Über die feldgleichungen der gravitation bei variabler...

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz. BAND 2 a ZEITSCHRIFT FÜR NATUEFOESCHUNG HEFT I Über die Feldgleichungen der Gravitation bei variabler „Gravitationskonstante" Von PASCUAL JORDAN und CLAUS MÜLLER (Z. Naturforschg. 2 a, 1—2 [1947]; eingegangen am 30. A u g . 1946) D ie bekannte, von D i r a c begründete These, daß die sogenannte Gravitationskonstante in Wirklichkeit im Laufe der kosmologischen Ent- wicklung veränderlich sei, macht eine grundsätz- liche Erweiterung der E i n s t e i n sehen allge- mein-relativistischen Gravitationstheorie erforder- lich, derart, daß x = 8%f/c 2 als weitere, fünf- zehnte Feldgröße neben den zehn Gravitations- potentialien gik und dem elektromagnetischen Viererpotential eingeführt wird. In einer früheren Arbeit 1 ist gezeigt worden, daß für diese Verall- gemeinerung der bisherigen Theorie des Vakuum- feldes (mit Einschluß elektromagnetischer Felder) eine sehr natürliche Unterlage geboten wird durch die fünfdimensionale oder projektive Relativitäts- theorie, wie sie aus Ideen von K a 1 u z a hervor- gegangen und später durch eine Reihe von Ver- fassern (Klein, Einstein, Mayer, Veb- len, van Dantzig, Schouten, Pauli, Pais, Möller, Rosenfeld, Nörlund, Belinfante) weiter entwickelt ist 2 . Jedoch waren in der erwähnten früheren Arbeit die neuen Feldgleichungen des Vakuums noch nicht aufge- stellt worden; hierauf bezieht sich die vorliegende Note. Nach Prüfung verschiedener Möglichkeiten sehen wir die einfachste in Betracht kommende Möglichkeit auch als die wahrscheinlichste an. Die in der früheren Arbeit erhaltenen Ergeb- nisse, welche hier benutzt werden, erläutern wir so weit, daß die vorliegende Note auch ohne ihre Kenntnis verständlich sein wird; der Inhalt der früheren Mitteilung soll demnächst an anderer Stelle zugänglich gemacht werden. Wir betrachten die vier Weltkoordinaten x k (lateinische Indices stets = 1 bis 4) als Funk- tionen der Verhältnisse von fünf „projektiven" 1 P. Jordan, Physik. Z. 46 [1945] (Korrektur- fahnen). 2 Vergl. P. P a u l i , Ann. Physik (5) 18, 305, 337 (1933]: A. Pais, Physica 8, 1137 [1941], Koordinaten X tt (griechische Indices = 0 bis 4). Im Räume der X^ analogisieren wir die R i e - m a n n sehe Geometrie, jedoch mit dem Unter- schied, daß wir nicht Invarianz gegen alle Koor- dinatentransformationen fordern, son- dern nur gegen homogene Transformationen; schreiben wir Aui für die Ableitung von A nach XP, so ist also stets X' ß . (1) Die Gruppe (r5 der Transformationen (1) ist iso- morph mit der Gruppe aller vierdimensionalen Koordinaten- und Eichtransformationen 3 . Die Komponenten des fünfdimensionalen metri- schen Fundamentaltensors sollen homogene Funk- tionen ( —2)-ten Grades sein: Wegen (1) ist dann J= gixir x !l x' (3) ein Skalar. Der Übergang zur vierdimensionalen Darstel- lungsweise wird vermittelt durch die Ableitungen x | v = 9v » ( 4 ) mit denen wir den vierdimensionalen metrischen Fundamentaltensor definieren durch y lk =9ß9\ 9 ,xv - (5) (•Man muß unterscheiden die 12-Komponente von g t und g[\\ diejenige von gik). Man bekommt nämlich für das Linienelement die Formel ds 2 = g/i V dX'" dX v = gik dx dx k + j (X,, dX a )\ (6) 3 P. J o r d a n , Nachr. Ges. Wiss. Göttingen, Math.- physik. Kl. 1945, 74.

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Page 1: Über die Feldgleichungen der Gravitation bei variabler ...zfn.mpdl.mpg.de/data/Reihe_A/2/ZNA-1947-2a-0001.pdf · so daß eine vierdimensionale Metrik g ik in ein-facher Weise durch

This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.

Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.

B A N D 2 a Z E I T S C H R I F T F Ü R N A T U E F O E S C H U N G HEFT I

Über die Feldgleichungen der Gravitation bei variabler „Gravitationskonstante"

V o n PASCUAL JORDAN u n d C L A U S M Ü L L E R

(Z. Naturforschg . 2 a, 1—2 [1947]; e ingegangen am 30. A u g . 1946)

Die bekannte, von D i r a c begründete These, daß die sogenannte Gravitationskonstante in

Wirklichkeit im Laufe der kosmologischen Ent-wicklung veränderlich sei, macht eine grundsätz-liche Erweiterung der E i n s t e i n sehen allge-mein-relativistischen Gravitationstheorie erforder-lich, derart, daß x = 8%f/c2 als weitere, fünf-zehnte Feldgröße neben den zehn Gravitations-potentialien gik und dem elektromagnetischen Viererpotential eingeführt wird. In einer früheren Arbeit1 ist gezeigt worden, daß für diese Verall-gemeinerung der bisherigen Theorie des Vakuum-feldes (mit Einschluß elektromagnetischer Felder) eine sehr natürliche Unterlage geboten wird durch die fünfdimensionale oder projektive Relativitäts-theorie, wie sie aus Ideen von K a 1 u z a hervor-gegangen und später durch eine Reihe von Ver-fassern ( K l e i n , E i n s t e i n , M a y e r , V e b -l e n , v a n D a n t z i g , S c h o u t e n , P a u l i , P a i s , M ö l l e r , R o s e n f e l d , N ö r l u n d , B e l i n f a n t e ) weiter entwickelt ist2. Jedoch waren in der erwähnten früheren Arbeit die neuen Feldgleichungen des Vakuums noch nicht aufge-stellt worden; hierauf bezieht sich die vorliegende Note. Nach Prüfung verschiedener Möglichkeiten sehen wir die einfachste in Betracht kommende Möglichkeit auch als die wahrscheinlichste an.

Die in der früheren Arbeit erhaltenen Ergeb-nisse, welche hier benutzt werden, erläutern wir so weit, daß die vorliegende Note auch ohne ihre Kenntnis verständlich sein wird; der Inhalt der früheren Mitteilung soll demnächst an anderer Stelle zugänglich gemacht werden.

Wir betrachten die vier Weltkoordinaten xk

(lateinische Indices stets = 1 bis 4) als Funk-tionen der Verhältnisse von fünf „projektiven"

1 P. J o r d a n , Physik. Z. 46 [1945] (Korrektur-fahnen).

2 Vergl. P. P a u l i , Ann. Physik (5) 18, 305, 337 (1933]: A. P a i s , Physica 8, 1137 [1941],

Koordinaten X t t (griechische Indices = 0 bis 4). Im Räume der X ^ analogisieren wir die R i e -m a n n sehe Geometrie, jedoch mit dem Unter-schied, daß wir nicht Invarianz gegen alle Koor-dinatentransformationen fordern, son-dern nur gegen homogene Transformationen; schreiben wir Aui für die Ableitung von A nach XP, so ist also stets

X'ß . (1)

Die Gruppe (r5 der Transformationen (1) ist iso-morph mit der Gruppe aller vierdimensionalen Koordinaten- und Eichtransformationen3.

Die Komponenten des fünfdimensionalen metri-schen Fundamentaltensors sollen homogene Funk-tionen ( —2)-ten Grades sein:

Wegen (1) ist dann

J = g i x i r x ! l x ' (3) ein Skalar.

Der Übergang zur vierdimensionalen Darstel-lungsweise wird vermittelt durch die Ableitungen

x | v = 9v » (4) mit denen wir den vierdimensionalen metrischen Fundamentaltensor definieren durch

ylk =9ß9\ 9,xv- (5) (•Man muß unterscheiden die 12-Komponente von g t und g[\\ diejenige von gik). Man bekommt nämlich für das Linienelement die Formel

ds2 = g/i V dX'" dXv

= gik dx dxk + j (X,, dXa)\ (6) 3 P. J o r d a n , Nachr. Ges. Wiss. Göttingen, Math.-

physik. Kl. 1945, 74.

Page 2: Über die Feldgleichungen der Gravitation bei variabler ...zfn.mpdl.mpg.de/data/Reihe_A/2/ZNA-1947-2a-0001.pdf · so daß eine vierdimensionale Metrik g ik in ein-facher Weise durch

so daß eine vierdimensionale Metrik g ik in ein-facher Weise durch die fünfdimensionale Metrik g v mitgeliefert ist.

Die Angabe der 15 homogenen Funktionen a = q von 5 Koordinaten ist offenbar gleich-wertig der Festlegung von 15 beliebigen Funk-tionen von 4 Koordinaten; wir haben es also zu tun mit einer Feldtheorie von 15 Feldgrößen. Sucht man, wie in der bisherigen Auffassung, nur 14 physikalische Feldgrößen gik, <1\. geometrisch zu deuten, so muß man die betrachtete Theorie künstlich einschränken, und zwar durch die Nebenbedingung, daß der erwähnte Skalar J = XuX!x konstant sein soll. Läßt man dagegen diese zusätzliche Bedingung fallen, so gewinnt man zu-gleich mit einer grundsätzlich harmonischen Ge-staltung der Theorie auch ihre Anpassung an die physikalische Vorstellung einer fünfzehnten Feld-größe /.. Wir deuten J physikalisch als

J=2x/c\

Als elektromagnetische Feldstärke Fkl=-deuten wir den Tensor

(?)

F,

Flk = t k / y 9o 9o (xn Ä\ v\f.i ) gf Q gv0 (8)

von welchem gezeigt werden kann, daß er Rota-tion eines Viererpotentials ist.

Wir wollen den verjüngten fünfdimensionalen Krümmungstensor mit R v bezeichnen, den vier-dimensionalen mit Gik. Dann wollen wir in Ana-logie zu den E i n s t e in sehen Gleichungen Gik

= 0 des reinen Gravitationsfeldes (mit x = const.) folgende verallgemeinerte Feldgleichungen an-nehmen :

R ß v = 0 . (9)

Die in der früheren Note entwickelten Formeln lassen entnehmen, daß (9) gleichbedeutend ist mit folgenden 15 Feldgleichungen, in denen A^k die kovariante Ableitung nach xk bezeichnen soll:

+ c2 Fj Fkl g y X \*IMI* 2 x

p' — - x F 2 IV ijk

G =

F., F <jk «II/*!! k9 jk

X\Vy'\\*' 2c- ' k 2 x s

(10)

(11)

(12)

Das Verhältnis dieser neuen Feldgleichungen zu den bisherigen ist folgendes: Spezielle exakte Lösungen von (10), (11), (12) bekommt man, wenn man reine Gravitationsfelder (also F k l = 0) mit konstantem x so bestimmt, daß sie den alten E i n s t e i n sehen Feldgleichungen Gik = 0 ge-nügen. Bei Vorhandensein von elektromagneti-schen Feldern ist dagegen stets mit einer gewissen Veränderlichkeit von x zu rechnen, weil die An-nahme x = const. nach (10) und (12) zu G = 0 und Fkl Fkl = 0 führen würde. Jedoch sind unter allen normalen Verhältnissen die relativen Ände-rungen von x so klein, daß man eine ausreichende Approximation erhält, wenn man (12) außer acht läßt und mit x = const, die Gleichungen (10), (11) vereinfacht zu den klassischen E i n s t e i n - M a x -w e 11 sehen Feldgleichungen des Vakuums:

G.. f : j K. = o, ik ' ; kj 1

F ük Iii 0 .

(10')

(11')

Die die Ableitungen von x enthaltenden Glieder der Gleichungen (10), (11), (12) bieten eine wichtige Stütze der kosmologischen Überlegun-gen, welche kürzlich vorgetragen wurden4. Bei einem mit konstanter Geschwindigkeit expandie-renden Kosmos nehmen die Krümmung sowie die nicht verschwindenden Komponenten (Diagonal-Komponenten) umgekehrt zum Quadrat des Welt-alters ab. Die übrigen Glieder in (10), (12) sind nun so beschaffen, daß sie es nahelegen, k o s m o -

logische Modelle zu suchen, bei welchen x sich wie eine gewisse Potenz t~« des Weltalters t ver-hält, während die elektromagnetische Strahlungs-dichte bzw. die Diagonalkomponenten des Ten-sors F.' JFicj, sich wie ta~ Verhalten: denn dann werden die einzelnen Anteile in (10) übereinstim-mend proportional mit

t 2 __ i a ta-2==t-a-2 ta = t-2(a + l)t2a.

Daß genauer a = 1 werden soll, kann natürlich nicht ohne Mitberücksichtigung der im Kosmos neben elektromagnetischer Strahlung vorhandenen Materie begründet werden. Daneben scheinen uns aber auch andere Werte a für die kosmologisch-astrophysikalischen Probleme eine gewisse Be-deutung zu haben; wir kommen darauf zurück.

4 P . J o r d a n , Physik. Z. 45, 183 [1944].