v3 v4 v7 innovationen in der dermatologie - faz.media · vergangenheit sogar mit lepra-kranken...

8
Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsspezial EDITORIAL Von Anna Seidinger Die Haut ist bei weitem mehr als die schüt- zende Hülle des Menschen. Sie ist auch ein Spiegel des Wohlbefi ndens und dazu ein wichtiges Statussymbol. Umso mehr belas- ten chronische Hautkrankheiten Menschen. Sie leben einerseits mit den teils sehr hef- tigen und schmerzhaften Symptomen und haben andererseits mit Stigmatisierung und Ausgrenzung zu kämpfen. Deshalb sind die zahlreichen innovativen Therapien der vergangenen Jahre ein Segen für die Betroffenen. So kann die stark belas- tende Schuppenflechte heute sehr wirkungs- voll mit von innen wirkenden Systemthera- pien und Biologika behandelt werden. Die Patienten können auf einen nahezu beschwer- defreien Verlauf und deutlich gesteigerte Lebensqualität hoffen. Für Neurodermitis stehen vielversprechende neue Therapieopti- onen kurz vor der Zulassung. Die Betroffenen können auch hier auf deutlich bessere Ergeb- nisse in der Behandlung hoffen. Doch was bringen die besten Therapien, wenn sie in der Praxis nicht angewendet wer- den. Zahlen der Versorgungsforschung belegen beispielsweise starke regionale Unterschiede in der Verordnung neuer Systemtherapien bei Schuppenflechte, die sich nicht durch popula- tionsbedingte Parameter erklären lassen. Dies geht klar zu Lasten der betroffen Patienten. Aber auch der gute Ruf des deutschen Gesund- heitssystems wird aufs Spiel gesetzt. KREBSMEDIZIN HAT BESSERE WAFFEN Das maligne Melanom ist eine der gefährlichsten Krebs- arten. Immuntherapien verbessern die Behandlung und erhöhen die Lebenserwartung. Seite V7 VERSORGUNGSLAGE ZEIGT DEFIZITE Der deutsche Standard zur Versorgung von Menschen mit Schuppenflechte gehört weltweit zu den besten. Doch es gibt Lücken, die geschlossen werden sollten. Seite V4 HAUTMEDIZIN GEWINNT AN BEDEUTUNG Leena Bruckner-Tuderman und Klaus Strömer über die Entwicklungen der Dermatologie vom Nischenfach zum interdisziplinären Systemfach. Seite V3 E s gibt viele Volksweisheiten, die sich über Jahrhunderte der Menschheitsgeschichte ziehen und die Einflüsse von Haut- problemen auf das körperliche und seelische Wohlbefi nden beschreiben. Geht Stress tatsächlich in be- ziehungsweise unter die Haut? Wie kommt er dorthin? Solchen Fragen geht die Psycho- dermatologie nach, eine nicht mehr ganz junge Wissenschaft, die sich mit den Folgen von Hautkrankheiten auf Körper und Seele beschäftigt. Weitreichende Eff ekte von Hautkrankheiten sind belegt Menschen mit einer chronischen Haut- krankheit fühlen sich selbst oft ausge- grenzt, stigmatisiert und minderwertig im Vergleich zu ihren Mitmenschen. In einer Welt, die von hohen Schönheitsidealen be- herrscht ist, sind makellose Haut und Kör- per erstrebenswert und Pigmentstörungen oder Fleckchen auf der Haut oder Schuppen auf dem Kopf möglichst zu vermeiden. Im- merhin ein Prozent der deutschen Bevöl- kerung fühlt sich entstellt und kann damit kaum umgehen – oft durchaus recht attrak- tive Personen. Sie leiden an einer sogenann- ten körperdysmorphen Störung, ziehen sich deshalb aus dem sozialen Leben zurück und suchen Methoden, Haut und Körper zu perfektionieren. Noch häufiger wird an der Haut herumgezupft, aus Gewohnheit oder Zwang oder impulsiv bei innerer Anspan- nung, immerhin bei etwa sieben Prozent der Bevölkerung. Diejenigen mit bekannten Hautkrank- heiten, wie die drei Prozent der Menschen mit Psoriasis oder Neurodermitis, tragen ein zweieinhalbfach erhöhtes Risiko, eine Depression oder eine Angststörung zu entwi- ckeln. Menschen, die von der nicht wirklich gut zu behandelnden Weißfleckenkrankheit, der sogenannten Vitiligo, betroffen sind, füh- len sich häufig entstellt. Manche schaffen es dank guten Selbstwertgefühls und sozialer Unterstützung durch Partner, Familie und Freunde, mit Hautproblemen souverän um- zugehen. Studien zeigen jedoch, dass etwa jede vierte Person mit Hautkrankheit in ih- rem seelischen Befi nden durch Depression, Angst oder soziale Phobie eingeschränkt ist. Sogar Selbstmordgedanken kommen nicht selten bei Hautkrankheiten vor, eine europa- weite Studie in 15 Ländern zeigte, dass mehr als zwölf Prozent der Betroffenen Selbst- mordgedanken angegeben haben, vier Pro- zent mehr als diese bei Hautgesunden auch vorhanden sind. Fragt man im Internet durch das Zeigen von Bildern eines Gesichtes mit oder ohne Akne, so wird das computertechnisch mit Akne versehene Gesicht ganz anders ein- geschätzt als ein hautgesundes Gesicht: Mit Akne werden sowohl von Teenagern wie auch Erwachsenen weniger Freunde erwar- tet, weniger Selbstbewusstsein, und sogar die Intelligenz wird geringer eingeschätzt. Gleiches gilt für diejenigen mit der Gesichts- rötung Rosacea, die oft als Alkoholiker vorverurteilt werden. Ganz zu schweigen davon, dass fast jeder Mensch in der Selbst- hilfegruppe für Psoriasis (Schuppenflechte) darüber berichten kann, schon einmal beim Baden auf die Erkrankung angesprochen worden zu sein oder als infektiös einge- schätzt und des Schwimmbades verwiesen worden zu sein. Betroffene wurden in der Vergangenheit sogar mit Lepra-Kranken ver- wechselt und stark ausgegrenzt. Insgesamt gehen Hautkrankheiten mit Gefühlen von Ekel und Scham einher, bekannte Emotio- nen, die komplex und schnell mit Stigmati- sierung zu tun haben. Bis heute scheint sich diese Stigmatisierung gehalten zu haben. Viele Menschen mit Schuppenflechte gehen nicht zum Friseur oder entwickeln eine sozi- ale Phobie, die behandlungsbedürftig ist. Neurodermitis reduziert die Lebensqualität Hautkrankheiten sind sehr häufig mit Juck- reiz verbunden, dieser Nervenerregung in der Haut, die Qualen verursacht und manch- mal schlimmer als Schmerzen erlebt wird. Der nächtliche Schlaf kann gestört sein, was zu Gereiztheit, Müdigkeit, Konzentrations- störungen und Hilflosigkeit führen kann. Juckreiz wird heute, ähnlich wie Schmerz, als komplexes multifaktorielles Geschehen eingeschätzt. Studien zeigen, dass der men- tal ausgelöste Juckreiz, beispielsweise durch Sehen und Hören eines Berichtes über In- sekten, Flöhe und Wanzen, genauso heftig empfunden wird wie eine auf die Haut appli- zierte Lösung, welche die Juckreizsubstanz Histamin enthält. Psychische Faktoren, wie Anspannung, Verarbeitungsstrategien und erlebter sozialer Unterstützung, beeinflussen den Juckreiz ebenfalls. Vor allem die Neurodermitis zeigt so- gar im Vergleich mit anderen chronischen Krankheiten wie Diabetes, rheumatische Er- krankungen oder Herzproblemen die größte Einschränkung der Lebensqualität. Auch Hautärzte kommen in der Einschätzung der Hautpatienten auch nicht gut weg: sie haben zu wenig Zeit, auf die psychosozialen Proble- me einzugehen. Patienten erleben oft nur ein „Herumprobieren“ von Cremes und Salben, sie vermissen ein grundlegendes Interesse, wie sie mit der Krankheit zurechtkommen, oder ein Gespräch über mögliche Behand- lungsstrategien. Schulungen und Zuwendung unterstützen Betroff ene So unterschiedlich Hautkrankheiten sind, so vielfältig sind deren Ursachen. Stress wird von vielen Patienten als möglicher Auslöser angesehen, während die Mediziner diesen Faktor nach wie vor eher unterschätzen. Die neuroimmunologische Forschung hat inzwi- schen zeigen können, dass Stress tatsächlich nicht nur veränderte Kreislaufreaktionen verursacht, sondern auch eine Neurodermi- tis verschlechtern kann. Die Forscher haben bestimmte Nervenbotenstoffe im Verdacht, die in die Entzündungskaskade einwirken und dort zu einer Verstärkung der Entzün- dung beitragen, manchmal sie vielleicht sogar auslösen. Wie sollen Betroffene damit umgehen? Stress ist nicht grundsätzlich zu vermeiden. In Schulungsprogrammen wie der Neurodermitis-Schulung, die seit 2007 im Rahmen der ambulanten Reha auch von den Krankenkassen fi nanziell mitgetragen wird, haben sich multimodale Ansätze zur Behandlung sehr bewährt. In diesen Pro- grammen lernen die Betroffenen und die El- tern von Kindern mit Neurodermitis sowohl die dermatologische Hautbehandlung wie auch psychologische Strategien und Ernäh- rungstipps, um mit der Erkrankung besser umgehen und den Verlauf positiver beein- flussen zu können. Vor allem Juckreiz kann durch solche Stress-Management-Techniken gebessert werden. Positive Effekte von Berührungen sind vermindert Ebenso ist Berührung ein Hautphänomen, das viele Hautkranke kaum erleben und sie in ihrem Alltag behindert. So geben Haut- kranke deutlich weniger erlebte Streichelein- heiten durch ihre Eltern an als Hautgesunde. Die beruhigende Wirkung des Streichelns, der Hautmassage und des Eincremens spielt eine wesentliche Rolle in der Gesundung des Menschen und wird von der Medizin so gut wie immer missachtet. Schließlich zeigen neue Studien auch, dass selbst eine gute psy- choonkologische Betreuung bei Hautkrebs wie Melanom und weißer Hautkrebs durch eine Verbesserung der Krankheitsverarbei- tung einen zumindest psychisch positiven Effekt bei diesen lebensbedrohlichen Hauter- krankungen hat. Es wäre wünschenswert, dass Hautärzte mehr Zeit für das Gespräch mit den Patienten haben. Die derzeit öko- nomisch möglichen vier bis acht Minuten langen Patientenkontakte in einer normalen Hautarztpraxis lassen zu wenig Zeit für die Probleme der Betroffenen. Als Folge kommt es zu häufig beklagten Therapieversagern und Behandlungswechseln. Haut und Psyche gehören zusammen, dies ist in den letzten Jahrzehnten mehr als deutlich geworden. Professor Dr. med. Uwe arbeitet als stellver- tretender Leiter der Universitäts-Hautklinik und an der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie des Universitäts- klinikums Gießen und Marburg (UKGM) am Standort Gießen. „Die Haut ist der Spiegel der Seele“ Das zunehmende medizinische Wissen über Hauterkrankungen hat die Entwicklung wirksamer Therapien ermöglicht. Noch zu wenig Beachtung finden die psychischen Folgen und Begleiterkrankungen. Dabei liegt dies weniger am Willen, sondern mehr an der zur Verfügung stehenden Zeit der behandelnden Ärzte. Von Uwe Gieler „Studien zeigen, dass etwa jede vierte Person mit Hautkrankheit in ihrem seelischen Befinden durch Depression, Angst oder soziale Phobie eingeschränkt ist.“ 6. Dezember 2017 IMPRESSUM Innovationen in der Dermatologie Verlagsspezial der Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt: Anna Seidinger, Diplom-Biologin/MBA Anna Seidinger Consulting, Medien Medizin Marketing Margit-Schramm-Straße 6, 80639 München [email protected] Im Auftrag von: FAZIT Communication GmbH Frankenallee 71–81, 60327 Frankfurt am Main Layout: F.A.Z. Creative Solutions, Arnd Hildebrand Autoren: Matthias Augustin, Thomas Bieber, Eckhardt W. Breitbart, Leena Bruckner-Tuderman, Jürgen Ellwanger, Uwe Gieler, Ottfrid Hillmann, Ulrich Koch, Alexandra Ogilvie, Dirk Schadendorf, Sophia Schlette, Carsten Schmidt-Weber, Anna Seidinger, Klaus Strömer, Claas Ulrich, Ralph M. von Kiedrowski, Jürgen Wasem Verantwortlich für Anzeigen: Ingo Müller, für Anzeigenproduktion: Andreas Gierth Weitere Angaben siehe Impressum auf Seite 4. FAKTEN ÜBER HAUTKRANKHEITEN FOLGENSCHWER: Hautprobleme und Hautkrankheiten bilden mit 30 Prozent den Hauptteil aller gemeldeten Berufskrankheiten. Der volkswirtschaftliche Schaden wird auf über 1,5 Milliarden Euro geschätzt. NEURODERMITIS ist eine der häufigsten Hauterkrankungen. Drei bis vier Millionen Menschen leiden in Deutschland an dieser nicht ansteckenden chronischen Hauterkrankung. Besonders hoch ist der Anteil unter Kindern und Jugendlichen. HAUTKREBS tritt in verschiedenen Formen auf. Am häufigsten ist mit etwa 175 000 Diagnosen jährlich der weiße Hautkrebs. Das gefährliche maligne Melanom zählt pro Jahr über 35 000 Neuerkrankungen und ist für über 3000 Todesfälle verantwortlich. SCHUPPENFLECHTE betriff t hierzulande über zwei Millionen Menschen mit einer mehr oder weniger schweren Form. Diese chronisch-entzündliche, autoimmun vermittelte Krankheit tritt in allen Altersgruppen und bei beiden Geschlechtern etwa gleich häufig auf. FOTO SELENIT/FOTOLIA

Upload: dangliem

Post on 07-Apr-2019

217 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Is sa volenimus dolendio. Modi aut et ea nis apelluptur aborporest, volorit amendi te si ut aut quodisit et voluptu repudaest offi ciur aut occabor rem sam quam facest, tem idiae aut alistem el ipsum reptatq uaturem des plaborem.

FOTO MAX MUSTERMANN

Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsspezial

E D I T O R I A LVon Anna Seidinger

Die Haut ist bei weitem mehr als die schüt-zende Hülle des Menschen. Sie ist auch einSpiegel des Wohlbefi ndens und dazu einwichtiges Statussymbol. Umso mehr belas-ten chronische Hautkrankheiten Menschen.Sie leben einerseits mit den teils sehr hef-tigen und schmerzhaften Symptomen undhaben andererseits mit Stigmatisierung undAusgrenzung zu kämpfen.

Deshalb sind die zahlreichen innovativenTherapien der vergangenen Jahre ein Segenfür die Betroffenen. So kann die stark belas-tende Schuppenfl echte heute sehr wirkungs-tende Schuppenfl echte heute sehr wirkungs-tende Schuppenflvoll mit von innen wirkenden Systemthera-pien und Biologika behandelt werden. DiePatienten können auf einen nahezu beschwer-defreien Verlauf und deutlich gesteigerteLebensqualität hoffen. Für Neurodermitisstehen vielversprechende neue Therapieopti-onen kurz vor der Zulassung. Die Betroffenenkönnen auch hier auf deutlich bessere Ergeb-nisse in der Behandlung hoffen.

Doch was bringen die besten Therapien,wenn sie in der Praxis nicht angewendet wer-den. Zahlen der Versorgungsforschung belegenbeispielsweise starke regionale Unterschiedein der Verordnung neuer Systemtherapien beiSchuppenfl echte, die sich nicht durch popula-Schuppenfl echte, die sich nicht durch popula-Schuppenfltionsbedingte Parameter erklären lassen. Diesgeht klar zu Lasten der betroffen Patienten.Aber auch der gute Ruf des deutschen Gesund-heitssystems wird aufs Spiel gesetzt.

K R E B S M E D I Z I N H A T B E S S E R E W A F F E NDas maligne Melanom ist eine der gefährlichsten Krebs-arten. Immuntherapien verbessern die Behandlung und erhöhen die Lebenserwartung. Seite V7

V E R S O R G U N G S L A G E Z E I G T D E F I Z I T EDer deutsche Standard zur Versorgung von Menschen mit Schuppenfl echte gehört weltweit zu den besten. Doch mit Schuppenfl echte gehört weltweit zu den besten. Doch mit Schuppenfles gibt Lücken, die geschlossen werden sollten. Seite V4

H A U T M E D I Z I N G E W I N N T A N B E D E U T U N GLeena Bruckner-Tuderman und Klaus Strömer über die Entwicklungen der Dermatologie vom Nischenfach zum interdisziplinären Systemfach. Seite V3

Es gibt viele Volksweisheiten, die sich über Jahrhunderte der Menschheitsgeschichte ziehen und die Einfl üsse von Haut-problemen auf das körperliche und seelische Wohlbefi nden

beschreiben. Geht Stress tatsächlich in be-ziehungsweise unter die Haut? Wie kommt er dorthin? Solchen Fragen geht die Psycho-dermatologie nach, eine nicht mehr ganz junge Wissenschaft, die sich mit den Folgen von Hautkrankheiten auf Körper und Seele beschäftigt.

Weitreichende Eff ekte von Weitreichende Eff ekte von Weitreichende EffHautkrankheiten sind belegt

Menschen mit einer chronischen Haut-krankheit fühlen sich selbst oft ausge-grenzt, stigmatisiert und minderwertig im Vergleich zu ihren Mitmenschen. In einer Welt, die von hohen Schönheitsidealen be-herrscht ist, sind makellose Haut und Kör-per erstrebenswert und Pigmentstörungen oder Fleckchen auf der Haut oder Schuppen auf dem Kopf möglichst zu vermeiden. Im-merhin ein Prozent der deutschen Bevöl-kerung fühlt sich entstellt und kann damit kaum umgehen – oft durchaus recht attrak-tive Personen. Sie leiden an einer sogenann-ten körperdysmorphen Störung, ziehen sich deshalb aus dem sozialen Leben zurück und suchen Methoden, Haut und Körper zu perfektionieren. Noch häufi ger wird an der Haut herumgezupft, aus Gewohnheit oder Zwang oder impulsiv bei innerer Anspan-nung, immerhin bei etwa sieben Prozent der Bevölkerung.

Diejenigen mit bekannten Hautkrank-heiten, wie die drei Prozent der Menschen mit Psoriasis oder Neurodermitis, tragen ein zweieinhalbfach erhöhtes Risiko, eine Depression oder eine Angststörung zu entwi-ckeln. Menschen, die von der nicht wirklich gut zu behandelnden Weißfl eckenkrankheit, der sogenannten Vitiligo, betroffen sind, füh-len sich häufi g entstellt. Manche schaffen es dank guten Selbstwertgefühls und sozialer Unterstützung durch Partner, Familie und Freunde, mit Hautproblemen souverän um-

zugehen. Studien zeigen jedoch, dass etwa jede vierte Person mit Hautkrankheit in ih-rem seelischen Befi nden durch Depression, Angst oder soziale Phobie eingeschränkt ist. Sogar Selbstmordgedanken kommen nicht selten bei Hautkrankheiten vor, eine europa-weite Studie in 15 Ländern zeigte, dass mehr als zwölf Prozent der Betroffenen Selbst-mordgedanken angegeben haben, vier Pro-zent mehr als diese bei Hautgesunden auch vorhanden sind.

Fragt man im Internet durch das Zeigen von Bildern eines Gesichtes mit oder ohne Akne, so wird das computertechnisch mit Akne versehene Gesicht ganz anders ein-geschätzt als ein hautgesundes Gesicht: Mit Akne werden sowohl von Teenagern wie auch Erwachsenen weniger Freunde erwar-tet, weniger Selbstbewusstsein, und sogar die Intelligenz wird geringer eingeschätzt. Gleiches gilt für diejenigen mit der Gesichts-rötung Rosacea, die oft als Alkoholiker vorverurteilt werden. Ganz zu schweigen davon, dass fast jeder Mensch in der Selbst-hilfegruppe für Psoriasis (Schuppenfl echte) darüber berichten kann, schon einmal beim Baden auf die Erkrankung angesprochen worden zu sein oder als infektiös einge-schätzt und des Schwimmbades verwiesen worden zu sein. Betroffene wurden in der Vergangenheit sogar mit Lepra-Kranken ver-wechselt und stark ausgegrenzt. Insgesamt gehen Hautkrankheiten mit Gefühlen von Ekel und Scham einher, bekannte Emotio-nen, die komplex und schnell mit Stigmati-sierung zu tun haben. Bis heute scheint sich diese Stigmatisierung gehalten zu haben. Viele Menschen mit Schuppenfl echte gehen nicht zum Friseur oder entwickeln eine sozi-ale Phobie, die behandlungsbedürftig ist.

Neurodermitis reduziert die Lebensqualität

Hautkrankheiten sind sehr häufi g mit Juck-reiz verbunden, dieser Nervenerregung in der Haut, die Qualen verursacht und manch-mal schlimmer als Schmerzen erlebt wird. Der nächtliche Schlaf kann gestört sein, was zu Gereiztheit, Müdigkeit, Konzentrations-

störungen und Hilfl osigkeit führen kann. Juckreiz wird heute, ähnlich wie Schmerz, als komplexes multifaktorielles Geschehen eingeschätzt. Studien zeigen, dass der men-tal ausgelöste Juckreiz, beispielsweise durch Sehen und Hören eines Berichtes über In-sekten, Flöhe und Wanzen, genauso heftig empfunden wird wie eine auf die Haut appli-zierte Lösung, welche die Juckreizsubstanz Histamin enthält. Psychische Faktoren, wie Anspannung, Verarbeitungsstrategien und erlebter sozialer Unterstützung, beeinfl ussen den Juckreiz ebenfalls.

Vor allem die Neurodermitis zeigt so-gar im Vergleich mit anderen chronischen Krankheiten wie Diabetes, rheumatische Er-krankungen oder Herzproblemen die größte Einschränkung der Lebensqualität. Auch Hautärzte kommen in der Einschätzung der Hautpatienten auch nicht gut weg: sie haben zu wenig Zeit, auf die psychosozialen Proble-me einzugehen. Patienten erleben oft nur ein „Herumprobieren“ von Cremes und Salben, sie vermissen ein grundlegendes Interesse, wie sie mit der Krankheit zurechtkommen, oder ein Gespräch über mögliche Behand-lungsstrategien.

Schulungen und Zuwendung unterstützen Betroff eneunterstützen Betroff eneunterstützen Betroff

So unterschiedlich Hautkrankheiten sind, so vielfältig sind deren Ursachen. Stress wird von vielen Patienten als möglicher Auslöser angesehen, während die Mediziner diesen Faktor nach wie vor eher unterschätzen. Die neuroimmunologische Forschung hat inzwi-schen zeigen können, dass Stress tatsächlich nicht nur veränderte Kreislaufreaktionen verursacht, sondern auch eine Neurodermi-tis verschlechtern kann. Die Forscher haben bestimmte Nervenbotenstoffe im Verdacht, die in die Entzündungskaskade einwirken und dort zu einer Verstärkung der Entzün-dung beitragen, manchmal sie vielleicht sogar auslösen. Wie sollen Betroffene damit umgehen? Stress ist nicht grundsätzlich zu vermeiden. In Schulungsprogrammen wie der Neurodermitis-Schulung, die seit 2007 im Rahmen der ambulanten Reha auch von

den Krankenkassen fi nanziell mitgetragen wird, haben sich multimodale Ansätze zur Behandlung sehr bewährt. In diesen Pro-grammen lernen die Betroffenen und die El-tern von Kindern mit Neurodermitis sowohl die dermatologische Hautbehandlung wie auch psychologische Strategien und Ernäh-rungstipps, um mit der Erkrankung besser umgehen und den Verlauf positiver beein-fl ussen zu können. Vor allem Juckreiz kann durch solche Stress-Management-Techniken gebessert werden.

Positive Eff ekte von BerührungenPositive Eff ekte von BerührungenPositive Effsind vermindert

Ebenso ist Berührung ein Hautphänomen, das viele Hautkranke kaum erleben und sie in ihrem Alltag behindert. So geben Haut-kranke deutlich weniger erlebte Streichelein-heiten durch ihre Eltern an als Hautgesunde. Die beruhigende Wirkung des Streichelns, der Hautmassage und des Eincremens spielt eine wesentliche Rolle in der Gesundung des Menschen und wird von der Medizin so gut wie immer missachtet. Schließlich zeigen neue Studien auch, dass selbst eine gute psy-choonkologische Betreuung bei Hautkrebs wie Melanom und weißer Hautkrebs durch eine Verbesserung der Krankheitsverarbei-tung einen zumindest psychisch positiven Effekt bei diesen lebensbedrohlichen Hauter-krankungen hat. Es wäre wünschenswert, dass Hautärzte mehr Zeit für das Gespräch mit den Patienten haben. Die derzeit öko-nomisch möglichen vier bis acht Minuten langen Patientenkontakte in einer normalen Hautarztpraxis lassen zu wenig Zeit für die Probleme der Betroffenen. Als Folge kommt es zu häufi g beklagten Therapieversagern und Behandlungswechseln. Haut und Psyche gehören zusammen, dies ist in den letzten Jahrzehnten mehr als deutlich geworden.

Professor Dr. med. Uwe arbeitet als stellver-tretender Leiter der Universitäts-Hautklinik und an der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie des Universitäts-klinikums Gießen und Marburg (UKGM) am Standort Gießen.

„Die Haut ist der Spiegel der Seele“Das zunehmende medizinische Wissen über Hauterkrankungen hat die Entwicklung wirksamer Therapien ermöglicht.

Noch zu wenig Beachtung fi nden die psychischen Folgen und Begleiterkrankungen. Dabei liegt dies weniger am Willen, sondern mehr an derzur Verfügung stehenden Zeit der behandelnden Ärzte. Von Uwe Gieler

„Studien zeigen, dass etwa jede

vierte Person mit Hautkrankheit

in ihrem seelischen Befi nden durch

Depression, Angst oder soziale Phobie eingeschränkt ist.“

6. Dezember 2017

Innovationen in der Dermatologie

I M P R E S S U M

Innovationen in der Dermatologie

Verlagsspezial der

Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH

Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt:Anna Seidinger, Diplom-Biologin/MBA

Anna Seidinger Consulting,

Medien Medizin Marketing

Margit-Schramm-Straße 6, 80639 München

[email protected]

Im Auftrag von:FAZIT Communication GmbH

Frankenallee 71–81, 60327 Frankfurt am Main

Layout: F.A.Z. Creative Solutions, Arnd Hildebrand

Autoren: Matthias Augustin, Thomas Bieber, Eckhardt W.

Breitbart, Leena Bruckner-Tuderman, Jürgen Ellwanger,

Uwe Gieler, Ottfrid Hillmann, Ulrich Koch, Alexandra

Ogilvie, Dirk Schadendorf, Sophia Schlette, Carsten

Schmidt-Weber, Anna Seidinger, Klaus Strömer, Claas

Ulrich, Ralph M. von Kiedrowski, Jürgen Wasem

Verantwortlich für Anzeigen: Ingo Müller,

für Anzeigenproduktion: Andreas Gierth

Weitere Angaben siehe Impressum auf Seite 4.

F A K T E N Ü B E R H A U T K R A N K H E I T E N

F O L G E N S C H W E R : Hautprobleme und Hautkrankheiten bilden mit 30 Prozent den

Hauptteil aller gemeldeten Berufskrankheiten. Der volkswirtschaftliche Schaden wird auf

über 1,5 Milliarden Euro geschätzt.

N E U R O D E R M I T I S ist eine der häufi gsten Hauterkrankungen. Drei bis vier MillionenMenschen leiden in Deutschland an dieser nicht ansteckenden chronischen Hauterkrankung.

Besonders hoch ist der Anteil unter Kindern und Jugendlichen.

H A U T K R E B S tritt in verschiedenen Formen auf. Am häufi gsten ist mit etwa 175 000 Diagnosen jährlich der weiße Hautkrebs. Das gefährliche maligne Melanom zählt pro Jahr

über 35 000 Neuerkrankungen und ist für über 3000 Todesfälle verantwortlich.

S C H U P P E N F L E C H T E betriff t hierzulande über zwei Millionen Menschen mit einer

mehr oder weniger schweren Form. Diese chronisch-entzündliche, autoimmun vermittelte

Krankheit tritt in allen Altersgruppen und bei beiden Geschlechtern etwa gleich häufi g auf.

FO

TO

SE

LEN

IT/

FO

TO

LIA

V2 Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsspezial / Innovationen in der Dermatologie / 6. Dezember 2017

Allergien betreffen neben der Haut auch die Atem-wege, den Darm sowie das Immunsystem. Sie kön-nen schon in den ersten Lebensmonaten auftreten,

aber teils auch erst im hohen Lebensalter beginnen. Ein Viertel unserer Bevölkerung ist durch diese Volkskrankheiten in ihrer Lebensqualität stark eingeschränkt, und das bei steigender Tendenz. Mediziner ver-stehen unter Allergien die Überreaktion des Immunsystems gegenüber Fremdstof-fen aus der Natur, wobei die Immunreakti-on innerhalb von wenigen Minuten erfolgt (Soforttyp, durch Immunglobulin E, IgE, vermittelt) und auch zu lebensgefährlichen Schocksituationen führen kann. Neben den Symptomen an der Haut sind der Heu-schnupfen, allergische Rhinitis genannt, und das allergische Asthma ebenfalls weit verbreitet. Weniger häufi g, aber umso ge-fährlicher sind Insektengiftallergien und Nahrungsmittelallergien. Dabei beobach-ten Wissenschaftler eine Zunahme der Lebensmittelallergien, die ähnlich rapide ansteigen wie die Atemwegsallergien vor 50 Jahren. Bei allen Allergien gilt das IgE als diagnostisches Kriterium. Dabei bindet das vom Immunsystem produzierte IgE die allergieauslösenden Substanzen, die soge-nannten Allergene. Tritt also beispielsweise der Pollen in den Körper über die Atemwege ein, erkennt das IgE die Allergene im Pollen und kann dann Reaktionen auslösen. Alar-mierend sind neueste Messungen in Schu-len, die zeigen, dass die Hälfte aller Kinder diese Sensibilisierung gegen Allergene hat. Wir wissen, dass wiederum die Hälfte dieser Kinder auch an Allergien erkranken wird, wenn sie nicht schon davon betroffen sind. Vor 30 Jahren lag der Anteil noch um die zehn Prozent. Es rollt also ein Allergie-Tsunami auf uns zu, der jedoch gestoppt werden kann.

Die gute Nachricht ist, dass die biomedizi-nische Wissenschaft vielversprechende Fort-schritte erzielt hat und sich Möglichkeiten zum Handeln bieten. Angesichts der Dimen-sion der sich ausbreitenden Allergien ist die Vermeidung von Allergien von größter Wich-

tigkeit. Kinder, die in ursprünglich geführ-ten Bauernhöfen aufwachsen, erkranken so gut wie nie an Allergien, und somit wird sofort deutlich, dass unser Lebensstil eine wichtige Rolle spielt. Forscher des Clusters für Allergie und Immunität (CAI), eines vir-tuellen Zusammenschlusses des Helmholtz Zentrums München mit den in München an-sässigen Universitäten, sind diesem Effekt auf der Spur und haben mehrere Ansatz-punkte, die sich auch praktisch umsetzen lassen. Die Forscher halten es für möglich, einen guten Teil der Allergien verhindern zu können. Hinzu kommen Erkenntnisse von fi nnischen Forschern, die erfolgreich zusam-men mit der fi nnischen Regierung, von 1994 bis 2004 ein Asthma-Präventionsprogramm entwickelt haben. Dieses Programm basiert vor allem auf der Ausbildung und Informati-

on von Ärzten, klinischem Personal und den Patienten selbst. Auch in Deutschland wurde mit Unterstützung des Bundesgesundheits-ministeriums ein Allergieinformationsdienst ins Leben gerufen, der überprüfte Informati-onen mit guter Evidenz zur Verfügung stellt (www.allergieinformationsdienst.de), um einen Schritt in Richtung Allergieprävention gehen zu können.

Das Übel an der Wurzel packen

Besonders wichtig für den Allergiepatien-ten ist aber auch die genaue Information über die Allergene, insbesondere der luft-getragenen Allergene wie Baum- und Grä-serpollen. Die bisherigen Pollenmessungen wurden per Hand etwa einmal wöchentlich durchgeführt und erreichten somit die Be-

troffenen zu spät und ungenau. Mit dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmit-telsicherheit wird jetzt ein automatisiertes Pollenmessnetzwerk installiert, welches alle drei Stunden aktuelle Pollendaten lie-fert. Diese werden zusammen mit den Wet-terdaten modelliert und erlauben, ähnlich wie die Wettervorhersage, eine viel präzi-sere Voraussage für den nächsten Tag. Der Allergiepatient soll dann per Smartphone auf diese Informationen zugreifen können und zu seinem Standort informiert werden. Aufgrund seiner eigenen Erfahrungswerte kann er dann dementsprechend seine Medi-kamente für den kommenden Tag dosieren. Wünschenswert wäre eine Ausdehnung des Messnetzwerkes, so dass nicht nur Patienten in Bayern, sondern auch die im ganzen Land auf Pollenfl ug reagieren können.

Potentiale der Prävention und Behandlung von Allergien

Die Forschung in Europa und insbesonderein Deutschland hat sich im letzten Jahrzehntstark verbessert und zahlreiche vielverspre-chende Technologien und Lösungsansätzegeneriert. Am Helmholtz Zentrum Münchenist man besonders an Lösungen für das Al-lergieproblem interessiert und betreibt For-schung, die bereits zu greifbaren Ansätzenund mehreren Patenten geführt hat.

Leider kommen Therapie-Innovationenzum großen Teil nicht beim Patienten an.Denn trotz der steigenden Zahl der Allergi-ker wird eine sinkende Anzahl verschriebe-ner Allergiemedikamente beobachtet. Dieshängt zum einen damit zusammen, dassÄrzte die Allergiebehandlung nicht kosten-deckend abrechnen können. Noch größerist jedoch das Problem, dass die Kosten zurEntwicklung und Zulassung von Diagnos-tika und Medikamenten so hoch gewordensind, dass nur noch große Pharmafi rmenNeuentwicklungen betreiben können. Es istsogar so weit gekommen, dass in Deutsch-land bestimmte Allergenpräparationen zurDia gnostik nicht mehr erhältlich sind. Somitfällt die deutsche Innovationskraft mit ihrenvielversprechenden Erfi ndungen in ein In-vestitionsloch, weil Allergiediagnostika undMedikamente zwar dringend benötigt wer-den, der Gewinn jedoch nicht hoch genug ist,um die Kosten durch das Risiko in der For-schung zu rechtfertigen. Aus diesem Grundschlagen die Forscher neue Lösungswegevor, bei denen die öffentliche Hand gemein-sam mit Investoren Entwicklungen voran-treiben soll. Die Helmholtz und die Fraunho-fer Gesellschaft haben deswegen den Aufbauvon „Proof of Concept“-Zentren vorgeschla-gen, an denen akademische Neuentwick-lungen vorangetrieben werden sollen. DerCluster für Allergie und Immunität schlägtein solches Zentrum für München vor, andem auch ohne die Pharmariesen Lösungenentwickelt werden könnten, die die Allergie-Epidemie eindämmen könnten. Bei geschätz-ten vier Milliarden Euro Gesundheitskosten,die pro Jahr in Deutschland durch Allergienverursacht werden, besteht dringender poli-tischer Handlungsbedarf. Denn jeder neuerAllergiepatient ist einer zu viel.

Professor Dr. rer. nat. Carsten Schmidt-Weber ist Direktor des Zentrums für Allergie und Umwelt (Zaum) der Technischen Univer-sität und des Helmholtz Zentrums München.

Allergien erfordern konsequentes Handeln Die Zahl der von Allergien betroffenen Menschen steigt unaufhörlich: Die Hälfte aller Kinder ist heute gefährdet.

Die Forschung zeigt, dass sich die Erkrankungen gut behandeln und sogar vermeiden lassen. Die Möglichkeiten müssen in der Praxis besser genutzt werden. Von Carsten Schmidt-Weber

Pfl anzenpollen gehören zu den häufi gsten Allergenen. Automatisierte Messnetzwerke können Allergiker frühzeitiger informieren. FOTO NFBIRUZA/FOTOLIA

Die Neurodermitis ist die häufi gste Hauterkrankung: Drei bis vier Mil-lionen Menschen leiden in Deutsch-land daran, etwa 15 Prozent aller

Neugeborenen entwickeln im Laufe ihrer Kindheit diese atopische Dermatitis. Entge-gen der landläufi gen Meinung ist die Krank-heit nicht auf das Kindesalter begrenzt: Sie kann auch später kurz vor oder während der Pubertät sowie jederzeit im Erwachsenenal-ter auftreten. So leiden drei bis fünf Prozent der Erwachsenen daran. Bei über zwei Drit-tel der Kinder klingt die Erkrankung bis spä-testens zum zehnten Lebensjahr ab, andere werden sie bis ins Erwachsenenalter nicht los. In der Praxis unterscheidet man zwi-schen milden, mittelschweren und schweren Formen der Erkrankung, wobei alle Formen häufi g auch mit anderen sogenannten atopi-schen Erkrankungen wie Heuschnupfen und allergischem Asthma auftreten. Obwohl die Neurodermitis nicht als lebensbedrohliche Erkrankung gilt, beeinträchtigt sie die Le-bensqualität der Betroffenen und ihrer An-gehörigen erheblich.

Genetische Störungen im Vordergrund

Die biomedizinische Wissenschaft hat in den jüngsten Jahren beachtliche Erkenntnisse über die Entstehung gewonnen. Dabei stehen genetisch bedingte Störungen der sogenann-ten Hautbarriere im Vordergrund. Diese ge-netischen Defekte führen zu einer sehr tro-ckenen und empfi ndlichen Haut. Es scheint, dass genetische Mutationen und Varianten, wie das sogenannte Filaggrin betreffend, eine hohe Durchlässigkeit der Haut insbeson-dere für harmlose Umweltstoffe bewirken, was wiederum verschiedenste Allergien be-günstigen kann. Der zweite wichtige Aspekt ist eine Störung des Immunsystems mit einer verstärkten Neigung zu Allergien. Auch hier scheint eine genetische Veranlagung eine Rolle zu spielen: Neuere Untersuchungen zei-gen, dass sich das Immunsystem im Verlauf der Krankheit verändert. Bestimmte Boten-stoffe, wie das sogenannte Interleukin-4, spielen eine Schlüsselrolle sowohl in der Ent-zündungsreaktion als auch in der Entstehung

von Allergien. In Kombination mit der hohen Durchlässigkeit der Haut versteht man nun besser, wie Allergien gegen Nahrungsmittel oder andere Allergene wie Pollen oder Haus-staubmilben entstehen und zu einer Entzün-dung der Haut führen können.

Bei Neurodermitis-Patienten entwickelt sich häufi g schon im frühen Kindesalter eine regelrechte „Allergiker-Karriere“, was als atopischer Marsch bezeichnet wird: Auf die Neurodermitis folgt die Entstehung multipler Allergien, die dann Heuschnupfen und/oder Asthma auslösen. Darüber hinaus scheint die Bezeichnung Neurodermitis nicht von ungefähr zu kommen, denn die Entzün-dungsreaktionen verursachen anscheinend über die Nervenbahnen das Gefühl des quä-lenden Juckreizes im Gehirn. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass die chronische Ent-zündung der Haut Störungen im gesamten Körper und insbesondere im Hirnbereich bewirkt. So lässt sich die Verbindung der Neurodermitis zu diversen psychischen Pro-blemen, wie dem Aufmerksamkeitsdefi zit-syndrom (ADHS), Depressionen bis hin zum Suizid, erklären.

Klassische und neue Behandlungsansätze

Die aktuelle Behandlung der Neurodermitis basiert im Wesentlichen auf einer zweigleisi-gen Strategie. Einerseits soll die sogenannte Basistherapie, bestehend aus konsequent angewendeten speziellen Hautpfl egeproduk-ten, die gestörte Hautbarriere verbessern. Das zweite Standbein bildet eine langfristige Bekämpfung der Entzündungsreaktion mit kortisonhaltigen Cremes und Salben oder mit kortisonfreien Präparaten. Eine gezielte allergologische Diagnostik soll dazu dienen, die mögliche Rolle bestimmter Allergien, wie zum Beispiel auf Nahrungsmittel bei Säug-lingen und kleinen Kindern, rechtzeitig zu erkennen und diese Allergene spezifi sch zu vermeiden. Ungezielte Diäten machen in der Behandlung der Neurodermitis keinen Sinn und können sogar schädlich sein. Diese du-ale Vorgehensweise – Basistherapie und Be-kämpfung der Entzündung – sollte so früh

wie möglich und so konsequent wie möglich durchgeführt werden. Das erklärte Ziel ist, nicht nur die Schübe zu behandeln, sondern auch langfristig eine Kontrolle über die chro-nische Entzündungsreaktion in der Haut zu erlangen. Es besteht durchaus die Wahr-scheinlichkeit, dass damit vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern das Risiko für die Entwicklung eines atopischen Marsches,

insbesondere die Entwicklung von Asthma, vermindert werden kann.

Dank des besseren Verständnisses der immu-nologischen Mechanismen wurde kürzlich ein neu entwickelter Wirkstoff zugelassen, der das fehlgeleitete Immunsystem wieder korrigieren kann; er wird demnächst für die Behandlung von schweren Formen zur Verfügung stehen. Zahl-reiche weitere Kandidaten werden momentan in

klinischen Studien evaluiert, so dass schon in den kommenden Jahren weitere Präparate für die Be-handlung verfügbar sein sollten.

Neue Chancen mit Hilfe der personalisierten Medizin

Die Komplexität der verschiedenen Verlaufs-formen, das nicht vorhersehbare Risiko der Entstehung von Allergien bis hin zu allergi-schem Asthma sowie der neuerdings beschrie-bene unterschiedliche Einfl uss der Entzün-bene unterschiedliche Einfl uss der Entzün-bene unterschiedliche Einfldung der Haut auf das gesamte Immunsystem und auf das Gehirn haben dazu geführt, dass die bisherige einheitliche Betrachtungsweise dieser Krankheit und ihrer Entstehung in Fra-ge gestellt wird. Die Entdeckung zahlreicher unterschiedlicher Gene, die für die Störung der Hautbarriere verantwortlich sind, sowie die unterschiedlichen immunologischen Vor-gänge, die zur Entzündungsreaktion führen können, erklären ansatzweise die hohe Kom-plexität des Krankheitsbildes. Es liegt deshalb nahe, ähnlich wie im Bereich der Krebser-krankungen, eine andere Strategie zu suchen, weg von der Einheitstherapie hin zu maßge-schneiderten diagnostischen sowie vorbeu-genden und therapeutischen Ansätzen. Dieses Konzept der sogenannten personalisierten Me-dizin kann nun dank der neueren Entwicklun-gen in der biomedizinischen Forschung auch für die Behandlung der Neurodermitis umge-setzt werden. Als ein Beispiel für solche inno-vative Ansätze sei hier das Forschungskon-sortium Christine Kühne-Center for Allergy Research and Education (CK-CARE) erwähnt, das wichtige Grundlagen für die persona-lisierte Diagnose, Prävention und Behand-lung von Patienten mit Neurodermitis liefern möchte. Wichtig für die Erforschung derartig komplexer Erkrankungen sind großangelegte Datenbanken, in denen krankheits- und the-rapiebezogene Informationen, ergänzt um Haut- und Blutproben von Tausenden Patien-ten gesammelt werden. Die Auswertung dieser gewaltigen Datenmengen kann den Weg zu neuartigen Biomarkern ebnen, die wiederum Rückschlüsse über den individuellen Verlauf der Neurodermitis, über die Entstehung von Allergien und weiterer Erkrankungen sowie

das Ansprechen auf neuartige Therapien er-möglichen. Schon kurz nach der Geburt kön-nen solche Biomarker wichtige Informationen über das Risiko eines jeden einzelnen Kindes liefern, an einer Neurodermitis zu erkran-ken, und darüber den Verlauf abzuschätzen. So können bereits frühzeitig Maßnahmen für eine verbesserte Prävention und Therapie ein-geleitet werden.

Professor Dr. Dr. Prof. h.c., MDRA,Thomas Bieber ist Direktor der Klinik für Dermatologie und Allergologie am Universitätsklinikum Bonn und Sprecher des Christine Kühne – Center for Allergy Research and Education.

Neurodermitis – auf dem Weg zur individualisierten BehandlungEntzündete und gerötete Haut, einhergehend mit starkem Juckreiz, quält Menschen, die an der Neurodermitis leiden.

Wissenschaftler verstehen das komplexe Krankheitsgeschehen immer besser und können so neue Therapien entwickeln. Von Thomas Bieber

I N T E R D I S Z I P L I N Ä R E I N I T I AT I V E F Ü R P R Ä V E N T I O N

Cluster für Allergie und Immunität (CAI) ist ein virtueller Zusammenschluss von Forschern

des Helmholtz Zentrums München sowie der Technischen Universität München, der Lud-

wigs Maximilians Universität und der Universität Augsburg und Regensburg. Ziel des noch

virtuellen Verbundes ist die Zusammenführung der verschiedenen klinischen Disziplinen und

der Immun- und Umweltforscher unter einem Dach, um gemeinsam ein Präventionskonzept

zu entwickeln und eine ganzheitliche Versorgung der Allergiepatienten zu ermöglichen. Das

Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst unterstützt die Entwicklung

des virtuellen Netzwerkes.

G R E N Z Ü B E R S C H R E I T E N D EF O R S C H U N G

Das Christine Kühne – Zentrum für Allergie

Forschung und Edukation (Christine Kühne-

Center for Allergy Research and Education;

CK – CARE) ist ein von der Kühne-Stiftung

unterstützter grenzüberschreitender (Schweiz

und Deutschland) Forschungsverbund, der sich

zum Ziel gemacht hat, die Mechanismen der

Neurodermitis und assoziierter Allergien besser

zu verstehen und neue Ansätze für die Vorbeu-

gung und Behandlung im Sinne der personali-

sierten Medizin zu entwickeln. An den Standor-

ten Universität Bonn (Dermatologie), Universität

Augsburg (Umweltmedizin), Universität Zürich

(Dermatologie), Universität St. Gallen (Kinderkli-

nik) sowie Davos (Hoch gebirgsklinik und

schweizerisches Institut für Allergie und Asthma

Forschung SIAF) werden Patienten mit Neuro-

dermitis rekrutiert und der Verlauf der Erkran-

kung über mehrere Jahre beobachtet. Dabei

werden sowohl Informationen über die

Krankheit, die Lebensbedingungen der Patienten

und deren Behandlungen als auch Blut und

Hautproben gesammelt. Für weitere Informatio-

nen über die Teilnahme an diesem innovativen

Forschungsprojekt können die jeweiligen

Standorte kontaktiert oder folgende Website

konsultiert werden: www.dermatologie.

uni-bonn.de/forschung/ck-careBesonders Kleinkinder, die an Neurodermitis leiden, können eine

regelrechte Allergiker-Karriere entwickeln.

FOTO OLEKSANDR TROSHCHYLO/FOTOLIA

V3Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsspezial / Innovationen in der Dermatologie / 6. Dezember 2017

Die Hautmedizin ist in den vergangen Jahren durch zahlreiche bahnbrechende Forschungsarbeiten und therapeutische Innovationen aufgefallen. Die Fortschritte bei Neurodermitis oder Schuppenfl echte sind nur zwei Beispiele. Wie zeigt sich das in der klinischen und experimentellen Forschung, also den Bereichen, die Sie als wissenschaftliche Fachgesellschaft vertreten?

Leena Bruckner-Tuderman: Neue Erkennt-nisse aus der Grundlagenforschung haben bei den entzündlichen Erkrankungen und bei den Hauttumoren innovative Therapie-ansätze ermöglicht. Gleichzeitig sind neue Fragen aufgeworfen worden, wie beispiels-

weise die Therapiemechanismen und die Ne-benwirkungen im Detail ablaufen. Daneben sind die seltenen Erkrankungen der Haut zu erwähnen, die lange als unheilbar galten. Heute gibt es dank intensiver Forschungs-arbeit Behandlungsansätze, die schon in klinischen Studien am Patienten erprobt werden. Insgesamt ist die Dermatologie in Deutschland sehr forschungsintensiv. So leiten die Dermatologen mehrere wichtige Forschungsverbünde wie Sonderforschungs-bereiche oder große nationale und internati-onale klinische Studien. Daraus generieren sich kontinuierlich neue Daten, die für Neu-entwicklungen in Diagnostik und Therapie hochrelevant sind.

Wie kann der Patient diese Fortschritte heute in der Behandlung spüren?

Klaus Strömer: Ein Beispiel ist die Schup-penfl echte, die heute nicht mehr die thera-peutische Herausforderung darstellt wie zu Beginn meiner Praxistätigkeit. Extrem hoch-preisige, aber eben auch sehr gut wirksame Medikamente erlauben es niedergelassenen Hautärzten, den Lebenslauf von schwer- und schwerstbetroffenen Patienten positiv zu verändern, ihnen neue Perspektiven für Partnerschaft und Beruf zu geben.

Die Innovationen bei Diagnostik und Therapie lassen erkennen, welch gro-ßen Wandel die Dermatologie in dem vergangenen Jahrzehnt vollzogen hat. Wie hat das Ihre Arbeit in der Forschung verändert?

Bruckner-Tuderman: Das Fachgebiet hat sich zu einem interdisziplinären Systemfach entwickelt. Es gibt immer mehr Berührungs-punkte mit anderen Bereichen der Grund-lagenforschung, wie Biochemie, Moleku-largenetik oder Zellbiologie, sowie mit den neuen Omics-Technologien, wie Genom- und Proteomanalysen oder Epigenetik. Auch die Klinikärzte haben tagtäglich mit anderen Fächern zu tun, beispielsweise innere Me-dizin, Rheumatologie, Infektiologie oder Onkologie. Die Behandlung hat sich vielfach von der Einzelbehandlung eines Patienten zu einem interdisziplinären Management kom-plexer Erkrankungen gewandelt, vor allem bei älteren Menschen mit mehreren unter-schiedlichen Erkrankungen. Die Patienten profi tieren, wenn alle Erkrankungen, deren Zusammenhänge und Therapie-Wechselwir-kungen kompetent untersucht und kontrol-liert werden.

Wie hat sich die Tätigkeit der niedergelas-senen Dermatologen in diesem Kontext weiterentwickelt? Vor welchen Herausfor-derungen stehen Sie?

Strömer: Im Großen und Ganzen bilden sich die Dermatologen gut fort und stellen sich den Aufgaben, die neue Medikamente, neue Wirkprinzipien und neue Therapiekonzepte mit sich bringen. Die fachliche Seite ist daher

nicht das eigentliche Problem. Die eigentli-che Herausforderung ist die wirtschaftliche Verantwortung für die veranlassten Leistun-gen. Prüfgremien entscheiden nach defi nier-ten und ziemlich komplexen, formalen und je nach Bundesland sehr unterschiedlichen Vorgaben, ob die Verordnungen der Ärzte wirtschaftlich waren. Macht der Behandler hier Fehler und verordnet zu teuer, so muss er die Kosten aus seinem privaten Vermögen begleichen. Da es keine Versicherung für die-ses Risiko gibt, beschränken sie viele hoch-preisige Verordnungen, was zu Lasten der Patienten geht.

Damit können wir zum Thema Versor-gungsqualität kommen. Ist diese in der Breite auf vergleichbarem Niveau sicher-gestellt?

Strömer: In Deutschland gibt es je nach Bun-desland unterschiedliche Anforderungen und Prüfi nstitutionen, was zu sehr unter-schiedlichen Versorgungsniveaus führt. In Mecklenburg-Vorpommern werden pro Kopf etwa sechs Euro für die medikamentöse Be-handlung der Schuppenfl echte mit Biologica ausgegeben, in Baden-Württemberg gerade einmal 80 Cent. In keinem anderen Land der Welt trägt der behandelnde Arzt das wirt-schaftliche Risiko für seine Verordnungen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die poli-tischen Entscheidungsträger endlich eine gesellschaftliche Diskussion über die Frage initiieren müssen, wie viel Gesundheit wir uns leisten wollen. Restriktionen, die dabei unumgänglich sein werden, sollten dann aber auch durch politische Vorgaben defi -niert werden. Im Arzt-Patienten-Verhältnis haben sie nichts zu suchen, im Gegenteil, sie korrumpieren es.

Die Erfassung therapiebezogener Daten in Krankheitsregistern soll auch die Qualität der Behandlungen stützen. Wie weit sind die dermatologischen Register fortge-schritten?

Bruckner-Tuderman: Bei vielen dermatolo-gischen Diagnosen gibt es schon gut koordi-nierte Register, zum Beispiel die Krebs- und Psoriasis-Register. In anderen Bereichen, wie bei den seltenen Erkrankungen, fehlen dafür die Ressourcen. Erfreulicherweise gibt es Fortschritte im Rahmen der Implementie-rung des Nationalen Aktionsbündnisses für seltene Erkrankungen (NAMSE) und europa-weit im Rahmen der Europäischen Referenz-netzwerke für seltene Erkrankungen.

Wie sieht die Lage konkret beim weißen und schwarzen Hautkrebs, dem Melanom, aus?

Strömer: Nach belastbaren Statistiken auf Grundlage von Krankenkassendaten werden in Deutschland 81,7 Prozent der ambulan-ten Operationen bei weißem Hautkrebs von Dermatologen erbracht. Bei den Melanomen sind es sogar 91,9 Prozent. Die Sterberaten

Dermatologie – ein medizinisches Fach im WandelAufgrund zahlreicher neuer Erkenntnisse und Innovationen hat sich die Dermatologie zu einem interdisziplinären Systemfach entwickelt.

Leena Bruckner-Tuderman, Präsidentin der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft, und Klaus Strömer, Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen,über neue Entwicklungen, Herausforderungen und Telemedizin. Das Interview führte Anna Seidinger

Lange Wege und Wartezei-ten für einen Termin beim Hautarzt könnten der Ver-gangenheit angehören. Viele Untersuchungen und Arzt-Patienten-Gespräche können heute via Videosprechstunde stattfi nden.

V O N U L R I C H K O C H

Müssen Arzt und Patient bei einer hautärztlichen Untersuchung im selben Raum sein? Diese Frage stellt sich infolge der zu-

nehmenden Digitalisierung in der Medizin und ist nicht leicht zu beantworten. Ein Blick auf die technischen Möglichkeiten zeigt, die Entwicklungen sind vorange-schritten. Smartphones, die Livebilder oder Videos übertragen, gehören für die meisten zur persönlichen Grundausstattung. Men-schen, die sich für gesundheitliche Themen interessieren, informieren sich im Internet und suchen darüber auch ärztliche Ange-bote. Die in Deutschland geltenden hohen medizinischen Qualitätsstandards, das Be-rufs- und Haftungsrecht sowie der Daten-schutz defi nieren hohe Anforderungen an Beratungen oder Untersuchungen über das Internet.

Gleichzeitig besteht in der ärztlichen Versorgung ein großer Bedarf an dermatolo-gischen Leistungen: Über 2000 Hautkrank-heiten betreffen etwa ein Viertel der Bevöl-kerung. Hautärzte in Praxen und Kliniken haben etwa 18 Millionen Patientenkontakte pro Jahr. Da bei vielen Hauterkrankungen wichtige Symptome sichtbar sind und auch

von Laien gut per Video oder Foto übermit-telt werden können, ist es naheliegend, diese Techniken zu verwenden.

Besonderer Fokus liegt auf der Videosprechstunde

Die wichtigste telemedizinische Anwendung in der Dermatologie wird zukünftig die so-genannte Videosprechstunde sein. War der Patient zur Untersuchung bereits einmal in der Praxis, könnte in vielen Fällen die Nach- beziehungsweise Verlaufskontrolle über Vi-deokonsultation erfolgen. Hierfür werden keine Messenger- oder Standardprogramme eingesetzt, sondern zertifi zierte telemedizini-sche Browser-Software-Lösungen, die für die Patienten kostenfrei sind. Die Videosprech-stunde hat für Patienten mit Hautkrankhei-ten und ihre behandelnden Ärzte zahlreiche Vorteile. Die mitunter langen Wege in die Pra-xis können entfallen, und Wartezeiten kön-nen reduziert werden. Das ist für Berufstäti-ge ebenso vorteilhaft wie für Menschen, die schwer krank oder altersbedingt wenig mobil sind. Neu aufgetretene Hautprobleme können über beliebige Entfernungen rasch vom Haut-arzt beurteilt werden. Die Methode hat das Potential, Patienten in unterversorgten Regi-onen in Zusammenarbeit mit den Hausärzten besser zu versorgen.

Ein Termin mit dem Hautarzt in der Videosprechstunde ist weit mehr als ein Telefonat. Vertrauliche Fotos, Gespräche und Videos müssen mit bestmöglicher Da-tensicherheit übertragen werden. Die ver-schlüsselte Verbindung wird direkt zwi-schen den Endgeräten des Hautarztes und des Patienten aufgebaut, Internetserver sind nur vor dem Verbindungsaufbau im Spiel, nicht aber während Daten übertragen werden. Viele Hautärzte können mit der Vi-deosprechstunde Wiedervorstellungen und kurze Wund- oder Therapiekontrollen rati-oneller gestalten. Die Zusammenarbeit mit Pfl egepersonal und Hausärzten verbessert

sich, weil man intensiver und häufi ger über Befunde spricht. Der elektronische Blick auf die Haut eines Patienten kann meist auch dann noch kurzfristig verabredet werden, wenn normale Termine wegen der hohen Auslastung nicht mehr vergeben werden können.

Technologische Möglichkeiten nutzen, Grenzen erkennen

Aktuelle Studien und Erfahrungen mit den neuesten teledermatologischen Applikatio-nen zeigen auch Grenzen und Nachteile auf: Persönliche Eindrücke von einer Person, Ge-rüche, Tastbefunde und Körpersprache ge-hen verloren. Die Kameras der Patienten sto-ßen bei der Früherkennung von Hautkrebs schnell an ihre Grenzen. Viele Hautkrank-heiten haben psychosomatische Begleitum-stände oder Ursachen, dann ist das persön-liche ärztliche Gespräch unentbehrlich. So gesehen kommt die Teledermatologie vor allem als unterstützende Maßnahme bei be-reits bekannten Patienten und für Verlaufs-kontrollen in Frage.

Viele Patienten sehen in der Telemedizin eine wichtige Dienstleistung. Auch wenn Ärzte sich traditionell ungern als Dienstleis-ter sehen – die Digitalisierung erfordert auch hier ein Umdenken. Als erste medizinische Fachgruppe in Deutschland haben die Der-matologen, vertreten durch ihren Berufsver-band und die Fachgesellschaft, zusammen mit den österreichischen und schweizeri-schen Fachgesellschaften und großen Patien-ten-Selbsthilfeorganisationen eine Leitlinie veröffentlicht. Diese defi niert, wie Teleme-dizin in der Dermatologie rechtlich, ethisch und medizinisch sicher umgesetzt werden sollte.

Dr. med. Ulrich Koch ist Hautarzt und Son-derreferent des Berufsverbands Deutscher Dermatologen für Informationstechnologie in der Praxis.

Der Telemedizin gehört die Zukunft

am Melanom sind im internationalen Ver-gleich in Deutschland und in der Schweiz am niedrigsten. Deutschland sieht als einziges Land einen gesetzlichen Anspruch für Ver-sicherte auf eine regelmäßige Hautkrebsvor-sorge vor. Anders als in vielen Nachbarlän-dern gibt es eine durchgängige Versorgung der Patienten von der Vorsorge über die Di-agnostik, operative Therapie, onkologische Versorgung bis zur Nachsorge in der Hand eines Spezialisten.

Der besseren Behandlung von Haut-krankheiten stehen einzelne Arten von Hautkrankheiten gegenüber, die in der Be-völkerung zunehmend häufi ger auftreten. Dazu gehören beispielsweise Hautkrebs und komplexe entzündliche Erkrankun-gen der Haut. Wo stehen Forschung und Therapie auf dem Gebiet der entzündli-chen Hauterkrankungen?

Bruckner-Tuderman: In den vergangenen Jahren gab es große Fortschritte bezüglich der Krankheitsmechanismen bei entzünd-lichen Erkrankungen. Beispielhaft können hier die Psoriasis, die atopische Dermati-tis oder die Autoimmunerkrankungen ge-nannt werden. Neue Systemtherapien sind im klinischen Alltag integriert und weitere befi nden sich in der Entwicklungsphase. In-teressanterweise zeigt die Behandlung von immer mehr Patienten deutliche individuelle Unterschiede bezüglich ihres Ansprechens auf eine Therapie. Dieser Bereich beschäftigt die Forschung aktuell intensiv. Zukünftig werden die Möglichkeiten für individuali-sierte Behandlungen steigen. Womit gleich-zeitig höhere Wirksamkeit und geringere Nebenwirkungen der Therapien von komple-xen entzündlichen Erkrankungen zu erwar-ten sind.

Seltene Erkrankungen stellen auch die Dermatologen vor große Herausforderun-gen – von der Forschung bis zur Therapie. Wie gehen Sie damit um?

Bruckner-Tuderman: Weil die geringen Fall-zahlen – weniger als ein Betroffener in 2000

Einwohnern – es den Ärzten erschweren, alle 300 bis 400 seltenen Hauterkrankungen zu erkennen, werden ihre Diagnosen und Therapien in Expertenzentren durchgeführt. Diese Zentren, in der Regel auf eine Krank-heitsgruppe spezialisiert, sind sehr gut miteinander und international vernetzt. So können Patienten und Ärzte entsprechend informiert und weitergeleitet werden. Wie in der Versorgung, so arbeiten auch in der Diagnostik sowie in Forschung und Entwick-lung die Experten zusammen.

Viele Hauterkrankungen sind auf den ersten Blick erkennbar. Das führt zur Stigmatisierung der betroffenen Patienten und belastet diese zusätzlich. Sie haben deshalb speziell für die Schuppenfl echte die Kampagne „Bitte berühren“ initiiert. Was konnten und wollen Sie erreichen?

Strömer: Die Kampagne hat bereits ver-schiedene journalistische Preise gewonnen. Das macht uns natürlich stolz. Da viele Pati-enten, aber auch Hausärzte noch nicht über die verbesserten Behandlungen der Schup-penfl echte informiert sind, gibt es immer noch Fehlbehandlungen und unzureichende Versorgung. Diese Situation möchten wir än-dern und hoffen, möglichst viel Betroffene und deren Angehörige zu erreichen und dem Spezialisten zuzuführen.

Die ganze Welt spricht von der Digitali-sierung der Medizin und moniert vielfach die Zurückhaltung bei der Anwendung in Deutschland. Welche digitalen Lösungen wünschen Sie sich, um die Dermatologie zu verbessern?

Bruckner-Tuderman: Eine Grundvorausset-zung für die Digitalisierung der Medizin sind bessere IT-Systeme in der Universitätsmedi-zin und in Krankenhäusern. Aktuell existie-ren sehr unterschiedliche Krankenhausin-formationssysteme, die weder miteinander noch mit der Forschung gut kommunizieren können. Verbesserungen und Harmonisie-rung der IT-Infrastrukturen sind dringend notwendig, zum Glück gibt es dafür schon

erste Ansätze vonseiten der Politik. Somit kann in der Zukunft die Fülle von klinischen Informationen in den digitalen Patientenak-ten mit Forschungsergebnissen verglichen werden. Untersuchungen in den USA haben so erstaunliche, unerwartete Korrelationen entdeckt, die für die Patientenversorgung hochrelevant sind. In Deutschland haben wir die Daten vorliegen, aber wir können sie noch nicht benutzen.

Die niedergelassenen Dermatologen gehörten zu den ersten, die Online-Sprechstunde und Fernbehandlung getestet haben. Wie sieht Ihr Resümee bis heute aus?

Strömer: Ich wünschte mir, dass auch an-dere Fachgruppen mithelfen, die gewohn-te und von Patienten erwartete Qualität in der Versorgung für telemedizinische Anwendungen zu definieren. Viele der heutigen Angebote sind hinsichtlich ih-rer Qualität weder definiert noch über-prüft. Wir haben gemeinsam mit unserer wissenschaftlichen Schwestergesellschaft und unter Beteiligung von Patientenver-bänden, Verbraucherschützern, Kranken-kassen, Bundesärztekammer, Juristen und Telematik-Spezialisten eine Guide-line entwickelt, die den derzeitigen Er-kenntnisstand abbildet, und damit einen Qualitätsstandard für die Erbringung te-lemedizinischer Anwendungen in der Der-matologie geschaffen. Bis eine f lächende-ckende, immer nur ergänzende Betreuung unserer Patienten im Rahmen einer On-line-Sprechstunde Realität werden kann, vergehen meiner Einschätzung nach noch Jahre. Die Rahmenbedingungen im deut-schen Gesundheitswesen sind immer noch als technikfeindlich, rückwärtsgewandt und sehr defensiv zu bezeichnen. Die Angst, etwas falsch zu machen, beherrscht viele Entscheider, während die Realität längst eine ganz andere ist. Man darf ge-spannt sein, wann der Medizinbetrieb in Deutschland endlich im 21. Jahrhundert ankommt.

FOTO BVDD

Klaus Strömer

FOTO FREIBURG INSTIT

UTE

FOR

AD

VA

NC

ED

ST

UD

IES

Leena B

ruckner-Tuderman

Suchen auch Sie denWeg zu beschwerdefreier Haut?

Hier finden Sie auch Adressen zu auf Schuppenflechtespezialisierten Hautärzten sowie Informationen zuaktuellen Behandlungsmöglichkeiten. Ihr nächsterSchritt zu mehr Beschwerdefreiheit.

www.schuppenflechte-beschwerdefrei.de

PP-IX-DE-0058

Sie hat Schuppenflechteund ist beschwerdefrei.

V4 Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsspezial / Innovationen in der Dermatologie / 6. Dezember 2017

Die Weltgesundheitsorganisa-tion (WHO) hat die Schuppen-fl echte im Jahr 2014 als eine von fünf besonders versor-gungsrelevanten Erkrankun-gen erklärt. Diesen Status ha-

ben ansonsten ausschließlich Krankheiten mit deutlich höheren Fallzahlen: Diabetes, Krebs, chronische Lungenerkrankungen so-wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen. In ihrem nachfolgenden Bericht zur Psoriasis 2016 stellt die WHO folgende Kernforderungen an die Mitgliedstaaten. Erstens soll es mehr Ini-tiativen geben, die Stigmatisierung und Vor-urteile gegenüber betroffenen Menschen mit Psoriasis abbauen helfen. Zweitens soll für die Patienten weltweit ein gerechter Zugang zu den modernen Therapien sichergestellt sein. Und drittens wird ein patientenzen-triertes Verständnis der medizinischen Ver-sorgung gefordert.

Dank einem über zehnjährigen systema-tischen Versorgungsprogramm haben die deutschen Dermatologen eine nachweisbar erhebliche Verbesserung der Versorgungs-qualität erreicht. Diese bezeichnet der WHO-Bericht als vorbildlich und soll als Best-Practice-Beispiel für andere Staaten gelten. Zu den wichtigen Maßnahmen gehören die Entwicklung einer Leitlinie und die Einfüh-rung von Standards für die Behandlung. Au-ßerdem wurden in enger Zusammenarbeit mit den Patientenorganisationen nationale Versorgungsziele defi niert und die Etablie-rung von inzwischen 30 regionalen Psoria-sis-Netzen initiiert.

Wirksames Gesamtkonzept mit individuellen Möglichkeiten

Die moderne Versorgung von Menschen mit Psoriasis orientiert sich an einem umfassenden und ganzheitlichen Gesamt-konzept, das maßgeblich von deutschen Dermatologen mitentwickelt wurde. Sei-ne Anwendung wird heute weltweit von der WHO propagiert. Dem zufolge beginnt die Versorgung bei einer umfassenden Diagnostik der Hauterscheinungen und

ein Screening auf Begleiterkrankungen. Daraufhin ermittelt der behandelnde Arzt die spezifischen Belastungen und Bedarfe seines Patienten, um anschlie-ßend eine individuell auf den Patienten zugeschnittene Therapiewahl treffen zu können. Letztere orientiert sich an der deutschen S3-Leitlinie – dem höchsten medizinischen Standard für Therapie-empfehlungen – und an mit dem Patien-ten vereinbarten Therapiezielen. Dieses Gesamtkonzept berücksichtigt sowohl die moderne Arzneimitteltherapie als auch eine Vielzahl weiterer f lankierender Maßnahmen, wie die psychosoziale Ver-sorgung, das Management von Begleiter-krankungen und Lebensstil.

Heterogene Versorgungslage mit nachweisbaren Defi zitenmit nachweisbaren Defi zitenmit nachweisbaren Defi

Obwohl das systematische Versorgungs-programm zur Psoriasis in Deutschland zur Weltspitze gehört und obwohl es hervorra-gende Möglichkeiten gibt, Schuppenfl ech-te effektiv und individuell erfolgreich zu behandeln, zeigen sich in der Versorgung immer noch deutliche Defi zite. Dank einer systematischen Versorgungsforschung in Deutschland gibt ein weitgehend komplettes Bild über die Versorgung von Menschen mit Schuppenfl echte. Von den etwa zwei Millio-nen Betroffenen werden etwa 1,6 Millionen medizinisch behandelt. Dies übernehmen meist Dermatologen, auf die etwa 60 Prozent

der verschriebenen Arzneimittel fallen. Da-neben spielen Hausärzte eine wichtige Rolle.

Eine genaue Betrachtung der Versorgungs-lage zeigt für Deutschland ein sehr heterogenes Bild. Lediglich 40 Prozent der Patienten mit schwerer Psoriasis (etwa 160 000) werden nach den modernen Leitlinien versorgt und können von der hohen Qualität der Versorgung sowie von einer wiedergewonnenen Lebensqualität profi tieren. Der größere Teil der Patienten mit profi tieren. Der größere Teil der Patienten mit profiSchuppenfl echte wird immer noch fehl- oder Schuppenfl echte wird immer noch fehl- oder Schuppenflunterversorgt. So werden über 90 000 von ih-nen unnötig mit systemischen kortisionhalti-gen Präparaten behandelt.

Ein hohes Risiko für schlechtere Versor-gung gibt es vor allem dort, wo Patienten keinen Zugang zu spezialisierten Hautärz-

ten haben. Außerdem bestehen große re-gionale Unterschiede mit einer insgesamt schlechteren Versorgungslage in Süd- und Südwest-Deutschland. Schlusslicht bei der Versorgung mit Systemtherapeutika ist da-bei Baden-Württemberg, wo laut Zahlen aus dem Jahr 2016 pro Kopf der Bevölkerung le-diglich 60 Cent für Biologika-Verordnungen bei schwerer Schuppenfl echte ausgegeben werden. In Brandenburg liegt dieser Wert bei sieben Euro.

Potentiale der leitliniengerechten Therapie nutzen

Für kaum eine andere Erkrankung wurden im vergangenen Jahrzehnt derartige the-

rapeutische Fortschritte entwickelt und fürPatienten nutzbar gemacht wie bei Psoriasis.Weitere Innovationen werden in absehbarerZeit folgen und könnten zu einer Senkung derTherapiekosten beitragen. Heute können Ärz-te bei der systemischen Therapie aus 13 ver-schiedenen Wirkstoffen wählen, mit denensich bei fast allen Patienten die Beschwerdenweitgehend lindern und ihre Lebensqualitätwiederherstellen lässt. Allerdings kann einesolche medikamentöse Therapie nur dannwirksam werden, wenn sie in einem Gesamt-management der Erkrankung eingebettet ist.Deshalb gehört die sachgerechte und leitlini-enkonforme Behandlung von Menschen mitSchuppenfl echte in die Hand eines dermatolo-Schuppenfl echte in die Hand eines dermatolo-Schuppenflgischen Spezialisten, der eng mit dem behan-delnden Hausarzt und bei Bedarf auch mitweiteren Fachärzten kooperiert.

In Zukunft wird es darum gehen, nochmehr hochbedürftigen Patienten den Zugangzu wirksamen Therapien zu ermöglichen.Angesichts der Vielzahl verfügbarer Thera-pieoptionen sind zudem Standards erforder-lich, die den Einsatz der Medikamente unterPraxisbedingungen optimieren. Zugleichmuss die Prävention dort verstärkt werden,wo sie einen schweren Krankheitsverlaufabwenden oder die Arzneimitteltherapieverbessern kann. So kann es förderlich sein,die Ernährung umzustellen, Tabak- und Al-koholkonsum zu reduzieren oder körperlicheBewegung zu steigern. Zudem ist die Früher-kennung schwerer Verläufe, auch der Arthri-tis und anderer Begleiterkrankungen, essen-tiell, da Komplikationen, Kosten und nichtzuletzt verlängertes Leid vermieden werdenkönnen. Diese Zielsetzung haben Dermatolo-gen und Patientenvertreter in den nationalenVersorgungszielen 2016 bis 2020 konsentiert,um die Versorgung der Menschen mit Pso-riasis in Deutschland zu verbessern und andie Standards der WHO heranzuführen.

Professor Dr. med. Matthias Augustin ist Direktor des Instituts für Versorgungs-forschung in der Dermatologie und bei Pfl egeberufen (IVDP) am Universitäts- Pfl egeberufen (IVDP) am Universitäts- Pflklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).

Versorgungsforschung kann den Weg weisenDeutschland verfügt über eines der weltweit besten Gesundheitssysteme. Auch die medizinische Versorgung von Menschen mit Schuppenfl echte gilt als vorbildlich. enfl echte gilt als vorbildlich. enfl

Doch bei genauer Betrachtung der Daten zeigen sich Defi zite, die zu Lasten der Patienten gehen. Von Matthias Augustin

Gezielte Analysen bringen Licht in die komplexe medizinische Versorgungslandschaft. Erst damit zeigen sich Unter- und Fehlversorgungen, die es auch hierzulande gibt. FOTO JOHN SMITH/FOTOLIA

Frau Dr. Ogilvie, Sie gehörten Ende der 90er Jahre zu den Ersten, die einen monoklona-len Antikörper gegen Psoriasis in klinischen Studien getestet haben. Wie kam es, dass diese Substanzklasse bei Schuppenfl echte eingesetzt wurde?Das war während meiner Tätigkeit an der Universitätshautklinik in Erlangen. Damals betreute ich die Patienten mit Autoimmun-erkrankungen in einer Spezialsprechstun-de und hatte häufi gen Austausch mit den Kollegen aus der Rheumatologie und Immu-nologie. Diese Kollegen hatten plötzlich sen-sationelle Therapieerfolge mit Antikörpern bei Patienten mit Rheumatoider Arthritis beobachtet und fragten mich, diese Substanz auch bei Patienten mit Psoriasis Arthritis zu testen. Wir starteten 1999 eine kleine klini-sche Studie, deren sensationelle Ergebnisse uns selbst überraschten.

Wie lange hat es bis zur Zulassung der ersten Substanz gedauert?

Diese erste Substanz wurde 2004 für die Pso-riasis Arthritis, 2005 für die reine Schuppen-fl echte zugelassen. In der Zwischenzeit liefen dann bereits zahlreiche weitere Studien mit Antikörpern an. Wir merkten, dass für Pati-enten mit Schuppenfl echte eine neue Ära be-gonnen hat.

Mittlerweile stehen mehrere Präparate zur Auswahl, und die Behandlungsoptio-nen sind vielfältiger geworden. Wie sieht eine gute Therapie heute aus?

Da man inzwischen viel genauer weiß, welche für Entzündungen verantwortli-chen Botenstoffe an der Psoriasis beteiligt sind, gibt es zahlreiche Therapeutika, die unterschiedliche Ziel-Moleküle adressie-ren. Deshalb ist eine gute Therapie heute

bestmöglich auf den einzelnen Patienten ausgerichtet. Das bedeutet, dass je nach Form und Ausprägung der Schuppen-flechte, aber auch abhängig von Begleiter-krankungen, Vorbehandlungen und auch Lebensumständen des Patienten quasi maßgeschneiderte Therapiepläne erstellt werden können. Durch die größere Aus-wahl an Medikamenten steigt die Chance kontinuierlich, (fast) jedem Psoriasis-Pati-enten einen guten Therapieerfolg vorher-zusagen.

Psoriasis beeinträchtigt die Betroffenen sowohl psychisch als auch physisch. Wel-che Erfolge können Sie bei den Patienten erzielen?

Die Beeinträchtigung der Lebensqualität durch Schuppenfl echte ist gravierend und wurde lange unterschätzt. Betroffene Pa-

tienten ziehen sich oft aus sozialem und berufl ichem Umfeld zurück, die Häufung psychischer Erkrankungen und von Sucht-erkrankungen ist erschreckend. Aber auch das Risiko für gravierende Begleiterkran-kungen wie Fettstoffwechselstörungen und Bluthochdruck ist erhöht. In all diesen Be-langen profi tieren die Patienten erheblich von einer effektiven Therapie. Zum Glück legen die meisten spezialisierten Ärzte mittlerweile ein Augenmerk auf diese Be-gleiterkrankungen.

Wo gibt es Defi zite in der Versorgung? Was muss sich ändern, um die Situation zu verbessern?

Leider und für mich unverständlicherwei-se fi nden immer noch zu viele Betroffene zu spät einen Facharzt, der ihnen die für sie optimale Therapie verordnet. Wir se-

hen jede Woche Patienten mit schwerer Schuppenfl echte, die jahrelang unzurei-chend behandelt wurde. Viele Ärzte haben anscheinend immer noch Bedenken, die hochpreisigen Medikamente zu verordnen. Die Angst, für hohe Therapiekosten fi nanzi-ell zu haften, scheint hierbei die treibende Kraft zu sein. Formal muss aber jeder Pati-ent darauf hoffen dürfen, das für ihn ange-messene Präparat verordnet zu bekommen – vorausgesetzt, es ist zugelassen und er er-füllt alle notwendigen Voraussetzungen für die Therapie. Hier müssen noch viele Struk-turen verbessert werden: einerseits müssen Ärzte vor ungerechtfertigten Prüfungen durch die Erstattungsgremien geschützt werden, andererseits muss die Versorgung der Patienten mit schwerer Psoriasis auch in der Breite unserer Bevölkerung verbes-sert werden.

„Eine gute Therapie ist maßgeschneidert“

Die Schuppenfl echte ist eine Die Schuppenfl echte ist eine Die Schuppenflchronisch-entzündliche Auto-immunkrankheit, die zu den häufi gsten und schwersten häufi gsten und schwersten häufiHauterkrankungen gehört. Neue von innen wirkende Systemtherapien können vielenPatienten ein beschwerdefreiesLeben ermöglichen.

V O N R A L P H M . V O N K I E D R O W S K I

Allein in Deutschland sind über

Allein in Deutschland sind über

Azwei Millionen Menschen von der Azwei Millionen Menschen von der ASchuppenflASchuppenflA echte (Psoriasis) betrof-Schuppenfl echte (Psoriasis) betrof-Schuppenflfen, weltweit sind es über 125 Mil-Afen, weltweit sind es über 125 Mil-A

lionen Menschen. Damit gehört Psoriasis zu den häufi gsten chronischen Hauterkrankun-den häufi gsten chronischen Hauterkrankun-den häufigen. Dazu ist es eine der am längsten bekann-ten Hautkrankheiten, die bereits im dritten Buch Mose erstmals „. . . als ein Ausschlag oder ein weißer Flecken . . . einer aussätzigen Stelle der Haut“ erwähnt wird. Bereits diese Beschreibung beinhaltet die grundsätzliche Problematik, mit der Betroffene auch heute zu kämpfen haben: Über Jahrhunderte hin-weg wurde die Schuppenfl echte mit einer weg wurde die Schuppenfl echte mit einer weg wurde die Schuppenfl

ansteckenden Aussatzerkrankung assoziiert, die sich selbst in den heutigen Bezeichnun-gen noch widerspiegelt. Unter einer Flechte versteht man volkstümlich chronische Haut-krankheiten, die sich „weiterfressen“, und der Ausdruck Psoriasis leitet sich aus dem griechischen „Psora“ ab und bedeutet „Krät-ze“, also eine ansteckende Infektionskrank-heit durch Krätzmilben. Trotz zunehmenden wissenschaftlichen Fortschritts in Bezug auf das allgemeine Krankheitsverständnis und auf modernste Therapiekonzepte leiden die Erkrankten immer noch unter einer enormen Stigmatisierung und Diskriminierung.

Erbliche Veranlagung und spezifi sche Erbliche Veranlagung und spezifi sche Erbliche Veranlagung und spezifiTrigger führen zum Ausbruch

Vereinfacht kann man sagen, dass es sich um eine sogenannte autoimmun vermittel-te Entzündungskrankheit handelt, bei der das Immunsystem körpereigenes Gewebe angreift und dadurch eine Verletzung vor-täuscht. Der Körper bildet deshalb stetig und im Übermaß neue Hautzellen. Braucht eine gesunde Oberhaut normalerweise vier Wochen, um sich zu erneuern, so sind es bei Psoriasis lediglich drei bis vier Tage. Dieser beschleunigte Prozess verhindert, dass sich eine normale Hornschicht bildet.

Bei vielen Patienten besteht eine erbli-che Veranlagung, weshalb die Erkrankung auch nicht heilbar ist. Männer und Frauen sind gleich häufi g betroffen. Liegt eine gene-sind gleich häufi g betroffen. Liegt eine gene-sind gleich häufi

tische Prädisposition vor, müssen zusätzlich bestimmte persönliche oder umweltbeding-te Auslöser hinzukommen, damit Psoriasis auftritt. Dazu gehören unter anderem hormo-nelle Schwankungen, beispielsweise durch die Pubertät oder eine Schwangerschaft, Infektio nen, bestimmte Medikamente und nicht zuletzt Stress. Diese sogenannten Trig-ger lösen nach dem erstmaligen Ausbruch auch weitere Krankheitsschübe aus. Insge-samt sind die Ursachen individuell sehr viel-fältig und noch nicht abschließend geklärt.

Die große Mehrzahl der Patienten leidet an den typischen Plaques, die als scharf be-grenzte, gerötete, erhabene Hautfl ächen mit einer festhaftenden, silbrigen Schuppung auftreten. Daneben gibt es verschiedene Sonderformen, wie zum Beispiel Bläschen-bildung, fl ächige Rötungen in Faltenräumen oder auch Nagelveränderungen, die auch in Kombination vorkommen können. Eines der wichtigsten Begleitsymptome ist Juckreiz.

Vielfältige Begleiterkrankungen

Schuppenfl echte ist nach heutigem Verständ-Schuppenfl echte ist nach heutigem Verständ-Schuppenflnis nicht nur eine Hauterkrankung, sondern eine systemische, also den gesamten Organis-mus betreffende, Entzündungserkrankung. Sie geht in hohem Maße mit verschiedensten Begleiterkrankungen einher, zu denen unter anderem Psoriasis-Arthritis, kardiovaskulä-ren Erkrankungen (Arterienverkalkung mit erhöhtem Schlaganfall- und Herzinfarkt-Ri-

siko und/oder hohem Blutdruck/Hypertonie), das metabolische Syndrom, entzündliche Darmerkrankungen sowie Depressionen und Angststörungen gehören. Insgesamt sind etwa 40 Prozent vor allem der schwer Er-krankten von Begleiterkrankungen betroffen, die Schuppenfl echten-Arthritis betrifft sogar die Schuppenfl echten-Arthritis betrifft sogar die Schuppenfljeden Fünften.

Lokale Basistherapie und von innen wirkende Systemtherapie

Das verbesserte Verständnis der Entzün-dungsvorgänge in den vergangenen Jahren hat zu zahlreichen neuen Therapieansätzen geführt. Bei leichter Ausprägung ist neben einer phasengerechten Basistherapie, die grundsätzlich auch bei den mittelschweren bis sehr schweren Verlaufsformen notwen-dig ist, eine äußerliche Behandlung ange-zeigt. Zum Einsatz kommen dabei mittelstar-ke Kortisone und das Vitamin-D3-Analogon Calcipotriol, bevorzugt als Kombinations-präparat für die einmal tägliche Anwen-dung. Alleinige Kortison-Salben sind zu ver-meiden, weil sie die Plaques wiederkehren lassen oder sogar verstärken. Eine gezielte medizinische Fototherapie, auch in Kombi-nation mit Bädern, kann die Lokaltherapie als erste Eskalationsstufe bei unzureichen-dem Ansprechen unterstützen. Als Dauer-therapie kann eine UV-Therapie genauso we-nig wie Solarien gemäß der medizinischen Leitlinie empfohlen werden.

Für die mittelschweren bis schweren Verlaufsformen und bei unzureichendem Ansprechen einer Lokaltherapie stehen ver-schiedene Systemtherapien, also innerliche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Unterschieden werden diese in die soge-nannten konventionellen Systemtherapeu-tika (Small Molecules) und die biologischen Systemtherapeutika (Biologika). Diese Medi-kamente greifen an unterschiedlichen Orten der Entzündungskaskade ein und hemmen mehr oder weniger gezielt die Entzündungs-aktivität der beteiligten Immunzellen oder blockieren einzelne Botenstoffe, die soge-nannten Zytokine, oder deren Rezeptoren. Dazu gehören der Tumornekrosefaktor (TNF-alpha) oder die Interleukine 17 und 23.

Zu den konventionellen Medikamenten zählen seit vielen Jahren Ciclosporin A, Di-methylfumarat und Methotrexat, Letzteres sollte als Spritzeninjektion verabreicht wer-den und hat auch eine gute Wirkung auf die Gelenkbeteiligung (Psoriasis-Arthritis). Zu den Small Molecules zählt auch der Wirkstoff Apremilast, der deswegen auch in Tabletten-form gegeben werden kann und gleichsam an der Haut und an den Gelenken Wirkung zeigt.

Eff ektive neue WirkstoffEff ektive neue WirkstoffEff e ektive neue Wirkstoff e ektive neue Wirkstofferhöhen die Therapieerfolge

Die Zahl der zur Verfügung stehenden Biologika hat in den letzten Jahren stark zugenommen, und dieser Trend hält ak-

tuell noch an. Der gezielte Einsatz gegen einzelne entzündungsfördernde Botenstof-fe hat die Therapie der Schuppenfl echte in den letzten Jahren im Hinblick auf die Ge-schwindigkeit des Ansprechens und das Ausmaß der Entzündungskontrolle revo-lutioniert und dies bei sehr guten Sicher-heitsprofi len. Moderne Biologika lassen heute Ansprechraten von 70 bis 85 Prozent für nahezu völlige Erscheinungsfreiheit erwarten. Wegen der Molekülgröße kön-nen die Wirkstoffe ausschließlich parente-ral, also durch Spritzen oder Infusionen, verabreicht werden. Außerdem tragen die meisten der neuen Präparate ein First-Line-Label, das heißt, sie stehen besonders schwer betroffenen Patienten auch als Erstlinientherapie zur Verfügung. Einziger Nachteil der Präparate ist bislang lediglich der hohe Preis. Dies führt bei manchen Dermatologen zu Zurückhaltung bei den Verordnungen, was insbesondere durch zunehmenden Druck seitens der Kosten-träger verstärkt wird. Auf Seiten der Der-matologen bilden sich zunehmend Schwer-punktpraxen für diese Therapieformen, die sich in Netzwerken (www.psonet.de) organisiert für eine bessere Versorgung der Menschen mit Schuppenfl echte engagieren.

Dr. med. Ralph M. von Kiedrowski ist als niedergelassener Dermatologe in einer Spezial-praxis für chronisch-entzündliche Haut-krankheiten in Selters (Westerwald) tätig.

Patienten mit Schuppenfl echte immer besser behandelbarPatienten mit Schuppenfl echte immer besser behandelbarPatienten mit Schuppenfl

FOTO ADELE MARSCH

NER

Alexandra Ogilvie

Menschen mit Schuppenfl echte leiden körperlich und psychisch. Alexandra Ogilvie, niedergelassene Hautärztin in München, Menschen mit Schuppenfl echte leiden körperlich und psychisch. Alexandra Ogilvie, niedergelassene Hautärztin in München, Menschen mit Schuppenflim Gespräch über die verbesserten Therapiemöglichkeiten und Herausforderungen in der Patientenversorgung. Das Interview führte Anna Seidinger

Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsspezial / Innovationen in der Dermatologie / 6. Dezember 2017

Innovative Therapien und ihre Verfügbarkeit in DeutschlandDer medizinische Fortschritt trug maßgeblich dazu bei, dass sich die Lebenserwartung der Menschen erhöhte. Die Innovationskraft im Gesundheitswesen ist ungebrochen hoch.

Gleichzeitig sind die fi nanziellen Ressourcen begrenzt. Dies fordert die Akteure, neue Verfahren und Therapien vor der Erstattung sorgfältig zu prüfen. Von Jürgen Wasem

Die Leistungsfähigkeit eines Ge-sundheitssystems zeigt sich unter anderem daran, wie gut Patienten am medizinischen Fortschritt teilhaben können. Gleichzeitig hat die Politik in

besonderer Weise die Kosten im Blick, weil die Gesundheitsausgaben zu erheblichen Teilen über Zwangsabgaben von den Versi-cherten und ihren Arbeitgebern einbehalten werden. Für die deutsche gesetzliche Kran-kenversicherung (GKV) hat der Gesetzgeber allerdings ausdrücklich vorgeschrieben, dass die Leistungen „den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen“ haben. Auch sind Krankenkassen und Ärzte wie Kran-kenhäuser verpfl ichtet, eine Versorgung entsprechend dem „allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse“ zu gewährleisten. Die deutsche Gesundheitspo-litik will damit erreichen, dass medizinische Innovationen für die Patienten verfügbar sind. Internationale Vergleiche bewerten die-sen Faktor regelmäßig und bestätigen, dass die Teilhabe der deutschen Patienten am me-dizinischen Fortschritt hoch ist.

Geregelter Ablauf für die Bewertung von Innovationen

Der Umgang mit Innovationen ist in Deutsch-land – ähnlich wie in den meisten anderen Ländern – in den verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens unterschiedlich ge-regelt. Für neue diagnostische oder therapeu-tische ärztliche Verfahren in der ambulanten Regelversorgung gilt in der GKV ein „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“. Das heißt, eine In-novation darf so lange nicht erbracht und abgerechnet werden, bis der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) den Nutzen, die me-dizinische Notwendigkeit und die Wirtschaft-lichkeit auch im Vergleich zu bereits beste-henden Methoden festgestellt hat. Der G-BA ist unterhalb des Gesetzgebers die wichtigste Institution im deutschen Gesundheitswesen. Ihm gehören Vertreter der Krankenkassen, der Ärzte und Zahnärzte sowie der Kranken-häuser an; Patientenvertreter können ohne

Stimmrecht mitberaten. Im Anschluss an die Nutzenbewertung müssen sich dann noch Vertreter der Ärzte und Kassen auf die Höhe der Vergütung verständigen und in die Ge-bührenordnung eine entsprechende Position aufnehmen.

Die Nutzenbewertung sichert, dass Schein-innovationen keine Chance haben, und trägt damit zur Qualitätssicherung bei. Gleichzeitig aber erweist sich die Regelung immer wieder auch als Engpass. Es dauert oftmals mehre-re Jahre, bis zu einem neuen diagnostischen oder therapeutischen Verfahren überhaupt eine Nutzenbewertung angestoßen wird, und weitere Jahre, bis schließlich die Gebührenord-nungsziffer geschaffen ist.

Möglichkeiten für eine vorzeitige Erstattung

Zur Unterstützung von Innovationen kann der G-BA seit einigen Jahren im Rahmen einer „Erprobung“ eine Studie im Versor-gungsalltag aufl egen, bei der Erkenntnisse zum möglichen Nutzen einer neuen ärztli-chen Methode gewonnen werden sollen. Die Krankenkassen sind verpfl ichtet, während der Laufzeit einer solchen Studie die Leistun-gen bereits zu vergüten. Die Möglichkeit zur Durchführung von Erprobungen hatte der Gesetzgeber mit Blick auf die Entwickler von Innovationen eingeführt, für die die lange Durststrecke der herkömmlichen Nutzenbe-wertung unbefriedigend ist. Insbesondere kleineren Unternehmen der Medizinpro-dukteindustrie kann dabei auch fi nanziell die Luft ausgehen. Allerdings ist die Zahl der Erprobungen, die der G-BA beschlossen hat, bislang noch an einer Hand abzuzählen.

Verschiedentlich bieten einzelne gesetz-liche Krankenkassen ihren Versicherten im Rahmen von Satzungsleistungen außerhalb der Regelversorgung die Kostenübernahme für Innovationen an, die der Gemeinsame Bundesausschuss noch nicht freigeschaltet hat. Dies ist auch eine Folge des Wettbewerbs zwischen den Krankenkassen sowie des Wettbewerbs mit der privaten Krankenver-sicherung.

Systembedingte Unterschiede im Zugang

Privatpatienten können Innovationen schnel-ler erhalten, denn Ärzte können bei ihnen neue Diagnose oder Therapieverfahren unmittelbar anwenden und abrechnen, nachdem sie in den Verkehr gebracht wurden. Da die abrechenba-ren Vergütungen für innovative Leistungen für die Ärzte relativ attraktiv sind, ist es für sie loh-nend, Privatpatienten mit einem innovativen Angebot zu werben. Sehr rasch werden daher neue Verfahren bei Privatpatienten eingesetzt. Dies trägt einerseits dazu bei, dass die Innova-tionen schneller im deutschen Gesundheitswe-sen ankommen. Andererseits ist das Wissen über Nutzen und Risiken zu diesem Zeitpunkt nicht immer ausreichend.

Bei der Anwendung von Innovationen im Krankenhaus sind die Unterschiede zwischen gesetzlich und privatversicherten Patienten dagegen deutlich geringer. Denn hier gilt die Regel „Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt“. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus können auch in der GKV grundsätzlich zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden, solange der G-BA sie nicht ausdrücklich ausschließt. Der Gesetzgeber will damit erreichen, dass die Krankenhaus-behandlung grundsätzlich für den medizi-nischen Fortschritt offenbleibt. Allerdings bedeutet die Erlaubnis, neue Verfahren durchführen zu können, nicht automatisch, dass das Krankenhaus dabei entstandene Mehrkosten von den Krankenversicherungen erstattet bekommt. Dazu bedarf es vielmehr eines komplizierten und oft langwierigen Pro-zesses. Dies wirkt als Fortschrittsbremse, weil die Krankenhäuser ihrerseits überwiegend unter erheblichem fi nanziellen Druck stehen.

Besondere Situation bei Arzneimitteln

Neue Arzneimittel stehen Patienten in Deutschland unmittelbar nach Markteinfüh-rung zur Verfügung. Denn mit der Zulassung – im Regelfall europaweit durch die Euro-pean Medicines Agency (EMA) – sind Wirk-

samkeit, Qualität und Sicherheit umfassend geprüft worden. Allerdings prüft der G-BA auch hier das Ausmaß des Zusatznutzens gegenüber dem bisherigen Versorgungsstan-dard. Denn seit 2011 sollen sich der Spitzen-verband der Krankenkassen und das jewei-lige pharmazeutische Unternehmen über den Preis des Arzneimittels insbesondere auf Basis der Feststellungen des G-BA zum Zusatznutzen verständigen; gelingt keine Einigung, setzt eine Schiedsstelle den Preis hoheitlich fest. Eine Reihe von neuen Arz-neimitteln haben die Pharmaunternehmen seitdem vom deutschen Markt wieder zu-rückgezogen, wenn sie keinen aus ihrer Sicht auskömmlichen Preis durchsetzen konnten. Dies geschieht maßgeblich deswegen, weil

der deutsche Preis in vielen anderen Län-dern ein Kriterium für die Bestimmung des dortigen Preises ist.

Der Preis, zu dem der Arzneimittelher-steller das Medikament abgibt, gilt auch für Privatversicherte. Allerdings verschreiben Ärzte neue Arzneimittel bei gesetzlich Versi-cherten deutlich zurückhaltender. Denn die Ärzte müssen sich in der GKV im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen für ihre Verordnungen rechtfertigen. Gilt ihr Verord-nungsverhalten als unwirtschaftlich, kön-nen fi nanzielle Sanktionen verhängt wer-den, die sie an die Krankenkassen zahlen müssen. Auch wenn es praktisch nur selten zu solchen Strafen kommt, beeinfl usst die latente Drohung insbesondere die Neigung,

hochpreisige neue Arzneimittel zu verord-nen. Bei Privatpatienten gilt dies nicht. Ent-sprechend rascher kommen hier neue Arz-neimittel zum Einsatz.

Das Spannungsverhältnis zwischenZugang der Patienten zu Innovationen undErhalt der Innovationskraft der Gesund-heitswirtschaft einerseits und in einem ge-sellschaftlich getragenen System wird auchin Zukunft eine der zentralen Herausforde-rungen des Gesundheitswesens darstellen.

Professor Dr. rer. pol. Jürgen WasemVorstand des Gesundheitsökonomischen Zentrums und Inhaber des Lehrstuhls für Medizinmanagement der Universität Duisburg-Essen.

Medizinische Innovationen benötigen Unterstützung auf dem Weg zum Patienten. FOTO KATELEIGH/FOTOLIA

r

r r

n n t

n

t

t

h g

r h

f

t n

n

n

V5

Diagnose Psoriasis – WebtippsAuf dem neuen Patientenportal der Celgene GmbH stehen Broschüren, Videos und Rat-geber mit umfassenden Informationen zuThemen rund um die Schuppenflechte zur Ver-fügung, die für Betroffene und deren Angehörige interessant sind und sie im Umgang mitihrer Erkrankung unterstützen können. Ein Blick lohnt sich: www.diagnose-psoriasis.de

Über CelgeneCelgene ist ein globales biopharmazeutischesUnternehmen, das 1986 inNew Jersey, VereinigteStaaten, gegründet wurde. Celgene erforscht, entwickelt und vertreibt innovativeArzneimittel,hauptsächlich zur Behandlung von Krebserkrankungen undKrankheiten des Immunsystems.In Deutschland ist Celgene seit 2006 durch die Celgene GmbH in München vertreten.Weitere Informationen finden Sie auf derWebsite des Unternehmens unter www.celgene.de.Für medizinische Fragen: 089 451519-324

Anzeige

Bei der Schuppenflechte (Psoriasis vulgaris)hat sich in den vergangenen Jahren viel ge-tan. Die Erkrankung wird nicht mehr alsreine Hauterkrankung betrachtet, sondernals komplexe, systemische Autoimmuner-krankung. Diese ruft eine Entzündung imKörper hervor, was zu den verschiedenenSymptomen und Manifestationen der Psori-asis führt. Hier setzen moderne Therapienan: Systemische, also von innen wirkendeMedikamente, dämmen die Entzündung einund können mit Spritzen oder Infusionen,

aber auch in Tablettenform verabreichtwerden.

Jede Schuppenflechte ist andersTypisch für die Psoriasis vulgaris sind gerötete,schuppende Hautveränderungen, wobei Größeund Lokalisation am Körper unterschiedlichausfallen.1 Auch eine Beteiligung von Kopfhautoder Nägeln zählt zu den Ausprägungen derSchuppenflechte, ebenso wie Juckreiz, den einGroßteil derBetroffenen als besonders belastendbewertet.2 Zudem können schmerzende Ge-

lenke und Sehnenansätze, z. B. im Bereich derAchillessehne, hinzukommen: Circa 30 Prozentder Menschen mit Schuppenflechte entwickelnim Erkrankungsverlauf eine Psoriasis-Arthritis.3Unterteilt wird die Psoriasis in zwei Formen:

leicht oder mittelschwer bis schwer. Kriteriumist hierbei jedoch nicht allein der Hautbefall,sondern auch die Lebensqualität spielt eineRolle.4 In diesem Kontext kann laut Europäi-schemKonsensus die Schuppenflechte auch beivergleichsweise geringer Hautbeteiligung alsmittelschwer bis schwer eingestuft werden,wenn bestimmte Symptome oder der Befall anbestimmten Körperstellen vorliegen. Dazuzählen sichtbare und damit stigmatisierendeKörperareale wie Gesicht und Hände, die Be-teiligung größerer Kopfhautanteile, bestimmteNagelveränderungen an mindestens zwei Nä-geln, aber auch Juckreiz, der zum Kratzenführt. Dies hat Auswirkungen auf die Wahl derBehandlung.4

Individuelle Behandlung –persönliche Ziele setzenWie die Weltgesundheitsorganisation (WHO)in ihrem Report zur Psoriasis hervorhebt, mussdie Versorgung von Menschen mit Schuppen-flechte verbessert werden.1 Sie fordert, Patientenzu stärken und ganzheitlich zu behandeln –hierfür sollten Medikamente eingesetzt werden,die durch langfristige Wirksamkeit und Sicher-heit überzeugen.1Betroffene benötigen daher eine indivi-

duelle Therapie, die sich nicht allein nach

der Schwere des Hautbefalls richtet, son-dern alle Symptome mit einbezieht – spezielljene, die besonders belastend für sie sind.Neben Begleiterkrankungen sollten zudempersönliche Wünsche und Anforderungenan die Behandlung berücksichtigt werden.Wichtige Aspekte sind z. B. der Wunschnach einer Therapie, die möglichst alltags-tauglich ist, kaum Zeit in Anspruch nimmtund wenige Besuche beim Arzt oder in derKlinik erfordert. Um Betroffenen zu helfen,individuelle Therapieziele festzulegen, bietetCelgene unter www.diagnose-psoriasis.deunterstützende Materialien an.

Moderne Therapien: mit Tablettenoder Spritzen persönliche ErwartungenerfüllenDie Behandlung einer Psoriasis sollte durcheinen Facharzt erfolgen, also einen Hautarzt(Dermatologen); bei Schmerzen der Gelenkeoder Sehnenansätze zudem durch einenRheumatologen. Auf Psoriasis spezialisierteDermatologen sind auf der Seite derregionalen Psoriasisnetze in Deutschland(www.psonet.de/regionale-netze) gelistet.Der Facharzt kennt das gesamte Therapie-

spektrum: Heute kann er neben äußerlichwirksamen Therapien wie Cremes, Salbenoder Phototherapien aus einer Vielzahl anmodernen innerlichen Behandlungsoptio-nen auswählen, die an der Ursache der Er-krankung ansetzen. Hier stehen neben ziel-gerichteten immunmodulierenden Tabletten,

ImpressumCelgeneGmbH, Joseph-Wild-Straße 20, 81829München (Germany), Telefon 089 451519-0Kontakt: YvonneWeißhuhn, Communications Managerin Inflammation & Immunology,E-Mail: [email protected]

Quellen1. World Health Organization. Global Report onPsoriasis 2016. http://apps.who.int/iris/bitstream/10665/204417/ 1/9789241565189_eng.pdf.Abgerufen im Oktober 2017.

2. Lebwohl MG et al, JAAD 2014;70:871–81.e1–30.3. Mease PJ et al, J Am Acad Dermatol 2013;69(5):729–35.

4. Mrowietz U et al, Arch Dermatol Res 2011;303:1–10.

5. Blome C et al, Arch Dermatol Res 2011;303(1):11–17.

Interview mit Prof. Dr. med. Michael Schön

Wie schätzen Sie die Behandlungsoptionen bei derSchuppenflechte heute ein?In den vergangenen Jahren hat sich sehr viel getan: ModerneMedikamente gehen gegen die Entzündung vor und sind beieinem Großteil der Psoriasis-Symptome wirksam. Auch bei derAnwendung ist die Auswahl heute breiter: Neben Cremes undSalben stehen Tabletten, Spritzen und Infusionen zur Ver-fügung.

Kommen diese Fortschritte bei allen Patienten an?Viele Betroffene erhalten seit Jahren keine adäquate Therapie.Entweder, weil sie eine äußerliche Behandlung mit Cremesoder Salben bekommen, auch wenn sie für eine systemische

Therapie infrage kämen, oder weil sie die Behandlung ausUnzufriedenheit bereits vor Jahren aufgegeben haben. Dasmuss nicht sein.

Was raten Sie Betroffenen?Es ist sicherlich sinnvoll, sich an Spezialisten zu wenden.Machen Sie sich zudem Ihre eigenen Wünsche bewusst, auchim Hinblick auf Anwendung und Zeitaufwand der Therapie.Wichtig ist, dass Sie alle Ihre Symptome schildern, auch wennIhnen manche nicht so wichtig erscheinen. Betonen Sie vorallem, welche Sie am meisten belasten, zum Beispiel Juckreiz,Nagel-Psoriasis oder Gelenkschmerzen. So können Sie gemein-sammit dem Arzt die am besten passendeTherapie auswählen.

Prof. Dr. med. Michael Schön, Göttingen,ist Spezialist für entzündliche Haut-erkrankungen, wie Psoriasis.

Die mittelschwere Schuppenflechte zeigt sich in der Regel durch Plaques am Kopf, am Körper, durchNagelveränderungen, zum Teil an Gelenken und meist durch Juckreiz. FOTO SIMARIK/ISTOCKPHOTO

modifiziert nach Blome et al, 2011 5

Die zehn häufigsten Patientenbedürfnisse bei der Psoriasis-Behandlung

Führen eines normalen Alltagslebens

Weniger Zeitaufwand mit der täglichen Behandlung

Kein Juckreiz

Weniger Arzt- und Klinikbesuche

Keine Furcht vor Krankheitsfortschritt

Klare Diagonse und Therapie

Kontrolle über die Erkrankung

Vertrauen in die Therapie

Abheilen aller Hautveränderungen

Schnelle Verbesserung der Haut

74,1%

75,7 %

76,4 %

78,4 %

83,2 %

85,8 %

88,1%

90,3 %

93,3 %

94,2 %

die der Entzündung entgegenwirken, auchBiologika zur Verfügung, die gezielt be-stimmte Immun-Botenstoffe blockieren.Diese werden gespritzt oder als Infusion ver-abreicht.Auch wer die Diagnose vor langer Zeit

erhalten hat, sollte sich nach modernenTherapien erkundigen. Dies kann sichebenfalls für diejenigen lohnen, die mitihrer Behandlung unzufrieden sind oderdiese abgebrochen haben.

Schuppenflechte: Mit modernenTherapien persönliche Ziele erreichen

V6 Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsspezial / Innovationen in der Dermatologie / 6. Dezember 2017

Ultraviolette Strahlung – kurz UV-Strahlung – ist neben Licht und Wärme Bestandteil der Sonnenstrahlung und kann auch künstlich erzeugt wer-den, beispielsweise in So-

larien. Übermäßige UV-Belastungen sind nachweislich der Hauptrisikofaktor für die Entstehung von Hautkrebs. Zwar hat der Körper einen ausgeklügelten Reparatur-Mechanismus entwickelt, um UV-Schäden in der Haut zu beheben, doch bei intensiver UV-Bestrahlung stößt dieser schnell an seine Grenzen, und es kann zu dauerhaften Ver-änderungen im Erbgut der Hautzellen kom-men. Je mehr solcher Mutationen sich im Laufe des Lebens in Hautzellen ansammeln, desto höher ist das Risiko, dass daraus ein-mal Hautkrebs entsteht.

Lebensstil lässt Zahlen für Hautkrebserkrankungen steigen

In Deutschland ist die Zahl der Hautkrebs-erkrankungen über die vergangenen Jahr-zehnte stark angestiegen. Schätzungen gehen von über 290 000 Neuerkrankungen im Jahr 2014 aus. Bei dem Großteil von ihnen handelt es sich um Arten von nichtmelanozytärem Hautkrebs, auch heller Hautkrebs genannt. Die darunter fallenden Hautkrebsarten streu-en in der Regel nicht, können jedoch durch ihr invasives Wachstum und der damit verbun-dene Behandlung sehr belastend sein. Etwa 36 400 Erkrankungsfälle sind dem weitaus gefährlicheren malignen Melanom zuzurech-nen, im Volksmund schwarzer Hautkrebs genannt, der metastasieren kann und an wel-chem jährlich etwa 3000 Menschen sterben.

Den Grund für die steigenden Hautkrebs-zahlen sehen Experten vor allem in einer erhöhten UV-Exposition aufgrund eines ver-änderten Lebensstils. Zu nennen sind hier intensive Sonnenbäder, zunehmende Ur-laubsreisen in den Süden, die Nutzung von Solarien und eine wachsende Beliebtheit von Outdoor-Aktivitäten. Auch der demo-graphische Wandel und eine erhöhte Auf-merksamkeit gegenüber verdächtigen Haut-veränderungen seitens Bevölkerung und Ärzteschaft, die dazu führt, dass Hautkrebs-fälle öfter erfasst werden, können einen Teil der steigenden Hautkrebsraten begründen.

Konkrete Maßnahmen, die jeder Bürger und jede Bürgerin ergreifen kann, um Krebs-erkrankungen jedweder Art zu vermeiden, hat die an die Weltgesundheitsorganisation

(WHO) gekoppelte Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) in ihrem Europä-ischen Kodex zur Krebsbekämpfung zusam-mengetragen.

Gute Wirkung mit einfachen Mitteln

Bezüglich der hautkrebserregenden UV-Strahlung heißt es dort: „Vermeiden Sie zu viel Sonnenstrahlung, insbesondere bei Kin-dern. Achten Sie auf ausreichenden Sonnen-schutz. Gehen Sie nicht ins Solarium.“ Drei an sich leicht verständliche Verhaltensauf-forderungen, die jedoch eine Schärfung des Blicks für verschiedene Alltagssituationen erfordern. Wer lediglich viel Sonnencreme aufträgt und sich dann um nichts weiter kümmert, tut ohne Zweifel etwas für den

UV-Schutz, vernachlässigt jedoch gleichzei-tig entscheidende Stellschrauben.

Die Aufforderung, „zu viel Sonne“ zu meiden, steht nicht umsonst an erster Stelle. Vor allem im Sommer steigt die UV-Intensität im Kurvenverlauf um die Mittagszeit steil an; wesentlich steiler als die Temperaturkur-ve. Wer mittags der Sonne möglichst perma-nent aus dem Weg geht und so übermäßige UV-Belastungen von vornherein gering hält, hilft seiner Haut am effektivsten. Das be-deutet, im Urlaub zur Mittagszeit lieber ein Museum statt den Strand aufzusuchen oder im Alltag das Picknick oder die Joggingrun-de besser auf den Vormittag oder frühen Abend zu legen. Bei Aufenthalten im Freien ist das Aufsuchen von Schatten immer eine gute Idee. Für Sonnenschutz gilt außerdem:

Guter Sonnenschutz ist mehr als SonnencremePrävention soll das Risiko für Erkrankung möglichst gering halten. Bei Hauterkrankungen steht dabei die UV-Strahlung besonders im Fokus. Wichtig ist nicht die komplette Vermeidung der

Sonnenstrahlung, sondern ein bewusster und verantwortungsvoller Umgang. Von Eckhard W. Breitbart

Die Gefährlichkeit der Sonnenstrahlung wird häufi g unterschätzt. FOTO FLASHMOVIE/FOTOLIA

Die Grenzen zwischen Ge-sundheit und Schönheit sind fl ießend. Kaum irgendwo wird das so deutlich wie bei der Behandlung mit Lasergeräten. Klare Zuständigkeiten und bessere Regulierung könnten die Kunden schützen.

V O N S O P H I A S C H L E T T E

Schönheit ist ein Verkaufsschlager, und der Kult um das Aussehen treibt selt-same Blüten. Wer gut aussieht, der ist beliebter, erfolgreicher und bekommt

besser dotierte Jobs. Eine ganze Branche hat sich darauf eingestellt: Kosmetikstudios, Friseursalons und Tattoostudios. Auf den ersten Blick haben diese Dienstleister nichts mit Gesundheit zu tun. Erst bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass sie potente Laser-geräte einsetzen, um vermeintliche Makel zugunsten der Schönheit zu beseitigen. Mit Laser- oder Intense-Pulsed-Light-Geräten rücken sie Muttermalen, Pigmentstörungen, Haaren oder unlieb gewordenen Tattoos zu Leibe. Die Geräte sind einfach zu bedienen, heute in der Anschaffung günstig und weit verbreitet.

Muttermal oder Melanom?

Auch in der Dermatologie werden Laser eingesetzt. Hautärzte behandeln damit Feuermale, Besenreiser, glätten Narbenge-webe oder Falten und entfernen Tätowie-rungen. Häufig setzen sie IPL-Geräte zur dauerhaften Entfernung unerwünschter Haare ein. Hautärzte sind hochqualifizier-te Fachärzte. Sie behandeln ihre Patienten entsprechend der Evidenz und den Leitli-nien ihres Fachgebietes und nur sie kön-nen erkennen, ob ein Muttermal ein Mut-termal oder ein Melanom ist. Ein Hautarzt, der seine Patienten mit Laser behandelt, muss dafür spezielle Qualifikationen nach-weisen – die Weiterbildung zum Facharzt für Dermatologie allein reicht nicht. Fach-verbände der deutschen Dermatologen for-dern deswegen seit Jahren eine rechtliche

Grundlage, wie es sie in Dänemark gibt: Nur Ärzte sollen Laser und Blitzlampen bei ästhetisch-kosmetischen Anwendungen nutzen dürfen oder müssten deren Einsatz zumindest beaufsichtigen.

Grauzone mit großen Risiken

Auch die Politik räumt einigen Nachhol-bedarf bei der Regulierung von Zulassung und Handhabung von den nicht ungefähr-lichen Lasergeräten sowie bei der Datener-hebung ein. Denn Daten über die Art und Häufigkeit der Laserbehandlungen werden in Deutschland nicht erfasst. Weder die in Schönheitsstudios tätigen medizinischen Laien noch die Hautärzte führen Buch über die Behandlungen mit Laser und IPL, geschweige denn über Behandlungsfehler. Die Diskrepanz ist offenkundig: Wie kann es sein, dass Personen ohne jedwede me-dizinische Ausbildung die gleichen strah-lenintensiven Lasergeräte verwenden wie hochspezialisierte Fachärzte? Eine Erklä-rung: Schönheit ist Privatangelegenheit. Wenn Dienstleister für die Schönheit tätig werden, tun sie das auf dem zweiten Ge-sundheitsmarkt, in dem Patienten als Kun-den und Selbstzahler agieren. Die Preise variieren stark – und die Qualität und Si-cherheitsstandards leider auch.

Leiden für die Schönheit

Die Dunkelziffer ist groß. Immer mehr Men-schen lassen sich Tattoos stechen, wollen ihr Äußeres optimieren und vertrauen den Versprechungen der Schönheitsindus-trie. Die Kehrseite sind Menschen, die im Schönheitsstudio verletzt wurden und mit Verbrennungen und Vernarbungen zum Hautarzt gehen. Es besteht die Gefahr, dass eine Kosmetikerin Muttermale „weglasert“ und dabei ein Melanom erwischt, das in der Folge streut. Die Folgen von Lasern in Laienhand sind gravierend, die Vorschrif-ten für Betreiber und Mitarbeiter in Kos-metikinstituten viel zu lax. Zwar müssen Schönheitsdienstleister Prüfungen zum Strahlenschutz am Arbeitsplatz ablegen – derma-spezifi sche Qualifi kationen zur Entfernung von Muttermalen, Pigmentstö-rungen oder Tattoos mittels Lasern im Rah-men von kosmetischen Behandlungen sind hingegen nicht vorgeschrieben. So können Laser und Blitzlampen in der Breite einge-setzt werden.

Während in den Vereinigten Staaten La-ser-Behandlungsgeräte von der Zulassungs-behörde FDA (Food and Drug Administrati-on) geprüft werden, liegt die Entscheidung,ob ein Gerät ein Medizinprodukt ist odernicht, in Europa beim Hersteller: Laut Euro-päischem Gerichtshof fällt ein Gegenstandnur dann unter den Begriff Medizinprodukt,wenn er vom Hersteller für einen medizini-schen Zweck bestimmt ist. „Die rechtlicheEinordnung eines Laser- oder IPL-Geräteshängt vielmehr davon ab, mit welcherZweckbestimmung es vom Hersteller in denVerkehr gebracht wird.“ (Bundesministeri-um für Umwelt).

Die Hersteller handeln nach den gelten-den Vorgaben: Je nach Zweck liefern sie diegleichen Laser-Geräte an Schönheitsinstitu-te und Hautarztpraxen – bei Letzteren mit einer Medizinproduktezulassung, in denanderen Fällen lediglich mit einem Nachweisüber die Produktsicherheit.

Laxe Regeln und unklare Zuständigkeiten

Die Laser-Behandlung ist ein klassisches,ressortübergreifendes Querschnittsthe-ma mit der Folge, dass das Thema nirgendsrichtig hingehört: Eine Anfrage der Bundes-tagsfraktion der Grünen an die Bundesre-gierung zu Patientensicherheit und Verbrau-cherschutz von Lasern in Laienhand wurdeweder vom Gesundheitsministerium nochaus dem für Verbraucherschutz zuständi-gen (Justiz-)Ministerium, sondern aus demUmweltressort beantwortet, da es sich umein Strahlen-Thema handelt. Und das Bun-desministerium für Ernährung und Land-wirtschaft klärt Tattoo-Fans auf einer neuenWebsite über die Risiken von Tätowierungenauf. So sind es vier Bundesressorts, die sichalle nicht wirklich zuständig fühlen. Hinzukommen die Kommunen, die die Gewerbe-anmeldung von Schönheitsinstituten vor-nehmen – und dabei weder die Qualifi kati-on der Mitarbeiter noch die Gesundheit derKunden im Blick haben müssen. Auch dieVerbraucherzen tralen haben die potentiel-len Gefahren noch nicht auf ihrer Agenda.Es gibt einen großen Handlungsbedarf, ummehr Sicherheit für die Schönheitssuchen-den zu gewährleisten.

Sophia Schlette, MPH, ist Leiterin der Stabsstelle Politik beim Berufsverband der Deutschen Dermatologen in Berlin.

Lasertechnologie in Laienhand

T-Shirt oder Bluse sind dem Trägertop vor-zuziehen, welches Schultern und Dekolleté frei lässt, und der Sonnenhut ist ein dekora-tiver und wirkungsvoller Schutzbegleiter. Sonnencreme ist ebenfalls bedeutsam, sollte jedoch eher als Ergänzung zu den anderen, wirksameren, Schutzmaßnahmen betrach-ten werden. Einen guten Leitfaden stellt der „UV-Index“ dar, der die Sonnenbrandeffek-tivität tagesaktuell wiedergibt und entspre-chende Schutzmaßnahmen empfi ehlt.

Richtungsweisende Maßnahmen: Präventionsgesetz und Leitlinie

Die Umsetzung präventiver Verhaltens-weisen, egal ob UV-Schutz oder andere Bereiche betreffend, hängt auch von den

Gegebenheiten in alltäglichen Umfeldern, den sogenannten Lebenswelten, ab – von Rausgehzeiten in Kindestagesstätten, der sonnengerechten Gestaltung des Schulho-fes oder Pausenregelungen für Berufstä-tige, die viel im Freien arbeiten. Die WHO greift diesen Umstand in ihrem „Lebens-welt-Ansatz“ (setting based aproach) auf und schreibt in der Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung von 1986: „Ge-sundheit wird von Menschen in ihrer all-täglichen Umwelt geschaffen und gelebt: dort, wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben.“ In der deutschen Gesundheits-politik wurde dieser Gedanke im 2015 verabschiedeten Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz – PrävG) aufgegriffen,

welches die Gesundheitsförderung und Prävention in den Lebenswelten stärken soll.

Empfehlungen dazu gibt zum Beispiel die 2014 veröffentlichte Leitlinie zur Prä-vention von Hautkrebs. Sie wurde über das Leitlinienprogramm Onkologie von über 40 Fachgesellschaften erstellt und bündelt die Erkenntnisse aktueller wissenschaft-licher Studien zum Thema. Die Leitlinie empfiehlt, Wissen über Wirkungen von UV-Strahlung und Schutzmaßnahmen nachhaltig zu vermitteln, unter anderem in Form gezielter Interventionen an Schu-len, Vorschulen und Kindertagesstätten und über Schulungsmaßnahmen für im Freien Beschäftigte. Zudem wird geraten, in diesen Lebenswelten Schattenplätze einzurichten und die Mittagssonne bei Stundenplänen und Arbeitszeitregelungen zu beachten.

Zentrale Rolle der Kommunikationfür die Aufklärung

Ein prominentes Beispiel für Interventio-nen zur Hautkrebsprävention ist die Kam-pagne „Slip! Slop! Slap!“, die in den 1980er Jahren in Australien und Neuseeland durchgeführt wurde. Der Slogan steht für „Slip on a shirt, slop on sunscreen and slap on a hat“ und wurden, als kurzes prägnantes Animationsvideo für vielfäl-tige Einsatzmöglichkeiten umgesetzt und beworben. Auch in Deutschland gibt es immer mehr umfassende Präventionspro-jekte. So hat die Deutsche Krebshilfe 2015 das Projekt „Clever in Sonne und Schat-ten“ auf den Weg gebracht, in welchem Experten verschiedener Fachrichtungen aufeinander abgestimmte Interventionen für Grundschulen, Kindertagesstätten und die Kinderarztpraxis gestalten. Ziel dabei ist es, Erzieher, Lehrer und Ärzte als aktive Multiplikatoren für die Vermitt-lung von UV-Schutz-Wissen zu gewinnen und sie neben Eltern, Kindern und Ju-gendlichen gleichermaßen einzubezie-hen. Lebensbedrohende Melanome kön-nen als Folge von zu hoher UV-Strahlung besser vermieden werden. Dafür bedarf es auch in Deutschland flächendeckender Aufklärung.

Prof. Dr. med. Eckhard W. Breitbartist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention e. V. (ADP).

Innovationen verbessern die Versorgung der Patienten. Jürgen Ellwanger, niederge-lassener Hautarzt in Mün-chen, im Gespräch über die Entwicklungen der Dermato-logie und deren Anwendung in der Praxis.

D A S I N T E R V I E W

F Ü H R T E A N N A S E I D I N G E R

Herr Dr. Ellwanger, Sie arbeiten seit über 15 Jahren als Hautarzt. Was hat sich seit dieser Zeit in der Dermatologie verändert?

Es gab in dem Fachgebiet sehr große Ent-wicklungen und Veränderungen. Die Der-matologie hat sich von einem untergeord-neten Nischenfach zu einem medizinisch innovativen und gesellschaftlich bedeu-tenden Fachgebiet entwickelt. Im medi-zinischen Bereich gab und gibt es enorme therapeutische Fortschritte: Die Behand-lungen sind funktioneller, spezifischer und gleichzeitig schonender geworden. So profitieren die Patienten von besseren The-rapieerfolgen und gesteigerter Lebensqua-lität. Ähnliches gilt für die wichtig gewor-denen Themen Ästhetik und Schönheit: Schonendere und effektive minimalinvasive Verfahren reduzieren die Ausfallzeiten. Damit hat die Dermatologie insgesamt an Qualität und Stärke gewonnen.

Zu Ihren Spezialgebieten gehört die Lasermedizin. Wie darf sich der Laie diese Verfahren und ihre Möglichkeiten vorstellen?

Die Lasertechnologie wird mittlerweile seit Jahrzehnten eingesetzt. In der Reali-tät gibt es nicht den einen Laser, mit dem alles behandelt werden kann. Der Arzt hat die Wahl unter zahlreichen, grundsätz-lich verschiedenen Lasertypen, die für sehr spezifische Behandlungen eingesetzt werden. Auch hier geht der Trend hin zu genaueren und schonenderen Verfahren, die sehr gute Ergebnisse bei möglichst ge-ringen sichtbaren Spuren ermöglichen. Die Anwendungsvielfalt ist groß: Fast alle gefäßbedingten Veränderungen, alle Ar-ten von Pigmentstörungen sowie gute oder bösartige Hautveränderungen werden er-folgreich mit Lasern behandelt.

Wie ist die Qualität der dermatologi-schen Laserversorgung in Deutschland? Wie kann der Laie einen guten Laserspe-zialisten erkennen?

Laser gehören zweifelsfrei in die Hände von ausgebildeten Fachleuten, hier spe-zialisierter Dermatologen. Die Qualität der Anwender in der Dermatologie nimmt deutschlandweit zu. Fragen Sie den behan-delnden Arzt, wie lange er das spezielle Laserverfahren bereits einsetzt und wie viele Patienten er damit bereits behandelt hat. Fragen Sie auch, wie er die Behand-

lung vor fünf Jahren durchgeführt hat. Ist er fachlich qualifiziert, wird er darauf ger-ne eine fundierte Antwort geben.

Nachdem Sie in unterschiedlichen Klini-ken oberärztlich tätig waren, haben Sie sich 2013 mit einer eigenen Privatpraxis niedergelassen. Was waren die Gründe dafür?

Mein größtes Anliegen ist es, meine Pati-enten bestmöglich zu versorgen und ihnen ein maximal vertrauensvoller Ansprech-partner zu sein. Diesen Anspruch konnte ich in der Klinik nicht verwirklichen, weil angestellte Ärzte in ihrer Arbeit nicht aus-reichend unabhängig handeln können.

Für eine Privatpraxis habe ich mich entschieden, weil unser Gesundheitssys-tem nur dort eine optimale und vertrau-ensvolle Versorgung zulässt. Gesetzliche Krankenkassen zwingen mit ihren Vor-gaben und Abrechnungssystemen Ärzte dazu, möglichst wenig Zeit pro Patient aufzuwenden und die Verordnung der Me-dikamente auch nach monetären Aspekten auszurichten. Ich nehme mir viel mehr Zeit für das Patientengespräch, für eine ausführliche Anamnese und Analyse der Situation. Das ist die Grundlage für eine bestmögliche Therapie.

„Mehr Zeit für das Patientengespräch“

FOTO FLO M

AUC

HER

Jürg

en Ellwanger

„Im medizinischen Bereich gab

und gibt es enorme therapeutische

Fortschritte:Die Behandlungen sind funktioneller,

spezifi scher und gleichzeitig

schonender geworden.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsspezial / Innovationen in der Dermatologie / 6. Dezember 2017 V7

Die Gruppe der weißen Haut-tumoren ist die häufi gste Krebsart in Deutschland und betrifft etwa jeden fünften Über-80-Jährigen. Die The-rapiemöglichkeiten sind gut, wobei eine rechtzeitige Diag-nose wichtig ist.

V O N C L A A S U L R I C H

Hinter dem Oberbegriff weißer oder auch heller Hautkrebs fi ndet sich mit dem Basalzellkarzinom und dem Plattenepithelkarzinom eine

Gruppe von Hauttumoren, die ihren Aus-gangspunkt in Hornzellen der Epidermis haben. Man schätzt die jährliche Zahl der Neuerkrankungen für das Basalkarzinom auf bis zu 150 000 und die des kutanen Plat-tenepithelkarzinom auf etwa 30 000. Wich-tigster äußerer Auslösefaktor ist die ultravio-lette Strahlung natürlichen oder künstlichen Ursprungs. Dabei spielt insbesondere die Gesamtmenge der UV-Strahlung über die entsprechende Lebenszeit eine Schlüssel-rolle. Entsprechend trägt die konstant stei-gende Lebenserwartung sicherlich zu den beobachteten steigenden Fallzahlen insge-samt und auch bei älteren Menschen bei. Als weitere exogene Karzinogene spielen mit aromatischen Kohlenwasserstoffen, Arsen oder Teeren auch chemische sowie mit dem humanen Papillomavirus (HPV) auch biolo-gische Faktoren in der Entstehung besonders des Plattenepithelkarzinoms eine kausale Rolle. Genetische Faktoren, wie eine gerin-gere natürliche Pigmentierung der Haut, ein frühzeitiger Ausfall des partiell als natürli-

cher Sonnenschutz wirksamen Kopfhaares, aber auch eine angeborene oder erworbene Immunschwäche können als endogene Fak-toren die Abwehrbereitschaft der Haut ge-genüber einer Hauttumorentwicklung signi-fi kant reduzieren.

Das häufi gere Basalzellkarzinom

Das in seiner Wachstumsform sehr varia-blen und oftmals von gutartigen Hautver-änderungen wie Zysten oder kleinen Narben mit bloßem Auge nur schwer abgrenzbare Basalzellkarzinom nimmt seinen Ausgang von Zellen der Haarwurzelscheide. Moder-ne Verfahren der digitalen Hautdiagnostik ermöglichen eine zuverlässige, schmerz- und narbenfreie und innerhalb weniger Sekunden bereits in der Hautarztpraxis durchführbare Diagnose ohne operativen Eingriff. Vielfach fi nden sich BCC in den sonnenexponierten Hautarealen des Kör-pers wie Kopfbereich oder Oberkörper. Zwar metastasieren BCC nur sehr selten, können jedoch tief infi ltrierend in unterliegendes Weichteilgewebe und sogar Knochenstruk-turen einwachsen und sind dann nicht mehr zuverlässig zu behandeln. Alternativ bietet sich auch eine Röntgenweichteilbestrahlung als Therapieoption für großfl ächige BCC oder als Alternative zu sehr gewebezerstörenden Operationen an. Seit einiger Zeit steht für diese fortgeschrittenen Basalzellkarzinome auch die zielgerichtete, medikamentöse Blo-ckade des „Hedgehog-Signalweges“, einer in Basalzellkarzinomen häufi gen Mutation eines Wachstumsgens, zur Verfügung. Die möglichen Einsatzbereiche dieser Therapie werden aktuell wissenschaftlich evaluiert.

Noch stringenter fi ndet sich das Platte-nepithelkarzinom auf die sogenannten „Son-nenterrassen“ des Körpers fokussiert und kommt somit an der Stirn, dem nicht mehr behaarten Kopf, Ohren, Wangen, Handrü-cken und Unterarmen vor. Diese Karzino-me entwickeln sich in der Regel über einen

Zeitraum von Monaten bis Jahren aus ober-fl ächlichen Vorläufern, den oftmals als sand-papierartig fl ächig tastbaren aktinischen Keratosen.

Das seltenere Plattenepithelkarzinom

Diese fi nden sich hierzulande bei mehr als 40 Prozent aller Menschen jenseits des 70. Lebensjahres. Neben der Ausschöpfung des gesamten dermatologischen Therapiespek-trums moderner Flächentherapieverfahren für die aktinischen Keratosen werden Platte-nepithelkarzinome meist operativ entfernt. Aus dem entnommenen Tumormaterial kann anschließend die Aggressivität der Tumor-zellen abgeleitet werden. Bei einer Metasta-sierungsrate von unter fünf Prozent ist das Plattenepithelkarzinom der Haut in der Regel mittels Operation gut behandelbar. Für den Fall einer Metastasierung stehen heutzutage auch beim Plattenepithelkarzinom, neben klassischen Chemotherapien, auch moderne, wachstumshemmende oder immunmodulie-rende Antikörperinfusionen zur Verfügung.

Eine individuell adaptierte, leitlinienge-rechte Nachsorge erfolgt für beide Tumorar-ten durch die versierte Hautarztpraxis oder, bei Hochrisikotumoren, auch durch die in-terdisziplinär arbeitenden Hauttumorzen-tren der großen Kliniken entsprechend den aktuell gültigen Empfehlungen der Deut-schen Krebsgesellschaft. Erkenntnissen zu Risikofaktoren, der individuellen Tumorbio-lologie und der besonderen Entstehungsme-chanismen von Hauttumorerkrankungen folgend, werden aktuell Ansätze zur perso-nalisierten Therapie weiterentwickelt, die der wachsenden Rolle dieser Hautkrebsfor-men besonders in unserer alternden Gesell-schaft Rechnung tragen.

Dr. med. Claas Ulrich leitet das Hauttumor-centrum an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Charité Universitätsmedizin Berlin.

Weißer Hautkrebs ist anders:Formen und Therapie

Der Begriff Hautkrebs umfasst eine Vielzahl verschiedener, von der Haut ausgehender Krebsarten. Rund 290 000 Menschen erhalten jährlich diese Diagnose in Deutsch-

land; etwa 900 000 befi nden sich aktuell we-gen einer Hautkrebserkrankung in Behand-lung. Rechnet man die Vorstufen hinzu, wird klar, dass es sich um eine Volkskrankheit handelt. Ursächlich sind langjährige bezie-hungsweise sehr intensive Sonnenbestrah-lung sowie eine genetische Veranlagung, die verhältnismäßig einfach phänotypisch charakterisiert und gut erkennbar ist: blaue Augen, rote oder blonde Haare, Sommer-sprossen sowie heller Hauttyp mit hoher Sonnenempfi ndlichkeit. Sonnenschutz, ge-setzliches Hautkrebsscreening sowie Auf-klärung sollen helfen, das Auftreten von Hautkrebs zu reduzieren.

Der große Unterschied: weiß oder schwarz

Die häufi gste Form stellt mit rund 175 000 Dia-gnosen pro Jahr der weiße Hautkrebs dar. Er ist vor allem durch langjährige Sonnen-exposition bedingt und entsteht entweder als Berufskrankheit bei in der Natur Tätigen oder aufgrund von ausgedehnten Outdoor-Aktivitäten. Durch ein einfaches Heraus-schneiden ist die Krebsgefahr in der Regel gebannt, da der weiße Hautkrebs nur unter besonderen Umständen in der Lage ist, in die weitere Umgebung oder andere Organe zu streuen. Daneben wird der schwarze Haut-krebs, das sogenannte maligne Melanom, in Deutschland rund 36 400 Mal bei Personen zwischen 20 und 90 Jahren diagnostiziert. Für jeden Betroffenen ist es äußerst wichtig, dass eine klare Abgrenzung zum gutartigen Muttermal oder harmlosen Pigmentmal er-folgt. Schließlich ist das maligne Melanom für rund drei Viertel der durch Hautkrebs bedingten Todesfälle verantwortlich, das heißt, es versterben jährlich rund 3000 Pati-enten mit einer fortgeschrittenen Melanom-Erkrankung. Frühzeitiges Erkennen und eine eindeutige Diagnose eines vermeintlich harmlosen kleinen und schmerzlosen Flecks können lebensrettend sein. Auch hier ist das operative Entfernen des schwarzen Haut-krebses die erste wichtige Maßnahme. Mela-nome, die weniger als einen Millimeter in die Haut eingewachsen sind – mehr als 70 Pro-zent der Melanome werden in Deutschland so früh erkannt und entfernt – kehren mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht wieder.

Bis vor wenigen Jahren bedeutete das erneute Auftreten eines Melanoms, ein so-genanntes metastasiertes Melanom, verbun-den mit gestreuten Tumorzellen in anderen Organen das unaufhaltsame Versterben innerhalb von wenigen Monaten. Lange wa-

ren die dermato-onkologische Forschung und die damit verbundenen Fortschritte in der Therapie sehr begrenzt, da die klassi-schen Chemotherapien quasi wirkungslos waren. In den vergangenen sieben Jahren haben Entwicklungen zum molekularen Verständnis in der Tumorbiologie wie auch im Verständnis der Immunologie zu einer Vielzahl von neuen Therapien geführt, die nun sukzessive für die Behandlung zur Ver-fügung stehen. Es darf von einem Paradig-menwechsel im Krankheitsverständnis, in der Dia gnostik von Hautkrebserkrankungen wie auch ihrer Therapie gesprochen werden.

Immunologische Checkpoint-Kontrolle und Blockade

Ein Durchbruch bei der Behandlung des Me-lanoms wie auch bei anderen Tumorerkran-kungen gelang mit den sogenannten immu-nologischen Checkpoint-Inhibitoren, die nicht direkt die Krebszellen angreifen, sondern die in die Steuerung der Immunantwort genau an den Checkpoints eingreifen. Es bedarf einer komplexen Balance von vielen Rezeptoren

und ihrer Zielstrukturen auf Immunzellen, die sowohl zwischen den körpereigenen und den fremden, zum Tumor gehörenden Struk-turen unterscheiden als auch laufende Im-munreaktionen beenden können.

Eine erste Neuentwicklung war ein Anti-körper gegen das zytotoxische T-Lympho-zyten Antigen (CTLA4), Ipilimumab, der seit 2011 auch in Deutschland für die Therapie des fortgeschrittenen Melanoms auf dem Markt ist. Der Wirkstoff führt zu einer gesteigerten Immunantwort, die sich gegen Tumorzel-len, aber auch körpereigene Zellen richtet. Er hilft bei etwa 20 Prozent der Patienten mit metastasiertem Melanom, den Tumor über viele Jahre zu kontrollieren und sogar eine Rückbildung auszulösen. Dieser Erfolg war anfangs mit einem hohen Preis verbunden: Durch die Aktivierung des Immunsystems konnten lebensbedrohliche Autoimmuner-krankungen von Darm, Schilddrüse oder an-deren Organsystemen auftreten. Mittlerweile lassen sich diese Nebenwirkungen frühzeitig erkennen und wirkungsvoll eindämmen.

Daneben gibt es heute eine weitere Ge-neration von Antikörpern, die sogenannten

Immuntherapien sind bessere Waffen gegen HautkrebsDas maligne Melanom gehört zu den besonders gefährlichen und aggressiven Krebsarten. Bis vor wenigen Jahren waren die Heilungschancen gering.

Neue Therapien nutzen das körpereigene Abwehrsystem und haben die Lebenserwartung deutlich verlängert. Von Dirk Schadendorf

Die neuen Arzneimittel können bedeuten: weg von der Chemotherapie, hin zur Immuntherapie. FOTO PRUDKOV/FOTOLIA

PD1-Antikörper. Sie haben aufgrund ihrer guten und spezifi scheren Wirksamkeit – mit Ansprechraten von bis zu 40 Prozent – für eine regelrechte Euphorie in der Krebsmedizin gesorgt, weit über das Feld der Melanom-Therapie hinausgehend. Aktuell sind für die Behandlung des fortgeschrittenen Melanoms zwei derartige PD1-Antikörper zugelassen, Nivolumab und Pembrolizumab. Patienten, die auf eine PD1-Therapie angesprochen ha-

ben, scheinen über Jahre einen therapeuti-schen Nutzen zu haben. Allerdings kann auf-grund des geringen Erfahrungshorizonts der Langzeitnutzen noch nicht sicher angegeben werden. Aktuelle Studien deuten darauf hin, dass 35 bis 40 Prozent der Melanom-Patienten im fortgeschrittenen Tumorstadium fünf Jah-re überleben und möglicherweise geheilt sein könnten. Vor einem Jahrzehnt waren es unter fünf Prozent.

Ein Ende der Innovation bei der Behand-lung von Melanompatienten scheint noch nicht absehbar. Aktuelle Studienergebnisse belegen bei Patienten mit Hochrisikokon-stellation, das heißt mit begrenzter Streuung von Krebszellen in den Lymphknoten, dass eine vorbeugende Therapie mit PD1-Antikör-pern wohl auch die weitere Ausbreitung der Erkrankung wirksam bekämpfen kann.

Weitere Fortschritte erwartet

Eine Zulassung für dieses Krankheitsstadi-um des Melanoms ist für den nächsten Som-mer zu erwarten. Darüber hinaus werden aktuell im Rahmen klinischer Studien wei-tere, sehr vielversprechende Neuerungen im metastasierten Stadium erprobt: Kombina-tionen von Checkpoint-Inhibitoren werden bezüglich ihrer klinischen Effektivität und Sicherheit getestet wie auch die Kombination von Checkpoint-Inhibitoren mit sogenann-ten zielgerichteten Therapeutika. Letztere können defi nierte Genveränderungen gezielt blockieren, sie sind die zweite große Innova-tion beim fortgeschrittenen Melanom.

Mit der Einführung der Checkpoint-inhi-bitorischen Antikörper hat eine neue Ära in der Tumortherapie begonnen, die bereits Ein-zug in die Behandlung des fortgeschrittenen Melanoms gehalten und die Prognose betrof-fener Patienten deutlich verbessert hat. Aktu-ell befi nden sich die PD-1-Antikörper bei über 30 verschiedenen Tumorentitäten in der kli-nischen Prüfung. Insgesamt vollzieht sich die Entwicklung neuer Therapien in atemberau-bendem Tempo: mehrere vielversprechende Therapieansätze werden aktuell in klinischen Studien beim Melanom entwickelt. Hier fi ndet der nächste Sprung bezüglich einer weiteren Verbesserung der Therapieaussichten für be-troffene Hautkrebspatienten statt.

Professor Dr. Dirk Schadendorf ist Direktor der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie am Universitätsklinikum Essen sowie Direktor des Westdeutschen Haut-krebszentrums und Vorsitzender der Arbeits-gemeinschaft Dermatologische Onkologie.

V8 Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsspezial / Innovationen in der Dermatologie / 6. Dezember 2017

A LT E R N D E R H A U T

Die Hautalterung ist ein natürlicher Prozess, der sich langsam über die Lebensjahrzehnte vollzieht.

Wenn keine krankhaften Veränderungen vorliegen, ist die Haut junger Menschen reich an festi-

genden und wasserbindenden Kollagenfasern, sie wirkt glatt und ist elastisch. Mit zunehmen-

dem Alter wird die Haut insgesamt dünner, der Kollagenanteil geht zurück und ihre Fähigkeit,

Wasser zu binden, lässt nach. Es kommt zur Faltenbildung, und die Struktur wirkt schlaf-

fer. Dazu können sich Pigmentstörungen, die sogenannten Altersfl ecken, bilden. Wann

der Alterungsprozess einsetzt und wie schnell er verläuft, hängt von

genetischer Veranlagung, Geschlecht und Umwelteinfl üssen ab.

Besonders starke UV-Exposition führt zu vorzeitiger Hautal-

terung und fördert Tumoren. Da sich möglichst makellose,

jugendliche Haut zu einem Statussymbol entwickelt hat,

fi nden Angebote der ästhetischen Medizin und Anti-Aging-

Verfahren immer mehr Zuspruch. Laserbehandlungen,

Face-Lifting, Unterspritzungen mit Kollagen, Hyaluron-

säure oder chemische Peelings, die die oberste Horn-

schicht zur Erneuerung anregen, sind nur einige der eta-

blierten Methoden, um die Zeichen der Zeit aufzuhalten.

W I C H T I G E S S I N N E S O R G A N

Unzählige verschiedene Sinneszellen sind in der Haut lokalisiert und helfen dem Menschen, durch

die Umwelt zu steuern. Thermorezeptoren, die besonders häufi g an Lippen, Nase und Ohr-

läppchen vorkommen, messen Kälte und Wärme. Allein der Tastsinn basiert auf verschiede-

nen Rezeptortypen, die Informationen über die Art der Berührung, den

Druck oder die Struktur des berührten Objektes geben. Gehäuft fi nden

sie sich in den Fingerkuppen, in den Lippen, in der Zunge und den Ge-

schlechtsorganen. Druck- und Schmerzrezeptoren reagieren auf

wohltuende Berührung oder signalisieren Schmerz. Letzterer kann

überlebenswichtig sein, indem er in Bruchteilen von Sekunden zu

schmerzvermeidenden Reaktionen führt. Bei kleinen Kindern

spielt die taktile Wahrnehmung für das Erleben und Versehen

der Umwelt eine wichtige Rolle. Bei Erwachsenen sind Berüh-

rungen Teil der zwischenmenschlichen Kommunikation und kön-

nen Emotionen im positiven wie negativen Spektrum verstärken.

H A A R E U N D N Ä G E L

Bestandteile der Haut sind auch die sogenannten Hautanhanggebilde, zu denen die Haare mit

ihren Talgdrüsen und die Nägel gehören. Beide bestehen aus verhornten Zellen, die der Lederhaut

entspringen. Bei den Nägeln handelt es sich um 0,5 bis über ein Millimeter dicke Hornplatten. Haa-

re bestehen vor allem aus Kreatin und entspringen mit ihren Haarwurzeln in der Lederhaut. An jeder

Haarwurzel liegt ein Muskel, der sich bei Kälte oder Erregung zusammenzieht und dazu führt, dass einem

„die Haare zu Berge stehen“. Darüber liegt bei jedem Haar eine Sekret produzierende Talgdrüse, die für Ge-

schmeidigkeit sorgt. Der menschliche Körper ist von insgesamt etwa fünf Millionen Haaren bedeckt, die in

einem zyklischen Prozess bis zu einen Zentimeter im Monat wachsen.

L E B E N S W I C H T I G E F U N K T I O N E N

Die Aufgaben der Haut sind vielfältig. Die Epidermis schützt

den Körper sowohl davor, dass übermäßig Flüssigkeit verdunstet, als auch da-

vor, dass gefährliche Fremdstoff e in den Körper eindringen. Treff en UV-Strahlen

auf die Haut, wird in Zellen der Epidermis sowohl die Vitamin-D-Produktion ange-

regt als auch in anderen Zellen die Produktion von dem schützenden Farbstoff Melanin.

Die Veranlagung zu hellem oder dunklem Hauttyp hängt von der vorherrschenden Mela-

nin-Variante ab, die wiederum genetisch festgelegt ist. Gleichzeitig agiert die Haut als

wichtiger Temperaturregler. Um die Körpertemperatur auf 37 Grad zu halten, greifen

verschiedene Prozesse ineinander: Die Schweißdrüsen geben bei

steigender Wärme vermehrt Schweiß ab und erzeugen somit ei-

nen kühlenden Ver dunstungseff ekt. Bei Hitze weiten sich die

Blutgefäße der Haut und sorgen für eine bessere Wärmeab-

gabe, was an geröteter Haut erkennbar ist; bei Kälte ver-

engen sich die Blutgefäße und redu zieren die Wärmeab-

führung, die Haut wird blass. Eine andere Reaktion auf

Kälte ist die Gänsehaut, die aufgrund sich kontrahieren-

der Muskeln entsteht und bei stark behaarten Vorfahren

eine isolierende Lufthülle aus Haaren aufbauen konnte.

A U F B A U I N S C H I C H T E N

Es sind im Wesentlichen drei Schichten, aus denen die Haut auf-

gebaut ist. Dem Köper am nächsten liegt die vor allem aus

Fettzellen und Bindegewebe bestehende Unterhaut, die so-

genannte Subcutis. Sie durchziehen größere Blutgefäße und

Nervenstränge, sie dient als wärmende Isolationsschicht, Ener-

giespeicher und Schutz gegen äußere Stöße. Darüber liegt die Le-

derhaut (Dermis). Sie besteht überwiegend aus Bindegewebe, das

unter anderem von feinen Blutgefäßen durchzogen wird. Darüber

wird die angrenzende Oberhaut (Epidermis) mit Nährstoff en versorgt.

Diese Oberhaut besteht aus verhornten Zellen, die sich in einem ständi-

gen Prozess etwa alle 30 Tage erneuern, und dient dem primären Schutz.

Die große Vielfalt der menschlichen HautSie liegt als größtes Organ des Menschen im Grenzbereich zwischen Innen und Außen. Ihr schichtartiger Aufbau und ihre unterschiedlichen Bestandteile sind Voraussetzung,

um die zahlreichen Funktionen zu erfüllen. Von Anna Seidinger

Menschen mit chronischen Hauter-krankungen haben oftmals einen besonders hohen Leidensdruck. Zuvorderst leiden sie natürlich an

der Erkrankung selbst und an etwaigen Be-gleiterkrankungen. Da Hauterkrankungen je-doch gesellschaftlich äußerst negativ besetzt und in besonders hohem Maße stigmatisiert sind, sehen sich die Erkrankten zudem sehr häufi g auch mit erheblichen psychosozialen Belastungen konfrontiert. Fast alle Menschen mit Hauterkrankungen können von Ausgren-zungs- und Diskriminierungserfahrungen berichten. Selbstisolation und Rückzug aus Angst und Scham vor Ablehnung sind eine häufi ge Folge. Viele Menschen leiden auf-grund ihrer Hauterkrankung und der einher-gehenden negativen sozialen Erfahrungen an depressiven Störungen oder anderen psychi-schen Erkrankungen.

Die chronisch-entzündliche, nicht anste-ckende Haut- und Gelenkerkrankung Pso-riasis, umgangssprachlich auch Schuppen-fl echte genannt, steht hier exemplarisch für eine Vielzahl von Hauterkrankungen. Die ty-pischen Symptome der Schuppenfl echte sind rote, verdickte und schuppende Hautstellen sowie Juckreiz. Psoriasis ist erblich bedingt und nicht heilbar. Sie ist nach Neurodermitis die häufi gste chronische Hauterkrankung.

Schuppenfl echte – die versteckte Volkskrankheit

In einer Gesellschaft, in der das äußere Er-scheinungsbild eines Menschen von großer Bedeutung ist, kann ein von der Norm ab-weichendes Hautbild äußerst belastend sein. Viele an Psoriasis erkrankte Menschen – in Deutschland sind es über zwei Millionen – ha-

ben nicht nur Probleme, sich selbst anzuneh-men und zu akzeptieren, sondern sie schüt-zen unbewusst auch ihr soziales Umfeld. Sie verstecken sich und ihre Erkrankung – die Schuppenfl echte wird unsichtbar. So muss sich ihr Umfeld nicht mit einem anderen Kör-perbild auseinandersetzen. Die Erkrankten schützen damit auch sich selbst vor Blicken und Bemerkungen, die auf Unverständ-nis und Unkenntnis ihres sozialen Umfelds schließen lassen. Denn Unwissenheit und Vorurteile über die Erkrankung sind in der Gesellschaft immer noch weit verbreitet.

Umfragen bestätigen Stigmatisierung und Diskriminierung

Würden Sie mit einer Person, die an Schup-penfl echte erkrankt ist, eine Partnerschaft eingehen? Ja?! Über ein Viertel der Befragten

in Deutschland können sich bei dieser Frage nicht zu einer positiven Antwort durchrin-gen – und das, obwohl die Frage eine sozial erwünschte Antwort geradezu provoziert. Ähnlich sieht es bei einem gemeinsamen Besuch im Schwimmbad (23 Prozent), sogar beim Händeschütteln (13 Prozent) und auch am gleichen Tisch essen (7 Prozent) aus. Vor dem Hintergrund, dass nur 79 Prozent der Befragten wissen, dass Schuppenfl echte nicht ansteckend ist, verwundern die Ergeb-nisse der forsa-Umfrage aus dem Jahr 2016 im Auftrag des Universitätsklinikums Ham-burg-Eppendorf jedoch weniger.

Auch die Ergebnisse einer Umfrage un-ter den an Psoriasis erkrankten Menschen zeichnen dieses Bild: 82 Prozent der Befrag-ten in Deutschland (weltweit 84 Prozent) haben bereits Diskriminierung und Ernied-rigungen im Alltag erlebt. Sie wurden nach

Ansteckungsgefahren gefragt (41, weltweit 45 Prozent) und im Schwimmbad angestarrt oder anderweitig ausgegrenzt (39, weltweit 34 Prozent). Man wollte ihnen nicht die Hand geben oder andere alltägliche Berührungen zulassen (17, weltweit 14 Prozent). Mehr als die Hälfte der Befragten (55 weltweit 54 Pro-zent) berichten von negativen Auswirkun-gen der Schuppenfl echte auf ihr Berufsleben, und bei 37, Prozent (weltweit 43 Prozent) der Befragten hat die Partnerschaft bereits unter der Erkrankung gelitten. Die psychosozialen Belastungen für die Erkrankten sind enorm: 38 Prozent der Befragten leiden infolge der Psoriasis an Depressionen oder anderen psy-chischen Erkrankungen (globale Patienten-Befragung „Clear about Psoriasis“, Juni 2016, im Auftrag der Novartis Pharma GmbH).

Diese beiden repräsentativen Umfra-gen zeigen mehr als deutlich: Es besteht

dringender Handlungsbedarf. Deshalb hat die Weltgesundheitsorganisation WHO die Psoriasis im Jahr 2014 als fünfte Er-krankung – neben Diabetes, Krebs, Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen – in die Liste der schwersten nichtanste-ckenden Erkrankungen der Welt aufge-nommen. Die WHO-Mitgliedstaaten sind damit aufgefordert, nicht nur die medizi-nische Versorgung zu verbessern, sondern insbesondere auch Maßnahmen gegen die Stigmatisierung und die Diskriminierung der Erkrankten zu ergreifen.

Ottfrid Hillmann ist Vorstandsvorsitzender des Deutschen Psoriasis Bundes (DPB e. V.). Der DPB ist eine bundesweite, gemeinnützig tätige Selbsthilfeorganisation von und für Menschen mit Schuppenfl echte (Psoriasis) mit Sitz in Hamburg.

Chronische Hauterkrankungen belasten vielfältigMakellose Schönheit ist zu einem gesellschaftlichen Statusmerkmal geworden. Menschen mit sichtbaren Hauterkrankungen werden von dieser Entwicklung benachteiligt.

Gezielte Maßnahmen sollen sie vor Diskriminierung schützen. Von Ottfrid Hillmann

FOTO MAKSIM ŠMELJOV/FOTOLIA

Als eines der führenden Gesundheitsunternehmen gehen wir in derKrebstherapie auch einen neuen, personalisierten Weg – mit derImmunonkologie. Dabei stärken wir das Immunsystem in der Fähigkeit,Krebszellen zu entdecken und zu bekämpfen.Unser Ziel ist es, mit dieser innovativen Therapie möglichst vieleTumorarten zu behandeln und dem Leben so neue Perspektiven zuermöglichen.

Weitere Informationen finden Sie auf: immunonkologie.de

© 2017 MSD SHARP & DOHME GMBH, Lindenplatz 1, 85540 Haar. www.msd.de

CORP

-1211504-0000

Unsere Vision:Nicht der Tumorwächst, sondern dieÜberlebenschancen.