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C.S. Lewis Pardon, ich bin Christ www.brunnen-verlag.ch BRUNNEN VERLAG BASEL Copyright-geschütztes Material

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Dieser Longseller ist seit der deutschen Herausgabe vor 40 Jahren zu einem Klassiker zum Thema "Argumente für den Glauben" geworden. Höchst logisch und mit kraftvoller Bildhaftigkeit begegnet der "Narnia"-Erfinder Lewis dem Vorurteil, man müsse den Verstand über Bord werfen, um heute noch Christ zu sein.

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C.S. LewisPardon, ich bin Christ

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C.S. Lewis

Pardon,ich bin Christ

Meine Argumentefür den Glauben

Verlag Basel . Giessen

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Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Titel der englischen Originalausgabe:«Mere Christianity»

by C.S. Lewis� C.S. Lewis Pte Ltd. 1942, 1943, 1944, 1952

Published by Brunnen Verlag Basel under licensefrom the CS Lewis Company Ltd.

Neuübersetzung (2014): Christian Rendel, Witzenhausen

Copyright der deutschen Ausgabe:4. Hardcover-Auflage

� 1977, 2014 by Brunnen Verlag Basel

Umschlag: Spoon Design, Olaf Johannson, LanggçnsUmschlagfoto: Tom Gowanlock, Shutterstock.com

Satz: Innoset AG, Justin Messmer, BaselDruck: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

Printed in Germany

ISBN 978-3-7655-1822-5

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Inhalt

Zum Geleit .............................................................. 7Vorwort von C. S. Lewis ............................................ 11

Erstes BuchRecht und Unrecht als Schlüsselzum Sinn des Universums ........................................... 21

1. Das Gesetz der menschlichen Natur.......................... 232. Einige Einwände...................................................... 293. Die Wirklichkeit des Gesetzes ................................... 354. Was steckt hinter dem Gesetz? .................................. 415. Wir haben Grund zur Beunruhigung ......................... 48

Zweites BuchWas Christen glauben................................................. 53

1. Rivalisierende Vorstellungen von Gott ....................... 552. Die Invasion............................................................ 593. Die erschreckende Alternative .................................. 664. Der vollkommene Büßer .......................................... 725. Die praktische Schlussfolgerung ............................... 79

Drittes BuchChristliches Verhalten ................................................ 85

1. Die drei Aspekte der Ethik ........................................ 872. Die Kardinaltugenden .............................................. 943. Sozialethik .............................................................. 994. Ethik und Psychoanalyse.......................................... 1055. Sexualethik ............................................................. 1116. Die christliche Ehe................................................... 120

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7. Vergebung............................................................... 1318. Die große Sünde ...................................................... 1379. Nächstenliebe ......................................................... 145

10. Hoffnung ................................................................ 15011. Glaube .................................................................... 15412. Noch einmal Glaube ................................................ 160

Viertes BuchJenseits der Persçnlichkeit – Erste Schrittezum Verständnis der Dreieinigkeit ............................ 167

1. Erschaffen und Zeugen ............................................ 1692. Gott in drei Personen ............................................... 1763. In der Zeit und jenseits der Zeit ................................ 1824. Infiziert mit dem Guten............................................ 1875. Die widerspenstigen Zinnsoldaten ............................ 1936. Zwei Anmerkungen.................................................. 1987. Tun wir so, als ob ..................................................... 2028. Ist Christsein leicht oder schwer? .............................. 2099. Die Kosten überschlagen.......................................... 215

10. Nette Leute oder neue Menschen? ............................ 22011. Die neuen Menschen ............................................... 230

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Zum Geleit

Im Jahr 2000 führte die amerikanische Zeitschrift ChristianityToday eine Umfrage über die einflussreichsten Bücher deszwanzigsten Jahrhunderts durch. Der bei Weitem am häufigs-ten genannte Autor war C.S. Lewis, und das mit Abstand amhäufigsten genannte seiner Bücher war Pardon, ich bin Christ –im Original Mere Christianity.

Pardon, ich bin Christ ist der Klassiker der christlichen Apolo-getik im zwanzigsten Jahrhundert schlechthin. Als ehemaligerAtheist, der sich in einem mehrjährigen Prozess vor allem durchphilosophisches Nachdenken dem Glauben an Gott annäherteund schließlich zum christlichen Glauben fand, war Lewis in ei-ner einzigartig günstigen Position, um sich in seine skeptischenZeitgenossen hineinzuversetzen und ihre Schwierigkeiten vor-herzusehen. Mit seiner Methode, seine Leser voraussetzungslosund allein aufgrund von Vernunftargumenten und anschauli-chen Illustrationen ans Christentum heranzuführen, hat er dasGenre nachhaltig geprägt. Viele haben versucht, ihm darin nach-zueifern, doch nur wenige konnten mit seinem Scharfsinn, sei-nem Bilderreichtum und seiner lebendigen Sprache mithalten.

Seit seinem Erscheinen 1952 hat das Buch unzählige Auf-lagen erlebt. Es wurde in etliche Sprachen übersetzt und vonMillionen von Menschen in aller Welt gelesen. Niemand weiß,wie viele Menschen ihre Hinwendung zum christlichen Glau-ben auf Pardon, ich bin Christ zurückführen. Bekannt ist aber,dass darunter auch etliche illustre Persçnlichkeiten sind, wieetwa der ehemalige amerikanische Präsidentenberater CharlesColson (1931–2012), der Genetiker und ehemalige Leiter desHumangenomprojekts, Francis Collins (geb. 1950), und derPhilosoph C.E.M. Joad (1891–1953). Bis heute ist die Popularitätdes Buches ungebrochen.

Dabei ist Pardon, ich bin Christ keineswegs über jede Kritikerhaben. Auf theologischem Gebiet war Lewis ein Laie, was erauch selbst immer wieder betont. Der renommierte britischeNeutestamentler N.T. Wright – selbst ein Bewunderer des Bu-

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ches – hat Pardon, ich bin Christ mit einer Hummel verglichen,die erstaunlicherweise fliegen kann, obwohl sie nach aller na-turwissenschaftlichen Erkenntnis dazu eigentlich gar nicht inder Lage sein dürfte. Was die philosophischen Argumente an-geht, so ist es in den letzten Jahren geradezu in Mode gekom-men, auf ihre Lücken und Unvollständigkeiten hinzuweisen.

Freilich erklären sich diese Lücken vor allem daraus, dassPardon, ich bin Christ keine hochgestochene philosophischeAbhandlung für Fachleute ist, sondern ein Buch für eine all-gemeine Leserschaft, noch dazu eines, das ursprünglich alseine Reihe von Radiovorträgen entstand. Aus Lewis’ Korrespon-denz mit den Redakteuren der BBC während der Abfassunglässt sich gut ablesen, welche eiserne Disziplin ihm die da-durch gebotene Kürze der einzelnen Kapitel abverlangte. Lewismusste sich auf das unbedingt Notwendige beschränken undkonnte somit nicht in aller Ausführlichkeit auf alle mçglichenEinwände und Nuancen zu jedem Argument eingehen. Er warsich vollkommen bewusst, dass ihn das angreifbar machte, aberdieses Risiko ging er im Interesse der Verständlichkeit und Zu-gänglichkeit seiner Gedankengänge ein.

Eines der eindrücklichsten und am häufigsten zitierten Argu-mente aus Pardon, ich bin Christ und zugleich eine der belieb-testen Zielscheiben der Kritiker ist das sogenannte «Trilemma»am Ende des Kapitels «Die erschreckende Alternative». Dort legtLewis dar, Christus habe uns durch die Behauptungen, die erüber sich selbst aufstellte, keine andere Mçglichkeit gelassen,als ihn entweder für den Sohn Gottes oder aber für einen Geis-teskranken oder einen Verbrecher zu halten.

Glaubt man den Kritikern, so hat dieses Argument mehrLçcher als ein Fischernetz. Zweifellos haben sie insofern recht,als es in der knappen Form, in der Lewis es hier präsentiert, al-len mçglichen Einwänden Tür und Tor çffnet. Dennoch ist esgerade dieses Argument, das immer wieder Leser aller Bil-dungsschichten – darunter auch Leute wie Charles Colson undFrancis Collins – davon überzeugt hat, dass der Zimmermanns-sohn aus Nazareth tatsächlich der ist, der er zu sein behauptete.

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Interessanterweise hat Lewis dieses Argument für Pardon,ich bin Christ gegenüber der ursprünglichen Fassung, die er imRadio vortrug, sogar noch gekürzt. Dort nämlich packte er einender häufigsten Einwände gleich selbst bei den Hçrnern:

Natürlich kçnnte man sich auf den Standpunkt stellen,[Jesus] habe diese Dinge überhaupt nicht gesagt, sondernseine Anhänger hätten sie nur erfunden. Aber damit würdeman die Schwierigkeit nur verlagern. Schließlich waren sieja auch Juden und damit die Letzten, denen so etwas einge-fallen wäre. Über Mose oder Elia hatte dieses Volk nie etwasDerartiges behauptet. Mit dieser Theorie handelt man sichalso statt eines unerklärlichen Verrückten nur deren zwçlfein. So kommen wir nicht aus der Sache heraus.

Warum Lewis diese Sätze, die doch vielen seiner Kritiker denWind aus den Segeln genommen hätten, aus der Buchfassungstrich, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Man sieht an diesemBeispiel jedoch, dass seine Argumente in diesem Buch oftmalsknappe Zusammenfassungen von Gedankengängen sind, diesich bei näherer Betrachtung als vielschichtiger und komplexererweisen, als sie auf den ersten Blick erscheinen. Es wäre abervoreilig, sie deswegen für oberflächlich zu halten. Eher dürfte esratsam sein, sie als Einladungen zum Weiterdenken aufzufassen.

Es ist zuzugeben, dass man in einigen Passagen dem Buchsein Alter von nun rund siebzig Jahren anmerkt (und zwar nichtnur an Kleinigkeiten wie der Anzahl der Monde im Sonnensys-tem). Vor allem betrifft dies einige Kapitel im Abschnitt über dieEthik. Über Lewis’ Frauenbild ist schon viel – auch kontrovers –geschrieben und diskutiert worden. Einige Sätze, die Anlassdazu gaben, finden sich auch in Pardon, ich bin Christ. Überseine Idee, einen Unterschied zwischen der staatlichen undder christlichen Ehe zu machen, hat sich schon sein Zeitge-nosse und enger Freund J.R.R. Tolkien ereifert. Was Lewis überPazifismus, Soldatentum und Todesstrafe zu sagen hatte, er-schien den Herausgebern der Ende der 1950er-Jahre entstande-

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nen ersten deutschen Ausgabe gar so heikel, dass sie kurzer-hand ein halbes Kapitel aus dem Text strichen. Die vorliegendeNeuübersetzung enthält erstmals auch diese Passagen in deut-scher Sprache.

Freilich macht Lewis es seinen Lesern nicht leicht, ihn zuignorieren, selbst da, wo sie ihm aufgebracht widersprechenmçchten. Auch hier merkt man bei genauerem Nachdenken,dass hinter manchen Aussagen, die veraltet anmuten, vielschich-tigere Zusammenhänge und Gedankengänge stecken, als es zu-nächst den Anschein hat. Nicht alles, was uns befremdet, weil esnicht zu unserem eigenen Zeitgeist zu passen scheint, mussdeshalb falsch sein. Lewis selbst warnte vielfach vor dem, was er«chronologischen Snobismus» nannte: der Grundannahme, allesNeue müsse immer besser und richtiger sein als alles Alte.

Man kann sich wunderbar an Lewis reiben, und das lohntsich sehr, denn oft wird man feststellen, dass sich das eigeneDenken dabei schärft. Im Ergebnis wird gewiss nicht jeder ihmam Ende zustimmen und wohl kaum einer in jedem Punkt, aberjeder wird aus der gedanklichen Auseinandersetzung großenGewinn davontragen.

Lewis’ große Stärke ist nicht nur seine Denkschärfe, sondernauch seine Spekulierfreudigkeit und Bilderkraft, mit denen eran knifflige theologische und philosophische Fragen herangeht.Besonders im letzten Teil des Buches, der sich mit der christli-chen Vorstellung von Gott befasst, spielt er diese Stärken vollaus. Seine Überlegungen zum Verhältnis von Zeit und Ewigkeitetwa sind fester Bestandteil der gedanklichen Werkzeugkistevon Generationen von Christen geworden.

Fünfzig Jahre nach Lewis’ Tod und über sechzig Jahre nachdem Erscheinen von Pardon, ich bin Christ sind viele Gedankendieses Buches ebenso aktuell wie eh und je. Mçge diese neue,erstmals vollständige deutsche Übersetzung des Klassikers vie-len künftigen Lesern den Zugang zu diesem großen christlichenDenker erschließen.

Christian Rendel, Witzenhausen, im Februar 2014

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Vorwort von C. S. Lewis

Der Inhalt dieses Buches wurde ursprünglich über den Rund-funk ausgestrahlt und dann in drei Teilen als Broadcast Talks(1942), Christian Behaviour (1943) und Beyond Personality(1944) verçffentlicht. In den Druckversionen habe ich dem,was ich am Mikrofon gesagt hatte, ein paar Dinge hinzugefügt,aber ansonsten den Text ziemlich so gelassen, wie er war. Eine«Ansprache» im Radio sollte sich meiner Meinung nach mçg-lichst wie ein echtes Gespräch anhçren, nicht wie ein laut vor-gelesener Essay.

Darum habe ich in meinen Ansprachen all die Verkürzungenund Geläufigkeiten verwendet, die ich im gewçhnlichen Ge-spräch auch benutze. Dabei habe ich es in der Druckversion be-lassen und don’t und we’ve für do not und we have eingesetzt.Und überall, wo ich in den Vorträgen ein Wort durch den Nach-druck in meiner Stimme besonders hervorgehoben hatte, habeich es kursiv gesetzt. Inzwischen neige ich zu der Auffassung,dass das ein Fehler war – ein nicht erstrebenswertes Zwischen-ding zwischen der Kunst des Sprechens und der Kunst desSchreibens. Ein Redner darf gern zur Betonung Variationen derStimme einsetzen, denn diese Methode bietet sich für sein Me-dium ganz natürlich an. Ein Schriftsteller hingegen sollte sichfür diesen Zweck nicht der Kursivschrift bedienen. Er verfügtüber seine eigenen, ganz anderen Mittel, die entscheidendenWçrter hervorzuheben, und die sollte er auch benutzen. In die-ser Ausgabe habe ich die Verkürzungen beseitigt und die meis-ten Kursivsetzungen durch eine Umstellung der Sätze, in denensie vorkamen, ersetzt. Ich hoffe jedoch, dass der «volkstümli-che» oder «ungezwungene» Tonfall, den ich von vornherein be-absichtigt habe, davon unbeschadet geblieben ist. Außerdemhabe ich Dinge hinzugefügt und andere gekürzt, wo ich derMeinung war, irgendeinen Aspekt meines Themas inzwischenbesser zu verstehen als vor zehn Jahren, oder wo ich wusste,dass die ursprüngliche Version von anderen missverstandenworden war.

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Der Leser sei gewarnt, dass ich jemandem, der zwischen zweichristlichen «Konfessionen» schwankt, keine Hilfe sein werde.Von mir erfahren Sie nicht, ob Sie Anglikaner, Katholik, Metho-dist oder Presbyterianer werden sollten. Diese Frage spare ichabsichtlich aus (selbst die gerade aufgelisteten Konfessionensind lediglich alphabetisch geordnet). Wo ich selbst stehe, istkein Geheimnis. Ich bin ein ganz gewçhnlicher Laie in derChurch of England, weder besonders «high» noch besonders«low» noch besonders sonst etwas.

Doch in diesem Buch habe ich nicht vor, irgendjemandenvon meinem eigenen Standpunkt zu überzeugen. Seit ich Christgeworden bin, war ich stets der Meinung, dass der beste undvielleicht einzige Dienst, den ich meinen nichtgläubigen Mit-menschen erweisen kann, darin besteht, den Glauben, der fastallen Christen zu allen Zeiten gemeinsam war, zu erklären undzu verteidigen. Für diese Auffassung hatte ich mehr als einenGrund. Erstens geht es in den Fragen, in denen sich Christenvoneinander unterscheiden, häufig um Feinheiten der Theo-logie oder gar der Kirchengeschichte, die den echten Fachleutenvorbehalten bleiben sollten. Ich hätte in solchen Gewässern denBoden unter den Füßen verloren und eher selbst der Hilfe be-durft, als dass ich anderen hätte weiterhelfen kçnnen.

Und zweitens müssen wir uns, glaube ich, eingestehen, dassdie Diskussion dieser strittigen Punkte überhaupt nicht geeig-net ist, einen Außenstehenden in den Schoß der christlichenGemeinde zu bringen. Solange wir über diese Dinge schreibenund reden, werden wir andere eher davon abschrecken, sichüberhaupt auf irgendeine christliche Gemeinschaft einzulas-sen, als dass wir sie in die unsere hineinziehen. Von dem, wasuns trennt, sollte nur in Gegenwart derer die Rede sein, die be-reits zu der Überzeugung gekommen sind, dass es einen Gottgibt und dass Jesus Christus sein einziger Sohn ist.

Schließlich hatte ich den Eindruck, dass viel mehr und auchbegabtere Autoren sich bereits mit solchen kontroversen Fragenbefassten als damit, das «bloße» Christentum zu verteidigen,wie Baxter es nannte. Der Frontabschnitt, wo ich mich am nütz-

12 Vorwort von C. S. Lewis

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lichsten machen zu kçnnen glaubte, war zugleich der, der aucham dünnsten besetzt zu sein schien. Und dort sah ich natürlichmeinen Platz.

Soviel ich weiß, waren das meine einzigen Motive, und eswäre mir sehr lieb, wenn die Leute aus meinem Schweigen zugewissen umstrittenen Fragen keine fantastischen Schlüsse zie-hen würden.

Zum Beispiel muss ein solches Schweigen meinerseits nichtbedeuten, dass ich selbst zwischen den Stühlen stehe. Manch-mal ist das der Fall. Auf manche Fragen, über die unter Christengestritten wird, ist uns meiner Meinung nach keine Antwortmitgeteilt worden. Auf manche werde ich vielleicht die Antwortnie erfahren. Würde ich sie stellen, selbst in einer besseren Welt,so würde ich (nach allem, was ich weiß) mçglicherweise die-selbe Antwort darauf erhalten, die einst ein viel grçßerer Fra-gesteller zu hçren bekam: «Was geht es dich an? Folge du mirnach!» Doch es gibt andere Fragen, bei denen ich genau weiß,auf welchem Stuhl ich sitze, und über die ich dennoch nichtssage. Denn ich schreibe nicht, um etwas zu erklären, was ich«meine Religion» nennen kçnnte, sondern um das «bloße»Christentum zu erklären, das so ist, wie es ist, und so war, wiees war, lange bevor ich geboren wurde und ob es mir passt odernicht.

Manche Leute ziehen voreilige Schlüsse aus dem Umstand,dass ich über die Jungfrau Maria nicht mehr sage, als ich sagenmuss, um die jungfräuliche Geburt Christi zu bekräftigen. Abermeine Gründe dafür sind doch wohl offensichtlich, oder? So-bald ich mehr darüber sagte, hätte ich mich schon auf heiß um-kämpftes Terrain begeben. Und mit keiner anderen Kontroverseunter Christen muss man so behutsam umgehen wie mit dieser.Katholiken vertreten ihre Überzeugungen zu diesem Themanicht nur mit dem gewçhnlichen Eifer, der jeden aufrichtigenreligiçsen Glauben kennzeichnet, sondern auch (vçllig natürli-cherweise) mit der besonderen und, wenn man so will, ritterli-chen Empfindsamkeit, die ein Mann verspürt, wenn die Ehreseiner Mutter oder seiner Geliebten auf dem Spiel steht. Wer da-

Vorwort von C. S. Lewis 13

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rin anderer Meinung ist als sie, steht vor ihnen allzu leicht nichtnur als Ketzer da, sondern auch noch als Schuft.

Umgekehrt beschwçren die gegensätzlichen protestanti-schen Überzeugungen zu diesem Thema Gefühle herauf, diean die Wurzeln jeden monotheistischen Glaubens rühren.Strenggläubige Protestanten sehen hier die Unterscheidungzwischen Schçpfer und Geschçpf (so heilig es auch sein mag)in Gefahr: Der Polytheismus erhebe sich wieder. Widersprichtman ihnen, so macht man sich verdächtig, noch Schlimmereszu sein als ein Ketzer – ein Heide. Wenn irgendein Thema geeig-net ist, einem Buch über «bloßes» Christentum den Garaus zumachen – wenn irgendein Thema gänzlich unergiebig ist fürLeute, die noch nicht daran glauben, dass der Sohn dieser Jung-frau Gott sei –, dann doch wohl dieses.

Kurioserweise kann man aus meinem Schweigen über um-strittene Punkte noch nicht einmal schließen, ob ich sie fürwichtig oder unwichtig halte. Denn diese Frage selbst ist jaauch umstritten. Eines der Dinge, über die Christen verschiede-ner Meinung sind, ist die Wichtigkeit ihrer Meinungsverschie-denheiten. Wenn zwei Christen unterschiedlicher Konfessionanfangen, miteinander zu streiten, dauert es meist nicht lange,bis der eine fragt, ob dieser oder jener Punkt denn «wirklich sowichtig» sei, und der andere erwidert: «Wichtig? Na hçr mal,diese Frage ist absolut entscheidend!»

Ich sage das alles einfach nur, um deutlich zu machen, wasfür ein Buch ich hier zu schreiben versuche. Ich will keineswegsmeine eigenen Überzeugungen verheimlichen oder mich ausmeiner Verantwortung dafür stehlen. Wie gesagt, was ich glau-be, ist kein Geheimnis. Um Tristram Shandys Onkel Toby zu zi-tieren: «Es steht im Gebetbuch geschrieben.»

Die Gefahr war natürlich, dass ich irgendetwas als allgemein-gültiges Christentum darstellen kçnnte, was in Wirklichkeit nurder Church of England oder (schlimmer noch) nur mir selbsteigen ist. Davor versuchte ich mich zu schützen, indem ich dasursprüngliche Manuskript des jetzigen Zweiten Buches an vierGeistliche schickte (einen Anglikaner, einen Katholiken, einen

14 Vorwort von C. S. Lewis

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Methodisten und einen Presbyterianer) und sie um ihre Beur-teilung bat. Der Methodist fand, ich hätte nicht genug über denGlauben gesagt, und der Katholik meinte, ich hätte die Bedeu-tung der Theorien, mit denen der Sühnetod Christi erklärt wird,etwas zu sehr heruntergespielt. Ansonsten waren wir uns allefünf einig. Die übrigen Bücher habe ich keiner solchen «Nagel-probe» unterzogen, weil darin zwar auch Dinge zur Sprachekommen, über die Christen unterschiedlicher Meinung seinkçnnen, aber wenn, dann sind es Meinungsverschiedenheitenzwischen Einzelnen oder zwischen Denkschulen, nicht zwi-schen Konfessionen.

Soweit ich es den Besprechungen und den zahlreichen Brie-fen, die mir geschrieben werden, entnehmen kann, ist diesemBuch, welche Mängel es sonst auch haben mag, zumindest ei-nes gelungen: Es präsentiert ein einvernehmliches, allgemei-nes, zentrales oder «bloßes» Christentum. Insofern kann es viel-leicht nützlich sein, um der Ansicht entgegenzutreten, wenn wirdie umstrittenen Punkte beiseiteließen, bliebe uns nur ein ver-schwommener, blutleerer gemeinsamer Nenner. Aber diesergemeinsame Nenner ist in Wirklichkeit nicht nur handfest, son-dern auch scharfkantig. Von allen nichtchristlichen Überzeu-gungen trennt ihn ein Abgrund, mit dem auch die schlimmstenSpaltungen innerhalb des Christentums überhaupt nicht zuvergleichen sind. Wenn ich auch nicht direkt zur Sache der Wie-dervereinigung beigetragen habe, so habe ich doch vielleichtdeutlich gemacht, warum wir uns wiedervereinigen sollten. Je-denfalls ist mir von überzeugten Mitgliedern anderer Konfes-sionen als meiner eigenen kaum etwas von dem berüchtigtenodium theologicum entgegengeschlagen. Die Feindseligkeitkam mehr von den Grenzgängern, ob innerhalb oder außerhalbder Church of England: von Menschen, die sich zu keiner Ge-meinschaft so richtig bekennen wollen. Auf eine eigentümlicheArt finde ich das trçstlich. In ihrem Zentrum, wo ihre treuestenKinder weilen, stehen sich die verschiedenen Konfessionenam nächsten – wenn nicht in der Lehre, so doch im Geist. Unddas deutet darauf hin, dass es im Zentrum einer jeden von ih-

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nen etwas – oder jemanden – gibt, der trotz aller unterschied-lichen Überzeugung, aller Verschiedenartigkeit im Tempera-ment, trotz aller Erinnerungen an gegenseitige Verfolgungen inihnen allen mit derselben Stimme spricht.

So viel zu meiner Zurückhaltung in dogmatischer Hinsicht.Im Dritten Buch, das sich mit der Moral befasst, bin ich eben-falls über einige Dinge stillschweigend hinweggegangen, aller-dings aus einem anderen Grund. Seit meinem Dienst als Infan-terist im Ersten Weltkrieg habe ich eine Abneigung gegen Leute,die sich selbst in behaglicher Sicherheit befinden, aber denMännern an der Front allerlei Ermahnungen erteilen. Infolge-dessen widerstrebt es mir auch, viel über Versuchungen zu sa-gen, denen ich selbst nicht ausgesetzt bin.

Kein Mensch, vermute ich, ist für jede Sünde anfällig. DerImpuls zum Beispiel, der Menschen zum Glücksspiel treibt, istmeiner Natur vçllig fremd. Zweifellos fehlt mir dafür irgendeinguter Impuls, dessen Übertreibung oder Perversion der Hangzum Glücksspiel ist. Deshalb hielt ich mich nicht für qualifi-ziert, Ratschläge über erlaubtes oder unerlaubtes Glücksspielzu erteilen – falls es überhaupt jemals erlaubt ist, denn nichteinmal das behaupte ich zu wissen. Auch über Empfängnisver-hütung habe ich nichts gesagt, da ich weder eine Frau nochauch nur ein verheirateter Mann bin und ein Priester ebensowenig. Ich hielt es nicht für angebracht, strenge Richtlinienüber Schmerzen, Gefahren und Kosten zu vertreten, vor denenich selbst bewahrt bin, zumal ich auch kein seelsorgerlichesAmt habe, das mich dazu verpflichten würde.

Weit gewichtigere Einwände kçnnte man dagegen erheben –und sie wurden auch schon geäußert –, dass ich das Wort Christals Bezeichnung für einen Menschen verwende, der die allgemei-nen Lehren des Christentums bejaht. «Wer sind Sie überhaupt»,fragen die Leute, «dass Sie festlegen wollen, wer ein Christ istund wer nicht?» Oder: «Kçnnte es nicht sein, dass so mancher,der an diese Lehren nicht glauben kann, in Wahrheit viel eherein Christ ist und dem Geist Christi viel näher steht als mancheGläubigen?»

16 Vorwort von C. S. Lewis

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Nun, in gewissem Sinne ist dieser Einwand vçllig richtig,überaus menschenfreundlich, zutiefst geistlich und äußerstfeinfühlig. Er vereint alle Vorzüge in sich; nur ist er leider zunichts nütze. Wir kçnnen einfach die Sprache nicht so ge-brauchen, wie diese Bedenkenträger es gern hätten, ohneSchiffbruch zu erleiden. Ich will versuchen, dies anhand der Ge-schichte eines anderen, weitaus weniger wichtigen Wortesdeutlich zu machen.

Das Wort Gentleman bezeichnete ursprünglich einmal etwasganz Bestimmtes, nämlich jemanden, der ein Wappen führteund Land besaß. Wenn man jemanden einen «Gentleman»nannte, so machte man ihm damit kein Kompliment, sondernsprach lediglich einen Sachverhalt aus. Sagte man, jemand sei«kein Gentleman», so beleidigte man ihn damit nicht, sondernman gab eine Information über ihn weiter. Es war kein Wider-spruch, wenn man sagte, John sei ein Lügner und ein Gentle-man, genauso wenig, wie es heute ein Widerspruch ist, wennman sagt, James sei ein Dummkopf und ein Dr. phil.

Aber dann kamen Leute und sagten – so richtig, menschen-freundlich, geistlich und feinfühlig, nur leider nicht nützlich:«Ja, sicher, aber was einen Gentleman eigentlich ausmacht, istdoch nicht das Wappen oder das Land, sondern sein Verhalten,oder? Ein wahrer Gentleman ist doch der, der sich so benimmt,wie es sich für einen Gentleman gehçrt, nicht wahr? In diesemSinne ist doch Edward viel eher ein Gentleman als John, findenSie nicht?»

Sie meinten es gut. Wenn man ehrbar und hçflich und tapferist, ist das natürlich viel mehr wert, als wenn man ein Wappenhat. Nur ist es nicht dasselbe. Und schlimmer noch, es ist nichts,worüber sich alle einig sein werden. Nennt man in diesem neu-en, verfeinerten Sinn jemanden einen «Gentleman», so infor-miert man damit nicht mehr über den Betreffenden, sondernman lobt ihn. Bestreitet man, er sei ein «Gentleman», so belei-digt man ihn nur noch.

Ein Wort aber, das nichts mehr beschreibt, sondern nur nochein Lob ausdrückt, sagt nichts mehr über einen Gegenstand aus:

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Es verrät uns lediglich, wie der Sprecher zu dem Gegenstandsteht. (Ein «schçnes» Essen ist schlicht und einfach ein Essen,das dem Sprecher schmeckt.) Hat man das Wort Gentlemanerst einmal durch Vergeistlichung und Verfeinerung von seinemalten ungehobelten, objektiven Sinn befreit, so bedeutet eskaum mehr, als dass der Sprecher den Betreffenden gut leidenkann. Infolgedessen ist Gentleman als Wort nutzlos geworden.Ausdrücke der Wertschätzung hatten wir schon zur Genüge; da-für hätten wir dieses nicht auch noch gebraucht. Will dagegenjemand es (zum Beispiel in einer historischen Abhandlung) inseinem alten Sinn verwenden, so kann er das nicht tun, ohne eserst zu erklären. Es ist für diesen Zweck verdorben.

Wenn wir nun zulassen, dass die Leute anfangen, die Bedeu-tung des Wortes Christ zu vergeistlichen und zu verfeinern oder,wie sie vielleicht sagen würden, zu «vertiefen», dann wird sehrrasch daraus auch so ein unnützes Wort werden. Das fängt da-mit an, dass die Christen selbst es für niemanden mehr verwen-den kçnnten. Es kommt uns nicht zu, zu sagen, wer im tiefstenSinne dem Geist Christi nah oder fern ist. Wir kçnnen den Men-schen ja nicht ins Herz schauen. Wir kçnnen nicht richten; esist uns sogar verboten. Es wäre bodenlose Überheblichkeit,wenn wir von irgendeinem Menschen behaupten würden, ersei in diesem verfeinerten Sinn ein Christ oder eben nicht. Undes ist klar, dass ein Wort, das wir nie verwenden kçnnen, keinsehr nützliches Wort ist.

Die Nichtgläubigen wiederum werden das Wort zweifellosfrohgemut in seinem verfeinerten Sinn benutzen. In ihremMund wird es sich in ein bloßes Lobeswort verwandeln. Wennsie jemanden einen Christen nennen, werden sie damit meinen,dass sie ihn für einen guten Menschen halten. Aber diese Ver-wendung des Wortes wird keine Bereicherung unserer Sprachesein, denn das Wort gut haben wir ja bereits. Dagegen wird dasWort Christ keinerlei sinnvollem Zweck mehr dienen kçnnen.

Deshalb müssen wir bei der ursprünglichen, klaren Bedeu-tung bleiben. Die Bezeichnung Christen wurde erstmals in An-tiochien für die «Jünger» verwendet (Apostelgeschichte 11,26),

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also für diejenigen, die die Lehre der Apostel annahmen. Es istnirgends die Rede davon, dass sie nur auf die beschränkt wor-den wäre, die aus dieser Lehre den grçßtmçglichen Nutzen zo-gen. Ebenso wenig ist davon die Rede, dass sie auf diejenigenausgeweitet worden wäre, die auf irgendeine verfeinerte, geist-liche, inwendige Weise «dem Geist Christi viel näher» standenals die Unzulänglicheren unter den Jüngern. Es geht hier wederum einen theologischen noch um einen moralischen Punkt. Esgeht lediglich darum, Wçrter so zu gebrauchen, dass wir alleverstehen, was gesagt wird. Wenn ein Mensch, der die christli-che Lehre annimmt, ihr in seiner Lebensführung nicht gerechtwird, ist es viel klarer, ihn einen schlechten Christen zu nennen,als zu sagen, er sei gar kein Christ.

Ich hoffe, es kommt kein Leser auf den Gedanken, das «blo-ße» Christentum würde hier als Alternative zu den Bekenntnis-sen der bestehenden Glaubensgemeinschaften vorgeschlagen– so, als kçnnte man es sich zu eigen machen, statt kongrega-tionalistisch oder griechisch-orthodox oder sonst etwas zusein. Es ist eher so etwas wie ein Foyer mit mehreren Türen,die in verschiedene Zimmer führen. Wenn ich jemanden indieses Foyer bringen kann, habe ich erreicht, was ich wollte.Aber die Kaminfeuer, die Stühle und die gedeckten Tische sindin den Zimmern, nicht im Foyer. Im Foyer kann man auf je-manden warten oder verschiedene Türen probieren, aber woh-nen kann man dort nicht. Für diesen Zweck, glaube ich, wäreauch das schlechteste Zimmer (welches auch immer das ist)noch vorzuziehen. Freilich kann es sein, dass manche Leutesich einige Zeit im Foyer aufhalten müssen, während andereim Nu genau wissen, an welche Tür sie klopfen müssen. Warumes diese Unterschiede gibt, weiß ich nicht, aber ich bin sicher,dass Gott niemanden warten lässt, es sei denn, er sieht, dassdas Warten für den Betreffenden gut ist. Wenn Sie dannschließlich in Ihr Zimmer kommen, werden Sie feststellen,dass das lange Warten Ihnen irgendeinen Nutzen gebrachthat, den Sie sonst nicht gehabt hätten. Aber Sie sollten es alseine Wartezeit betrachten, nicht als dauerhaften Lagerplatz. Sie

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müssen beharrlich um Wegweisung beten; und natürlich müs-sen Sie sich auch im Foyer schon bemühen, die Regeln zu be-achten, die im ganzen Haus gelten. Vor allem müssen Sie sichvon der Frage leiten lassen, welche Tür zur Wahrheit führt,nicht davon, bei welcher Ihnen die Farbe und die Vertäfelungam besten gefallen. Einfach ausgedrückt, sollte die Frage nielauten: «Gefällt mir diese Art von Gottesdienst?», sondern: «Istdas wahr, was hier gelehrt wird? Gibt es hier Heiligung? Führtmich mein Gewissen in diese Richtung? Wenn ich zçgere, andiese Tür zu klopfen, liegt es vielleicht nur an meinem Stolz, anbloßen Geschmacksfragen oder daran, dass mir der Türsteherpersçnlich unsympathisch ist?»

Wenn Sie dann Ihr Zimmer gefunden haben, seien Siefreundlich zu denen, die sich für andere Türen entschieden ha-ben oder noch im Foyer ausharren. Sollten sie im Irrtum sein,brauchen sie Ihr Gebet umso mehr; und sollten sie gar IhreFeinde sein, ist es sogar Ihre Pflicht, für sie zu beten. Das isteine jener Regeln, die im ganzen Haus gelten.

20 Vorwort von C. S. Lewis

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Erstes Buch

Recht und Unrechtals Schlüssel zum Sinn

des Universums

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Das Gesetzder menschlichen Natur

Jeder hat schon einmal Leute miteinander streiten hçren.Manchmal hçrt sich das ulkig an, manchmal auch nur unange-nehm. Aber egal, wie es sich anhçrt: Ich glaube, wir kçnnenetwas sehr Wichtiges lernen, wenn wir genau hinhçren, was daso alles gesagt wird. Da hçrt man Sätze wie diese: «Wie würdedir das gefallen, wenn jemand so mit dir umgehen würde?» –«Das ist mein Platz, ich war zuerst hier.» – «Lass ihn doch in Ru-he, er hat dir doch überhaupt nichts getan.» – «Wie kommen Siedazu, sich so einfach vorzudrängeln?» – «Gib mir was von deinerApfelsine ab, ich habe dir ja auch von meiner abgegeben.» –«Komm schon, du hast es versprochen.» Solche Sachen sagendie Leute jeden Tag, egal, ob es gebildete oder ungebildete Leuteund ob es Kinder oder Erwachsene sind.

Was ich an all diesen Bemerkungen interessant finde, ist,dass derjenige, der so etwas sagt, damit nicht bloß ausdrückt,dass das Verhalten der anderen Person ihm nicht gefällt. Son-dern er beruft sich auf irgendeinen Verhaltensmaßstab undgeht davon aus, dass dieser auch der anderen Person bekanntist. Und die Antwort des anderen darauf lautet nur in den sel-tensten Fällen: «Steck dir deinen Maßstab sonst wohin.» Statt-dessen versucht er fast immer, plausibel zu machen, dass seinVerhalten in Wirklichkeit gar nicht gegen den Maßstab versto-ße, oder wenn doch, dass es irgendeine besondere Entschuldi-gung dafür gebe. Er zieht irgendeinen besonderen Grund her-bei, warum in diesem speziellen Fall die Person, die zuerst aufdem Platz saß, ihn nicht behalten sollte. Oder er sagt, die Situa-tion sei ja eine ganz andere gewesen, als er ein Stück von derApfelsine abbekam. Oder es sei irgendetwas dazwischenge-kommen, weshalb er nun sein Versprechen nicht mehr haltenmüsse.

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Es sieht also ganz danach aus, dass beide Seiten eine Art Ge-setz oder irgendwelche Regeln über Fairness und Anstand odereine Moralvorstellung im Kopf haben, wie auch immer man esnennen will, über die sie sich im Grunde einig sind. Und dassind sie auch. Wäre das nicht der Fall, so kçnnten sie natürlichmiteinander kämpfen wie Tiere, aber sie kçnnten nicht immenschlichen Sinne des Wortes miteinander streiten. Streitenheißt, dass man dem anderen zu beweisen versucht, dass er imUnrecht ist. Und das wäre ja ein ziemlich sinnloses Unterfan-gen, wenn nicht eine gewisse Einigkeit darüber bestünde, waseigentlich Recht und was Unrecht ist. Es hätte ja auch keinenSinn, einem Fußballer zu sagen, dass er ein Foul begangen hat,wenn man sich nicht über die Spielregeln beim Fußball grund-sätzlich einig wäre.

Dieses Gesetz oder diese Regeln über Recht und Unrechtnannte man früher das Naturrecht. Das ist nicht zu verwechselnmit den «Naturgesetzen» wie der Schwerkraft oder der Ver-erbung oder den Gesetzen der Chemie. Die alten Denker hin-gegen meinten, wenn sie das Gesetz von Recht und Unrecht«Naturrecht» nannten, im Grunde das Gesetz der menschlichenNatur. Ebenso wie alle physikalischen Kçrper dem Gesetz derSchwerkraft und alle Organismen den biologischen Gesetzenunterliegen, so der Gedanke, unterlag auch das Geschçpfnamens Mensch seinem Gesetz – nur mit einem großen Unter-schied: Ein Kçrper konnte sich nicht aussuchen, ob er dem Ge-setz der Schwerkraft gehorchte oder nicht. Ein Mensch hin-gegen konnte wählen, ob er dem Gesetz der menschlichenNatur gehorsam oder ungehorsam war.

Wir kçnnen das noch anders ausdrücken. Jeder Mensch un-terliegt in jedem Augenblick mehreren verschiedenen Arten vonGesetzen, aber nur bei einem einzigen davon hat er die Freiheit,ihm ungehorsam zu sein. Als physikalischer Kçrper unterliegt erder Schwerkraft, gegen die er sich nicht wehren kann. Lässt manihn mitten in der Luft los, so kann er sich genauso wenig wie einStein aussuchen, ob er fallen will oder nicht. Als Organismusunterliegt er verschiedenen biologischen Gesetzen, gegen die

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er ebenso wenig ausrichten kann wie ein Tier. Das heißt, denGesetzen, die er mit anderen Dingen gemeinsam hat, kann ernicht ungehorsam sein. Das Gesetz jedoch, das allein seinemenschliche Natur betrifft und das er nicht mit Tieren oderPflanzen oder unbelebten Dingen gemein hat, ist das einzige,dem er ungehorsam sein kann, wenn er will.

Dieses Gesetz wurde Naturrecht genannt, weil die Leutemeinten, jeder Mensch kenne es von Natur aus und müsse esnicht erst beigebracht bekommen. Damit meinten sie natürlichnicht, dass man nicht hier und da einen seltsamen Kauz findenkçnne, der es nicht kennt. Schließlich stçßt man ja auch gele-gentlich auf Leute, die farbenblind sind oder kein Ohr für Melo-dien haben. Aber auf die Menschheit als Ganzes gesehen, warman der Meinung, eine gewisse Vorstellung von anständigemVerhalten müsse für alle offensichtlich sein. Und ich glaube, da-mit hatte man recht. Wäre das nicht so, dann wären all die Din-ge, die wir über den Krieg gesagt haben, nichts als Unsinn. Washätte es für einen Sinn, zu sagen, dass der Feind im Unrecht war,wenn das Recht nicht etwas wirklich Vorhandenes wäre, was dieNazis im Grunde genauso gut kannten wie wir und woran siesich hätten halten müssen? Hätten sie keine Ahnung gehabt,was wir mit Recht meinen, dann hätten wir wohl immer nochgegen sie kämpfen müssen, aber wir hätten ihnen dafür ge-nauso wenig einen Vorwurf machen kçnnen wie für ihre Haar-farbe.

Ich weiß, manche Leute sagen, die Vorstellung eines Natur-rechts oder eines von allen Menschen anerkannten anständigenVerhaltens sei nicht schlüssig, weil es in verschiedenen Kulturenund zu verschiedenen Zeiten ganz unterschiedliche ethischeVorstellungen gegeben habe.

Aber das stimmt nicht. Es gab zwar durchaus ethische Un-terschiede, aber von einer vçlligen Verschiedenartigkeit kannkeine Rede sein. Wenn jemand sich die Mühe machen will, dieSittenlehren, sagen wir, der alten ¾gypter, Babylonier, Hindus,Chinesen, Griechen und Rçmer miteinander zu vergleichen,dann wird er staunen, wie ähnlich sie einander und unserer

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eigenen Sittenlehre sind. Einige Belege dafür habe ich imAnhang eines anderen Buches namens Die Abschaffung desMenschen zusammengetragen. Für unsere augenblickliche Fra-gestellung brauche ich meine Leser jedoch nur zu bitten, ein-mal zu überlegen, was eine vçllig andersartige Sittenlehre be-deuten würde.

Stellen Sie sich ein Land vor, in dem man Bewunderung dafürerntet, dass man im Kampf die Flucht ergreift, oder in dem manstolz darauf ist, gerade die Leute, die einen besonders freund-lich behandeln, aufs Kreuz zu legen. Genauso gut kçnnte manversuchen, sich ein Land vorzustellen, in dem zwei und zweifünf ergibt. Es hat zwar immer unterschiedliche Auffassungendarüber gegeben, welchen Menschen gegenüber man sichselbstlos verhalten sollte – ob nur gegenüber den eigenen Ange-hçrigen, gegenüber den eigenen Landsleuten oder gegenüberallen. Aber man war sich immer einig, dass man nicht immernur auf den eigenen Vorteil aus sein sollte. Selbstsucht wurdenoch nie bewundert. Es gab unterschiedliche Meinungen da-rüber, ob ein Mann eine Frau haben darf oder vier. Aber esherrschte immer Einigkeit darüber, dass er nicht einfach jedeFrau haben kann, die ihm gefällt.

Das Bemerkenswerteste aber ist Folgendes. Immer wenn Siejemanden treffen, der behauptet, er glaube nicht daran, dass esRecht und Unrecht wirklich gibt, werden Sie feststellen, dassderselbe Mensch das im nächsten Atemzug zurücknimmt. Viel-leicht bricht er ein Versprechen, das er Ihnen gegeben hat, aberwenn Sie versuchen, ein Versprechen ihm gegenüber zu bre-chen, wird er sich im Nu beklagen: «Das ist nicht fair!» Eine Na-tion kann sagen, Verträge seien ohne Belang; doch im nächstenMoment wird sie sich verplappern und sagen, der Vertrag, densie zu brechen gedenkt, sei ohnehin ungerecht. Aber wenn Ver-träge ohne Belang sind und es so etwas wie Recht und Unrechtin Wirklichkeit gar nicht gibt – mit anderen Worten, wenn einNaturrecht nicht existiert –, wo liegt dann der Unterschied zwi-schen einem gerechten und einem ungerechten Vertrag? Habensie damit nicht die Katze aus dem Sack gelassen und bewiesen,

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dass sie das Naturrecht im Grunde genauso gut kennen wie alleanderen?

Wie es scheint, müssen wir uns also der Tatsache stellen, dasses Recht und Unrecht wirklich gibt. Es kann zwar vorkommen,dass Leute sich in ihrem Urteil darüber irren, wie es ja auch vor-kommt, dass Leute Rechenfehler machen. Aber Recht und Un-recht sind genauso wenig eine Frage des Geschmacks oder derMeinung wie das Einmaleins.

Wenn wir uns darüber nun einig sind, komme ich zu meinemnächsten Punkt, nämlich dem folgenden: Niemand von uns hältdas Naturrecht wirklich ein. Sollte es unter Ihnen Ausnahmengeben, so bitte ich um Entschuldigung. Wen das betrifft, dersollte lieber ein anderes Buch lesen, denn nichts von dem, wasich hier sagen werde, ist für ihn von Belang.

Und nun zu den gewçhnlichen Sterblichen, die verbliebensind: Ich hoffe, Sie verstehen das, was ich jetzt sagen werde,nicht falsch. Ich will Ihnen keine Predigt halten und mich schongar nicht als etwas Besseres hinstellen als andere Leute. Ichmçchte nur auf eine Tatsache aufmerksam machen, nämlichdie Tatsache, dass wir selbst es in diesem Jahr, in diesem Monatoder hçchstwahrscheinlich an diesem Tag schon versäumt ha-ben, das Verhalten zu praktizieren, das wir von anderen Leutenerwarten.

Natürlich haben wir vermutlich alle mçglichen Entschuldi-gungen. Als Sie neulich so ungerecht zu den Kindern waren, dawaren Sie einfach übermüdet. Und diese etwas zwielichtigeGeldangelegenheit – die, die Sie schon fast vergessen haben –spielte sich ab, als Sie gerade ziemlich in der Klemme saßen.Und Ihr Versprechen gegenüber dem alten Soundso, das Sienie eingelçst haben – nun, Sie hätten ihm das gar nicht erst zu-gesagt, wenn Sie geahnt hätten, dass Sie so entsetzlich viel zutun haben würden. Was Ihr Benehmen gegenüber Ihrer Frau(oder Ihrem Mann) oder Ihrer Schwester (oder Ihrem Bruder)angeht – ja, wenn ich wüsste, wie die einem auf die Nerven ge-hen kçnnen! Dann würde ich mich nicht darüber wundern –und wer zum Kuckuck bin ich überhaupt?

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Ich bin ja ganz genauso. Das soll heißen, mir gelingt es auchnicht sehr gut, mich an das Naturrecht zu halten. Und sobaldmich jemand darauf aufmerksam macht, dass ich mich nichtdaran halte, fallen mir endlose Ausreden ein. Dabei ist die Frageim Moment nicht, ob das gute Ausreden sind. Der Punkt ist,dass sie ein weiterer Beweis dafür sind, wie fest wir, ob wir wol-len oder nicht, an das Naturrecht glauben. Denn wenn wir nichtdaran glaubten, dass es anständiges Verhalten gibt, warum soll-ten wir dann so eifrig Entschuldigungen dafür vorbringen, dasswir uns nicht anständig verhalten haben?

Die Wahrheit ist, dass wir so fest an den Anstand glauben unduns so sehr unter dem Druck dieser Regeln oder dieses Gesetzesfühlen, dass wir es einfach nicht ertragen kçnnen, zu wissen,dass wir es übertreten. Also versuchen wir die Verantwortungvon uns abzuwälzen. Denn Sie merken ja, dass wir nur für unserschlechtes Verhalten immerzu nach Erklärungen suchen. Nurunsere schlechte Laune schreiben wir der Müdigkeit, den Sor-gen oder dem Hunger zu. Unsere gute Laune buchen wir aufunser eigenes Konto.

Dies sind also die beiden Punkte, die ich darlegen wollte. Ers-tens, dass die Menschen auf der ganzen Welt dieser seltsamenVorstellung anhängen, sie sollten sich auf eine bestimmte Weiseverhalten, und dass sie diese Vorstellung einfach nicht loswer-den. Zweitens, dass sie sich de facto aber nicht so verhalten. Siekennen das Naturrecht, und sie übertreten es. Diese beiden Tat-sachen sind die Grundlage für jedes klare Denken über unsselbst und das Universum, in dem wir leben.

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