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Spiel der Ordnungen Einführung in die Philosophie Gotthard Günthers Ulrike Oberheber •.!.: •:.:(• Endbericht zum Projekt: Technologische Zivilisation und transklassische Logik gefördert von der Fritz Thyssen Stiftung Köln Februar 1990 ISSN 1028-2734

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Spiel der Ordnungen

Einführung in die Philosophie Gotthard Günthers

Ulrike Oberheber

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Endbericht zum Projekt:

Technologische Zivilisation und transklassische Logik

gefördert von der Fritz Thyssen Stiftung Köln

Februar 1990

ISSN 1028-2734

Klagenfurter Beiträge zur Technikdiskussion

Heft 33

Herausgegeben von Arno Bamme, Peter Baumgartner, Wilhelm Berger, Ernst Kotzmann

ISSN 1028-2734

In dieser Schriftenreihe veröffentlicht das IFF, Arbeitsbereich Technik- und Wissen­schaftsforschung, Arbeitsmaterialien, Diskussionsgrundlagen und Dokumentationen, die nicht den Charakter abgeschlossener Forschungsberichte tragen, aber dem jeweils interessierten Fachpublikum zugänglich gemacht werden sollen. Beabsichtigt ist, neuere Forschungsresultate schnell, auch in vorläufiger Form, ohne aufwendige Aufarbeitung in die wissenschaftliche Diskussion einzubringen.

Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist nur mit der Zustimmung des Instituts gestattet.

Abstract

One of the main thesis resulted on Gotthard Giinther's work is the need of a formalism of richer structural complexity then the classical approaches to deal with concepts like self-referentiality, reflection, subjektivity etc. The theory of polycontexturality seems to be an appropriative formal tool because of two reasons.

First it can describe structures of concepts mentioned above and second, this formalism is flexible enough to get into a relation with the specific object and modelling and becomes itself dynamic.

In the following an introduction into the formalism of Gotthard Günther and the continuation of Rudolf Kaehr is given. It is based on the concepts of contexturality, discontexturality, transcontexturality, kenogrammatic, morphogrammatic, distribution and proemiality by taking actual problems of modelling into account (like self-referentiality). The chapters "System und Umgebung" and "Mechanik des Denkens" are the first approaches for dealing with the describtion and control of processes concerned to the recent research in Artificial Intelligence.

INHALTSVERZEICHNIS

Vor-weg 2

Objekt Reflexion 6

Negation - Reflexion - Vermittlung 14

Selbstrückbezüglichkeit und Rekursivität 23

Wiederholung und Verteilung - strukturelle Motive der Vermittlung 30

System und Umgebung 53

Mechanik des Denkens 73

Literaturverzeichnis 82

VOR-WEG

"Was ist der Mechanismus, der den Schein produziert, der unser Denken immer wieder irritiert? und zwar in einer Art des Betrugs der 'unhintertreiblich' ist, wie Kant wörtlich sagt."1 Die 'Unhintertreiblichkeit' des Betrugs begründet sich in der scheinhaften Objektivierung, die dann notwendig ist, wenn 'Ich' über ein anderes Subjekt spreche. Denn dieses andere Subjekt wird, indem ich über es spreche zum Gegenstand, und selbst dann, "wenn ich diesen Schein für mich aufgedeckt habe, unterliege ich ihm weiter, kann nicht aus ihm heraus"2.

Diesem prinzipiellen Problem kann man nun dadurch begegnen, daß man unterschiedliche Reflexionsthemen einführt, die zunehmend komplexere Strukturen für ihre Darstellung benötigen. In bezug auf die Hegeische Logik unterscheidet Gotthard Günther vier ontologische Fundamentalthemata; nämlich: "reflexionsloses Sein, reflektiertes Naturbild (Anderssein), einfach reflektierte Subjektivität und doppelt reflektierte Subjektivität."3 Diese vier Stufen und die Relationen zwischen ihnen sind nun geeignet die Verhältnisse zwischen Subjekt und Objekt in einer Weise zu beschreiben, in der die komplexen Strukturen der Subjektivität aufrecht erhalten werden können. Grundlage für die Modellierung eines ausreichend komplexen Systems, kann nicht mehr die klassische Logik sein, denn diese erlaubt mit ihren zwei Werten nur die Designation eines einzigen Themas - nämlich des irreflexiven Seins. Für die Beschreibung dieses Themas stellt sie allerdings den erforderlichen Formalismus bereit.

Daher fordert Gotthard Günther eine Erweiterung der klassischen Logik in der Weise, daß ihr Gültigkeitsbereich auf lokale Bereiche eingeschränkt wird. "Die Koexistenz dieser Orte, ihr komplexes Zusammenspiel, wird nun in der mehrwertigen Orts- und Stellenwertlogik der Polykontexturalitätstheorie beschrieben,

Claus Baldus: Phaidros und das Segelflugzeug. Von der Architektonik der Vernunft zu technischen Utopie. Gespräche mit Gotthard Günther. In: Abenteuer der Ideen, S. 73.

ebd., S. 73.

Gotthard Günther: Theorie des objektiven Geistes. In: Beiträge zur Grundlegung einer operationfähigen Dialektik. Bd. III. Hamburg: Meiner 1980, S. 141.

berechnet und registriert."4 Da es aber eine Vielzahl solcher Bereiche gibt, muß eine Technik gefunden werden, die es ermöglicht, einen Wechsel zwischen den Bereichen durchzuführen, denn mit den Mitteln die innerhalb eines Bereichs gültig sind, kann ein solcher Übergang nicht bewerkstelligt werden.

Die Entwicklung der Theorie der morphogrammatischen Strukturen und Operationen, mit der eine Generalisierung der Logik eingeleitet wird, bildet die Grundlage für einen transklassischen Formalismus, der die Modellierung und Beschreibung der Bereiche und ihrer gegenseitigen Beziehung erlaubt. Die Einheit der klassischen Logik wird in der Vielzahl der Orte aufgelöst, ohne daß sich eine neue Ganzheit herstellt, denn mit der Polykontexturalitätstheorie ergibt sich eine neue Beschreibung der Verhältnisse zwischen Teil und Ganzem, sodaß letztlich von einer System-Ganzheit gesprochen werden muß, die aber als Ganzes nicht abbildbar ist. Wenn damit die Hegemonie der klassischen Logik gebrochen ist (vgl. Kaehr), so muß auch mit einer Neuinterpretation der Begriffe wie Subjektivität, Objektivität, Identität, Differenz, Form und Materie begonnen werden, denn auch das klassische System der Begriffe wird durch die Erweiterung und Neufundierung, die mit der Einführung eines transklassischen Kalküls geleistet wird, verändert. Es läßt sich also kein Prinzip mehr angeben, das in allen Bereichen gleichzeitig wirksam wäre und als deren gemeinsame Basis verstanden werden könnte.

Daher gilt es, die Vielheit aufrechtzuerhalten und in einem Ordnungsnetz zu vermitteln. Weder die Einheit der Geschichte, noch eine kleinste Gemeinsamkeit als Garant für Kommunikation kann als erste und notwendige Vorgabe verstanden werden, um den gängigen Oppositionen vorausgestellt zu werden. Der Anfang wird bei Günther als Wiederholung gedacht, und stellt eine doppelte Bewegung dar, die gleichzeitig hinter und neben die Einheit gemacht werden muß. So steht jedem ursprünglicheren Denken ein gleichursprüngliches entgegen, wodurch neben dem hierarchischen ein heterarchisches Moment gewonnen ist - eine Netz von Ordnungen kann sich entwickeln, das schrittweise und auf immer neuen Wegen erschlossen werden muß. Wenn Vermittlung als Technik verstanden werden kann, so gilt es, ihren Mechanismus zu beschreiben, denn als objektivierbarer Prozeß vollzieht sie sich nicht mehr in der "unnahbaren und zeitlosen Introszendenz des Subjektiven", sondern kann in einem angebbaren Formalismus wiederholt werden.

Rudolf Kaehr: Einschreiben in Zukunft. In: Zeta 01. Zukunft als Gegenwart. Berlin: Rotation Westberlin 1982, S. 203.

Dazu schreibt Gotthard Günther: "Unter Vermittlung verstehen wir eine logische Struktur, an der sowohl eine Mehrzahl von Werten als auch eine Mehrzahl von Variablen beteiligt ist." (vgl. Theorie des objektiven Geistes) Die Frage nach der Wiederholbarkeit von subjektiven Fähigkeiten in einem technischen Artefakt verschiebt die Opposition zwischen Objektivem und Subjektivem, wodurch sich der Begriff der Maschine selbst verändert. Sie ist nicht Repräsentationssystem

tote Mechanik - sondern ein komplexes strukturiertes System, in dem "Stofflichkeit und Strukturalität" ineinander umschlagen können. Tote Mechanik versus lebendiges System, aber dennoch muß sich das System als machbar erweisen, d.h. auch der Anforderung, ein Modell der Selbstbezüglichkeit (Reflexionsfähigkeit) zu sein, gerecht werden. Dabei ist das Verhältnis Konstrukteur und Maschine nicht das bekannte zwischen wissendem Ingenieur und klassischer Maschine, sondern Konstruktion und Ergebnis werden in einem vermittelten System erbracht. Ein derart erweitertes System entwirft nun verschiedene Spiegel, in denen es weder "Hierarchie noch Notwendigkeit der Form, wohl aber lebendiges Pulsieren, das im Stoffwechsel wie in der Maschine dasselbe ist"5 gibt.

In diesem Zusammenhang stellt sich erneut die Frage nach der Technik. Günther analysiert Heideggers "Frage nach dem Wesen der Technik" und erweitert dessen Antwort: "Alles nur Technische gelangt nie in das Wesen der Technik. Es vermag nicht einmal seinen Vorhof zu erkennen" um ein entscheidendes 'aber', daß von Lotze formuliert wurde: "Nirgends ist der Mechanismus das Wesen der Sache; aber nirgends gibt sich das Wesen eine andere Form des endlichen Daseins als durch ihn."6 Die Überwindung von Repräsentationsystemen bzw. deren Erweiterung erfordert ein Denken jenseits des Modus der Präsenz, auf einer Ebene die der Bedeutung vorausgeht und diese erst ermöglicht.

Neben dem hierarchischen Ordnungsprinzip des klassischen Begriffsystems, das auf der JYennung von Form und Materie beruht, kann nun ein zweites Prinzip, das der Heterarchie, in den Kalkül eingetragen werden. Das Zusammenspiel der Ordnungen ermöglicht dabei die Modellierung der unterschiedlichen Momente eines Prozesses. Dabei kann die gegenseitige Beeinflussung, die nicht auf ein zeitliches Hintereinander reduzierbar ist, bzw. die selbstrückbezügliche Struktur von Prozessen, wie sie in lebenden Systemen ablaufen, beschrieben werden.

Eva Meyer: Universum / Pluriversum. Gotthard Günther ein Denker der Zukunft? In: taz v. 25.3. 1985, S. 10.

Günther, Beiträge HI, S. 263.

Die Polykontexturalitätstheorie läßt sich als Theorie von Systemen verstehen, die in sich vermittelt sind. Da es sich dabei nicht nur um lebende Systeme handeln muß, sondern es durchaus denkbar ist, daß derartige Systeme künstlich sein können, unterwirft sich die Polykontexturalitätstheorie dem Paradigma der Machbarkeit. Diese Forderung nach technischer Realisierung der Theorie bringt sie in die Nähe der KI, der Gehirnforschung und ähnlicher Disziplinen. Dabei erweist sich die gängige Trennung zwischen theoretischem Modell und praktischer Anwendung in einem komplexen Zusammenspiel von kreierenden und fundierenden Funktionen des Kalküls als hintergehbar.

Wenn man also immer schon in ein Netz von Ordnungen hineinverwickelt ist, dann gilt es, seine Beweglichkeit aufrecht zu erhalten, um sich auf unterschiedlichen Wegen an die Theorie der Systeme anzunähern. Im folgenden sind unterschiedliche Wege zu den zentralen Thesen der Polykontexturalitätstheorie beschrieben.

OBJEKT REFLEXION

Wenn man so vor sich hin spricht, dann kann es leicht geschehen, daß man den Faden verliert. Das heißt, man hat vielleicht sein Thema vergessen, oder ist in einen Bereich geraten, von dem man nichts zu sagen weiß - nichts darüber, wie er beschaffen ist, oder wie es gelingen könnte ihn zu durchqueren. "Was nicht nur dazu zwingt, der ganzen Logik der Randzone Rechnung zu tragen, sondern auch dazu, ihr eine ganz andere Rechnung zu tragen; ohne Zweifel schließlich dazu, in Erinnerung zu rufen, daß jenseits des philosophischen Textes nicht ein weißer Fleck, eine unberührte leere Randzone, sondern ein anderer Text beginnt, ein Gewebe von Kraftdifferenzen ohne jedes aktuelle Bezugszentrum (...) aber auch in Erinnerung zu rufen, daß der geschriebene Text der Philosophie (...) über seinen Sinn hinausgeht und ihn sprengt."1

Den Bezug zum Zentrum verlieren, oder unverständlich werden, das kann dann nicht gut geheißen werden, wenn es etwas mitzuteilen gilt, z.B. wie es sich mit dem Widersprüchlichen verhält. Damit ist zumindest ein Bereich angegeben, den man darzustellen versuchen kann. Doch selbst wenn Startpunkt und Thema fixiert werden können, ist die Gefahr, den Faden erneut zu verlieren noch nicht gebannt. Daher die Regelungen, denen alle Beschreibungen folgen, und ihnen, sofern sie gelingen, Ordnung und Nachvollziehbarkeit garantieren. Daß sie trotzdem scheitern können, mag an der Mißachtung der Regeln liegen. Doch was, wenn sich der Gegenstand als sperrig erweist, sich dem Verfahren entzieht, und so dessen Unangemessenheit erweist?

Der Mangel, der durch Desorganisiation entsteht, läßt sich leicht beheben, indem gemäß der Ordnung argumentiert wird. Widersetzt sich jedoch der Gegenstand seiner Darstellung, so muß mit methodischen und prinzipiellen Schwierigkeiten gerechnet werden. Wenn jeder Wiederaufnahme des geregelten Ablaufs das neuerliche Verfehlen des Gegenstands folgt, so zeigt sich die Beschränktheit des Verfahrens. Weder falsch noch richtig bleibt die Beschreibung fragmentarisch und unverfolgbar, das Verfahren derselben abgebrochen und ausgefranst, in seltsamen Umwegen sich selbst und sein eigenes Scheitern beschreibend. "Die Ränder weiten sich aus, werden dehnbar. Sie halten nicht nichts, aber auch nicht mehr. Sind ausgeleiert von der Ödheit desselben. Und doch vorhandener als zuvor. Denn im

Jacques Derrida: Tympanon. In: Randgänge der Philosophie. Wien: Passagen 1988, S. 22.

Zusammenziehen von Ähnlichkeiten und Berührungen kehren sie sich gegen sich selbst und bringen eben daraus und aus nichts anderem mehr etwas anderes hervor."2 Da es aber nicht darum gehen kann, ein Verfahren durch ein anderes zu ersetzen, stellt sich die Frage, welche Thematik durch klassische Verfahren beschrieben wird. "Das einzige soweit legitime Thema ist die eindeutige Identität einer sachlich gefaßten Gegenstandswelt und der in ihr 'existierenden' Ding- resp. Seinsrelationen."3

Da die klassische Logik über zwei Werte verfügt, stellt sie die formalen Bedingungen bereit, die eine Abbildung des irreflexiven Seins leisten. Mit den beiden Werten (1|2) ist eine strukturelle Basis gegeben, die zur Darstellung von Seinsunterschieden geeignet ist. Dabei designiert der positive Wert (1) die irreflexiven Gegenstände und der negative Wert (2) leistet entweder die partielle oder die totale Negation. Die partielle Negation negiert Seiendes, die totale auf sich selbst angewendete Negation hingegen kehrt ins Sein zurück, denn die doppelte Negation ist wieder Affirmation. Der negative Wert ist nicht-designierend oder anders gesagt: er designiert das Nichts und kann als Bewußtsein verstanden werden, das sich dem Sein gegenübersieht. Die einfache Reflexion des Seins läßt sich zweifellos mit den Mitteln der klassischen Logik darstellen, und dabei ist jeder Widerspruch ausgeschlossen.

Wendet sich nun das Denken der Reflexion zu, so auch einer anderen Thematik, deren Objekte "unmöglich eine der Außenwelt entspringende, unantastbare Identität haben können. Ihre Identität ist eine vom Denkprozeß in dem Akt, den Fichte 'das Setzen' nennt, geliehene"4. Eine andere Thematik, deren Struktur komplexer ist, als die der irreflexiven Gegenstände, denn "man hat entdeckt, daß die Reflexion begonnen hat, sich mit sich selbst zu beschäftigen, und daß der dadurch gewonnene Objektbereich sich nicht bruchlos an die bisher ausgebeutete Gegenstandswelt anschließen läßt"5. Um eine weitere Thematik positiv beschreiben zu können, müßte ein zusätzlicher designierender Wert zur Verfügung stehen. Da in die klassische

Eva Meyer: Die Wörter und das Labyrinth. In: Versprechen: ein Versuch ins Unreine. Basel: Stroemfeld/Roter Stern 1984, S. 24.

Günther, Beiträge II, S. 71.

Vlg. ebd.

ebd., S. 80.

Logik kein weiterer Wert eingeführt werden kann, ohne daß damit ihre Grundlagen radikal verändert werden müßten, wurde die Formalisierung der subjektiven Fähigkeit zur Reflexion für unmöglich gehalten. Die etablierte Grenze zwischen Metaphysik und Ontologie war auch die Grenze des Formalen.

Dieses Problem läßt sich nun so formulieren: Ist das Denken durch seine eigenen Existenzvoraussetzungen kategorial und erschöpfend determiniert, oder aber liegen in der Reflexion Möglichkeiten zu einer Überdetermination, durch die sich dieselbe dem ursprünglichen Diktat einer existentiell und objektiv vorgegebenen Seins-Thematik zu entziehen vermag? In anderen Worten: Ist das Sein des Seienden das erste, einzige und letzte Thema des Begreifens, oder besitzt das Denken in sich die Möglichkeit, über jene bisher äußerste Grenze seiner theoretischen Intentionen vorzustoßen? Gotthard Günther bejaht diese Frage uneingeschränkt: Sein ist absolute Identität der Existenz mit sich selbst, Reflexion ist das Verhältnis des Bildes zu sich selbst. Eine Seins-Lbgik kommt mit zweiwertigen Kalkülen aus, eine Reflexionslogik nicht.

Ihre Grenzen findet die klassische Seinslogik an den Themen Natur und Geschichte. Für Gotthard Günther hat bereits Hegel klar gemacht, daß die denkende Reflexion ini Thema Natur nicht aufgeht. Es bleibt ein Reflexionsüberschuß zurück, der mit der objektiven Seinsthematik nicht zur Deckung zu bringen ist und sich ein neues Betätigungsfeld suchen muß. Bereits in der der Logik am nächsten stehenden Disziplin, der Mathematik, zeigen die Einwände der Konstruktivisten und Intuitionalisten ebenso wie die Gödelschen Sätze, daß das tertium non datur nicht selbstverständlich ist. Und auch die Geschichte geht im Problem des Seins nicht auf. Geschichte das ist Zukunft. Damit bekommt die Realität eine unbekannte Dimension, mit der in der klassischen Logik nichts korrespondiert. Daher die Notwendigkeit des Projekts der Schaffung eines nicht-aristotelischen Formalismus, der zumindest über einen weiteren designierenden Wert verfügt, um das Thema Reflexion zu bezeichnen.

Worüber man jetzt verhandelt, läßt sich nicht als Gegenstand beschreiben, ohne daß dabei eine Verdinglichung stattfindet, die sich spätestens dann rächt, wenn es um den Abschluß des Beschreibungsverfahrens gehen soll. Denn der durch die Verdinglichung entstehende Reflexionsüberschuß kann auch in einer unendlichen Abfolge von Metasprachen nicht aufgelöst werden, wobei in der Basissprache die Objekte diskutiert werden, in der Metasprache jedoch das Denken der Objekte. Da jede Metasprache als relative Objektsprache verstanden werden kann, wird eine unendliche Stufung von Metasprachen erforderlich. "Anders gesagt, der

8

Reflexionsabstand von denkendem Subjekt zu gedachtem logischem Subjekt kommt in ihr nicht zum Ausdruck. Da das denkende Subjekt auf diese Weise nicht eingefangen werden kann, weicht es vor dem theoretischen Zugriff in immer tiefere Iterationen des Metaprinzips zurück."6

Wenn der Klarheit der Thematik die Eindeutigkeit des Begriffsapparats entspricht, so kann Mehrdeutigkeit, wie sie in der Umgangssprache (Universalsprache) besteht, formal nicht dargestellt werden, und sie selber wird zum Außen, zu einem unerreichbaren Ort, wohin sich alle Vieldeutigkeit projizieren läßt, ohne daß sie als solche analysiert oder erklärt werden kann. Ein solches Außen beschreibt Castoradis mit dem Begriff des Magma: Vielheit oder Mannigfaltigkeit weder im Sinne einer Abzählbarkeit noch des vollständigen Chaos, sondern unbegrenzte Masse von Bestandteilen, die nicht streng geschieden sind und zugleich nicht vollständig ineinander verschwimmen.

Dies zielt keinesfalls naiv auf ein "an sich": Alles potentiell Gegebene ist deshalb für uns "primär" in der Seinsart des Magma gegeben, weil Sagen und Tun, in denen oder durch die hindurch die Welt dem Menschen und der Mensch sich selber gegeben ist, "primär" von der Seinsart des Magma sind. Jedes Sagen deutet auf eine unbestimmte Masse von Verweisungen und verschwimmt in diesem Be-deuten (d.h. auf ein Abwesendes deuten) mit anderen Bedeutungen, deren Grenzen unscharf und deren Bündel offen ist; jedem menschlichen Tun ist, insofern der Zweck zugleich ein Mögliches, jetzt eben nicht Seiendes ist, prinzipiell die Dimension einer primären Wandelbarkeit immanent, ohne deren Indienstnahme auch extremste Verdinglichung scheitern müßte. Damit wird das Magma zu einer vordenklichen Basis, von der aus Einzelbedeutungen in bezug auf gesellschaftlich bestimmende Intentionen gewonnen werden. Dadurch wird eine unüberschreitbare Grenze gezogen und jenseits dieser Grenze beginnt das Reich der Identität, wo gedacht und gesprochen werden kann, die eingeführte Vielheit jedoch geht wieder verloren.

"Nun kann man mit der peinlichen Flüssigkeit magischer Begriffe selbstverständlich dadurch am einfachsten fertig werden, daß man aus dem unendlichen Reservoir der Vieldeutigkeit eine einzige Bedeutung - unter Ignorierung fernerer Möglichkeiten -herausnimmt und dieselbe exakt fixiert. Das ist, was die klassische Logik getan hat. Aber es ist geraten, sich dauernd gegenwärtig zu halten, daß damit nur ein Minimum an theoretischer Besinnung geleistet worden ist und daß uns nichts hindert, aus dem

6 ebd., S. 84.

magischen Fundus, in dem die Universalsprache die primordiale Tradition unseres Bewußtseins aufbewahrt, Doppelbedeutungen zu abstrahieren und einen ihnen gemäßen Formalismus zu entwickeln."7 Eine einzige fixierte Bedeutung unterschlägt alle anderen Möglichkeiten, um so den Sinn zu garantieren, der sich dadurch auszeichnet, daß er der einzige ist. Richtig oder falsch aber immer erzählbar, nachvollziehbar - sinnvoll. Dadurch wird Sprechen zum 'vernünftigen' Sprechen -von jedem verstehbar, da der Sinn des Gesprochenen für alle derselbe ist. Alle oder ein einziges universales Subjekt, dem die einzelnen Subjekte subsumierbar sind, dadurch wird die Kompliziertheit reduziert, die sich immer dann ergibt, wenn mehr als ein Einzelner spricht. Mehr als einer, also mindestens zwei und die Beziehung, die sie zueinander und zu den Objekten unterhalten, bestimmen also ein System in dem gesprochen werden kann - keine Offenbarung, sondern kommunikativer sozialer Akt. Das kann zumindest kompliziert genannt werden.

Wenn aber zwischen den einzelnen Subjekten eines Systems eine irreduzible Differenz besteht, so kann diese im klassischen Kalkül nicht mehr notiert werden. Innerhalb dieses Kalküls können entweder die unterschiedlichen Subjekte zusammengefaßt und den Objekten gegenübergestellt werden, oder alle vom Ich unterschiedenen Subjekte werden dem Objektbereich zugeschlagen und dem Ich entgegengestellt. Es gibt also nur Subjekt (S) und Objekt (O) und alles was nicht S ist, muß O sein und umgekehrt. "In beiden Fällen wird das systemkonstituierende Moment der Anerkennung der gegenseitigen Subjektivität zugunsten eines einzigen Subjekts beseitigt, dem zu überwindenden tranzendentalen Subjekt. (...) Wie man den Versuch auch ansetzt, es gibt keinen Fall, in dem der zweiwertige Kalkül der verlangten Komplexität entspricht."8 Gibt es nur ein universales Subjekt, so werden die besprochenen Objekte gemäß der Logik (L) abgebildet, und Darstellung und Objekt können zur Deckung gebracht werden. "Maximale Eindeutigkeit und Vollständigkeit besteht also dann, wenn O eindeutig und vollständig auf ein in L entwickeltes Sprachmodell M abgebildet ist. Eine derartige Abbildung stellt aber ein Symmetrieverhältnis zwischen O und L dar, das nur durch die Eliminierung der das Intersubjektivitätsproblem konstituierenden Differenzen zwischen den S1 ... ,Sn zu

7 ebd., S. 73.

8 Peter Hejl: Zur Diskrepanz zwischen struktureller Komplexität und traditionellen Darstellungsmitteln der funktional-strukturellen Systemtheorie. In: Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie. Theorie Diskussion Suppl. 2. Frankfurt: Suhrkamp 1974, S. 201.

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erreichen ist."9 Die Symmetrie zwischen O und L stellt Objektivität her, und insofern das Denken nach Wahrheit sucht, "scheint unser Denken nur ein einziges der begrifflichen Behandlung würdiges Fundamentalthema zu besitzen, nämlich die formale Struktur von logischer Objektivität überhaupt"10.Daher kann die Frage nach dem Denken des Denkens im zweiwertigen Kalkül nur behandelt werden, wenn es wiederum als Sein vorgestellt (verdinglicht) wird.

Der Symmetrie zwischen S und O entspricht die Struktur der klassischen Logik, denn auch dort gilt eine grundlegende Alternative, die durch die beiden Werte 1 und 2 gegeben ist, und in ihrer seins-thematischen Interpretation als Sein und Nichts verstanden werden. Dabei ist ein Drittes ausgeschlossen. Die Einführung der zweiten Thematik bricht die Symmetrie zwischen O und S und erfordert einen erweiterten Kalkül, in dem auch die Differenz zwischen den Subjekten notiert werden kann. Dieser Kalkül verfügt nun über einen zusätzlichen Wert, der die Spannweite der Wertalternative einschränkt und darüber hinaus einen zweiten positiv bestimmbaren Bereich beschreibt. "Ist nun das Thema des reflexionslosen Seins durch einen einzigen Wert repräsentiert, dann muß unser reflektiertes Naturbild, um es vom Sein selbst als Thema zu unterscheiden, mindestens durch zwei Werte designiert werden. Die Aufgabe, beide Themen in ihrer Kontrastsituation in einer neuen Logik zu absorbieren, erfordert also allein für Designationszwecke drei Werte.Ml1

Ein dreiwertiges System stellt jedoch nur ein Minimum an Strukturen bereit, da hier keine nicht-designierenden Werte zur Verfügung stehen, die die Rolle der Spiegelfunktion eines Bewußtsein übernehmen. "In den Blick gerückt ist damit die Beziehung des sprechenden Subjekts zur Sprache, die kein abgeschlossenes Objekt mehr ist, sondern dessen Grenze, die Grenze also sowohl des Subjekts als auch des Objekts, als Thematisierung ihres Unterschieds, die in einer ersten Annäherung als Rückwendung der sprachlichen Aktivität zu sich selbst angegeben werden kann, weil sie jeden Bezug auf einen außersprachlichen Referenten aufgibt und stattdessen die Gründe des eigenen Werdens, die Bedingungen ihrer Produktion, der Sinnproduktion,

9 ebd., S. 207. 10 Günther, Beiträge II, S. 22. 11 Günther, Beiträge III, S. 141.

11

zurückverfolgt und ausspricht."12 Dabei gilt nicht länger, was nicht S ist, muß O sein und umgekehrt, sondern der irreduzible Unterschied zwischen Gegenstand und Denken des Gegenstands trägt den Prozeß des Denkens als solchem Rechnung, wobei das Denken des Gegenstands als Gegenstandsbereich zu verstehen ist, der reflexive Eigenschaften besitzt. So ergeben sich zwei unterschiedliche Objektbereiche, deren Differenz in der Definition des allgemeinen logischen Objekts verloren geht, und der vergessene Unterschied, der "Mechanismus der Unterschiebung von objektiven Gesichtspunkten anstelle legitimer subjektiver"13, ist der Grund für die unauflösbaren Antinomien der klassischen Systeme.

Nun stellt sich die Frage: "Welche Rolle spielt der Widerspruch in der zweiten sich auf sich selbst richtenden Reflexion? Erst der transzendental-spekulative Idealismus hat gesehen, daß der Widerspruch aus dieser neuen Reflexionsdimension weder zu verbannen ist noch daß er hier die ausschließlich negative Rolle spielt, die man ihm im klassischen Denken mit Recht zugewiesen hat. Die reflexive Form des Widerspruchs hat bestimmte positive Eigenschaften, die ihn von seiner irreflexiven Variante vorteilhaft abheben und die ihn selbst zur logischen Formalisierung qualifizieren!"14

Für einen antinomischen Satz gilt die Alternative von Bejahen und Verneinen nicht, da er weder falsch noch richtig ist, wird die Alternative als solche verworfen. Verwerfen und nicht verneinen oder bejahen, bedeutet auch, daß die Opposition wahr/falsch durchgestrichen wird, und Antinomie kann nicht länger mit Widerspruch identifiziert werden, sondern wird als Bewegung verstehbar. Da sie niemals zum Stillstand kommt, sondern 'jede Entscheidung für eines von beiden in keines von beiden'15 aufschiebt, stellt sie die Thematisierung der Grenze dar, welche die Dichotomie bestimmt.

Für einen antinomischen Satz führt keinerlei Wertbelegung zum Ziel, das heißt zu einem wahren Satz, deshalb wird er in einen vor/nachlogischen Bereich abgeschoben. "Da die klassische Theorie der Rationalität unlösbar mit dem

12 Eva Meyer: Zählen und Erzählen. Für eine Semiotik des Weiblichen. Wien-Berlin: Medusa 1983, S. 121.

13 Günther, Beiträge II, S. 108.

14 ebd., S. 95.

15 Meyer, Zählen und Erzählen, S. 187.

12

Wertbegriff verbunden ist, muß zunächst deutlich gemacht werden, daß die ganze 'Wertfrage' den Körper der Logik wie eine dünne Farbschicht überzieht. Kratzt man diese Farbe ab, so entdeckt man ein unerwartetes System von strukturellen Formen und Relationen und findet Denkmethoden vorgeschlagen, die alle klassischen Theorien über die Maßen übersteigen."16

Die Abstraktion von den Wahrheitswerten der klassischen Logik, von wahr/falsch oder 1 und 2 Leerstruktur der logischen Operationen kann als tiefere Fundierung der Logik verstanden werden und gleichzeitig, da sie durch Abstraktion aus der Logik gewonnen wurde, als Erweiterung derselben. "Diese Doppelbewegung entzieht sich dem Denken im Modus der Präsenz, d.h. dem Logozentrismus mit seiner Logik und Semiotik und erzwingt (...) ein Denken der Differenz außerhalb/innerhalb der logozentrischen Dichotomien."17 Die Abstraktion von den Werten bedeutet nun eine Überschreitung der klassischen Logik und damit ihrer Prinzipen wie: Identität, Tertium non datur und ausgeschlossener Widerspruch. Insofern sich aber das klassische Subjekt eben diesen Prinzipien verdankt, muß auch damit begonnen werden, dieses neu zu denken, was so viel bedeutet wie seine Dekonstruktion in Angriff zu nehmen. "Die Dekonstruktion besteht nicht darin, von einem Begriff zu einem anderen überzugehen, sondern darin, eine begriffliche Ordnung ebenso wie eine nicht-begriffliche Ordnung, an der sie sich artikuliert, umzukehren und zu verschieben."18 Damit eröffnen sich neue Zusammenhänge, die Möglichkeit zur Neuorganisation, die nicht darin besteht, einen Zusammenhang durch einen anderen zu ersetzen, sondern immer neue Anschlußstellen herstellt in einem selber unabschließbaren Prozeß der beschreibenden Arbeit.

16 Gotthard Günther: zit. nach Meyer, Zählen und Erzählen, S. 56.

17

18

Rudolf Kaehr: Das graphematische Problem einer Formalisierung der transklassischen Logik Gotthard Günthers. In: Die Logik des Wissens und das Problem der Erziehung. Nürnberger Hegel-Tage 1981. hrsg. von W. R. Beyer; Hamburg 1981, S. 255.

Meyer, Zählen und Erzählen, S. 66.

13

NEGATION - REFLEXION - VERMITTLUNG

Sich ein Bild von der Welt machen, d.h. sich von seinem Gegenstand distanzieren und zugleich zwischen sich, dem Gegenstand und dem Akt der Distanzierung, unterscheiden zu können. Eine Bewegung, die Abstand von ihrem Gegenstand nimmt und dabei einen Blick auf etwas ermöglicht, das von dem Bild immer verdeckt worden ist. Doch wie Abstand von etwas gewinnen, worin man sich einzurichten gelernt hat, von dem Gegenstand der nichts weniger als die Welt selbst ist? Dies entspricht dem Problem, wie ein Teil der Welt, der diese betrachtet, "das ganze Universum als potentiellen Bewußtseinsinhalt besitzen"1 kann? Ein in der Welt plazierter Beobachter muß also in ein doppeltes Verhältnis zu seinem Gegenstand treten, wenn er ihn einerseits abbilden und zugleich diese Abbildung als Abbildung erkennen und von sich unterscheiden können muß. Durch diese doppelte Anstrengung, kann nicht nur objektiv-isoliertes Sein abgebildet werden, sondern zugleich wird der Prozeß des Abbildens in dieser doppelten Reflexionsleistung thematisiert. Dabei wird nicht einfach ein Thema durch ein anderes ersetzt, zu dem es eine Brücke zu bauen gilt, sondern vielmehr bedarf es eines Sprungs in einen anderen Bereich. Worum es sich dabei handelt, beschreibt Gotthard Günther als Änderung der Denkintention, die nun nicht mehr objektiv gegebenes Sein reflektiert, sondern den Prozeß der Reflexion selbst zum Thema hat. "Man hat entdeckt, daß die Reflexion begonnen hat, sich mit sich selbst zu beschäftigen, und daß der dadurch gewonnene Objektbereich sich nicht bruchlos an die bisher ausgebeutete Gegenstandsdimension anschließen läßt."2

Daher ist ein Sprung notwendig, in einen nicht mehr als gegenständlich beschreibbaren Bereich, dessen irreflexiver Charakter immer nur ein geborgter ist. Der Objektbereich des menschlichen Denkens erweist sich dadurch als diskontinuierlich, im Widerspruch zur klassischen Theorie, die voraussetzt, "daß der Begriff des logischen Gegenstandes von so unbeschränkter (unendlicher) Allgemeinheit ist, daß jedes überhaupt denkbare Objekt, sei es ein Stein oder der Satz von Pythagoras, unter ihn in gleicher Weise subsumiert werden kann"3. Dieser Bruch quer durch die Welt der möglichen Denkgegenstände, der von dem

1 Günther, Beiträge I, S. 202. 2 Günther, Beiträge II, S. 80. 3 Günther, Beiträge II, S. 81.

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einheitsstiftenden Apparat der klassischen Methoden verwischt bzw. geleugnet wurde, markiert die Grenze zwischen einem Subjekt und seiner Umwelt.

Da die klassische Theorie nur eine Grenze kennt, die Grenze zwischen der sogenannten physischen und der sogenannten spirituellen Welt, kann sie zwischen den beiden Bereichen keine Verbindung herstellen, ohne ihre Prinzipen zu verletzen. Denn, wenn es nur zwei Bereiche geben darf, so ist ein dritter, in dem Vermittlung stattfinden kann, ausgeschlossen. Tritt aber der Bruch innerhalb des Objektbereichs des Denkens auf, ohne daß er dadurch seine Radikalität verliert, so kann nicht nur mit einer Vielzahl von Bereichen gerechnet werden, sondern es bleibt auch genügend Raum, um die Bereiche miteinander zu vermitteln.

Wenn nun das Denken die Wirklichkeit abzubilden hat, so kann, gemäß der klassischen Tradition, diese Abbildung nur dann vollständig sein, wenn letztlich Denken und Sein identisch sind, d.h. zur Deckung gebracht werden können. Dabei wiederholt die klassische Logik die Dualtität von Denken und Sein mit zwei Werten, die zur Modellierung des irreflexiven Objektbereichs dienen. Der sich von der Realität abstoßende Reflexionsprozeß entspricht dabei dem negativen Wert, das Sein hingegen wird durch den positiven Wert designiert. Die Beschreibung der Welt wird jedoch dieselbe bleiben, wenn die Zuordnung umgekehrt gemacht wird. Dies begründet sich in der symmetrischen Struktur der klassischen Logik, deren Werte spiegelbildlich vertauschbar sind, sodaß "kein wesentlicher Unterschied zwischen positiven und negativen Aussagen, sogar schärfer zwischen einer Aussage und ihrer Negation besteht"4. Wenn die Negation als subjektive Denkarbeit verstanden werden kann, so deshalb, weil die Fähigkeit des Subjekts sich von seiner Umgebung abzusetzen soviel bedeutet wie diese zu negieren. Soll aber in einem weiteren Schritt nun der Prozeß des sich Abstoßens beschrieben werden, so stellt die klassische Logik dafür keine neue Negationsform bereit, sondern behandelt dieses Problem auf einer Metaebene. Dabei wird jedoch auf die Änderung der Struktur des Objektbereichs keine Rücksicht genommen, sondern der Prozeß der Reflexion vergegenständlicht, um mit den gleichen Gesetzen, die für Beschreibung der irreflexiven Gegenstandswelt zuständig sind, behandelt zu werden. "Und da die Hierarchie der Metasprachen einen unendlichen Regress darstellt, ist man sicher, daß man nie das subjektive Bewußtsein erreicht, das spricht."5 Für das subjektive

4 Günther, Beiträge I, S. 202.

5 ebd., S. 207.

15

Bewußtsein aber ist das Verhältnis zu seiner Umwelt dadurch bestimmbar, daß das Subjekt diese besitzt, wobei besitzen so viel bedeutet wie: "diese Umwelt qua Umwelt in sich abzubilden und zwischen: a) sich b) dem Abbildungsverhältnis c) dem Abgebildeten zu unterscheiden"6. Die Unterscheidung zwischen subjektiven Fähigkeiten und der objektiv gegebenen Umwelt vereinfacht Gotthard Günther indem er sagt: "das, was in einem System ohne Umwelt beschrieben wird, wird als 'objektiv' gedeutet, und das, was sich nur in einem System, das eine Umwelt besitzt, beschreiben läßt, soll als subjektiv interpretiert werden."7 Das objektiv gegebene Universum ist dabei das einzige System ohne Umwelt - subjektive Systeme hingegen kann man sich beliebig viele vorstellen. Wenn also mit einer Vielzahl von subjektiven Systemen zu rechnen ist, so bedarf es einer Vermittlungsstruktur, die nun erlaubt, von einem System in ein anderes zu wechseln.

Dabei besteht zwischen den einzelnen Systemen und ihrer Umwelt eine unüberwindliche Grenze, deren interne Ordnung mit dem methodischen Apparat der klassischen Logik beschrieben werden kann. Da die Gültigkeit der Logik auf die einzelnen Bereiche beschränkt bleibt, kann sie nicht für die Vermittlung, die zwischen den Bereichen stattfindet, zuständig sein, denn dafür bedarf es eines strukturell reicheren Kalküls, in den die Logik eingebettet werden kann. Ein derart erweiterter Kalkül muß genügend Komplexität aufweisen, um darin die Struktur der Bereiche zu wiederholen und gleichzeitig zu reflektieren, um so den formalen Rahmen für die Modellierung subjektiver Systeme bereitzustellen. Dies kann mit den zwei Werten, die der klassischen Logik zur Verfügung stehen, nicht geleistet werden. Die beiden Werte stehen zueinander in einem Umtauschverhältnis, wobei dieser Umtausch durch den unären Operator der Negation bewerkstelligt wird. Dabei entspricht die Negation dem "unvermeidlichen Reflexionselement", das notwendig ist, um ein Bild der Welt zu entwickeln, dem jedoch innerhalb eines objektiven Systems "kein ontologischer Platz angewiesen werden kann"8.

6 ebd., S. 209.

7 ebd., S. 208. 8 ebd., S. 212.

16

Wollte man dem Reflexionselement dennoch einen Platz zuweisen, müßte sich ein System konstruieren lassen, das zwei Werte mit "gleichem designierenden Akzent" aufnehmen kann. Da für einen Wert gilt, daß er sich nicht selbst widersprechen kann, für zwei jedoch, daß sie sich widersprechen müssen, enthält ein solches System formal betrachtet einen Widerspruch, "inhaltlich betrachtet aber ist es 'dialektisch'"9. Daraus ließe sich nun folgern: da es sich um einen prinzipiellen Widerspruch zwischen den etablierten Werten handelt, ist es unmöglich, ein dialektisches System zu formalisieren.

"Der Widerspruch von Positivität und Negation läßt sich aus keiner Beschreibung eines Wirklichkeitszusammenhanges, der Objekt und Subjekt gleicherweise umfaßt, eliminieren. ... Wir geben deshalb die These von der Identität des logischen Formalismus mit Wertformalismus von Positivität (wahr) und Negation (falsch) auf."10 Damit ist eine Erweiterung der Logik in Gang gesetzt, die einer Generalisierung derselben entspricht und gewissermaßen hinter den Werten Strukturen aufdeckt, die komplex genug sind, um eine Formalisierung der Reflexionsphänomene zu leisten. Dieses 'dahinter' ist durch die Abstraktion von den Werten zu erreichen und kann als Leerstruktur des Funktionierens logischer Operationen verstanden werden. Mit der Aufgabe des Wertprinzips ist "jetzt das Niveau eines tiefer liegenden und allgemeineren Formalismus erreicht, weil aus ihm auch das Letzte entfernt worden ist, was sich auf den kontingent-objektiven Charakter der Welt bezieht, nämlich der faktische Eigenschaften designierende logische Wert"11. Hier muß nun die formale Arbeit am Kalkül einsetzen, der nicht illustrativen Charakter für theoretische Konstruktionen hat, sondern jenseits der einfachen Abbildungsfunktion auch eine kreative Komponente besitzt. Formalismus entspricht also nicht einem schlichten Reglement, wenn er in seiner doppelten Funktionsweise zugleich als fundierend und als kreierend verstanden werden muß.

Den Übergang von den klassischen Wahrheitstafeln zu einem transklassischen Formalismus vollzieht Gotthard Günther, indem er neue Symbole einführt. "Eliminieren wir nun aus den Tafeln (Ia) und (Ha) die dort verwendeten Werte 'W und ' F und setzen wir stattdessen unsere neuen Symbole ein, die lediglich anzeigen sollen, daß in dem korrespondierenden Leerstellen der eine oder andere Wert stehen

9 ebd., S. 212.

10 ebd., S. 213.

11 ebd., S. 216.

17

kann, dann erhalten wir zwei neue Tafeln abstrakter Platzordnungen oder Leerformen, die alle eine spezifische Gestalt besitzen."12

W

W W W F

F F F W

W

w w F F

W F W F

W F F F

W W w w

w F W W

W W F W

F F W W

F W F W

F W W W

F F F F

F W F F

F F W F

w F F W F W W F

da)

(Ha)

(Ib)

(11

*

a

[2] * *

a a

[31 *

a #

a

[41 *

a D a

[S] * *

* *

[61 *

a * *

[71 *

*

a *

[8] * D

(lib)

Dabei ist entscheidend, daß die neuen Symbole als Leerstellen verstanden werden, die entweder besetzt werden können, oder leer bleiben und wenn sie besetzt werden, so können sie entweder mit dem einen oder dem anderen Wert belegt werden. Um diesen Unterschied zu den klassischen Wertfolgen, die ja immer schon Besetzungen darstellen, klar zu erhalten, gibt Gotthard Günther den Leerstrukturen den Namen "MORPHOGRAMM" bzw. nennt er eine Leerstelle ein "KENOGRAMM".

Dabei zeigt sich, daß die aus den klassischen Wahrheitstafeln generierten Morphogramme nicht alle Möglichkeiten der Verteilung von Leerstellen auf vier verschiedene Plätze ausschöpfen. "Es müssen noch weitere Leerstrukturen bzw. Morphogramme existieren, z.B. ein solches, in dem ein einmal gebrauchtes Symbol in keinem anderen Platz wiederkehrt."

12 ebd., S. 215.

18

[9] * A *

a

[10] *

*

• a

[HI *

• u a

[12] *

a • a

[131 * A A a

[14J * n A *

[IS] * A •

n

(II

Abb. II stellt die noch fehlenden morphogrammatischen Grundformen dar. Um mit den Morphogrammen operieren zu können, bedarf es nun der Einführung spezieller Operatoren, die diese Formen manipulieren bzw. sie ineinander überführen. Gotthard Günther definiert ein Symbol R, das das Spiegelbild eines Morphogramms produziert und als Negation verstanden werden kann. (Abb. III)

(BÖ

c o 'x

[11 * * *•

a D * * •

* [41

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*

a D D a *• * [2]

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[4] *

a a D D a D *

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a * * - * •

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[71 [81 [91 [10] [11] [12] [131 [14] [15] * *

a * * D *• *

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a D * * D D

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A D a A * *

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* A D a a a A

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a A *• *

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[14]

* A •

a a o A *

[ is]

c X

c &J C£

Diese Spiegelbilder bzw. Reflexionen von Morphogrammen fuhren klassische Morphogramme immer in klassische und transklassische immer in transklassische über. Wollte man aber nun ein klassisches Morphogramm in ein transklassisches überführen, so bedarf es eines Systems von Morphogrammen, dessen Teile dann mittels des R-Operators manipuliert werden. Dabei kann entweder die ganze Kette gespiegelt werden, oder aber nur ein Teil des Systems.

(IV) [ 1 . 1 . 11 * * * *

a D * D A

Mt * •

*

*

a

Ms

a a a A

M J

*•

*

*

A

Abb. IV zeigt eine Zerlegung einer sogenannten Morphogrammkette in drei Subsysteme, und gibt zugleich ein Beispiel für die kürzest mögliche Morphogrammkette.

19

Die Ebene der Morphogramme kann als Struktur verstanden werden, in der sich die Differenzen erst konstituieren bzw. der Gegensatz zwischen Positivität und Negation erst gebildet werden muß. Mit der Möglichkeit der Wertbesetzung ist eine inhaltliche Bestimmung gegeben, in der die Trennung zwischen Positivität und Negation bereits vorausgesetzt ist. Die Bestimmung entspricht der Wertwahl, wie sie im klassischen Kalkül durchgeführt wird. Dabei wird bei einer angebotenen Wertalternative immer dem einen oder anderen Wert der Vorzug gegeben. Beim Übergang zu transklassischen Mustern wird nun die Einführung neuer Werte notwendig, mit denen die Symbole belegt werden können. Dabei zeigt sich, daß nun angesichts einer Wertalternative nicht einer der beiden Werte gewählt werden muß, sondern ein dritter auftreten kann, der die Alternative verwirft. Damit ist eine neue Form der Negation gegeben, die Gotthard Günther Rejektion nennt, bzw. nennt er eine Funktion, die Rejektionswerte enthält, eine Transjunktion.

Die Verwerfung der Alternative entspricht dem Verwerfen des ganzen irreflexiven Seinsbereichs, und "derselbe wird in logischen Abstand gesetzt und erhält den Charakter einer Umwelt für etwas, das sich von ihr absetzt. Es scheint uns nun, daß, wenn Subjektivität irgend einen formallogischen Sinn haben soll, der betreffende nur durch eine solche Absetzungsfunktion repräsentiert sein kann."13

Verwerfung als neue Form der Negation ist im Unterschied zur klassischen nicht mehr symmetrisch, denn die sich nun ergebende Alternative zwischen Akzeption und Rejektion ist von tieferer, den Gegensatz von positiv und negativ umfassender Zweiwertigkeit. Dabei wird das symmetrische Verhältnis zwischen Subjekt und Umwelt mittels der asymmetrischen Struktur der Reflexion, die sich vom klassischen Spiegelverhältnis absetzt, erweitert und Subjektivität enthält die einfache Dualität System/Umwelt als Spezialfall.

Auf_ der Wertebene wird durch diese Erweiterung die Einführung von zwei zusätzlichen Werten erforderlich, die den Strukturreichtum vergrößern. Der Übergang zu einer mehrwertigen Logik beginnt mit der Einführung der '3', die Gotthard Günther in einem Interwiev interpretiert: "zu einem Ordnungsverhältnis kommen sie sofort, wenn Sie drei Werte einführen, denn jetzt können Sie entweder '1 ' und '2'

auf der einen Seite mit '3' auf der anderen tauschen, oder '1 ' auf der einen mit '2' und '3' auf der anderen, und das ist kein Umtauschverhältnis mehr, denn im Umtauschverhältnis müssen beide Seiten symmetrisch gleich sein - das ist ein Ordnungsverhätnis, in dem das eine Verhältnisglied einfach (z.B. '1'), das andere

13 ebd., S. 230.

20

komplex (z.B. '2 und 3') ist."14 Die so erreichbare strukturelle Vielfalt ermöglicht einen komplexen Formalismus, der geeignet erscheint, Reflexionsbegiffe in formale Begriffe zu übersetzen, bzw. in einer operativen Symbolik darzustellen. Da sich Reflexion auf unterschiedlichen Stufen beschreiben läßt, die zunehmend komplexer werden, ist mit der Einführung der '3' erst ein Minimalsystem gegeben, dem noch weitere Werte hinzugefügt werden müssen. Durch diese Erweiterung kann dann ein der Reflexionsstruktur gemäßer Formalismus entwickelt werden, der die unterschiedlichen Bewußtseinsstufen "einem formalen Kalkül zugänglich macht"15. Dabei muß auf jeder Stufe die Komplexität derart vergrößert werden, daß sie nicht nur die vorhergehenden Reflexionsmotive umfaßt, sondern zugleich ein neues Moment dazugewinnt. Würden die einzelnen Bereiche vollständig voneinander getrennt sein, sich gewissermaßer unversöhnlich gegenüberstehen, so wäre damit jede Beziehung unmöglich gemacht, denn diese Parallelität würde einem Verbot der Verbindung bzw. Bereichsüberschneidung gleichkommen. Zwischen derart isolierten Stufen kann nur ein einfaches Abbildungsverhätnis bestehen, wobei die prinzipiell unendliche Reihe solcher Abbildungen von Abbildungen von ... (usw.), immer das darstellt, was schon im ersten Bild gewußt worden ist.

Der Übergang zu mehrwertigen Systemen erlaubt die Angabe eines gemeinsamen Bereichs, indem die Verbindung zu den vorhergehenden Stufen dargestellt werden kann. So ist zwischen den einzelnen Reflexionsschichten eine Beziehung dadurch hergestellt, daß es gemeinsame Rejektionswerte gibt.

Dieser Überhang von Werten stellt eine Beziehung her und gibt zugleich Raum für die Beschreibung dieser Beziehung. Der Überhang ermöglicht es zwischen zwei Bereichen zu vermitteln, und da mit den Transjunktionen ein Formalismus gegeben ist, kann der Prozeß der Reflexion mittels dieses formalen Apparats dargestellt werden. "Der logische Formalismus, der uns bisher zur Verfügung steht, umgreift zwar das Bild als unmittelbare Reflexion; er gibt uns jedoch nicht die formalen Gesetze jenes Vermögens der Subjektivität, Bilder von sich selbst und dem Anderen zu haben."16 Dieses Vermögen, Bilder von sich und dem Anderen zu haben, verweist auf den diskontinuierlichen Gegenstandsbereich des Denkens, wobei die unterschiedlichen Bereiche mit jeweils unterschiedlichen Denkintentionen

14 Baldus, Phaidros, S. 79. 15 Günther, Beiträge I, S. 242. 16 ebd., S. 246.

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korrespondieren. Der Versuch den Reflexionscharakter der Begriffe in der Allgemeinheit des logischen Begriffs aufzulösen, hat die Einführung logischer Stufen notwendig gemacht. Dabei wird versucht, in einer prinzipiell unendlichen Kette von Metasprachen den Reflexionsprozeß abzubilden. Da jede Metasprache relativ zu einer höheren zur Objektsprache wird, nimmt der Reflexionsprozeß innerhalb einer Objektsprache irreflexive Gestalt an, wodurch Prozessualität fixiert und damit zum Stillstand gebracht wird. Prozessualität wird dadurch in immer höhere Metaebenen abgeschoben und kann niemals erreicht werden.

Die Einführung morphogrammatischer Strukturen stellt einen Versuch dar, diesem Dilemma in einem erweiterten Formalismus zu begegnen. Die Abstraktion von den Werten ermöglicht es, die Leerstruktur des Funktionierens der logischen Funktionen zu betrachten, womit Prozessualität auf einer Ebene dargestellt wird, die vor jeder Besetzung bzw. Fixierung liegt. Da aber gleichzeitig zusätzliche Werte eingeführt werden müssen, um den gewonnenen Strukturreichtum auch auf der Ebene der logischen Werte aufrecht zu erhalten, können mit diesen zusätzlichen Werten neue Themen designiert bzw. reflektiert werden. Da die einzelnen Domänen nach verschiedenen Strukturprinzipien organisiert sind, können die unterschiedlichen Gegenstandsbereiche im Formalismus erkennbar gehalten werden. Die zur Verfügung stehenden Rejektionswerte markieren den Bruch zwischen den Bereichen, wobei die Verwerfung eines Bereichs als zusätzliches Negationsmotiv auftritt. Da Rejektionswerte jedoch in einer komplexeren Struktur zu Akzeptionswerten werden können, kann Rejektion dort thematisiert werden. Dieses Wiederkehren der verschiedenen Themen der Reflexion in zunehmend komplexer werdenden Strukturen entspricht den unterschiedlichen Bewußtseinstufen menschlicher Subjektivität. Für die Darstellung der formalen Aspekte der Subjektivität liefert "die Idee des Morphogramms und die sich daraus ergebende Theorie der transklassischen Logik"17

eine Grundlage.

17 ebd., S. 247.

22

SELBSTRÜCKBEZÜGLICHKEIT UND REKURSIVITÄT

Eine Beschreibung kann nur dann 'gut' geheißen werden, wenn sie das, was zu beschreiben vorgegeben ist, in einer Weise darstellt, die keinen Zweifel darüber offen läßt, was gemeint ist. Eine Beschreibung hätte also dies zu leisten: eine eindeutige Abbildung eines Gegenstandes zu entwerfen, sodaß letztlich Abbild und Gegenstand zur Deckung gebracht werden können. Dabei ist das Abbild immer schon als fertiges gedacht und, da jeder Bezug zu seiner Herstellung abgebrochen ist, gibt auch nichts mehr Auskunft darüber. Das fertige Abbild kann nun seinerseits als 'Gegenstand' fungieren für ein neuerliches Abbild, und so entsteht eine Reihe von Abbildern, die aufeinander folgen und zwischen ihnen die immergleiche sich wiederholende Beziehung - eine Beziehung, die sich der Identität und Linearität verdankt. Fertige Abbilder und nicht gefertigte, da die Entstehung des Abbildes -der Akt des Beschreibens - vom Abbild verdeckt wird - zugunsten der Ordnung der Reihe. Der Akt der Fertigung, der lebendige Prozeß des Werdens, ist aber dasjenige, das sich niemals objektivieren läßt, es ereignet sich vornehmlich zwischen den Zeilen. Als Bewegung des Schreibens, die niemals zum Stillstand kommt, kann diese nicht innerhalb der Beschreibung gedacht werden, sondern sie markiert jene Verbindung, die der Gegenstand zu seiner Beschreibung und damit zum Schreiber unterhält. Die Aufrechterhaltung dieser Beziehung, bevor sie im fertigen Abbild erlischt, hintergeht die Abfolge der Bilder und eröffnet einen Raum, in dem von unterschiedlichen Standpunkten aus argumentiert werden kann. "Um einen Standpunkt zu einem anderen zu machen, genügen keine ontologischen, semantischen o.a. Konstruktionen, die dem Identitätsprinzip und der Linearität gehorchen, wenn das Andere nicht nur das des Einen ist, (...) sondern ebenso die Beziehung, die es zu einem Außen unterhält."x

Gegenstand und Beschreibung verschränken sich ineinander und ermöglichen so eine Vielzahl von Beschreibungen, die nicht aufeinander reduziert werden können, um der Einheitlichkeit der Reihe unterworfen zu werden. Standpunktbezogenheit als Einbeziehung dessen, der schreibt und so den Prozeß in Gang hält, verhindert, daß sich hinterrücks wieder das Eine etabliert als Garant der 'guten' weil einzigen Beschreibung. Wenn also der Ort, an dem sich Beschreibung ereignet, jeweils von einem anderen Standpunkt aus angegeben werden kann, so muß die Arbeit des

Meyer, Zählen und Erzählen, S. 43.

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Schreibens erneut aufgenommen werden, als Erzeugung und Darstellung ihrer selbst.

Selbsterzeugung und Selbstdarstellung als zirkuläre Figur inszenieren sich im Raum und weisen so Selbstrückbezüglichkeit als mehrliniges Konzept aus, das von der Linie ausgehend immer nur erträumt werden kann. Ein solcher Traum schließt sich an die Rekursion an und träumt deren Wiederholungen zu einer Selbsterzeugung.

Die Darstellung eines rekursiven Vorgangs geht von einem Rekursionsbeginn aus, wodurch gewissermaßen der Grund gelegt wird, der sowohl als Garant für den Anfang als auch für das Ende genommen werden kann. Ein solcher Beginn kann z.B. durch Op(xo) = Xj gegeben sein. Damit ist für ein bestimmtes Datum aus einem Ausgangsalphabet das Ergebnis angegeben, das durch die Wirkung des Operators Op erreicht wird. Durch den Rekursionsschritt wird der Fall n+1 auf den Fall n zurückgeführt. Beim Ablauf eines rekursiven Verfahrens ergibt sich die Berechnung eines beliebigen x„ durch n-maliges Anwenden der Operation, so z.B.

x2 = Op(Op(xo)) bzw. x„+1 = Op(Op(Op...Op(x0)...) oder anders angeschrieben

x„+1 = Op(Opn(xo)) wobei x„ = Op(OpB-1(»b)) usw»

Dieser n-malige Durchlauf vollzieht sich auf n-verschiedenen Stufen, bis auf der untersten Stufe das Ergebnis (Anfang) angegeben werden kann. Dann erfolgt der Rücklauf, bei dem das Ergebnis der nächsthöheren Stufe aus den Ergebnissen der niedereren Stufen berechnet wird, und so ergibt sich dann das Endergebnis. Eine zwischengeschaltete Prüfung gibt jeweils an, ob der Anfang erreicht ist oder weitere Stufen eingeführt werden müssen. Von einer Stufe zur nächsten wird die Vorschrift zur Ausführung einer Operation weitergegeben, um im Rücklauf mit den bereits errechneten Werten durchgeführt zu werden.

Heinz von Förster betrachtet nun diesen sich wiederholenden Vorgang und schließt eine Betrachtung an, die sich den rekursiven Ablauf bis ins Unendliche fortgeführt denkt, also die 'unendlichmalige' Anwendung von Op oder O p ^ . Dabei ergibt sich für das zu errechenende x^ die folgende Gleichung:

"x „ = Op(Op(Op(Op(Op(Op(Op(Op(Op(Op(Op(Op(Op(Op(Op(Op(Op( als eine bedrohlich offene Kette. Entscheidend ist nun folgende Überlegung: jede der unendlichen 'Op-Ketten' kann durch x^ ersetzt werden, somit erhält man: x^ = 0p(xo 9).

24

Die weitere Fortsetzung des Verfahrens produziert nun unermüdlich den selben Wert - nämlich x ̂ .

x«, = Op(Op(xoa ), x ^ = Op(Op(Op(x^), usw."2

Die Gleichsetzung von x^, mit der unendlichen Op-Kette und umgekehrt versteht von Förster als Selbstverschluß, da x„ so beschaffen ist, daß die Anwendung des Operators auf diesen Wert wiederum x ^ produziert, und über dieser Selbstproduktion schließt sich die unendliche Rekursion ab. Ebenso wird durch diese Gleichsetzung die offene 'Op-Kette' zu einem überraschenden Abschluß gebracht und ihre vorherige Bedrohlichkeit verschwindet. Werte, die einen solchen Verschluß erlauben, nennt Heinz von Förster Eigenwerte. Da O p ^ gleich x^ ist, hebt sich die ursprüngliche Unterscheidung zwischen dem Operator (Op) und den Werten (x„) auf und dies kündigt sich in der offenen Schreibweise der Op-Kette an, denn dort ist der Anfangswert XQ aus der Gleichung verschwunden und ebenso alle durch endlich viele Schritte berechneten Werte.

Heinz von Försters Betrachtungen richten sich nicht auf die rekursiv definierte Berechnung von Werten, sondern auf das Verhältnis zwischen Op und x, das vorerst darin besteht, daß Op auf x operiert. Erst die endlos wiederholte Anwendung des Operators Op, erlaubt dann das gegenseitige Ersetzen von Op mit dem Eigenwert. Heinz von Förster notiert dies in einer neuen Form als Op(v)=~|.

Selbstrückbezüglichkeit wird dort notwendig, wo Voraussetzung und Ergebnis einander gegenseitig begründen, also nicht in einem Ableitungsverhältnis stehen. Heinz von Förster formuliert folgendes Gesetz: "The Laws of nature are written by man. The Laws of Biology must write themselves."3 So hat z.B. die Beschreibung kognitiver Prozesse selbst einen kognitiven Prozeß zur Voraussetzung, was soviel bedeutet wie: eine Theorie des Gehirns muß vom Gehrin selbst vollzogen werden.

"Heinz von Förster selbst paraphrasiert die Schritte zur Selbstrückbezüglichkeit an anderer Stelle. Er beginnt mit der Bestimmung ( -> ) von 'cognition' (Erkennen) als 'computing a reality' (Errechnen einer Realität) und verfährt des weiteren:"4

"Endlich könnte jemand zu Recht vorbringen, daß er-kennende Prozesse keine Armbanduhren oder Galaxien er-rechnen, sondern bestenfalls Beschreibungen solcher

2 Heinz v. Förster: zit. nach Meyer, Zählen und Erzählen, S. 159.

3 Meyer, Zählen und Erzählen, S. 159.

4 Meyer E.: Zählen und Erzählen, a.a.O.; S. 162.

25

Wesenheiten. Ich gebe daher diesem Einwand nach und ersetze meine frühere Paraphrase durch:

ER-KENNEN -> Er-Rechnen von Beschreibungen von Realität

Die Neurophysiologen jedoch werden sagen, daß eine Beschreibung, die auf einer Ebene von neuraler Aktivität erfaßt wurde, wie z.B. das projizierte Bild auf der Retina, auf höheren Ebenen weiterbearbeitet wird usw., während eine motorische Aktivität vom Beobachter als 'endgültige Beschreibung' angenommen werden kann, z.B. die Äußerung: 'hier ist ein Tisch'. Konsequenterweise muß ich diese Paraphrase erneut modifizieren:

ER-KENNEN - > Er-Rechnen von Beschreibungen von t

wobei der zurückweisende Pfeil diese infinite Rekursion von Beschreibungen usw. angibt. Diese Formulierung hat den Vorteil, daß etwas Unbekanntes, genannt 'Wirklichkeit', erfolgreich eliminiert wird. Wirklichkeit erscheint nur implizit als die Operation der rekursiven Beschreibungen. Überdies können wir uns die Vorstellung, daß Er-Rechnen von Beschreibungen nichts anderes als Er-Rechnungen sind, zunutze machen. Daher:

ER-KENNEN-> Er-Rechnungen von

Kurz und gut: ich schlage vor, er-kennende Prozesse als endlose rekursive Prozesse der Er-Rechnung zu interpretieren."5

Dazu schreibt Eva Meyer: "Die hier vorgeführte Idee der Selbstrückbezüglichkeit genügt dem Ziel der Wiederholung der menschlichen Subjektivität im technischen Artefakt durch ein Perpetum Mobile: Sie hebt die Unterscheidung von Operator und Operand auf. Kraft eines unermüdlichen Deus ex machina will v. Förster den Teufelskreis, den circulus vitiosus, nicht nur von jeder schlechten Nachrede befreien, sondern ihn sogar zu der ehrenwerten Position eines circulus creativus eines, 'schöpferischen Kreises' erheben."6

5 Heinz v. Förster: zit. nach Meyer, Zählen und Erzählen, S. 162.

6 Meyer, Zählen und Erzählen, S. 163.

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Der Verschluß der Rekursion via Unendlichkeit, wo Anfang und Ende identifiziert werden, ist derjenigen Spekulation vergleichbar, die die Linie im Unendlichen zum Kreis schließt. Um diesem Phantasma der Selbstrückbezüglichkeit zu entkommen, bedarf es nun einer neuerlichen Betrachtung des Zusammenhangs zwischen der Identifizierung von Op mit x und der Unendlichkeit, d.h. einer Untersuchung des Unterschieds der Verhältnisse zwischen Op und xn und Op und x^, denn die Einführung einer weiteren Form U gibt keinerlei Auskunft über diesen Verhältniswechsel.

Was hier über den Umweg durch das Unendliche erreicht wird, ist eher als spekulativer Trick zu verstehen, als daß es sich um einen Weg handelt, den es nachzugehen gelte. Das Unendliche mag zwar als Garant für den Verschluß von Anfang und Ende genommen werden, die Mechanik oder Logik des Verschließens selbst kann jedoch nicht angegeben werden. Daher erscheint der Verschluß als eigenes Symbol : das Symbol der Selbstrückbezüglichkeit.

Die Mechanik des Verschließens thematisiert jene Grenze, die zwischen Endlichem und Unendlichem etabliert wurde, und das Unendliche als 'unerreichbares' Außen beschreibt. Solange das Außen aber das absolut Andere bleibt, der ganz andere Kalkül und von daher nicht verstehbar, kann kein Weg angegeben werden, der das Außen und die Grenze in die Betrachtungen hineinzieht. Wenn nun mit der Einbeziehung des Außen begonnen werden soll, so läßt sich dies als Vermittlung von Innen und Außen verstehen, deren Funktionieren mit dem eines Scharniers vergleichbar ist. Ein solches Scharnier würde nun zwischen der Offenheit der unendlichen Op-Kette und der Geschlossenheit der endlichen Iteration vermitteln und so die Spekulation in den Bereich des Machbaren bringen. Die Vermittlung zwischen Innen und Außen muß also damit beginnen, die Metaphorik der Linie zu zerbrechen in eine zumindest flächige Konzeption, die nun Raum genug gibt, Zirkularität als Figur zu beschreiben. Was sich in einer derartige Figur eintragen lassen müßte, wäre ein Wechselspiel zwischen Ordnungen, also die Darstellung eines 'Verhältnisses' von Verhältnissen. Dieses Spiel der Ordnungen ist vielmehr das Vorspiel, die Eröffnung, oder - wie Gotthard Günther es nennt - das Proömium jeglicher Rationalität.

Um das Spiel der Ordnungen: Subordination (Op -> x) bzw. Koordination (Op <-> x) zu verstehen, sind vorerst deutlich zu unterscheiden: eine Operation, der Operator und die Operanden. Der Operator verbindet die einzelnen Operanden, und die Gesamtheit von Operator und Operanden stellt eine Operation dar. Zwischen

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Operator und Operand besteht nun ein Ordnungsverhältnis dadurch, daß der Operator die Verbindung zwischen den Operanden herstellt. Wenn nun innerhalb einer Operation ein Operator zu einem Operanden bzw. ein Operand zu einem Operator werden soll, dann ergibt sich ein Widerspruch dadurch, daß ihr Verhältnis gleichzeitig ein Ordnungsverhältnis und ein Umtauschverhältnis sein müßte. Diesem Dilemma kann man nur dann entkommen, wenn man Günthers Argumentation folgend bedenkt, daß ein Operator niemals in bezug auf die Operation, für die er das Verhältnis herstellte, zum Operanden werden kann, sondern nur in bezug auf einen Operator höherer Ordnung, bzw. ein Operand kann nur in bezug auf Operanden niedrigerer Ordnung zu einem Operator werden. So bleibt auf jeder Stufe die Ordnung zwischen Operator und Operanden aufrecht, zwischen den einzelnen Stufen findet jedoch der Umtausch von Operator und Operand statt.

"Wir nennen diese Verbindung zwischen Operator und Operand das Proemial-verhältnis, da es der symmetrischen Umtauschrelation und der Ordnungsrelation vorangeht und - (...) - ihre gemeinsame Grundlage bildet."7 Was der Ordnungs­und der Umtauschrelation vorangeht, nennt Gotthard Günther die Proemialrelation, die im definitorischen Sinne keine Relation ist, sondern der Mechanismus der Vermittlung von Umtausch- und Ordnungsrelationen. "Dadurch wird es uns möglich, diese neue Relation in zweifacher Weise zu deuten. Einmal können wir sagen, daß Proemialität ein Umtausch ist, der auf (Rang)-Ordnung gründet. Da die Rangordnung jedoch nur durch die Tatsache begründet ist, daß der Umtausch entweder einen Relator (als Relatum) in einen Kontext mit höherer logischer Komplexität befördert oder ein Relatum (als Relator) auf eine niedrigere Stufe versetzt, können wir Proemialität auch als eine Ordnungsrelation auf der Basis von Umtausch definieren."8 Die unterschiedlichen Stufen lassen sich als Orte verstehen, wo gemäß der Ordnung ein System von Aussagen entwickelt werden kann.

Da innerhalb des Systems seine eigene Geortetheit nicht dargestellt werden kann, wird dies von einem anderen erreichbaren Ort aus geleistet. "Kurz gesagt: Wir vermehren, distribuieren den einen Kalkül und verketten, vermitteln die einzelnen Kalküle miteinander. Ohne daß intern am Kalkül etwas verändert wird, wird seine

Gotthard Günther: Ekennen und Wollen. Ein Beitrag zu einer kybernetischen Theorie der Subjektivität. In: Gotthard Günther und die Folgen. Materialien zur Klausurtagung über polykontexturale Logik in Diex. KBT22.S.33.

ebd., S. 36.

28

Hegemonie gebrochen, er wird vermaßt. Die Einheit wird zur Vielheit. Diese Vielheit, die erst rein numerischer Art ist, wird durch die Vermittlung der Kalküle strukturiert. Die Vielheit zerfällt nicht in ihre isolierten Elemente, sondern wird ein strukturiertes Ganzes, eine System-Ganzheit."9 Das Vorspiel eröffnet also einen Raum der wechselseitigen Be- und Entgründung der Systeme und Selbst­rückbezüglichkeit erweist sich als komplexe Konfiguration.

Diese komplexe Konfiguration ist nun geeignet die Verhältnisse zwischen Subjekt und Umwelt in einer Weise zu organisieren, daß die unterschiedlichen Aspekte, die den Prozeß des Denkens bestimmen, modelliert werden können. Gotthard Günther unterscheidet zwischen dem kognitiven und dem volitiven Aspekt des Denkens, wobei im ersten das Verhältnis Subjekt - Umwelt so strukturiert ist, daß das Subjekt vollkommen von der Umwelt beherrscht wird, im zweiten jedoch das Subjekt die Umwelt beherrscht. Die beiden Verhältnisse sind strukturell gesehen wechselseitige Spiegelbilder, d.h., daß weder das eine noch das andere geeignet ist, als Grundlage zu dienen, von der ausgehend das jeweils andere abgeleitet werden könnte. Da gilt: "es gibt kein Denken ohne wesentliche Beimischung von Willensakten, und umgekehrt wäre ein Wille ohne eine innere Komponente theoretischen Bewußtseins vollkommen blind"10, bedarf es eines Mechanismus, der das Ineinandergreifen von Erkennen und Wollen organisiert. Ein solcher Mechanismus ist durch das Proemialverhältnis gegeben, das "die beiden Fähigkeiten (Erkennen und Wollen) vereinigt und in ein System der selbstbezüglichen Subjektivität zusammenschmilzt"11. Dabei wird nicht einfach Erkennen und Wollen gegenseitig vertauscht, sondern ebenso ändert sich das Ordnungsverhältnis zwischen Subjekt und Objekt. Eine Theorie der Subjektivität muß also davon ausgehen, "daß die Verbindung zwischen Erkennen und Wollen in ihrem innersten Kern heterarchisch ist und durch die Proemialrelation geregelt wird"12.

Rudolf Kaehr: Neue Tendenzen in der KI-Forschung. Metakritische Untersuchungen über den Stellenwert der Logik in der neueren Künsthchen-Intelligenz-Forschung. Stiftung Warentest. Berlin: 1980, S. 51.

10 Günther, Erkennen und Wollen, S. 18. 11 ebd., S. 35. 12 ebd., S. 49.

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WIEDERHOLUNG UND VERTEILUNG - STRUKTURELLE MOTIVE DER

VERMITTLUNG1

Der Unterschied zwischen dem Selben und dem Gleichen konstituiert sich im Blick auf den Prozeß, der zwei Gegenstände als gleich qualifiziert und in einem zweiten Akt die Selbigkeit der beiden bestreitet. Da es sich zumindest um zwei Gegenstände handelt, die gleich sind, sich jedoch voneinander in bezug auf den Ort ihres Auftretens unterschieden, ist diese Verteilung der Gegenstände auf unterschiedliche Orte Voraussetzung dafür, daß überhaupt von gleichen Gegenständen gesprochen werden kann.

Die räumliche Organisation der Orte bedeutet immer auch, daß die Differenz der Orte und die Grenze zwischen ihnen notiert werden kann, wobei die Grenze, die zwei Einheiten trennt, weder dem einen noch dem anderen Ort zugeschlagen werden darf. Über diese Grenze hinweg läßt sich dann die Gleichheit der Gegenstände feststellen, ohne daß sie je zur Deckung gebracht werden könnten. Der Gegenstand als derselbe hingegen, kann nur einen Ort einnehmen und von daher reduziert sich die Zweiheit des Vergleichs auf die Behauptung der Selbigkeit. Diese Behauptung entspricht dem Satz der Identität, der ja die Selbigkeit eines Gegenstands mit sich Selbst aussagt, oder wie Heidegger übersetzt: "mit ihm selbst ist jedes A selber dasselbe"2. Damit ist nicht nur eine Erweiterung des Satzes der Identität gegeben, der sich ja auf die Formel "A ist A" beschränkt, sondern zugleich ein Hinweis darauf gewonnen, daß Identität mit sich selbst erst produziert werden muß. Dieser der Identitätsbehauptung vorausgehende Prozeß trägt sich im "mit" der Heideggerschen Formulierung ein.

Darin ist ein Umweg beschrieben, der eine Beziehung zwischen zwei Orten herstellt und erst dadurch die Rückkehr zum Ausgangspunkt ermöglicht - Identität ist also immer schon vermittelt. Diese Rückkehr von einem anderen Ort enspricht einer Bestimmung des Selbst und ermöglicht so die Konstituion von Identität, die dann erlaubt, von einen Gegenstand als dem selben zu sprechen.

Der Prozeß der Identitätsproduktion, der jeder Formel wie "A = A" vorausgeht und diese erst ermöglicht, bleibt solange unbesprechbar, als der Ort den ein Gegenstand

1 Dieser Text entstand im Rahmen der Kooperation in Zusammenarbeit mit Joachim Castella.

2 Martin Heidegger: Identität und Differenz. Pfullingen: Neske 1956, S. 14.

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einnimmt und den er dadurch verdeckt, nicht thematisiert werden kann. Dabei bedeutet Thematisierung des Ortes zugleich die Abstraktion von möglichen Besetzungen, sodaß von Leerbereichen gesprochen werden kann, die als Bedingungen der Möglichkeit von Besetzung und/oder Nicht-besetzung verstanden werden können. Dabei meint Ermöglichung nicht die Versammlung notwendiger Voraussetzungen, was einer axiomatischen Fundierung entsprechen würde, sondern eröffnet ein Wechselspiel von Über- und Nebenordnung, die sich erst nach der Besetzung als solche realisieren.

Dieser Wechsel auf eine Ebene, die noch vor aller Identitätsbildung liegt, entspricht der Morphogrammatik, wie sie von Gotthard Günther entworfen wurde. Da auf dieser Ebene der Satz der Identität außer Kraft gesetzt ist und damit auch alle analytischen und synthetischen Verfahren zur Zeichenmanipulation, bedarf es anderer Techniken, um derartige Strukturen zu operieren.

Der Zugang zu dieser Ebene reiner Strukturen erfolgt durch Wertabstraktion, wobei Gotthard Günther das nach der Abstraktion von den Werten verbleibende Leerstellensymbol als Kenogramm bezeichnet. "Daß die Kenogrammatik eine 'reine Strukturtheorie, die noch nicht durch die Differenz von Form und Materie belastet ist', ist, daß also die Kenogramme keine (Repräsentanten für ein intendiertes Objekt sind, zeigt sich am Konstruktionsprinzip einer Kenogrammsequenz. Der Aufbau geht nach dem Prinzip der Wiederholung eines gleichen oder eines verschiedenen Symbols im jeweiligen Rückbezug auf die bereits angeschriebenen Symbole einer Sequenz, d.h. die Kenogrammfolgen konstituieren sich in einem selbstreferentiellen und rekursiven Verfahren."3 Techniken, wie Substitution und Verknüpfung, die bei der klassischen Konstruktion von Zeichenketten auf ein schon vorgegebenes Alphabet angewandt werden, werden auf der Ebene der Kenogrammatik durch die Prinzipien der Wiederholung und der Position abgelöst. Neben dem selbstreferentiellen Verfahren zur Entwicklung von Morphogrammen bedarf es aber auch eines Operators zur Manipulation dieser Formen. Die Leistung eines derartigen Operators würde nun darin bestehen, ein Morphogramm in ein anderes überzuführen. Das klassische Mittel der Negation ist hier nicht anwendbar, da die Negation nur im Zusammenhang mit dem Gebrauch von Werten und Variablen durchgeführt werden kann. Mit der Morphogrammatik haben wir aber einen "tieferliegenden und

Josef Ditterich / Rudolf Kaehr: Einübung in eine andere Lektüre. Diagramm einer Rekonstruktion der Güntherschen Theorie der Negativsprachen. Philosophisches Jahrbuch 2/86 1979, S. 388.

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allgemeineren Formalismus erreicht, weil aus ihm auch das Letzte entfernt worden ist, was sich auf den kontingent-objektiven Charakter der Welt bezieht, nämlich der faktische Eigenschaften designierende logische Wert"4.

Der logische Wert designiert also Eigenschaften, die ihren Grund im Sein haben, und daher ist das Thema der klassischen Logik das irreflexive Sein. Logische Werte sind in gewisser Weise material-gebunden, und da "jede Materialgebundenheit einen Formalismus logisch schwächt", müßte ein Formalismus, der durch Wertabstraktion gewonnen wurde "logisch stärker sein" und "deshalb auch Phänomene umfassen, die heute noch als unzugänglich für jeden Kalkül gelten"5. Die Eigenschaften dieser Phänomene, die als neuer Gegenstandsbereich betrachtet werden müssen, sind gesetzte und haben daher keine in einer Außenwelt entspringende Identität. Auf der Ebene der Logik entspricht diesem zweiten Gegenstandsbereich die Prädikation und mit dieser thematischen Verschiebung stellt sich die Frage, "auf welchen Gesetzen der logische Prädikätionsmechanismus beruht"6, bzw. wie Reflexion als Prozeß und das heißt ohne Verdinglichung dargestellt werden kann.

Die Morphogrammatik stellt nun eine Ebene zur Verfügung, die als reine Reflexionstruktur verstanden werden kann und damit als Ort, an dem sich Prozessualität einschreiben läßt, die sich erst auf der Ebene der Werte konkretisiert bzw. objektiviert. "Die Werte erscheinen als Kristallisation (Marx) der Kenogrammsequenzen bzw. der Morphogramme."7

Da morphogrammatische Strukturen nicht mehr dem Identitätsprinzip unterliegen sind sie der Ort, an dem die Identitätsproduktion eingeschrieben werden kann. Die Spiegelsituation der Reflexion, die sich im Satz A = A einträgt, gibt nun einen Hinweis auf die Beschaffenheit des Operators der negationsinvariante Strukturen manipuliert. Denn im Gegensatz zur Negation ist die Reflexion bzw. Spiegelung nicht an Wertbelegungen und Variablen gebunden, sondern bewirkt Verformungen,

Günther, Beiträge I, S. 216.

ebd., S. 89.

Günther, Beiträge II, S. 111.

Rudolf Kaehr: Materialien zur Formalisierung der dailektischen Logik und der Morphogrammatik 1973 - 1975. In: Gotthard Günther: Idee und Grundriß einer nicht-Aristotelischen Logik. Hamburg: Meiner 1978, S. 109.

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Verschiebungen und Verdichtungen, sodaß nun mit Hilfe des Reflektors die morphogrammatischen Strukturen manipuliert werden können.

Abstraktion von den Besetzungen bedeutet aber auch, daß zu einem Verfahren übergegangen werden muß, das nicht einfach Abbilder erzeugt, wie man sie von einem klassischen Beobachter erwarten würde. Dieses Verfahren müßte vielmehr eine Technik der Beschreibung angeben, die auch das Funktionieren als solches beschreibbar macht, ohne den hier durch die Substantivierung angekündigten Schritt der Verdinglichung mitzumachen.

'Das Funktionieren', nicht als Thema und Gegenstand einer Beschreibung, sondern jenseits des positiven "WAS IST', orientiert sich am Prozeß selbst, noch bevor dieser einen Gegenstand erbringt, und auch noch danach, wo er als eingeschrieben in sein Produkt verstanden werden muß. Dies würde einem Wechsel vom ein- und mehrdeutigen zum überdeterminierten Zeichengebrauch entsprechen, wobei die Kenogrammatik die Überdetermination regelt, indem sie eine neue Ökonomie des Zeichengebrauchs 'unterhalb' der Zeichenebene eröffnet. Wenn aber die traditionelle Begrifflichkeit jenseits der Positivität nicht anwendbar ist, so deshalb, weil selbst ihre Prinzipien, wie Eindeutigkeit, Widerspruchsfreiheit und Identität letztlich nicht ohne Bezug zu einem positiv bestimmten Sein gedacht werden können.

Wertabstraktion war die erste Annäherung an einen Bereich, der nicht mehr vom Identitätsprinzip beherrscht wird, sondern auf eine Ebene führt, die als Ermöglichung des Sinns hinter oder unter der Ebene Sinns liegt. Diese Ebene ist "auf eine gewisse und äußerst sonderbare Weise 'älter' als die ontologische Differenz oder als die Wahrheit des Seins. Nun erst kann man sie Spiel der Spur nennen. Einer Spur, die nicht mehr zum Horizont des Seins gehört, sondern deren Spiel den Sinn des Seins trägt und säumt."8 Um diesen vor-logischen, prä-signifikativen Bereich nicht erneut durch eine metaphorische Anbindung ans Sein zu verschütten, bedarf es Praktiken, die das Negative zulassen und jenseits von Erkenntnisvermittlung eine Sprache und eine Logik des Metaphorischen konstruieren.

Das Phänomen der Metapher verweist darauf, daß unsere Sprache, wie Gotthard Günther sagt, eine "Positiv-Sprache" ist, also eine Sprache, die, wie alle natürlichen Sprachen, auf Direktheit und Unmittelbarkeit zielt, eine Sprache, die gestattet, die Wahrheit des Seins zu denken. Immer dann wenn das Thema des Denkens nicht mehr

Ditterich / Kaehr, Einübung, S. 386.

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das Sein ist, wird jene ontische Metaphorik gebraucht, die als Hinweis darauf verstanden werden kann, daß eine Übertragung stattfindet, die mit den Mitteln der Metapher bewerkstelligt werden soll. Die Komplizität des Vorstellungsbegriffs mit der ontischen Metaphorik organisiert den Übergang zu Bewußtseinsweisen, die nicht mehr als Bewußtsein von einem Gegenstand gedacht werden können. Kants transzendentale Topik ist ein Versuch, zwei Orte zu definieren, an denen sich die Begriffe eindeutig verorten lassen. Dabei geht er in seinen "Anmerkungen zur Amphibolie der Reflexionsbegriffe" auf das Verhältnis von Verstandesbegriffen und sinnlicher Anschauung ein.

"Wenn wir unter bloß intellegiblen Gegenständen diejenigen verstehen, die durch reine Kategorien, ohne alles Schema der Sinnlichkeit, gedacht werden, so sind dergleichen unmöglich. Denn die Bedingungen des objektiven Gebrauchs aller unserer Verstandesbegriffe ist bloß die Art unserer sinnlichen Anschauung, wodurch uns Gegenstände gegeben werden und, wenn wir von der letzteren abstrahieren, so haben die ersteren gar keine Beziehung auf irgendein Objekt. (...) Wir können daher das Feld der Gegenstände unseres Denkens über die Bedingungen unserer Sinnlichkeit darum noch nicht positiv erweitern, und außer den Erscheinungen noch Gegenstände des reinen Denkens, d.i. Noumena, annehmen, weil jene keine anzugebenden positive Bedeutung haben. (...) Wir denken also Etwas überhaupt, und bestimmen es einerseits sinnlich, allein unterscheiden doch den allgemeinen und in abstracto vorgestellten Gegenstand von dieser Art ihn anzuschauen; da bleibt uns nun eine Art, ihn bloß durch Denken zu bestimmen, übrig, welche zwar eine bloß logische Form ohne Inhalt ist, uns aber dennoch eine Art zu sein scheint, wie das Objekt an sich existiere (Noumenon) ohne auf die Anschauung zu sehen, welche auf unsere Sinne eingeschränkt ist."9

Gegenüber der nur als positiv faßbaren Bedeutung, wie hier von Kant vorgeschlagen, entwickelt Gotthard Günther einen Begriff von negativer Bedeutung, der in der Theorie der Negativsprachen entfaltet wird. Die damit vorgeschlagene Erweiterung "gelingt nur auf dem Umweg über Schrift und Zahl"10, und das bedeutet zugleich die Problematisierung des klassischen Realitätsbegriffs, der der Metaphysik zugrunde liegt und durch das irreflexive Sein bestimmt ist. Werden diese Mittel nun auf einen erweiterten Gegenstandsbereich angewandt, so ergibt sich entweder ein sich ins

9 Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft, Frankfurt: Suhrkamp 1982, B342-B346

10 Ditterich / Kaehr: Einübung, S. 392. 34

Unendliche erweiterndes System von Metasprachen, oder die bekannten Paradoxien tauchen auf. "Was aber nicht mehr paradoxienfrei beschrieben werden kann, kann auch nicht mehr unmittelbar beobachtet werden"11, sodaß mit diesem Bereich, der gewissermaßen jenseits des Beobachtbaren liegt, nicht nur eine neue Thematik auftaucht, sondern zugleich die Notwendigkeit einer Erweiterung der theoretischen Mittel zu seiner Darstellung entsteht.

Die Nicht-Realität und Nicht-Mundanität des intelligiblen Objekt, des Noemas, ist auch der Punkt an dem Husserls Phänomenologie anknüpfte. Husserl versuchte, die Idealität als einen authentischen Modus zu bestimmen, dessen Grund die lebendige Präsenz, die Selbstpräsenz des transzendentalen Lebens, als Möglichkeit der Wiederholung eines produktiven Akts ist. Die Idealität ist der Rechtfertigungsgrund der die Metaphysik begründenden Unterscheidung von Form und Materie. Wie ist also ein idealer Gegenstand, ein reines Noema möglich? Husserl antwortet: Durch die unendliche Wiederholbarkeit in der Präsens des Zeigens. Diese unendliche Iterierbarkeit des Zeigens schuldet das Noema der Tatsache, daß es aus jeder Räumlichkeit gelöst sich ausdrücken kann, ohne die Welt durchqueren zu müssen.

Zu dieser Auffassung gelangt Husserl durch seine Konzeption des Zeichens. Er unterscheidet zwischen Anzeige und Ausdruck. Der Ausdruck ist das, was ein sprechendes Subjekt sagen will, indem es sich "über etwas ausdrückt". Ein Ausdruck bedeutet etwas. Bedeutung ist also immer ein Sinn des Diskurses, ein diskursiver Gehalt. Ein Zeichen ist anzeigender Natur, wenn die volle Präsenz des Signifikats fehlt. Dies ist in der ICH-DU-Kommunikation immer der Fall. Jedem Ausdruck, d.h. alles was ein ICH ausdrücken will, muß es irgendwie vergegenständlichen (Schallwellen, Bewegungen des Köpers etc.), jeder Ausdruck muß anzeigend werden. Denn dem DU sind die Intuitionen, die Erfahrungen und Wahrnehmungen, die subjektive Seite, die die Zeichen mit Sinn ausstatten, nicht in der gleichen Weise ursprünglich präsent wie dem Redenden. Für ihn sind sie immer "nur" anzeigende Zeichen. Ausdruck gibt es nur in der Selbstpräsenz. Nur dort ist der Sinn ganz bei sich selbst, sich unmittelbar präsent.

Die Kommunikation wird hier also als Mangelsituation verstanden. Ihr ermangelt es an der Fülle und Transparenz des Sinns in der Selbstpräsenz. Was Husserl unter Selbstpräsenz versteht, führt er in seiner Analyse des "Selbstgesprächs" vor:

11 ebd., S. 394.

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"In gewissem Sinne spricht man allerdings auch in der einsamen Rede, und sicherlich ist es dabei unmöglich, sich selbst als Sprechenden und eventuell sogar als zu sich selbst Sprechenden aufzufassen. Wie wenn z.B. jemand zu sich sagt: Das hast du schlecht gemacht, so kannst du es nicht weiter treiben. Aber im eigentlichen, kommunikativen Sinne spricht man in solchen Fällen nicht, man teilt sich nichts mit, man stellt sich nur als Sprechender und Mitteilender vor. In der monologischen Rede können uns die Worte doch nicht in der Funktion von Anzeichen für das Dasein psychischer Akte dienen, da solche Anzeige hier ganz zwecklos wäre. Die fraglichen Akte sind ja im selben Augenblick von uns selbst erlebt."12

Für die Situation des Selbstgesprächs ist die Differenz zwischen Ausdruck und Anzeichen aufgehoben, sodaß sich nunmehr die Frage stellt, wie innerhalb der Sprache Repräsentation möglich wird. In bezug zu Husserl stellt Jacques Derrida die Frage nach dem Status der Vorstellung innerhalb der Sprache.

"Diese Versicherungen werfen recht unterschiedliche Fragen auf, die allesamt den Status der Repräsentation innerhalb der Sprache betreffen und zwar den Status der Repräsentation im allgemeinen Sinne von Vorstellung, aber auch im Sinne der Re­präsentation als Wiederholung oder Reproduktion der Präsentation (...). Wenn ich mich nämlich tatsächlich der Wörter bediene - sei es zum Zweck der Mitteilung oder nicht (wir klammern hier diese Unterscheidung ein und betrachten die Instanz des Zeichens überhaupt) - so schulde ich es dem Eintritt ins Spiel, (in) eine(r) Wiederholungsstruktur herzustellen (zu wirken), deren Element nur die Vorstellung sein kann. Nie kann ein Zeichen ein Ereignis sein, wenn Ereignis etwas unersetzlich und irreversibel Empirisches sein soll. Ein nur 'einmal' vorkommendes Zeichen wäre keins. (...) Denn ein Signifikant (überhaupt) muß in seiner From trotz aller_ modifizierenden Unterschiedlichkeit seines empirischen Auftretens stets wiederzuerkennen sein. (...) Diese Identität aber ist notwendig eine ideale. Deshalb ist ihr notwendigerweise Repräsentation implizit: als Vorstellung, Ort der Idealität überhaupt, als Vergegenwärtigung, Möglichkeit der reproduktiven Wiederholung überhaupt und als Repräsentation, sofern jedes signifizierende Ereignis Substitut (eines Signifikats ebenso wie der idealen Form des Signifikanten) ist. Da diese repräsentative Struktur die Bezeichnung selbst ist, vermag ich keinen 'tatsächlichen' Diskurs anzuknüpfen, ohne bereits in eine unbestimmte

12 Husserl: Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie. Bd. I. Haag: 1950, § 8.

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Repräsentativst verwickelt zu sein."13 Verwickelt in einem selbstbezüglichen Prozeß, der selbst das als äußerlich gedachte emprische Ereignis mit seinen objektiven Kategorien konfrontiert und so eine Bewegung auslöst, die die Dichotomie zwischen objektivem Ereignis und subjektivem Erlebnis ausrenkt.

"Aufgrund der ursprünglichen Wiederholungsstruktur des Zeichens überhaupt sind alle Aussichten dafür gegeben, daß die 'tatsächliche' Sprache ebenso imaginär wird wie der imaginäre Diskurs und daß umgekehrt der imaginäre Diskurs ebenso tatsächlich wird wie der tatsächliche Diskurs selbst."14 Durch die Wiederholungsstruktur des Zeichens sind wir gezwungen, die Vorstellung als Präsens von der Repräsentation als Vergegenwärtigung einer Vorstellung abhängig zu machen. Da die Ursprünglichkeit der Wiederholung jede Fundierung der Polarität zwischen Signifikat und Signifikant durch ein ein transzendentales Signifikat hintertreibt, eröffnet sich eine neue Ökonomie des Zeichengebrauchs, die dem Prozeß der Bedeutungsproduktion selbst entspricht.

"Wenn man nun zugesteht, daß jedes Zeichen überhaupt einer ursprünglichen Wiederholungsstruktur verpflichtet ist, so ist die allgemeine Unterscheidung zwischen fiktivem und tatsächlichem Gebrauch bedroht. Das Zeichen aber ist ursprünghch von der Fiktion (Vorstellung) geprägt. Das bedingt, daß hinsichtlich der anzeigenden wie der ausdrückenden Mitteilung kein sicheres Kriterium zur Verfügung steht, welches zwischen äußerer und innerer Sprache oder, im Rahmen der zugestandenen Hypothese einer inneren Sprache, zwischen tatsächlicher und fiktiver Sprache zu unterscheiden erlaubte. Eine derartige Unterscheidung ist indes für Husserl unverzichtbar, um die Äußerlichkeit der Anzeige gegenüber dem Ausdruck (und was damit zusammenhängt) unter Beweis zu stellen. Erklärte man solche Unterscheidungen für unstatthaft, so hätte das für die Phänomenologie eine Reihe destruktiver Konsequenzen."15

Die Situation des Selbstgesprächs verschiebt nun das Verhältnis von Innerlichkeit und Äußerlichkeit derart, daß nichts Äußerliches mitgeteilt und damit repräsentiert wird, sondern im reinen Ausdruck soll sich die Zwecklosigkeit von Delegation und

13 Jacques Derrida: Die Stimme und das Phänomen. Frankfurt: Suhrkamp 1976, S. 102-104.

14 ebd., S. 104.

15 ebd., S. Ulf.

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Repräsentation zeigen. Der reine Ausdruck jedoch ereignet sich nur in der ungeteilten Einheit eines temporalen Präsens. Die Idealität des reinen Ausdrucks hängt also von der Punktualität, das Jetzt des Präsens wesentlich ab. Wäre die Punktualität des Augenblicks ein Mythos, so wäre die gesamte Argumentation Husserls im Kern erschüttert. Wenn die Stimme das Medium ist, in dem sich das ideale Objekt bei Husserl konstituiert, dann ist zu fragen, was die Stimme prädestiniert - warum das Phonem das 'ideale' Zeichen ist und was die Stimme zu der signifikanten Substanz macht?

"Um Rechenschaft von der phänomenologischen Macht der Stimme abzulegen, gilt es also, den Begriff reiner Selbst-Affektion zu präzisieren und zu beschreiben, welche Besonderheiten ihm Universahtät zukommen lassen. Als reine Selbst-Affektion scheint die Operation des Sich-sprechen-Hörens bis auf die Innenseite der Oberfläche des eigenen Körpers reduziert zu sein. Und sie scheint in ihrem Phänomen-Sein von diesem Außen im Innen, von diesem inneren Raum, in dem sich unsere Erfahrung und unser Bild des eigenen Körpers erstrecken, sich abheben zu können. Deshalb kann sie als absolut reine Selbst-Affektion in einer Nähe zu sich selbst erlebt werden, die nichts anderes ist als die absolute Reduktion des Raums selbst. Und diese Reinheit macht universalitätsfähig. Auf keinerlei Eingriff einer bestimmten innerweltlichen Oberfläche angewiesen, sondern vielmehr sich selbst in der Welt als reine Selbst-Affektion erzeugend, ist die Stimme völlig disponible signifikante Substanz. Bei ihrem Austritt in die Welt trifft sie auf kein Hindernis, weil sie sich als reine Selbst-Affektion erzeugt. Diese Affektion ist das, was man Subjektivität oder Für-sich nennt; ohne sie erschiene auch die Welt als solche nicht. Denn sie setzt in ihrer begründenden Tiefe die Einheit des (intramundanen) Tones und der phone (im phänomenologischen Sinn). Eine 'mundane' objektive Wissenschaft kann uns kaum etwas über das Wesen der Stimme lehren. Die Einheit von Laut und Stimme, die dieser erlaubt, sich in der Welt als eine Selbst-Affektion zu erzeugen, ist die einzige Instanz, auf die die Unterscheidung von Intramundanität und Transzendentalität nicht zutrifft, obwohl sie diese erst ermöglicht. Diese Universalität bedingt, daß struktural begründet kein Bewußtsein ohne die Stimme möglich ist. Die Stimme ist das Bei-sich-sein in der Form der Universalität, das Mit-Bewußtsein (con-science). Die Stimme ist Bewußtsein."16

Wenn die Selbst-Affektion als Operation der Stimme das Selbst als Beziehung zu sich in der Differenz mit sich selbst erst hervorbringt, dann verdankt sich das

16 ebd., S. 136f.

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Selbst eben der Möglichkeit des Draußen, des Raumes, der Welt, der Körper etc., also all dessen, was gerade aus der Selbst-Affektion, als Bei-sich-sein des Sinns, ausgeschlossen werden sollte. Dadurch kommt in die Selbst-Affektion eine ursprüngliche Differenz, eine Differenz, die wir "Zeitigung" nennen können. "Zeitigung" darum, weil die Rede im Gegensatz zu allen anderen Signifikationsmedien keine besondere Stofflichkeit erfordert, sie scheint von rein zeitlicher Stofflichkeit.

"Der 'Quell-Punkt', die 'ursprüngliche Impression', das, woraus die Zeitigungsbewegung hervorgeht, ist selbst schon reine Selbst-Affektion und ist vor allem reine Erzeugung, da Zeitlichkeit niemals reales Prädikat eines Seienden sein kann. Die Intuition der eigentlichen Zeit kann nicht empirisch sein, sie ist eine Rezeption, die nichts empfängt. Die absolute Neuheit jedes Jetzt ist demnach nicht erzeugt; sie besteht vielmehr aus einer sich selbst erzeugenden Urimpression, (...). Diese reine Spontanietät ist eine Impression, die nichts erschafft. Das neue Jetzt ist kein Seiendes, kein erzeugtes Objekt, und jede Sprache, die diese Bewegung anders denn metaphorisch beschreiben, d.h. ihre Begriffe der Ordnung der Erfahrungsgegenstände, die durch diese 'Zeitigung' erst ermöglicht werden, entleihen will, ist zum Scheitern verurteilt. Husserl warnt ständig vor diesen Metaphern."17

Die Metapher leiht dem nicht mehr als Gegenstand Vorstellbaren jene Präsenz, die als Voraussetzung für Besprechbarkeit überhaupt genommen werden kann. Die Wirkungsweise der Metapher jedoch bleibt unbesprechbar und zieht, einmal in den Blick gerückt, immer neue Metaphern nach sich. Eine Sprache, die ohne diesen metaphorischen Vehikel verfährt und von daher nicht mehr in dem uns vertrauten Sinn Erkenntnisse vermittelt, wäre die Günthersche Negativsprache, die als allgemeiner Codex für Handlungsvollzüge verstanden werden kann. Günther selbst hat darauf hingewiesen, "daß der Freiheitsgrad bzw. das Entscheidungsproblem, das durch die Differenz von kenogrammatischer Ebene und Wertebene gegeben ist, als systematischer Ort für die Entwicklung einer operativen, nicht positivsprachlichen (sprachanalytischen) Handlungstheorie angegeben werden muß"18.

Wenn es aber nicht darum gehen kann, sich der Vieldeutigkeit mystischer Praktiken zu überantworten, so bedarf es eines Kalküls, der die traditionelle Begrifflichkeit in einer Weise umzuschreiben erlaubt, daß darin die Produktion der Begriffe selbst

17 ebd., S. 141.

18 Ditterich / Kaehr: Einübung, S. 388.

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sichtbar gehalten werden kann. Da mit dem 'Umschreiben' ein kreativer Prozeß in Gang gesetzt ist, kann es nicht nur darum gehen, einen Begriffsapparat durch einen anderen zu ersetzen, sondern vielmehr um eine zweifache Strategie, deren Struktur an der Wiederholung orientiert ist. Diese doppelte Annäherung spielt sich in ein Außen, von dem sie nur dann zurückkehren kann, wenn es gelingt, Innen und Außen ohne Preisgabe der Grenze in ein Wechselspiel zu verwickeln. Innen und Außen als zwei getrennte Bereiche, von denen ausgehend man ein jeweils anderes Verhältnis zum Gegenstand gewinnen kann, dessen Grenzen sich aufzulösen beginnen. Daher entzieht sich dieser Gegenstand jedem abbildenden Verfahren, das im Abbild immer nur dasjenige darzustellen vermag, was bereits als Urbild gewußt wurde.

Dem gegenüber ist von dem Prozeß des 'Umschreibens' der Gegenstand und das Beschreibungsverfahren in gleicher Weise betroffen, sodaß komplementär zu den immer neuen Relationen, die im Prozeß des Beschreibens erzeugt werden können, auch deren Bezug zu dem Ort, an dem sich die Beschreibung ereignet, hergestellt werden kann. Wenn nun mit einem komplexen Gegenstand gerechnet werden muß, so bedeutet das auch, daß dieser niemals ohne Bezug zum Ort seines Auftauchens gedacht werden kann. Die Frage nach dem Ort aber macht es erforderlich, Abstand von ihm zu nehmen, um ihn als Ort überhaupt erst in den Blick zu bekommen. Das bedeutet, daß zumindest zwei Orte angebbar sind, deren Verhältnis zueinander wiederum nur von einem anderen (dritten) Ort bestimmt werden kann. Dieser dritte Ort kann als Ort der Vermittlung verstanden werden, sodaß mit der Dreiheit der Orte eine Minimalstruktur der Vermittlung gegeben ist.

Das Günthersche Konzept der Stellenwertlogik stellt einen Kalkül zur Verfugung, der diese Vermittlungsstrukturen zu modellieren erlaubt. Der Übergang zur Dreiheit, die in sich vermittelt ist, erfordert dabei auf der Ebene der Logik die Betrachtung vondrei Subsystemen, die durch gemeinsame Werte miteinander verkettet werden. Ein derartiges Subsystem nennt Gotthard Günther Kontextur, wobei diese als Bereich definiert ist, in dem die klassische Logik ihre Gültigkeit behält.

"Darunter ist folgendes zu verstehen: Die klassische Logik als geschlossene Kontextur ist ein strikt zweiwertiges System, das durch die Prinzipien der irreflexiven Identität, des verbotenen Widerspruchs und des ausgeschlossenen Dritten bestimmt ist. Was dieses System nun zur Kontextur, in dem von uns intendierten Sinne macht, ist ein zusätzliches Postulat, das dem 'tertium non datur* attaehiert werden muß. Wir stipulieren nämlich, daß die Alternative von Affirmation und Negation so universal sein muß, daß sie durch keinen höheren

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Bestimnningsgesichtspunkt von Positivität und Negativität in der denkenden Reflexion überboten werden kann."19

Dieser einheitliche Raum, der hier vielleicht als sehr abstrakt und konstruiert erscheinen mag, ist uns aber schon seit den ersten Schultagen bekannt Die Lehrer haben viel Mühe darauf verwandt der unverbildeten Kinderseele klarzumachen, daß es unmöglich ist Äpfel als Äpfel und Birnen als Birnen zusammenzuzählen. Wir müssen erst einen Hauptnenner, einen übergeordneten Bestimmungsgesichtspunkt finden, z. B. Obst So sind 3 Äpfel und 4 Birnen eben 7 Stücke Obst. Zahlt man Obststücke, Krokodile, Küsse, Gleichungen, Ideen zusammen, so muß man zur obersten Kategorie dem Etwas-Überhaupt übergehen. D.h. in der arithmetischen Summation verschwinden die kategorialen Eigenschaften völlig. Dieser Nivellierung entspricht der einheitliche Elementbegriff in der Mengenlehre und der Existenzoperator in der Prädikatenlogik.

"Wir wollen nun einen solchen Rahmen, der absolut indifferent gegenüber allen beschränkten kategorialen Differenzen ist, die wir mit solchen Termini wie Gegenstand, Eigenschaften oder Vorgang bezeichnet haben, eine Umversalkontextur nennen. Unter dem Terminus 'Umversalkontextur' verstehen wir im Gegensatz zu dem, was man im gewöhnlichen Sprachgebrauch einen (inhaltlich sinnhaften) Kontext nennt, einen ontologischen Leerbereich von totaler Allgemeinheit und unbeschrankter Inhaltskapazität, in dem der Satz von ausgeschlossenen Dritten derart gilt, daß für den Gegensatz von Affirmation und Negation kein übergeordneter Bestimnningsgesichtspunkt mehr angegeben werden kann. Wenn uns nun gelehrt wurde, daß man Data, die aus unterschiedlichen Klassen stammen - wobei die Zahl der Klassen unbeschränkt ist - nur als 'etwas überhaupt' zusammenzählen könne, so hieß dar nichts anderes, als daß alle formalen Zahlenmanipulationen nur in dem grauen Neutrum einer solchen Universalkontextur stattfinden können, in der die Differenzen der einzelnen kategorialen Individualkontexte ausgelöscht und untergegangen sind. Die klassische Metaphysik behauptet nun, daß alle inhaltlich bestimmten Einzelkontexte, die wir in unserer Welt unterscheiden können, sich letzten Endes in einer Universalkontextur zusammenfassen lassen. Die philosophische Tradition nennt diese individuellen Klassenunterschiede gegenüber neutraler Kontextur Sein-überhaupt Sie ist unter anderem der logische Ort für alle

19 Günther, Beiträge IL S. 187t

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arithmetischen Operationen."20 Gäbe es nur eine einzige Universalkontextur, so würde diese mit der klassischen Logik übereinstimmen, deren Universalität sich dadurch ausdrückt, das sie alles, was es gibt, innerhalb ihrer selbst stattfinden lassen will

Betrachtet man nun den Bewußtseinsraum eines Subjekts als geschlossene Kontextur, so muß mit einer Vielheit von Kontexturen gerechnet werden, wenn man bedenkt, daß jeder Du-Subjektivität ein solcher Bewußtseinsraum zugesprochen werden muß. Erst die Idee der Diskontexturahtät garantiert aber, daß die einzelnen Du-Subjektivtäten nicht erneut im einem universal Subjekt aufgehoben werden.

Von hier aus läßt sich mit den Mittel der Abstraktion jedoch erneut jene einzige einheitliche Universalkontextur wiedergewinnen, wenn man alle Subjekte auf ein Universalsubjekt zurückbindet, in dem die Unterschiede zwischen den empirischen Subjekten aufgehoben sind, sodaß dieses universale Subjekt der Welt, die es als objektiv gegebene darstellen will, gegenübersteht Dieser Abstraktionsschritt genügt dem Prinzip der Universalität und Einheitlichkeit der Logik, das sich nun durch die Idee der Kontextur als 'hintergehbar' erweist

"Fehlt aber das universale Subjekt als Garant allgemeiner Subjektivität, dann sind wir nicht mehr berechtigt von dem Ich-Charakter des denkenden Subjekts auf den Ich-Charakter des gedachten Subjekts zu schließen. D. h. für jedes jeweilige denkende Ich ist jedes andere Ich nicht als Ich, sondern ausschließlich als Du (als Objekt der Welt) gegeben."21 Der Unterscheidung von Ich und Du entsprechen also zwei getrennte Bereiche, die nicht aufeinander abbildbar sind, da dem Ich der Bewußtseinsraum des Du immer unzugänglich bleibt, welcher vom Standpunkt des Ichs aus als Objekt der Welt begriffen wird, jedoch im Unterschied zur reinen Objektivität, die der irreflexiven Materie zukommt Die Grenze, die zwischen dem Ich und einem Du etabliert wurde, markiert also einen Strukturwechsel, wobei jeder der beiden Bereiche im Bezug zum jeweils anderen als äußerlich zu verstehen ist Diese strukturelle Grenze zwischen zwei Kontexturen entspricht der Idee der Diskontexturahtät, die erst garantiert, daß die einzelnen Subjektivitäten nicht erneut im Universalsubjekt aufgehoben werden.

20 Günther, Beiträge IL S. 267. 21 Günther, Idee, S. 96.

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Selbst inhaltliche Übereinstimmung kann den strukturellen Abbruch nicht aufheben, noch kann dieser durch die Unmöglichkeit die Gefühle oder Gedanken des Anderen nachzuvollziehen, vergrößert werden. Da die Radikalität des Abbruchs jenseits jeder Inhaltlichkeit begründet ist kann die sturturelle Schranke weder von Innen noch von Außen überwunden werden, sodaß zwischen einem Ich und einem Du immer eine unhintergehbare Gegensätzlichkeit besteht die nunmehr als Vielheit von Kontexturen dargestellt werden soll.

Da jedes Du für sich genommen als Ich verstanden werden muß, herrscht zwischen Ich und Du die symmetrische Situation behebiger Vertauschbarkeit für das Verhältnis zur irreflexiven Materie ist es jedoch entscheidend, ob es in Hinsicht auf das Ich oder das Du bestimmt wird. Diese Situation läßt sich in zweifacher Weise beschreiben, die als unterschiedhche Sichtweisen der Situation betrachtet werden können. Entweder man stellt sich innerhalb dieses Modells auf den Standpunkt des Ichs, dann sind alle anderen Subjekte Dus, oder man stellt sich auf den Standpunkt des Dus, dann wird dadurch aber das Ich zum Du, das heißt zum Gegenstand des Denkens. Oder aber man denkt sich "außerhalb" dieser Situation um sie als "ganze" zu beschreiben, doch dann ist man selbst ein Ich und steht dann allerdings zwei Dus gegenüber - oder man hält einen klassischen metaphysischen Metadiskurs ab, wo der Ort, von dem aus argumentiert wird, prinzipiell nicht in der Beschreibung auftauchen darf. Der Metadiskurs planiert die strukturelle Differenz von Ich-Du-Es wieder ein und macht daraus den monokontexturalen Bereich des Diskurses.

Es zeigt sich nun, daß bei der Beschreibung der Relationen von unterschiedlichen 'Hinsichten' ausgegangen werden muß, die Gotthard Günther in einem Minimalmodell der Kommunikation darstellt

SENDER

Be wMßtseiry^

^S^ Körper KANAL

EMPFÄNGER

Körper/^^

^ Bewußtsein

produziert werden, die für den Sender eine spezifische Bedeutung haben. In dem Moment allerdings, wo der Sender diese Information in die Umgebung (Kanal) abgibt, findet ein Übergang von reflexiven Bewußtseinsinhalten in irreflexive (objektive) Symbole statt Zwischen dem reflexiven Bereich des Ichs und dem Sendekanal gibt es einen strukturellen Abbruch, an dem die innerlich produzierte Bedeutung in

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meßbarer Information transformiert wird. Entsprechend wird an der Grenze zum reflexiven Bereich des Empfängers die objektivierte Information zum reflexiven Bewußtseinsinhalt des Dus. Damit ist ein zweites Umtauschverhältnis, das zwischen irreflexiver Information und reflexiver Bedeutung besteht beschrieben.

Kommunikation zwischen zwei Subjekten findet also auf dem Hintergrund dieses Umtauschverhältnisses statt, wobei das Medium als vermittelndes verstanden werden kann. Das Ich bzw. das Du sowie der vermittelnde Bereich des Kanals können jeweils für sich als Kontextur verstanden werden, sodaß sich der Reflexionprozeß als etwas erweist "was nicht ausschließlich mit Subjektivität, Innerlichkeit und Ichhaftigkeit gekoppelt ist sondern das ebenfalls als eine Variante von objektiver, physischer (meßbarer) Existenz auftreten muß, wenn geistiges Leben und intelligente Kommunikation von Ich zu Ich möglich sein soll"22. Das bedeutet nun aber, daß der vermittelnde 'Kanal', um jene Transformationen zu leisten, ebenfalls in sich reflektiert sein muß und nicht als bloße materiale Trägersubstanz zu verstehen ist Es bedarf also eines erweiterten Begriffs von Materie, der sowohl die Komponente der Irreflexivität des Materials wie auch eine reflexive Komponente umfaßt "Also der Gegenstand, das reine Objekt kann Funktionsweisen haben, die als klassisch 'objektiV oder solche, die als klassisch 'subjektiv interpretiert werden können, (...). Der trans-klassische Begriff des 'E' ist die Identität von Irreflexivität (Sein) und Prozeß (Reflexion)."23

Die symmetrische Ausgangssituation, mit der der Wechsel von Ich und Du beschrieben wurde, verschiebt sich vor dem Hintergrund des vermittelnden "Es" zur asymmetrischen Konstellation, in der die jeweilige 'Hinsicht' eingetragen werden kann. Damit sind nicht einfach Positionen miteinander konfrontiert, sondern Systeme^ von denen jedes für sich eine geschlossene Kontextur darstellt und von daher muß in dem Verhältnis zwischen Ich und Du die Beziehung zum 'Universum', in das sie eingebettet sind, immer mitbedacht werden. Wenn sich in der Situation der Kommtinikation eine "Inkommensurabilität von Information und Bedeutung"24

herausstellte, so deshalb, weil die Sprache selbst in ihrer Doppelfunktion als "1. Repräsentation der Welt und 2. Kommunikationsmittel zwischen verschiedenen S-

22 Gotthard Günther Das Bewußtsein der Maschinen. Baden-Baden: agis 1963, S. 84.

23 ebd., S. 77. 24 Günther, Beiträge m, S. 92.

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Systemen"23 niemals eine vollständige Übereinstimmung zwischen Bedeutung und Information herstellen kann.

Diese prinzipielle Heterogenität von Information und Bedeutung zeigt sich an der Grenze zwischen Ich-Subjektivität und Umwelt und ebenso an der zwischen Du-Subjektivität und Umwelt Daß diese Umwelt für jedes der beiden Subjekte eine andere ist bestimmt sich durch die Komplexität der subjektiven Systeme, welche den Transformationsprozeß, der Information in Bedeutung überfuhrt bestimmen. So ist aber neben dem Prinzip der Diskontexturahtät auch die Möglichkeit des 'Übergangs' von einer Kontextur in eine andere gegeben, was Gotthard Günther als Transkontexturalität beschreibt.

Die Beschreibung dieses Übergang kann jedoch nicht mit intra-kontexturalen Mitteln geleistet werden, denn um die Beziehung zwischen zwei Kontexturen zu beschreiben, bedarf es der Einführung einer dritten Kontextur, was auf der Ebene der Logik einen Übergang zur Dreiwertigkeit erfordert Die Asymmetrie im Verhältnis einer Kontextur zur Transkontexturalität die sich daraus ergibt, daß sich eine Kontextur zu zwei anderen verhält, kann mit der Situation der Beziehung zwischen Ich- und Du-Subjektivitäten verglichen werden. Der Wechsel des Strukturprinzips, der zumindest zwei Kontexturen betrifft, die nun mit einer dritten konfrontiert werden, wird also zum Modell der Kommunikation zwischen Subjekten umformulierbar, in dem die Relation zwischen den Subjekten als solche einbezogen werden kann. Die dritte Kontextur ist dabei als ein Standpunkt verstehbar, von dem aus die Kommunikationssituation zwischen zwei Dus informationstheoretisch behandelt werden kann, was jedoch nur als partielle Konvergenz zwischen Bedeutung und Information interpretiert werden darf.

"Nun stellt es sich aber heraus, daß ein solches Logiksystem nur einen Übergangszustand darstellen kann. Wir haben nämlich eine andere und viel tiefer gehende Asymmetrie des Ich-Du-Verhältnisses bisher unberücksichtigt gelassen. Das Subjekt als Ich und das Subjekt als Du sind ontologisch (und damit auch logisch) nicht gleichwertige Größen. Jedes Subjekt kann nur sich selbst als Ich (pseudo­objektiv) erleben. Aber ebenso wie es als Ich mit sich allein in der Welt ist so erlebt es das Du als eine prinzipielle Vielheit Das principium individuationis hat also ein Doppelgesicht: einmal trennt es das Ich vom Du, und dann trennt es das

ebd„ S. 90. /unter einem S-System wird hier ein Subjekt verstanden/

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eine Du vom nächsten. Das hat zur Folge, daß es mehr als zwei ontologische Beobachtungspunkte der Welt gibt"26

Mit dieser prinzipiellen Vielheit sind nun unterschiedliche Orte, von denen aus beobachtet werden kann, gegeben, ohne daß einer dieser Orte als Universalstandpunkt ausgezeichnet werden kann. Der Übergang zu einer Vielheit von Du-Standpunkten ermöglicht nun die Beobachtung der Kommunikationssituation zwischen Ich und Du als objektives Ereignis, wobei für das beobachtende Subjekt jedoch die Problematik des Übergangs zwischen dem subjektiven und dem objektiven Bereich in komplexerer Form wieder auftaucht.

Für die Beschreibung des Verhältnisses zwischen zwei Du-Subjektivitäten ist die triadische Konstellation von Ich-Du-Es nicht komplex genug und daher bedarf es einer zusätzlichen Sturkturerweiterung. Die Triade kann als immer noch idealistisch verstanden werden, "da in ihr die Reetablierung eines transzendentalen Subjekts möglich ist bzw. die Distribution von Ich und Du wieder reduziert werden kann"27. Erst der Übergang zur Vierheit erlaubt nun die Modellierung des Kommunikationsprozesses jenseits der klassischen gegebenen Dichotomie von Subjekt-überhaupt und Objekt-überhaupt, denn "es zeigt sich, daß erst im vierwertigen System das in der Reflexion auf die Reflexion verlorengegangene Objekt wieder entdeckt wird. Denn hier besitzt die Reflexion Stellenwerte, die nicht mehr bewußtseinsimmanent gedeutet werden können. Trotzdem umspannt das theoretische Bewußtsein noch immer das Objekt das sich jetzt in einer Vielzahl von 'Realitätsschichten' aufgliedert"28 Die Distribution von Subjektivität über mehrere logische Orte muß also durch eine Erweiterung des Objektbegriffs komplementiert werden, womit eine Vielzahl an möglichen Relationen erschlossen werden kann, deren technische Modellierung das Programm der Kybernetik ist.

Was hier anhand des Kommunikationssituation beschrieben wurde, läßt sich in der Terminologie der Kybernetik als Theorie selbstreferentieller Systeme und ihrer Umgebungen reformulieren. Dabei ist das Verhältnis zwischen System und Umgebung bzw. zwischen Subjekt und Objekt entscheidend, denn ein selbstreferentielles System produziert seine Strukturen indem es einen Bezug zu seiner Umgebung herstellt sich

26 ebd., S. 90. 27 Ditterich / Kaehr Einübung, S. 396. 28 ebd., S. 397. Vgl. auch: Günther, Beiträge I, S. 406.

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dadurch von seiner "inneren und äußeren Umgebung absetzt und sich damit seiner Eingebettetheit bewußt wird"29.

Der Mechanismus, der diese Einbettung leistet, ist damit jedoch nicht beschrieben, sondern kann erst mittels der viergliedrigen Proemialrelation, die als logischer Mechanismus des Umtausches von System und Umgebung bzw. von Subjekt und Objekt verstanden werden kann, dargestellt werden. Insofern stellt die Proemialrelation einen Mechanismus der Vermittlung dar, der den Wechsel zwischen Subjekt und Objekt auf verschiedene logische Orte verteilt, sodaß Umtausch immer auch eine Verschiebung des Systems bedeutet Diese Relation, die mit den Mitteln der klassischen Relationentheorie nicht mehr beschreibbar ist, ist nicht im Sinne eines abstraktiven Form/Inhalt Wechsels interpretierbar, wobei von der Objektebene ausgehend immer neue und abstraktere Ebenen von Metasprachen konstruiert werden. Vielmehr geht die Proemialrelation der Unterscheidung zwischen Form und Inhalt voraus und konstituiert so jegliche Relationahtät Dabei kann man die Relata als Inhalt bzw. Objekt und den Relator als Form oder Subjekt verstehen. Da zwischen den Relata und dem Relator eine Ordnung dadurch besteht daß der Relator eine Beziehung zwischen den Relata herstellt, kann das, was Relata war, nur auf einer niedrigeren Stufe zum Relator werden, bzw. das, was Relator war, kann erst auf der nächsten Stufe zum Relatum werden. Die Gesamtheit von Relata und Relator bestimmt erst die Relation, die demnach als eine Einheit von Form und Inhalt oder als Einheit von Subjekt und Objekt genommen werden kann.

Die zugleich fundierende und kreierende Funktion der Proemialrelation kann auf der Ebene der Kenogrammatik als Differenz und Einheit von Umtausch- und Ordnungsrelation betrachtet werden. Da die Kenogrammtik vor jeder Wertbelegung liegt, kann die zweigliedrige kenogrammatische Proemialrelation, sowohl als Ermöglichung der Ordnungs- als auch der Umtauschrelation gedeutet werden.

Erst die Belegung mit Werten ergibt dann die viergliedrige Proemialrelation, die auf jeder Stufe als Realisierung der Ordnung verstanden werden kann, zwischen den einzelnen Stufen jedoch findet der Umtausch statt

29 ebd., S. 399.

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"Die PR ist also eine neuartige vierstellige Relation zwischen zwei Relatoren und zwei Relata:

PR ( R j + 1 , R;, Xj, Xj^)

R —-> x M m-1

R j + 1 > Xj m

R i +2 > x i + i m + 1

Diese Form der PR nennen wir offen, da ihr Wechsel von Relator zu Relata nicht zyklisch ist:

PR(PRm) = PR«>+i

und zyklisch oder geschlossen diejenige für die gilt: PR (PRm) = PRra

Die geschlossene PR läßt sich in der Kontextlogik beschreiben und modellieren."30

Proemialität kann also als Vermittlungsmodus verstanden werden, der komplementär zum Begriff der Diskontexturahtät einen Mechanimus des Übergangs beschreibt. "Beschreiben symmetrische und asymmetrische Relation die Diskontexturahtät im gewissen Sinne von außen, so ist die Proemialrelation eine interne Beschreibung des Funktionswechsels von Operator und Operand beim Übergang in eine andere Kontextur."31

Die mit der Polykontexturalität gegebene Vielheit von Kontexturen wird von Gotthard Günther als Verbundkontextur beschrieben, wobei eine Verbundkontextur als System-Ganzheit zu verstehen ist und nicht additiv aus Einzelkontexturen zusammgesetzt werden kann. Damit ist die Isolierung einzelner Kontexturen auch nicht in der Weise möglich, daß diese ohne ihren jeweiligen relationalen Bezug innerhalb der Verbundkontextur betrachtet werden können, sondern als im Ganzen fundierte Teile.

30 Keahr, Materialien, S. 6.

31 Ditterich / Kaehr: Einübung, S. 407.

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Den jeweiligen Ort, den eine Elementarkontextur innerhalb einer Verbundkontextur einnimmt kann als ihr Standpunkt oder auch ihr Kontext betrachtet werden, womit die Fundierung im Ganzen gewährleistet - bzw. das Isoheren einzelner Elementarkontexturen verunmöghcht ist Die Angabe des Kontextes bedeutet zugleich eine Dekonstruktion des externen Beobachters, was wiederum die Einbeziehung des beschreibenden Subjekts in die Beschreibung bedeutet Für den externen Beobachter gilt, daß er seine vermeinthch 'objektive' Beschreibung eines Gegenstands nur von einem Universalstandpunkt aus leisten kann, doch dieser erweist sich insofern als erschwindelt als mit ihm die verschiedenen Standpunkte, die als gleichberechtigte betrachtet werden müssen, zugunsten des hier als objektiv bezeichneten Standpunkts hierarchisiert werden.

"Die Kontextlogik leistet deshalb eine Einbeziehung des beschreibenden Subjekts in die Beschreibung, weil die Beschreibung von jedem möglichen Standpunkt (Kontext) innerhalb des Systems aus erfolgt Es gibt in dieser Theorie der immanenten Beschreibung nicht mehr die metaphysische Hypostasierung des externen Beobachters."32 Daher kann mit den Mitteln der Kontextlogik der Beschreibungsprozeß als solcher modelliert werden.

"Wie sich später gezeigt hat, war die als allgemeine Begriffmechanik entwickelte Proemialrelation bereits durch die Einfuhrung der Kontextlogik als Komplement zur Stellenwertlogik in ihrer elementarsten formallogischen Gestalt gegeben. Durch die Kontextlogik wird der durch die Stellenwertlogik nicht erfaßte Aspekt der Subjektivitätstheorie, nämlich der Prozeß des Standortwechsels innerhalb der distribuierten Subjektivität, beschrieben. (...) Die Stellenwertlogik modelliert die Subjektivität als beschriebene und die Kontextlogik die Subjektivität als Beschreibungsprozeß."33 Dieser zweifache Akt des Beschreibens läßt sich nicht mehr in dem einheitlichen Konzept der Abbildproduktion zusammenfassen, sondern verläuft gewissermaßen parallel, sodaß der jeweilige Aspekt der Beschreibung nur von dem komplementären aus reflektiert werden kann, was eine Thematisierung des Ortes, an dem sie sich die Beschreibung ereignet, bedeutet Ein Standpunktwechsel innerhalb eines Systems, wie er durch die Kontextlogik beschrieben ist, bedeutet den Entwurf neuer Relationen. Neue Relationen zu gewinnen, darf jedoch nicht mit einer einfachen Variation verwechselt werden, denn

32 Keahr, Materiahen, S. 19. 33 Ditterich / Kaehr: Einübung, S. 400.

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den Variationen ist immer ein einziges gemeinsames Thema vorausgesetzt das die Geschlossenheit einer Beschreibung garantiert. Innerhalb eines derartigen Systems kann produziert und reproduziert werden, aber der Raum in dem es sich ereignet bleibt unbesprechbar. Demgegenüber bedeutet ein Standpunktwechsel immer auch einen Sprung in einen anderen Bereich, "ein rigoroser Kontextwechsel, der keine Brücke, wohl aber ein Sprung ist Für ihn gilt, was Heidegger vom Sprung 'von den Wissenschaften her zum Denken' sagt: 'Wohin er uns bringt dort ist nicht nur die andere Seite, sondern ein völlig anderer Bereich'"34.

Als ModeU für den Wechsel zwischen den Standpunkten innerhalb einer Kontextur kann auf der Ebene der Logik das Verhältnis zwischen Variable und Konstante betrachtet werden. Dabei muß die Konstante, die als Notierung des Standpunkts gedacht wird zu einer Variablen werden, bzw. eine Variable muß zu einer Konstanten werden, um damit einen neuen Standpunkt zu markieren. Daß damit eine andere Theorie der Beschreibung gefordert ist, zeigt sich darin, daß der Prozeß des Beschreibens nun thematisiert werden kann, was eine Konfrontation mit den Mitteln der Beschreibung, die nun in den Bück gerückt werden, bedeutet Das Doppel von a) Gegenstand einer Beschreibung und b) Beschreibungsverfahren kann nun in seiner gegenseitigen Verdeckungssituation derart modelliert werden, daß ihre Thematisierung vom jeweils anderen Ort aus geleistet wird.

Damit ist eine Figur der Selbstbezüglichkeit gegeben, die im Unterschied zum klassischen Muster des Kreises, keinerlei Spekulation bedarf, um den Verschluß von Verfahren und dem Gegenstand zu organisieren. Während der Kreis Anfang und Ende in sich selbst ist, stellt sich im Modell Gotthard Günthers Selbstbezug als chiastische Figur heraus, die nicht in sich selbst, sondern auf Umwegen zu ihrem Anfang zurückkehrt Daß der Chiasmus als Muster für dialektische Gedankengänge verstanden werden kann und von daher innerhalb der klassischen Logik nicht modellierbar ist, darüber schreibt Günther Schenk: "Will man bestimmtes Gedankengut in seiner dialektischen Beziehung darstellen, muß man sich einer anderen Normierung unterziehen, z.B. der sprachlich normierten Form 'Etwas ist-und es ist nicht'. Die konkrete Ausführung dieser allgemeinen Norm war in den Hauptentwicklungsetappen unterschiedlich. Die erste uns bekannte Grundform zur Darstellung von dialektischen Gegensätzen ist mit dem Chiasmus gegeben. Heraklit formuliert z.B.:

34 Eva Meyer: Die Autobiographie der Schrift. Basel: Stroemfeld Roter Stern 1989, S. 15.

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'Das Kalte wird warm, Warmes kalt Feuchtes trocken, Trockenes feucht' * * * A * ^ ^ 1

Die Grundform des Satzes besteht in der Verknüpfung eines Begiffs A mit einem Begriff B, der letztere wird von neuem gesetzt und mit dem ersten, also A verbunden. Der dialektische Gedankengang ist dann abgeschlossen, wenn es zum Ausgangspunkt zurückkehrt, im obigen Fall ABBA der erste Gedanke und analog ABBA der zweite Gedanke. (...) Damit (...) ist klar, daß die Denkformen und die Arten der sprachlichen Darstellungen umfangreicher sind, als es die Logik überhaupt untersuchen kann und Gegenstandsbestimmungen, die behaupten, daß sich die Logik mit den Denkformen schlechthin beschäftigt, irreführend sind."35 Ein Chiasmus ist also eine Figur, bei der sich zwei entgegengesetzte Begriffe in gekreuzter Stellung wiederholen und so die Wirkung steigern:

Der Anfang wird zum Ende

Das Ende wird zum Anfang

Wir können jetzt folgenden Graphen zeichnen:

In diesem Graphen ist der Punkt 2 erstens ein Ende und zweitens ein Anfang. Der Wechsel wird durch das Zeichen " > < " symbolisiert Dieser Graph entspricht dem proemiellen Muster, das hier in seiner geschlossen Form auftritt. Die von Gotthard Günther vorgeschlagene Erweiterung der klassischen Logik erweist sich nun als Modell, das den Anspruch erhebt, selbst dialektische Gedankengänge 'formalisierbar' zu machen.

Mit dem Begriff der Negativsprache hat Gotthard Günther ein Konzept der Erweiterung entworfen, deren Muster der Chiasmus von Umgangssprache und

35 Günther Schenk: Zur Geschichte der logischen Form, Bd. I, S. 23 51

Formalsprache ist. "Die klassische positive Umgangssprache wird um der größeren Präzision willen auf die eindeutige Formalsprache reduziert, sie bleibt aufgrund ihrer größeren Beweglichkeit sowie der fehlenden Selbstreferenz der formalen Positivsprache, deren Metasprache. Bei Beibehaltung des Kriteriums der Präzision wird nun die begriffliche Überdetermination, die den Spielraum der Umgangssprache ermöglichte, in die Formalsprache eingeführt, die durch ihre polykontexturale Struktur zur Negativsprache wird. Damit ist der Vorteil der Umgangssprache in der Formalsprache aufgehoben. Da die Komplexität der Umgangssprache durch das Prinzip der Evidenz, d.h. ihre positive Intention in engen Grenzen bleibt wird sie mit Hilfe der prinzipiell in ihrer Komplexität unbeschränkten formalen Negativsprache zu einer negativsprachlichen Umgangssprache erweitert. Damit ist der Gegensatz von Umgangssprache und Formalsprache auf der Ebene der Negativsprache wieder hergesteUt allerdings in umgekehrter Rangordnung. Die negativsprachhche Umgangssprache ist nicht mehr oberste Metasprache."36

Mit der Negativsprache ist ein Konzept vorgeschlagen, das von der begrifflichen Arbeit zur Maschine führt und darüber ein neues Verhätlnis zur Technik findet. "Denn erst über den Umweg über die technische Abbildung, Wiederholung der menschlichen Subjektivität in der Maschine, entsteht eine neue und künstliche Instanz der Vermittlung der Menschen untereinander, die dem Menschen ein Verständnis seiner selbst ermöglicht weil sie ihn von seiner Gebundenheit an die Natur, die auch der Ausgangspunkt seiner Abwehrmechanismen und Unterwerfungsstrategien ist befreit"37

36 Ditterich / Kaehr: Einübung, S. 407.

37 Meyer, Universum / Pluriversum, S. 11.

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SYSTEM UND UMGEBUNG

Im System der klassischen Oppositionen, worin sich für jeden Begriff auch sein Gegenteil angeben läßt, kann Sinn niemals ohne seinen spezifischen Gegensinn konstruiert werden. Dabei ist sowohl Affirmation als auch Negation immer schon vorausgesetzt als Garant dafür, daß man weiß, worüber man spricht. Dieser grundlegenden Duahtät entsprechen zwei unterschiedliche Denkmotive, denen zwei ebenso komplementäre Betrachtungsweisen der Welt entsprechen. Da die zwei Motive nicht auf ein allgemeineres reduzierbar sind, bedarf es einer Entscheidung, durch die das Thema des Denkens festgelegt werden kann. Das eine Thema des Denken ist das Sein selbst, als Gegebenes oder als Schöpfung, der gegenüber das Subjekt nur Abbilder produzieren kann. Die zweite Orientierung des Denkens würde den Prozeß der Schöpfung als Prozeß zum Thema haben, wobei das Subjekt die Mechanik des Prozesses verstehen will.

Ausgehend von diesen zwei Motiven, die sich wie Spiegelbilder gegenüberstehen, hat jede Entscheidung für eines von beiden zur Folge, daß das jeweils andere negiert werden muß, bzw. in den Hintergrund gedrängt wird. Diese prinzipielle Alternativsituation wird in der Struktur der klassischen Logik abgebildet, wo zwischen den logischen Werten bzw. zwischen Positivität und Negativität ein Umtauschverhältnis besteht. Das Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten garantiert, daß keine weiteren ebenbürtigen Themen eingeführt werden können und, da jeder Widerspruch durch ein weiteres Gesetz verboten ist, ergibt sich, daß die doppelte Negation wieder Affirmation ist. Affirmation und Negation stehen sich wie Spiegelbilder gegenüber und aufgrund dieser symmetrischen Struktur ergeben sich zwei isomorphe Systeme, die zwar einander inhaltlich widersprechen, strukturell jedoch identisch sind. Dabei wird unter Isomorphie, "eine Art Präzisierung des Dualismus zwischen Konjunktion und Disjunktion"1 verstanden, und zwar in einer Weise, daß gilt:

1. Jeder Aussage wird ihre Negation zugeordnet.

2. Die Grundbeziehung 'Negation' wird sich selbst zugeordnet.

Günther, Beiträge in, S. 239.

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3. Die Grundbeziehung 'Konjunktion' wird der Grundbeziehung 'Disjunktion' zugeordnet.2

In dieser isomorphen Struktur ist es gleichgültig ob das konjunktive oder das disjunktive Subsystem bevorzugt wird, da durch Negation das jeweils andere erzeugt werden kann. Daher gibt es zwar einen inhaltlichen Unterschied zwischen einer Aussage und ihrer Negation, "aber es besteht kein wesentlicher Unterschied zwischen positiven und negativen Aussagen"3.

Das Verhältnis zwischen Positivität und Negativität kann als symmetrisches Umtauschverhältnis beschrieben werden, welches jede Entscheidung in Schwebe hält. Für das Gesamtsystem der Aussagen ist es unwichtig, welche der beiden Seiten bevorzugt wird, denn es ist indifferent gegen jede Unterscheidung. Für die Interpretation der Welt jedoch ist es notwendig, daß die beiden Subsysteme einander ergänzen, d.h. auch, daß sie als einander ebenbürtig betrachtet werden müssen. Da es aber unmöglich ist gleichzeitig in beiden Subsystemen zu argumentieren, ohne daß dadurch ein Widerspruch entsteht bedarf es einer Entscheidung. Durch diese Entscheidung wird die ursprüngliche Symmetrie des Spiegelverhältnisses gebrochen und zwischen den unterschiedlichen Themen etabliert sich eine hierarchische Ordnung.

In dem nunmehr asymmetrischen Verhältnis ergibt sich ein privilegierter Standpunkt der die Schwebe zwischen Positivität und Negativität auflöst und zugleich auf der Basis dieser Entscheidung eine Ordnungsstruktur erzeugt. Für zwei Ordnungen aber gilt, daß sie sich eher bestreuen, als daß sie sich ergänzen (vgl. Eva Meyer: Die Wörter und das Labyrinth), denn "jedes System hält nämlich per se den Anspruch aufrecht für absolut genommen zu werden"4. So hat die Entscheidung für eines der möglichen Motive nicht nur eine inhaltliche Bestimmung des Aussagensystems zur Folge, sondern gleichzeitig wird die Möghchkeit des anderen Subsystems geleugnet. Dieses Zurückdrängen eines Themas bedeutet aber auch, daß die sich ergebende Interpretation der Welt prinzipiell unvollständig bleibt.

2 ebd., S. 239.

3 Vgl. ebd. 4 Meyer, Zählen und Erzählen, S. 164.

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Der Anspruch eines Systems "alles, was es gibt, innerhalb seiner selbst stattfinden zu lassen"5, verdeckt die Notwendigkeit der thematischen Entscheidung, die nicht innerhalb des System getroffen werden kann, da sie die Konstruktion desselben erst ermöglicht. Auf der Ebene der Logik bedeutet diese Entscheidung das Festlegen eines designierenden Wertes. In der klassischen Logik ist dies der positive Wert, der das Sein überhaupt designiert, der negative Wert hingegen ist designationsfrei und steht eine Wiederholung der Seinsthematik dar, die sich im negativen Wert spiegelt. Negativität kann auch als Index der Subjektivität gedeutet werden, die sich dem Sein gegenüber sieht, wobei das Sein im Denken des Subjekts abgebildet werden soll. "Die zweiwertige Logik spiegelt zwar subjektiv das Objekt ab, aber was im Spiegelbild erscheint ist eben immer nur das Objekt und niemals das Subjekt. Das letztere manifestiert sich nur als der Prozeß der Spiegelung, und der ist in dem formalen System der Zweiwertigkeit weder abgebildet noch indirekt als Relation zwischen Original (Welt) und Abbild (Bewußtseinsinhalt) darstellbar."6

Das Thema, das mittels der klassischen Logik dargestellt werden kann, ist das "Parmenideische, sich selbst gleiche, unmittelbare Sein-überhaupt"7, wobei dieses immer schon als fertiges, vorgegebenes gedacht ist - als Schöpfung Gottes. Wird Sein als schon Gewordenes betrachtet "als das Entscheidungsresultat ur­sprünglicher unentschiedener Verhältnisse"8, so findet der Prozeß der Entscheidung in einem unerreichbaren Außen statt und verlangt ein 'mythologisches Subjekt', dem die Erschaffung der Wirklichkeit zugeschrieben werden kann.

Das Subjekt kann sich zwar im objektiven Sein spiegeln, jedoch ohne daß es dadurch über seine Subjektivität, d.h. seine Fähigkeit Abbilder zu produzieren, etwas erfahren kann. Der Prozeß der Abbildproduktion kann nicht in gleicher Weise wie objektiv gegebene Gegenstände beschrieben werden, da er als Prozeß niemals zum Stillstand kommt. Da er nicht als vordenkliches gegebenes Sein betrachtet werden kann, das dem Denken 'äußerlich' wäre, muß der Prozeß, um überhaupt beschreibbar zu sein, als objektives Sein gesetzt werden und dieses 'Gesetztsein' des Gegenstandes kann mit den zwei Werten der klassischen Logik nicht mehr dargestellt werden. Der positive Wert designiert nur das Sein-überhaupt und als

5 ebd., S. 164. 6 Günther, Beiträge III, S. 60. 7 ebd., S. 140.

8 ebd., S. 244.

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Konsequenz des Isomorphieprinzips ergibt sich, daß Subjektivität pseudo-objektiv dargesteht werden muß. Die einfache Alternative zwischen Subjekt und Objekt erlaubt nicht, zwischen gegebenen und gesetzten Objekten zu unterscheiden, denn die Struktur der klassischen Logik reicht nicht aus, um diese zweite Thematik des Denkens darzustellen. "Unser Wissen von der objektiven Natur kann zwar 'subjektiv' interpretiert werden, aber es verfälscht das eigentliche Wesen der Subjektivität."9

Die Spiegelung des Subjekt im objektiven Sein verhindert wegen der strikten Symmetrie des Spiegelbildes, daß sich das Subjekt anderes als objektiviert wahrnehmen kann, "es 'sieht' sich also in diesem Widerschein nicht, es sieht immer nur 'das Andere'"10.

Alle Tätigkeiten des Subjekts verkommen zur bedeutungslosen Geschäftigkeit, deren theologische Interpretation als 'Eitelkeit des Staubes' ein Hinweis darauf ist, daß die 'im Schweiße des Angesichts' verrichtete Arbeit des Subjekts nichts Dauerhaftes und Fundamentales produzieren kann, denn Schöpfung bleibt eben jenem göttlichen Subjekt vorbehalten. Auch für die klassischen Naturwissenschaften gilt, daß das Subjekt nur negativ verstanden werden kann - als Störung in den zweiwertig formulierten Aussagen über das objektive Sein.

Wenn es aber darum gehen soll die Mechanik des Schöpfungsaktes zu verstehen, so auch darum die 'Arbeit Gottes' als etwas zu nehmen, das ins Diesseits hereingezogen werden muß. Solange es ein absolutes 'Außen' gibt, einen unerreichbaren Ort, auf den sich die mythologischen Jenseitserwartungen richten können, erscheint jede diesseitige Anstrengung als unwichtig - und alles was, sich im Diesseits als widersprüchlich heraussteht kann ins Jenseits gebannt werden, "wo nichts mehr gewußt wird vom Schweiße der Arbeit und wo die Gedanken leicht und schmerzlos beieinander wohnen"11.

Durch diese Vernichtung der Gegensätze im Jenseits, wie sie bereits in der coincidentia oppositorum des Cusaners beschrieben wird, ist zwar garantiert, daß Denken und Sein miteinander zur Deckung gebracht werden können, da dies aber in einem unerreichbaren Außen stattfindet kann davon im Diesseits nichts gewußt werden. Vernichtung der Gegensätze bedeutet auch, daß sich ein Absolutes

9 ebd., S. 61.

10 Vgl. ebd.

11 ebd., S. 255.

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etabliert, das allen Gegensätzen vorgeordnet ist und "die Vergöttlichung des Einen betreibt"12. Das Eine, das Absolute, zeichnet sich gerade dadurch aus, daß es alles aus sich entstehen läßt ohne daß dadurch ein Zweites oder ein Anderes geschaffen würde, sondern das Eine (Gott) schafft letztlich nur sich selbst. Da das Absolute aber zugleich außerhalb des Geschaffenen bleiben muß, bedarf es der göttlichen Vernunft deren Ort das Jenseits ist wo sich die Identifizierung von göttlichem Denken und Sein als coincidentia oppositorum ausdrückt.

Diese Identifizierung von Denken und Sein folgt aus dem Isomorphieprinzip der klassischen Logik, die nun auch für das göttliche Denken Gültigkeit erhält. Im Unterschied zum menschlichen Denken jedoch kann das göttliche Denken die logischen Mittel unbegrenzt einsetzen. Für das menschliche Denken, das der Zeit unterworfen ist wird angenommen, daß der Satz vom ausgeschlossenen Dritten "zwar für das Zukünftige gelte, aber auf dasselbe nicht anwendbar sei"13. Diese Begrenzung wurde nicht dem 'intellektuellen Vehikel' (vlg. Günther) zugeschrieben, sondern der Unzulänglichkeit des menschlichen Verstandes.

Für das Denken gilt also, daß es aus der Welt hinausweist in jenen metaphysischen Bereich, dessen Ordnung vom Allgemeinsten und Endgültigen her strukturiert wird. Das Prinzip dieser Ordnung ist die Hierarchie, deren Gipfel im Diesseits nicht erklommen werden kann. Daher bedeutet die Orientierung des Denkens auf das Jenseits auch, daß alle diesseitigen Anstrengungen nur von vorübergehender Bedeutung sind, und "es ist nicht zu verkennen, daß in dieser Orientierung auf das Transzendente eine totale Entwertung der Arbeit liegt"14.

Das Material der Arbeit ist nun aber nicht das Sein-überhaupt das den ersten und höchsten (hieros) Grund (arche) abgibt, sondern vielmehr das von Gegensätzlichkeit bestimmte Seiende. Wird die Gegensätzlichkeit aufrecht erhalten, so gibt es neben dem 'Einem' auch einen anderen Grund, der ebenso als der höchste genommen werden kann. Da nun zumindest zwei Gründe gegeben sind, von denen keiner aus dem jeweils anderen abgeleitet werden kann, bedarf es einer Struktur, die diese nicht reduzierbare Alternative darzustellen vermag. Da jedes hierarchische System nur einen einzigen Grund kennt reicht der strukturelle Rahmen dafür nicht aus. Ein

12

13

14

Meyer, Zählen und Erzählen, S. 164.

Günther, Beiträge II, S. 177.

Günther, Beiträge III, S. 255.

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heterarchisches System jedoch ermöglicht die Darstellung gleichrangiger Gründe. Für ein heterarchisches System gibt es also neben dem höchsten Grund noch weitere höchste Gründe, "und daher ist jeder hierarchische Grund auch ein Nicht-Grund, ein abgeleiteter. Der Grund und sein anderer/anderes sind in einem heterarchischen System zu einem komplexen Ganzen verbunden"15, wordurch Gegensätzlichkeit vereinigt und nicht vernichtet wird.

Eine derartige Struktur kennt kein Jenseits mehr, da das Verhältnis von Innen und Außen gerade die Grenzen des Absoluten thematisiert. Das bedeutet nun aber auch, daß das neu gewonnene Verhältnis zwischen Diesseits und Jenseits nicht durch die Aufhebung bzw. Auflösung der Grenze erreicht werden kann, sondern daß es nun darum geht, die Arbeit Gottes ins Diesseits hineinzuziehen. Damit ist eine Praxis gemeint die Schöpfung als Handlung versteht womit dem Denken ein gleichrangiges Motiv nebengeordnet wird. Mit Denken und Handeln sind zwei gleichrangige Motive gegeben, wobei das Denken immer hierarchisch in die Richtung des Jenseits deutet, die Handlung oder der Wille hingegen im Diesseits bleibt. "Wenn es die Aufgabe des WiUens und der Handlung ist ganz im Diesseits zu bleiben, dann darf die Mechanik des Willens sich nicht nach hierarchischen Gesetzen richten. Es ist unvermeidlich, daß sie heterarchisch strukturiert ist. Es gehört zwar zum Wesen des Denkens, daß es niemals sich selbst, sondern das Andere, Allgemeinste und Endgültige will, aber der Wille will letzten Endes nur sich selbst. Er ist seiner innersten Struktur nach zyklisch. Er kann also nirgends aus dieser Welt hinausweisen."16

Mit Hierarchie und Heterarchie sind zwei Ordnungen gegeben, die nicht aufeinander reduziert werden können, sondern in einem selber komplexen Wechselspiel mit­einander verbunden sind. Darin steht sich ein anderes Verhältnis zwischen Innen und Außen her, das als Simultanität verstanden werden kann. Da nunmehr verschiedene Standpunkte innerhalb der aus vermittelten Systemen entstehenden System-Ganzheit eingenommen werden können, wird die Grenze zwischen Innen und Außen nicht mehr als Limit verstanden, sondern markiert einen Strukturwechsel, der von einem vermittelten System aus beschrieben werden kann.

15 Josef Ditterich / Gerhard Helletsberger / Rudolf Matzka / Rudolf Kaehr: Organisatorische Vermittlung verteilter Systeme. Forschungsprojekt Siemens-AG, München: 1984, S. 98.

16 Günther, Beiträge III, S. 257.

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Dieser veränderte Begriff der Grenze kann nun auf das Verhältnis zwischen Diesseits und Jenseits derart angewendet werden, daß das Jenseits als Außerhalb genommen wird, "das die Struktur des Verhältnisses von Innen und Außen 'ist'"17. Die damit eingeleitete Einbeziehung des Jenseits bedeutet also nicht, daß die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits aufgehoben werden soll, sondern es bedarf einer Handlung, die im Diesseits das zu erbringen vermag, was der mythologische Jenseitsglaube verspricht. Dies ist aber erst dann erreicht "wenn die Reflexion den Denkraum des Jenseits von allen Inhalten restlos entleert hat und nur jenes absolute Nichts bzw. die totale Negation übrigbleibt"18. Die Grenze selbst, die sowohl Eigenschaft des Diesseits wie auch des Jenseits ist, und daher weder dem einen noch dem anderen Bereich zugeordnet werden kann, muß nunmehr neu beschrieben werden: "Sie ist die Grenze, wo Sein, so wie wir es verstehen, abbricht und sich das Bewußtsein dem absoluten Nichts gegenüber sieht".19

Damit aber in diesem Bereich der Negativität keine neuen Mythologeme entstehen können, bedarf es der Arbeit im Diesseits, die diesen Leerraum durch 'schöpferische Tätigkeit erfüllt' (vlg. Günther). Dabei wird Arbeit als nicht vergegenständlichte Arbeit verstanden, die Zweck für sich selbst ist und von daher nicht zu Ende geführt werden kann. Sie ist also in doppelter Weise zu verstehen:

1. nicht gegenständliche Arbeit, negativ gefaßt: Für die Arbeit als Abstraktion von den Momenten ihrer realen Wirklichkeit (ebenso als Nicht-Wert) findet Marx die Formulierung: 'Die Arbeit als absolute Armut. Die Armut nicht als Mangel, sondern als völliges Ausschließen des gegenständlichen Reichtums.'

2. positv gefaßt, als sich auf sich selbst beziehende Negativität, also als ungegenständliche, d.h. subjektive Existenz der Arbeit: 'Die Arbeit nicht als Gegenstand, sondern als Tätigkeit nicht als selbst Wert, sondern als lebendige Quelle des Werts. Der allgemeine Reichtum, gegenüber dem Kapital,

17 Meyer, Zählen und Erzählen, S. 164. 18 Günther, Beiträge in, S. 256. 19 Vlg. ebd.

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worin er gegenständlich, als Wirklichkeit existiert, als allgemeine Möglichkeit desselben, die sich in der Aktion als solche bewährt.'20

Dieser 'Schauplatz der Arbeit vor dem Wert' ist der Ort, an dem Arbeit von zwei gegensätzhchen Standpunkten aus beschrieben werden kann. Entspricht ihr einerseits die absolute Armut als Gegenstand und andererseits die 'allgemeine Möglichkeit des Reichtums als Subjekt und als Tätigkeit' (vgl. Eva Meyer), so sind damit zwei nicht aufeinander reduzierbare sich widersprechende Bestimmungen gegeben, die sich nur in einem komplexen System organisieren lassen. Darin sohte sich eine Beschreibung nicht vergegenständlichter Arbeit geben lassen, die der Produktion als Prozeß gerecht wird.

Da der Prozeß niemals ganz im Produkt aufgeht kann das Verhältnis zwischen Produktionsprozeß und Produkt nicht länger hierarchisch beschrieben werden, denn dabei würde das Produkt definitorisch festgelegt und zu einem Abschluß gebracht der jede Prozessualität nicht nur zum Stillstand bringt sondern diese als zweitrangig subsumiert. Wird nun aber der Prozeß und das Produkt als gleichrangig betrachtet, so kann weder eine vorrangige Funktionsdefintion noch eine lineare Abfolge von Erzeugungsschritten angegeben werden.

Der lineare Produktionsprozeß, der von einem bereits definierten Produkt ausgeht und dieses in der Reihenfolge der nötigen Arbeitsschritte erzeugt, findet seinen Abschluß in einer Funktionsprüfung, die nachträglich Konstruktionsplan und Produkt vergleicht. Mit wachsender Kompliziertheit des Produkts jedoch ergibt sich ein prinzipiell unabschheßbarer Prüfungsprozeß. "Nach klassischem Denkmuster erfolgt die Entwicklung und dann die Fertigung, sowie erst die Konstruktion und dann die Verifikation."21

Die Entwicklung eines Produkts findet in getrennten Phasen statt wobei der materiellen Produktion eine Simulaton des Produkts zur Überprüfung des Funktionsplans vorausgeht, und ebenso wird nach Abschluß der Konstruktion des Produkts dieses auf Fehler überprüft. Da nun aber die Prüfungsprozesse prinzipiell unabschließbar sind, beginnen sich die einzelnen Phasen zu überlagern, sodaß im ursprünghch linearen Ablauf nunmehr Verzweigungspunkte auftreten, "an denen der

20 Meyer, Zählen und Erzählen, S. 51. 21 Ditterich u. a., Vermittlung, S. 45.

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(im Prinzip vorwärts) gedachte Weg des Produkts durch rückläufige Schleifen supplementiert wird, und diese Schleifen umfassen alle Phasen des Produktionsprozesses"22. Ziel dieses Prozesses ist es, ein Produkt, das keine Fehler aufweist, herzustellen. Da die Überprüfung jedoch unvollständig bleibt, ist es aus prinzipiellen Gründen unmöglich das klassische O-Fehler-Ziel zu erreichen.

Nun hat man sich mit dieser Situation arrangiert indem man sich mit möglichst guten Annäherungen zufrieden gab. Es stellt sich jedoch die Frage, welche Organisationsprozesse einer prinzipiell anderen Auffassung vom Verhältnis zwischen Produkt und Produktion entsprechen, denn eine geänderte Auffassung von Produktion korrespondiert mit einer ebenso modifizierten Definition vom Produkt. Klassisch werden diese Prozesse mit der dualen Begriffhchkeit von Struktur und Funktion beschrieben, wobei für den Erzeugungsprozeß die Struktur entscheidend ist, für den Gebrauchszusammenhang jedoch die Funktion.

"Struktur und Funktion sind Abstraktionen, mit ihnen wird vom konkreten Objekt in zwei Richtungen abstrahiert, in Richtung des Erzeugungskontexts und in Richtung des Gebrauchskontexts. Das Modularitätsprinzip impliziert, daß diese beiden Abstraktionen das Objekt vollständig beschreiben, jedenfalls hinreichend vollständig für alle Kontexte, die für das Produktionsunternehmen relevant sind."23

Dabei garantiert das Modularitätsprinzip, daß alle 'Teile' des Objekts durch andere Teilobjekte gleicher Funktion ersetzt werden können, ohne daß dadurch am Gesamtobjekt etwas verändert wird. "Nun ist aber die Elektronik im Zuge der Miniaturisierung bis in quantenphysikalische Bereiche vorgedrungen und dort heißt das regulative Grundprinzip nicht Modularität sondern Komplementarität plus Unscharfe. In der Quantenphysik wird der Objektbegriff durch den Prozeßbegriff komplementiert (Teilchen/Welle-Komplementarität) und eine Reduktion auf den klassischen Objektbegriff (und das zugehörige Modularitätsprinzip) ist nur um den Preis einer Unscharfe möglich." M

Komplementarität bedeutet auch, daß zumindest zwei Standpunkte eingenommen werden müssen, die einander ergänzen, ohne daß sie sich auf einen gemeinsamen Definitionszusammenhang reduzieren lassen. Dem entspricht nun eine

22 Vgl. ebd.

23 ebd., S. 43.

24 Vlg. ebd.

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Produktionsweise, die parallel ablaufende und sich gegenseitige beeinflussende Prozesse kennt die jedoch im hierarchischen Schema klassischer Sukzession von Produktionschritten nicht mehr organisiert werden können. Dabei wird die 'Funktion' des Produkts auf mehrere gleichrangige Subsysteme verteilt, die untereinander vermittelt sind, sodaß nicht länger von einem vordefinierten Produkt gesprochen werden kann. Dieses wird nunmehr von unterschiedlichen Teilsystem aus entworfen und produziert, sodaß Komplexität als eine Eigenschaft des Produkts angesehen werden kann. Das komplexe Produkt ist nicht Resultat und Abschluß eines Prozesses, sondern in einem Netz parallel organisierter Abläufe kann das Produkt definiert, realisiert und gebraucht werden.

Dabei ergibt sich ein neues Verhältnis zwischen Definition und Realisierung, denn das klassische Schema der sukzessiven Konkretisierung, das auf der Identität des Objekts beruht kennt nur die eindeutige Zweckdefinition und Zielsetzung, die von jedem Zusammenhang unabhängig bleibt. "Im, Gegensatz zu dieser ideellen Objektkonzeption geht die polykontexturale Objekttheorie davon aus, daß eine Objektdefinition sich nur aus dem Strukturrahmen der erzeugenden Teilsysteme gewinnen läßt"M

Das Verhältnis von Struktur und Funktion, das im klassischen Fall ein Verhältnis von vorher und nachher ist, kann nun aufgelöst werden, indem die Produktion an mehreren Orten parallel organisiert wird. Der unmittelbare Bezug zum materiellen Endprodukt bzw. die Fixierung auf eine definierte Funktion wird zugunsten der Eigendynamik des Prozesses aufgegeben, die durch wechselseitig sich beeinflussende Impulse in Gang gehalten wird. "In der zur Objekttheorie komplementären Betrachtung der Prozesse zeigt sich, daß die 'Identität' einer komplexen Organisation als Invarianz des Komplexitätsrahmens zu verstehen ist, d.h. Invarianz bei wechselnder Struktur."M

Das Objekt steht dabei im Schnittpunkt mehrerer Bestimmungsbereiche, deren Anzahl die Komplexität des Objekts bestimmt. In jede Teildefinition des Objekts muß also der jeweilige Bereich mit einbezogen werden, wobei die Schnittstellen zwischen den Bereichen als Übergang zu verstehen sind. Dieser Übergang bedeutet aber nicht einfach nur Weitergabe von Information, wenn zugleich Teildefinitionen

25 ebd., S. 67.

26 ebd., S. 68.

62

und Entscheidungen in bezug auf weitere relevante Bereiche neu organisiert werden können. Der Übergang von einem Bereich zum anderen erzeugt einen 'Transfer-Zusammenhang', wobei die wechselseitigen Impulse nicht die Gestalt von Informationen haben, "sondern von strukturellen Gestalten, die beim Bereichswechsel einen Bedeutungswechsel (Umdeutung), einen Strukturwechsel (Umschreibung), oder einen Funktionswechsel (Umfungierung) erfahren können"27.

Der Prozeß der Produktion und die Strukturierung desselben verschränken sich ineinander und die dem klassischen technischen Prozeß äußerlichen Positionen, die denselben in seinen Ablauf bestimmen, können in einem komplexen Organisationsnetz verschränkt werden. Die Komplexität des Netzes bestimmt sich aus der Anzahl der Bereiche, die intern autonom und untereinander vermittelt sind. Das klassische Verhältnis zwischen Innen und Außen muß nun derart modifiziert werden, daß der dem technischen Prozeß äußerliche Organisationsaufwand einbezogen wird, d.h. der Begriff der Umgebung muß so komplex gefaßt werden, daß heterogene Prozesse miteinander koordiniert werden können.

Zwischen System und Umgebung gibt es je nach Komplexität eine vielseitige Relationahtät, die von einem heterarchischen System realisiert wird. Die strukturellen Voraussetzungen, die gegeben sein müssen um mehrere Standpunkte zu koordinieren, können im hierarchischen Systemen nicht erzeugt werden. Obwohl auch für ein hierarchisches System unterschiedliche Standpunkte denkbar sind, müssen diese jedoch in verschiedenen Wichtigkeitsstufungen geordnet werden, wodurch die auftretenden Impulse, die in den Produktionsprozeß einfließen eher als Störung, denn als Quelle der Kreativität interpretiert werden.

Die Fixierung auf die einmal gegebene Definition kann aber in einem heterarchischen System aufgelöst werden und das Außerhalb des Prozesses oder die Umgebung eines Systems muß nicht länger als Grenze beschrieben werden. Die Möghchkeit den Standpunkt zu wechseln, bedeutet auch, daß die Relationen zwischen gleichrangigen Systemen von einem jeweils anderen aus betrachtet und beschrieben werden könnnen.

Gibt es keinen zweiten gleichberechtigten Standpunkt so ist das Oppositionspaar System/Umgebung gleichbedeutend mit Innen/Außen, wobei diese Alternativsituation unhintergehbar ist und daher selber keine Umgebung hat. "D.h. daß ein klassisch definiertes System die Dualität von System/Umgebung annehmen, akzeptieren muß

27 ebd., S. 41. 63

und sie nicht als Ganze negieren bzw. verwerfen kann."28 Dabei bedeutet das 'Negieren der Alternative als Ganze', daß eine zusätzliche Operation eingeführt werden muß, denn die klassische Negation bezieht sich nur auf die Duahtät zwischen System und Umgebung. "Heterarchische Systeme sind dem Grad ihrer Komplexität entsprechend nicht bloß mit einem NEGATIONSOPERATOR ausgerüstet, sondern mit mehreren. Daher sind sie multi-negationale Systeme, die in der Lage sind,

a) eine vielseitige System-Umgebungs-Relationalität zu konstituieren und b) Umgebung nicht nur außerhalb des Systems, sondern auch innerhalb des Systems zu bilden."N

Dabei ist die interne Organisation jedes Systems klassisch, die Grenze jedoch erweist sich als überschreitbar. Zwischen System und Umwelt gibt es einen Abbruch und zugleich die Möglichkeit des Übergangs, der aber mit den Mitteln der zweiwertigen Logik nicht bewerkstelligt werden kann. Dabei ist Übergang nicht mit Informationsaustausch zu verwechseln, denn beim Wechsel von einem System zu einem anderen findet auch ein Bedeutungswechsel statt. Die verschiedenen Bereiche sind als autonome Zentren zu verstehen, deren gegenseitige Anerkennung eine heterarchische Sturktur voraussetzt, daneben muß es aber auch möglich sein, unterschiedhche Beziehungen zu hierarchischen Systemen zu erzeugen.

Die Autonomie der Systeme läßt sich auf der Ebene der Logik als lokaler Bereich verstehen, für den die klassische Logik weiterhin gültig ist d.h. dort gilt insbesondere das 'tertium non datur' und das Verbot des Widerspruchs, sodaß die einzelnen Bereiche strikt zweiwertig und hierarchisch strukturiert sind.

Der Transfer von Information und der gleichzeitig stattfindende Bedeutungwechsel zwischen den Bereichen wird von einem Mechanimus bewerkstelligt, der zwischen den gleichrangigen Systemen vermittelt. Um diese Vermittlung nachvollziehbar zu halten, ist es notwendig, die Mechanik des Übergangs in einen Formalapparat zu beschreiben, denn nur so kann jenseits von Spekulationen ein technisches Artefakt entworfen werden, das den Anforderung eines komplexen Produktionsprozesses entspricht. Folgender Graph zeigt das Grundkonzept der Schnittstellen zwischen gleichrangigen Systemen.

28 ebd., S. 101. 29 ebd., S. 100.

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Z =: Zweck; M =: Mittel •» =: Ordnungsrelation $ =: Umtauschrelation l =: Kongruenzrelation

M l er

M3 O-

>o z : S l T S2

«- r r i2 Q- • * o ZZ S3

*4 z:

"Der Wechsel zwischen S1 und S2 ist definiert aufgrund der Systemverschiebung als Umtausch der Zustände zugleich mit dem Systemwechsel, was z.B. heißt: Zweck für S1 wird Mittel für S2, und umgekehrt. In dieser Umtauschrelation ist ein wechselseitiger dynamischer Übergangsmodus gegeben. Nachdem beide Teilsysteme nicht in einem sukzessiven Koppelungsmodus einer Hierarchie stehen, jedes Teilsystem kann als aktives System autonom operieren, aber für den Transfer von Informationen muß der Umtausch der Bedeutungen mitgedacht bzw. mitreahsiert sein. Die Transfers sind aufgrund der Verknüpfungsgraphen, wenn man sie explizit (...) formuliert, gerichtete Übergänge, wo beide Richtungen unterschiedliche Bedeutungszusammenhänge realisieren."x

An -der Schnittstelle zweier Systeme wird das Verhältnis von Ordnung und Umtausch bestimmt. Der Mechanismus der Proemialrelation steht dabei die Rahmenbedingung zur Organisation verteilter Systeme bereit. Da die möglichen Objekte davon nicht betroffen sind, sondern vielmehr erst die Eröffung oder das Vorspiel einer Theorie der Systeme eingeleitet ist, kann die Proemialrelation als Bedingung der Möglichkeit der Grundbestimmungen von Systemen, seien sie nun hierarchisch oder heterarchisch, verstanden werden. Dabei ist die Anzahl der zur Verfügung stehenden Systeme für die Komplexität der entstehenden Struktur

30 ebd., S. 89.

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entscheidend. Diese geht zwar von den klassischen Baumsturkturen aus, die innerhalb der Bereiche realisiert sind, aber da auch heterarchische Strukturen entstehen, gibt es neben Figuren zwischen Linie und Stern auch die Möglichkeit einen Kreis zu ziehen. Dabei erschließt sich ein mehrliniges Konzept, in dem auch Selbstrückbezüglichkeit beschrieben werden kann. Dieses Konzept wird von zumindest zwei gleichrangigen Systemen ermöglicht die durch ein drittes vermittelt sind.

Das vermittelnde System ist dabei ein Medium-System "der Darstellung der Spannweite der Zustandsverkettungen der Systeme in einem direkten Bezug, der sonst über die Systeme verteilten 'äußeren' Zustände der Verteilung"31. Das dritte System stellt den Ort dar, an dem sich die verschiedenen Konstellationen der autonomen Systeme zeigen. Als gewissermaßen gemeinsamen Standpunkt kann man das mediale System auch als Kontrollmedium relativ zu den direkt gekoppelten Teilsystemen betrachten. "Dieses Kontrollsystem ist auf Grund seiner Struktur von den Teilsystemen selbst erzeugt es ist kein von einem äußeren Standpunkt erzeugtes normatives Abbildungsmodell."n

Die Ermöghchung der unterschiedlichsten Relationen zwischen verschiedenen Teilsystemen bedeutet auch, daß die entstehende System-Ganzheit über Eigenschaften verfügt, die die prinzipiellen Voraussetzungen für Selbstkontrolle bzw. zur Selbststeuerung darstellen. Dabei muß das Verhältnis zwischen einem System und seiner Umwelt derart bestimmbar sein, daß die strukturelle Differenz zwischen beiden aufrechterhalten bleibt zugleich jedoch ein Transfer zwischen System und Umwelt möglich ist. Zwischen einem System und seiner Umwelt gibt es also einen Abbruch und zugleich die Möglichkeit des Übergangs, der hier als Strukturwechsel verstanden werden muß.

Die Entwicklung solcher Strukturen ist das Programm der Second Order Cybernetics, das sich mit dem Entwurf der "'Regelung der Regeler' von Systemen in turbulenten Umgebungen beschäftigt"33. "Die New Cybernetics ist also eine Kybernetik der Kybernetik und daher von 'second order'. Wie beim 'Denken des Denkens' handelt es sich hier nicht um eine Iteration, die beliebig zu vollziehen wäre, denn die Second-Order Cybernetics entwickelt Gesetzlichkeiten, die

31 ebd., S. 90.

32 Vlg. ebd.

33 Vgl. ebd.

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umfassender sind als die ihrer Thematik, und die gewisse Abschlußeigenschaften besitzen."34 Die hier entwickelten Gesetzlichkeiten dienen dem Entwurf selbst­organisierender Systeme, deren Eigenschaften Heinz von Förster folgend bestimmt:

1. Mit einem selbst-organisierenden System meine ich jenen Teil eines Systems, der sich Energie und Ordnung aus seiner Umwelt einverleibt.

2. Es gibt die Realität der Umwelt in dem Sinne, den die Akzeptanz des Relativitätsprinzips nahelegt

3. Die Umwelt besitzt Struktur.35

Unter der Voraussetzung, daß Ordnung aus der Umwelt assimiliert werden kann, d.h. es findet ein Transfer zwischen System und Umwelt statt soll also eine Struktur entworfen werden, die auf unterschiedlichen Wegen und nicht in sich selbst über ihre eigene Beschaffenheit Auskunft gibt und zugleich in der Lage ist ihre Struktur zu ändern.

Heinz von Förster bezieht sich auf ein Konzept von Werner Schrödinger, der in "Was heißt Leben" die Prinzipen "Ordnung aus Ordnung" und "Ordnung aus Unordnung" unterscheidet. Dabei entsprechen dem Prinzip "Ordnung aus Unordnung" die statistischen Gesetzlichkeiten der physikalischen Ordnung. Das Prinzip "Ordnung aus Ordnung" nennt Schrödinger den "eigentlichen Schlüssel zum Verstehen des Lebens"36. Die beiden Prinzipien lassen sich jedoch auf eines - nämlich auf "Ordnung aus Ordnung" - reduzieren, denn wie Schrödinger selbst anhand des Beispiels einer bewegten Uhr zu bedenken gibt, ist es unerheblich, ob man diese Bewegung einer Uhr als dynamisches oder als statistisches Ereignis betrachtet.

Heinz v. Förster führt nun ein weiteres Prinzip ein, das er "Ordnung aus Störung" nennt und das sich wesentlich vom Prinzip "Ordnung aus Unordnung" unterscheidet. In einem Experiment mit magnetisierten Würfeln führt Heinz von Förster vor, was mit dem Prinzip "Ordnung aus Störung" gemeint ist. Dabei werden auf gleichgroße Würfel magnetisierte Platten aufgeklebt. Die Anordnung der polarisierten Flächen ist durch entgegengesetzte Polarisierung von je zwei Paaren jener drei Flächen

34 ebd., S. 94.

35 Heinz von Förster: Sicht und Einsicht. Braunschweig: Vieweg 1985, S. 119.

36 ebd., S. 124.

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gekennzeichnet, die an zwei gegenüberliegenden Ecken zusammentreffen. Diese Würfel werden in eine Kiste mit kleinen Glaskieseln gegeben, sodaß sie sich unter Reibung bewegen, wenn die Kiste geschüttelt wird. Die Anordnung der Würfel, die am Anfang des Experiments keiner besonderen Ordnung entspricht, ändert sich sehr, nachdem die Kiste geschüttelt worden ist. Heinz v. Förster beschreibt diesen Zuwachs an Ordnung: "Nach einiger Zeit öffnen wir die Kiste, und statt eines Haufens von Würfeln, die irgendwie in der Schachtel übereinander liegen, findet sich, auch wenn Sie ihren Augen kaum trauen, ein unglaublich geordnetes Gefüge, das sich meiner Meinung nach als durchaus geeignet erweisen könnte, in einer Ausstellung surrealistischer Kunstwerke präsentiert zu werden."37 Dabei wurde dem System keine Ordnung zugeführt, sondern bihige ungerichtete Energie, von der nur jene Elemente ausgewählt wurden, die geeignet waren, die Ordnung im System zu vergrößern.

Um die Prinzipien der Ordnung auf der Ebene eines Formalismus beschreiben zu können, muß die Unterscheidung zwischen Unordnung und Störung in einer Weise präzisiert werden, die eine kalkülmäßige Formulierung ermöglicht. Für das Prinzip der Ordnung aus Unordnung gibt es bereits ein logisches ModeU, nämlich die Theorie der Wahrscheinlichkeit, denn Schrödingers Hinweis, daß es sich dabei um ein statistisches Prinzip handelt kann derart verstanden werden, daß die entstehende Ordnung den Gesetzen der Statistik folgt.

Auf der Ebene der Logik bedeutet der Übergang zu Wahrscheinlichkeitswerten eine Auflösung der starren Wertalternative. Dabei werden zwischen den Werten wahr und falsch Zwischenwerte eingeführt, sodaß die Wertebelegung über unendlich viele Stufen distribuiert wird. Da diese Erweiterung aber auf die klassische Logik zurückgeführt werden kann, zeigt sich auch hier, daß die Prinzipien 'Ordnung aus Ordnung' und 'Ordnung aus Unordnung' auseinander abgeleitet werden können.

Für das Prinzip 'Ordnung aus Störung' steht sich nun ein Zusammenhang zwischen Unordnung und Störung dadurch her, daß beide eine Distribution produzieren, 'aber was distribuiert wird ist unterschiedlich' (vgl. Gotthard Günther). Betrachtet man nun die einzelnen Würfel in Heinz von Försters Experiment als Systeme, die durch Polarisierung duale Strukturen aufweisen, so können diese als Bereiche interpretiert werden, für die die Gesetze der klassischen Logik gelten, wobei die Opposition

37 ebd., S. 125.

68

4 „

(a) M *?net« ,en«Q u a d r a r , b , V v örfe | . F a m i l j e

vorher

nachher

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zwischen Nord- und Südpol mit den Werten 0 und 1 korrespondiert, "et tertium non datur"38.

Das Schütteln wirkt nun nicht auf einzelne Werte, sondern auf logische Systeme, sodaß die Verteilung der Werte stabil bleibt die Systeme jedoch neu geordnet werden. Gotthard Günther betrachtet nun nochmals den Zustand der Systeme bevor die Kiste geschüttelt wird und stellt fest daß während im Inneren der Systeme die Ordnung durch Magnetisierung gegeben ist, für das Verhältnis der Systeme untereinander gilt daß sie sich in einem Zustand der Unordnung befinden. Daher ergibt sich, daß der Zustand innerhalb der Kiste letzthch als Verbindung zwischen Ordnung und Unordung interpretiert werden muß, sodaß Heinz von Försters Prinzip nun folgend formuliert werden kann: "Ordnung aus (Ordnung und Unordnung)".

Entscheidend wäre nun die Definition eines Operators, der die Distribution der geschlossenen Systeme organisiert. Während die klassische Logik als Beschreibung der Ordnung verstanden werden kann, bzw. mit der Wahrscheinlichkeitstheorie eine Beschreibung der Unordnung gegeben ist, gibt es auf der Basis der klassischen Logik kein Konzept das als formales Gerüst für die Beschreibung der Verknüpfung zwischen Ordnung und Unordnung verwendet werden könnte.

Um die Eigenschaften dieses Operators überhaupt zu beschreiben, muß vorerst die Frage beantwortet werden, wie aus den zwei traditionellen Werten ein logisches System gebildet werden kann. Gotthard Günther beantwortet diese Frage mit den Hinweis: "the demanded factor is by no means unknown; in fact its indication is rather trivial: what enables our two values to form a logic is the existence of the unary operator that we call negation."39 Die Wirkung des Negationsoperators in der klassischen Logik ist durch einen symmetrischen Tausch der Werte beschrieben, der sich mit den Verhätlnis zwischen links und rechts vergleichen läßt. Da diese Umtauschrelation nun geeignet ist ein logisches System zu etablieren, muß das von Förstersche Prinzip der 'Ordnung aus Störung' eine Erweiterung der Umtauschrelation darstellen. "This extension, of corse, can only be made by the introduction of additional values. In other words, von Foerstefs principle is logically definable only if we introduce a many-valued calculus."40

38 Günther, Beiträge I, S. 277. 39 ebd., S. 278. 40 Vgl. ebd.

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Die Leistung eines mehrwertigen Kalküls wäre nun die Vermittlung zwischen den isolierten Bereichen, sodaß die Autonomie der Bereiche aufrecht erhalten bleibt, aber zugleich die Möglichkeit des Übergangs zwischen den Bereichen gegeben ist. Dies wird durch die von Gotthard Günther eingeführte Funktion der Transjunktion geleistet die jenseits der klassischen Dualität von Konjunktion und Disjunktion liegt. Durch die Transjunktion wird ein System von zwei Werten als Ganzes verworfen, oder wie Gotthard Günther es nennt rejeziert, wodurch ein System als autonomer Bereich isoliert wird, denn "in doing so, it produces the distinction between a closed system and its environment"41.

Für die seltsame Architektur der Würfel im Försterschen Experiment ist mit der Transjunktion ein logisches Modell der Störung gegeben, mit dem es gelingt, isolierte Systeme in ihrer Verteilung zu modellieren. Dafür ist jedoch ein mehrwertiger Kalkül notwendig, denn in einem zweiwertigen System kann die Unterscheidung zwischen System und Umwelt nicht notiert werden. Insofern aber die klassische Logik als Modell des objektiv gegebenen Seins (O-System) verstanden werden kann, muß festgesteht werden, daß "der Versuch, dem Universum eine Umwelt anzusinnen, in einen unendhchen Regreß von einer Pseudo-Umgebung zur nächsten führt, denn von jedem O-System wird die Umwelt unvermeidlich als system-zugehörig reklamiert"42.

Beim Übergang zu Systemen deren Eigenschaften mit den Termini "Subjektivität, Ichsein, Bewußtsein und Selbstbewußtsein"43 (S-Systeme) beschrieben werden können, muß aber mit einer prinzipiellen Vielzahl von Systemen gerechnet werden. Dabei ändert sich allerdings der Begriff von Subjektivität derart, daß Subjektivität nun nicht mehr an die Existenz eines Subjekts gebunden ist, sondern ebenso als technisches Artefakt konstruiert werden kann, wobei diese Konstruktion auf der Basis eines mehrwertigen Kalküls geleistet werden muß. "Im Vollzug der Projektion menschlicher Subjektivität in die Maschine ereignet sich ein Identitätswechsel: Die

41 ebd., S. 318. 42 Günther, Beiträge I, S. 208.

43 ebd., S. 208.

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Abgabe der subjektiven Funktionen an die Maschine befreit von der Objektgebundenheit seiner Subjektivität."44

Damit ist eine Selbstentthronung des klassischen Subjekts eingeleitet sodaß beim Übergang zu komplexen System-Ganzheiten die identitätstheoretische Konzeption des Subjekts bzw. des Verhältnisses zwischen Subjekt und Objekt neu zu denken ist. Die Rationahtät des klassischen Subjekt endet mit der Übereinstimmung von Denken und Sein, wodurch zugleich angenommen wird, daß jegliche Rationahtät mit der des Menschen übereinstimmen muß. D.h. der Gültigkeitsbereich der klassischen Rationahtät ist das gesamte Universum. Ist aber das Subjekt nur ein Bruchstück des Universums, das eine Vielzahl autonomer Zentren besitzt so zerfällt die Einheit desselben, und es muß zu einem Modeh des Pluriversum übergegangen werden, in dem die verschiedenen Stehen untereinander vermittelt und als organisierte System-Ganzheit begriffen werden können.

44 Kaehr, Einschreiben, S. 198.

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MECHANIK DES DENKENS

Denkende Maschinen?

Der Mensch hat einen Körper. Er verfügt über Intuition. Er reagiert emotional. Ah das unterscheidet ihn ganz wesentlich von der Maschine. Hierin stimmen Hubert Dreyfus und John Searl, beides prominente Kritiker der KI, überein. Von Michael Polanyi haben wir gelernt, daß Menschen mehr wissen, als sie aussprechen können. Ihr Wissen sei zu einem großen Teil implizites Wissen (tacit knowing). Es bleibe gebunden an ihre Körperlichkeit Trotzdem! Ob die Maschine denken können wird wie ein Mensch, diese Frage ist nach wie vor strittig. Behauptung steht gegen Behauptung. Über Erfolg und Mißerfolg der KI entscheidet nicht welche Partei in dieser philosophischen Wahrheitsfrage recht behält, sondern das technische Produkt. Die so emphatisch vorgetragene Kritik läßt sich deshalb auch anders lesen: Eigenschaften gewinnen für den Menschen um so mehr an Bedeutung, je mehr er-im Zuge technologischer Formierung - kognitive Routinen an die Maschine abgeben und sich so historisch überholter Formen von Selbstinstrumentahsierung entledigen kann. Dabei entsteht leicht die Gefahr schlechte 'science fiction' Phanatasien mit wissenschafthchen Programmen zu verwechseln. Gotthard Günther beschreibt diejenigen Konzepte als Homunkulusideen, deren Ziel die Wiederholung menschlicher Subjektivität in einem Laborversuch und von daher aus logischen Gründen unmöglich ist. "Utopisch ist die Homunkulusidee deshalb, weil es nie. glücken kann, die Geschichte der Welt beschleunigt zu wiederholen, ohne dabei Wesentliches auszulassen. Vor allem kann man nicht am existentiellen "Anfang" beginnen, weil der letztere metaphysisch und nicht physisch ist"2 Diese Form der Wiederholung von Subjektivität in einer Retorte, geht von einer Ordung aus, die physische Zustände höherer bewertet als phsychische, welche bei geeigneter chemischer Zusammensetzung, sich dann als sekundäre ergeben sollten. Außerdem hätte ein Beobachter, der die Vorgänge in einer derartige Apparatur verfolgt keine Möglichkeit etwas über die Sturktur des Prozesses zu erfahren, da gilt, daß "der

Dieser Aufsatz ist eine überarbeitete Fassung der Textes "Mechanik des Denkens", der gemeinsam mit Arno Bamme und Ernst Kotzmann in der Zeitschrift für Didaktik der Phüosphie (Technik) im Rahmen dieses Projekts veröffentlicht wurde.

Günther, Bewußtsein, S. 167.

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'chymische' Prozeß, durch den jenes gespenstische koboldhafte Wesen aus der Retorte erzeugt werden kann, der Natur selbst überlassen werden muß, weil sie eben die einzige Reahtätsform darsteht und sich deshalb immer nur selbst wiederholen kann. Der Mensch steht dabei und schaut der Natur bloß zu, wie sie im abgeschirmten Raum des 'chemischen' Reagenzprozesses seine Gestalt und Funktion in diminuitiven Abmessungen noch einmal produziert. Sein Beitrag besteht nur darin, daß er die alchimistischen Formeln liefert, die den Reduplikationsvorgang in Gang setzen sollen. Von dem Moment an jedoch, wo der Prozeß wirklich beginnt, ist seine Mitarbeit endgültig ausgeschlossen. Es sind ihm unverständliche transzendentale Seinsgesetze, die den Prozeß durchführen sollen."3 Daß es sich um Seinsgesetzte handelt kann als Hinweis dafür genommen werden, daß Bewußtsein in dieser Konzeption als Resultat des Seins verstanden wird. Das Sein wird so zum Ursprung aher Phänomene, wobei diese Ursprünghchkeit aber keine Seinskategorie, sondern vielmehr ein metaphysischer Begriff ist Der Übergang zu einer transklassischen Technik bedeutet dann den Wechsel zu einem erweiterten Materiebegriff, wenn nicht nur irreflexives Material, sondern eine zweite Realitätskomponente, "die wir unter dem Namen 'Information' kennen gelernt haben"4, gegeben ist. Diese veränderte Situation führt zu einem Konzept von Maschinen, die als Spiegel subjektiver Funktionen verstanden werden können und so das Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt neu thematisieren.

Das Projekt der KI provoziert Fragestellungen nach dem, was der Mensch sei, auf einem neuen Niveau gesellschaftlicher Differenzierung und Integration, Fragestellungen, von denen man annahm, sie seien philosophisch längst erledigt. Wenn das Programm der KI - jenseits mystischer Spekulationen - die Formulierung einer Theorie des Denkens zu modellieren versucht so muß der sich ergebende Erkenntnisgewinn auch ein anderes Selbstverständnis des Menschen ermöglichen. Auf der 5. Österreichischen Artificial - Intelligence - Tagung in Igls bei Innsbruck fand dieses bemerkenswerte Interesse an philosophischer Reflexion seinen offensichtlichen Ausdruck: mehr als ein Drittel der im Tagungsband versammelten Beiträge sind philosophischer Natur; ein gut besuchter Workshop beschäftigte sich drei Tage lang mit philosophischen Aspekten der KI-Forschung, der sich besonders mit den Theorien Husserls, Wittgensteins und Heideggers beschäftigte.

3 ebd., S. 172. 4 Vgl. ebd.

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Eine Maschine, die Wissen nicht nur archivieren, sondern produktiv bearbeiten soll, muß über Eigenschaften verfügen, die bislang nur dem Menschen zugesprochen wurden, etwa die Fähigkeit, intelligent zu handeln, das heißt auch, zu lernen. Weil es hierbei nicht bloß um die Reproduktion von bereits Vorgegebenem geht, sondern um den Prozeß des Lernens selbst stellt sich die Frage, wie ein Verfahren beschrieben werden kann, das den Prozeß des Erlernens des Lernens modelliert. Derartige Verfahren zu konzipieren und diese letztlich als Maschine zu realisieren, dies ist ein Ziel der anspruchsvollen Bemühungen der KI-Forschung. Eng damit zusammen hängen Versuche, eine Theorie des Wissens zu formulieren, die zugleich eine formale Darstellung des Lernens ermöglicht. Denn nur eine formalisierte Theorie läßt sich in eine Maschine implementieren. Theorieentwicklung und Maschinenkonstruktion gehen ineinander über. Die Maschine ist TeU der theoretischen Konzeption.

Die KI-Forschung präsentiert sich derzeit eher als ein Konglomerat unterschiedhcher Forschungsrichtungen: Wissensrepräsentation, Mustererkennung, Sprachverständnis usw. Sie ahe haben zwar mit dem Ziel zu tun, Maschinen mit intelligentem Verhalten zu konstruieren, erreichen jedoch nur selten das diesem Vorhaben entsprechende, in der Philosophie jahrhundertelang gewachsene Problembewußtsein-die KI ist auf die Philosophie angewiesen.

PSSH vs. Konnektionismus

Nach der Physical Symbol Systems Hypothesis, kurz PSSH-Paradigma genannt verfügen physikalische Symbolsysteme sowohl über die notwendige als auch über die hinreichende Fähigkeit, intelligent zu handeln. Sie zeichnen sich durch symbolische Strukturen aus, die sich in Hard- und Software realisieren lassen. Die Vorgehensweise der PSSH-Forscher ist einleuchtend: Kognitive Prozesse werden daraufhin untersucht, inwieweit sich die ihnen zugrunde liegenden, symbolisch repräsentierten Operationen formahsieren lassen; in einem zweiten Schritt wird dann versucht, diese Formalismen auf Maschinen zu implementieren. Tatsächlich gelang es in einigen Fähen, vielversprechende Resultate zu erzielen. So entwickelten Newell, Shaw und Simon 1957 eine Logic Theory Maschine, die in der Lage ist Sätze der Aussagenlogik zu beweisen.

Das für den PSSH-Ansatz charakteristische Vorgehen, menschliches Denken in

Unterprogramme zu zerlegen, heißt letzthch, die Welt in formalisierbare

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Teilbereiche aufzuspalten. Die Implementierung wohlstrukturierter Domänen, zum Beispiel der Aussagenlogik oder der Arithmetik, auf einer Maschine ist ein Kinderspiel verglichen mit der Aufgabe, Alltagssprache in einem formalen Modell abzubilden. Trotz der Rechnergeschwindigkeit und großer Speicherkapazität ist eine effektive Operationalisierung der Semantik von Alltagssprache bisher, nicht gelungen.

Im Gegensatz zur PSSH geht der konnektionistische Ansatz nicht von aufbereiteten Formalstrukturen einzelner Operationsdomänen aus, sondern beabsichtigt, Maschinen durch Interaktion mit ihrer physischen Umwelt lernfähig zu machen. Wird Im PSSH Ansatz versucht, die Maschine durch Formalisierung der Lernprozesse lernfähig zu machen, so wird im Konnektionismus gleichsam der umgekehrte Weg beschritten. Angestrebt wird eine Maschine, die aufgrund ihrer Lernfähigkeit Formahsierungsprogramme durchführen kann. Das Wissen der Maschine ist in einem neuronalen Netzwerk verteilt gespeichert. Lernprozesse werden nicht explizit programmiert, sondern laufen in der Art eines sich selbst organisierenden Prozesses über das ganze Netzwerk verteilt ab. Sie haben eher stochastischen als algorithmischen Charakter. Über Sensoren ist die Maschine mit der Außenwelt verbunden. Anders als in der PSSH spielt die maschinelle Übertragung und Bearbeitung von Wahrnehmungen im Konnektionismus eine große Rolle. In der Mustererkennung sind konnektionistische Verfahren den symbolisch-formalen überlegen.

Obwohl beide Ansätze sich wie feindliche Brüder gegenüberstehen, haben sie zum Teil mit identischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Einmal ist das Problem der Selbstrückbezüglichkeit nach wie vor ungelöst. Zum anderen kommt es bereits bei der Bearbeitung relativ einfacher Denk- und Handlungssituationen zu Datenexplosionen.

Ein erweiterter Ansatz Selbstreferentiahtät zu modelheren ist mit dem Konzept der Kopplung (causal connection) gegeben.5 Dabei wird das Verhältnis zwischen Modellierung und Kontrolle eines Systems durch zeithch gegeneinander verschobene Prozesse dargestellt. "Sowohl die Modellbildung als wiederholbarer Prozeß, als auch die Ausführung und Unterbrechung, sowie die Änderung der direkten Prozesse durch

Die Darstellung dieser Systeme ist an den Diskussionsbeitrag von Josef Ditterich: Technik, Gesellschaft - Polykontexturalität (vorläufiges Manuskript) angelehnt.

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die Modellreflexion, geben der Kopplung einen zeitlichen Charakter, der eine erste Aufhebung und Eliminierung der Zeit darstellt. Die 'causal connection' soll das Zeitverhältnis der beiden Teüsysteme aus den strukturellen Bedingungen der Eingebettetheit des Systems in der Welt und seiner Fähigkeit zur Selbstreferentiahtät realisieren. Eine solche Funktion als Differenz der Operationszeit und Zeitverhältnis von Teilsystemen würde strukturell Diskontexturahtät voraussetzen. Die Konzeption führte daher nur zu einer pragmatischen Lösung".6

Zweiwertige vs. polykontexturale Logik

Trotz aller Unterschiede stimmt die Art des Wissens, das durch das eine oder andere der beiden eben skizzierten Systeme erzeugt und repräsentiert werden soll, darin überein, daß es als eindeutig und linear darstellbar gedacht wird. So verkommt die Welt des Wissens zu einer ungeheuren Menge von "roher" Information. Nun ist aber jede Information an einen Kontext gebunden, der es erst erlaubt von Bedeutung zu sprechen. Reduziert man Kontext zu Information, dann wird das, was die Information bestimmt selbst zur Information - ein Zirkel; oder aber es ergibt sich ein unendhcher Regress in der Form, daß Information immer auf die den Kontext bestimmende Information zurückgreifen muß. Gibt es zwischen Information und Bedeutung einen irreduziblen Unterschied, so kann Information nicht zur Basis für eine nachträgliche Bedeutungskonstruktion verwendet werden.

Um den Prozeß der Bedeutungsproduktion in das Kalkül einbeziehen zu können, bedarf es eines komplexeren Formalismus, als er in der klassischen Logik vorgegeben ist. Gotthard Günthers Konzept einer nicht-aristotelischen Logik steht den bislang wohl reflektiertesten Versuch einer solchen Erweiterung dar. Durch ihn wird die Gültigkeit der klassischen Logik auf lokale Bereiche eingeschränkt. Diese Bereiche sind miteinander vermittelt Dadurch läßt sich die Gültigkeit hierarchischer Strukturen in diesen Bereichen aufrecht erhalten. Weil es eine Vielzahl logischer Bereiche gibt, läßt sich kein einheitliches hierarchisches Prinzip mehr formulieren, das die Gesamtheit der Phänomene strukturieren könnte. Das Prinzip der Identiät und Linearität das die klassische Logik kennzeichnet weitet sich derart aus, daß nunmehr von einem polylogischen System gesprochen werden kann.

6 ebd., S. 3.

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"Polykontexturalität entsteht dadurch, daß zwischen je zwei Werten eine klassische Logik definiert ist (...) Wesentlich dabei ist nun, daß die so definierten Logiken oder Kontexturen nicht isoliert nebeneinanderstehen, sondern durch Ordnungs- und Umtauschrealtionen miteinander vermittelt sind O..)."7 Jeder Versuch die gewönne Komplexität zu reduzieren würde das vereinheitlichende Prinzip erneut einsetzen und damit die Darstellung von gleichzeitig ablaufenden und sich dabei beeinflussenden Prozessen unmöglich machen. In einem erweiterten Verständnis von Logik lassen sich formale Prinzipien formulieren, die es ermöglichen, heterarchische Strukturen zu beschreiben. Parallele Prozesse können so nicht nur ausgeführt, sondern gleichzeitig analysiert und mit den Ergebnissen der Analyse in Wechselbeziehung gebracht werden.

Selbst wenn dieser Ansatz derzeit nicht als technisches Produkt realisierbar ist da für die Komplexität der Kalküle auch eine komplexere Maschinenstruktur notwendig ist so ist seine erkenntnistheoretische Potenz unbestritten, ermöglicht er doch eine umfassende Kritik der bisherigen Ansätze, eine Kritik, die die bisherigen Kritiker der KI-Forschung miteinschließt.

So stimmen die Vertreter einer polykontexturalen Logik mit Hubert Dreyfus im Phänomenbestand des hermeneutischen Zirkels überein und akzeptieren weitgehend das, was bislang aus philosophischer Tradition dazu gesagt wurde. Jedoch ziehen sie daraus einen radikal anderen Schluß. Es sei nicht so, daß die Struktur des Phänomenbestandes sich einer Formalisierung prinzipiell entziehe; vielmehr sei es so, daß die Möglichkeiten einer zweiwertigen Logik prinzipiell nicht ausreichen, um der Komplexität des Phänomenbestandes gerecht zu werden. Die Kritik von Dreyfus bleibe dem Logozentrismus der Hermeneutik verhaftet Der Formalismus des binären Codes werde einer unhinterfragten Nichtformalisierbarkeit ganzheitlicher Komplexionen dichotomisch gegenübergesteht. Dieses Vorurteil teüe der Kritiker Dreyfus mit denen, die er kritisiert. Wenn auch mit unterschiedlichen Konsequenzen, so stimmen beide Parteien doch darin überein, daß sie von der klassischen Logik als nicht hintergehbaren Fundament der KI ausgehen.

Rudolf Kaehr: Lernen in Maschinen und lebenden Systemen. In: Design & Elektronik 6,1989, S. 150. 72

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Metaphysik vs. Wissenschaft

Das Denken als Reflexionsform sei von höherer metaphysischer Mächtigkeit als das Sein, schreibt Gotthard Günther. Es gebe Bereiche, die sich nicht in Ontologie erschöpfen und die sich nicht in zweiwertiger Logik, wie sie für die Naturwissenschaften bisher konstitutiv war, angemessen bearbeiten lassen. Der Mystizimus und der Existenzialismus haben das immer gewußt und sich dem logischen Zugriff verweigert. Zu Recht wurden sie - das war der Preis, den sie zu zahlen hatten - aus dem Kanon der etablierten Wissenschaften ausgeschlossen. Statt zu fragen, ob nicht der Begriff des exakten Denkens im aristotelischen System unzureichend sei und durch eine Systematik von größerer Tragweite ergänzt werden müsse, wurde der voreilige Schluß gezogen, daß die Metaphysik das exakte Denken überhaupt aufgeben müsse. So sind z.B. die Theorien Martin Heideggers an einen begrifflichen Apparat gekoppelt der sich jeder Logifizierung im Sinne des klassischen Formalismus entzieht. Hier, so Gotthard Günther, gehe argumentative Diktion und Terminologie ganz in eine solipsistische Poetik über, die sich jeder objektiven Kontrolle durch logische Symbole entziehe.

Metaphysisches Denken hat Fragen formuliert, die sich einer (natur-) wissenschafthchen Bearbeitung entziehen. Muß Metaphysik sich deshalb zwangsläufig in Mystik und Irrationalismus auflösen? Vor allem wenn immer deutlicher wird, daß die (Natur-) Wissenschaft Probleme erzeugt, die sie im Rahmen ihrer instrumenteilen Möglichkeiten nicht lösen kann. Gotthard Günther stellt die Frage, ob eine Metaphysik auf wissenschaftlicher Basis denkbar sei. Er unternimmt den ehrgeizigen Versuch, Philosophie, insbesondere Metaphysik, als Wissenschaft zu retten indem er, an Hegel orientiert, komplexe inhaltliche Aussagen in formale Kalküle jenseits der Grenzen der zweiwertigen Logik zu überführen trachtet.

Heinz Hülsmann hat in einem Vortrag mit dem Titel "Die technische Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit" auf ein wichtiges Thema für die Neuinterpretation des Werkes von Heidegger aufmerksam gemacht. Anders als Hubert Dreyfus, der in Heideggers Philosophie eine antitechnologische Position vermutet beharrt Hülsmann auf den durch und durch technologischen Charakter der Heideggerschen Metaphysik: Das Wesen dieser Metaphysik sei technologisch; die Technologie sei selber Metaphysik. Das ist nun insofern bemerkenswert, als Heidegger selbst in dem berühmten, posthum publizierten Spiegel-Gespräch äußerte, daß die Denkweise der überlieferten Metaphysik keine Möglichkeiten mehr biete, die

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Grundzüge des heraufdämmernden technischen Weltalters zu erfassen. Ja, mehr noch, daß dessen technisch-praktische Erfolge ein Denken im Sinne des philosophischen als überflüssig erscheinen lasse. Die letzte Frage, die die klassische Metaphysik noch stellen könne und mit der sich sich selbst aufgebe, sei die Frage nach dem Wesen der Technik.

Auch für Gotthard Günther gibt es keinen Weg in eine zukünftige Weltgeschichte, es sei denn über die Brücke der Technik. Was er aber an Heidegger kritisiert, ist die Zukunftslosigkeit seiner Philosophie. Sie habe ihre Ursache im Fehlen einer Theorie des Wollens und der Freiheit die dem Primat der Wollens Ausdruck verleiht. Das Willensproblem, das in die Zukunft deutet, kann auf dem Boden seiner Seinslehre nicht abgehandelt werden. Sein ist gewesene Freiheit. Das Sein ist der Geburtsort des Denkens, das Nichts aber ist die Heimat des Willens. Im Nichts ist nichts, solange, bis wir uns entschließen, dort eine Welt zu bauen. Diese Welt ist noch nicht geschaffen und es gibt auch keinen Weltplan für sie. Die Geschichte, an der menschliche Subjektivität beteiligt ist verfügt zwar über potentielle Zukunftsdimensionen, aber in den Grenzen der zweiwertigen Logik läßt sich über sie nicht annähernd präzise sprechen. Traditionelles Denken kann präzis sein nur hinsichtlich der Wahrheit des Seins. An ihr muß die zweiwertige Logik scheitern. Was bleibt anderes übrig als Mystizimus? Gotthard Günther plädiert für eine mehrwertige Logik, die so exakt ist, wie die bekannten klassischen Kalküle, die der höheren Komplexität und Vielfalt ihres Gegenstandes aber eher gerecht wird. Sie vermittelt nicht nur in dem uns vertrauten Sinn Erkenntnisse, sie ist zugleich ein allgemeiner Code für Handlungsvollzüge. In ihr geht es nicht nur um Sachverhalte, die festgesteht werden, sondern um eine Aufforderung, durch einen Wahlakt zu entscheiden, was werden soll. Sie ist, wenn sie sich denn realisieren läßt, die logische Basis einer reflektierten Theorie gesellschaftlichen Handelns und zugleich eine wissenschaftliche Alternative zu New-Age-Mystizismen.

Logik geht in Technik über, sagt Gotthard Günther. Sie sei, obwohl erst in der letzten regionalen Hochkultur entstanden, transkulturell, mehr noch, sie sei universell. Sozialwissenschaftlich geht es nicht darum, zu zeigen, wie Logik in Technik übergeht, zur Technologik wird, sondern darum, wie Theoretizität in Soziahtät umschlägt, vermittelt über Technologie; und zugleich muß gezeigt werden, wie Technologie aus Sozialem hervorgeht. Diese Fragestellung bzw. der methodische Apparat der zu ihrer Bearbeitung nötig ist, erfordert die Kompetenz von Natur- und Technikwissenschaftlern, ebenso, wie die von Sozial- und Geisteswissenschaftlern. In diesem transdisziphnären Zusammenhang sollte es gelingen die Relation Mensch-

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Technik aus der Subjekt/Objekt Dichotomie herauszulösen. Dabei muß der Begriff der Implementierung mit dem der "selbstreflexiven Konstitution von autonomen Systemen in ihrer Umgebung"8 komplementiert werden. Wird das gesehschafthch/technische System als polykontexturale Struktur begriffen, so ergibt sich aufgrund der Vielheit von möglichen Orte einer Mensch-Maschine Komunikation, die ihrerseits gesellschaftliche Vermittlungsprozesse realisieren kann. "Ein Subjekt löst sich also nicht in einer gesellschaftlichen Funktion auf, an der es qua Allgemeinheit teUt hat es kann sich handelnd in ein Teilsystem einbringen, es kann den Ort seiner gesellschaftlichen Handlungen wählen, aber es muß sich zur Realisierung in konkrete Prozesse begeben."9

8 Ditterich, Technik, S. 4.

9 ebd., S. 6.

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