bearbeitungszeit der Bachelorarbei-ten durch die Studienordnung festgelegt ist, müssen die Berufstätigen entspre-chend vorarbeiten, um den Abschluss in der vorgeschriebenen Zeit zu absolvieren. Außerdem fordern die Mathematik und der Stil der Veranstaltungen aus den Regelstudiengängen gerade die Meister kognitiv und kulturell stark heraus. Teil-weise werden Vorlesungen als komplett unverständlich bezeichnet. Eine hohe Belastung für die Studierenden ist zudem der unmittelbare Zeitkonflikt durch diese Veranstaltungen, die tagsüber stattfin-den. Eine Unterstützung durch Arbeitge-ber ist eher selten. Deshalb haben wohl gerade die Studierenden, die versucht hatten, ohne Wissen des Betriebes zu studieren, abgebrochen. Insbesondere in der ersten Kohorte brach ein Teil nach einem Jahr ab.

Im Masterprogramm setzt man auf eine hohe Selbstständigkeit der Studierenden. Das wird darauf zurückgeführt, dass auch die Jüngeren fast durchgängig be-rufspraktische Erfahrungen in Unterneh-men gesammelt haben. Der Austausch zwischen den Berufserfahrenen und den Jüngeren ist rege. Lehrende fordern die Studierenden auf, ihre beruflichen Kompetenzen im Studium einzubringen, etwa in Form von Referaten oder eigenen Projekten. Frontalunterricht wird als Methode selten angewandt. Ein weiterer Bezug zur beruflichen Praxis wird über Projekte hergestellt, die die Hochschule zusammen mit Unternehmen durch-führt. Beide Seiten profitieren davon. Stu-dierende können sich an neuer Technik ausprobieren und die Themenstellungen umfassen komplexe Probleme. Außerdem haben zwei Drittel der Abschlussarbeiten mit Themen zu tun, die die Studierenden aus den Unternehmen mitbringen. Ein zusätzliches Lehrangebot zur Förderung von beruflichen Schlüsselkompeten-zen besteht für Teilzeitstudierende des konsekutiven Masterstudiengangs, deren Unternehmen einen Kooperationsvertrag mit der Hochschule abgeschlossen haben. E-Learning wird bisher nicht systema-tisch genutzt. Es gibt zwar eine Lehr- und Lernplattform, wo alle Materialien und Folien zur Verfügung gestellt werden. Dies unterstützt jedoch lediglich die Präsenzlehre, denn Erklärungen und Dis-kussionen des Stoffs kann die Plattform nicht ersetzen. Angemessene Formen des E-Learnings erfordern einen hohen kon-zeptionellen und technischen Aufwand, der mit den vorhandenen Kapazitäten für den Studiengang nicht zu leisten sei.9

Page 31: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

29

Im Masterprogramm der Fachrichtung Mathematik / Informatik stellt die Ausei-nandersetzung mit mathematischen Pro-blemen besondere kognitive Ansprüche an die Studierenden. Studierende aus der beruflichen Praxis erscheinen grund-sätzlich ernsthafter, belastbarer und motivierter als traditionelle Studierende. Das sind aus Sicht der Studiengangslei-tung vorteilhafte Eigenschaften für die Bewältigung von schwierigen Fächern wie Mathematik. Einige Berufserfahrene berichten jedoch davon, dass es für sie schwierig sei, in den ›Studierendenmo-dus‹ zurückzufinden und ganze Tage mit der intensiven Arbeit an spezifischen Pro-blemen zu verbringen. Es kommt jedoch generell vor, dass Studierende mathema-tikintensive Module nicht wählen und stattdessen andere Wahlpflichtangebote bevorzugen.

Die meisten Studierenden, auch berufstätige, beginnen das Studium in Vollzeit. Manche steigen dann in den folgenden Semestern auf ein Teilzeitstu-dium um, wenn die Belastung sich als zu hoch erweist. Wenn die Lehrenden Über-lastungen und Konzentrationsschwierig-keiten bei den Studierenden wahrneh-men, werden diese über die Möglichkeit eines Wechsels in ein Teilzeitstudium aufgeklärt. Falls im Beruf zeitweise hohe Belastungen auftreten, können Module bewusster geplant werden. Urlaubssemes-ter werden selten genommen.

Die in Kooperation mit einem Un-ternehmen Studierenden erscheinen insgesamt besser organisiert, als Berufs-tätige, die gänzlich in eigener Verantwor-tung studieren. Vermutlich gibt es für Vollzeitbeschäftigte einen Bedarf für ein berufsbegleitendes Studienangebot mit besonderen Studienzeiten. Die Konzep-tionierung und Umsetzung ist jedoch mit den personellen Kapazitäten im Fachbe-reich nicht zu leisten.

Hinsichtlich der beruflichen Perspekti-ven ist anzumerken, dass der Bachelorab-schluss alleine nicht für eine höherwer-tige berufliche Tätigkeit qualifiziert, jedoch Aufgabenbereiche in der betriebli-chen Ausbildung eröffnet. Im Anschluss besteht außerdem die Möglichkeit eines Ingenieur-Studiums auf Masterebene. Dies wird eher von Technikern genutzt. Meister dagegen entscheiden sich vor allem für den Master, der für das Berufs-schullehramt qualifiziert.

Das duale Bachelorprogramm der Fachrichtung Medizin / Gesundheit ist nicht als Teilzeit- oder berufsbegleiten-des Studium konzipiert. Häufig melden Berufstätige zurück, dass Seminare mit Arbeitszeiten kollidieren. Allerdings sind die Pflegeberufe durch die Möglichkeiten des Schicht- und Wochenenddienstes zeitlich relativ flexibel. Die Studiengangs-verantwortlichen vermuten, dass viele berufstätige Studierende halbtags arbei-ten.10 Von Studierenden kommen nur punktuell Anregungen für alternative Seminarzeiten, da alle unterschiedliche Arbeitszeiten haben. Bei den Berufstäti-gen sind Abbrüche sehr selten.

Der Bachelor der Fachrichtung Be-rufspädagogik eröffnet den Zugang zu verschiedenen Masterstudiengängen in oder außerhalb Bremens in Abhängigkeit von den einzelnen Zugangsmodalitäten. Bei der Wahl des Schwerpunkts Lehre im Bachelorprogramm kann beispielsweise der Master Berufspädagogik absolviert werden. Perspektive ist dann der Schul-dienst an berufsbildenden Schulen. Dort ist ein steigender Bedarf an Lehrkräften absehbar. Der Schwerpunkt Lehre wird bevorzugt von Berufstätigen angewählt. Womöglich sehen die Berufserfahrenen mit dem Bachelorabschluss noch wenig berufliche Entwicklungsmöglichkeiten in der pflegerischen Praxis. Der Bachelorab-schluss alleine qualifiziert nicht für eine höherwertige berufliche Tätigkeit, zumal in der Pflege noch keine verbindlicheren Aufgabenfelder für Absolventinnen und Absolventen definiert wurden und dem-entsprechend auch keine Einkommens-gruppe vorgesehen ist. Dies ist – ebenso wie in der Frühpädagogik – ein Problem des öffentlich finanzierten Arbeitsmark-tes. Trotzdem formulieren die Kliniken einen Bedarf an Hochschulabsolventin-nen und -absolventen.

Page 32: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

30

Schlussfolgerungen

Die Vereinbarkeit verschiedener Lebens-bereiche von berufsbegleitend Studieren-den wird wesentlich auch von der Ausei-nandersetzung der Hochschulen mit der beruflichen Praxis ihrer Studierenden bestimmt. Die vorgestellten Konzepti-onen von Weiterbildungsmastern und Regelstudiengängen, die neben traditi-onellen auch berufstätige Studierende adressieren, zeigen ein breites Spektrum von Berufsorientierung bei der organisa-torischen, curricularen und didaktischen Ausgestaltung. Deutlich wird, dass sich Akteure an staatlichen Hochschulen, je nach Fachrichtung, Adressatenkreis und hochschulischen Rahmenbedingungen, hinsichtlich des Anspruchs – sowohl akademisch bildend als auch beruflich qualifizierend zu sein – ganz unterschied-lich positionieren. An der gesamten Institution der staatlichen Hochschule ist der Diskurs um eine Annäherung von wissenschaftlicher und beruflicher Orientierung jedoch noch randständig, obwohl er von Akteuren innerhalb und außerhalb des wissenschaftlichen Feldes bereits seit Längerem geführt wird.11 Die Berufsorientierung ist an den Fachhoch-schulen aufgrund ihres hohen Anteils von Studierenden mit Berufsausbildung weiter entwickelt als an den Universitä-ten.12 In den nächsten Jahren wird sich zeigen, wie die im Jahr 2015 initiierten BMBF-Projekte zur Öffnung von Regelstu-dienangeboten an der Universität und an der Hochschule Bremen in der Praxis wirksam werden. Die Berücksichtigung von unterschiedlichen Bedürfnissen einer heterogenen Studierendenschaft macht spezifische Angebote, Brücken-kurse sowie Beratung, für Berufstätige unabdingbar. Auch eine Reorganisation einzelner Studiengänge wird für eine Öffnung notwendig sein.

Teilzeitstudierende haben bisher das Mas-terstudium nicht abgebrochen. Die weni-gen Abbrüche, die bisher zu verzeichnen waren, ergaben sich mehrheitlich aus der in den vergangenen Jahren sehr guten Arbeitsmarktlage für die Berufs-gruppe. In dem einschlägigen Berufsfeld müssen sich die Fachkräfte ständig weiterbilden, daher bieten viele Unter-nehmen ihren hochqualifizierten Be-schäftigten entsprechende Entwicklungs-möglichkeiten. Die Studierenden können sich im Gegenzug für eine festgelegte Zeit an die Firma binden. Der Abschluss ist nicht nur Grundlage für höherwertige Tätigkeiten in Unternehmen, sondern auch für eine Selbstständigkeit und eine wissenschaftliche Karriere. Dies erscheint einigen Absolventinnen und Absolventen insbesondere nach einigen Jahren Berufs-tätigkeit sehr attraktiv.

Page 33: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

31

1 Ein BMBF-gefördertes Projekt an der

Hochschule Heilbronn zeigt beispielhaft,

wie die Konzeptionierung eines berufs-

begleitenden Studiengangs auf der Basis

einer systematischen Bedarfsanalyse

(mit Experteninterviews, Stakeholder-

analyse, Geschäftsplanentwicklung

etc.) gestaltet werden kann. Das setzt

allerdings eine ausreichende Finanzie-

rung, in diesem Fall Drittmittelförderung,

und idealerweise die Einbettung in ein

Gesamtziel der Hochschule voraus.

Vgl. Köster et al. (2014).

2 Ein idealtypischer Leitfaden für

Beratungsgespräche findet sich in dem

Bericht über das Heilbronner Modell.

Ziel des Gesprächs ist es, zum einen die

inhaltlichen und institutionellen Anforde-

rungen des Studiums zu Beginn trans-

parent zu machen. Zum anderen werden

Motivation, Erwartungen, Bildungs- und

Berufsbiografie der Studieninteressierten

geklärt. Dabei sollen mögliche Problem-

lagen, die den Studienerfolg gefährden

können, antizipiert werden. Vgl. Köster

et al. (2014), S. 27.

3 Zu den Möglichkeiten und Problemen

bei Anrechnungsverfahren siehe das In-

terview mit Walburga Freitag in Kapitel 6.

4 Vgl. Kreutz / Meyer (2015), S. 239. Vgl.

auch das Interview mit Petra Boxler in

Kapitel 6.

5 Das bestätigt im Grunde auch unsere

Befragung von Studierenden. Diese

äußern den Wunsch nach einem höheren

Anteil von E-Learning eher dann, wenn

besondere Belastungen durch Schichtar-

beit oder durch Studienveranstaltungen

mitten in der Woche die Teilnahme

erschweren (vgl. Kapitel 4).

6 Zum gezielten Theorie-Praxis-Transfer

vergleiche auch das sogenannte ›Heil-

bronner Modell‹. Für den berufsbeglei-

tenden Studiengang wurden dort neben

den Studierenden weitere Vertreter

der beschäftigenden Unternehmen als

›Betreuer‹ für ›On-the-Job-Projekte‹

einbezogen. Vgl. Köster et al. (2014),

S. 15 f.

7 In Bremen, wie in fast allen anderen

Bundesländern, dürfen staatliche Hoch-

schulen für grundständige Studiengänge

(Bachelor und konsekutive Master) keine

Studiengebühren erheben.

8 Vgl. zum Thema Anrechnung das Inter-

view mit Walburga Freitag in Kapitel 6.

9 Ein Beispiel aus der Hochschule Nieder-

rhein verdeutlicht den hohen Aufwand

bei der Gestaltung von E-Learning. Vgl.

Bergstermann et al. (2014), S. 69 ff.

10 Darauf weisen auch die Ergebnisse

unserer Befragung hin (vergleiche

Kapitel 4).

11 Vgl. Elsholz (2015), S. 255.

12 Vgl. Wissenschaftlicher Beraterkreis

(2014), S. 47. Hier wird außerdem

argumentiert, dass an den Universitäten

mit ihrer expliziten Forschungsausrich-

tung und an den Fachhochschulen, die

im Rahmen des Bologna-Prozesses

verstärkt mit den Universitäten konkur-

rieren, ein ›praxisferner Wissenstyp‹

(S. 58) sogar wieder verbreiteter ist.

Kreutz / Meyer (2015), S. 235, vertreten

die Auffassung, dass die ›Berufs- und

Praxisorientierung‹ mit dem Bologna-

Prozess wieder stärker ins Blickfeld

gerät. Allerdings kritisieren sie, dass

sich im Gegensatz zum ›Berufsmodell‹

das ›Etikett ›Employability‹ durchgesetzt

hat, mit der damit einhergehenden

Reduzierung auf Flexibilität, Mobilität und

Wettbewerbsfähigkeit.

Page 34: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

32

1

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇

Die Perspektive von Studierenden

4

Page 35: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

33

schen Berufsgruppen sind hingegen Män-ner leicht überrepräsentiert. Mit Studie-renden aus technischen Berufsgruppen wurden drei Interviews in zwei unter-schiedlichen Studienformaten geführt. Darunter waren zwei Studenten aus einem berufspädagogischen Bachelor-studiengang in je einem Einzelinterview. Für ein Gruppeninterview stellten sich zwei Männer und zwei Frauen aus dem Fachbereich Ingenieurwissenschaften / Mathematik / Informatik zur Verfügung. Im Bereich der vorwiegend kaufmänni-schen Berufsgruppen wurden Interviews in zwei verschiedenen wirtschaftswis-senschaftlichen Masterstudiengängen geführt. Zum einen nahmen zwei Stu-denten und zwei Studentinnen an einem Gruppeninterview teil. Zum anderen stellte sich ein Student für ein Einzelin-terview zur Verfügung (einen Überblick bietet Tabelle 1 in Kapitel 2). An den Interviews haben insgesamt sechs Frauen und sieben Männer teilgenommen.2

Die Teilnehmer sind zum Zeitpunkt des Interviews zwischen 24 und 52 Jahre alt. Der Median liegt bei 31 Jahren. Drei der 13 Teilnehmenden haben Kinder im Kleinkind- oder im schulpflichtigen Alter. Sieben haben das Abitur, drei die Fachhochschulreife und ein Teilnehmer die mittlere Reife absolviert. Mit Aus-nahme der zwei Bachelorstudierenden haben alle Befragten bereits einen ersten Hochschulabschluss. Von diesen neun Befragten haben drei zusätzlich eine abgeschlossene Berufsausbildung. Die beiden Bachelorstudierenden haben ih-ren Hochschulzugang über eine Techni-ker- beziehungsweise Meisterfortbildung erhalten. Drei Befragte sind mit einer halben Stelle, drei mit einer Zweidrit-telstelle und vier mit einer Vollzeitstelle angestellt. Ein Student ist zum Zeitpunkt der Interviews von seinem Arbeitgeber für das Studium freigestellt. Als mögliche flexible Arbeitszeitmodelle nennen die

Qualitative Interviews mit insgesamt 13 berufsbegleitend Studierenden ermöglichen einen tieferen Einblick in die Vereinbarkeitsproblematik. Bei der qualitativen Forschung ist dabei nicht die Zahl der Fälle entscheidend, sondern vielmehr die differenzierte Auseinander-setzung mit Kontext und Hintergründen des untersuchten Gegenstandes.1 Die ersten qualitativen Daten dienten daher in unserer Studie als Grundlage für die Entwicklung eines Fragebogens für die quantitative Erhebung. Durch den Mix von quantitativen und qualitativen Daten können Zusammenhänge verdeutlicht und somit eine umfassendere Analyse verschiedener Aspekte von Vereinbarkeit ermöglicht werden.

Beschreibung der Stichprobe

Die sechs qualitativen Interviews wurden mit je unterschiedlicher Anzahl von Teilnehmenden geführt. Die Teilnehmen-den der Gruppeninterviews meldeten sich freiwillig auf Initiative von Studi-engangsverantwortlichen beziehungs-weise zuständigen Professorinnen und Professoren, die unsere Anfrage direkt an ihre Studierenden in Seminaren oder per E-Mail weitergegeben haben. In vier Studiengängen haben wir eigenständig über E-Mail-Verteiler oder persönlich in Seminaren für die Teilnahme an In-terviews geworben. Da wir nur wenige Rückmeldungen erhielten, boten wir die Möglichkeit von Einzelinterviews an, um alle Studiengänge ins Sample aufneh-men zu können. Insgesamt wurden drei Gruppeninterviews und drei Einzelinter-views, mit elf Masterstudierenden und zwei Bachelorstudierenden, geführt.Im Bereich der Sozial- und Pflegeberufe haben sich zwei Masterstudentinnen der Fachrichtung Medizin / Gesundheit für ein Gruppeninterview bereit erklärt. Unter den technischen und kaufmänni-

JeSSic A heibÜLt

Qualitative interviews

Studie

Page 36: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

34

Studienmotivation

Als zentrale Studienmotivation für alle Befragten kann der berufliche Aufstieg über einen (weiteren) akademischen Abschluss bezeichnet werden. Dennoch unterscheidet sich die Ausprägung dieses Motivs besonders zwischen verschie-denen Altersgruppen und gewählten Fachrichtungen und wird teilweise mit anderen Motiven – wie höheren Ge-haltsvorstellungen, persönlicher Wei-terentwicklung oder dem Wunsch eines Tätigkeitswechsels – verbunden. Diese Beweggründe sind auch für die berufli-che Perspektive der Studierenden zentral und helfen unter anderem dabei, Schwie-rigkeiten und Herausforderungen in der Studienzeit zu meistern. Im Folgenden werden die unterschiedlichen Motive für die Wahl der einzelnen Fachrichtungen dargestellt.

Bei den Studierenden, die einen wirtschaftswissenschaftlichen Master gewählt haben, unterscheiden sich die Studienmotive nach Alter. Im Gruppen-interview sowie dem Einzelinterview wird deutlich, dass die Motive von vier jüngeren Teilnehmerinnen und Teilneh-mern und einer älteren Teilnehmerin an die Lebensphase geknüpft sind. Ein 31-jähriger Student gibt an: ›Ich habe auch mich ein bisschen umgeschaut, in welchem Bereich möchte ich mich denn überhaupt weiterbilden. Und diese Überlegungszeit hat auch so sieben, acht Jahre gedauert, bis ich sage, bevor ich mit Familienplanung anfange, möchte ich meine akademische Laufbahn abschlie-ßen‹ (GI1). Das Zitat unterstreicht den Wunsch, die akademische Karriere mit einem Masterabschluss abzuschließen, das Masterstudium gilt damit als letzte Weiterbildungsoption vor einer neuen Lebensphase.

Auch ein 28-jähriger Student wählte einen wirtschaftswissenschaftlichen Master vor allem aufgrund von Auf-stiegsinteressen, auch wenn diese in einem anderen Zusammenhang stehen. Er erlebte vor allem Frustration, da das zuvor absolvierte duale Bachelorstudium im Betrieb nicht den erhofften berufli-chen Aufstieg in Form eines finanziel-len Nutzens bedeutete. Er berichtet im Einzelinterview: ›[Ich, Anm. d. Verf.] habe dann aber irgendwann relativ schnell, nachdem ich die Bachelorarbeit vom

meisten Gleitzeit oder die Möglichkeit der Absprache mit Kollegen. Nur ein Student gibt an, keine flexiblen Arbeits-zeiten zu haben. Die Studienfinanzierung erfolgt bei allen über Erwerbsarbeit, fünf Studierende geben ausschließlich diese an. In zwei Fällen werden zusätzlich der Partner, in drei Fällen die Familie, einmal ein Kredit und einmal der Arbeitgeber als finanzielle Unterstützung genannt.

Durch das Zusammenbringen von Ein-zel- und Gruppeninterviews wurden in der Auswertung inhaltliche Unterschiede zwischen beiden Interviewformen deut-lich, die in der Interpretation der Ergeb-nisse berücksichtigt werden müssen: In den Einzelinterviews sprachen die Inter-viewten sehr viel ausführlicher über ihre Probleme, besonders hinsichtlich der Auswirkungen von Zeitmangel auf ihr Privatleben. In den Gruppeninterviews wurden hingegen – durch das wiederhol-te Einbringen neuer Themen – besonders die unterschiedlichen Bedingungen für Vereinbarkeit unter den Teilnehmenden deutlich.

In den Interviews baten wir die Studierenden einleitend, von ihrer Studienmotivation und weiter von ihrer Lebenssituation seit Beginn des Studi-ums zu erzählen, mit dem besonderen Fokus auf die Studiensituation, die beruflichen Rahmenbedingungen sowie besondere Umstände im Privatleben. Die nachfolgenden Themen haben sich in den Interviews insgesamt als Schwer-punkte herausgestellt. Unter ihnen lassen sich Unterschiede zwischen den drei Berufsgruppen, gewählter Fachrich-tung, Geschlechtern und Altersgruppen ausmachen.

Page 37: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

35

Neben beruflichen Aufstiegschancen spielt die persönliche Weiterentwicklung für alle Studierenden in dieser Fachrich-tung eine zentrale Rolle. Eine 48-jährige Teilnehmerin gibt neben Motiven der persönlichen Weiterentwicklung an, sich mit dem wirtschaftswissenschaftlichen Masterabschluss eine alternative berufli-che Tätigkeit zu erhoffen: ›Und dann war das, was ich dann gemacht habe, nicht so das, was ich so unbedingt wollte. Und in dieser Übergangsphase, als ich mich ein bisschen neu orientiert habe, habe ich gedacht, guck mal, was es so gibt an Möglichkeiten [und, Anm. d. Verf.] bin auf das […] hier aufmerksam geworden‹ (GI1). Damit unterscheidet sie sich von ihren jüngeren Kommilitoninnen und Kommilitonen. Berufsbegleitende Ange-bote werden folglich auch dazu genutzt, alternative berufliche Pfade einzuleiten. Dies gilt besonders auch für die folgen-den zwei Befragten, die in einem Bache-lorformat studieren.

Zwei Studierende aus technischen Berufen verbinden mit dem Bachelor der Berufspädagogik neue berufliche Chan-cen: ›Ich bin durch Zufall darauf gekom-men, dass man berufsbegleitend studie-ren kann, und vor allem, mir war zu dem Zeitpunkt noch gar nicht bewusst, dass ich die Hochschulzugangsberechtigung hatte. […] Und wenn man das einmal sieht, also dass auch ein anderes Arbeiten möglich ist, dann ist das natürlich auch sehr interessant, und da ich mich beruf-lich verändern wollte und das gerade sich so ergeben hatte, bin ich dann eben hier mit in die Forschungslandschaft rein-gerutscht‹ (I1). Für den zitierten Studie-renden erweist sich die Möglichkeit des Studiums als glücklicher Zufall, da er sowieso bereits eine berufliche Verände-rung in Richtung Ausbildungsbereich eingeleitet hatte und sich nun durch das Studium für ihn Aufstiegsmöglichkeiten in diesem neuen Bereich bieten.

Der zweite Interviewte dieser Fach-richtung gibt bei der Frage nach seiner Studienmotivation zunächst beruflichen Aufstieg als Motiv an: ›[Ich, Anm. d. Verf.] wollte dann aber noch on top was machen und bin dann eben auf dieses be-rufsbegleitende Angebot gekommen‹ (I2). Erst im weiteren Interview wird deutlich, dass der Studienabschluss für ihn mit der Hoffnung auf eine neue berufliche

Tisch hatte, gemerkt, dass ich irgendwie ein neues Ziel brauchte zum einen und zum anderen gab es so ein bisschen Knatsch, was die Eingliederung in den Tarifvertrag bei der Firma [anging, Anm. d. Verf.]. […] Die anderen Leute, die in der Abteilung waren, waren eine Tarifgruppe höher und ich sollte in eine niedrigere Tarifgruppe reingehen, weil ich halt dort das Bachelorstudium bei der Firma gemacht hatte und die Personalabteilung mit dem Betriebsrat das so abgesprochen hatte […]. Da hatte ich dann auch so eine Frustreaktion vielleicht auch so ein bisschen, dass ich gesagt habe, ja gut, okay, wenn ihr das so meint, dann mache ich halt noch meinen Master und dann kann ich danach halt mal gucken, ob ich dann entweder da noch bleibe oder dann habe ich mir halt auch vorgestellt, dass ich damit bessere Chancen dann auf dem Arbeitsmarkt habe‹ (I3). In diesem Fall wird deutlich, dass betriebsinterne Auf-stiegsmöglichkeiten eher intransparent sind. Deutlich wird außerdem, dass ein außerbetriebliches Studium in der indivi-duellen Verantwortung der Beschäftigten liegt. Einen Abschluss einer staatlichen Hochschule verbindet dieser Studieren-de zudem mit breiteren Chancen am Arbeitsmarkt.

Gleichzeitig wird deutlich, dass ein Masterabschluss als essenziell angese-hen wird, um die berufliche Position im Unternehmen zu sichern. Ein 33-jähriger Student berichtet: ›Es ist eher so, sich weiterzuentwickeln, um dann nicht irgendwann vielleicht mit Mitte 40 oder so sagen zu müssen, jetzt könnte ich die entsprechende Position haben, muss aber erst mal wieder so ein Studium absol-vieren, weil eine Firma das gerne haben möchte dafür, um dann schon mal vorbe-reitet zu sein. Das war beim Bachelor ein bisschen anders noch mal, wo man eher gesagt hat, das ist jetzt gezielter‹ (GI1). Der Wert, der hier dem Masterabschluss für das Erreichen von Führungspositi-onen beigemessen wird, spiegelt, dass die neuen Bachelorabschlüsse sowohl bei Arbeitgebern als auch bei Absolven-tinnen und Absolventen noch nicht auf vollständige Akzeptanz stoßen.

Page 38: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

36

nach dem Studium in einer Leitungspo-sition auch weiterzugeben: ›Der Vorstand besteht bei uns aus vielen Ärzten. Also die bestimmen, wo es langgeht, und mir gefällt das nicht, das ist nicht [...] [der, Anm. d. Verf.] Ansatz, wie ich ihn hier an der Uni gelehrt kriege und erlebe. Also multiprofessionelles Team, alle sind gleichwertig in ihren unterschiedlichen Aufgabenbereichen, das würde ich in der Zukunft beruflich gerne gestärkt haben und auch stärken‹ (GI3).

Wahrnehmung von Belastungen

Da in den Interviews die Vereinbarkeit von Studium, Beruf und Privatleben the-matisiert wurde, fragten wir die Teilneh-menden, in welchem dieser Bereiche sie die größte Belastung empfinden. Von den Studierenden wird in diesem Zusammen-hang meist kein konkreter Bereich als be-sonders belastend ausgemacht, stattdes-sen wird vielmehr die Organisation von allen Bereichen und der generelle Mangel an Zeit als problematisch bezeichnet. Unterschiede in der Belastung lassen sich hier besonders mit Lebensphasen und familiären Verpflichtungen in Verbin-dung bringen. Darüber hinaus hängt die Belastungsempfindung entscheidend mit der Flexibilität des jeweiligen Arbeitge-bers zusammen.

Wie und in welchem Bereich Belas-tungen empfunden werden, hängt unter anderem von Prioritätensetzungen ab. So betonen viele Studierende die existen-zielle Bedeutung ihrer Berufstätigkeit. Ein berufsbegleitendes Studium wird bewusst gewählt, um die Berufstätig-keit weiterführen zu können: ›Und das Wichtigste ist, auch wenn es jetzt erst mal komisch klingt, schon der Beruf, weil der Beruf auch natürlich die Familie und auch das Private ernährt. […] Also für mich ist eben die Arbeit das Wichtigste und die Arbeit darf nicht zur Belastung werden‹ (I1). Dieses Zitat unterstreicht eine grundsätzliche Rangfolge der drei Lebensbereiche. Das Studium als zusätz-liche neue Komponente verdrängt im besten Fall einen Teil des Berufes, zum Beispiel durch eine Stundenreduzierung. Vor allem aber wird durch das Studium die Zeit beschnitten, die vorher für das Privatleben zur Verfügung stand. Häufig wird das Gefühl geäußert, keine Freizeit mehr zu haben. Alle Studierenden geben

Tätigkeit verbunden ist. Dieser Wunsch wird noch dadurch verstärkt, dass sein Arbeitgeber das Studium nicht unter-stützt und ihn sogar gegenüber Kollegen benachteiligt, die berufsbegleitend Fort-bildungen zum Techniker oder Meister absolvieren. Das Motiv des beruflichen Aufstiegs scheint zudem mit dem Bedürf-nis nach persönlicher Weiterentwicklung eng verbunden zu sein: ›Ja, also erst mal ist es etwas, was ich gerne machen möchte. Also für mich, ich möchte jetzt nicht sagen, Hobby, aber ich habe das für mich irgendwie entdeckt, als ich den Techniker angefangen habe, dass mir das Spaß macht, das zu lernen oder Sachen zu lernen. Und ja, und deswegen mache ich es erst mal für mich, aber eben mit der Aussicht, dann später was anderes zu machen‹ (I2).

Für die Befragten aus IT-Berufen, die in der Fachrichtung Mathematik / Informa-tik studieren, ist der Erwerb eines Master-abschlusses üblich und wird meist durch Professoren oder Arbeitgeber empfohlen. Die Studierenden sind oft bereits seit ih-rem Praktikum im Bachelorstudium bei ihrem heutigen Arbeitgeber angestellt, sodass beide Seiten ein Interesse daran haben, dass die Tätigkeit auch während des Masterstudiums fortgeführt wird: ›Ich würde gerne arbeiten wollen, aber ich würde auch gerne mich weiterbilden, und ja, Master war sowieso, stand sowieso im Spiel, ich wollte sowieso einen Master machen‹ (GI2). Außerdem geben alle Stu-dierenden dieser Fachrichtung an, dass der Master ein notwendiges Mittel ist, um eine höhere Gehaltsstufe zu erreichen. Das Studienformat des Teilzeitstudiums kommt ihnen sehr entgegen, da sie ein Teilzeitstudium mit einer Teilzeitberufs-tätigkeit verbinden können.

Auffällig ist, dass die zwei Studieren-den im Bereich der Medizin / Gesundheit ihr Studienmotiv eher inhaltlich ablei-ten, sie wollen einen direkten Nutzen für ihre aktuelle Tätigkeit erreichen und beschreiben einen vorrangig inhaltlichen Anspruch an ihre Arbeit. ›[Ich, Anm. d. Verf.] wollte wissenschaftlich noch mehr Wissen in der Veränderung, was kann man für die Menschen tun, nicht nur medizinisch draufgucken‹ (GI3). Dieser Anspruch der persönlichen Entwicklung ist jedoch – wenn auch nicht vorder-gründig – gleichzeitig auch mit dem Ziel verbunden, diese Weiterentwicklung

Page 39: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

37

sigung von Sport. Er war kurz davor, das Studium aufzugeben, das für ihn auch mit hoher finanzieller Belastung einher-ging. Mit emotionaler und finanzieller Unterstützung durch seinen Vater, bat er seinen Vorgesetzten um eine Freistellung für das letzte Studiensemester. Rückwir-kend hat er erfahren, dass er auch seine Arbeitszeit hätte reduzieren können. Das hätte eine Krise wahrscheinlich verhin-dert.

In den Einzelinterviews mit Studieren-den der berufspädagogischen Fachrich-tung wird freier über das Privatleben ge-sprochen als in den Gruppeninterviews. Das folgende Zitat eines jungen Vaters verdeutlicht das Zusammenspiel aller drei Bereiche bei der Gesamtbelastungs-empfindung: ›Hmm, die größte zeitliche Belastung würde ich auf das Studium legen. Die größte Belastung in Bezug auf Forderungen an mich, ist eher so fami-liär. Und Arbeit ist, na ja, ich will nicht sagen Entspannung, aber fast‹ (I2). Die gewohnte berufliche Tätigkeit wird nicht als Problem betrachtet, das Studium, das mit neuen Inhalten und vor allem Lernen verbunden ist, nimmt hingegen viel Zeit in Anspruch, die für die Familie fehlt. Das führt, so scheint es, zu Konflikten in der Familie.

Wie bereits im Abschnitt zur Stu-dienmotivation angedeutet, sind die Studierenden des Teilzeitstudiums der Fachrichtung Mathematik / Informatik relativ entspannt. Ihr Studium wird von ihren Arbeitgebern als selbstverständ-licher Qualifikationsschritt angesehen. Gleichzeitig profitieren sie von der hohen zeitlichen Flexibilität der Arbeitszeiten, die sie den Zeiten für die Präsenzlehre anpassen können. Außerdem haben alle ihre Arbeitszeit reduziert. Sie bedau-ern zwar, dass der Beruf ein intensives Studium oder Arbeiten in Lerngruppen nicht erlaubt und konstatieren auf-grund dessen auch einen generellen Zeitmangel. Im Vergleich fühlen sich die Studierenden im Teilzeitstudium jedoch am wenigsten belastet. Auch hier gilt zu berücksichtigen, dass die Lebensphase der Interviewpartner eine entscheidende Rolle spielt. Die jüngeren Studierenden, von denen einer noch bei den Eltern wohnt, sind deutlich zufriedener mit der Vereinbarkeit der Lebensbereiche als die älteren Studierenden.

an, dass sie gerne mehr Zeit für ihr Pri-vatleben hätten, da Abstriche besonders dort gemacht werden müssen. Hobbys und soziale Kontakte werden meist zu-gunsten des Studiums vernachlässigt.

Die Organisation des Alltags wird als größte Belastung beschrieben, zum Beispiel in der Form, ›dass man immer diese To-do-Listen im Hinterkopf hat. Man muss jetzt das und das und das‹ (GI1). Die drei Bereiche Beruf, Studium und Privatleben zu vereinbaren, scheint vielen eine durchgängige Konzentration mit wenigen oder fehlenden Erholungs-phasen abzufordern. Diese Herausforde-rung ist für eine Befragte, die sich neben Studium und ihrer Selbstständigkeit zu-sätzlich um ihre Kinder kümmern muss, besonders groß: ‹Für mich persönlich ist das sozusagen, mit dem Familienpart als dritten Part, das integriert zu kriegen, auch wenn ich die Kinder mittlerweile fast erwachsen habe, so ist das doch manchmal so das Tüpfelchen, was mich persönlich auch an die Grenzen kommen lässt. Auch wenn ich jeden Teil doch auch sehr genieße, ist es einfach durch diese Taktung, die man hat, es muss dann auch irgendwie alles so passen und nicht immer passt alles, nicht immer ist man vollständig gesund oder ganz fit. Und dann wird es halt anstrengend‹ (GI1). In dem Zitat zeigt sich die Angst vor uner-warteten Problemen, wie Krankheit, die ein ›getaktetes‹ Zusammenspiel gefähr-den können.

Ein Student beschreibt anschaulich die Beeinträchtigung aller Lebensberei-che. Er kann sich nicht mehr richtig auf seine Arbeit konzentrieren und seine Freundin, die in einer anderen Stadt wohnt und zu der er eine Wochenend-beziehung pflegt, kann er aufgrund des Studiums nicht mehr regelmäßig sehen. Er hat das Gefühl, keinem seiner Lebens-bereiche gerecht zu werden: ›Man kann das halt nicht so komplett trennen, weil selbst wenn ich dann Zeit mit meiner Freundin verbringe, dann habe ich manchmal auch ein schlechtes Gewissen, dass ich nichts fürs Studium gemacht habe, und andersrum halt genau um-gekehrt‹ (I3). Die Folgen waren Schlaf-mangel, Stressrauchen und Vernachläs-

Page 40: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

38

Identifikation mit Führungs- und Ma-nagementaufgaben befördert. Herausge-hoben wird der Wert neuer Erfahrungen durch Veranstaltungen in englischer Sprache oder durch Auslandsreisen, an denen auch ihre Partnerinnen und Part-ner teilnehmen können. Darüber hinaus geben zwei Studierende an, dass sie gerne nochmals ein ›Studentenleben‹ genos-sen hätten. Mit Beginn ihres Studiums mussten sie jedoch feststellen, dass durch das Studienformat mit Abend- und Wo-chenendveranstaltungen kein ›normales Studentenleben‹ möglich ist. Als Nachteil wird – wie bereits im vorherigen Kapitel erläutert – der psychische Stress durch das Organisieren dreier Lebensbereiche beschrieben.

Ein Student eines anderen wirtschafts-wissenschaftlichen Masterstudiengangs beschreibt eine starke Gesamtbelastung, insbesondere durch die fehlende Unter-stützung seitens seines Arbeitgebers. Die Studienstruktur schreibt Präsenzblöcke vor, die er zu Beginn ganz bewusst aus-wählt, weil er sich regelmäßige Abend- und Wochenendveranstaltungen nicht vorstellen kann. Später ist diese zeitliche Struktur problematisch, da er sich für die Präsenzphasen Urlaub nehmen oder Überstunden aufbauen muss. Insgesamt beschreibt er vor allem inhaltliche Herausforderungen des Studiums, die aus Vereinbarkeitsproblemen resultieren: ›Und dann sind zu jedem Präsenzblock sind dann noch Hausarbeiten anzuferti-gen und dann ist halt sich noch auf die Klausuren vorzubereiten. Und das wurde dann doch alles ganz schön viel‹ (I3). Der Zusammenhalt unter den Kommilito-nen kann Belastungen jedoch teilweise kompensieren: ›Also wir helfen uns untereinander halt viel. Also gerade was die Hausarbeiten angeht, wenn man da irgendwie was zusammen machen kann, dass wir das dann halt auch zusammen machen. Wir teilen da sehr viel mitein-ander, oder auch mit den Klausuren, also dass man sich dann für die Klausuren zusammensetzt, […] dass man halt nicht alleine da sitzt und da alleine durch-muss‹ (I3). Die Bezeichnung ›durchmüs-sen‹ unterstreicht, wie anstrengend es für den Befragten ist, neben den Präsenz-phasen zusätzliche Lernzeiten neben Beruf und Privatleben in seinen Alltag zu integrieren.

Bewertung der Studienbedingungen

Die Bewertung der Studienbedingungen hängt sehr vom gewählten Studienformat beziehungsweise der hochschulischen Organisation ab. Zur Sprache kommen Studienstrukturen und Beratung, die Rolle von Kommilitoninnen und Kommi-litonen, der Theorie-Praxis-Transfer sowie Finanzierungsmöglichkeiten. Das Thema der Anrechnung beruflicher Qualifikatio-nen und Kompetenzen spielte in nur zwei Fällen eine Rolle. Je nach Fachrichtungen und Studienformaten werden unter-schiedliche Bewertungen abgegeben und verschiedene Schwerpunkte thematisiert.

Ein berufsbegleitender Masterstudien-gang der Fachrichtung Wirtschaftswis-senschaften zeichnet sich aus Sicht der Studierenden durch sehr gute Betreuung und Studienorganisation aus. Zudem gibt es die Möglichkeit, Module flexibel zu absolvieren und somit die Chance, indivi-duell auf berufliche oder private Verän-derungen und Anforderungen reagieren zu können. Darüber hinaus wird es als wertvoll erachtet, in einem Präsenzstudi-um und nicht in einem Fernstudium zu studieren. Auch wenn es oft als anstren-gend empfunden wird, sich abends noch für das Studium zu motivieren, wird der direkte Austausch mit Dozentinnen und Dozenten sowie mit Kommilitoninnen und Kommilitonen als Bereicherung erachtet.

In Bezug auf die Berufstätigkeit wird das Studium und damit der Theorie-Pra-xis-Transfer ebenfalls als positiv bewertet: ›Das ist schon alles ziemlich praxisori-entiert, aber auch schon mit Anspruch. Es ist nicht so, dass man einfach so ein bisschen mithören muss und später wird man schon durchkommen‹ (GI1). Ein guter Theorie-Praxis-Transfer wirkt sich positiv auf die Motivation aus, da ›ein Job dahinter‹ steht, für den man das Studium absolviert. Der Nutzen des Studiums für die berufliche Weiterentwicklung wird folglich sehr geschätzt. Diese Gruppe von Studierenden unterscheidet wenig zwischen beruflicher und persönlicher Weiterentwicklung, die ihnen durch das Studium ermöglicht wird. Womöglich wird diese Haltung durch eine starke

Page 41: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

39

dass die Prüfungsphase als Vollzeitstudi-um angelegt ist. Das führt dazu, dass sich die Studierenden in dieser Zeit Urlaub nehmen müssen. Hier sehen sie aber eher den Arbeitgeber als die Hochschule in der Pflicht, ihnen mit flexiblen Arbeits-zeitmodellen entgegenzukommen.

Das Masterstudium der Fachrichtung Gesundheit / Medizin wird von beiden interviewten Studienanfängerinnen als bereichernd beschrieben. Sie sprechen sehr positiv von Studienstruktur und In-halten. Problematisiert wird die ›finanzi-elle Doppelbelastung‹ durch die Studien-gebühren: ›Und das nimmt man ja der Familie im Prinzip weg das Geld, wenn man so will, wo ich denke, ich könnte meinen Kindern jetzt auch – also ich habe insgesamt drei Kinder, einer ist halt noch zu Hause – dem könnte ich auch mal was zustecken, ne? Und dann fragen sie: […] kannst du mir das bezahlen?‘ Und dann sage ich: ‚Nee, ich kann gerade nicht, ich studiere, ist teuer und so.‘ Da habe ich immer ein schlechtes Gewissen‹ (GI3). Es ist naheliegend zu vermuten, dass viele Beschäftigte in Pflegeberufen größere Schwierigkeiten haben, anfal-lende Studiengebühren zu finanzieren, als Beschäftigte aus technischen oder kaufmännischen Berufen. Entsprechend verschärft wirken sich die finanziellen Belastungen offensichtlich auf Familien mit Kindern aus.

Bewertung der betrieblichen Rahmenbedingungen

Unter die Bewertung der betrieblichen Rahmenbedingungen fallen thematische Schwerpunkte wie Arbeitszeitmodelle, die Möglichkeit der Verknüpfung von Theorie und Praxis, Unterstützung durch den Arbeitgeber sowie Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen. Unter-schiede können in diesem Zusammen-hang besonders zwischen verschiedenen Berufsgruppen ausgemacht werden. Be-sonders entscheidend für die Bewertung und für die Vereinbarkeit insgesamt ist jedoch, ob und inwieweit der Arbeitgeber das Studium unterstützt.

Die zwei Studierenden der Fachrich-tung Berufspädagogik im Bachelor thematisieren die Studienstrukturen. Dass die Studierenden nicht berufspäd-agogische Veranstaltungen im Rahmen von regulären Studiengängen besuchen müssen und diese zu Tageszeiten in der Woche stattfinden, führt zu erheblichen organisatorischen Problemen. Insgesamt jedoch schätzen die Studierenden die Unterstützungsstrukturen, ausgewiesene Ansprechpersonen sowie die Flexibilität von Professoren, die in der Regel ver-ständnisvoll reagieren, wenn Studierende aufgrund ihrer Berufstätigkeit nicht alle Veranstaltungen wahrnehmen können. Darüber hinaus wird auch hier der Zu-sammenhalt zwischen den Studierenden als zentral empfunden. Beispielsweise bietet eine WhatsApp-Gruppe Hilfe und Unterstützung bei der Einhaltung von Fristen und Terminen beziehungsweise Hinweise auf die kurzfristige Absage von Veranstaltungen. Insgesamt gilt: Das ›Stu-dium ist ein erheblicher Mehraufwand‹ (I2). Das Studium wurde am Anfang ›un-terschätzt‹, wird für beide aber eher als Hobby bezeichnet, da die Arbeit Priorität hat.

Das Thema der Anrechnung beruflich erworbener Kompetenzen beschäftigt in unseren Interviews ausschließlich die zwei Bachelorstudierenden. Ein Berufs-tätiger in Schichtarbeit gibt an, dass er die Anrechnung noch nicht in Anspruch genommen hat, diese für ihn aber rele-vant sei, weil er bestimmte Veranstaltun-gen nicht besuchen müsse. Ein anderer Student berichtet, dass das Anrechnungs-verfahren sehr kompliziert war: ›Ich habe ungefähr 25 bis 30 Punkte angerechnet bekommen, das ist ungefähr ein Semes-ter. Aber nach wirklich viel Ringen und viel Arbeit‹ (I1).

Die Studierenden des Teilzeitstudi-ums in der Fachrichtung Mathematik / Informatik bewerten den Theorie-Praxis- sowie den Praxis-Theorie-Transfer als sehr gut, was die Vereinbarkeit von Beruf und Studium aus Sicht der Studierenden sehr unterstützt. So sind Themen der Abschlussarbeiten eng mit dem Arbeit-geber abgestimmt. Als Nachteil in der Studienorganisation wird angegeben,

Page 42: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

40

Zwei andere Studierende aus kaufmänni-schen Berufsgruppen erfahren hingegen Unterstützung durch ihren Arbeitgeber. Sie beschreiben eine finanzielle und organisatorische Förderung durch ihren direkten Vorgesetzten, die mit dem Studiengang und seinen Inhalten aus eigener Erfahrung vertraut sind und sich daher mit dem Studienwunsch positiv identifizieren können. Die Studierenden können ihre Arbeitszeiten flexibel organi-sieren, bei Bedarf kurz ihren Arbeitsplatz verlassen und selbstständig ihr Arbeits-umfeld organisieren. Außerdem bewer-ten sie Ratschläge von Kolleginnen und Kollegen als hilfreich für das Studium. Gleichzeitig erlegen sich beide auf, am Arbeitsplatz nicht zu häufig über ihr Studium zu sprechen, um im Kollegen-kreis keinen Anlass für Neid und Kon-kurrenz zu geben. Insgesamt bewerten sie die Vereinbarkeit – wenn der Alltag auch als sehr anstrengend bezeichnet wird – besser als die anderen Studieren-den. Dies kann wohl vor allem auf die Unterstützung und das Verständnis des Arbeitgebers zurückzuführen sein. Mögli-cherweise hängt die Empfindung jedoch auch mit eigenen Leistungsansprüchen und starker Aufstiegsorientierung in der Studierendengruppe zusammen.

Studierende aus technischen Berufen erfahren in unserem Sample kaum Un-terstützung durch ihren Arbeitgeber und sind dadurch mit zahlreichen Hindernis-sen konfrontiert. Ein Student beschreibt, dass er ›immer mal so ein paar Steine in den Weg geworfen bekommt, wie zum Beispiel dieses Entgegenkommen der Freischichten oder Ähnliches für Unter-richt. Was bei anderen Kollegen vielleicht dann schon mal eher geht, geht dann bei mir nicht unbedingt‹ (I2). Er selbst führt das Verhalten seines Vorgesetzten darauf zurück, dass dieser von seinen alternativen beruflichen Plänen weiß. In der Konsequenz muss der hier zitierte Schichtarbeiter Urlaub nehmen, wenn es für das Studium notwendig ist. In Spätschichtwochen kann er jedoch an Nachmittagsveranstaltungen nicht teil-nehmen. Professoren reagierten bisher aber sehr flexibel auf diese Umstände und können dadurch das Vereinbarkeits-problem leicht abmildern.

Für den kaufmännischen Bereich werden unterschiedliche Erfahrungen geschil-dert. Ein Befragter beschreibt anschau-lich, wie der Versuch, das Studium mit seinem Beruf zu vereinbaren, zu einer zu großen Belastung für ihn wurde. Er berichtet zwar von Unterstützung durch seinen Vorgesetzten, jedoch auch davon, seit Beginn des Studiums nur noch Hilfstätigkeiten zu bekommen. Womöglich macht er sich Sorgen darum, seine im Betrieb erarbeitete Position zu verlieren. Darüber hinaus muss er für die Präsenzveranstaltungen Urlaub nehmen. Auch die hohen Studiengebühren muss der Student selbst tragen. Der Befragte berichtet, wie die fehlende finanzielle Unterstützung zu einer zunehmenden Belastung wurde: ›Dadurch, dass ich […] von meiner Firma nicht unterstützt wer-de, also weder finanziell noch über Zeit-ausgleich oder sonst irgendwas, musste ich mir halt wirklich für die Tage, die ich hier an der Uni war oder bin, freineh-men. […] Das waren letztes Jahr unter der Woche 30 Tage und die habe ich alle komplett durch Überstunden quasi abgeleistet, sprich ich habe diese 30 Tage irgendwann nebenbei vorgearbeitet, um sie dann abzubauen, und während ich sie abgebaut habe, saß ich dann halt hier in der Uni und dann kamen noch die Tage dazu, in denen ich am Wochenende hier war, weil wir auch samstags und sonn-tags dann Vorlesungen haben. Und ja, das wurde dann letztendlich so viel‹ (I3).

Dieser Fall verdeutlicht, dass die Unter-stützung des Arbeitgebers – zum Beispiel über flexible Arbeitszeitmodelle oder längerfristige Bildungszeitkonten – zent-ral ist, um ein Studium neben dem Beruf bewältigen zu können. Ist dies nicht der Fall, so müssen Freizeit und Urlaub, Zeiten, die eigentlich für die Erholung gedacht sind, für das Studium geopfert werden. Auch die hohen Studiengebüh-ren werden als Belastung empfunden, wenn der Arbeitgeber keine finanzielle Unterstützung anbietet. Dies ist sowohl bei dem eben genannten Studenten als auch bei den zwei Studentinnen aus den Sozial- und Pflegeberufen der Fall.

Page 43: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

41

Hobby, weil […] das berufstätige Leben für mich jetzt an erster Stelle und Studium an zweiter [steht, Anm. d. Verf.]‹ (GI3). Diese klare hierarchische Ordnung der Lebensbereiche verdeutlicht nochmals die Notwendigkeit, Prioritäten zu setzen und sich nicht in jedem Lebensbereich gleich hohen Anforderungen auszuset-zen. Im Vergleich kann diese Berufs-gruppe jedoch durch die Flexibilität der Arbeitgeber besser auf Probleme bei der Vereinbarkeit reagieren. So hatte auch die zuletzt zitierte Studentin die Möglich-keit, verschiedene Kombinationen aus Ar-beits- und Studienzeiten auszuprobieren.

Auch in den Sozial- und Pflegeberu-fen hängt die zeitliche Flexibilität vom Arbeitgeber, der Arbeitsorganisation und der beruflichen Position ab. Eine Studen-tin kann sich ihre Arbeitszeiten relativ frei einteilen, muss dies nur frühzeitig mit einer Kollegin absprechen. Eine andere Studentin ist in der Regel davon abhängig, dass Kolleginnen und Kollegen mit ihr Schichten tauschen: ›Manchmal schwierig, [es, Anm. d. Verf.] ist ein Balan-ceakt und manchmal muss ich bei der Arbeit tauschen und fragen: ‚Könnt ihr mich unterstützen, könnt ihr mir helfen? Und ich biete dafür an, dann und dann für euch zu arbeiten.‘ Und manchmal muss ich eben bei der Uni sagen: ‚Heute kann ich nicht‘‹ (G3). In beiden Fällen ist die zeitliche Flexibilität jedoch davon abhängig, ob hilfsbereite Kolleginnen und Kollegen spontan einspringen. Eine feste, verlässliche Regelung besteht nicht. Unterstützung vom Arbeitgeber ist nicht gegeben: ›Mein Arbeitgeber hat gesagt, ‚ach, Sie können gerne studieren, wenn Sie das meinen, aber die Arbeit können Sie auch tun, ohne dass Sie studieren, also Kosten, Zeit ist Ihres, sehen Sie zu! Wenn Ihre Arbeitskraft nicht beeinträch-tigt ist, dürfen Sie studieren.‘ Aber die finanziellen Mittel und die zeitlichen Möglichkeiten muss ich selber schaffen‹ (G3). Hier deutet sich ein Konflikt an. Offensichtlich sehen die Studierenden im Studium inhaltliche Entwicklungsmög-lichkeiten für ihre Arbeit und erwarten daher implizit Unterstützung für ihre Entwicklungsbereitschaft vonseiten des Betriebes. Der Arbeitgeber signalisiert jedoch, dass er keine inhaltliche Weiter-entwicklung für notwendig hält und eine bezahlte Teilfreistellung nur als zusätzli-chen Kostenfaktor betrachtet.

Auch der zweite Student aus einem technischen Beruf erfährt bisher keine Unterstützung durch seinen Arbeitgeber. Das Studium gilt in seinem Betrieb als Freizeitbeschäftigung, wenn er nicht am Arbeitsplatz ist, muss er sich Urlaub neh-men oder sich ausstempeln. Durch dieses Verfahren hat er bis heute 50 Minus-stunden angesammelt. Der Studierende äußert die Hoffnung, dass sein Arbeit-geber den Nutzen der Weiterbildung für den Betrieb erkannt hat und in Zukunft flexiblere Verfahren anbieten wird. Eine endgültige Einigung steht allerdings noch aus. Der Befragte gibt an, mit der Personalabteilung zu verhandeln, in sei-ner Arbeitszeit Veranstaltungen besuchen zu dürfen. Finanzielle Herausforderun-gen spielen keine besondere Rolle, da für den Bachelorstudiengang keine Gebüh-ren erhoben werden, anders als in den weiterbildenden Masterstudiengängen.

Studierende der IT-Berufsgruppe be-schreiben, dass Weiterbildung in ihrem Berufsfeld zentral ist und deshalb von den Arbeitgebern gefördert wird. Vor allem in Bezug auf Arbeitszeiten und Stundenreduzierung haben sie eine gute Verhandlungsposition gegenüber ihren Arbeitgebern. In der Regel kommen die Arbeitgeber den Studierenden mit flexiblen Arbeitszeiten und Arbeitsor-ganisation entgegen. Zudem arbeiten die Studierenden in Teilzeit. Trotz der eigentlich guten Rahmenbedingungen führen spezielle Anforderungen im Beruf zu Herausforderungen für diese Berufs-gruppe. Eine Studentin berichtet zum Beispiel, dass sie an starre Arbeitszeiten gebunden ist, weil sie ein Projekt betreu-en muss. Auch eine andere Studentin beschreibt die Herausforderung Arbeits- und Studienzeiten koordinieren zu müs-sen: ›Ich habe vier Tage [arbeiten, Anm. d. Verf.] probiert [und, Anm. d. Verf.] drei Module, das ist unmöglich. Man hat dann überhaupt keine Freizeit, man ist müde irgendwann. Dann habe ich zwei Module behalten. Und auch von Arbeitgeberseite, das ist schön, viele arbeiten in Teilzeit. Also Entwickler, die ich sehe, [sind, Anm. d. Verf.] da entspannt und gestalten ihr Leben. Also vier Tage arbeiten und dann einen Tag frei. Das wird so verteilt. Also ich bin dann nicht die Einzige. Und im Studium sind diese zwei Module mach-bar, nur man hat eben wenig Freizeit. Also das ist quasi so ein Hobby (lacht).

Page 44: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

42

nun bewusster planen und genießen: ›Mein Mann unterstützt das völlig. Und was ihm aber wichtig ist: Wir planen die Zeiten, die wir jetzt haben, bewusster. Also wir machen einmal die Woche min-destens was Schönes, also dass wir länger spazieren gehen oder ausgehen oder wir rufen uns öfter an. […] Das sind so Zeiten, die wir bewusster planen. Man hat weni-ger, aber dafür bewusster.‹

Daneben wird von männlichen Befrag-ten in den Interviews beschrieben, wie Erwartungen der Partnerin zu einer zu-sätzlichen Belastung werden. So berichtet ein Student: ›Und ich bin verheiratet, habe keine Kinder, sonst wäre es sowieso nicht möglich, und meine Frau musste da schon sehr viel aushalten und hat da schon gesagt, wenn ich […] [weiter, Anm. d. Verf.] machen wollen würde, würde sie sich scheiden lassen, also das würde sie nicht weiter mitmachen, dass ich hier noch so quasi als Hobby nebenbei studiere, ich habe ja eine Anstellung, ist so ihr Argument. Sie sieht da nicht diese [...] persönliche Weiterentwicklung. […] Ja, die Freizeit beziehungsweise das famili-äre soziale Umfeld ist oft eine Belastung, aber man muss aufpassen, dass man das nicht kommuniziert, dass das eine Belas-tung ist. Also ich habe gerade zu Anfang dann, ja, doch gewisse Konflikte gehabt.‹ Im Zitat wird sowohl Verständnis für die Situation der Partnerin geäußert als auch die Erwartung, Verständnis für seine Wünsche zu bekommen.

Auch ein weiterer Student beschreibt eine zusätzliche Belastung im Privatle-ben, da Zeit für die Partnerschaft mit Lernzeiten kollidiert: ›[Die, Anm. d. Verf.] Frau wartet zu Hause auf einen und versteht nicht, dass man auch mal Ruhe braucht.‹ Die Beschreibung der Partnerin als ›Fordernde‹ verdeutlicht zum einen, wie schwer es für die berufstätigen Studierenden ist, neben dem Beruf und dem Studium auch ihrem Privatleben gerecht zu werden. Zum anderen wird an dieser Stelle der Untersuchung deutlich, dass die Perspektive der Partner eine Forschungslücke darstellt. Um umfas-sende Erkenntnisse über Wirkungen der Dreifachbelastung auf das Privatleben verdeutlichen zu können, müssten auch Partnerinnen und Partner oder andere nahestehende Menschen in die Befragung mit einbezogen werden.

Privatleben

In Bezug auf das Privatleben werden vor allem Vereinbarkeitsprobleme im Zusammenhang mit der Partnerschaft, der Familie und den Hobbys thematisiert. Einig sind sich alle Befragten darin, dass das Privatleben zugunsten von Beruf und Studium vernachlässigt wird: ›Gestri-chen wurde nur Freizeit meistens (lacht). Irgendwie ist das dann aber trotzdem nie einfacher geworden. […] Wenn man, glaube ich, das von Anfang an irgendwie richtig gut organisiert, dann ist das auch machbar […] Man merkt schon, dass auch irgendwie so der Freundes- und Bekann-tenkreis in dieser Zeit auch ein bisschen weniger wird und man weniger Kontakt hat, weil man dann irgendwie, weiß ich nicht, mir geht es immer so, gerade zu diesen ganz stressigen Zeiten, ja, ich würde ja gerne, aber einfach keine Kraft und keine Zeit, und das, das merkt man schon.‹ In den Phasen, in denen Zeit für die Pflege sozialer Kontakte wäre, ist die Erschöpfung so groß, dass die Zeit zur Erholung genutzt wird. Die Studieren-den haben keine andere Wahl als soziale Kontakte zu vernachlässigen: ›Also wenn ich nicht mehr kann oder die Zeit drängt, dann treffe ich halt keine Freun-din, nehme eine Geburtstagseinladung nicht an, eher, als dass ich bei der Arbeit sage: ‚Ach, heute komme ich mal nicht‘ (lacht).‹ Ein Student berichtet zudem, wie sich die Präsenzphasen am Wochenende negativ auf seine Beziehung auswirken, da er weniger Zeit mit seiner Freundin verbringen kann.

Auffällig ist, dass Auswirkungen auf die Partnerschaft von Männern und Frauen unterschiedlich bewertet werden. Die Partner gelten als wichtigste Unter-stützer, aber auch als besondere ›Leidtra-gende‹ in der Studienphase. Zwei Frauen berichten, wie wichtig die Unterstützung durch ihre Männer ist, da diese viel Arbeit zu Hause übernehmen müssen. Beide sprechen durch die Versorgung kleiner Kinder beziehungsweise die Pflege eines Angehörigen neben Studium und Beruf von einer Dreifachbelastung. Jedoch beschreiben sie vor allem auch positive Effekte auf ihre Partnerschaft. Sie können die Zeit für die Partnerschaft

Page 45: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

43

funktioniert das, Gott sei Dank!‹ (G2). Andere verzichten in dieser Phase – mehr oder weniger bewusst – auf Teile des Privatlebens.

Auch die Berufsgruppe der Sozial- und Pflegeberufe trennen ihre Lebensbereiche bewusst. Sie versuchen beispielsweise, besonders belastende Zeiten im Beruf oder im Studium im Privatleben zu kom-pensieren, indem sie sich etwas mit dem Partner oder der Familie vornehmen. Auch diese Gruppe nimmt die Belastun-gen in der Zeit des Studiums als ›notwen-diges Übel‹ in Kauf. Dies gelingt ihnen deshalb ganz gut, weil sie ihre Arbeitszeit meist – durch hilfsbereite Kolleginnen und Kollegen – relativ flexibel einteilen können. Es bleibt in unserem Sample offen, ob dies auch anderen Studierenden dieser Berufsgruppe so gelingt.

2. Setzen von Prioritäten und die entwicklung von Lernstrategien

Diese Strategie beinhaltet das Setzen von Prioritäten sowie das bewusste gedank-liche Abschalten und die Konzentration auf das Positive.5 Die Lösungsstrategien von Studierenden der Fachrichtung Wirtschaftswissenschaften beziehen sich besonders darauf, Perfektionismus abzulegen. Das heißt, sie versuchen zu akzeptieren, dass sie nur so viel investie-ren können, wie möglich ist. Dabei ist es ihnen wichtig, anlassbezogene Prioritä-ten zu setzen, ›damit kein Lebensbereich wegrutscht‹ (G1). Bei wichtigen Anläs-sen, wie zentralen Projekten im Betrieb, Prüfungsphasen oder einer Hochzeit im engen Freundeskreis, steht mal die Arbeit, mal das Studium und mal das Pri-vatleben im Vordergrund. Sie versuchen sich besonders darauf zu konzentrieren, weiterhin ›an dem normalen sozialen Leben‹ (G1) teilzunehmen. Dabei wird ein Abwägen unter schwierigen Umständen für die Zeit des Studiums bewusst in Kauf genommen: ›Gut, das ist immer ein Abwägen dann auch. Dann könnte man auch sagen, gut, ich strecke das ein biss-chen. Ich lasse jetzt ein Modul sein und mache das ein bisschen später. Das habe ich dann ja für mich beschlossen, das muss jetzt hier durchgezogen werden, Ende davon. Dann muss ich halt durch‹ (G1).

Bewältigungsstrategien für eine bessere Vereinbarkeit

Die von uns befragten berufsbegleitend Studierenden versuchen, die zuvor be-schriebenen Vereinbarkeitskonflikte auf ganz unterschiedliche Art zu lösen.3 Ins-gesamt ist zu berücksichtigen, dass alle Studierenden die Problematik äußern, ihr Privatleben zu sehr zu beschneiden – eine ideale, zufriedenstellende Hand-lungsstrategie für eine ausbalancierte Vereinbarkeit hat demnach keiner der Studierenden gefunden. Die im Folgen-den näher beschrieben Bewältigungsstra-tegien bilden daher an dieser Stelle nur den Status quo der einzelnen Berufsgrup-pen ab, in Kapitel 7 werden davon ausge-hend weitergehende Handlungsempfeh-lungen diskutiert, die auch individuelle Handlungsstrategien verbessern können.

1. trennung der Lebensbereiche und kompensation von belastungen

Die beschriebenen Strategien sind aktiv auf eine Problemlösung ausgerichtet, wie die bewusste Planung von Tätigkeiten oder auch der Verzicht auf bestimmte Tätigkeiten.4 Eine klare und bewusste Trennung der unterschiedlichen Le-bensbereiche fällt ebenfalls unter diese Strategie. In unserem Sample verfolgen Studierende der Fachrichtung Mathema-tik / Informatik sowie der Fachrichtung Gesundheit / Medizin diese Strategie. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erwähnen, dass ein Theorie-Praxis- sowie ein Praxis-Theorie-Transfer – als Schnittpunkt zwischen Studium und Beruf – trotzdem eine zentrale Rolle für die Vereinbarkeit spielen kann und sich motivationsfördernd auswirkt.

Wie bereits ausführlich beschrieben, können die Studierenden aus der Berufs-gruppe der IT-Branche ihre Arbeitszeit relativ flexibel einteilen und an ein Teilzeitstudium anpassen. Sie können dadurch die drei Lebensbereiche gut voneinander trennen: ›Ja, aber wobei ich das dann schon trenne. […] Von Montag bis Mittwoch ist bei mir Arbeitszeit und Donnerstag, Freitag, Samstag, Sonntag ist sozusagen die Zeit für die Thesis‹ (GI3). Manche können sich sogar bewusst Zeit für ihr Privatleben schaffen: ›Und das Wochenende würde ich mir generell gerne frei halten, weil es dann schon in der Woche schlaucht. […] Ja, bis jetzt

Page 46: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

44

3. Zurückstellen von Lebens- bereichen als krisenintervention

Bei dieser Strategie geht es um das Akzep-tieren des Vereinbarkeitskonfliktes.6� Ein befragter Student aus einem kaufmänni-schen Beruf hat eine unbezahlte Frei-stellung bei seinem Arbeitgeber erwirkt, als Notbremse vor möglichem Studi-enabbruch. Seither ist seine Strategie darauf ausgerichtet, die Lebensbereiche neben dem Studium zurückzustellen. Er möchte ›nur noch durchkommen‹ (I3) und hat den Anspruch an gute Noten aufgegeben. Es geht lediglich um ein ›Ertragen‹ der schwierigen Studiensitu-ation, um für die bisher investierte Zeit und Energie zumindest einen Studien-abschluss zu bekommen: ›Deshalb bin ich echt froh, wenn das Ganze dann bald vorbei ist‹ (I3).

Wünsche

Der meist genannte Wunsch, mehr Zeit für Partnerschaft, Freunde und Hobbys zu haben, weist auf das Grundproblem der mangelnden Vereinbarkeit hin: ›Ich bin diejenige, die sich nach mehr Zeit sehnt […] für diese Beziehung. Dadurch, dass wir aber beide selbstständig sind und auch an Wochenenden arbeiten, ist das eh knapp mit der Zeit. […] Aber da habe ich auch das Gefühl, dass uns einfach die Zeit fehlt‹ (GI1).

Die weiteren Wünsche der Studieren-den richten sich besonders an die Ar-beitgeber sowie an die Hochschulen. Die Studentinnen aus Sozial- und Pflegebe-rufen wünschen sich hingegen vor allem strukturelle Änderungen der Finanzie-rungsmöglichkeiten.

Wie bereits deutlich wurde, kommt den Arbeitgebern bei der Vereinbarkeit von Beruf, Studium und Privatleben die zentrale Rolle zu. Besonders häufig werden Wünsche hinsichtlich flexibler Arbeitszeitmodelle (zum Beispiel über ein Bildungsteilzeitkonto) genannt, ge-folgt von einer Reduzierung der Arbeits-zeit und Freistellungsmöglichkeiten: ›Es müsste eben auch andere, ja, Arbeitszeit-modelle vielleicht geben für Leute, die so etwas machen wollen. Also es gibt ja diesen neuen Tarifvertrag, wir sind ja IG-Metall-gebundener Betrieb und da gibt es ja schon den ersten Vorstoß in Richtung dieses Bildungskontos, was bei uns aber leider noch nicht eingeführt wurde. Also

Die Bewältigungsstrategie eines Studie-renden aus einem technischen Beruf ist, von der Vorstellung abzurücken, das Studium in der Regelstudienzeit abzu-schließen. Er hat für sich anerkannt, dass er durch die Vollzeit-Berufstätigkeit und inhaltliche Herausforderungen (zum Beispiel in Mathematik) länger braucht, um sich bestimmte Dinge anzueignen. Außerdem entwickelt er effiziente Lernstrategien, liest zum Beispiel nicht einen gesamten Text, sondern sucht sich Zusammenfassungen aus dem Internet. ›Also ich sage immer, mittlerweile habe ich die 80 / 20-Methode, das heißt, ich lerne 20 Prozent und versuche 80 Prozent zu erreichen, man muss das Richtige lernen. Bei Elektrotechnik hat es nicht gereicht, da bin ich mit Pauken und Trompeten durchgefallen, dann werde ich es noch mal machen und werde mich anders organisieren. […] Weil dieses viele Lesen und Lernen ist auch berufsbeglei-tend nicht möglich‹ (I1). Auch hier gilt Zeitmanagement und das Setzen von Prioritäten als zentrale Strategie. Auch das bewusste Einplanen von Zeit für das Privatleben – zumindest für einen Tag in der Woche – ist wichtig, um diesen Lebensbereich nicht völlig zu vernachläs-sigen.

Wie schwierig sich die Situation für diejenigen gestaltet, die ihr Privatleben aufgrund familiärer Pflichten nicht zu-mindest zeitweise zurückstellen können, zeigt folgendes Zitat eines Studieren-den, der nicht von seinem Arbeitgeber unterstützt wird: ›Ich habe jetzt eine kleine Tochter und bekomme jetzt noch eine zweite, und dementsprechend möchte ich die jetzt natürlich auch nicht vernachlässigen in irgendeiner Art und Weise, was wiederum heißt, dass die Abende bei mir lang werden und die Nächte kurz‹ (I2). Dieser Student war zum Zeitpunkt des Interviews im ersten Studiensemester. Es muss infrage gestellt werden, ob diese Alltagsorganisation für ihn weiter durchzuhalten ist, ohne dass seine Gesundheit darunter leidet.

Page 47: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

45

Eine weitere Forderung an die Hochschu-len bezieht sich auf die Studienstruktu-ren beziehungsweise die Studienordnun-gen. Wie bereits erwähnt, wünscht sich die IT-Berufsgruppe mehr Flexibilität in der Abschlussphase des Studiums, um auch in dieser Zeit arbeiten zu können, ohne Urlaub nehmen zu müssen: ›Die größte Belastung wäre dann, das mit dem Masterprojekt zu regeln, mit dem Treffen, weil es ist jetzt, glaube ich, abgemacht, dass wir uns donnerstags immer treffen. Und donnerstags arbei-te ich immer, von daher ist die größte Belastung dann wirklich die Terminfin-dung bei den Projekten im Master‹ (GI2). Darüber hinaus besteht der Wunsch an eine ›weichere‹ Studienordnung, die den Druck für berufsbegleitend Studierende reduzieren kann: ›Wenn man mal eine Vorlesung nicht besuchen kann, dann ist es halt so, dann muss ich gucken, ob ich mir das anders erarbeiten kann oder ich besuche die Vorlesung noch mal nächstes Semester. Man muss natürlich aufpassen mit den Prüfungen, teilweise ist es ja so, wenn man eine Prüfung dann nicht bestanden hat, kann man sie irgendwie, glaube ich, noch zweimal wiederholen und dann fliegt man raus. Das ist natür-lich tödlich bei den berufsbegleitend Stu-dierenden, ist vielleicht auch ein Punkt, wo man vielleicht über weichere Regeln nachdenken müsste‹ (I1).

Die Studentinnen aus den Sozial- und Pflegeberufen, die – wie bereits beschrie-ben – als größte Belastung die Finan-zierung des Studiums angeben, äußern deshalb strukturelle Wünsche an mehr Möglichkeiten der Studienfinanzierung, zum Beispiel über BAföG, Stipendien oder Studienkredite auch für ältere Studierende: ›Also andere finanzielle Un-terstützungsmöglichkeiten wären schon noch toll. Die, die es jetzt gibt, die haben eine relativ hohe Hürde, da ranzukom-men oder sind für uns gar nicht mehr möglich, weil wir schon zu alt sind‹ (G3). Eine Studentin versucht zum Zeitpunkt des Interviews, bei ihrem Arbeitgeber eine Zuzahlung zu den Studienkosten über ihr Fortbildungsbudget zu erwir-ken. Sie schätzt die Chancen allerdings gering ein, da ein Studium in der Regel nicht als Fortbildung gezählt wird.

vielleicht habe ich da im nächsten Semes-ter ein bisschen Glück. Aber da müsste man eigentlich mehr drauf hinausarbei-ten, dass es da bessere Regelungen gibt‹ (I2). Ein weiterer Student beschreibt, wie ein wertschätzendes Entgegenkommen seines Arbeitgebers ihm die Studienzeit erleichtert hätte: ›Wenn ich von Anfang an auf der Arbeit weniger Stunden gehabt hätte und die Überstunden da leichter hätte aufbauen können oder mein Arbeitgeber gleich gesagt hätte, die Tage, die du in die Uni musst, wirst du so freigestellt, ja, also nicht, du musst da nicht deinen Urlaub für aufopfern, wir finden das gut, dass du dich weiterbil-dest, sondern geh dahin und mache, wir wissen, dass du das letztendlich auch für uns tust, weil du dich ja selber weiterbil-dest und wir da hoffentlich auch was von haben. Das hätte das Ganze, glaube ich, deutlich vereinfacht.‹

Nur drei der Befragten geben explizit an, sich von Seite der Hochschule mehr Selbststudium über Online-Learning zu wünschen. ›Da […] [meine Arbeit, Anm. d. Verf.] wie ein zweites Zuhause für mich ist, würde ich mir schon wünschen, dass ich mehr Zeit auch dort zum Lernen hät-te. Das hatte ich mir zum Beispiel heute vorgenommen. Aber es klappte nicht. Ich glaube, ich bräuchte generell mehr Zeit. Das lässt sich aber nicht ändern. Ich muss einfach mit der Zeit, die ich habe, auskommen‹ (G1). Entsprechende Forderungen resultieren, wie bei dieser Studentin, jedoch aus einem generellen Zeitmangel. Online-Lernen gilt in diesem Fall als weitere Lernstrategie, um ›Phasen des Leerlaufs‹ auf der Arbeit produktiv für das Studium zu nutzen. Insgesamt schätzen alle Studierenden die Präsenz-zeiten und den Austausch mit Dozentin-nen und Dozenten sowie Kommilitonin-nen und Kommilitonen.

Page 48: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

46

Die Studienstrukturen werden je nach Angebot unterschiedlich bewertet. Eine Beratung und Begleitung während des gesamten Studienprozesses werden als wertvoll erachtet. Dabei sind besonders ausreichende Transparenz über Studien-strukturen, Präsenzzeiten und inhaltli-che Anforderungen zentral. Auch eine enge Verknüpfung zwischen Theorie und Praxis erleichtert die Studienzeit sowie die Vereinbarkeit. Dabei ist außerdem wichtig, dass jede Studienphase mit dem Beruf vereinbar ist. Eine besondere Bedeutung haben außerdem die Mitstu-dentinnen und Mitstudenten als Gleich-gesinnte sowie als Unterstützerinnen und Unterstützer im Lernprozess und bei der Organisation des Studiums. Ein Aus-tausch sollte bewusst gefördert werden. Die Finanzierung des Studiums ist im Ver-gleich besonders für Befragte der Sozial- und Pflegeberufe eine Herausforderung. Hier wäre strukturell mit allen betei-ligten Akteuren zu überlegen, welche Finanzierungsmöglichkeiten gemeinsam entwickelt werden können.

Zusammenfassung

Aus den empirischen Ergebnissen lassen sich verschiedene Vermutungen, Fra-gen und Empfehlungen ableiten. Als Studienmotivation geben besonders die jüngeren Befragten im Sample an, ein berufsbegleitendes Masterstudium zu nutzen, um ihre beruflichen Chancen in ihrem Berufsfeld zu festigen und zu erhöhen, gleichzeitig verbinden sie mit der beruflichen auch eine persönliche Weiterentwicklung. Ältere Studierende sowie Studierende von Bachelorformaten nutzen ein berufsbegleitendes Studium, um eine alternative berufliche Perspek-tive einzuleiten. Studierende der Sozial- und Pflegeberufe verbinden neben einem beruflichen Aufstieg beziehungsweise Tätigkeitswechsel den inhaltlichen An-spruch, ihr Berufsfeld mit ihrem Wissen weiterentwickeln zu können.

Als größte Belastung bezeichnen die Studierenden die drei Bereiche Studium, Beruf und Privatleben vereinbaren zu müssen. In dieser Konstellation ist die Er-werbsarbeit in der Regel der unflexibelste Bereich, an den Studium und Privatleben angepasst werden müssen. Dabei leidet besonders das Privatleben, da dieses aufgrund des neuen Lebensbereiches Studium zu kurz kommt. Das Privatle-ben aller Studierenden leidet darunter, das Studium als neuen Lebensbereich zusätzlich zu integrieren. Alle Studieren-den wünschen sich mehr Zeit für ihre Freizeit und sozialen Kontakte. Teilweise wirken die Belastungen sich auch negativ auf Partnerschaften aus. Die Bewertung der privaten Rahmenbedingungen unterscheidet sich auch geschlechtsspe-zifisch. Als unterstützende Maßnahme in dieser Situation können unter anderem Studienprogramme genannt werden, die Partnerinnen und Partner in die Studi-enorganisation mit einbeziehen. Eine besondere Herausforderung ist die Ver-einbarkeit aller Bereiche für Studierende mit Kindern.

Page 49: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

47

1 Vgl. Kruse (2014), S. 52.

2 Im Anschluss an die Interviews wurde ein

kurzer Fragebogen an die Teilnehmen-

den ausgeteilt, um die wichtigsten so-

ziografischen Daten abbilden zu können.

Leider war es aufgrund von Zeitmangel

in einem Interview nicht möglich, den

Fragebogen von zwei Teilnehmenden

ausfüllen zu lassen. Mit Ausnahme der

Angabe von Kindern, beziehen sich

alle Daten deshalb nur auf 11 von 13

Befragten.

3 Syrek et al. (2014, S. 128 ff.) machen

verschiedene Handlungsstrategien

der Work-Learn-Life-Balance unter

Wissensarbeitern aus. Zum Teil lassen

sich die von uns vorgefundenen

Handlungsstrategien auf die dort

identifizierten Kategorien beziehen. So

kann die von uns vorgefundene Trennung

von Lebensbereichen und Kompensation

der Belastungen der problemorientiert,

verhaltensbezogenen Strategie zugeord-

net werden. Das Setzen von Prioritäten

und die Entwicklung von Lernstrategien

fallen in die problemorientierte, kogni-

tive Strategie. Das Zurückstellen von

Lebensbereichen als Krisenintervention

bezieht sich hingegen auf die vermei-

dungsorientierte, kognitive Strategie.

4 Vgl. Syrek et al. (2014), S. 128.

5 Nach Syrek et al. (2014), S. 128

ein problemorientiertes, kognitives

Verhalten.

6 Vgl. Syrek et al. (2014), S. 129.

Da die Studierenden ihren Beruf als zentra-len Bereich betrachten, um sich beruflich und persönlich weiterzuentwickeln und den Lebensunterhalt zu sichern, ist die Unterstützung des Arbeitgebers zentral für die Vereinbarkeit zwischen Studium, Beruf und Privatleben. Diejenigen Studierenden, die von Unterstützung durch ihren Arbeit-geber berichten, bewerten die Vereinbar-keit zwischen Studium, Beruf und Pri-vatleben besser als andere. Dabei werden flexible Arbeitszeitmodelle als besonders unterstützend für die Vereinbarkeit empfunden. Neben flexiblen Arbeitszeit-modellen wie Gleitzeit, Vertrauensarbeits-zeit oder Home-Office würden besonders Arbeitszeitkonten, Stundenreduzierung nach Bedarf oder Freistellungsoptionen die Vereinbarkeit entscheidend erleichtern. Für Studierende aus Sozial- und Pflegeberu-fen ist darüber hinaus auch die finanzielle Unterstützung von zentraler Bedeutung.

Die hier dargestellten Bewältigungs-strategien der Studierenden können im Zusammenhang mit der Vereinbarkeit als nicht ausreichend bezeichnet werden, um die drei Lebensbereiche angemessen und für die Studierenden zufriedenstel-lend miteinander zu vereinbaren. Sie sind Versuche, den Alltag besser organisieren zu können. Alle Studierenden müssen Abstriche machen. Dies gelingt besonders den Studierenden besser, die auf Unterstüt-zung des Arbeitgebers oder besonderen Freiraum in ihrem Beruf zurückgreifen können. Bei hohen familiären Verpflich-tungen und mangelnder Unterstützung am Arbeitsplatz kann der Versuch, alle Bereiche miteinander zu vereinbaren, zu Konflikten und gesundheitlichen Beein-trächtigungen führen.

Page 50: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

48

wesentlich höher.2 Auffällig ist, dass alle Frauen in unserem Sample das Abitur oder die Fachhochschulreife aufweisen. Das kann unter anderem damit zusam-menhängen, dass allein 13 der 19 befrag-ten Frauen in den Branchen Gesundheit und Sozialwesen oder Erziehung und Unterricht arbeiten, in denen viele Ausbildungsberufe von Abiturientinnen absolviert werden.3 Es ist naheliegend, dass insbesondere Abiturientinnen dem Bedarf an wissenschaftlicher Qualifizie-rung bei den Pflege- und Erziehungsberu-fen folgen, zumal gerade bei Krankenpfle-gekräften und Erzieherinnen eine hohe Motivation bestehen dürfte, mit einem Hochschulabschluss ein besseres Einkom-men zu erzielen.

Die Befragten mit Abitur sind gene-rell jünger; unter den unter 30-Jährigen haben alle die Hochschulreife. In dieser Gruppe von 19 Befragten hat etwa die Hälfte einen Berufsabschluss. Ebenso sind halbe und Dreiviertelstellen in dieser Gruppe häufiger anzutreffen als unter den Älteren. Das hängt wahrschein-lich mit den niedrigeren finanziellen Belastungen der jüngeren Studierenden zusammen, die in dieser Stichprobe alle kinderlos sind. Wiederum entsteht hier das Bild einer spezifischen Studie-rendengruppe, die bald nach ihrem Berufsabschluss und vor einer Famili-engründungsphase mit einem Studium ›durchstarten‹, ohne ihre Erwerbstätig-keit aufzugeben.

Hinsichtlich der erworbenen Berufs-abschlüsse ergibt sich folgendes Bild. Über die Hälfte der Befragten hat bereits ein Hochschulstudium absolviert und studiert demzufolge nun in einem Mas-terstudiengang. Fast alle Befragten mit ei-nem Ausbildungsabschluss sowie die fünf Absolventinnen und Absolventen einer Aufstiegsfortbildung an einer Fachschule studieren in einem Bachelorprogramm (n = 16). Sieben haben keine Angabe zu

In der quantitativen Befragung von Stu-dierenden verschiedener Studiengänge in Bremen konnten von einem Rücklauf von 59 Fragebögen 53 Antworten aus-gewertet werden. Der Fragebogen ist am Ende dieses Kapitels abgebildet. Er wurde an Studierende der Studiengänge verteilt, die in Tabelle 1 im 2. Kapitel dargestellt sind. Nicht nur aufgrund der geringen Zahl sind die hier Befragten nicht repräsentativ für alle in Bremen berufsbegleitend Studierenden. Eine repräsentative Befragung wäre mit einem erheblichen Aufwand verbunden, da die Grundgesamtheit der berufsbegleitend Studierenden in allen Studiengängen bisher statistisch nicht erfasst ist. Die Auswertung der vorliegenden Daten gibt daher beispielhafte Einblicke in private, betriebliche und hochschulische Rah-menbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf, Studium und Privatleben. In der Auswertung konzentrieren wir uns vornehmlich auf auffällige Befun-de, aus denen sich Unterschiede nach beruflichem Hintergrund und nach Studienformaten sowie geschlechts- und altersspezifische Differenzen ableiten lassen. Wir unterscheiden drei große Be-rufsgruppen: technische (einschließlich IT-Berufe), kaufmännische und soziale Dienstleistungsberufe (Erziehungs- und Pflegeberufe).

Vorbildungsniveau

Von den Befragten haben 35 das Abitur und acht die Fachhochschulreife erwor-ben. Lediglich sechs Befragte haben einen mittleren Schulabschluss oder einen Hauptschulabschluss. Das spiegelt die oh-nehin niedrige Quote von Studierenden ohne Abitur an den deutschen Hochschu-len wider (2,6 Prozent in Deutschland, 1,42 Prozent in Bremen1). Die Quote der Studierenden mit Abitur und beruflicher Ausbildung liegt mit etwa 20 Prozent

SuSAnne hermeLingJeSSic A heibÜLt

Quantitative befragung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

Page 51: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

49

ihren Berufsabschlüssen gemacht. Auf-grund möglicher Mehrfachantworten ge-ben fünf Befragte im Sample an, sowohl eine Ausbildung als auch ein Hochschul-studium abgeschlossen zu haben. Auch die Ergebnisse der qualitativen Interviews legen nahe, dass solche langen Bildungs-wege unter berufsbegleitend Studieren-den keine Seltenheit sind.

Von den 34 Studierenden der Master-studiengänge geben drei einen Berufsab-schluss als höchsten Abschluss an. Das deutet darauf hin, dass die Möglichkeit des Zugangs zu weiterbildenden Master-studiengängen auch ohne vorliegenden Bachelorabschluss bei gleichen Qualifi-kationen immerhin von einigen genutzt wird.

Soziodemografische Merkmale der Befragten

Die 53 berufsbegleitend Studierenden sind zum Befragungszeitpunkt zwischen 23 und 59 Jahre alt. Der Mittelwert liegt bei 32 Jahren. Dabei sind die Altersgrup-pen der 20- bis 29-Jährigen (n = 19) sowie der 30- bis 39-Jährigen (n = 20) überreprä-sentiert. Acht Studierende sind zwischen 40 und 49 Jahre alt, fünf sind über 50 Jahre alt.4 Männer sind in der Stichprobe überrepräsentiert. Insgesamt haben 19 Frauen und 34 Männer an der Befragung teilgenommen.

18 Befragte haben Kinder, davon sechs Frauen und 12 Männer. Zwei Frauen sind alleinerziehend. Nur eine von diesen Frauen hat noch ein Kind im schulpflich-tigen Alter. Beide Frauen arbeiten in Vollzeit und geben an, organisatorische Unterstützung von Freunden zu erhal-ten. Die Vereinbarkeit von Studium und Beruf wird von beiden als ›sehr schlecht‹ beurteilt und die Anforderungen als sehr hoch. Von den Befragten mit Kindern ist niemand unter 30 Jahre alt. In der Altersgruppe zwischen 30 und 39 Jahren haben sieben Befragte Kinder, darunter nur eine Frau. Von den über 40-Jährigen geben fünf Frauen und sechs Männer an, Kinder zu haben. Die Vermutung ist naheliegend, dass berufsbegleitendes Studieren in der Familienphase mit Kindern im Vorschul- und Schulalter schwierig zu bewältigen ist. Dies fällt für Frauen mehr ins Gewicht als für Män-ner, denn es gibt in der Stichprobe nur Männer mit Kindern im Vorschulalter. Die geschlechtsspezifische Rollenauf-teilung in der Sorgearbeit zulasten der Frauen spiegelt sich also in der Befragung wider. Auffällig ist außerdem, dass die Studierenden mit Kindern nicht weni-ger Stunden arbeiten als Studierende ohne Kinder. Der größere Teil hat eine Vollzeitstelle und leistet darüber hinaus Überstunden ab. Hier zeigen sich die mit Kindern verbundenen höheren finanziel-

Abb. 1: Schul- und berufsabschlüssen = 53

AbiturFach-/Hochschule

keine Angabe

mittlerer Schulabschluss

Berufsbil-dungsreife

höchster Schulabschluss

berufs-abschluss

35 28

Fachhoch-schulreife

Fachschule keine Angabe

duale Ausbildung/Berufsfach-schule

8 5 7

19

4

4

2

Page 52: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

50

sieben Männer und zwei Frauen. Die bei Weitem häufigste Form der Unterstüt-zung ist Zuspruch und Vertrauen. Auch in den Interviews berichten Studierende, wie wichtig es ist, dass das nahe Umfeld den mit der Studienaufnahme verbunde-nen Zeitmangel für Partner und Familie grundsätzlich akzeptiert. Studierende in festen Partnerschaften scheinen insgesamt gegenüber alleinlebenden im Vorteil zu sein. Zwar beschreiben einige Studierende in den Interviews belasten-de Forderungen in der Partnerschaft, ebenso betont wird jedoch von vielen die unterstützende Seite. Da jedoch fast alle Studierenden erzählen, dass sie Freundes-kreis, Sport oder ehrenamtliche Tätigkei-ten vernachlässigen müssen, scheint der Partner oder die Partnerin im Ausgleich für einen kontinuierlichen sozialen Rück-halt zu sorgen.

Bemerkenswert ist, dass 19 Befragte angaben, dass sie von Kommilitoninnen und Kommilitonen unterstützt werden. Diese werden damit auch dem privaten Bereich zugeordnet. Besonders oft ge-nannt wird in diesen Fällen der fachliche Austausch und bei einigen die organisa-torische Zuarbeit als Entlastungsform. In der Befragung geben mehr als die Hälfte der Studierenden (n = 32) an, sich mehr Zeit für den Austausch mit Studienkolle-gen zu wünschen. Neben dem fachlichen Austausch (n = 30, Mehrfachnennungen möglich) soll jedoch auch der persönli-che Austausch (n = 24, Mehrfachnennun-gen möglich) eine Rolle spielen. Auch dieses Ergebnis wird in den qualitativen Interviews bestätigt. Dort werden Studi-enkolleginnen und Studienkollegen zum

len Belastungen, die eine Arbeitszeitredu-zierung erschweren.

Unterstützung im privaten Umfeld

Bezüglich der Wohnsituation geben die meisten an, mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin zusammenzuleben (n = 20) beziehungsweise mit dem Partner / der Partnerin und Kindern zusammen-zuleben (n = 14). Die übrigen leben allein mit ihren Kindern zusammen, in einer Wohngemeinschaft oder bei Familien-angehörigen. Alleinlebend sind nur 13 Studierende.

Bei der Konzeption der Untersuchung war unter anderem die Hypothese maß-geblich, dass Unterstützung im privaten Umfeld für eine gute Vereinbarkeit zwischen Studium und Beruf wichtig ist. In Abbildung 2 wird dargestellt, welche Menschen im privaten Umfeld als unter-stützend empfunden werden und in Ab-bildung 3, in welcher Form die Befragten Unterstützung erfahren. Mehrfachant-worten waren jeweils möglich.

Die Partnerinnen und Partner spie-len insgesamt die größte Rolle bei der Unterstützung im Studium. Diese leisten vor allem Zuspruch und entlasten bei der Hausarbeit. Diejenigen, die ihre Eltern beziehungsweise einen Elternteil als Un-terstützung angegeben haben, gehören eher zu den jüngeren Teilnehmenden der Befragung, von ihnen sind acht unter 30 Jahre beziehungsweise 13 unter 35 Jahre alt. Insgesamt elf Befragte haben angege-benen, in ihrem privaten Umfeld keiner-lei Unterstützung zu erfahren, darunter befinden sich fünf Alleinlebende sowie

Abb. 2: unterstützung im privaten umfeld erhalte ich von … n = 53, Mehrfachnennungen möglich

3

36

anderen Familienangehörigen

Kind/Kindern

niemandem

Freundinnen/Freund

Eltern/Elternteil

Studienkollegen

Partnerin/Partner

1916

119

4

Page 53: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

51

Teil als wichtige Ansprechpersonen in Krisenzeiten beschrieben. Einige beschrei-ben die Gruppe von Studierenden als soziales Netz, in dem sie gehalten werden und das ihnen hilft, Phasen der Anstren-gung durchzuhalten.

Betriebliche Rahmenbedingungen

Von 53 Befragten geben 33 an, einem großen Unternehmen mit mehreren betrieblichen Standorten anzugehören, drei machten keine Angabe. Die meisten arbeiten an einem großen betrieblichen Standort mit über 500 Beschäftigten (n = 20). Elf Befragte arbeiten in einem Betrieb mit unter 50 Beschäftigten. Erwartungs-gemäß würde man unter den großen Un-ternehmen eine finanzielle Beteiligung am Studium eher erwarten. Es finden sich jedoch vier kleinere Unternehmen mit unter 250 Beschäftigten, die Studie-rende (teilweise) bezahlt freistellen oder sich an direkten Kosten beteiligen. Insge-samt geben 16 Studierende eine finanziel-le Beteiligung ihres Arbeitgebers an.

Die berufliche Tätigkeit der meisten Befragten ist in den personenbezogenen Dienstleistungen (n = 21) und im techni-schen Bereich (n = 18) angesiedelt. Kauf-männische Tätigkeiten (n = 10) sind unter

den Berufsgruppen im Sample folglich unterrepräsentiert. In der Fachrichtung Wirtschaftswissenschaften wurden zwar zwei Studiengänge befragt, diese sprechen jedoch unterschiedliche Berufsgruppen mit ihrem Angebot an (siehe Abbildung 1 in Kapitel 2). Gegliedert nach Branchen arbeitet die Mehrheit der Befragten im verarbeitenden Gewerbe (n = 15), in Er-ziehung und Unterricht (n = 11) sowie im Gesundheits- und Sozialwesen (n = 10). In der Logistik (n = 4) und in wirtschaftsbezo-genen Dienstleistungen (n = 2) sind sechs Befragte beschäftigt. Die Branchen Handel und Reparatur sowie Gastgewerbe sind nur mit jeweils einem Befragten vertreten. In den qualitativen Interviews werden die Arbeitszeiten im Handel als sehr ungüns-tig für ein berufsbegleitendes Studium beschrieben, das könnte zu einer niedri-gen Studienteilnahme von Beschäftigten dieser Branche führen. Ähnliches ist für das Gastgewerbe anzunehmen.

Unter den zehn Befragten, die im Schichtbetrieb tätig sind, arbeiten bis auf eine Studierende alle in Teilzeit, in der Regel auf halben Stellen. In dieser Gruppe sind vornehmlich Frauen, die im Ge-sundheits- und Sozialwesen arbeiten. Die Interviews mit Expertinnen und Experten in unserer Studie bestätigen, dass flexible

Abb. 3: ich erhalte unterstützung im privaten umfeld in folgender form …n = 53, Mehrfachnennungen möglich

Zuspruch und Vertrauen

zeitliche Entlastung bei der Hausarbeit

fachlicher Austausch

gar nicht

finanziell

zeitliche Entlastung bei der Kinderbetreuung

organisatorische Zuarbeit

Seelsorge

zeitliche Entlastung bei der Betreuung einer/eines Angehörigen

2713

1

1

3

3

6

7

12

Page 54: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

52

ten Stunden höher. Nach dem Mittelwert der angegebenen Stundenzahlen für Beruf und Studium zusammen, ergibt sich für die Befragten am häufigsten eine 60-Stunden-Woche.

Von den Studierenden, die ihre Arbeitszeit sehr gut (n = 7) oder eher gut (n = 8) an ihr Studium anpassen können, greifen nahezu alle auf flexible Arbeits-zeitmodelle zurück (n = 13), einige wenige auch auf Arbeitszeitkonten oder Home-Office. Schichtarbeit kommt in dieser Gruppe nur zweimal vor. In der Gruppe, die die Vereinbarkeit als sehr schlecht (n = 8) oder eher schlecht (n = 9) bezeichnet, können nur zwei Befragte von flexiblen Arbeitszeiten profitieren. Schichtarbeit kommt in dieser Gruppe dreimal vor. Die Stichprobe zeigt also einen sehr klaren Zusammenhang von flexiblen Arbeitszeit-modellen und guter Vereinbarkeit. Dieser Zusammenhang ist in unserer Stichprobe sogar stärker als der von reduzierten Ar-beitsstunden und guter Vereinbarkeit.

Unterstützung im Betrieb

Unsere Studie zeigt, dass die Berufstä-tigkeit für die meisten berufsbegleitend Studierenden aus verschiedenen Grün-den Priorität vor dem Studium genießt. Die Erwerbstätigkeit gilt als existenzieller und unerlässlicher Lebensbereich. Die Ar-beitszeit zeitlich zu beschränken, kommt für viele, gerade ältere, Studierende oft schon aus finanziellen Gründen nicht

Dienstpläne in dieser Branche die Verein-barkeit mit dem Studium erleichtern. Die starren Wechselschichten im verarbei-tenden Gewerbe erschweren dagegen die Teilnahme an Präsenzveranstaltungen erheblich. Auch in unserer Stichprobe sind keine in Schichtarbeit Beschäftigten aus dem verarbeitenden Gewerbe vor-handen. Alle Befragten aus dem verarbei-tenden Gewerbe arbeiten im regulären Tagdienst, viele haben zudem Gleit-zeitregelungen und Arbeitszeitkonten. Außerdem sind in dieser Gruppe relativ viele Führungskräfte, die möglicherweise über Gestaltungsfreiräume verfügen, die sie für die Vereinbarkeit von Beruf und Studium nutzen können.

Von den befragten Studierenden arbeiten 15, darunter zehn Frauen, auf Teilzeitstellen. Die meisten Befragten arbeiten damit auf Vollzeitstellen von 35 bis 42 Vertragsstunden pro Woche. Gut die Hälfte der Befragten aller Berufsgrup-pen (n = 28) gibt an, regelmäßig Überstun-den zu leisten. 18 Beschäftigte kommen damit auf eine reale Wochenarbeitszeit von über 41 bis hin zu 55 Stunden. Er-staunlicherweise ist die für das Studium aufgewendete Zeit fast genauso hoch veranschlagt wie bei den Beschäftigten mit 30 bis 40 Stunden Arbeitszeit. So er-geben sich bei den Vollzeitbeschäftigten mitunter 70 Stunden pro Woche für Be-ruf und Studium. Bei den Beschäftigten mit bis zu 30 Arbeitsstunden im Betrieb liegen die für das Studium aufgewende-

Abb. 4: folgende Personen im betrieb sind über mein Studium informiertn = 53, Mehrfachnennungen möglich

alle Kolleginnen/Kollegen

mein/e direkte/r Vorgesetzte/r

die Geschäftsleitung

einige vertraute Kolleginnen/Kollegen

niemand

4030

1

12

29

Page 55: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

53

dass knapp die Hälfte aller Studierenden (n = 23) gar keine Unterstützer im Betrieb hat. Trotzdem sind auch in dieser Grup-pe Studierende, die seit ihrem Studium andere Aufgaben (n = 3) oder mehr Ver-antwortung (n = 2) übernehmen, weitere (n = 4) bearbeiten ihre Aufgaben anders als zuvor. Sie machen also ihr Studium weitgehend selbsttätig für ihre Arbeit nutzbar.

Die organisatorische Unterstützung seitens der Betriebe in unserem Samp-le erstreckt sich im Wesentlichen auf die zeitliche Flexibilität. Das ist für die Studierenden eine zentrale Regelung, die allerdings auch nur in 18 Fällen angege-ben wurde. Betriebliche Einrichtungen (wie Kitas) als eine Antwortoption werden von keinem Studierenden als Unterstüt-zungsform seitens des Betriebes angege-ben (Abbildung 6).

Inhaltliche Fragen werden im Betrieb selten bearbeitet und die Vergabe von studienrelevanten Aufgaben an Studie-rende kommt in unserer Stichprobe nur zweimal vor (Abbildung 6). So scheinen also auch Vorgesetzte, die das Studium durch mehr zeitliche Flexibilität fördern, keinen gezielten Theorie-Praxis-Transfer zu schaffen. Das ist auch deshalb bemer-kenswert, weil 22 Befragte angeben, dass sie seit ihrem Studium Aufgaben anders bearbeiten oder andere Aufgaben im Betrieb übernehmen, und in fünf Fällen sogar mehr Verantwortung tragen. Ein Theorie-Praxis-Transfer findet also bei 22 Befragten schon während des Studiums statt, jedoch kommt in diesen Fällen wohl eher bereits erworbenes Wissen zur Anwendung, als dass Lernprozesse gezielt in die Arbeit eingebettet werden. Von den

infrage. Viele Beschäftigte wollen unter Umständen auch nicht ihre Position im Betrieb gefährden. Aufgrund der hohen Doppelbelastung sind aber gerade eine Reduzierung und Flexibilisierung von Arbeitszeiten, Freistellungen und andere gezielte Unterstützung durch die Arbeit-geber für den Studienerfolg ausschlagge-bend. Der Betrieb muss also ›mitspielen‹.

Nicht erstaunlich ist es deshalb, dass nur ein Befragter niemanden in seinem Betrieb über sein Studium informiert hat (vgl. Abbildung 4). Einige Studiengangs-verantwortliche in den Interviews mit Expertinnen und Experten berichten, dass mitunter Beschäftigte, die einen Stellenwechsel anstreben, ihr Studium im Betrieb gar nicht erwähnen. Da sich jedoch die Rahmenbedingungen dann äußerst schwierig gestalten, ist dies wohl selten lange durchzuhalten. Im Regelfall scheinen tatsächlich alle Kolleginnen und Kollegen im Bilde zu sein und bei über der Hälfte der Befragten sind auch die Vorgesetzten und Geschäftsleitungen informiert.

Um ein Bild davon zu bekommen, von wem und in welcher Form die Studieren-den unterstützt werden, wurden Fragen mit verschiedenen Auswahlmöglichkei-ten gestellt. In Abbildung 5 wird deut-lich, dass die Vorgesetzten bei Weitem die wichtigsten Unterstützer im Betrieb sind (n = 29). Auffällig ist auch, dass zwar 37 Befragte angeben, dass es in ihrem Betrieb einen Betriebs- oder Personalrat gibt, jedoch nur drei Befragte sich von ihrem Betriebsrat unterstützt sehen. In zwei von diesen drei Fällen beteiligt sich der Betrieb allerdings finanziell am Studium. Bemerkenswert ist weiterhin,

Abb. 5: ich erhalte unterstützung im betrieb von … n = 53, Mehrfachnennungen möglich

Vorgesetzten Kolleginnen/Kollegen

niemandem Betriebs-/Personalrat keine Antwort

2923

13

31

Page 56: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

54

scheinen diese in der Praxis keine große Wirksamkeit zu entfalten.

Hochschulische Rahmenbedingungen

Wir hatten die Studierenden gebeten, zu schätzen, wie viele Stunden sie pro Woche für das Studium aufwenden. Die Zeitangaben variieren sehr stark zwischen den Studiengängen. In den Studiengängen der Fachbereiche Medizin / Gesundheit und Erziehungswissenschaf-ten wenden die Studierenden 20 bis 25 Stunden pro Woche auf, in den restlichen Studiengängen 15 bis 19 Stunden. Die An-gaben korrespondieren deutlich mit der hohen Teilzeitquote unter den vornehm-lich weiblichen Studierenden aus den pädagogischen und Pflegeberufen in den ersten beiden Studiengängen.

Das Votum der Studierenden zu mehr E-Learning-Anteilen im Studium kor-respondiert allerdings nicht mit dem Umfang ihrer Arbeitsstunden. Insgesamt nur 18 Studierende wünschen sich mehr E-Learning, 23 geben ein negatives Votum ab, neun Studierende sind sich unsicher, drei geben keine Antwort. Das in Politik und Forschung viel diskutierte E-Lear-ning als wichtiger Ansatz, um das Studi-um für Berufstätige attraktiver zu gestal-ten, wird von unseren Befragten also eher verhalten aufgenommen. Die Gruppe, die sich mehr E-Learning wünscht, ist al-

Beschäftigten, die schon während des Studiums andere Aufgaben übernehmen, werden erstaunlicherweise nicht alle von ihrem Arbeitgeber durch die Übernahme direkter Kosten oder Teilfreistellungen unterstützt. Hier profitiert also zunächst nur der Betrieb von den Bildungsinvesti-tionen der Beschäftigten.

Insgesamt 16 Befragte werden von ih-ren Arbeitgebern finanziell unterstützt, acht durch die Übernahme von direkten Kosten, sechs durch die Freistellung für alle Präsenzveranstaltungen und einmal durch eine Teilfreistellung. In elf Fällen kooperiert der Betrieb mit der Hochschu-le und beteiligt sich dann in der Regel auch finanziell. Diese kooperierenden Betriebe gehören fast ausschließlich dem Gesundheits- und Sozialwesen oder Erziehung und Unterricht an, die nutz-nießenden Studierenden sind damit vor allem Frauen.

Wir wollten von den Studierenden außerdem wissen, ob sie von einer tarif-vertraglichen oder betrieblichen Verein-barung zur Weiterbildung profitieren. Jedoch wissen nur zwölf Befragte von einer solchen Regelung in ihrem Betrieb. Und nur ein Beschäftigter im Gesund-heits- und Sozialwesen gibt an, dass ihm die Vereinbarung die Studienentschei-dung erleichtert hat. Hier wird deutlich, dass formale Regelungen und Betriebsver-einbarungen oft fehlen oder intranspa-rent sind. Und wenn es Regelungen gibt,

Abb. 6: unterstützung im betrieb erhalte ich in folgender form …n = 53, Mehrfachnennungen möglich

durch zeitliche Flexibilität

gar nicht

keine Antwort

durch Zuspruch und Vertrauen

bei inhaltlichen Fragen

durch Überlassung von studienrelevanten Arbeiten

Sonstiges

1815

2

1

6

11

12

Page 57: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

55

In den qualitativen Interviews wurde geäußert, dass die Studierenden generell gerne mehr Zeit für alle Lebensbereiche, so auch für das Studium beziehungs-weise ›das Studentenleben‹ hätten. Ebenso wünscht sich die Mehrheit der Befragten (n = 32) mehr Zeit mit ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen für fachlichen aber auch für persönlichen Austausch. Dieser Wunsch wird von Stu-dierenden in allen fünf Studiengängen geäußert. Die Antwort unterstreicht noch einmal die Schlüsselrolle, die die sozialen Kontakte für den Studienerfolg und die Überwindung von individuellen Krisen haben.

Über die Hälfte der Studierenden bestätigt, dass sie ihre berufliche Praxis sehr gut (n = 8) oder eher gut (n = 21) in ihr Studium einbringen können. 16 Befragte bewerten diesen Aspekt mit teils / teils und nur sieben als eher oder sehr schlecht. Die Antworten deuten darauf hin, dass es den Studiengangsverantwort-lichen oft gelingt, das Studium praxisnah zu gestalten. Viele Studierende schei-nen also von ihrer Berufserfahrung zu profitieren und sich damit einen Teil der Inhalte leichter erschließen zu können. Dies korrespondiert auch mit Aussagen von Studiengangsverantwortlichen in den Interviews. Auf die Frage, wie gut es gelingt, Studieninhalte in die berufliche Praxis einzubringen, antwortet die Hälfte der Studierenden mit sehr gut (n = 4) oder eher gut (n = 20). 21 Befragte sehen den Theorie-Praxis-Transfer nur teils / teils eingelöst und sieben bewerten ihn als schlecht. Zu bedenken ist hierbei, dass wohl viele berufsbegleitend Studierende im Betrieb weitgehend auf sich gestellt sind, wenn es darum geht, das erlernte Wissen anzuwenden. Auffällig ist, dass in dem erziehungswissenschaftlichen Mas-terstudiengang der Theorie-Praxis-Trans-fer als besonders gut bewertet wird. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass bei diesem Angebot eine sehr homogene Studierendengruppe mit einem klaren Berufsbild angesprochen wird. Auch das inhaltliche Feld des Studienangebots ist klar umgrenzt.

tersdurchmischt und bringt unterschied-liche Bildungsvoraussetzungen mit. Ein erhöhter Bedarf an Online-Angeboten ist jedoch in zwei Studiengängen auszuma-chen. Zum einen in dem berufsbegleiten-den Bachelorprogramm der Fachrichtung Berufspädagogik. Hier studieren Beschäf-tigte aus technischen Berufsgruppen, die Vollzeitstellen haben. Die Vollzeitarbeit erschwert die Teilnahme an einigen Prä-senzveranstaltungen, die eigentlich Teil des Regelstudienangebots sind und damit nicht abends, sondern tagsüber stattfin-den. Dass diese Veranstaltungen nicht berufsbegleitend konzipiert sind, geben die Studierenden als ihr Hauptproblem mit den Studienbedingungen an. In den freien Antworten wird das von fast allen Befragten dieses Studiengangs geäußert. In dem zweiten Bachelorstudiengang mit einem höheren Bedarf an E-Learning studieren Pflegekräfte. Diese sind zwar einerseits relativ oft in Teilzeit beschäf-tigt und können damit mehr Stunden für ihr Studium aufwenden; andererseits ist in dieser Gruppe Schichtarbeit an der Tagesordnung. Zwar sind die Schichten flexibel genug, um ein Studium berufsbe-gleitend zu bewältigen, dennoch wird die Anstrengung durch die Schichtarbeit in den freien Antworten mehrfach themati-siert. Auch Überstunden sind durch den Personalmangel in dieser Berufsgruppe keine Seltenheit. Eine teilweise Redu-zierung von Präsenzzeiten im Studium könnte also für die Studierenden entlas-tend wirken.

In den anderen berufsbegleitenden Studiengängen wird, trotz der hohen Quote an Vollzeitbeschäftigten, kaum Bedarf geäußert oder E-Learning so-gar explizit abgelehnt. Eine mögliche Erklärung für die tendenzielle Ableh-nung von E-Learning ist nach Aussagen in den qualitativen Interviews, die hohe Motivation, die Studierende durch den direkten Austausch mit Dozentinnen und Dozenten sowie Kommilitoninnen und Kommilitonen erhalten. Die Anstrengung der abendlichen Präsenzveranstaltungen wird also durch die Motivation und das Wohlbefinden in der Studiengruppe auf-gewogen. Nach Aussagen der Studieren-den kann die Motivation, sich am Ende des Arbeitstages an einen PC zu setzen, dagegen als eher gering eingeschätzt werden.

Page 58: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

56

Oft geäußerte Wünsche für eine bessere Vereinbarkeit richten sich auf flexiblere Arbeitszeiten und teilweise Freistellun-gen für das Präsenzstudium seitens des Arbeitgebers. Im Studium selbst sollen vor allem Prüfungsphasen zeitlich ent-zerrt werden, Präsenzlehre soll möglichst im Block stattfinden, Stundenpläne sollen auf lange Sicht transparent, plan-bar und verlässlich sein. Diese Wünsche an die Gestaltung von Studiengängen äußern Befragte fast aller Studiengänge. Nur ein berufsbegleitender Masterstudi-engang der Fachrichtung Wirtschafts-wissenschaften erfüllt offensichtlich die Bedürfnisse der Berufstätigen nach Fle-xibilität einerseits und guter Planbarkeit andererseits schon sehr weitgehend.

Studienfinanzierung

Von den befragten Studierenden greifen 20 neben der Erwerbsarbeit auf weitere Quellen zurück, um ihr Studium zu finanzieren. Das ist schon deshalb not-wendig, weil viele berufsbegleitend Stu-dierende Studiengebühren tragen oder fehlendes Einkommen durch Arbeitszeit-reduzierung ausgleichen müssen. In Ab-bildung 8 wird gezeigt, dass in elf Fällen eigene Rücklagen aufgebraucht, mitunter aber auch Kredite aufgenommen oder privat Schulden gemacht werden. Nur drei Studierende beziehen ein Stipen-dium oder BAföG. Neun Befragte geben lediglich Rücklagen oder Kredit, nicht aber ihre Erwerbsarbeit als Quelle für die Studienfinanzierung an, obwohl in dieser Gruppe alle eine Vollzeitstelle haben. Da

Größte Herausforderungen und Wünsche für eine bessere Vereinbarkeit

Von den drei großen Lebensbereichen empfinden die meisten Befragten das Studium als größte Herausforderung, was wohl auch damit zusammenhängt, dass es als neue Aufgabe den Lebensalltag entscheidend verändert. Die qualitativen Interviews mit Studierenden bestäti-gen, dass auf den Lebensbereich Beruf meist eine höhere Priorität gesetzt wird, weil dieser als existenzsichernd und unentbehrlich ausgemacht wird. Einige Befragte geben an, dass die mehrfachen Belastungen insgesamt und die Koor-dination der drei Lebensbereiche als größte Anstrengung wahrgenommen werden. Das Studium wird vor allem dann als Belastung empfunden, wenn sich Präsenzveranstaltungen regelmäßig mit Arbeitszeiten überschneiden, wenn Standorte von Vorlesungen wechseln und für einzelne Veranstaltungen Anfahrts-zeiten anfallen. Auch die Präsenzlehre in den Abendstunden, Selbstlernzeiten und Prüfungsphasen werden von einigen als besonders belastend gekennzeichnet.

Bei den Belastungen im Beruf stehen unflexible Arbeitszeiten, Schichtarbeit und hohe Anforderungen im Vorder-grund. Bei Belastungen im Privatleben steht der Zeitmangel im Vordergrund, der dazu führt, dass Hobbys und soziale Kontakte vernachlässigt werden müssen. In einigen Fällen führt dieser Zeitmangel vermutlich auch zu Konflikten in der Partnerschaft oder der Familie.

Beruf Privatleben keine Antwort

Abb. 7: in welchem dieser bereiche empfinden Sie die größte belastung? (n = 53)

Studium

23 11 10 9

Beruf Privatleben keine Antwort

Page 59: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

57

alle in dieser Gruppe Studierende wei-terbildender Masterstudiengänge sind, haben sie wohl allein die anfallenden Studiengebühren und nicht die Lebens-haltungskosten in ihrer Antwort berück-sichtigt. Für weiterbildende Masterstudi-engänge fallen durchschnittlich 15.000 Euro Studiengebühren an.Die Ergebnisse unterstreichen die exis-tenzielle Bedeutung von Erwerbsarbeit gerade für ältere Studierende, die in der Regel nicht auf Stipendien oder andere Formen der öffentlichen Förderung zu-rückgreifen können.

Zusammenfassung

Mehrere Beobachtungen können aus der Befragung abgeleitet werden, die Hin-weise auf weiteren Forschungsbedarf und Handlungsfelder geben.

geschlecht und LebensphasenUnter den befragten Studierenden sind keine Frauen ohne Hochschulreife. Der Großteil der befragten Frauen sind Abi-turientinnen aus Pflege- und Erziehungs-berufen. In künftigen Untersuchungen müsste in den Blick genommen werden, ob eine geschlechtsspezifische Selektion bei Studierenden des dritten Bildungs-weges besteht. Womöglich besteht ein Zusammenhang mit mangelnden ökono-

mischen Ressourcen oder der Belastung durch familiäre Sorgearbeit gerade bei Frauen ohne Hochschulreife. Immerhin sind Einflüsse von geschlechtsspezifischer Sorgearbeit auch in unserer Stichprobe sichtbar. Es sind zwar Männer, aber keine Frauen mit Kindern im Vorschulalter unter den Befragten. Insgesamt scheint es häufiger vorzukommen, dass Beschäftigte eher vor oder am Ende ihrer Familienpha-se ein Studium aufnehmen. Studierende mit Kindern arbeiten genauso häufig in Vollzeit, wie berufsbegleitend Studie-rende ohne Kinder. Sehr wahrscheinlich können sie aufgrund der höheren finan-ziellen Belastungen ihre Arbeitszeit nicht reduzieren. Die Studienentscheidung hängt sicher in hohem Maße davon ab, in welcher Lebensphase sich Männer und Frauen befinden. Daraus ergeben sich unterschiedliche Bedürfnisse hinsichtlich der Vereinbarkeit.

Auffällig ist eine jüngere Studieren-dengruppe mit Hochschulreife, die offen-sichtlich kurz nach der Berufsausbildung oder dem Bachelorabschluss ein (wei-terführendes) Studium nachholt, ohne ihre Berufstätigkeit aufzugeben. Diese Gruppe arbeitet oft in Teilzeit und kann also – anders als die ältere Studierenden-gruppe – ihre Erwerbstätigkeit zugunsten eines Studiums stärker einschränken. Wahrscheinlich hängt das mit geringen

Abb. 8: Wie finanzieren Sie ihr Studium?n = 53, Mehrfachnennungen möglich

Einkommen aus Erwerbsarbeit

Rücklagen

finanzielle Unterstützung der Familie

Sonstiges

Kredit

Finanzierung durch Arbeitgeber

keine Antwort

Stipendium

BAföG

finanzielle Unterstützung des Partners/der Partnerin

4011

1

1

2

23

445

Page 60: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

58

rahmenbedingungen und unterstützung im betrieb

Die Bewertung der Vereinbarkeit von Studium und Beruf hängt sehr stark an der Flexibilität von Arbeitszeitmodellen. Starre Anwesenheitspflichten und unfle-xible Wechselschichten erschweren die Teilnahme an Präsenzveranstaltungen erheblich. Hier bieten wohl die Branchen Handel oder verarbeitendes Gewerbe im Schichtbetrieb vergleichsweise ungünsti-ge Voraussetzungen.

Relativ wenig Studierende arbeiten zu-dem auf Teilzeitstellen. Möglicherweise wäre eine Reduzierung der Arbeitszeiten für viele finanziell zu belastend oder be-ruflich nicht umsetzbar. Für die meis-ten Befragten ergibt sich mit Lern- und Arbeitszeiten eine 60-Stunden-Woche, die kaum mehr Erholungsphasen zulässt.

Vorgesetzte scheinen die wesentlichen Rahmenbedingungen für eine bessere Vereinbarkeit zu schaffen, in der Regel in Form von flexibleren Arbeitszeiten. In-haltliche Unterstützung und ein gezielter Theorie-Praxis-Transfer sind dagegen eher selten. Hier sind vor allem die Beschäf-tigten selbst tätig, in dem sie ihr erwor-benes Wissen bei der Bearbeitung ihrer Aufgaben anwenden.

Obwohl also Betriebe nicht selten schon während eines Studiums von erworbenem Wissen profitieren, ist das finanzielle Engagement in Form der Übernahme von direkten Kosten oder bezahlten Freistellungen wenig ausge-prägt. Auch tarifliche oder betriebliche Weiterbildungsvereinbarungen sind eher die Ausnahme, und wenn sie vorhanden sind, scheinen sie auf Studienentschei-dungen und eine bessere Vereinbarkeit wenig Wirkung zu zeigen. Hier besteht auf betrieblicher Seite noch bedeutender Handlungsspielraum.

finanziellen Verpflichtungen in dieser kinderlosen Gruppe zusammen. Weitere Studien müssten zeigen, ob die ver-gleichsweise günstigen Voraussetzungen dieser Gruppe in einem höheren Studie-nerfolg und einer kürzeren Studiendauer münden.

Privates umfeldStudierende werden sehr häufig von Part-nerinnen und Partnern durch Zuspruch und Entlastung bei der Hausarbeit unterstützt. Hier scheinen Studierende in festen Partnerschaften eher Vorteile gegenüber allein lebenden zu haben. Es entsteht der Eindruck, dass die empfun-denen Belastungen in der Studienzeit wesentlich auch von der grundsätzlichen Akzeptanz im nahen Umfeld der Studie-renden abhängen. In einem Studiengang werden Partnerinnen und Partner zum Beispiel in Informationsveranstaltungen und Studienreisen einbezogen. Dies sollte in der Konzeption zukünftiger berufsbe-gleitender Studienangebote berücksich-tigt werden.

Als wichtige Unterstützer werden außerdem Kommilitonen und Kommili-toninnen benannt. Das korrespondiert damit, dass sich viele Studierende mehr fachlichen und persönlichen Austausch mit anderen Studierenden wünschen. Auch in Experteninterviews mit Studien-gangsverantwortlichen ist dies themati-siert worden. In einigen Studiengängen ist daher der Aufbau eines Netzwerks unter den Studierenden in das didakti-sche Konzept eingebettet. Möglichkeiten des Austausches unter ›Gleichgesinnten‹ sollten daher in allen berufsbegleitenden Studiengängen eine Rolle spielen.

Page 61: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

59

Da die meisten berufsbegleitend Studie-renden der existenziellen Erwerbstätig-keit Priorität vor dem Studium einräu-men, werden Belastungen im Studium vermutlich stärker empfunden. Daher richten sich Änderungswünsche der Studierenden auch noch häufiger an die Hochschulen als an die Betriebe. Wichtig sind organisatorische Rahmenbedingun-gen bei der Gestaltung von Prüfungspha-sen und von Präsenzveranstaltungen, diese sollten beispielsweise im Block liegen und lange Zeit im Voraus verläss-lich planbar sein.

rahmenbedingungen in den hochschulen

Weniger als die Hälfte der Befragten wünscht sich höhere Anteile von E-Lear-ning als Bestandteil des Studiums und etwa die Hälfte der Studierenden lehnt dies ausdrücklich ab. Gründe für einen höheren Bedarf an E-Learning liegen nach den Ergebnissen unserer Befra-gung wohl vor allem in der zeitlichen Organisation eines Studiums begründet. Wenn das Studienformat vollständig berufsbegleitend konzipiert ist, wird die Präsenzlehre auch von Vollzeitbeschäf-tigten dem E-Learning vorgezogen. Der Austausch mit Studienkolleginnen und Studienkollegen scheint hier ausschlag-gebend zu sein, weil er die Motivation stark erhöht. Grundsätzlich wünschen sich die Studierenden aller Studiengänge sogar noch mehr Zeit für fachlichen und ebenso für persönlichen Austausch mit anderen Studierenden. Dies sollte in der didaktischen Konzeption von berufsbe-gleitenden Studiengängen berücksichtigt werden.

Viele Studierende können nach eige-nen Angaben berufliche Inhalte in das Studium einbringen. Etwa die Hälfte der Studierenden berichtet auch von einem gelungenen Theorie-Praxis-Transfer. Das korrespondiert damit, dass viele Studie-rende angeben, ihre Aufgaben bereits in der Studienzeit anders zu bearbeiten als zuvor. Diese Bemühungen können seitens der Hochschulen noch stärker unterstützt werden, zum Beispiel indem Möglichkeiten für die Studierenden bestehen, sich darüber auszutauschen, in welcher Form sie Studieninhalte für die Arbeit nutzbar machen.

1 Im Land Bremen wurden 2013

406 Studierende ohne Abitur gezählt.

Vgl. Studieren ohne Abitur (o. J.):

Daten-Monitoring

[Zugriff am 15.01.2016].

2 Vgl. Autorengruppe Bildungs-

berichterstattung (2014), S. 126.

3 Vgl. BIBB (2014), S. 228.

4 Ein Studierender hat keine

Altersangabe gemacht.

Page 62: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

60bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

8. Welche /n beruflichen Abschluss / Abschlüsse haben Sie? Mehrere Antworten möglich

Lehre / Berufsfachschule

Meister / Techniker / Fachschule

Fachhochschule / Hochschule

anderer Abschluss,

und zwar:

9. bitte machen Sie eine Angabe zu ihrer derzeitigen Wohnsituation: Bitte wählen Sie eine der folgenden Antworten

Ich lebe alleine

Ich lebe mit meiner /

meinem Partner / in

zusammen

Ich lebe mit meiner /

meinem Partner / in

und meinen Kindern

zusammen

Ich lebe in einer

Wohngemeinschaft

Ich lebe bei meinen Eltern

keines davon, sondern:

10. haben Sie kinder? ja

nein (weiter mit Frage 13)

11. Wie alt sind ihre kinder?

12. Sind Sie alleinerziehend?ja

nein

13. Wie viele kinder leben in ihrem haushalt?

14. unterstützung bei der realisierung meines Studiums erhalte ich in meinem privaten umfeld von: Mehrere Antworten möglich

mein / e Partner / in

Freundin / nen / Freund / en

meinen Eltern /

einem Elternteil

meinem Kind /

meinen Kindern

einem / r oder mehreren

Studienkolleg / inn / en

niemandem

anderen, und zwar:

15. ich erhalte in meinem privaten umfeld unterstützung in folgender form: Mehrere Antworten möglich

finanziell

durch fachlichen Austausch

durch organisatorische

Zuarbeit bei

Studienangelegenheiten

durch zeitliche Entlastung

bei der Hausarbeit

durch zeitliche Entlastung

bei der Kinderbetreuung

durch zeitliche Entlastung

bei der Betreuung einer/

eines Angehörigen

durch Zuspruch und

Vertrauen

gar nicht

Sonstiges, und zwar:

fragebogen für die Studie:›berufsbegleitendes Studieren im Land bremen‹

Zunächst bitten wir Sie um allgemeine Angaben zu ihrer Person.

1. ich bin …weiblich

männlich

2. ich bin geboren im Jahr … Nennen Sie bitte Ihr Geburtsjahr im Format jjjj

3. ich besitze die Staatsangehörigkeit von … Mehrere Antworten möglich

Deutschland

EU-Mitgliedsstaat

Nicht-EU-Staat

4. Sind Sie in deutschland geboren?

ja (weiter mit Frage 6)

nein

5. Wann sind Sie in die bundesrepublik deutschland gezogen? Nennen Sie bitte das Jahr im Format jjjj

6. Sind ihre eltern oder ein elternteil nach deutschland zugewandert?

ja

nein

7. Welcher ist ihr höchster Schulabschluss? Bitte wählen Sie eine der folgendenAntworten

Hauptschulabschluss

bzw. Berufsbildungsreife

Realschulabschluss

bzw. mittlerer Schulabschluss

Fachhochschulreife

Abitur

anderer Schulabschluss,

und zwar:

Page 63: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

61Studie

19. meine berufliche tätigkeit liegt in folgendem bereich Bitte wählen Sie eine der folgenden Antworten

technischer Bereich

kaufmännischer Bereich

personenbezogene

Dienstleistungen

anderer Bereich, und zwar:

20. ich bin formal … Bitte wählen Sie eine der folgenden Antworten

angestellt

verbeamtet

selbstständig (weiter mit Frage 24)

21. gibt es in ihrem betrieb einen betriebsrat beziehungsweise einen Personalrat?

ja

nein

22. gilt in ihrem betrieb eine Vereinbarung zur Weiterbildung?Bitte wählen Sie eine der folgenden Antworten

nein (weiter mit Frage 24)

ja, und zwar

(z. B. Betriebsvereinbarung, tarifvertragliche Vereinbarung …)

23. hat die Vereinbarung zur Weiterbildung ihre entscheidung für ein Studium erleichtert?

ja

nein

24. Wie viele Stunden umfasst ihre vertragliche Wochenarbeitszeit?

25. Wie viele Stunden umfasst ihre tatsächlich geleistete Wochen- arbeitszeit?

26. in welchem Arbeits- zeitsystem arbeiten Sie überwiegend? Mehrere Antworten möglich

regulärer Tagdienst

Schicht-Betrieb

Bereitschaftsdienst

Sonstiges, und zwar:

27. haben Sie flexible Arbeitszeiten?

ja

nein

28. ich kann meine Arbeits- zeiten flexibel an die Studienzeiten anpassen.

sehr schlecht eher schlecht

teils / teils eher gut

sehr gut

mit Hilfe von

(z. B. Gleitzeit, angespartem Arbeits-zeitkonto ...)

29. tragen Sie führungsverantwortung? Falls ja, geben Sie bitte an, für wie vieleBeschäftigte Sie Verantwortung tragen

ja, und zwar für

Beschäftigte

nein

30. können ihre Aufgaben vertretungsweise von einem kollegen/einer kollegin oder mehreren kolleg/innen übernommen werden?

ja

nein

31. folgende Personen im betrieb sind über mein Studium informiert:Mehrere Antworten möglich

alle Kolleginnen und Kollegen

einige vertraute Kolleginnen

und Kollegen

mein/e direkte/r Vorgesetzte/r

die Geschäftsleitung

niemand

Sonstige, und zwar

im folgenden Abschnitt bitten wir Sie um Angaben zu ihrer erwerbsarbeit und ihrem betrieblichen umfeld.

16. gehört ihr betrieb einem größeren unterneh-men mit mehreren betrieb-lichen Standorten an?

ja

nein

17. Wie viele beschäftigte arbeiten an ihrem betrieblichen Standort?

1 – 9

10 – 49

50 – 249

250 – 499

500 – 1.000

über 1.000

18. in welcher branche sind Sie tätig?Bitte wählen Sie eine der folgenden Antworten

verarbeitendes Gewerbe

(Industrie und verarbeitendes

Handwerk)

Baugewerbe

Handel/Reparatur

Logistik

wirtschaftsbezogene

Dienstleistungen

Gesundheits- und

Sozialwesen

Erziehung und Unterricht

Gastgewerbe

sonstige personenbezogene

Dienstleistungen

öffentliche Verwaltung/

Organisationen ohne

Erwerbszweck

andere, und zwar:

Page 64: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

62bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

32. mein betrieb kooperiert mit meiner hochschule.

ja

nein

33. unterstützung bei der realisierung meines Studiums erhalte ich in meinem betrieb von:Mehrere Antworten möglich

von Kolleg / innen

von Vorgesetzten

vom Betriebsrat/

Personalrat

niemandem

von anderen, und zwar:

34. im betrieb werde ich bei meinem Studium in folgender form unterstützt:Mehrere Antworten möglich

bei inhaltlichen Fragen

durch zeitliche Flexibilität

durch betriebliche

Einrichtungen

(z. B. Kita, Weiterbildungs-

zentrum …)wenn ja, welche?

durch Überlassung von

studienrelevanten Aufgaben

durch Zuspruch und

Vertrauen

gar nicht

Sonstiges, und zwar:

35. mein betrieb unterstützt mein Studium finanziell.

ja

nein (weiter mit Frage 37)

40. in welcher fächergruppe ist ihr Studiengang angesiedelt? Bitte wählen Sie eine der folgenden Antworten

Ingenieurwissenschaften

Rechts-, Wirtschafts-

und Sozialwissenschaften

Erziehungswissenschaften /

Berufspädagogik

Humanmedizin /

Gesundheitswissenschaften

Mathematik, Informatik,

Naturwissenschaften

Sprach- und

Kulturwissenschaft

Kunst, Kunstwissenschaft

Sport

Agrar-, Forst- und

Ernährungswissenschaften

41. Welchen Studienabschluss streben Sie aktuell an? Bitte wählen Sie eine der folgenden Antworten

Bachelor

Master

Zertifikatsabschluss

42. An welcher hochschule studieren Sie? Bitte wählen Sie eine der folgendenAntworten

Universität Bremen

Hochschule Bremen

Hochschule Bremerhaven

43. Welches zeitliche format hat ihr Studium? Bitte wählen Sie eine der folgenden Antworten

regulärer Vollzeitstudiengang

Studium in Teilzeit

berufsbegleitender

Studiengang

44. Wie viele Stunden wenden Sie durchschnittlich pro Woche für ihr Studium auf? inkl. Lernzeiten und Zeit für die Teilnahme an Lehrveranstaltungen

36. mein betrieb unterstützt mein Studium finanziell durch … Mehrere Antworten möglich

bezahlte Freistellung für

alle Studienveranstaltungen

bezahlte Freistellung

für einige Veranstaltungen

Übernahme von direkten

Kosten (z. B. Studiengebühren)

Sonstiges, und zwar:

37. hat sich ihre Arbeit im betrieb seit dem Studium verändert?

ja

nein (weiter mit Frage 39)

38. Wie hat sich ihre Arbeit seit dem Studium verändert?Mehrere Antworten möglich

ich übernehme jetzt

andere Aufgaben

ich übernehme

mehr Verantwortung

ich bearbeite

meine Aufgaben anders

Sonstiges, und zwar:

bitte machen Sie zum

Schluss noch einige Angaben zu ihrer Studiensituation.

39. in welchem fachsemester befinden Sie sich?bitte tragen Sie eine Zahl ein

Page 65: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

63Studie

49. ich kann das gelernte aus dem Studium in meiner beruflichen Praxis anwenden:

sehr schlecht

eher schlecht

teils / teils

eher gut

sehr gut � � �

50. Wie finanzieren Sie ihr Studium? (gemeint sind Lebensunterhalt und direkteKosten) mehrere Antworten möglich

Rücklagen

Einkommen aus

Erwerbsarbeit

finanzielle Unterstützung

des Partners / der Partnerin

finanzielle Unterstützung

der Familie

Kredit

BAföG

Stipendium

Sonstiges, und zwar:

45. Würden Sie gerne mehr Studienarbeiten über online-Learning erledigen? Bitte wählen Sie eine der folgenden Antworten

ja

nein

weiß nicht

46. Würden Sie gerne mehr Zeit mit Studienkolleg / inn / en verbringen?

ja

nein (weiter mit Frage 48)

47. Wenn Sie mehr Zeit mit ihren Studienkolleg / inn / en hätten, wofür würden Sie diese Zeit nutzen? mehrere Antworten möglich

für fachlichen Austausch

für persönlichen Austausch

Sonstiges, und zwar:

48. ich kann meine berufli-che Praxis in das Studium einbringen:

sehr schlecht

eher schlecht

teils / teils

eher gut

sehr gut

51. in welchem der folgenden bereiche empfinden Sie persönlich die größte belastung? Bitte wählen Sie eine der folgenden Antworten

Studium

Beruf

Privatleben

Und zwar aus folgendem

Grund: bitte verwenden Sie bei Bedarf auch die Rückseite

52. Welche Wünsche haben Sie persönlich für eine bessere Vereinbarkeit zwischen Studium, beruf und familie?

bitte verwenden Sie bei Bedarf auch die Rückseite

herzlichen dank für ihre teilnahme!

Page 66: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

64

⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇

Die Perspektive von

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

Betrieben

5

Page 67: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

65

die Logistikbranche bei vielen Fachkräf-ten keinen guten Ruf genieße, sei das Unternehmen bemüht, die Arbeitsplätze attraktiv zu gestalten. Die vom Unterneh-men angebotenen Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten sollen unter anderem auch Nachteile in der Vergü-tung und bei den Arbeitszeiten kom-pensieren. Das Unternehmen ermittelt individuelle Qualifizierungsbedarfe in regelmäßigen Mitarbeitergesprächen und mittels (Selbst-)Beurteilungen der Beschäftigten. Es gibt ein differenziertes betriebsinternes Weiterbildungsangebot und für einige Kurse werden externe Bildungsanbieter beauftragt.

Im Lagerbereich, arbeiten zumeist Beschäftigte ohne (Fach-)Hochschulreife, zumindest Logistikmeister haben jedoch einen Abschluss, der dem Abitur als Hochschulzugang gleichgestellt ist. Im kaufmännischen Bereich gibt es mehr Abiturientinnen und Abiturienten. Das Unternehmen entsendet regelmäßig kaufmännische Auszubildende in ein duales Studienprogramm an einer koope-rierenden Hochschule. Ein Studium von Beschäftigten im Lagerbereich ist der Per-sonalentwicklung bisher nicht bekannt. Im Gespräch sind die Gründe dafür nicht erörtert worden, doch wahrscheinlich sind mehrere Faktoren ursächlich für die ›Studierabstinenz‹ im Lager. Festzustellen ist in jedem Fall, dass die Schichtarbeit und schlecht planbare Dienstpläne im Lager ungünstige organisatorische Rahmenbedingungen für ein berufsbe-gleitendes Studium darstellen. Außerdem ist die Vergütung kaum hoch genug, um neben den üblichen Lebenshaltungskos-ten beispielsweise noch Studiengebühren zu tragen. Berufsbegleitend Studierende in dem befragten Unternehmen rekrutie-ren sich also aus dem kaufmännischen Bereich.

Um schlaglichtartige Einblicke in die Per-spektive von Arbeitgebern zu bekommen, wurden vier Interviews mit Personalver-antwortlichen aus den Branchen Pflege, Logistik und verarbeitendes Gewerbe (Metall) geführt. Für die Gespräche wurden Unternehmen ausgewählt, die aus verschiedenen Gründen eine langfris-tig ausgerichtete Personalentwicklung mit Aus- und Weiterbildung betreiben. Alle befragten Betriebe gehören Unter-nehmen mit verschiedenen Standorten und jeweils über 5.000 Beschäftigten im gesamten Unternehmen an, sodass entsprechende Ressourcen für eine un-ternehmensweite Personalentwicklung aufgewendet werden können. In allen befragten Unternehmen ist außerdem Schichtarbeit neben anderen Arbeits-zeitmodellen für einen (Groß-)Teil der Beschäftigten die Regel. Im Mittelpunkt der protokollierten Interviews standen Fragen nach dem Bedarf der Unterneh-men an hochqualifizierten Fachkräften und nach den verschiedenen Formen von Unterstützung, die berufsbegleitend Stu-dierende von ihrem Arbeitgeber erhalten können.

Logistikdienstleister

Der befragte Logistikdienstleister gehört in der Branche zu den eher größeren Unternehmen mit internationalen Standorten, hat sich jedoch sein Selbst-verständnis als Mittelständler bewahrt. Aufgrund der Kundenstruktur mit teilweise besonderen Gütern sind hohe Qualitätsstandards einzuhalten, die gut qualifiziertes Personal erfordern. Da

SuSAnne hermeLing

Qualitative experteninterviews

Studie

Page 68: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

66

Führungskräfte im Unternehmen bekommen außerdem den Auftrag, berufsbegleitend Studierende durch einen gezielten Theorie-Praxis-Transfer zu unterstützen, indem sie zum Beispiel ge-eignete Aufgaben übertragen, die sich an Studieninhalten orientieren. Nicht selten wird den Studierenden damit schon wäh-rend des Studiums mehr Verantwortung anvertraut. Dies kann, wie die Interviews mit Studierenden im Rahmen unserer Studie bestätigen, einen besonderen An-reiz für die Studierenden bieten und dem Studium unmittelbaren Sinn verteilen. Die Ergebnisse unserer quantitativen Be-fragung deuten darauf hin, dass es durch die Übernahme größerer Verantwortung während des Studiums mitunter auch zu Überlastungen kommen kann (vergleiche Kapitel 4).

Aus Sicht der Beschäftigten kann es problematisch sein, dass sie von ihren Abteilungsleitungen für eine Förderung empfohlen werden müssen, da die Kosten für Weiterbildung von den Abteilungen getragen werden. Damit sinkt potenziell die Bereitschaft von Führungskräften, solche Weiterbildungen zu fördern, die Beschäftigte für andere Abteilungen im Unternehmen qualifiziert und damit letztlich zu Abwanderungen führen. Damit eine abteilungsübergreifende Per-sonalentwicklung dennoch in der Praxis umgesetzt werden kann, vermittelt man den Abteilungsleitungen in Gesprächen, dass auch sie die Chance haben hoch- qualifizierte Kräfte aus anderen Abtei-lungen für ihren Bereich zu gewinnen. Einmal pro Jahr gibt es einen Tag, an dem Abteilungsleitungen hochqualifi-zierte Nachwuchskräfte aus dem gesam-ten Unternehmen kennenlernen können. Solche Veranstaltungen fördern den Blick über die Grenzen des eigenen Bereichs hinaus. Davon profitiert nach Erfahrung der Interviewten die unternehmensweite Personalentwicklung.

Eine Förderung durch das Unternehmen ist an festgelegte Prozesse gebunden. Beschäftigte wählen in der Regel berufs-bezogene Studiengänge an verschiedenen Hochschulen und bewerben sich um eine Unterstützung. Im ersten Schritt durch-laufen die Studieninteressierten ein Assessment, das dazu dient, einzuschät-zen, ob die fachlichen und persönlichen Fähigkeiten sowie Rahmenbedingungen für einen Studienerfolg vorliegen. Das Unternehmen beteiligt sich bei einem positiven Ergebnis je nach individueller Vereinbarung mit (Teil-)Freistellungen für das Präsenzstudium, mit flexibleren Arbeitszeitregelungen und mit einer teilweisen Übernahme von Studiengebüh-ren. Einige Studiengänge werden kom-plett finanziert. Im Gegenzug verpflich-ten sich geförderte Beschäftigte, eine bestimmte Zeit nach dem Abschluss im Unternehmen zu bleiben. Ansonsten grei-fen Rückzahlungsklauseln. Im Gespräch mit dem Personalmanagement am jeweiligen betrieblichen Standort klären die Studierenden, wie die Vereinbarkeit von Studium und Beruf verbessert wer-den kann, zum Beispiel auch durch die Nutzung von Bildungsurlaub oder durch zeitliche Entlastung in Prüfungsphasen. Im letzten Fall werden oft Vertretungen, etwa durch Auszubildende, organisiert.

Deutlich wird, dass die Förderung von berufsbegleitend Studierenden individuell unterschiedlich ausfällt und auf Vereinbarungen mit den einzelnen Beschäftigten beruht. Auf zentraler Ebene und mithilfe einer Prognose über den erwartbaren Studienerfolg wird über eine finanzielle Beteiligung des Unter-nehmens entschieden. Arbeitsorganisato-rische Fragen werden dagegen mit dem Personalmanagement am betrieblichen Standort geklärt. Die Kommunikation mit Personalverantwortlichen und di-rekten Vorgesetzten gestaltet sich jedoch vermutlich unkompliziert, wenn die oder der Studierende auch offiziell vom Unter-nehmen unterstützt wird.

Page 69: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

67

Verarbeitendes Gewerbe (Metall)

Das Unternehmen der Metallbranche hat mehrere, auch internationale Standorte. Aufgrund des stabilen gewerkschaftli-chen Organisationsgrads ist der Betriebs-rat in die Ausgestaltung von betrieblicher Weiterbildung und Personalentwick-lung stark eingebunden. Individuelle Qualifikationsbedarfe werden in Mitar-beitergesprächen ermittelt. Aufgrund kontinuierlich steigender Arbeitspro-duktivität bei gleichbleibender oder zeitweise sinkender Auftragslage werden kaum Neueinstellungen vorgenommen. Stattdessen werden Beschäftigte der Stammbelegschaft durch langfristige und systematische Personalentwicklung weiterqualifiziert. Viele Beschäftigte wol-len im Unternehmen bleiben, sich aber weiterentwickeln. Das kann als Potenzial genutzt werden. Allerdings kommen auch wenig neue Erfahrungen und Perspektiven durch neue Beschäftigte in den Betrieb. Ein (Vollzeit-)Studium oder eine Aufstiegsfortbildung wird daher auch deshalb positiv gesehen, weil es den Beschäftigten ermöglicht, außerhalb des Betriebes Erfahrungen zu sammeln.

Höhere Anforderungen an die Quali-fikation gibt es häufig bei den einfachen Tätigkeiten. Die leistungsstärksten unter den dort arbeitenden Facharbeitern stre-ben jedoch häufig in andere Tätigkeits-felder, sodass für die einfachen Tätigkei-ten unter Umständen nicht genügend Beschäftigte mit Entwicklungspotenzial verbleiben. Insgesamt ist ein Trend zur Höherqualifizierung zu beobachten. Es werden inzwischen mehr Techniker- als Meisterfortbildungen absolviert und im-mer mehr Beschäftigte streben ein Hoch-schulstudium an. Wenn Stellen redu-ziert werden, dann sind es oft nicht die strategisch wichtigen Stellen mit hohen Qualifikationsanforderungen, stattdessen sind viele einfache Tätigkeiten ausgela-gert worden, zum Beispiel im kaufmänni-schen Bereich. Die Umstrukturierung der Arbeit durch Automatisierung und Digi-talisierung mündet in deutlich höheren Anforderungen. So reagiert man inzwi-schen auf Störungen in der maschinellen Produktion eher mit Ursachenforschung als mit ›Manpower‹. Je höher entwickelt die Technik ist, desto anfälliger werden die Systeme, die qualifiziert und professi-onell überwacht werden müssen.

Der Betrieb engagiert sich nicht in dua-len Studienprogrammen, da diese weder die hohen praktischen Anteile einer Ausbildung noch die anspruchsvollen theoretischen Anteile eines Studiums bieten können. Eine duale Ausbildung mit einer anschließenden fachlichen Vertiefung durch eine Fortbildung oder ein Studium wird vom Betrieb eindeu-tig bevorzugt. Es bestehen Kontakte zu staatlichen Hochschulen außerhalb Bremens, die für das Unternehmen relevante Studiengänge anbieten. Seit einigen Jahren werden ausgewählte junge Absolventinnen und Absolventen techni-scher Ausbildungsberufe (Mechatronik, Industriemechanik, Elektronik) gefördert, die einen Hochschulabschluss anstreben. Durch eine betriebliche Vereinbarung ist geregelt, dass sich Auszubildende gegen Ende ihrer Ausbildungszeit für eine Förderung bewerben können. Ausbilder sprechen Empfehlungen aus. Das Interes-se ist relativ hoch, weil bis zu 50 Prozent der Auszubildenden die schulische Hochschulzugangsberechtigung mitbrin-gen. Gefördert wird der Lebensunterhalt während eines Vollzeitstudiums. Alle Geförderten haben ein Rückkehrrecht und verpflichten sich vertraglich, einige Jahre nach Abschluss des Studiums im Unternehmen zu bleiben. In den Semes-terferien arbeiten viele der Geförderten vergütet im Betrieb und führen dort für das Studium relevante Projektarbeiten durch. Direkt nach Studienabschluss bekommen die Absolventinnen und Absolventen fachadäquate Stellen, da die Förderung sehr zielgerichtet und nur mit der Perspektive auf eine zukünftig zu besetzende Stelle erfolgt. Die Bewerberin-nen und Bewerber wissen in der Regel, wohin sie gehen wollen. Über die Vergabe einer bestimmten Stelle wird jedoch erst gegen Ende des Studiums entschieden.

Page 70: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

68

die Notwendigkeit, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Einige Beschäftigte absolvie-ren das Studium, ohne ihre Vorgesetzten zu informieren. Das hängt nicht selten von der Haltung der unterschiedlichen Vorgesetzten ab, das heißt davon, ob eine Abteilungsleitung nur die Bedarfe an Hochschulabsolventen im eigenen Bereich im Blick hat oder die Bedarfe im gesamten Unternehmen im Blick hat. Früher haben einige Auszubildende wäh-rend der Berufsausbildung ein Studium begonnen. Diese Form hat sich nicht bewährt und stellte selbst für Jahrgangs-besten eine Überforderung dar.

Gesundheits- und Pflegebranche

Durch das rasche Wachstum des Ge-sundheits- und Pflegesektors muss die Personalentwicklung mit einem regel-rechten Fachkräftemangel umgehen. Darüber hinaus besteht ein Trend zur Akademisierung. Aus diesem Grund findet momentan eine Neuordnung der Berufsbilder statt. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, wie die Aufgaben unter Ärztinnen und Ärzten und dem Pflege-personal anders verteilt werden können. Insgesamt wird eine höhere Durchlässig-keit mit entsprechenden Aufstiegschan-cen zwischen verschiedenen Stufen der beruflichen Aus- und Weiterbildung bis hin zu wissenschaftlicher Qualifizierung angestrebt. Kooperationen im Bereich der Aus- und Weiterbildung sollen systema-tisiert werden. Bildungseinrichtungen mit Angeboten für alle Berufsgruppen im Unternehmen sind in Planung. Durch Umstrukturierungen und Krankenhaus-reorganisation gibt es neben Pflegewei-terbildungen einen großen Bedarf für gesamtorganisatorische Führungsaufga-ben. Es werden Beschäftigte benötigt, ›die wissen, wie ein Krankenhaus funktio-niert‹.

Die Personalentwicklung beobachtet die Entwicklung einzelner Beschäftig-ter, auch durch regelmäßige Gespräche mit Stationspflegeleitungen. Fachliche Weiterbildungen werden empfohlen und wenn die oder der Beschäftigte als geeignet wahrgenommen wird, werden die Kosten für eine Weiterbildung voll-ständig übernommen. Die Beschäftigten verpflichten sich im Fall einer Förderung, für eine bestimmte Zeit im Unternehmen zu bleiben. Auch für ein Studium wird

Deutlich wird in dem Gespräch, dass für technische Berufsgruppen in der Stamm-belegschaft ein hoher Bedarf an wis-senschaftlicher Qualifizierung besteht. Der Betrieb hat dazu ein regelrechtes Programm zur finanziellen und arbeits-organisatorischen Unterstützung und für einen gezielten Theorie-Praxis-Transfer aufgelegt. Die Form eines berufsbeglei-tenden Studiums wird jedoch bisher nicht genutzt. Das liegt zum einen an fehlenden passenden Studienangeboten. Berufsbegleitende Ingenieurstudiengänge sind dem Unternehmen nicht bekannt. Mit einer privaten Hochschule wurden lediglich einmal Gespräche geführt über die Möglichkeit, dort berufsbegleitende Ingenieurstudiengänge durchzuführen. Zum anderen ist durch die Schichtarbeit ein berufsbegleitendes Studium wohl oh-nehin erschwert. Auch die Teilnahme an Regelstudiengängen in Teilzeit, wie es an der Hochschule Bremen angeboten wird, wurde aus diesem Grund bisher nicht genutzt. Womöglich hat sich jedoch für das Unternehmen die Variante des durch den Betrieb geförderten Vollzeit-studiums bewährt, auch weil ein ganzes Studium neben der Berufstätigkeit als zu belastend angesehen wird. Denn Aufstiegsfortbildungen zum Techniker oder Meister werden sehr wohl schon seit Jahren durch den Betrieb unterstützt und berufsbegleitend durchgeführt. Als nach-teilig erweist sich die Situation damit für ältere berufserfahrene Studieninteressier-te, die nicht von den Fördermöglichkei-ten profitieren, die Ausgebildeten nach dem Abschluss zur Verfügung stehen. Für ältere Beschäftigte würde sich die Redu-zierung des Einkommens auf die Höhe ei-nes monatlichen Stipendiums aufgrund höherer finanzieller Verpflichtungen wohl ohnehin schwierig gestalten. Das le-gen unsere Interviews mit Studierenden und mit Studiengangsverantwortlichen nahe (vergleiche Kapitel 3 und 4).

Im Verwaltungsbereich des Betriebes ist die Situation anders. Dort gibt es jedes Jahr einige Beschäftigte, die auf eigene Verantwortung ein berufsbegleitendes Studium an privaten Hochschulen absolvieren. Durch die Gleitzeitrege-lung besteht für die Studierenden nicht

Page 71: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

69

unter Umständen eine bezahlte (Teil-)Freistellung gewährt und weitere Kosten übernommen. Das hängt jedoch immer von individuellen Vereinbarungen ab. Aufgrund des hohen Fachkräftebedarfs in der Pflege ist der Arbeitgeber jedoch bemüht, individuelle Lösungen zu unter-stützen. Ohnehin arbeiten viele Beschäf-tigte in Teilzeit und aufgrund des hohen Frauenanteils gehört eine arbeitsorga-nisatorische Flexibilität für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zur etablierten Praxis im Unternehmen. Indi-viduelle Lösungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Studium müssen vor Ort mit direkten Vorgesetzten ausgehandelt werden. Außerdem bestehen unter Um-ständen Abhängigkeiten vom Team, mit dem individuelle Arbeitszeiten abgespro-chen werden. Schätzungsweise studieren etwa zehn Prozent der Beschäftigten in berufsbegleitenden oder in Vollzeitstudi-engängen in oder außerhalb von Bre-men. Die Interviewten führen mehrere Beispiele an von Beschäftigten, die mit Teilfreistellungen oder gänzlich ohne Unterstützung ein Präsenz- oder auch ein Fernstudium absolvieren. Es wird die Vermutung geäußert, dass sich beruflich Qualifizierte ohne Abitur häufiger nicht für ein Studium entscheiden, selbst wenn die formalen Voraussetzungen vorliegen, da in den Pflegewissenschaften für die Literaturarbeit gute Englisch-Kenntnisse erforderlich sind.1

Die größten Probleme im Gesundheits- und Pflegebereich bestehen für Beschäf-tigte bei der tariflichen Absicherung und der beruflichen Perspektive nach einem Studium. Es gibt keine Garantie auf eine höhere Eingruppierung nach einem Stu-dium. Die Eingruppierung erfolgt nach hierarchischer Position und nicht nach dem Grad der Qualifizierung. Das Un-ternehmen steht deshalb immer wieder vor der Frage, wie Beschäftigte auf der gleichen Position, aber mit unterschiedli-cher Qualifizierung eingruppiert werden sollen. Es hat sich mittlerweile durch-gesetzt, dass Leitungspositionen nur von Personal mit Hochschulabschlüssen besetzt werden. Insgesamt jedoch gibt es bisher keine klar definierten Einsatzbe-reiche für wissenschaftlich qualifiziertes

Pflegepersonal im Unternehmen.2 Auch im Bereich der pflegepädagogischen Lehrkräfte gibt es Probleme, Personal zu finden. Hier ist die tarifvertragliche Eingruppierung von akademischen und nicht akademischen Lehrkräften erst spät geregelt worden, weshalb viele zur Konkurrenz gingen.

Bemerkenswert ist die hohe Studier-neigung bei dem Pflegepersonal, trotz teilweise unklarer Bildungsrenditen in Form von höherer Vergütung und Auf-stieg. Insofern scheint die inhaltliche und organisatorische Weiterentwicklung des Pflegebereichs mit allen sich potenziell bietenden Entwicklungsmöglichkeiten einen starken Einfluss auf Bildungsent-scheidungen zu haben. Gleichzeitig steht eine Bandbreite an Studienmöglich-keiten für Pflegekräfte zur Verfügung. Möglicherweise verbindet ein Teil der Studierenden mit einem akademischen Abschluss außerdem eine ›Exit-Option […] als Möglichkeit, aus der Pflegetätigkeit ‚am Bett‘ in andere Tätigkeitsbereiche in und auch außerhalb der Pflege zu wech-seln‹3. Rein organisatorisch begünstigen außerdem die flexiblen Arbeitszeitmo-delle ein berufsbegleitendes Studieren. Obwohl, wie aus unserer Befragung von Studierenden hervorgeht (vergleiche Ka-pitel 4), die Schichtarbeit eine besondere Belastung darstellt, die selbst Teilzeitbe-schäftigten das Studium erschwert.

Schlussfolgerungen

Die ausgewerteten Experteninterviews wurden in Betrieben geführt, die in der Personalentwicklung sehr engagiert sind. Es ist davon auszugehen, dass berufsbe-gleitend Studierende in diesen Unterneh-men vergleichsweise gute Chancen auf eine Unterstützung durch ihren Arbeit-geber haben. Gleichzeitig wird deutlich, dass verschiedene betriebliche Prozesse die Vereinbarkeit von Studium und Beruf beeinflussen. Nicht nur das Interesse des Arbeitgebers an bestimmten Qualifika-tionen ist dabei entscheidend, außer-dem können die Haltung von direkten Vorgesetzten sowie Arbeitsorganisation und Arbeitszeitmodelle die Förderung eines berufsbegleitenden Studiums er-möglichen oder erschweren. Die tatsäch-lich geleistete Unterstützung ist in der Regel das Ergebnis eines individuellen Aushandlungsprozesses und beruht auf

Page 72: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

70

Bei der Umsetzung von berufsbegleiten-den Studierens scheinen die meisten Unternehmen eine ähnliche Erwartungs-haltung an die Hochschulen zu haben. An den Hochschulen sollen berufsbe-gleitende Studiengänge, spezifische Beratungsangebote und Brückenkurse für berufstätige Studierende entstehen. In einer gemeinsamen Erklärung des Deutschen Industrie- und Handelskam-mertages und der Hochschulrektoren-konferenz zur Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung werden nur für die Hochschulen Hand-lungsempfehlungen ausgesprochen, wäh-rend die Gestaltung von betrieblichen Rahmenbedingungen unberührt bleibt.7 Betriebliche Rahmenbedingungen, das zeigt unsere Studie, sind jedoch ebenso grundlegend für die Vereinbarkeit von Beruf und Studium wie das Angebot der Hochschulen. Und es steht eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung, um Beschäftigten ein Studium zu ermögli-chen.8 An ihrer Gestaltung sind Gewerk-schaften, Betriebs- und Personalräte mit beteiligt.

So haben sich die DGB-Gewerkschaften in den vergangenen Jahren verstärkt dem Thema der lebensphasenorientierten Arbeitszeitgestaltung angenommen. Unter frauenpolitischen Aspekten ist eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Fa-milie in den Diskursen bereits etabliert9 und von Arbeitgebern längst aufgegriffen worden10. Die Vereinbarkeit von Beruf und individueller Weiterbildung spielte dagegen in der Debatte der Tarifpartner bisher eine untergeordnete Rolle. Nach der Beschäftigtenbefragung der IG Metall im Jahr 201311, an der sich mehr als eine halbe Million Beschäftigte beteiligten, hat das Instrument der Bildungsteilzeit als Forderung für eine lebensphasenori-entierte Arbeitszeitpolitik an Bedeutung gewonnen.12 Der Qualifizierungstarif-vertrag der IG Metall13 berücksichtigt einerseits individuelle Bedürfnisse der Beschäftigten, zum Beispiel nach temporären Arbeitszeitreduzierungen. Andererseits sollen meist individuelle Vereinbarungen einzelner Beschäftigter

Einzelfällen. Dabei dürfte es sich für viele Arbeitgeber rentieren, einheitliche und transparente Regelungen für die Förde-rung berufsbegleitenden Studierens zu schaffen. Denn ein Bedarf an berufserfah-renem und gleichzeitig wissenschaftlich qualifiziertem Personal wird arbeitgeber-seitig formuliert.

So ergibt eine Befragung des Deut-schen Industrie- und Handelskammerta-ges von 2.000 Unternehmen, was diese sich von Hochschulabsolventinnen und -absolventen wünschen: nämlich berufs-praktische Erfahrungen und Schlüs-selkompetenzen, die vor allem in der beruflichen Praxis erworben werden.4 Noch nicht einmal die Hälfte äußert sich zufrieden mit der Praxistauglichkeit oder den fachlichen Kompetenzen neu einge-stellter traditioneller Hochschulabsolven-tinnen und -absolventen. Es werden sogar Bedenken hinsichtlich einer allgemein zunehmenden Studierneigung auf Kosten der dualen Ausbildung geäußert. Die duale Ausbildung wird nach wie vor als grundlegende Säule für die Deckung des eigenen Fachkräftebedarfs definiert.5 Die Beschäftigungsfähigkeit von Hochschul-absolventinnen und -absolventen steht also für viele Unternehmen auf dem Prüf-stand. Problematisch erscheint in diesem Zusammenhang, dass vor allem die Hochschulen als verantwortlich für eine stärkere berufspraktische Qualifizierung von Studierenden angesehen werden. Sechzig Prozent der Unternehmen sehen die Hochschulen in der Verantwortung, Studierende ›auf den Arbeitsmarkt vorzu-bereiten‹ und nur 28 Prozent sehen sich selbst in der Pflicht ›Absolventen nachzu-qualifizieren‹.6

Page 73: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

71

mit ihren Arbeitgebern durch mitbe-stimmte und transparente Regelungen ersetzt werden, damit ›Erwerbsverläufe mit schwankenden Arbeitszeiten ohne große Einkommens- und Sicherheitsver-luste und frei von Existenzangst gelebt werden können‹14. Aufgaben der betrieb-lichen Interessenvertretung liegen darin, im Betrieb Vereinbarungen zu treffen und alle Beschäftigtengruppen aktiv zu begleiten.15

1 Auch in unserer quantitativen Befragung

hatten alle Studierenden der Fachrich-

tung Medizin / Gesundheit Abitur.

2 Studiengangsleitungen der Fachrichtung

Medizin / Gesundheit schilderten eben-

falls die Problematik im Rahmen unserer

Expertinneninterviews (vgl. Kapitel 3).

3 Benedix/Medjedovic (2014), S. 39.

4 Vgl. DIHK (2015), S. 10.

5 Interessant ist in diesem Zusammenhang,

dass die Unternehmen auch die

›Praxistauglichkeit‹ von dual Studie-

renden zwar etwas besser, aber nicht

signifikant positiver beurteilen

(vgl. DIHK 2015, S. 12) als die von

Bachelorabsolventen aus Vollzeitstudi-

engängen. Obwohl Interesse am Ausbau

dieser Studienform, insbesondere auf

Masterebene, bekundet wird

(vgl. DIHK 2015, S. 21), unterstreichen

viele Unternehmen die Bedeutung der

traditionellen dualen Berufsausbildung

– unter anderem auch als eine dem

Studium vorausgehende Qualifikation

(vgl. DIHK 2015, S. 10, 16, 19). In einer

qualitativen Studie des Instituts für Arbeit

und Wirtschaft der Universität Bremen

über Aufstiegswege in Logistikberufen,

äußern sich einige Unternehmensver-

treter hinsichtlich des Akademisie-

rungstrends ebenfalls besorgt und

beschreiben die steigende Anzahl von

Bachelorabschlüssen als unübersicht-

lich und hinsichtlich ihrer Qualität oft

schwer einschätzbar (unveröffentlichtes

Papier von Ulf Benedix, IAW Universität

Bremen).

6 Vgl. DIHK (2015), S. 19.

7 Vgl. DIHK / HRK (2008).

8 Neben den vornehmlich von uns in den

Blick genommenen Arbeitszeitregelun-

gen oder Theorie-Praxis-Transfer stellen

Gronewold und Hiestand in diesem

Band weitere betriebliche Instrumente

zur Verbesserung der ›Work-Learn-Life-

Balance‹ vor.

9 Vgl. zum Beispiel ver.di (2015).

10 Ein Beispiel ist das Audit Beruf und

Familie, Informationen sind online verfüg-

bar unter www.berufundfamilie.de /

index.html [Zugriff am 03.02.2016].

11 Ergebnisse der Beschäftigtenbefragung

online verfügbar unter

www.igmetall.de / docs_13_6_18_

Ergebnis_Befragung_final_51c49e

134f92b4922b442d7ee4a00465d

8c15626.pdf

[Zugriff am 03.02.2016].

12 Vgl. Hofmann / Smolenski (2015),

S. 470.

13 Zum Qualifizierungstarifvertrag

der IG Metall und dem Instrument

der Bildungsteilzeit, siehe auch das

Kapitel 7 Handlungsfelder in diesem

Band.

14 Hofmann / Smolenski (2015), S. 471.

15 Vgl. Hofmann / Smolenski (2015),

S. 471.

Page 74: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

72bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

❚ Akkreditierungsrat (2014):

Rundschreiben des Akkreditierungsrats vom 19.12.2014. Online verfügbar unter: www.akkreditierungsrat.de/fileadmin/Seiteninhalte/AR/Sonstige/AR_Rundschreiben_Anrechnung.pdf [Zugriff am 20.11.2015].

❚ Ankom (o. J.):

online verfügbar unter www.ankom.his.de [Zugriff am 20.11.2015].

❚ Autorengruppe bildungsbericht-

erstattung (2014) (hrsg. ) :

Bildung in Deutschland 2014. Gefördert mit Mitteln der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Bertelmann Verlag, Bielefeld 2014.

❚ benedix, ulf /medjedovic , irena (2014) :

Gute Arbeit und Strukturwandel in der Pflege. Gestaltungsoptionen aus Sicht der Beschäftigten. Eine Publikation von IAW Institut für Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen und Arbeitneh-merkammer Bremen. Ausgabe 6, Februar 2014, Reihe Arbeit und Wirtschaft in Bremen. Online verfügbar unter www.iaw.uni-bremen.de/ccm/ publications/monographien-sammelbaende/ gute-arbeit-und-strukturwandel-in-der-pflege- gestaltungsoptionen-aus-sicht-der-beschaeftigten; jsessionid=F0E101B7F895A83286BBB10CCB61AFA5/ [Zugriff am 05.02.2016].

❚ bergstermann, Anna et al . (2014) :

Kompetenzentwicklung und Heterogenität. Ausgestaltung von Studienformaten an der Schnitt-stelle von Theorie und Praxis Handreichung der wissenschaftlichen Begleitung des Bund-Länder- Wettbewerbs Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen, März 2014. Online verfügbar unter www.docplayer.org/11324958-Ausgestaltung-von-studienformaten-an-der-schnittstelle-von-theorie- und-praxis.html [Zugriff am 26.01.2016].

❚ bibb – bundesinstitut für

berufsbildung (2014) :

Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2014. Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung.

❚ bmbf – bundesministerium für

bildung und forschung (2014) :

Auftakt zur 2. Wettbewerbsrunde des Bund- Länder-Wettbewerbs Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen. Dokumentation, Berlin, 7. Oktober 2014 – Dokumentation. Online verfügbar unter https://www.bmbf.de/files/Dokumentation_ 7._Oktober_2014.pdf [Zugriff am 13.11.2015].

❚ bogner, Alexander/Littig ,

beate/menz, Wolfgang (2002) :

Das Experteninterview. Theorie, Methode, Anwendung. Opladen: Leske und Budrich.

❚ bremische bürgerschaft ,

Landtag (2009) .

Drucksache 17/713 vom 09.03.09, Antrag der Fraktion der CDU. Anrechnung von Weiterbildungsveranstaltungen auf das Lehrdeputat. Online verfügbar unter www.bremische-buergerschaft.de/dokumente/ wp17/land/drucksache/D17L0713.pdf.

❚ bremische bürgerschaft ,

Landtag (2010) :

Drucksache 17/1479. Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 17. August 2010. Berufsbegleitendes und duales Studium sowie wissenschaftliche Weiterbildung. Online verfügbar unter www.bremische-buergerschaft.de/dokumente/ wp17/land/drucksache/D17L1479.pdf.

❚ bremhg (2007) :

Bremisches Hochschulgesetz vom 09.05.2007 (Brem.GBl., S. 339 ff.), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.06.2010 (Brem.GBl., S. 375 ff.).

❚ dihk – deutscher industrie- und

handelskammertag (2015) :

Kompetent und praxisnah – Erwartungen der Wirtschaft an Hochschulabsolventen. Ergebnisse einer DIHK Online-Unternehmensbefragung. Online verfügbar unter www.dihk.de/themenfelder/aus-und-weiterbildung/schule-hochschule/hochschule/umfragen-und-prognosen [Zugriff am 03.02.2016].

❚ d i h k – deutscher industrie- und

handelskammertages/hrk –

hochschulrektorenkonferenz (2008) :

Für mehr Durchlässigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung! Gemeinsame Erklärung des Deutschen Industrie- und Handels-kammertages (DIHK) und der Hochschulrektoren- konferenz (HRK) vom 14.10.2008. Online verfügbar unter www.hrk.de/uploads/tx_ szconvention/081014_HRK_DIHK_Endfassung.pdf [Zugriff am 27.01.2016].

Literaturverzeichnis

Page 75: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

73Studie

❚ dittmann, christian/gronewold,

Julia k. (2015) :

Berufsbegleitende Studienkonzepte im MINT-Bereich. Die Verbindung beruflichen und akademischen Wissens als zentrale Herausforderung der Studien-gangskonzeption. In: Elsholz, Uwe (Hrsg.): Beruflich Qualifizierte im Studium. Analysen und Konzepte zum Dritten Bildungsweg. Bielefeld, S. 163–175.

❚ elsholz , uwe (2015) :

Überwindung der Trennung zwischen beruflicher und akademischer Bildung? Bildungstheoretische, bildungspolitische und didaktische Herausforderungen. In: Elsholz, Uwe (Hrsg.): Beruflich Qualifizierte im Studium. Analysen und Konzepte zum Dritten Bildungsweg. Bielefeld, S. 245–259.

❚ faulstich, Peter/oswald, Lena (2010) :

Wissenschaftliche Weiterbildung, Arbeitspapier 200. Hrsg.: Hans-Böckler-Stiftung, Januar 2010. Online verfügbar unter: www.boeckler.de/pdf/p_arbp_200.pdf [Zugriff am 20.11.2015].

❚ freitag, Walburga (2009) :

Hochschulen als Orte lebenslangen Lernens in Europa? Anrechnung von außerhalb der Hochschulen erworbenen Kompetenzen auf Hochschulstudiengänge. In: Alheit, P./von Felden, H. (Hrsg.): Lebenslanges Lernen und erziehungs- wissenschaftliche Biographieforschung. Konzepte und Forschung im europäischen Diskurs, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 217–229.

❚ freitag, Walburga (2012) :

Zweiter und Dritter Bildungsweg in die Hochschule. Arbeitspapier 253 der Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf: HBS.

❚ freitag, Walburga/Loroff ,

claudia (2011) :

Anrechnung beruflicher Kompetenzen auf Hochschulstudiengänge (ANKOM) – Einführung und Überblick. In: Freitag, Walburga et al. (Hrsg.): Gestaltungsfeld Anrechnung. Hochschulische und berufliche Bildung im Wandel, Münster/New York/München/Berlin: Waxmann Verlag, S. 9–17.

❚ freitag, Walburga et al . (2015) :

Übergangsgestaltung als Zukunftsthema – Einführung und Überblick. In: Freitag, Walburga et al. (Hrsg.): Übergänge gestalten. Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung erhöhen. Münster/New York: Waxmann Verlag, S. 13–27.

❚ handelsblatt (2007) :

Arbeitgeber fordern Chance zum Studium auch für Gesellen, 01.09.2007 www.handelsblatt.com/politik/deutschland/fachkraeftemangel-arbeitgeber-fordern-chance-zum-studium-auch-fuer-gesellen/ v_microsite/2855664.html [Zugriff am 20.11.2015].

❚ hanft , Anke (2013) :

Lebenslanges Lernen an Hochschulen – Strukturelle und organisatorische Voraussetzungen. In: Hanft, Anke/Brinkmann, Katrin (Hrsg.): Offene Hochschulen. Die Neuausrichtung der Hochschulen auf Lebenslanges Lernen. Münster/New York: Waxmann Verlag, S. 13–29.

❚ hartmann, ernst A. et al . (2008) :

Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademi-scher Bildung – wozu, wie, warum und für wen? In: Buhr, Regina et al. (Hrsg.): Durchlässigkeit gestalten! Wege zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung, Münster/New York/ München/Berlin: Waxmann Verlag, S. 13–20.

❚ heibült , Jessica (2015) :

Lernerfahrungen auf dem dritten Bildungsweg. Eine Charakterisierung beruflich qualifizierter Stu-dierender. Unter Mitarbeit von Eva Anslinger und Moritz Müller. Düsseldorf: HBS. Im Erscheinen.

❚ heibült , Jessica/müller,

moritz (2014) :

Der dritte Bildungsweg an die Universität – Übergangserfahrungen von beruflich qualifizierten Studierenden. In: Zeitschrift für Beratung und Studium 2/2014, S. 40–44.

❚ hermeling, Susanne (2011) :

Durchlässigkeit zwischen beruflicher und Hochschulbildung. In: Bericht zur Lage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Lande Bremen 2011, S. 109–115, online verfügbar unter: www.arbeitnehmerkammer.de/publikationen/jahrespublikationen-bericht-zur-lage-der- arbeitnehmerinnen-und-arbeitnehmer-im- lande-bremen.html [Zugriff am 30.10.2015].

❚ hochschule bremen (o. J . ) :

online unter: www.hs-bremen.de/internet/de/ studium/studierendenservice/studienorganisation/teilzeit/ [Zugriff am 19.10.2015].

❚ hofmann, Jörg/Smolenski ,

tanja (2015) :

Sozialstaat 4.0 – Tarifbindung und Arbeitszeit entscheiden. In: WSI-Mitteilungen 06/2015, S. 466–472.

❚ ig metall (o . J . ) :

Tarifliche Bildungsteilzeit. Wir für mehr Bildung. Online verfügbar unter www.igmetall.de/docs_ themenheft_32069-56804_ansicht_ad-25f04dd012178efdcf6ffa95b8afeeb171d116.pdf. [Zugriff am 07.01.2016].

❚ iw-dienst (2015) :

Studium und Beruf: Vieles geht, aber längst nicht alles. In: iw-dienst Nr. 17, 23. April 2015, S. 4–5.

Page 76: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

74bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

❚ kamm, caroline/otto, Alexander (2013) :

Studienentscheidungen und Studienmotive nicht-traditioneller Studierender. In: Knigge-Illner et al. (Hrsg.) Zeitschrift für Beratung und Studium, H. 2/2013, Bielefeld: UVW UniversitätsVerlagWebler, S. 40–46.

❚ knigge, gisela (2010a) :

Einschätzung von Nachfrage – Online-Befragung zur 2. regionalen Arbeitstagung der Länder Nieder-sachsen und Bremen zur Verbesserung der Durch- lässigkeit für beruflich qualifizierte Hochschul- bewerberinnen und Hochschulbewerber, 16.4.2010, Universität Bremen, online verfügbar unter www.lernenvorort.bremen.de/sixcms/media.php/13/RAD_2_Ergebnisse_Onlinebefragung.pdf.

❚ knigge, gisela (2010b) :

Ergebnis der Befragungen von Hochschulen, Kammern, Weiterbildungsträgern, Betrieben und Fachverbänden zur 2. regionalen Arbeitstagung der Länder Niedersachsen und Bremen zur Verbesserung der Durchlässigkeit für beruflich qualifizierte Hochschulbewerberinnen und Hochschulbewerber. Universität Bremen (in Druck als Tagungshandout).

❚ koch, Johannes/meerten, egon (2010) :

Berufsorientierte Weiterbildung in Bachelor- studiengängen realisieren. Ein struktureller Ansatz zur Optimierung der Durchlässigkeit zwischen Berufsbildung und Hochschule. In: BWP 2/2010, S. 10–13.

❚ köster, kathrin et al . (2014) :

Gesteigerte Effizienz und Effektivität bei der Entwicklung und Umsetzung von berufsbegleitenden Studienprogrammen. BMBF. Online verfügbar unter www.hs-heilbronn.de/6222432/ Gesteigerte-Effizienz-und-Effektivitaet-in- berufsbegleitenden-Studienprogrammen-31_03_ 2014.pdf [Zugriff am 26.01.2016].

❚ kreutz, maren/meyer, rita (2015) :

›Große Schatten werfen ihre Ereignisse hinter sich‹ – Alte und neue Herausforderungen einer berufs- bezogenen Didaktik an Hochschulen. In: Elsholz, Uwe (Hrsg.): Beruflich Qualifizierte im Studium. Analysen und Konzepte zum Dritten Bildungsweg. Bielefeld, S. 231–244.

❚ kruse, Jan (2014) :

Qualitative Interviewforschung: Ein integrativer Ansatz. Weinheim, März 2014.

❚ kmk – kultusministerkonferenz (2002) :

Anrechnung von außerhalb des Hochschulwesens erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten auf ein Hochschulstudium. Beschluss der Kultus- ministerkonferenz vom 28.06.2002. Online verfügbar unter: www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen _beschluesse/2002/2002_06_28-Anrechnung- Faehigkeiten-Studium-1.pdf [Zugriff am 19.11.2015].

❚ kmk – kultusministerkonferenz (2009) :

Hochschulzugang für beruflich qualifizierte Bewerber ohne schulische Hochschulzugangs- berechtigung. Beschluss der KMK vom 06.03.2009. Online abrufbar unter: www.kmk.org/fileadmin/ veroeffentlichungen_beschluesse/2009/2009_03_ 06-Hochschulzugang-erful-qualifizierte-Bewerber.pdf [Zugriff am: 19.11.2015].

❚ kmk – kultusministerkonferenz (2014) :

Hochschulzugang für beruflich qualifizierte Bewerber ohne schulische Hochschulzugangsberech-tigung. Stand August 2014. Online verfügbar unter: www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen _beschluesse/2014/2014_08_00-Synopse- Hochschulzugang-berufl_Qualifizierter.pdf [Zugriff am: 19.11.2015].

❚ Leuvener kommuniqué (2009) :

Bologna-Prozess 2020 – der Europäische Hochschul-raum im kommenden Jahrzehnt. Kommuniqué der Konferenz der für die Hochschulen zuständigen europäischen Ministerinnen und Minister, Leuven/Louvain-la-Neuve, 28. und 29. April 2009. Online abrufbar unter: www.ehea.info/Uploads/LEUVEN/2009_Leuven_Louvain-la-Neuve_Kommu-nique_April09_DE.pdf [Zugriff am 22.09.2015].

❚ Loroff , claudia/Stamm-riemer,

ida/hartmann, ernst A. (2011) :

Anrechnung: Modellentwicklung, Generalisierung und Kontextbedingungen. In: Freitag, Walburga et al. (Hrsg.): Gestaltungsfeld Anrechnung. Hochschulische und berufliche Bildung im Wandel, Münster/New York/München/Berlin: Waxmann Verlag, S. 77–117.

❚ minks, karl -heinz (2011) :

Lebenslanges Lernen und Durchlässigkeit – demographische und sozioökonomische Heraus- forderungen. In: Freitag, Walburga et al. (Hrsg.): Gestaltungsfeld Anrechnung. Hochschulische und berufliche Bildung im Wandel, Münster/New York/München/Berlin: Waxmann Verlag, S. 21-34.

❚ minks, karl -heinz/netz,

nicolai /Völk, daniel (2011) :

Berufsbegleitende und duale Studiengänge in Deutschland: Status quo und Perspektiven. HIS Forum Hochschule 11/2011, Hannover.

❚ nickel , Sigrun/duong, Sindy (2012) :

Studieren ohne Abitur: Monitoring der Entwicklun-gen in Bund, Ländern und Hochschulen. CHE, Ar-beitspapier Nr. 157. Gütersloh: CHE. Online abrufbar unter: www.che.de/downloads/CHE_AP157_Studie-ren_ohne_Abitur_2012.pdf [Zugriff am 21.10.2015].

Page 77: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

75

❚ offene hochschulen bremen (o. J . ) :

online unter: www.offene-hochschulen-bremen.de [Zugriff am 11.01.2016].

❚ Przyborski , Aglaja (2008) :

Fokussierte Interviews/Fokusgruppeninterviews. In: Przyborski, Aglaja/Wohlrab-Sahr, Monika (2008): Qualitative Sozialforschung, München: Oldenbourg Verlag, S. 145–155.

❚ Studieren ohne Abitur (o . J . ) :

online verfügbar unter www.studieren-ohne-abitur.de/web/laender/bremen/ [Zugriff am 20.11.2015].

❚ Syrek, christine et al . (2014) :

Wie Work-Learn-Life-Balance gelingen kann: Hand-lungsstrategien zur Förderung der Vereinbarkeit. In: Antoni, Conny et al. (Hrsg.): Work-Learn-Life-Ba-lance in der Wissensarbeit. Wiesbaden, S. 123–148.

❚ tegtmeier, Patrizia/hellert ,

ulrike (2015) :

Wie gelingt die Erholung bei einem Studium neben dem Beruf? In: Zeitschrift für Arbeitswissen-schaft 01/2015, S. 13–21.

❚ teichler, ulrich/Wolter, Andrä (2004) :

Zugangswege und Studienangebote für nicht-traditionelle Studierende. In: die hochschule 2/2004, Konditionen des Studierens. journal für wissenschaft und bildung. Hrsg. von HoF Wittenberg – Institut für Hochschulforschung an der Martin-Luther- Universität Halle-Wittenberg, S. 64–80.

❚ ver.di (2015) :

Frauenpolitisches Tarifforum. Webseite ver-fügbar unter www.frauen.verdi.de/themen/entgeltgleichheit/++co++83ef8f42-284d-11e4- 9acb-525400248a66 [Zugriff am 03.02.2016].

❚ Völk, daniel . (2011) :

Wissenschaftliche Qualifizierung und Anrechnung beruflicher Kompetenzen auf Hochschulstudiengänge aus betrieblicher Perspektive. In: Freitag, Walburga et al. (Hrsg.): Gestaltungsfeld Anrechnung. Hochschulische und berufliche Bildung im Wandel, Münster/New York/München/Berlin: Waxmann Verlag, S. 145–160.

❚ Wissenschaftlicher beraterkreis

der gewerkschaften ig metall

und ver.di (2014) :

Berufs-Bildungs-Perspektiven 2014. Leitlinien für eine gemeinsame duale, schulische und hochschuli-sche berufliche Bildung, April 2014. Online verfügbar unter www.bildungspolitik.verdi.de/politikfelder/ weiterbildungspolitik/wissenschaftlicher-beraterkreis/++co++204d2f6a-08d3-11e4-970d-52540059119e [Zugriff am 26.01.2016].

❚ Witzel , Andreas (2000) :

Das problemzentrierte Interview. Forum für qualitative Sozialforschung, H. 1/2000 (www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/ download/1132/2520, Download am: 18.05.2015).

❚ Wolter, Andrä (2012a) :

Die Öffnung für Berufstätige als Beitrag zur Diversität der Hochschule. In: journal hochschul- didaktik, Jahrgang 23, Heft 1–2, S. 23–25.

❚ Wolter, Andrä (2012b) :

Studium neben dem Beruf – eine Realisierungsform lebenslangen Lernens an Hochschulen. In: Kerres, Michael et al. (Hrsg.): Studium 2020: Positionen und Perspektiven zum lebenslangen Lernen an Hochschulen, Münster: Waxmann, S. 271–284.

❚ Wolter, Andrä (2013) :

Übergang aus dem Schulsystem heraus. Übergänge zwischen Schule, beruflicher Bildung und Hochschule – Entwicklungen und Herausforderungen aus der Sicht der empirischen Bildungsforschung. In: Bellenberg, Gabriele/Forell, Matthias (Hrsg.): Bildungsübergänge gestalten. Ein Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis, Münster/New York/ München/Berlin: Waxmann, S. 45–61.

❚ Wolter, Andrä et al . (2014) :

Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung als mehrstufiges Konzept: Bilanz und Perspektiven. In: Beiträge zur Hochschulforschung 36, H. 4, S. 8–39.

❚ Wolter, Andrä et al . (2015) :

Nicht-traditionelle Studierende in Deutschland: Werdegänge und Studienmotivation. In: Elsholz, Uwe (Hrsg.): Beruflich Qualifizierte im Studium. Analysen und Konzepte zum Dritten Bildungsweg. W. Bertelsmann Verlag, Bielefeld, S. 11–33.

Page 78: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

76

⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇

Expertinneninterviews

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

und Ergebnisse ausForschungsprojekten

6

Page 79: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

77

Vermuten Sie, dass die nachfrage nach berufsbegleitenden bachelor-studiengängen vonseiten berufs-tätiger steigen würde, wenn es ein entsprechendes Angebot gäbe?

Der Bedarf ist da, nicht flächendeckend, aber in bestimmten Bereichen. So haben in den letzten Jahren private Hochschu-len ihr Angebot an berufsbegleitenden Bachelorstudiengängen stark ausgebaut. Eine Nachfrage sehe ich vor allem in Bereichen, in denen sich durch einen Bachelorabschluss echte Aufstiegsmög-lichkeiten oder bessere berufliche Pers-pektiven ergeben. Dies ist zum Beispiel im kaufmännischen Bereich oder im IT-Bereich der Fall. Hier würden auch berufsbegleitende Angebote staatlicher Hochschulen sicher auf Interesse stoßen. Schwieriger ist es in Berufsfeldern, in denen die Akademisierung noch nicht so weit fortgeschritten ist, zum Beispiel in der frühkindlichen Bildung. Auch hier gibt es einen hohen Bedarf an wissen-schaftlicher Weiterbildung. Allerdings eröffnen sich für eine Erzieherin oder einen Erzieher auch durch ein weiter-bildendes Zertifikatsstudium oder einen Bachelorabschluss nicht ohne Weiteres neue berufliche Möglichkeiten. Dies wirkt sich natürlich auf die Teilnahme an entsprechenden Angeboten aus.

An der bestehenden Nachfrage nach berufsbegleitenden Bachelorstudien-gängen bei privaten Hochschulen zeigt sich übrigens noch etwas anderes: Diese Studienangebote sind kostenpflichtig. Menschen, die einen Bachelorabschluss erwerben wollen, ohne dafür ihre Berufs-tätigkeit aufzugeben, sind also bereit, für ihr Studium zu bezahlen. Allerdings wer-den so alle diejenigen ausgeschlossen, die hierzu finanziell nicht in der Lage sind.

Frau Dr. Boxler leitet seit zehn Jahren die Akademie für Weiterbildung der Univer-sität Bremen beziehungsweise eine ihrer beiden Vorgängereinrichtungen, das Zen-trum für Weiterbildung der Universität. Sie war Koordinatorin des bremischen Landesprogramms ›Offene Hochschulen‹ und leitet nun das Projekt ›konstruktiv‹ (›Konsequente Orientierung an neuen Zielgruppen strukturell in der Univer-sität Bremen verankern‹). ›konstruktiv‹ wird im Rahmen des Bundesprogramms ›Aufstieg durch Bildung: offene Hoch-schulen‹ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

berufsbegleitende bachelorstudi-engänge findet man an staatlichen hochschulen kaum. im Land bremen gibt es nur einen einzigen an der universität. Woran liegt das?

An den Hochschulen fehlen ganz einfach die Ressourcen. Die bestehenden Bache-lorstudiengänge platzen angesichts der hohen Studierendenzahlen oft aus allen Nähten, das heißt, das Lehrpersonal ist vollständig mit der Durchführung dieser Studiengänge ausgelastet. Aus der knap-pen Grundfinanzierung können daher keine zusätzlichen berufsbegleitenden Bachelor-Studiengänge aufgelegt wer-den. Solche Angebote können aber auch nicht aus Teilnahmeentgelten finanziert werden, weil aufgrund der Gebührenfrei-heit des Erststudiums auch für berufs-begleitende Bachelorstudiengänge keine Entgelte erhoben werden dürfen. Also besteht hier eine Finanzierungslücke.

die herausforderung Studienangebote für berufstätige umzusetzenInterview mit Dr. Petra Boxler

Studie

Page 80: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

78

in ihrem Projekt ›konstruktiv‹ arbeiten Sie an einer Öffnung der hochschulen für diese sogenannten neuen Zielgruppen.

Ja. Wir konzentrieren uns im Projekt ›konstruktiv‹ auf Personen, die berufstä-tig sind oder Familienpflichten nachkom-men und einen Master- oder Zertifikats-abschluss erwerben wollen. Diese Gruppe wächst, denn Studium, Berufstätigkeit, Weiterbildung und Familienphasen werden heutzutage auf vielfältige Weise kombiniert. Auch viele Studierende, die heute in den bestehenden konsekutiven Vollzeitstudiengängen eingeschrieben sind, gehören eigentlich zur Zielgruppe von ›konstruktiv‹. Sie haben nur einen individuellen Weg gefunden, um sich mit den Rahmenbedingungen des Vollzeitstu-diums zu arrangieren. Im Projekt befas-sen wir uns zum Beispiel mit der Frage, wie man Module aus regulären konse-kutiven Masterstudiengängen nutzen kann, um Angebote für Berufstätige zu schaffen. Dadurch wollen wir ein breites, flexibles Qualifizierungsangebot schaf-fen, was sonst nicht möglich wäre. Wir versuchen zum Beispiel, Hochschulleh-rende dazu zu bewegen, einzelne Module raumzeitlich flexibler zu gestalten. Dies heißt nicht automatisch, dass die Module nun alle abends, am Wochenende oder in Blockform stattfinden müssen. Es kann auch bedeuten, verstärkt auf digitale Me-dien zurückzugreifen, um einen höheren Anteil an selbst gesteuertem Lernen zu erreichen und die Zahl der Präsenztermi-ne zu verringern.

und welchen Schwierigkeiten begegnen Sie dabei?

Wir müssen sehr viel Überzeugungs-arbeit leisten, um Hochschullehrende zu bewegen, ihre Veranstaltungen zu flexibilisieren und auch Studierende in den Blick zu nehmen, die parallel zum Studium arbeiten oder familiäre Pflich-ten haben. Selbst gesteuert zu lernen, ist allerdings auch für die Studierenden häufig ungewohnt. Hier sind besondere Selbstlernstrategien gefragt, über die gerade Berufstätige oft schon verfügen.

Dann müssen weiterbildende Master- und Zertifikatsstudienangebote kostende-ckend gestaltet sein. Zwar ist die Weiter-bildung neben Forschung und Lehre die

bei der finanzierung von Studien- angeboten für berufstätige scheint also ein ungeklärtes Problem zu sein, was Aufgabe des Staates und was Aufgabe der Privatpersonen ist.

Richtig. Noch deutlicher wird das bei den Masterstudiengängen. Wo endet die Erstausbildung? Diejenigen, die direkt nach dem Bachelor ein Masterstudium beginnen, bekommen das vom Staat finanziert. Diejenigen, die erst in den Beruf einsteigen und nach einigen Jahren einen Master machen wollen, müssen sich entscheiden: Entweder sie wählen einen konsekutiven Vollzeitstudiengang ohne Studiengebühren, der aber vom zeitlichen Format her mit der Berufstä-tigkeit nicht zu vereinbaren ist. Oder sie zahlen hohe Teilnahmeentgelte für einen weiterbildenden Masterstudiengang und erhalten dafür ein berufsbegleitend studierbares Angebot.

das heißt, diejenigen, die nach dem bachelorabschluss erst einmal berufstätig sein wollen, werden bestraft.

Ja. Die Weiterbildung an den Hochschu-len kostet, und zwar auch für diejenigen, die nie einen staatlich finanzierten Mas-terstudienplatz in Anspruch genommen haben. Das ganze System orientiert sich in seiner Finanzierungslogik noch sehr an klassischen Bildungsbiografien: Zuerst wird studiert, dann folgt die Berufstätig-keit. Denjenigen, die zwischen Bachelor und Master und dann eben auch beglei-tend zum Masterstudium berufstätig sind, wird dieses System nicht gerecht. Ebenso wenig denjenigen, die ihre Hoch-schulzugangsberechtigung über den Weg einer Berufsausbildung plus Berufstätig-keit plus Fortbildung und nicht über die Schule erwerben.

Page 81: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

79

An welcher Stelle sollten Probleme zuerst behandelt werden?

Die Landesausschüsse für Weiterbildung und für Berufsbildung haben schon vor einigen Jahren in ihren Empfehlungen festgestellt, dass der erleichterte Hoch-schulzugang für beruflich Qualifizierte wenig weiterhilft, wenn ein berufsbe-gleitendes Bachelorstudienangebot fehlt. Nur wenige Berufstätige können es sich leisten, für ein Vollzeitstudium aus dem Beruf auszusteigen. Hier stellt sich das bereits angesprochene Problem der Finanzierung.

Darüber hinaus ist wichtig, dass die Hochschulen die sogenannten nicht traditionellen Studierenden stärker in den Blick nehmen. Wie schon erwähnt, gibt es viele Studierende, die nicht in das übliche Bild passen, weil sie nebenbei in größerem Umfang arbeiten, weil sie Kin-der haben oder ihren ersten Abschluss im Ausland erworben haben. Mit dieser Heterogenität gilt es umzugehen. Von un-terschiedlichen Formaten, differenzierter Didaktik, mehr Wahlmöglichkeiten im Curriculum und dazu passenden Bera-tungsangeboten könnten alle Studieren-den profitieren.

Also müsste ein diversitäts- konzept entwickelt und umgesetzt werden?

Genau. Und der andere Strang ist ein Konzept für lebenslanges Lernen. Ein Stu-dienabschluss reicht längst nicht mehr als Basis für ein ganzes Berufsleben. Die wissenschaftliche und technologische Entwicklung verläuft heute so rasant, dass auch die Hochschulen gefragt sind.

In der Weiterbildung sind heterogene Zielgruppen und die Anforderungen des lebenslangen Lernens längst Alltag. Deshalb kann die Weiterbildung eine Art Testgelände sein, von dem die Universität als Ganzes profitieren kann.

Das Interview wurde geführt von Susanne Hermeling

dritte Aufgabe der Hochschulen, doch sind keine Lehrkapazitäten für diese Aufgabe vorgesehen. Die grundständige Lehre geht vor und verbraucht angesichts der hohen Auslastung der Universität alle vorhandenen Kapazitäten. Die Lehre in der Weiterbildung muss also de facto zu-sätzlich erbracht werden. Zwar bieten wir den Lehrenden eine Vergütung an, doch ist das für diese nicht besonders attraktiv. Die Lehrenden haben sehr wenig Zeit und die Honorare sind nicht so hoch, um finanziell wirklich lukrativ zu sein.

führt das nicht häufig dazu, dass man auf hochschulexterne Lehrkräfte zurückgreifen muss?

Wir setzen externe Lehrende ein. Aber dem sind enge Grenzen gesetzt. Denn: Wir machen Studien- und Weiterbil-dungsangebote, in denen die Studieren-den ECTS-Punkte und Abschlüsse auf Basis von Prüfungsordnungen erwerben können. Das heißt zum Beispiel, es können in der Regel nur Professoren oder Professorinnen unserer Universität Modulverantwortliche sein, weil uns die interne Qualitätssicherung sehr wichtig ist.

Wir haben im rahmen unserer Studie von einigen berufstätigen Studierenden gehört, dass sie sich weichere Prüfungsordnungen wünschen, die die besonderen um-stände ihrer Studienbedingungen berücksichtigen.

Es ist denkbar, zum Beispiel längere Bearbeitungszeiten für Abschlussarbeiten vorzusehen. Wir werden jedoch bei den weiterbildenden Master- und Zertifikats-studienangeboten keine Abstriche bei der Qualität machen. Unsere Weiterbildungs-angebote sollen den hohen Qualitätsan-spruch der Universität Bremen wider-spiegeln. Es muss zum Beispiel auch die Möglichkeit geben, eine Prüfung bei un-zureichenden Leistungen endgültig nicht zu bestehen. Dies gilt auch, wenn die Studierenden zahlende Kunden sind. Es ist wichtig, dass ein Abschluss in einem weiterbildenden Masterstudium genau-so viel wert ist wie der Abschluss eines konsekutiven Masters. Beide berechtigen schließlich hinterher zur Promotion.

Page 82: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

80

Gleichwertigkeit oder Gleichartigkeit zwischen den Lernergebnissen des beruflichen und des hochschulischen Bildungsgangs. Aufseiten der beruflichen Bildung hat man es mit Aus-, Fort- oder Weiterbildungsordnungen zu tun. Diese sind zwar zunehmend auch kompeten-zorientiert formuliert und es werden immer häufiger die Lernziele ausgewie-sen, allerdings müssen die Dokumente ›übersetzt‹ und Lernergebnisse denen der Hochschulmodule zugeordnet werden; nur so kann eine Grundlage für den Ver-gleich geschaffen werden.

Wenn die Verantwortlichen des Studiengangs in Kooperation mit den beruflichen Bildungsträgern einen Äqui-valenzvergleich vorgenommen und dies dokumentiert haben, muss die Möglich-keit der pauschalen Anerkennung noch von den Hochschulgremien abgesegnet werden; das heißt, sie muss Eingang in die Ordnungen der Hochschule fin-den. Dies ist in der Regel kein Problem, schwieriger ist es, die Ressourcen für den Kompetenzäquivalenzvergleich zu erhalten und die Ergebnisse transparent und valide darzustellen.

Bei der individuellen Anrechnung, dem zweiten entwickelten Verfahren, muss keine Festlegung auf ein oder zwei Abschlüsse erfolgen, sondern es kommt potenziell eine größere Zahl von fachver-wandten Abschlüssen in Betracht und – dies ein großer Vorteil – neben formal erworbenen Lernergebnissen können auch sogenannte non-formal und infor-mell erworbene Lernergebnisse ange-rechnet werden, also kleinere Zertifikate und Berufserfahrung. Das ist im Sinne der Durchlässigkeit ein klarer Vorteil.

Die Verantwortlichen des Studien-gangs verwenden für das individuelle Verfahren ein Portfolio, eine Art Mappe. Hierin wird festgelegt, wie die Person, die um Anrechnung nachfragt, die Kompe-tenzen dokumentieren muss, die sie an-

Frau Dr. Freitag leitete die wissenschaft-liche Begleitung der BMBF-Initiative ›ANKOM – Übergänge von der berufli-chen in die hochschulische Bildung‹ am Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung; sie ist dort die Leiterin des Arbeitsbereichs ›Lebenslan-ges Lernen‹.

kompetenzen, die in staatlich anerkannter Aus- und fortbildung erworben wurden, können unter bestimmten bedingungen als gleich-wertige Studienleistungen anerkannt werden. für Studierende kann sich unter umständen die Studienzeit um ein bis drei Semester verkürzen oder das Studienvolumen verringert sich.für die Anrechnung können sich die hochschulen für unterschiedli-che Verfahren entscheiden. es gibt pauschale und individuelle Anrech-nungsverfahren. Was sind die we-sentlichen Vor- und nachteile beider Verfahren?

Bei der Anwendung eines sogenannten ›pauschalen Anrechnungsverfahrens‹ wird bei Vorliegen eines bestimmten Aus- oder Fortbildungsabschlusses eine zuvor ermittelte Zahl an Credits ohne individu-elle Prüfung, also ›pauschal‹ angerechnet. Wer zum Beispiel an der Hochschule Bremen ›Angewandte Therapiewissen-schaften‹ studieren möchte, kann als ausgebildete Logopädin eine Anrechnung von drei Semestern des Bachelorstudi-engangs beantragen. Das hat für Studie-rende ganz offensichtliche Vorteile. Sie stellen einen Antrag, und sofern es für die Aus- oder Weiterbildung eine Gleich-wertigkeitsbestimmung gibt, können die Credits angerechnet werden.

Pauschale Verfahren sind allerdings sehr aufwendig in der Entwicklung. Im Vorfeld muss ein Äquivalenzvergleich stattfinden – also die Bestimmung von

Anrechnung beruflicher kompetenzen auf hochschulstudiengängeInterview mit Dr. Walburga Freitag

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

Page 83: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

81

In solchen Experimentierphasen werden kreative Lösungen entwickelt, die als Modelle guter Praxis nachahmenswert sind. An der Alice Salomon Hochschu-le Berlin beispielsweise sind sowohl pauschale als auch individuelle Anrech-nungsmöglichkeiten entwickelt worden. Um den Arbeitsaufwand für die Beratung und Durchführung möglichst gering zu halten, wird über das Verfahren im Rahmen eines eigenen Studienmoduls informiert. Dieses wird zudem dafür ge-nutzt, Reflexionsphasen anzuregen. Die Studierenden setzen sich damit ausein-ander, aus welcher beruflichen Position sie kommen, welche Kompetenzen sie mitbringen, welche Studienschwerpunk-te sie im Studium wählen wollen und welche berufliche Position sie mit dem Studienabschluss anstreben. Auf Grund-lage einer solchen Vorbereitung können Studierende dann auch das individuelle Verfahren bewältigen. Die Zuständigen der Studiengänge erhalten ihrerseits durch diese Seminare einen Eindruck von den Erfahrungen und individuellen Zielen der Studierenden und können sich gleichzeitig mit dem Lernstand der Studierenden vertraut machen.

im Vergleich mit den individuellen Verfahren scheint eine pauschale Anrechnung für Studieninteressierte zunächst einmal eine höhere trans-parenz und Sicherheit zu bieten. Zeichnen sich für die kaufmänni-schen, die technischen und die so-zialen dienstleistungsberufe eigene trends hinsichtlich der möglichkei-ten pauschaler Anrechnung ab?

In der Betriebswirtschaftslehre (BWL) ist die Entwicklung schon weiter gediehen, da das Studienfach traditionell für viele beruflich Qualifizierte attraktiv ist. In der BWL haben etwa 30 Prozent der Studierenden eine Berufsausbildung. So werden an mehreren Hochschulen die Fortbildungsabschlüsse Fachwirt mit 20 bis 30 Kreditpunkten und der zur Betriebswirtin mit 60 Kreditpunkten auf ein Bachelorstudium angerechnet. Bei ersten Abschlüssen der beruflichen Bildung, wie zum Beispiel Industriekauf-leuten, werden in der Regel nicht über 10 Kreditpunkte angerechnet.

gerechnet bekommen möchte. Dies kann in Form von Zeugnissen, Arbeitsproben oder schriftlichen Ausarbeitungen erfolgen. Auch das individuelle Verfah-ren muss in den Ordnungen festgelegt werden; nur so werden alle Studierenden über die Möglichkeit informiert und kön-nen es gegebenenfalls nutzen. Die Hoch-schulen können mit dem Verfahren bis zu einem gewissen Grad experimentie-ren, da es wenig festgelegte Verfahrensab-läufe gibt. Das kann sowohl Vor- als auch Nachteile für alle Beteiligten bergen und ist anspruchsvoll.

In jedem Fall steckt der größte Ar-beitsaufwand in der Durchführung des Verfahrens selbst, denn der Äquivalenz-vergleich muss für jede Person individu-ell erfolgen. Damit sind die Studierenden gefordert, sich mit dem Modulhandbuch des Studiengangs auseinanderzusetzen und in Form des Portfolios niederzule-gen, welche Lernergebnisse sie bereits erworben haben und nach Möglichkeit auch noch performieren können. In der Praxis liegt schon ein Problem darin, dass nicht alle Modulhandbücher gleicher-maßen verständlich für Außenstehende geschrieben sind. Und möglicherweise ergeben sich als Ergebnis des Verfahrens Anrechnungsmöglichkeiten für mehrere und verschiedene Module und Seminare. Das heißt, die Studiengangsverantwort-lichen müssen die Unterlagen an die Lehrenden in den Modulen weitergeben und deren Urteil einholen. Es sind in der Regel mehrstufige Verfahren, in deren Verlauf möglicherweise zusätzlich münd-liche oder schriftliche Tests verlangt werden. Der Aufwand, der insgesamt ent-stehen kann, wird von Studierenden als hoch beurteilt und führt – so Ergebnisse unserer wissenschaftlichen Begleitung – auch zu Frustration oder Ablehnung des Verfahrens.

Was die Methodik angeht, ist proble-matisch, dass die Ansprüche der Relia-bilität und Validität immer noch in den Kinderschuhen stecken. Die Methoden entwickeln die Studiengänge in Eigenre-gie und es gibt leider derzeit keine Res-sourcen, um die angewandten Verfahren systematisch zu untersuchen. Unterschie-de betreffen womöglich die Arten der Anweisung für die einzelnen Schritte oder die Dokumentation der Verfahren. Einige haben vielleicht standardmäßig ein Gespräch eingebaut, andere verzich-ten darauf.

Page 84: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

82

An einer hochschule in bremen haben Studiengangsverantwortliche die erfahrung gemacht, dass bei den Studierenden mit den klassischen fortbildungsabschlüssen meister und techniker in der regel größere unterschiede bei den mathematik-kenntnissen vorliegen. Wurden im rahmen der Ankom-Projekte ähnli-che erfahrungen gemacht, die sich dann auf die Anrechnungsverfahren auswirkten?

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass Mathematik kein Studienbereich ist, bei dem es um Anrechnung geht. Es studie-ren überhaupt nur sehr, sehr wenige Studierende mit beruflicher Ausbildung Mathematik oder Physik. Mathematik-kenntnisse sind aber in vielen anderen Studiengängen ein großes Thema, was damit zu tun hat, dass das Fach in vielen Studiengängen, zum Beispiel auch im Ingenieurstudium oder der Sozialen Arbeit wichtig ist, der letzte Mathematik-unterricht bei den Studierenden mit be-ruflicher Aus- und Fortbildung aber sehr oft schon länger zurückliegt. Auch eine Abiturientin, deren Schulabschluss fünf Jahre zurückliegt, steht vor ähnlichen Problemen wie ein Meister, der vor fünf Jahren seine Fortbildung absolviert hat.

In der Meisterfortbildung, so die Erfah-rung aus den ANKOM-Projekten, scheint es eine stärkere Spreizung der Inhalte und Lernergebnisse zu geben als in der Technikerfortbildung der Fachschulen. Die Meisterfortbildung von heute ist zudem nicht vergleichbar mit der von vor 15 Jahren. In einem ANKOM-Projekt hat die Prüfung für den Abschluss der Opto-metriemeisterin eine so große Varianz der Kompetenzen ergeben, sodass keine pauschale Anrechnung möglich gemacht werden konnte.

neben der möglicherweise unter-schiedlichen Ausrichtung von fort- und Weiterbildungen spielt es ja auch eine rolle, wie institutionen mit den ergebnissen der Anrech-nung umgehen. Wie weit sind unsere bundesländer darin, die bestehenden Anrechnungsmodelle mit gegenseiti-ger Anerkennung zu honorieren? im konkreten fall eines bremer berufs-pädagogischen Studiengangs wurden Absolventinnen in niedersachsen

Das Interesse an der Anwendung von Anrechnungsverfahren ist auch bei den Sozial- und Gesundheitsberufen groß. In den Sozialberufen hat es in den vergange-nen 10 bis 15 Jahren starke Akademisie-rungs- und Professionalisierungsprozesse gegeben. Viele neue Studiengänge im Bereich der Kindheitspädagogik und im Bereich Pflege und Gesundheit sind entstanden. Obschon es Schnittmengen zwischen verschiedenen Studienangebo-ten, zum Beispiel der Kindheitspädagogik gibt, werden Ergebnisse, die in einer Hochschule entwickelt wurden, nicht auf vergleichbare Studiengänge anderer Hochschulen übertragen. Der Spill-over-Effekt ist gering.

Nicht unerheblich ist bei der Anrech-nung, auf welches Niveau des Deutschen Qualifikationsrahmens die Aus- oder Weiterbildung eingeordnet wurde. Da die Erzieherinnenausbildung an Fachschu-len stattfindet, hat man den Abschluss im Deutschen Qualifikationsrahmen auf Stufe 6 angesiedelt; der Abschluss in der Gesundheits- und Krankenpflege gilt als Ausbildung und wurde entsprechend auf Niveau 4 eingeordnet. Die Einordnungen, die in Teilen auf politischen Entscheidun-gen und weniger auf wissenschaftlichen Untersuchungen gründen, haben somit großen Einfluss auf das Anrechnungsge-schehen.

Bei den technischen Studiengän-gen ist die Anrechnungspraxis meiner Wahrnehmung nach sehr stark abhängig von dem Engagement einzelner Hoch-schullehrender. So werden zum Beispiel in den Fächern Maschinenbau und Mechatronik an der Hochschule Aalen in Baden-Württemberg pauschale An-rechnungsmöglichkeiten für fachaffine Fortbildungsabschlüsse mit einschlägiger Berufserfahrung angewendet. Ein hohes Engagement hängt mitunter auch damit zusammen, dass es für manche staat-lichen Hochschulen einen Anreiz gibt, Bachelorstudiengänge für beruflich Qua-lifizierte als Weiterbildung anzubieten und eine Zielgruppe für weiterbildende und somit kostenpflichtige Studiengänge zu erschließen.

Page 85: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

83

noch eine frage dazu, die vielleicht für uns noch Zukunftsmusik ist. Wenn Studierende aufwendige individuelle Anrechnungsverfahren in kauf nehmen, welche möglich-keiten werden sie in Zukunft haben, darin auch non-formal und informell erworbene kompetenzen geltend zu machen?

Das ist eine berechtigte Frage. Die Anrechnung informell und non-formal erworbener Kompetenzen steckt an deut-schen Hochschulen immer noch in den Kinderschuhen. Sie erfordert aufseiten der Hochschule viel Know-how. Solange die Durchführung der Verfahren in der Hand der Hochschule bleibt und nicht zentralisiert wird, werden auch nur we-nige Hochschulen dazu in der Lage sein. Mit zunehmender Lebens- und Berufs-erfahrung, immer heterogener werden-den Lebensverläufen und kulturellen Herkünften steigt hingegen der Bedarf an Anrechnung informell und informal erworbenen Kompetenzen.

Das Interview wurde geführt von Susanne Hermeling

nicht für referendariate zugelassen, weil man in niedersachsen der An-sicht war, dass ihr Abschluss unvoll-ständig war, und zwar aufgrund der vorher erhaltenen Anrechnung von beruflich erworbenen kompetenzen auf die Studienleistungen. die konse-quenz war, dass die Absolventinnen die nach Ansicht der niedersächsi-schen behörde fehlenden kompeten-zen ›nachstudieren‹ mussten und der Studiengang in bremen die Anrech-nungsmöglichkeiten für weitere Jahrgänge deutlich eingeschränkt hat. Wie ist das zu bewerten?

Einen solchen Fall habe ich noch nie gehört. Möglicherweise gibt es bei der Einstellung in den Schuldienst in Nieder-sachsen besondere Anforderungen. Mir sind andere Fälle bekannt, in denen ver-schiedene rechtliche Ebenen in Konflikt miteinander geraten. Im Rahmen eines Programms der Robert Bosch Stiftung zum Beispiel haben deutsche Kranken-pflegekräfte im europäischen Ausland einen Masterabschluss erworben. Ihre Ausbildung wurde dort jeweils als Äqui-valent zum Bachelorabschluss anerkannt. In Deutschland wurden diese Absolven-tinnen dann nicht zur Promotion zuge-lassen, weil ihnen der Bachelorabschluss nach deutschem Recht fehlte. Auch eine Beschäftigung als wissenschaftlicher Mitarbeiter ist nicht möglich ohne Bache-lorabschluss.

möglicherweise stellt ein Wechsel der hochschule Studierende vor ähnliche Probleme?oder kann man darauf bauen, dass die aufnehmenden hochschulen vor-her angerechnete berufliche kompe-tenzen ebenfalls anerkennen?

Leider liegen uns über solche Fälle gar keine Daten oder Informationen vor. Meine Hypothese ist, dass es auch nicht so häufig zu Hochschulwechseln bei Studierenden mit beruflicher Ausbildung kommt. Im Prinzip wäre es aber nicht verwunderlich, wenn es Probleme gäbe. Denn die Anrechnung bezieht sich ja in der Regel nicht nur auf die ersten Semes-ter, sondern auf den gesamten Zeitraum des Studiengangs.

Literatur

❚ freitag, Walburga k. et al. (hrsg.):

Übergänge gestalten – Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung erhöhen, 2015. Online verfügbar www.ankom.dzhw.eu / publikationen / pdf / uebergaenge_gestalten.pdf (Zugriff 16.10.2015).

❚ freitag, Walburga katharina (2014):

Die Anrechnung außerhochschulisch erworbener Kompetenzen auf Hochschulstudiengänge – ein Beitrag zur Schaffung durchlässiger Bildungs- wege. In: Handbuch Qualität in Studium und Lehre 47 (G 3.2): S. 105–128.

❚ Arbeitsmaterialien zur Entwicklung, Umsetzung und Qualitätssicherung von Anrechnungsverfahren unter www.ankom.dzhw.eu / archiv

Page 86: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

84

die Quote der nicht traditionell Studie-renden in Deutschland im internationa-len Vergleich immer noch sehr niedrig und liegt lediglich zwischen zwei und drei Prozent.4 Auffällig ist auch, dass nicht traditionell Studierende bei ihrer Studienwahl wirtschafts- und sozialwis-senschaftliche Studienfächer gegenüber MINT-Fächern (das heißt Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) favorisieren.5 Eine Erklärung für die geringe Zahl von nicht traditionell Studierenden in naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen könnte die meist signifikante inhaltliche und theore-tische Diskrepanz zur beruflichen Aus- und Weiterbildung sein, denn in Bezug auf Inhalt und Niveau unterschei-den sich die MINT-Studiengänge deutli-cher von beruflichen Ausbildungsgängen als im wirtschaftswissenschaftlichen, sozialpädagogischen und pflegerischen Bereich.

Es ist deshalb von großem empiri-schen Interesse, herauszufinden, welche Erfahrungen diese Studierenden in tech-nisch ausgerichteten und berufsbeglei-tend organisierten universitären Studien-gängen machen. Welche Konsequenzen dies für die Konzeption und Durchfüh-rung solcher Studiengänge hat, wird am Beispiel des berufsbegleitenden Bache-lorstudiengangs ›Berufliche Bildung‹ mit den beruflichen Fachrichtungen Elek-trotechnik-Informationstechnik sowie Metalltechnik-Fahrzeugtechnik‹ gezeigt, der seit dem Wintersemester 2012 / 2013 an der Universität Bremen studiert wer-den kann und der sich insbesondere an nicht traditionelle Studierende richtet.6

Im ersten Teil dieses Aufsatzes wird zunächst der berufsbegleitend organi-sierte Studiengang ›Berufliche Bildung‹ vorgestellt. Im zweiten Teil werden aus-gewählte Ergebnisse der studiengangbe-

Einleitung

Die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung ist ein wichtiges Thema im Bildungsdiskurs des letzten Jahrzehnts. Dies dokumentieren nicht nur die Beschlüsse der Kultus-ministerkonferenz (KMK) zum Zugang beruflich Qualifizierter ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung1 und zur Anrechnung beruflicher Qualifikationen, die außerhalb des Hochschulwesens erworben wurden2, sondern auch eine Reihe hochschulpolitischer Initiativen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), die sich auf die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung richten.

Parallel zu diesen Entwicklungen und Initiativen hat sich im zurückliegen-den Jahrzehnt eine beinahe unübersicht-liche Anzahl von Studienformaten etabliert, die sich an Studieninteressen-ten mit beruflichem Hintergrund richten. Im Einzelnen wären hier berufsintegrierte oder praxisintegrierte duale Studiengänge,3 Fernstudiengänge, berufsbegleitende Studiengänge, die vornehmlich an Wochenenden und / oder Abenden stattfinden, oder Studienforma-te, die blockmäßig organisiert sind, zu nennen. Deren Adressaten sind vornehm-lich Absolventinnen und Absolventen beruflicher Ausbildungen und berufli-cher Weiterbildungsabschlüsse, wie zum Beispiel Meisterinnen und Meister und Technikerinnen und Techniker. Im wissenschaftlichen Diskurs werden diese Studierendengruppen, die nicht über die traditionelle Hochschulzugangsbe-rechtigung, also das Abitur verfügen, als nicht traditionell Studierende bezeich-net. Trotz der durch die KMK-Beschlüsse deutlich erweiterten Zugangsmöglichkei-ten zu Hochschulen und Universitäten ist

dr. cL AudiA fenZL dr. roL And tutSchner

Zur durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer bildung – Konzeption und Durchführung eines berufsbegleitenden Studiengangs an der Universität Bremen

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

Page 87: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

85

versucht, den Studienverlaufsplan so zu konzipieren, dass nur an einem oder eineinhalb Tagen pro Woche fachwissen-schaftliche Studienanteile, das heißt die Importveranstaltungen, auf dem Studien-plan stehen.

Das berufsbegleitende Studium führt nach sechs Semestern zum Bachelorab-schluss (Bachelor of Science, B. Sc.) als ersten Abschluss und bietet den Absol-venten anschließend die Möglichkeit, ein Masterstudium aufzunehmen (Lehramt an berufsbildenden Schulen / Master of Education oder Ingenieurwissenschaften / Master of Science).

Der berufsqualifizierende Abschluss des Bachelorstudiums zielt auf berufliche Tätigkeiten, die in den Feldern der Be-rufsausbildung und Personalentwicklung liegen. Als mögliche berufliche Beschäfti-gungsfelder können genannt werden: ❚ Koordination der betrieblichen Ausbil-

dung in Unternehmen oder in überbe-trieblichen Bildungseinrichtungen der Wirtschaft und der Kammern,

❚ Konzeption und Durchführung von Schulungsmaßnahmen, Maßnahmen der Anpassungsqualifizierung in Unter-nehmen sowie in Bildungseinrichtun-gen der Wirtschaft und der Kammern,

❚ Aus- und Fortbildungstätigkeiten an Bil-dungseinrichtungen der Wirtschaft und der Kammern (z. B. in überbetrieblichen Ausbildungsgängen, in der Meister-ausbildung, in der beruflichen Anpas-sungsfortbildung) sowie im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit,

❚ Beratungs- und Entwicklungstätigkeit in der Lehrmittelbranche (für Lehrbü-cher und Lehrmedien etc.).

Wird als Berufsziel das Lehramt an be-rufsbildenden Schulen gewählt, muss im Masterstudium das zweite Unterrichts-fach studiert werden.

Anrechnung beruflicher Lernergebnisse

Ein wichtiges Element des berufsbe-gleitenden Studiums im Studiengang ›Berufliche Bildung‹ ist die Anrechnung beruflicher Lernergebnisse. Wie die veränderte Zeitstruktur soll die Anrech-nung von beruflichen Lernergebnissen dazu beitragen, die doppelte Erbringung von Lernergebnissen zu vermeiden sowie das Studium für Akteure aus der berufli-chen Praxis attraktiver zu machen, den

gleitenden Evaluation präsentiert. Dabei wird aus den Erfahrungen mit den nicht traditionell Studierenden abgeleitet, vor welchen Herausforderungen die Organi-satoren und Lehrenden in einem solchen Studiengang stehen.

Der berufsbegleitende Studiengang ›Berufliche Bildung‹

Mit dem eingangs erwähnten Erlass der KMK von 2009 erhielten Absolventinnen und Absolventen beruflicher Aufstiegs-fortbildungen ohne Abitur eine allge-meine Hochschulzugangsberechtigung.7 Damit haben sich die Hochschulen formal für Meisterinnen und Meister, Technikerinnen und Techniker, Perso-nen mit gleichgestellten Abschlüssen sowie für beruflich Qualifizierte mit Berufserfahrung geöffnet. Zulassungs-voraussetzungen für das Studium sind demnach das Abitur, die Meisterprüfung, der Technikerabschluss sowie andere berufliche Weiterbildungsabschlüsse wie ›Technischer Fachwirt‹ und ›Technischer Betriebswirt‹. Auf diese Studierenden-gruppen mit beruflichem Hintergrund ist der seit dem Wintersemester 2012 / 13 akkreditierte berufsbegleitende Bachelor-studiengang ›Berufliche Bildung‹ vorwie-gend ausgerichtet.

berufsbegleitendes Veranstaltungsangebot

Um für Berufstätige attraktiv zu sein, muss der neue Studiengang neben einer beruflichen Vollzeittätigkeit berufsbe-gleitend studierbar sein. Deshalb wurde das Veranstaltungsangebot zeitlich so umstrukturiert, dass die Mehrzahl der Veranstaltungen am späten Nachmittag und in den frühen Abendstunden (16-20 Uhr) sowie in Blockveranstaltungen an Wochenenden studiert werden kann.

In die berufsbegleitende Zeitstruktur konnten einzelne fachwissenschaftliche Module, das heißt sogenannte Import-veranstaltungen, welche in den ingeni-eurwissenschaftlichen Fachbereichen stattfinden, eingebettet werden. Diese klassischen ingenieurwissenschaftlichen Pflichtveranstaltungen wie Mathematik und Technische Mechanik finden norma-lerweise zu den Kernstudierzeiten, also zwischen 8:00 und 16:00 Uhr statt und sind deshalb für berufsbegleitend Studie-rende kaum belegbar. Es wurde deshalb

Page 88: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

86

haben fünf Studierende die Fortbildung zu Berufspädagogen (IHK) erfolgreich abgeschlossen.

Auf eine weitere Besonderheit des berufsbegleitenden Studiengangs, die den Studierenden mit beruflichem Hin-tergrund entgegenkommt, soll an dieser Stelle eingegangen werden. Der Studien-gang wurde als ›Triales Modell‹ konzi-piert, welches in der ersten Projektphase des vom BMBF geförderten Projektes BP@KOM entwickelt und dessen universitäre Realisierung weiterhin durch das BMBF unterstützt wird. Das Studienmodell wird als ›Triales Modell‹ bezeichnet, da das Studium an drei Lernorten (Universität, Weiterbildungseinrichtung und Betrieb) stattfindet. Das bedeutet, dass Studien-leistungen sowohl an der Universität, bei kooperierenden Weiterbildungsträgern, wie dem HandWERK Bremen10 und dem bfw Oldenburg sowie in Betrieben (zum Beispiel über betriebliche Praxisprojek-te) erbracht werden können. Durch die Verknüpfung der drei Lernorte soll ein möglichst enger Bezug zur beruflichen Praxis hergestellt und aufrechterhalten werden. An der Universität und bei den Bildungsträgern werden jeweils Module angeboten, die Teil des regulären Studi-ums sind. An den sogenannten Projektse-minaren sind Betriebe sowie die Univer-sität beteiligt; die Verantwortung für die Leistungserbringung liegt aus sachlich-wissenschaftlichen und aus rechtlichen Gründen aufseiten der Universität.

Ergebnisse der Evaluation – Herausforderungen in Hinblick auf die Konzeption und Organisation des Studiengangs

Der Studiengang ›Berufliche Bildung‹ wird seit seiner Einführung im Jahr 2012 fortlaufend evaluiert. Hierbei werden neben den Studierenden selbst auch die Dozentinnen und Dozenten der Universi-tät sowie der kooperierenden Weiterbil-dungsträger befragt. Es kommen neben Einzel- und Gruppeninterviews auch Evaluationsworkshops und insbesondere studienbegleitend angelegte Fragebo-generhebungen (Panelerhebungen) zum Einsatz, bei denen die Studierenden über die Dauer ihres Studiums wiederholt befragt werden. Im Folgenden werden aus den Evaluationsergebnissen die Anforderungen, die an Konzeption und

Workload zu verringern und den Zugang zum Studium zu erleichtern.

Um die Anrechnungspotenziale zu er-mitteln, wurden nach dem Oldenburger Modell8 mithilfe des ›Module Level Indica-tor‹ (MLI) Äquivalenzvergleiche zwischen den Modulen des Studiengangs und den Veranstaltungen der beruflichen Fortbil-dungsabschlüsse Meister (Kfz-Technik), staatlich geprüfter Techniker (Maschinen-technik) und des Berufspädagogen (IHK) durchgeführt. Als Ergebnis der Äquiva-lenzvergleiche wurden folgende pauscha-le Anrechnungspotenziale ermittelt: ❚ Kfz-Meistern mit dem Studienschwer-

punkt Metall- und Kfz-Technik werden pauschal 15 CP (Kreditpunkte) ange-rechnet.

❚ Technikern, die den Schwerpunkt Maschinentechnik absolviert haben, werden im Studienschwerpunkt Me-tall- / Fahrzeugtechnik 22 CP pauschal angerechnet.

❚ Der Abschluss Geprüfte / r Berufspäd-agoge / in (IHK) wird mit 30 CP auf das Bachelorstudium angerechnet.

Neben der pauschalen Anrechnung von beruflichen Lernergebnissen auf ausge-wählte Studienmodule, wird auch die sogenannte individuelle Anrechnung, die über Portfolien und Fachgespräche zur Anrechnung von beruflichen Lerner-gebnissen führt, praktiziert. Durch die Kombination aus pauschaler und indivi-dueller Anrechnung kommen einzelne Meister aus dem Feld der Kfz-Technik auf eine Anrechnungssumme von über 30 CP, Techniker des Schwerpunkts Maschi-nentechnik haben ein Anrechnungs- volumen von über 50 CP erreicht.

besonderheiten des Studien- modells: zwei Abschlüsse und ›triales modell‹

Im Studiengang ›Berufliche Bildung‹ können zwei Abschlüsse erreicht werden, der Bachelor of Science sowie der Abschluss der Aufstiegsfortbildung Berufspädagoge (IHK). Der Fortbildungs-abschluss Berufspädagoge (IHK) kann erreicht werden, wenn Studierende des Studiengangs zwei der sechs Fort-bildungsmodule beim bfw Oldenburg9 absolvieren, am Modul zur Prüfungsvor-bereitung teilnehmen und die Abschluss-prüfung bei der IHK Oldenburg absol-vieren. Aus der ersten Studienkohorte

Page 89: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

87

Die hier typisiert dargestellten Gruppen von Studierenden sind demnach nicht nur in Hinblick auf ihre Hochschulzu-gangsberechtigung und ihre bisherigen Lern- und Berufserfahrungen heterogen. Sie sind in unterschiedlichen Lebens-phasen, tragen in verschiedenem Maße Verantwortung für andere, verbinden unterschiedliche Ziele und Lebensent-würfe mit ihrem Studium und organi-sieren ihr Leben in unterschiedlichen Zeitstrukturen. Eine solch heterogene Zielgruppe erfordert in Bezug auf die Studienorganisation und -konzeption eine hohe Flexibilität sowie ein hohes Maß an Information und Beratung und viel individuelle Betreuung.

Anpassung der Lehre an die neuen Veranstaltungszeiten

Vorlesungen und Seminare für berufs-begleitend Studierende durchzuführen, bedeutet nicht nur die organisatorische Verschiebung der Lehrveranstaltungen auf den Nachmittag. Zunächst gibt es eine Reihe von Widerständen gegen eine solche Verschiebung, da sie ungewohnt für die Lehrenden ist und weil ihr die Vollzeitstudierenden, als Mehrheit der Studierenden, ablehnend gegenüber-stehen. Dass die sogenannten Import-veranstaltungen aus den Ingenieur-wissenschaften nicht berufsbegleitend angeboten werden können, verschärft diese Situation noch, da zum Teil zwei-geteilte Studientage mit Vorlesungen am Vormittag und am Abend absolviert werden müssen. Den berufsbegleitend Studierenden wiederum bereitet die Teilnahme an Importveranstaltungen große Schwierigkeiten, da diese in der Regel vormittags, also zu ihren üblichen Arbeitszeiten stattfinden.

Eine besondere Herausforderung innerhalb der berufsbegleitend angebote-nen Lehrveranstaltungen ist die Anwen-dung geeigneter Lern- und Lehrmetho-den. Die berufsbegleitend Studierenden haben zu Beginn der Nachmittags- oder Abendveranstaltungen einen vollständi-gen Arbeitstag hinter sich und sind oft entsprechend erschöpft. Die Dozentin-nen und Dozenten beschreiben in den Interviews, dass sie daher stets versuchen, eine gute Balance aus aktivierenden und eher regenerativen Phasen herzustellen und dabei gleichzeitig die Heterogenität der Teilnehmenden zu berücksichtigen.

Organisation des berufsbegleitenden Stu-diengangs ›Berufliche Bildung‹ zu stellen sind, abgeleitet.

umgang mit einer heterogenen Zielgruppe

Von den 81 Studierenden, die zwischen den Wintersemestern 2012 / 2013 und 2014 / 2015 das Studium ›Berufliche Bildung‹ aufgenommen haben, besit-zen etwa zwei Drittel eine schulische Hochschulzugangsberechtigung, etwa die Hälfte dieser Abiturientinnen und Abiturienten hat darüber hinaus eine Berufsausbildung. Ein Drittel aller Stu-dierenden (24 Personen) sind beruflich Qualifizierte ohne schulische Hochschul-zugangsberechtigung. Diese nicht traditi-onell Studierenden sind vorwiegend mit einem Meisterabschluss an die Universi-tät gekommen (18 Personen), fünf sind staatlich geprüfte Techniker und eine weitere Person befindet sich nach einer Berufsausbildung im Probestudium.

Die Evaluationsergebnisse zeigen, dass sich nahezu alle Studierenden einem der folgenden drei Studierendentypen zuordnen lassen: ❚ Studierende mit traditionellem

hochschulzugang ohne berufserfah-rung sind in der Regel etwa 20 Jahre alt, studieren in Vollzeit und erfahren überwiegend finanzielle Unterstützung entweder durch Eltern oder BAföG. Viele haben einen Nebenjob.

❚ beruflich qualifizierte Studierende mit traditionellem hochschulzugang haben in der Regel nach dem Abitur eine Berufsausbildung gemacht. Sie sind in den mittleren Zwanzigern und studieren ebenfalls in Vollzeit. Sie sind ausschließlich für ihren eigenen Lebensunterhalt zuständig und finan-zieren diesen über BAföG, Rücklagen oder Nebenjobs.

❚ die nicht traditionell Studierenden sind in der Regel männlich. Sie sind etwa 40 Jahre alt und haben überwie-gend Familie, häufig mit mehreren Kindern. In vielen Fällen kommen finanzielle Verpflichtungen wie abzu-zahlendes Wohneigentum hinzu. Sie sind voll berufstätig, eine Reduzierung der Erwerbstätigkeit kommt aufgrund der finanziellen Verantwortung für die Familien nicht infrage.

Page 90: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

88

Ähnliches gilt für Blockveranstaltungen am Wochenende, die anders zu konzipie-ren sind als wöchentlich stattfindende Seminare.

umgang mit unterschiedlichen Vorkenntnissen zu Studienbeginn

Die Vorläufer des Studiengangs ›Beruf-liche Bildung‹ waren konzeptionell auf den Kenntnisstand von Abiturientinnen und Abiturienten ausgerichtet – dies gilt letztlich trotz der zusätzlichen Zielgruppe auch für das Curriculum und den Standard-Studienverlauf des aktuellen Studiengangs. Einerseits ver-fügen die beruflich Qualifizierten über viele Erfahrungen in Hinblick auf ihr Berufsbild und die Fachrichtung ihres Studiengangs, andererseits bringen sie weit weniger Wissen und Kompetenzen aus ihrer Schulzeit mit, die zudem oft noch viele Jahre zurückliegt. Diesen Voraussetzungen wird durch die bereits beschriebenen Angebote der pauschalen und individuellen Anrechnung beruf- licher Lernergebnisse Rechnung getra-gen. Dort, wo den nicht traditionell Stu-dierenden Vorkenntnisse fehlen, müssen im Studium Unterstützungsmaßnahmen angeboten werden. Zur Identifikation der signifikantesten Schwierigkeiten wurden daher die Studierenden nach ihrer Selbsteinschätzung sowie nach ›Hürdenfächern‹ befragt. Ergänzt wurde dies durch die Einschätzung der Lehren-den. Die nicht traditionell Studierenden selbst benannten einerseits die ingenieur-wissenschaftlichen Veranstaltungen als Hürdenfächer, allen voran das Fach Ma-thematik, andererseits sahen sie Schwie-rigkeiten im Umgang mit Texten, sowohl beim Lesen wissenschaftlicher Texte als auch beim Schreiben eigener Arbeiten. Die Dozentinnen und Dozenten ergänz-ten diese Selbsteinschätzung noch durch den Aspekt, dass es den nicht traditionell Studierenden schwerfiele, Sachverhalte aus mehreren Perspektiven zu betrachten und infrage zu stellen sowie nicht ein-deutige Ergebnisse zu akzeptieren.

Um diese Schwierigkeiten zu meistern, wurden zwei Brückenkurse etabliert: ein Vorbereitungskurs zu mathematischen Grundlagen sowie ein Kurs zur ›Einfüh-rung in das wissenschaftliche Arbeiten‹. Das Curriculum des Brückenkurses ›Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten‹ ist seit seiner Implementierung

immer wieder angepasst und stärker auf die Zielgruppe der nicht traditionell Studierenden zugeschnitten worden. In Hinblick auf das Fach Mathematik zeigte sich jedoch, dass der Brückenkurs trotz vieler Teilnehmender und guter Bewertung nicht ausreichte, um die Stu-dierenden auf die Importveranstaltung ›Mathematik I‹ in den ingenieurwissen-schaftlichen Fachbereichen vorzuberei-ten, die Durchfallquote insbesondere der nicht traditionell Studierenden blieb hoch. Hierbei spielte unter anderem eine Rolle, dass der Dozent einer Mathema-tikveranstaltung für Produktionstechnik und Wirtschaftsingenieurwesen kaum die Möglichkeit hat, auf die Besonder-heiten einer kleinen Teilgruppe von Studierenden der ›Beruflichen Bildung‹ einzugehen. Mittlerweile werden Erfahrungen mit einem eigenen Ma-thematikangebot, bestehend aus den Veranstaltungen ›Grundlagen der Mathe-matik‹ und ›Mathematik I‹ innerhalb des Studiengangs gesammelt. Es stellt sich der Herausforderung, einerseits Teilneh-mende mit unterschiedlichen Vorkennt-nissen zu berücksichtigen, andererseits ein maßgeschneidertes Curriculum für angehende Berufsschullehrer in techni-schen Fächern umzusetzen.

umgang mit beruflich geprägten denk- und Arbeitsweisen

Insbesondere für die nicht traditionell Studierenden sind die wissenschaftlichen Denk- und Arbeitsweisen an der Univer-sität in der Regel eine neue Herausfor-derung. Bereits die Selbstorganisation des Studiums, zum Beispiel die Zusam-menstellung des eigenen Studienplans oder die Anmeldung zur Prüfung fällt ihnen zu Studienbeginn relativ schwer. Sich den eigenen Lernprozess selbst zu strukturieren, wissenschaftliche Texte auf Grundlage einer eigenen Frage-stellung auszuwählen oder mit unter-schiedlichen Zugängen zu einem Thema zurechtzukommen, bleibt während des gesamten Bachelorstudiums eine große Herausforderung. Auch beim Erstellen eigener wissenschaftlicher Arbeiten fällt es den nicht traditionell Studierenden schwer, geeignete Fragestellungen zu ent-wickeln, mit unterschiedlichen Quellen umzugehen oder den Text entsprechend wissenschaftlicher Konventionen zu strukturieren. Erste Bachelorarbeiten

Page 91: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

89

nicht traditionell Studierender der ersten Kohorte lassen vermuten, dass sechs Semester des Bachelorstudiums nicht ausreichen, um den Umgang mit wissen-schaftlichen Denk- und Arbeitsweisen ausreichend zu üben.

Für die Dozentinnen und Dozenten als Lehrende und Prüfende resultiert hieraus eine besondere Anforderung. Während sie einerseits berichten, dass die Lehrver-anstaltungen selbst durch die berufliche Erfahrung der nicht traditionell Studie-renden bereichert werden, sind universi-täre Prüfungen, Abschlussarbeiten und Bewertungen auf akademische Maßstäbe ausgerichtet. Es ist demnach Aufgabe der Dozentinnen und Dozenten, den beruf-lich Qualifizierten einen Übergang zu wissenschaftlichen Denk- und Arbeitswei-sen zu ermöglichen und gegebenenfalls zu erleichtern.

Angebot einer individuellen Studienberatung

Trotz der bisher benannten Belastungen und Herausforderungen, mit denen nicht traditionell Studierende im Studiengang ›Berufliche Bildung‹ konfrontiert sind, studiert der größte Teil dieser Gruppe erfolgreich. So ist zum einen die Abbre-cherquote dieser Studierendengruppe ge-ringer als die der traditionell Studieren-den und es ist trotz der hohen Belastung durch Erwerbsarbeit, Familie und Stu-dium zwei beruflich Qualifizierten der ersten Kohorte gelungen, ihr Bachelor-studium innerhalb der Regelstudienzeit abzuschließen. Mit günstigen Rahmenbe-dingungen und geeigneten Studienstra-tegien ist ein erfolgreiches Studium also auch für nicht traditionell Studierende möglich. Im Rahmen der Evaluation des Studiengangs wird versucht, diese Rahmenbedingungen und Strategien zu identifizieren. Es zeichnet sich bereits ab, dass eine unterstützende Haltung des Arbeitgebers und der Familie, geeignete Arbeitszeitmodelle sowie eine gegenseiti-ge Unterstützung der Studierenden von Bedeutung sind.

Solche Erfahrungen sollen Studienin-teressierten und Studienanfängerinnen und Studienanfängern frühzeitig ver-fügbar gemacht werden. Hierzu werden geeignete Konzepte für eine Studienbera-tung entwickelt, die die interindividuell unterschiedlichen Rahmenbedingungen und (Berufs-)Biografien insbesondere der

nicht traditionell Studierenden berück-sichtigt.

Fazit

Am Beispiel des berufsbegleitend organi-sierten Studiengangs ›Berufliche Bildung‹ der Universität Bremen wurde gezeigt, mit welchen besonderen Herausforde-rungen nicht traditionell Studierende im Universitätsstudium konfrontiert sind und welche Konsequenzen dies für die Konzeption und Durchführung eines berufsbegleitenden technischen Studien-gangs haben muss. Neben organisatori-schen Elementen wie der berufsbegleiten-den Zeitstruktur des Studiums oder der Anrechnung beruflicher Lernergebnisse auf das Studium wurden weitere Bedin-gungen identifiziert, die für den Studie-nerfolg nicht traditionell Studierender von Bedeutung sind. Im Einzelnen sind dies auf den spezifischen Wissensstand von Studierenden mit beruflichem Hintergrund zugeschnittene Brückenkur-se in Hürdenfächern wie zum Beispiel Mathematik, die intensive Beschäftigung mit universitären Arbeits- und Denk-weisen zu Beginn des Studiums und auf die heterogene Zusammensetzung der Studierendengruppen ausgerichtete didaktische und curriculare Konzepte. Darüber hinaus benötigen nicht traditi-onell Studierende Angebote individuell zugeschnittener Studienberatung sowie eine intensive beratende Unterstützung in den ersten Studiensemestern, um sich schneller im neuen universitären Umfeld zurechtzufinden.

1 Vgl. KMK (2009).

2 Vgl. KMK (2002).

3 Vgl. Wissenschaftsrat (2013).

4 Vgl. Dahm / Kerst (2013).

5 Vgl. Baethge u. a. ( 2014).

6 Die Umstellung des Studiengangs auf

die berufsbegleitende Struktur sowie

prozessbegleitende Evaluation wird

über das Projekt BP@KOM durch das

BMBF gefördert. Unterstützt wird die

Implementierung der berufsbegleitenden

Studienstruktur auch von der Bremer

Initiative ›Offene Hochschulen‹.

7 Vgl. KMK (2009).

8 Vgl. Müskens / Tutschner / Wittig (2009).

9 Berufsfortbildungswerk Gemeinnützige

Bildungseinrichtung des DGB GmbH

(bfw).

10 Das HandWERK ist das Kompetenz-

zentrum der Handwerkskammer Bremen.

Page 92: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

90

❚ baethge, martin u. a. (2014):

Zur neuen Konstellation zwischen Hochschulbildung und Berufsausbildung. Forum Hochschule 3 / 2014. DZHW.

❚ dahm, günther / kerst, christian (2013):

Immer noch eine Ausnahme – nicht-traditionelle Studierende an deutschen Hochschulen. In: ZBS 2 / 2013, S. 34–39.

❚ kmk – kultusminister-

konferenz (2002):

Anrechnung von außerhalb des Hochschulwesens erworbenen Kenntnissen und Fertigkeiten auf ein Hochschulstudium. Beschluss der Kultus- ministerkonferenz vom 28.6.2002. Online-Zugriff: www.kmk.org / fileadmin / pdf / ZAB / Hochschulzugang_Beschluesse_der_KMK / AnrechaussHochschule.pdf (22.8.2015).

❚ kmk – kultusminister-

konferenz (2009):

Hochschulzugang für beruflich qualifizierte Bewerber ohne schulische Hochschulzugangs- berechtigung. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 06.03.2009. Online-Zugriff: www.kmk.org / fileadmin / veroeffentlichungen_beschluesse / 2009 / 2009_03_06-Hochschulzugang-erful- qualifizierte-Bewerber.pdf (22.8.2015).

❚ müskens, Wolfgang / tutschner, roland /

Wittig, Wolfgang (2009):

Improving Permeability through Equivalence Checks: an Example from Mechanical Engineering in Germany. In: Tutschner, Roland / Wittig, Wolfgang / Rami, Justin (eds.) (2009): Impuls Band 38. Heraus- geber: Nationale Agentur Bildung für Europa beim Bundesinstitut für Berufsbildung, S. 10–33.

❚ Wissenschaftsrat (2013):

Empfehlungen zur Entwicklung des Dualen Studiums, S. 9. Online-Zugriff: www.wissenschaftsrat.de / download / archiv / 3479-13.pdf (22.8.2015).

Literatur

Page 93: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

91

Arbeits- und Freizeit sowie zwischen Arbeitsmitteln und privaten Ressourcen wird für die Beschäftigten nicht zuletzt durch betriebliche Rahmenbedingungen, wie Vertrauensarbeitszeit oder mobiles Arbeiten, immer schwieriger.2 Die zuneh-mende Komplexität von Arbeitsprozessen erfordert zudem, dass sich Beschäftigte kontinuierlich – und ein Leben lang – weiterbilden, um so beschäftigungsfähig zu bleiben. Ein ausgewogenes Gleichge-wicht zwischen diesen drei Bereichen – im Sinne einer Work-Learn-Life-Balance – herzustellen und zu erhalten, ist eine der zentralen gesellschaftlichen, betrieb-lichen und individuellen Herausforde-rungen moderner Arbeitsgestaltung und -politik.

Vor diesem Hintergrund untersuchte das interdisziplinäre Forschungs- und Praxisprojekt ›Arbeiten – Lernen – Leben in der Wissensarbeit‹ (ALLWiss) im Zeit-raum von August 2009 bis April 2013 die Vereinbarkeit von Arbeiten, Lernen und Leben in der Wissensarbeit und prägte den Begriff der Work-Learn-Life-Balance (WLLB). Das ALLWiss-Projekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert. Ein interdisziplinäres Team der Berufs- und Betriebspädagogik, der Betriebs-wirtschaftslehre und der Arbeits- und Organisationspsychologie untersuchte in Zusammenarbeit mit Unternehmen aus der IT-Branche die vielfältigen Heraus-forderungen bezüglich des Themen-komplexes Work-Learn-Life-Balance und entwickelte praxisorientierte Lösungen für die Erhaltung des Gleichgewichts der Bereiche Arbeit – Lernen – Leben. Im Fokus standen❚ die Suche nach Faktoren, die eine Balan-

ce der drei Bereiche fördern beziehungs-weise deren Imbalance verhindern;

❚ die Ermittlung von individuellen, sozi-alen und organisationalen Handlungs-

in aller kürze:Die Vereinbarkeit der drei Bereiche Arbeit, Lernen und Leben spielt mit Blick auf die gesamtgesellschaftlichen Entwicklungsprozesse (zum Beispiel Demografie, Fachkräftesicherung, Veränderungen im Bildungssystem etc.) in vielen verschiedenen Feldern eine zentrale Rolle, so beispielsweise auch im Rahmen des berufsbegleitenden Studie-rens. Im folgenden Beitrag wird auf Basis der Ergebnisse eines vom Bundesministe-rium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungs- und Praxispro-jekts (ALLWiss) die Vereinbarkeit der Trias Arbeiten – Lernen – Leben aus betriebli-cher Perspektive fokussiert. Es wird die Entwicklung von der Work-Life- zu der Work-Learn-Life-Balance (WLLB) skizziert und daraus abgeleitete Balance fördernde Instrumente vorgestellt. Ziel des Beitrags ist es, deutlich zu machen, dass WLLB ein Thema ist, welches nicht ausschließ-lich aus individueller, sondern auch aus betrieblicher Perspektive zu gestalten ist. Dies gilt im Besonderen dann, wenn Beschäftigte einer langfristig angelegten Weiterbildung (zum Beispiel einem be-rufsbegleitenden Studium) nachgehen.

Arbeiten – Lernen – Leben in der Wissensarbeit – das Projekt ALLWiss

Durch Veränderungen in der Arbeits-welt, demografische Entwicklungen und gewandelte Lebensmodelle haben sich tief greifende Veränderungsprozesse in den Sphären Arbeiten, Lernen und Leben ergeben. Als Folge dessen werden Beschäf-tigte mit sehr unterschiedlichen Verein-barkeitsproblematiken konfrontiert: Mit den modernen Arbeitsstrukturen gehen verstärkte Anforderungen an Selbststeue-rung, Selbstkontrolle und Selbstvermark-tung der eigenen Arbeitskraft einher.1 Eine klare Grenzziehung zwischen

dr. JuLiA k. groneWoLd StefAnie hieStAnd

Arbeiten, Lernen und Leben in balance?! Instrumente für Betriebe zur Verbesserung der Life-Learn-Work-Balance

Studie

Page 94: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

92

Arbeit. So werden beispielsweise auch in der Freizeit arbeitsbezogene Ideen gesam-melt sowie berufliche E-Mails gelesen und bearbeitet. Grenzziehungen zwischen Arbeits- und Freizeit sowie zwischen Arbeits- und Wohnort erodieren.4

In Bezug auf das Lernen kann für moderne Arbeit, die wissensintensiv und komplex ist, festgestellt werden, dass Beschäftigte das Lernen als integralen Bestandteil ihrer Arbeit betrachten. Für sie ist es Voraussetzung und Herausfor-derung zugleich: Einerseits wird Lernen mit Arbeiten gleichgesetzt, andererseits besteht die Notwendigkeit, zwischen Lern- und Arbeitsprozess zu differenzie-ren.5 Dies ist vor allem dann der Fall, wenn Beschäftigte berufsbegleitend studieren, denn das Studium findet in der Regel außerhalb des Arbeitsortes statt. Dennoch sind berufsbegleitende Studiengänge häufig durch eine starke Praxisorientierung gekennzeichnet, sodass wiederum eine Nähe zur Arbeits-tätigkeit entstehen kann. Die aktive und bewusste Gestaltung der Lernprozesse in und außerhalb des Betriebes ist somit ohne eine persönliche Systematisierung des Prozesses schwierig.6

Moderne Arbeit bringt in ihrer Struk-tur (zum Beispiel durch große Hand-lungsspielräume) zwar grundsätzlich förderliche Voraussetzungen für das Ler-nen mit, jedoch resultieren daraus auch Lernhindernisse. Beispielsweise besteht häufig keine ausreichende Verknüpfung von formellem und informellem Lernen sowie eine mangelnde Eindeutigkeit zwi-schen Arbeits- und Lernorganisationsfor-men.7 Diese drückt sich einerseits in dem Verhältnis von Arbeiten und Lernen aus, wie dies eine befragte Person im ALLWiss-Projekt formuliert:›In der Zeit, wenn sie neue Dinge lernen,

können sie nicht arbeiten! Weil da ler-nen sie ja! Das ist schon immer ein Pro-blem, seinem Vorgesetzten klarzuma-chen, okay, es ist hier jetzt einfach mal Zeit, in was Neues zu investieren, sei es, dass man sich 14 Tage mal was Neues anschaut. Das ist schon ein Punkt, der schwierig ist. Weil 14 Tage kriegen sie nicht so ohne Weiteres. Das sind 14 Tage, die sie nicht produktiv sind, son-dern nur kosten‹ (05TMK, S. 23).

Andererseits wird eine stärkere Organi-sation und Strukturierung von Arbeiten und Lernen gefordert:

strategien zur Aufrechterhaltung dieser Balance

❚ sowie die Entwicklung von Instrumen-ten und Gestaltungshilfen für die unter-nehmerische Praxis, die eine verbesserte Vereinbarkeit der Trias ermöglichen sollen.

Im Rahmen des Projekts wurde die WLLB-Thematik vor allem in Hinsicht auf kleine und mittelständische Unterneh-men diskutiert. Diese Fokussierung war Voraussetzung und Ziel des Projekts, das angesichts der oben genannten Verände-rungen in der Arbeitswelt einen Beitrag zur Stärkung und Weiterentwicklung personalentwicklungsrelevanter Themen leisten wollte. Im Kontext der Vereinbar-keitsthematik rücken auch andere Felder in den Fokus: Beispielsweise können Personalentwicklungsabteilungen und Betriebe im Rahmen des berufsbegleiten-den Studierens zu Kooperationspartnern von Hochschulen werden; dann gilt es, das berufsbegleitende Studium, im Sinne einer betrieblichen Personalent-wicklungsmaßnahme, in die Weiterent-wicklung des jeweiligen Beschäftigten sinnvoll, das heißt WLLB-orientiert, zu integrieren.

Von der Work-Life- zu einer Work-Learn-Life-Balance

Die gegenwärtig stattfindenden Verän-derungen von Arbeit, wie zum Beispiel Subjektivierung und Digitalisierung von Arbeit, bedingen eine zunehmende Auflösung beziehungsweise Entgrenzung von Strukturen betrieblich organisierter Arbeit. Neue Kooperationsformen, wie enthierarchisiertes und projektorientier-tes Arbeiten in abteilungsübergreifenden Gruppen und eine selbstverantwortliche Arbeits- und Lerngestaltung sind die Folge. Dies hat wiederum Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen, die oftmals durch Ad-hoc-Aufgaben und geringe Standardisierung gekennzeichnet sind. Statistiken des Gesundheitswesens zeigen zudem, dass in den letzten Jahren vor allem psychische Belastungen, die auf arbeitsbezogenen Stress zurückzuführen sind, stetig zugenommen haben.3 Als eine zentrale Stressquelle erweist sich die ständige Erreichbarkeit und die damit einhergehende Auflösung der Grenzen zwischen den Sphären Privatleben und

Page 95: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

93

keit von Arbeiten und Leben auch um die Vereinbarkeit von Arbeiten und Lernen geht. Betriebe sind in dieser Hinsicht gefordert Strukturen bereitzustellen, die die Vereinbarkeit von Arbeiten, Lernen und Leben ermöglichen. Vor diesem Hintergrund kann es in der modernen Arbeit nicht mehr nur um eine Work-Life-, sondern um eine Work-Learn- Life-Balance gehen.

Das WLLB-Rahmenmodell

Das WLLB-Rahmenmodell basiert auf dem Job-Demands-Resources-Modell.10 Das Modell bietet in seiner ursprüngli-chen Version zum einen die Möglichkeit, das vorhandene Potenzial sinnerfüllter, persönlichkeitsförderlicher und inno-vationsförderlicher Wissensarbeit zu nutzen. Zum anderen können damit die aus Überforderung und Belastung her-vorgehenden destabilisierenden Risiken für Beschäftigte und Unternehmen in wissensintensiven Branchen deutlich gemacht werden, um dadurch eine Vermeidung eben jener Risiken zu errei-chen. Im Rahmen des ALLWiss-Projekts wurde das Job-Demands-Resource-Modell um Aspekte des beruflichen Lernens und Privatlebens erweitert sowie um die Work-Learn-Life-Handlungsstrategien und -Maßnahmen ergänzt.11 Das WLLB-Rahmenmodell bietet damit einen Erklärungsansatz, wie eine ausgewogene Work-Learn-Life-Balance gelingen kann.

Folgende Abbildung veranschaulicht das WLLB-Rahmenmodell:

›Ich würde mir eine Person wünschen oder eine ganze Abteilung wünschen, die dann nichts anderes macht, wie das ganze Jahr über alle Funktionen im Haus, angefangen vom Chef, der muss genauso lernen, bis zum kleinsten Mitarbeiter in der Logistik alles im Blick hält.‹ (02SGJ, S. 14).

Hinsichtlich Beschäftigter, die parallel zu ihrer Berufstätigkeit einem Studium nachgehen, trifft diese Schwierigkeit in besonderem Maße zu. Sie benötigen orga-nisationale Strukturen und Prozesse, die Zeit für ein reflektiertes Lernen und Ar-beiten bieten und ermöglichen.8 Zeit für bewusstes Lernen, was ein ausdrückliches Zurückziehen aus der Arbeitstätigkeit be-dingt, ist jedoch häufig nicht vorhanden. Darüber hinaus spielt die ökonomische Nutzbarmachung eine zentrale Rolle: Der Erfolg eines Lernprozesses stellt sich für die Organisation erst dann ein, wenn ein Nutzen in Bezug auf die ökonomischen Interessen generiert wird. Ein berufsbe-gleitendes Studium ist jedoch auf einen längeren Zeitraum ausgelegt, sodass sich der Nutzen daraus für den Betrieb erst zu einem späteren Zeitpunkt ergibt. Die Zeit als beeinträchtigender Faktor sowie das Paradigma der betrieblichen Verwert-barkeit des Lernens kristallisieren sich somit als zentrale Herausforderungen im Zusammenhang mit Lernen und Arbeiten in der modernen Arbeit heraus.9

Die beschriebenen Entgrenzungsten-denzen machen deutlich, dass das Lernen in der Arbeit einen zentralen Stellenwert einnimmt und es neben der Vereinbar-

Quelle: Vgl. Antoni et al. (2014), S. 108

Abb. 1: WLLb-rahmenmodell

Anforderungen / Belastungen ArbeitLernen(Privat-)Leben

Ressourcen ArbeitLernen(Privat-)Leben

WLLb-handlungsstrategien / maßnahmen

Auswirkungen (Individuum) BefindenEinstellungVerhalten

Page 96: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

94

❚ WLLB-Typ I – strikte Trennung❚ WLLB-Typ II – kleine Überschneidungen❚ WLLB-Typ III – große Überschneidungen❚ WLLB-Typ IV – völlige Überschneidung

Die verschiedenen Typen zeigen, dass WLLB kein starrer Zustand ist, sondern als dynamischer Prozess zu verstehen und zu gestalten ist. In Abhängigkeit bestimmter Faktoren, wie zum Beispiel Dauer der Betriebszugehörigkeit, Karrie-re- und Lebensplanungen, Identifikation mit Unternehmen, haben die Personen des jeweiligen Typus unterschiedlichste Strategien zur Erhaltung ihrer WLLB entwickelt – von einer strikten Trennung bis hin zu einer völligen Entgrenzung der drei Bereiche.14 Die Typisierung liefert für die betriebliche Praxis erste Handlungsansätze, da diese Strategien sowohl individuell als auch sozial oder organisational angelegt sind15 und damit in der betrieblichen Ablauf- und Organi-sationsstruktur Berücksichtigung finden können. Zudem dient die Typisierung als Reflexionsbasis für Personalent-wicklungsinstrumente, wie Trainings, Workshops und Mitarbeiter- und Zielver-einbarungsgespräche.

Darüber hinaus wurden in dem Pro-jekt ALLWiss zur konkreten Gestaltung gemeinsam mit den Akteuren in den Unternehmen verschiedene Instrumente zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Arbeit, Lernen und Leben entwickelt, die auf unterschiedlichen Ebenen und mit unterschiedlichen Intentionen anset-zen.16

Der WLLB-UnternehmensCheck

Der WLLB-UnternehmensCheck kann als strukturiertes beziehungsweise standardisiertes Befragungsinstrument eingesetzt werden, um herauszufinden, wie die Vereinbarkeit von Arbeit, Lernen und Privatleben im Unternehmen aktuell eingeschätzt wird. Der WLLB-Unterneh-mensCheck macht deutlich, was sich in Bezug auf die WLLB der Beschäftigten als förderlich und was sich als hinderlich erweist. Das Instrument kann sowohl zur Einzelbefragung (Führungskräfte, Mitar-beiter, Betriebs- oder Personalrat) als auch zur Befragung von Gruppen oder für das gesamte Unternehmen eingesetzt wer-den. Zudem bietet es sich als ›Einstiegs-

Im Modell wird ersichtlich, dass die WLLB-Handlungsstrategien und -Maßnah-men die Anforderungen und Ressourcen der einzelnen Beschäftigten beeinflussen und letztlich Auswirkungen auf das Befinden, die Einstellungen und das Verhalten des Individuums haben. Da der Einzelne innerhalb der Organisation in Arbeitsgruppen, Teams oder Abtei-lungen agiert, beeinflussen die WLLB-Handlungsstrategien und -Maßnahmen indirekt auch die Arbeitsgruppen und haben letztlich auch Auswirkungen auf die Organisation als Ganzes. Dies gilt sowohl für individuelle WLLB-Handlungs-strategien als auch für organisationale WLLB-Instrumente und -Maßnahmen.12 Es wird deutlich, dass es um das komplexe Zusammenspiel verschiedener Dimensio-nen geht: Arbeits-, Lern- und Lebenszeit, Leistung und Anerkennung, Anforde-rungen und Kompetenzen, Belastungen und Ressourcen. Daraus folgt: WLLB ist kein Zustand, sondern ein dynamisches Verhältnis, in das Veränderungen und Flexibilitätserfordernisse der Arbeitswelt, aber auch der privaten Lebenswelt und des individuellen Lernens eingehen. Die-ses Verhältnis muss immer wieder neu justiert werden.

Work-Learn-Life-Balance in der betrieblichen Praxis – Instrumente und Gestaltungshilfen

Die Vereinbarkeit der drei Bereiche ist nicht eindimensional zu betrachten, da es durch die vielgestaltigen Formen von Arbeit, Lebensentwürfen und Lernbiogra-fien zu den unterschiedlichsten Konstel-lationen der Bereiche Arbeiten, Lernen und Leben kommen kann. Ein Beschäf-tigter, der beispielsweise ein berufsbe-gleitendes Studium aufgenommen hat, wird andere Strategien der Vereinbarkeit favorisieren, als ein Beschäftigter, wel-cher gerade eine Familie gegründet hat oder einer Pflegetätigkeit im Privatleben nachkommen muss. Balance wird also subjektiv sehr unterschiedlich bewertet und ist abhängig von der jeweiligen Lebensphase oder -situation.13 Vor diesem Hintergrund konnten im Rahmen des ALLWiss-Projekts folgende vier unter-schiedliche Work-Learn-Life-Balance-Typen analysiert werden:

Page 97: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

95

barkeit von Arbeit, Lernen und (Privat-)Leben der Beschäftigten beitragen? Welche Prozesse, Hilfsmittel etc. gibt es Ihrer Kenntnis nach in Ihrem Unterneh-men hinsichtlich der besseren Verein-barkeit von Arbeit, Lernen und (Privat-) Leben der Beschäftigten?

Die Auswertung der Ist-Situation erfolgt elektronisch, wobei das Ergebnis in Form eines Ampelsystems dargestellt wird.17

Die WLLB-Teamanalyse

Die WLLB-Teamanalyse ist ein beteili-gungsorientiertes Verfahren, bei dem die Beschäftigten Ursachen und Lösungs-strategien für WLLB-Probleme erörtern. Durch die Teamanalyse werden zum Beispiel Stressfaktoren in der Arbeit, Pro-bleme mit ›Werkzeugen‹ in der täglichen Arbeit, Faktoren der Arbeitsplatz(un)zufriedenheit oder Faktoren, die zu einer Imbalance von Arbeit, Lernen und Privat-leben führen, beschrieben und analysiert. Ziel ist es, dass Unternehmen dieses Ins- trument auch zur betrieblichen Orga-nisationsentwicklung nutzen können. Daher wurden im Rahmen des ALLWiss-Projektes Beschäftigte zu Moderatoren ausgebildet, die die einzelnen Workshops über die Projektlaufzeit hinaus anleiten und begleiten. Die WLLB-Teamanalyse kann sowohl ›prophylaktisch‹ als auch ›kurativ‹ in Teams eingesetzt werden. Sie gliedert sich in fünf moderierte Work-shops:

instrument‹ an, um sich dem Thema WLLB systematisch zu nähern. Auf Basis der Ergebnisse des UnternehmensChecks kann dann entschieden werden, ob im nächsten Schritt beispielsweise eine WLLB-Teamanalyse durchgeführt wird.

Die Fragen des UnternehmensChecks orientieren sich❚ am WLLB-Status (also an den aktuellen

Konstellationen und Herausforderun-gen). Hier wird zum Beispiel gefragt: Welche besonderen WLLB-Konstella-tionen gibt es Ihrer Meinung nach in Ihrem Unternehmen? Wie erleben die Beschäftigten Ihrer Meinung nach die Auswirkungen der Vereinbarkeitsanfor-derungen von Arbeit, Lernen (berufliche Weiterbildung / Entwicklung) und (Privat-)Leben in Ihrem Unternehmen?

❚ an den WLLB-Ursachen (das heißt an den wahrgenommenen Belastungen und Ressourcen). Beispielsweise wird gefragt: Welche Anforderungen stellen Arbeit, Lernen / berufliche Entwicklung und (Privat-)Leben und deren Vereinbar-keit Ihrer Meinung nach an die Beschäf-tigten? Über welche Mittel (individuell, Team, Unternehmen) verfügen die Beschäftigten Ihrer Meinung nach, um Vereinbarkeit herzustellen?

❚ und an der WLLB-Ausstattung (das heißt an vorhandenen und genutzten Maß-nahmen, Lösungen und Veränderungs-prozessen). Beispielfragen für diesen Bereich lauten: Welche Maßnahmen gibt es Ihrer Kenntnis nach in Ihrem Unternehmen, die zur besseren Verein-

Abb. 2: teamanalyseworkshops

5. WS4. WS3. WS2. WS1. WS

Matrix Scoring Folgen/Ursachenanalyse

Lösungsfindung Lösungsumsetzung Evaluation

Quelle: Eigene Darstellung

Page 98: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

96

Lernprozesse, da auf diese Weise implizite Erfahrungen bewusst werden und für zukünftige Arbeitshandlungen nutzbar werden. Zudem stößt diese kollektive Reflexion eine verbesserte und effektive Kommunikation innerhalb des Teams an.

Das WLLB-Mitarbeitergespräch

Für das WLLB-Mitarbeitergespräch wurde ein WLLB-basierter Fragenkatalog entwi-ckelt, der als Grundlage für Mitarbeiter-gespräche in der Personalentwicklung eingesetzt wird. Der Fragenkatalog kann für unterschiedlichste Gespräche (Beur-teilungs-, Entwicklungs- und Zielverein-barungsgespräche) eingesetzt werden. Ziel ist jedoch immer, dass die Fragen aus dem WLLB-Fragenkatalog auf eine indi-viduelle und angemessene Vereinbarkeit der Bereiche Arbeiten, Lernen und Leben gerichtet sind, um dadurch die Reflexion über die persönliche Work-Learn-Life-Balance anzustoßen.19 Der Fragenkatalog leistet damit einerseits Unterstützung bei der Abklärung und Optimierung der betrieblichen Rahmenbedingungen für das Lernen und Arbeiten, andererseits werden mögliche Hindernisse im beruf-lichen und im privaten Kontext benannt und Ressourcen der Beschäftigten identi-fiziert und mobilisiert.

Um für die Vereinbarkeitsthematik im Allgemeinen und hinsichtlich der Fra-gen, die sich auf den privaten Bereich der Beschäftigten beziehen, im Besonderen zu sensibilisieren, wurde im Rahmen des Projekts ein Workshop mit den Führungs-kräften durchgeführt. In diesem Work-shop wurde zum einen dargelegt, dass es bei dem WLLB-Mitarbeitergespräch nicht in erster Linie um die Leistungskontrol-le der Beschäftigten geht, sondern um deren Weiterentwicklung. Zum anderen erfolgte eine Sensibilisierung und Erar-beitung von Umgangsstrategien hinsicht-lich privater Themen der Beschäftigten, die bei der Durchführung des WLLB-Mitarbeitergesprächs einfließen können und durchaus auch sollen: Beispielsweise können angespannte familiäre Verhält-nisse, wie die Pflege eines Angehörigen, Probleme in Partnerschaft oder Kinderer-ziehung, Ursachen für die Belastungssi-tuationen und Lernhindernisse sein und sich auf die Arbeitstätigkeit auswirken. Im Workshop wurden solche Situationen

Ziel des ersten Workshops ist es, aktuelle WLLB-Probleme innerhalb des Teams zu identifizieren, wie beispielsweise ständige Arbeitsunterbrechungen durch E-Mails, Anrufe und Anfragen von Kollegen. Im zweiten Workshop stehen die Folgen und die Ursachen der zuvor identifizierten Probleme im Vorder-grund: So folgen zum Beispiel aus den stetigen Arbeitsunterbrechungen Zeit-druck, Konzentrationsschwierigkeiten und Einschränkung der konzeptionellen und kreativen Arbeitsanteile. Dies kann wiederum zu Frust und zu Belastungen in der Kommunikation zwischen den Teammitgliedern führen. Als Ursache lassen sich zum Beispiel eine fehlende Priorisierung und ein nicht abgestimm-tes kollektives Zeitmanagement identi-fizieren. Im Fokus des dritten Workshops steht die Findung von teamspezifischen Lösungsmöglichkeiten. Hierbei werden gemeinsam Indikatoren erarbeitet, an denen das Team zusammen und jedes Mitglied individuell die jeweiligen Lösungsmöglichkeiten beurteilen kann. Der vierte Workshop dient der konkreten Lösungsumsetzung, das heißt, es werden gemeinsam Maßnahmen erarbeitet und ein Aktionsplan aufgestellt: Beispiels-weise könnten die Folgen und Ursachen von Arbeitsunterbrechungen durch kon-krete Maßnahmen, wie die Festlegung bestimmter Zeitlots für die Bearbeitung von E-Mails und konzeptioneller Arbeit, Teil eines solchen Aktionsplanes sein. Aber auch die Klärung von Verantwort-lichkeiten und der Ausbau von Hand-lungs- und Entscheidungsspielräumen können weitere Maßnahmen darstellen. Durch eine teamspezifische Bearbeitung lassen sich teamspezifische Maßnahmen partizipativ entwickeln, welche auf hohe Akzeptanz und Engagement bei der Umsetzung stoßen. Diese Phase der WLLB-Teamanalyse bietet insofern ein hohes Potenzial für betriebliche (Prozess-)Innovationen und die Organisationsent-wicklung. Im letzten Workshop wird der Prozess der Maßnahmenumsetzung evaluiert, das heißt, die Teammitglieder bewerten den Umsetzungsstand sowie die Qualität der Umsetzung (hier erweisen sich die zuvor festgelegten Indikatoren als hilfreich). Darüber hinaus wird der gesamte WLLB-Teamanalyseprozess reflek-tiert. Diese kollektive Reflexion18 fördert sowohl individuelle als auch kollektive

Page 99: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

97

Zwar sollten alle vier Themenbereiche im WLLB-Mitarbeitergespräch berücksichtigt werden, jedoch haben die jeweiligen Gesprächspartner (Führungskraft und Mitarbeiter) die Möglichkeit, Schwer-punkte im Gespräch zu setzen, sodass eine individuelle Förderung der Work-Learn-Life-Balance des Mitarbeiters fokus-siert werden kann.

Fazit und Ausblick

Ziel des ALLWiss-Projekts war die Ent-wicklung, Erprobung und Verbreitung von wirksamen Work-Learn-Life-Interven-tionen in Form von Instrumenten für verschiedene Handlungsfelder, damit Un-ternehmen und Beschäftigte den wach-senden Anforderungen an eine Balance von Flexibilität und Stabilität in der Arbeits- und Lebenswelt begegnen kön-nen. Es zeigte sich, dass der Rückgriff auf Strategien und Angebote zur Ausbalan-cierung der Trias Arbeiten, Lernen und Leben von der individuellen Lebenspha-se, in der sich ein Beschäftigter aktuell befindet, abhängig ist. Beschäftigte, die beispielsweise einer längerfristigen Wei-terbildung wie einem berufsbegleitenden Studium nachgehen, werden andere Strategien der Vereinbarkeit favorisieren als Beschäftigte, die gerade ein Haus bauen, eine Familie gegründet haben oder einer Pflegetätigkeit im Privatleben nachkommen. So kann zum Beispiel die Möglichkeit, Gleitzeit oder Home Office in Anspruch zu nehmen für Beschäftig-te mit Kindern dazu dienen, Arbeiten, Lernen und Leben besser miteinander zu verbinden. Beschäftigte ohne Kinder und mit einem Partner in Vollzeitbeschäfti-gung werden hingegen eine solche Maß-nahme eher nicht in Anspruch nehmen wollen, da diese nicht zu der aktuellen Lebenssituation passt.21

Bezogen auf die Thematik des berufs-begleitenden Studierens sind Unterneh-men, deren Beschäftigte eine solche Form der Weiterqualifizierung gewählt haben, gefordert, das Studium als wissenschaftli-che Weiterbildung und damit als langfris-tige Personalentwicklungsmaßnahme zu begreifen und entsprechend zu fördern. Hier deutet sich ein Paradigmenwechsel in Bezug auf die Haltung zu dem Verhält-nis von Weiterbildung und betrieblichem Nutzen dieser Weiterbildung an: Die Sichtweise, dass mit einer Weiterbildung

und mögliche Abgrenzungsstrategien und Gesprächskompetenzen bespro-chen, um im WLLB-Mitarbeitergespräch adäquat reagieren zu können. Deutlich wurde dabei, dass eine Führungskraft nicht verantwortlich für die Klärung privater Schwierigkeiten ist, dennoch über diesbezügliche Probleme informiert werden muss, damit effektive Maßnah-men zur Unterstützung des jeweiligen Beschäftigten ausgewählt und gemein-sam vereinbart werden können.20

Das WLLB-Mitarbeitergespräch umfasst zwei Teile: Im ersten Teil erfolgt ein Rück-blick auf die vergangene Arbeitsperiode. Hier wird beispielsweise gefragt: Welche Vereinbarungen wurden für den zurück-liegenden Zeitraum getroffen? Bei dieser Frage kann auch das Protokoll des letzten Mitarbeitergesprächs als Grundlage dienen. Es wird darüber gesprochen, was erreicht wurde und was nicht und worin die Gründe für die Nicht-Erreichung liegen. Weiter wird zum Beispiel gefragt: Was ist seit dem letzten Gespräch gut gelungen und was nicht?

Im zweiten Teil des Gesprächs wird entlang folgender vier Themenbereiche auf die derzeitige und zukünftige Arbeits-situation eingegangen:❚ Arbeitsaufgaben: Es werden Fragen zur

Planung, Organisation und Erfüllung der Arbeitsaufgaben und zu Überfor-derung oder Unterforderung bei den Aufgaben sowie zu benötigten Qualifi-kationen und Kompetenzen gestellt.

❚ Arbeits- und Lernkultur: Es werden Fragen zur Gestaltung des Arbeitsplat-zes, zu technischen Hilfsmitteln und Arbeitsmaterialien, Arbeitszeitrege-lungen und -modellen sowie Fragen zu körperlichen Belastungen und gesund-heitlichen Beeinträchtigungen gestellt.

❚ Zusammenarbeit und Führung: In diesem Themenkomplex richten sich die Fragen auf die Zusammenarbeit mit Kollegen und anderen Abteilungen, den Informationsaustausch und die Kommunikation sowie auf die Rolle als Führungskraft.

❚ Veränderungs- und Entwicklungsper-spektiven: Mit Blick auf die Zukunft werden durch die Fragen mögliche betriebliche Veränderungen besprochen und über die weitere Kompetenzent-wicklung und die Karriereperspektiven beraten.

Page 100: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

98

Auch Hochschulen beziehungsweise Anbieter von berufsbegleitenden Studi-engängen sind gefordert, sich mit der beschriebenen Vereinbarkeitsthematik auseinanderzusetzen. Berufsbegleitend Studierende nehmen zum Beispiel ande-re Betreuungszeiten in Anspruch als Voll-zeitstudierende. E-Mails und Anfragen gilt es auch am Wochenende beziehungs-weise außerhalb üblicher Arbeitszeiten zu beantworten und auch Semester- und Prüfungszeiten sind mit den Arbeits-zeiten berufsbegleitend Studierender abzustimmen. Dies bedeutet zum einen, dass sich auch die WLLB von Lehrenden und Koordinatoren in berufsbegleitenden Studiengängen verändert, da sich Betreu-ungszeiten und Unterstützungsleistun-gen (zum Beispiel die Organisation der Prüfungsvorbereitung) entgrenzen. Zum anderen berührt die WLLB-Thematik die Programmentwicklung der berufsbeglei-tenden Studiengänge: Um eine gelungene Vereinbarkeit der Trias Arbeit, Lernen und Leben für beruflich Qualifizierte zu ermöglichen, sind in den Curricula und Prüfungsordnungen Strukturen und Maßnahmen zu etablieren, die ein zeit-lich flexibles Studieren erlauben.

ein direkter unmittelbarer Nutzen im ökonomischen Sinn verbunden sein muss, kann vor dem Hintergrund einer langfristigen Ausrichtung der Personal- und Organisationsentwicklung sowie der gesellschaftspolitischen Veränderungen (Globalisierung und Digitalisierung, de-mografischer Wandel, Fachkräfteengpäs-se etc.) nicht aufrechterhalten werden.

Im Kontext des berufsbegleitenden Studierens und der Thematik der Verein-barkeit von Arbeiten, Lernen und Leben kann Folgendes konstatiert werden: Damit die WLLB von beruflich qualifizier-ten Studierenden erhalten werden kann, wäre beispielsweise darauf zu achten, dass betriebliche Freistellungsregelungen eingehalten werden oder die Arbeit lern-förderlich gestaltet wird, indem Arbeit und Lernen gezielt verbunden werden. Dies kann zum Beispiel durch Projekt- arbeiten aus dem Studium, welche gleich-zeitig einen direkten Bezug zur beruf-lichen Tätigkeit aufweisen, gelingen.

1 Vgl. exemplarisch Voß / Pongratz (1998).

2 Vgl. exemplarisch Moldaschl/Voß (2002).

3 Vgl. exemplarisch Lohmann-Haislach

(2012).

4 Vgl. Hiestand / Haunschild (2014), S. 43.

5 Vgl. Müller (2015).

6 Vgl. Müller / Meyer (2014), S. 82 f.

7 Vgl. Hartz (2004); Rohs (2007).

8 Vgl. Müller / Meyer (2014), S. 83.

9 Vgl. Salman (2009).

10 Vgl. Bakker / Demerouti (2007).

11 Vgl. Antoni et al. (2014).

12 Vgl. Antoni et al. (2014), S. 107.

13 Vgl. Syrek et al. (2011).

14 Vgl. dazu ausführlich Antoni et al.

(2014), S. 149 ff.

15 Vgl. Syrek et al. (2014).

16 Die Instrumente und die entsprechen-

den Handreichungen können auch unter

www.allwiss.de eingesehen werden.

17 Vgl. ausführlich Antoni et al. (2014),

S. 241 ff.

18 Vgl. Müller (2015).

19 Vgl. Berger et al. (2014).

20 Vgl. Berger et al. (2014), S. 263.

21 Vgl. exemplarisch Müller (2015).

Page 101: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

99

❚ moldaschl, m. / Voß, g. g. (hrsg.) (2002):

Subjektivierung von Arbeit. München und Mering: Hampp.

❚ müller, J. k. (2015):

Reflexion als Voraussetzung für Kompetenz- und Organisationsentwicklung in der wissensintensiven Arbeit, Detmold.

❚ müller, J. k. / meyer, r. (2014):

Individuelle Kompetenzentwicklung und betriebliche Organisationsentwicklung als Faktoren der Work-Learn-Life-Balance. In: Antoni, C. H. et al. (Hrsg.): Work-Learn-Life-Balance in der Wissensarbeit. Wiesbaden, S. 81–97.

❚ rohs, m. (2007):

Zur Theorie formellen und informellen Lernens in der IT-Weiterbildung. Hamburg.

❚ Salman, Y. (2009):

Bildungseffekte durch Lernen im Arbeitsprozess. Verzahnung von Lern- und Arbeitsprozessen zwischen ökonomischer Verwertbarkeit und individueller Entfaltung am Beispiel des IT-Weiterbildungssystems. Bielefeld.

❚ Syrek, c. et al. (2011):

Entwicklung und Validierung der Trierer Kurzskala zur Messung von Work-Life-Balance (TSK_WLB). Diagnostica 57 (3), S. 134–145.

❚ Syrek, c. J. et al. (2014):

Wie Work-Learn-Life-Balance gelingen kann: Handlungsstrategien zur Förderung der Vereinbarkeit. In: Antoni, C.H. et al. (Hrsg.): Work-Learn-Life-Balance in der Wissensarbeit. Wiesbaden, S. 123–148.

❚ Voß, g. g. / Pongratz, h.J. (1998):

Der Arbeitskraftunternehmer. Eine neue Grundform der Ware Arbeitskraft? Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 50 (1), S. 131–158.

❚ Allen, t. d. et al. (2000):

Consequences associated with work-to-family conflict: A review and agenda for future research. Journal of Occupational Health Psychology, 5 (2), S. 278–308.

❚ Antoni, c. h. / Apostel, e. / Syrek, c. (2014):

Work-Learn-Life-(Im)Balance in der Wissensarbeit: Ein empirisch fundierter Erklärungsansatz. In: Antoni, C. H. et al. (Hrsg.): Work-Learn-Life-Balance in der Wissensarbeit. Wiesbaden, S. 101–122.

❚ bakker, A. b. / demerouti, e. (2007):

The Job-Demands-Resource model: State of the art. Journal of Managerial Psychology, 22 (3), S. 309–328.

❚ berger, A. / Apostel, e. / friederich, P. (2014):

Das WLLB-Mitarbeitergespräch – Gesprächsführungs-hilfe um Aspekte der Work-Learn-Life-Balance syste-matisch in Mitarbeitergespräche einzubinden. In: Antoni, C. H. et al. (Hrsg.): Work-Learn-Life-Balance in der Wissensarbeit. Wiesbaden, S. 257–274.

❚ hartz, S. (2004):

Biographizität und Professionalität. Eine Fallstudie zur Bedeutung von Aneignungsprozessen in organisatorischen Modernisierungsstrategien. Wiesbaden.

❚ härtwig, c. / hoff, e. / Schraps, u. (2009):

Veränderungen der Lebensgestaltung bei Frauen und Männern im IT-Bereich. In: Ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Hrsg.): Hochseilakt. Leben und Arbeiten in der IT-Branche. (S. 65–80). Verfügbar unter: www.verdi-gute-arbeit.de/upload/m4a3775bb92212_verweis1.pdf [Stand: 01.10.15].

❚ hiestand, S. / haunschild, A. (2014):

Die Entgrenzung von Arbeit, Lernen und Leben in der Wissensarbeit – Tendenzen, Belastungen und Vereinbarkeitsproblematik. In: Antoni, C. H. et al. (Hrsg.): Work-Learn-Life-Balance in der Wissensarbeit. Wiesbaden, S. 39–55.

❚ Lohmann-haislach, A. (2012):

Stressreport Deutschland 2012, Psychische Anforde-rungen, Ressourcen und Befinden. Verfügbar unter: www.baua.de/de/Publikationen/Fachbeitraege/Gd68.pdf?__blob= publicationFile [Stand: 01.10.15].

Literatur

Page 102: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

100

⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇

Handlungsfelder

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

und Informationen

7

Page 103: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

101

Große Unternehmen setzen in ihren Personalentwicklungsprogrammen oft vor allem auf unternehmensinterne Weiterbildung. Für sie kann es sich lohnen, ihren Blick weiter zu öffnen für das Angebot an staatlichen Hochschu-len, das neue inhaltliche Impulse geben kann, zum Beispiel in den Bereichen der Forschung und Entwicklung und der Unternehmensorganisation. Umfangrei-che Förderprogramme, wie das Daimler Academic Programs können sich in der Regel nur Großunternehmen leisten. Doch auch in mittleren und kleineren Unternehmen sollte die Studienförde-rung Bestandteil der Personalentwick-lung sein. Unsere Studie zeigt, dass mitunter Studierende schon vor ihrem Abschluss mit anspruchsvolleren Aufga-ben im Betrieb betraut werden. Ist das Studium eines oder einer Beschäftigten von so hoher Relevanz für den Betrieb, sollte eine finanzielle Beteiligung seitens des Arbeitgebers selbstverständlich sein. Dieser kann direkte Kosten übernehmen oder Beschäftigte für Veranstaltungen bezahlt freistellen.

Arbeitszeitregelungen und bildungsteilzeit

Eine Förderung durch flexible Arbeits-zeitregelungen ist entscheidend für studierende Beschäftigte. In welcher Form sich Unternehmen in verschiede-nen Branchen engagieren, hängt natür-lich davon ab, wie stark das betriebliche Interesse an der wissenschaftlichen Qualifizierung ist. Vorbildhaft ist daher der Qualifizierungstarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie. Hier ist vorgesehen, dass sich die Arbeitgeber bei betrieblich zweckmäßiger Entwicklungs-qualifizierung mit bezahlter Freistellung im Umfang von 50 Prozent der Weiterbil-dungszeit beteiligen. Bei persönlicher be-ruflicher Weiterbildung, die als betrieb-lich geeignet eingestuft wird, ohne dass ein aktueller Bedarf im Betrieb besteht,

Die Öffnung der Hochschulen für Berufstätige berührt viele Politikfelder. Verschiedene Maßnahmen in diesen Po-litikfeldern müssten ineinandergreifen, um mehr Berufstätigen ein Studium zu ermöglichen. Bildungspolitisch richtet sich der Blick darauf, wie Hochschulen ihre Angebote didaktisch, zeiträumlich und adressatengerecht für berufstätige Studieninteressierte gestalten. Oder wie eine größere Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung geschaffen werden kann, zum Beispiel durch die Anrechnung beruflicher Kom-petenzen auf Studienleistungen. Damit sich die Hochschulen in diesen Bereichen stärker engagieren, müssen hochschulpo-litische Entscheidungen für eine bessere Ausstattung getroffen werden. Erst wenn es sich die staatlichen Hochschulen leisten können, mehr finanzielle und per-sonelle Ressourcen zu investieren, kann die offene Hochschule für Berufstätige realisiert werden. Eine sozialpolitische Fragestellung ist es, diejenigen Studien-interessierten zu fördern, die trotz einer Erwerbstätigkeit die Kosten eines Studi-ums nicht selbst tragen können. Beschäf-tigungspolitisch steht zur Debatte, wie große sowie mittlere und kleinere Unter-nehmen mit Bedarf an hochqualifizier-ten Fachkräften, studierende Beschäftigte unterstützen und ihnen mehr Freiräume für langfristige Qualifizierungen schaffen können.

Handlungsfeld Betriebe

Beschäftigte, die sich neben ihrem Beruf für ein Studium entscheiden, sind hoch motiviert und interessiert an beruflicher Weiterentwicklung. Sie können neben ih-rer Berufserfahrung und firmeninternem Wissen auch wissenschaftliche Kennt-nisse in die Arbeit einbringen. Größere Offenheit für die individuellen Studie-nentscheidungen von Beschäftigten kann sich daher für Unternehmen auszahlen.

handlungsfelder

Studie

Page 104: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

102

sich ebenfalls mit der Zeit vermindern. Auch in diesen Fragen sind Interessenver-tretungen in der Beratung von Beschäf-tigten gefragt.

Mitunter sind neben einer temporären Reduzierung von Arbeitszeit weitere Ver-einbarungen nötig. Der Schichtbetrieb etwa macht es Studierenden oft unmög-lich, Präsenzzeiten im Studium regel- mäßig einzuhalten. Hier sollte ein Wech-sel ermöglicht werden, zum Beispiel in die Frühschicht, wenn hauptsächlich Abendveranstaltungen an der Hochschu-le stattfinden.

Vereinbarkeit von Studium und beruf fördern

Der Beitrag von Gronewold und Hiestand in diesem Band zeigt, dass Betriebe mit einer Reihe von Maßnahmen Belas-tungsfaktoren abbauen können, damit Beschäftigte Freiräume und Konzentra-tionsfähigkeit für eigene Lernprozesse entwickeln. Belastungen und ineffiziente Arbeitsprozesse im Unternehmen sollten analysiert und in Teams sowie individuell bearbeitet werden. Auch mehr Gestal-tungsmöglichkeiten hinsichtlich der Be-arbeitung von Aufgaben und der Zeitein-teilung können studierende Beschäftigte wesentlich unterstützen.

Ein Motivationsfaktor für die Beschäf-tigten ist es, wenn frühzeitig geklärt wird, welche Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen für sie mit dem Studie-nabschluss verbunden sein können. Auch hier können sich Vorgesetzte engagieren und möglicherweise Kontakte zu anderen Unternehmensbereichen herstellen. Das setzt natürlich voraus, dass im gesam-ten Unternehmen eine Kultur gefördert wird, die die Entwicklungsfähigkeit von Beschäftigten positiv wertet.

Ist das betriebliche Interesse an Studi-eninhalten hoch, kann auch ein gezielter Theorie-Praxis-Transfer gelingen. So kann zum Beispiel die Abschlussarbeit einer Studierenden mit einem betrieblichen Thema oder Projekt verknüpft werden. Vorgesetzte sollten sich hier aufgeschlos-sen zeigen, da die Beschäftigten und der Betrieb gleichermaßen profitieren.

absolvieren die Beschäftigten die Wei-terbildung gänzlich außerhalb ihrer Ar-beitszeit. Regelungen für Bildungsteilzeit über einen Zeitraum von bis zu sieben Jahren sind in beiden Fällen vorgesehen. In einer Variante bekommen Beschäftig-te über sieben Jahre einen reduzierten Lohn und können so für die Dauer der Qualifizierung auf Teilzeit umsteigen. Entscheidend ist dabei, dass sie das Rück-kehrrecht auf eine Vollzeitstelle haben. Der Qualifizierungstarifvertrag wird jedoch erst in Form von betrieblichen Vereinbarungen gelebte Praxis. Dabei ist das Engagement von Arbeitgebern und Betriebsräten gefragt, damit Bildungsteil-zeit in den Betrieben umgesetzt werden kann. Das beginnt mit der regelmäßigen Ermittlung von betrieblichen und indivi-duellen Qualifizierungsbedarfen. Außer-dem sollten Verfahren zur Führung von Bildungskonten (Zeit), Ansparguthaben (zum Beispiel Weihnachtsgeld), Wechsel in Teilzeit und Rückkehr in Vollzeit ver-einbart werden. Die genauen Inhalte und die Form einer Bildungsvereinbarung müssen von Arbeitnehmer- und Arbeit-gebervertretern im Betrieb festgelegt werden. Die Tarifvereinbarungen sehen vor, dass der Betriebsrat in Betrieben mit über 200 Beschäftigten bei individuel-len Konflikten intervenieren und eine Konfliktlösung herbeiführen kann. Das Modell der Bildungsteilzeit bietet den Beschäftigten sowohl finanzielle als auch Beschäftigungssicherheit. Für Unter-nehmen sind die tariflichen Regelungen ein Anlass, ihre Personalentwicklung zu optimieren.1

Betriebs- und Personalräte sollten Be-schäftigte mit Qualifizierungsinteressen in den Unternehmen gezielt ansprechen, informieren und unterstützen. Häufig werden im Falle von längerfristiger Weiterbildung individuelle Vereinbarun-gen getroffen, bei denen Beschäftigte die Unterstützung ihrer Interessenvertretung gut gebrauchen können. Wenn Betrie-be eine längerfristige Qualifizierung finanziell unterstützen, müssen sich die Beschäftigten häufig verpflichten, für eine bestimmte Zeit im Unternehmen zu bleiben. Verlassen die Beschäftigten das Unternehmen früher als vereinbart, grei-fen in der Regel Rückzahlungsklauseln. Diese sind grundsätzlich rechtswirksam, solange die Regelung verhältnismäßig ist. Die Höhe des Rückzahlungsbetrags muss

Page 105: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

103

sichtlich der Standards gibt es bei den berufsbegleitenden Studiengängen keine Unterschiede zu den gebührenfreien konsekutiven Masterstudiengängen. Die sich hieraus ergebenden Widersprüche sind ungelöst. Warum sollen Bachelorab-solventen, die in ihrer Phase der Berufstä-tigkeit einen Masterabschluss erwerben, Studiengebühren zahlen, während Ba-chelorabsolventen, die einen Masterstu-diengang in Vollzeit absolvieren, nichts bezahlen? Eine politische Diskussion muss nochmals darüber geführt werden, welcher sachlichen Logik die Finanzie-rungsregelungen folgen sollen.

Die Realisierung von hochwertigen Weiterbildungsangeboten ist auch von der Verfügbarkeit von wissenschaftli-chem Lehrpersonal abhängig (vgl. das Interview mit Petra Boxler in Kapitel 6). Ein Engagement von Lehrenden in der Weiterbildung wird allerdings nicht auf das Lehrdeputat angerechnet. Das macht es schwierig für Hochschullehrende, die in der Regel ausgelastet sind, Lehre in weiterbildenden Studienangeboten zu leisten. Nur in Schleswig-Holstein können Hochschulen bis zu zehn Prozent ihrer Lehrkapazitäten für wissenschaftliche Weiterbildung aufwenden (vgl. § 59 (1) SchlesHG). Eine ähnliche Regelung sollte im Land Bremen bei der nächsten Hoch-schulgesetzesnovellierung beschlossen werden. Schließlich gehört die Weiterbil-dung nach § 4 und § 16 BremHG zu den grundständigen Aufgaben von Hochschu-len und Hochschullehrenden. Konse-quenterweise müssen daher die prakti-schen Voraussetzungen für die Erfüllung dieser Aufgaben geschaffen werden.3

Handlungsfeld Hochschulen

Adressatengerechte beratung, Anrechnung, Studienformate und didaktik

Berufsbegleitende Studienformate für Berufsgruppen mit einem hohen Bedarf an wissenschaftlicher Weiterbildung sollten sowohl auf Bachelor- als auch auf Masterebene an den staatlichen Hoch-schulen etabliert werden. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass die Präsenzveran-staltungen auf die gängigen Arbeitszeiten der Berufsgruppen abgestimmt sind. Bei Bedarf werden auch Blended-Learning-An-gebote und selbst gesteuerte Lerneinhei-ten integriert. Einzelne Studienmodule

Handlungsfeld Hochschulpolitik

Die erweiterten Hochschulzulassungsre-gelungen für Studierende ohne Abitur führen bisher nicht zu einer deutlich höheren Teilnahme von beruflich Qualifizierten. Insgesamt sind studien-interessierte Berufstätige, ob mit oder ohne Abitur, angewiesen auf adressaten-gerechte Studienangebote. Diese kön-nen aber nur geschaffen werden, wenn die staatlichen Hochschulen mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet werden. Die Gestaltung und Umsetzung berufsbegleitender Bachelorstudiengänge ist an den staatlichen Hochschulen eine Seltenheit, weil die Finanzierung für den zusätzlichen Aufwand extra aufgebracht werden muss. So konnte auch der einzige berufsbegleitende Bachelorstudiengang an der Universität Bremen nur mithilfe von Drittmitteln des BMBF konzipiert und umgesetzt werden. In der Politik ist dieses Dilemma bekannt. Auch der Bremer Senat räumt ein, dass die Schaf-fung berufsbegleitender Angebote für die Hochschulen mit einem ›Mehraufwand‹ verbunden ist. Der Senat erkennt auch an: ›Die Hochschulen sind derzeit noch durch den zu bewältigenden Ansturm der geburtenstarken Jahrgänge und der doppelten Abiturientenjahrgänge auf die Studienplätze hoch belastet.‹2 Diese hohe Auslastung der Hochschulen wird sich aufgrund der allgemein stark erhöhten Studierneigung auf absehbare Zeit nicht verändern. Dennoch wird keine nachhal-tige Lösung für den Mangel an Ressour-cen angeboten und weiterhin setzt das Land Bremen lediglich auf die Einwer-bung von Drittmitteln, vornehmlich im Bundeswettbewerb ›Offene Hochschule‹. In der aktuellen Förderrunde 2014 ist es allen vier staatlichen Hochschulen in Bremen gelungen, eine Projektförderung für die Öffnung von Teilen des Regelstu-dienangebots oder für einzelne Studi-enprogramme zu bekommen. Wie die Verstetigung der in den nächsten Jahren entstehenden Strukturen gewährleistet werden kann, muss nun ernsthaft disku-tiert werden.

Die Finanzierung von berufsbeglei-tenden Masterstudiengängen soll nach § 109 (2) BremHG über Studiengebüh-ren erfolgen, weil die Formate nach dem Bremischen Hochschulgesetz der Weiterbildung zugeordnet werden. Hin-

Page 106: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

104

Die Etablierung von Anrechnungsver-fahren ist in jedem Fall aufwendig, aber die einzige Möglichkeit für Berufstätige, Redundanzen zu vermeiden und ihre Studiendauer zu verkürzen. Die pauscha-le Anrechnung auf Studienleistungen aufgrund definierter Berufsabschlüsse ist für die Studierenden am wenigsten aufwendig und transparent. Damit aber auch Berufserfahrungen und andere informell erworbene Kompetenzen ange-rechnet werden können, empfiehlt sich eine Kombination aus pauschalen und individuellen Anrechnungsverfahren (vgl. das Interview mit Walburga Freitag in Kapitel 6).

Außerdem ist an der Hochschule und der Universität Bremen geplant, Studi-enmodule aus ausgewählten Regelstudi-engängen als berufsbegleitend studier-bar zu gestalten. Teilweise müssen die Module neu entwickelt und E-Learning-Anteile integriert werden. Der Erfolg der Projekte HSBflex und konstruktiv hängt wesentlich auch davon ab, wie die koope-rierenden Einrichtungen und Fakultäten die neuen Maßnahmen unterstützen. Der Verlauf sollte unterstützend evaluiert werden, damit neue Strukturen verstetigt werden und in die Konzeption anderer Studiengänge einfließen können.

Außerdem sollten die Prüfungsord-nungen der einzelnen Studiengänge zeitlich entzerrt werden, damit für berufsbegleitend Studierende eine über-mäßige Leistungsverdichtung in der Zeit der Abschlussarbeit vermieden wird. So sollten beispielsweise für Teilzeitstudie-rende an der Hochschule Bremen andere zeitliche Rahmenbedingungen zugrunde gelegt werden als für Vollzeitstudierende. Grundsätzlich sollten alle Hochschulen es berufstätigen Studierenden ermög-lichen, das Regelstudium in Teilzeit zu absolvieren. Berufstätige können so ihr Studium strukturierter planen. Außer-dem fallen für Studierende, die Regelstu-dienzeiten wegen ihrer Erwerbstätigkeit überschreiten, keine Langzeitstudienge-bühren an. Das Bremische Hochschulge-setz sieht diese Möglichkeit nach § 55 (4) BremHG vor. Sie wird jedoch bisher nur von der Hochschule Bremen angewendet.

Als ›Weiterbildungsstudierende‹ können sich Berufstätige an der Uni-versität Bremen für ein Modulstudium einschreiben und so einen Einblick in einen Studiengang bekommen. Die

sollten entsprechend flexibel anwählbar sein, damit intensive und weniger in-tensive Studienphasen den wechselnden Anforderungen im Beruf und im Privatle-ben angepasst werden können.

Eine Auseinandersetzung des Hoch-schulpersonals mit berufspädagogischer Didaktik kann es zudem unterstützen, in einem wissenschaftsbasierten Studium berufspraktische Bezüge herzustellen. Das gilt zum Beispiel auch für Fächer wie Mathematik. Die Lehre ist in der Regel auf Studierende ausgerichtet, die ihr Abitur gerade hinter sich haben. So bietet beispielsweise die Hochschule Bremer-haven erfolgreich spezielle Module von Mathematik und technischer Mechanik für Studierende ohne Abitur an. Solche Angebote und Brückenkurse gerade für Grundlagenfächer bieten sich an allen Hochschulen an, um den Studienerfolg von Berufstätigen zu erhöhen.

Eine strukturelle Öffnung des Regel-studienangebots wird in Bremen seit Jahren diskutiert und ist in jedem Fall sinnvoll, damit auch Berufstätige in Zu-kunft größere Wahlmöglichkeiten haben. Mit der Modularisierung von Studiengän-gen im Rahmen des Bologna-Prozesses sind jedoch noch keine genügenden Vo-raussetzungen für die geplante Öffnung geschaffen. An der Universität Bremen und an der Hochschule Bremen sind im Jahr 2015 zwei vom BMBF geförderte Projekte (konstruktiv und HSBflex) ge-startet. Beide Projekte setzen sich mit der zunehmenden Heterogenität der Studie-rendenschaft auseinander und beziehen nicht nur die Bedürfnisse von Berufstäti-gen, sondern auch von Studierenden mit Familienpflichten in ihre Konzeptionen ein.

An der Hochschule Bremen soll die Be-ratung und die Anerkennung beruflicher Kompetenzen adressatengerecht gestaltet werden. Beides ist für einen Einstieg in das Studium wichtig. Eine umfassende Beratung im Vorfeld und während des Studiums sollte nicht nur in den zentra-len Studienberatungen der Hochschulen, sondern auch in den einzelnen Studi-engängen geleistet werden. Für diese Aufgabe muss das Hochschulpersonal entsprechend geschult werden, denn Studienfinanzierung, Hochschulzulas-sung und Studienrahmenbedingungen sind für Berufstätige oft anders als für traditionelle Studierende.

Page 107: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

105

Handlungsfeld Studienfinanzierung

Insbesondere ältere berufstätige Studie-rende können es sich aufgrund familiä-rer oder anderer finanzieller Verpflich-tungen (Kinder, Immobilienerwerb etc.) nicht leisten, Arbeitszeit während des Studiums zu reduzieren. Dies betrifft ganz besonders Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in besonders gering ent-lohnten Berufen. Diese Gruppen wären in besonderem Maße auf eine finanzielle Entlastung in Form einer Studienförde-rung angewiesen, auch um bei Bedarf in zeitlich besonders belastenden Phasen ihre Arbeitszeit ohne finanzielles Risiko reduzieren zu können. Sowohl beim BAföG als auch bei Stipendien besteht jedoch ein Anspruch auf Förderung nur innerhalb bestimmter Altersgrenzen. Darüber hinaus gibt es kaum finanzielle Förderungen für berufsbegleitende Stu-dienangebote. Da es unter anderem eine bildungspolitische Forderung ist, neue Zielgruppen für ein Hochschulstudium zu gewinnen, ist eine politische Diskussi-on darüber wünschenswert, welche För-dermöglichkeiten für berufstätige und berufsbegleitende Studierende geschaf-fen werden können, die sich ein Studium neben dem Beruf finanziell nicht leisten können.

Der Staat ist auf Ebene des Bundes und der Länder beim Thema Studienfinan-zierung gefordert, nochmals genau zu prüfen, welche Gruppen bisher über-haupt nicht auf öffentliche Förderung zurückgreifen können. Lücken in der Förderstruktur müssten insbesondere für die Berufsgruppen geschlossen werden, die in der Regel über kein hohes Einkom-men verfügen.

allgemeinen Prüfungsordnungen für die wissenschaftliche Weiterbildung der Uni-versität lassen es zu, dass auf diese Weise pro Studienjahr bis zu zehn Kreditpunkte als Studienleistung erworben werden. Weiterbildungsstudierende zahlen eine Gebühr, müssen jedoch keinen Semes-terbeitrag entrichten. Auch für andere Hochschulen in Bremen wäre dies ein gangbarer Weg, um ein ›Schnupperstudi-um‹ zu ermöglichen.

Daneben bietet das Gasthörerstudium potenziell Möglichkeiten für Berufstä-tige, erste Erfahrungen mit dem für sie interessanten Regelstudienangebot zu machen. Allerdings können Dozentinnen und Dozenten an der Universität Bremen die Teilnahme von Gasthörenden für ihre Veranstaltungen ablehnen, wenn diese stark ausgelastet sind. Außerdem ist es nicht vorgesehen, dass Gasthörende Studienleistungen erbringen. In Nieder-sachsen dagegen können auch Gasthö-rende Kreditpunkte erwerben, die später auf Studiengänge anrechenbar sind. Die Einzelheiten regeln die Hochschulen selbst. Sie erheben, je nach Aufwand, Gebühren für die Erbringung von Stu-dienleistungen (vgl. § 13 (5) NHG). Die Fakultäten entscheiden in der Regel über die Anrechnung.

Mit ähnlichen Regelungen an den Bremer Hochschulen könnten Berufstä-tige ausloten, ob die Anforderungen im Regelstudium neben der Berufstätigkeit für sie zu bewältigen sind.

1 Vgl. IG Metall (o. J.): Zugriff am

07.01.2016.

2 Bremische Bürgerschaft (2010), S. 4.

3 Die Fraktion der CDU hat im Jahr 2009

einen entsprechenden Antrag gestellt,

der von der Bürgerschaft abgelehnt

wurde. Vgl. Bremische Bürgerschaft

(2009).

Page 108: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

106bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

informationen zur Studienfinanzierung

hinaus sind ausschließlich konsekutive Masterstudiengänge förderfähig, wenn diese auf einem Bachelorstudiengang aufbauen und der Auszubildende außer dem Bachelorstudiengang noch keinen Studiengang abgeschlossen hat.4 Wer vor einem Masterstudiengang also bereits ein Diplom absolviert hat, kann keine För-derung mehr erhalten. Weiterbildungs-master sind aus diesem Grund ebenfalls von einer Förderung ausgeschlossen, da sie nicht zwangsweise einen Bache-lorabschluss, sondern oft eine berufliche Qualifikation voraussetzen.

Stipendien

Auch die Förderung über Stipendien ist für berufsbegleitend Studierende – be-sonders für ältere – kompliziert. Begab-tenförderwerke haben in der Regel eine Altersgrenze für die Förderung. Darüber hinaus richten sich die meisten Stipendi-en an Vollzeitstudierende. Im Folgenden werden Stipendien vorgestellt, die be-rufsbegleitend Studierende in Anspruch nehmen können.

Aufstiegsstipendium Nur ein Förderprogramm des Bundes richtet sich – neben Vollzeitstudierenden – auch speziell an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die berufsbegleitend studieren wollen. Es gilt ausschließlich für das Erststudium und setzt keine Altersgrenze voraus, allerdings muss der Antrag bis zum zweiten Studiensemester gestellt worden sein. Voraussetzung dafür ist eine mindestens zweijährige Berufs-erfahrung sowie ein Berufsabschluss mit der Note 1,9 oder besser. Die Förderung erfolgt einkommensunabhängig für die gesamte Dauer des Studiums und beträgt monatlich 750 Euro für Vollzeitstudieren-de. Zusätzlich wird eine Betreuungs- pauschale für Kinder gewährt. Studieren-de in einem berufsbegleitenden Studien-gang erhalten jährlich 2.000 Euro.5

BAföG

Durch die Altersgrenze sind viele ältere Studierende bereits von einer Förderung ausgeschlossen. Anspruch auf BAföG hat demnach nicht, wer bei Beginn des Bachelorstudiums das 30. Lebensjahr sowie bei Beginn des Masterstudiums das 35. Lebensjahr bereits vollendet hat. Studierende des zweiten Bildungsweges sind von dieser Regelung ausgenommen, wenn sie unverzüglich nach Erhalt ihrer Zugangsvoraussetzung mit dem Studi-um beginnen. Studierende des dritten Bildungsweges sind von der Altersgren-ze ausgenommen1 und können damit grundsätzlich eine BAföG-Förderung erhalten.

Allerdings werden gerade berufstätige Studierende häufiger als traditionelle Studierende von einer Anrechnung des eher geringen Vermögensfreibetrags betroffen sein. Bei einem Bruttoverdienst von 5.500 Euro in zwölf Monaten werden monatlich 40,13 Euro auf den Bedarf angerechnet beziehungsweise vom Förde-rungsbetrag abgezogen. Dieser Betrag gilt für Alleinstehende. Auch Vermögen (zum Beispiel Sparbücher, Wertpapierdepots, Bausparverträge, Eigentumsanteile an Grundstücken / Häusern) ist bis auf eine Rücklage von 5.200 Euro zur Finanzie-rung des Studiums einzusetzen. Der Freibetrag erhöht sich für jedes Kind und / oder den Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner um jeweils 1.800 Euro.2 Das bedeutet, dass bereits ab einem niedrigen mittleren Einkommen kein Anspruch mehr auf BAföG besteht.

Von Nachteil für die in diesem Projekt untersuchte Zielgruppe ist außerdem, dass BAföG nach § 2, Absatz (5) nicht für berufsbegleitende Studiengänge oder Teilzeitstudiengänge gewährt wird. Eine Förderung wird nur gewährt, wenn ›die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll in Anspruch nimmt‹.3 Darüber

Page 109: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

STUDIE

107

Kredite

bildungskreditDie Bundesregierung bietet zusammen mit dem Bundesverwaltungsamt und der KfW-Bankengruppe den Bildungs-kredit an. Das zinsgünstige Darlehen können auch Studierende unabhängig vom eigenen Einkommen sowie dem von Eltern und Ehepartner erhalten. Allerdings ebenso wie beim BAföG nur bis zur Vollendung des 35. Lebensjahres. Darüber hinaus gilt der Bildungskredit ausschließlich für die Schlussphase einer Ausbildung oder eines Studiums etwa für ein Zusatz-, Ergänzungs-, Aufbau- oder Fernstudium. Voraussetzung ist aller-dings ein Studium in Vollzeit. Teilzeit- und berufsbegleitende Studiengänge sind nicht förderfähig. Der Kredit weist auf-grund einer vom Bund übernommenen Garantie einen günstigen Zinssatz auf.10

Studienkredit der kfW-bankDer Studienkredit der KfW-Bank hinge-gen ist zwischen dem 18. und dem 44. Lebensjahr möglich, ebenfalls unabhän-gig vom Einkommen der Eltern oder des Partners / der Partnerin. Antragstellende können anders als beim Bildungskredit in Teilzeit, Vollzeit oder berufsbeglei-tend studieren. Dieser Kredit bietet sich – aufgrund seiner Förderbedingungen – folglich besonders für die Gruppe der berufsbegleitenden Studierenden an. Allerdings bleibt zu berücksichtigen, dass es sich im Vergleich zum Bildungskredit durch eine fehlende Garantie, um keinen günstigen Kredit handelt.11

Kosten steuerlich absetzen

Wenn Studierende die Kosten für das Studium selbst tragen müssen, greifen zumindest Steuererleichterungen. Ein berufsbegleitendes Studium kann als Fortbildungsaufwand in unbegrenzter Höhe abgesetzt werden, wenn es einen Berufsbezug hat und eine abgeschlossene Berufsausbildung oder ein Erststudium vorausgegangen ist. Was in einem Jahr erstattet wird, richtet sich nach dem Zahlungsprinzip. Das heißt, wurden auf einmal 14.000 Euro für Studiengebühren vom Konto abgebucht, ist das der abzieh-

deutschlandstipendium Die Stipendien in Höhe von monat-lich 300 Euro, die auch an den Bremer Hochschulen beantragt werden können,6 werden je zur Hälfte vom Bund und von privaten Förderern, Stiftungen und Unternehmen getragen. Das heißt, die Bundesregierung unterstützt eine private Spende von 150 Euro monatlich mit zusätzlichen 150 Euro. Das Stipendium ist unabhängig vom Bezug von BAföG oder der Einkommenssituation. Zu den Förderkriterien zählen neben besonderen Erfolgen an Schule und / oder Universität auch das gesellschaftliche Engagement, zum Beispiel in Vereinen oder in der Hochschulpolitik, in kirchlichen oder po-litischen Organisationen, in der Familie oder in einer sozialen Einrichtung. Be-rücksichtigt wird auch die Überwindung besonderer biografischer Hürden, die sich aus der familiären oder kulturellen Herkunft ergeben. Die konkrete Ausge-staltung der Auswahlverfahren liegt in der Verantwortung der Hochschulen.7

Studienstipendium der hans-böckler-Stiftung

In den Fördergrundsätzen wird betont, dass das Studium engagierter und begab-ter Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-mer durch die Vergabe von Studienbei-hilfen gefördert werden soll. Studierende des zweiten und dritten Bildungsweges sollen dabei besonders gefördert werden. Eine wichtige Voraussetzung für ein Stipendium ist gewerkschaftliches oder gesellschaftspolitisches Engagement. Die Stiftung setzt keine Altersgrenze voraus. Ein Studium neben dem Beruf ist nicht ausgeschlossen, allerdings muss das Studium in Vollzeit erfolgen und im Schnitt 30 ECTS-Punkte pro Semester der Regelstudienzeit erbracht werden.8 Berufsbegleitende Formate werden damit nicht explizit unterstützt. Die Zahlungen richten sich nach den BAföG-Richtlinien, das bedeutet, es handelt sich um einen Höchstsatz von 597 Euro und einer Studienkostenpauschale von 300 Euro monatlich.9

Page 110: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

bAL AnceAk t berufSbegLeitendeS Studieren

108

bare Betrag. Es ist allerdings abhängig vom Steuersatz, wie viel zurückerstattet wird. Ist der Steuersatz niedrig, etwa 15 Prozent, werden auch nur 15 Prozent erstattet. Ist der Steuersatz hoch, etwa 42 Prozent, so werden auch 42 Prozent der Kosten erstattet. Auch hier haben also Studierende mit niedrigeren Einkom-men Nachteile gegenüber besser verdie-nenden. Kosten werden außerdem nur erstattet, wenn auch Steuern entrichtet wurden.

1 Rechtsgrundlage online verfügbar

unter: www.bafög.de / de / -10-alter-

226.php [Zugriff am 06.01.2016].

2 Rechtsgrundlage online verfügbar unter:

www.stw-bremen.de / de /

studienfinanzierung /

einkommensberechnung-

freibetr%C3%A4ge

[Zugriff am 06.01.2016].

3 Rechtsgrundlage online verfügbar unter:

www.bafög.de / de / -2-

ausbildungsstaetten--216.php

[Zugriff am 06.01.2016].

4 Rechtsgrundlage online verfügbar unter:

www.bafög.de / de / -7-erstausbildung-

weitere-ausbildung-222.php

[Zugriff am 06.01.2016].

5 Weitere Informationen online unter:

www.bmbf.de / de / das-

aufstiegsstipendium-882.html

[Zugriff am 11.01.2016].

6 Beispielhaft ist hier auf das

Antragsverfahren der Universität

Bremen verwiesen:

www.uni-bremen.de /

deutschlandstipendiat.html

[Zugriff am 11.01.2016].

7 Informationen online abrufbar unter:

www.deutschlandstipendium.de / de /

1684.php [Zugriff am 11.01.2016].

8 Nähere Informationen unter:

www.boeckler.de/4373.htm

[Zugriff am 11.01.2016].

9 Nähere Informationen unter:

www.boeckler.de / 4374.htm

[Zugriff am 11.01.2016].

10 Nähere Informationen unter:

www.bva.bund.de / DE / Organisation /

Abteilungen / Abteilung_BT /

Bildungskredit / bildungskredit_node.

html [Zugriff am 11.01.2016].

11 Nähere Informationen online unter:

www.kfw.de / inlandsfoerderung /

Privatpersonen / Studieren-Qualifizieren /

Direkt-zum-KfW-Studienkredit /

[Zugriff am 11.01.2016].

Page 111: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

orte und Zeiten für beratung

Die Beratungszeiten

weichen teilweise von

den Öffnungszeiten ab –

bitte erfragen Sie diese

telefonisch oder bei

Ihrem nächsten Besuch

oder informieren Sie

sich im Internet

Parkhaus Violenstraße

P

Straßenbahn 2, 3, 4, 6, 8Bus 24, 25

H

Bürgerstraße 128195 BremenTelefon: 0421·36301-0Telefax: 0421·[email protected]

❚ Allgemeine ÖffnungszeitenMontag bis Donnerstag 8.00–18.30 UhrFreitag 8.00–13.00 Uhr

geschäftsstelle bremen

Bus 505, 506Martin- Donandt-Platz502, 508, 509Lloydstraße/ VHS

H

Barkhausenstraße 1627568 Bremerhaven Telefon: 0471·92235-0Telefax: 0471·[email protected]

❚ Allgemeine ÖffnungszeitenMontag bis Donnerstag 8.00–18.30 UhrFreitag 8.00–13.00 Uhr

geschäftsstelle bremerhavenMartin-Donandt-Platz

Lloydstraße/VHS

DeutschesAuswandererhaus

Zoo am Meer

Bürgermeister-Smidt-Straße

Bus 91/92, 94 (Fährgrund)

H

Lindenstraße 828755 BremenTelefon: 0421·66950-0Telefax: 0421·[email protected]

❚ Allgemeine ÖffnungszeitenMontag und Donnerstag 8.00–18.30 UhrDienstag und Mittwoch 8.00–16.30 UhrFreitag 8.00–13.00 Uhr

geschäftsstelle bremen-nord

Page 112: Balanceakt berufsbegleitendes Studieren€¦ · für lebenslanges Lernen ist, dass Quali-fikationen über flexible Bildungswege erworben werden können, darunter auch Die Förderung

Beruflich aufsteigen, sich weiterentwickeln, inhaltlich etwas anderes machen – all das sind Motive von Arbeitnehmerinnen und Arbeit- nehmern, sich im Verlauf ihres Berufslebens noch mal für ein Studium zu entscheiden. In vielen Berufsbereichen steigt der Bedarf an wissenschaftlicher Qualifizierung. Die staatlichen Hochschulen sind daher aufgefordert, ihre Angebote für Berufstätige auszubauen. Die vorliegende Studie rückt die Frage in den Mittelpunkt, wie Rahmenbedingungen an Hochschulen und in Betrieben gestaltet werden sollten, damit Beschäftigte ein Studium künftig besser mit dem Beruf und dem Privatleben vereinbaren können.

Balanceakt berufsbegleitendes Studieren

www.arbei tnehmerk ammer.de Studie

S c h r i f t e n r e i h e d e r A r b e i t n e h m e r k A m m e r b r e m e n