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Whitehead’s Ausdehnungslehre Die Kapitel II und III im Teil IV von “Process and Reality” Claus Michael Ringel 1. Einleitung. Die folgenden ¨ Uberlegungen beziehen sich auf den Teil IV von Whitehead’s Process and Reality, und dabei vor allem auf die Kapitel II and III. In Keeton’s Dissertation The Topology of Feeling. Extensive Connection in the Thought of Alfred North Whitehead: Its Development and Implications aus dem Jahr 1984 findet sich folgende Formulierung: Part IV of “Process and Reality” usually causes readers of Whitehead great confusion. There is ample reason for this response. Whitehead, in fifty short pages, tries to clarify expressions of spacetime relations with which he has wrestled for more than thirty years. The effort leaves much to be desired ... (p.315). Diese Ansicht scheint von vielen Kommentatoren geteilt zu werden. Wir werden aber sehen, daß es sich bei den meisten in diesem Teil IV formulierten ¨ Uberlegungen um zwar sehr fundamentale, aber gar nicht tiefsinnige, und eigentlich sehr klare Einsichten handelt. Daß diese ¨ Uberlegungen zu auf den ersten Blick eher paradoxen Folgerungen f¨ uhren (zum Beispiel: Demokrit’s Atomis- mus ist nun Grundlage einer Heraklit’schen Dynamik, PR 471), ist als besonderer Reiz hervorzuheben. Nat¨ urlich gibt es offensichtliche Schwierigkeiten, den Teil IV gedanklich ein- zuordnen, dies kann nicht geleugnet werden. Zum einen liegt dies an der White- head’schen Textgestaltung ¨ uberhaupt: W¨ ahrend dem Leser ein systematischer Zu- gang versprochen wird, ist die gedankliche Entwicklung statt dessen ziemlich diffus, sie orientiert sich eher an musikalischen Formen denn an wissenschaftlicher Strin- genz, mit vielen (oft w¨ ortlichen) Wiederholungen, Paraphrasierungen, Variationen, usw. 1 Zum anderen aber, und dies betrifft nun nur den Teil IV allein, ist die v¨ ollige begriffliche Isolation dieses Teils innerhalb des Buchs zu beklagen. Isoliert ist dieser Teil IV in zweierlei Hinsicht: Einerseits werden die hier relevanten Begriffe wie etwa region im kategoriellen Schema ¨ uberhaupt nicht erw¨ ahnt, ja es ist sogar recht m¨ uhselig, das Verh¨ altnis zu den im kategoriellen Schema genannten Begrif- fen zu bestimmen. Andererseits w¨ are zu erwarten, daß Grundbegriffe wie der des Nexus hier thematisiert werden, dies geschieht auch, ohne daß jedoch an entschei- denden Stellen der Begriff explizit genannt wird. Offensichtlich handelt es sich beim Teil IV um einen durchaus eigenst¨ andigen Text 2 , der an fr¨ uhere Untersuchungen 1 Und leider gibt es nicht wenige Kommentare, die das Prinzip der immer neu- en Aneinanderreihung feststehender (aber aus sich heraus gar nicht unmittelbar verst¨ andlicher) Formulierungen fortsetzen und einfach fleischwolfartig den White- head’schen Text verarbeiten. Dabei geht dann selbst die Musikalit¨ at verloren. Der- artiges Hackfleisch servieren zum Beispiel Hammersmith, Palter, Ross, eher Goulasch: Sherburne. 2 Ford (p.181) geht davon aus, daß die Abschnitte IV.IV.2 und IV.IV.3 schon 1926 oder 1927 nach Diskussionen mit de Laguna entstanden sind. Der Abschnitt

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Whitehead’s Ausdehnungslehre

Die Kapitel II und III im Teil IV von “Process and Reality”

Claus Michael Ringel

1. Einleitung.

Die folgenden Uberlegungen beziehen sich auf den Teil IV von Whitehead’sProcess and Reality, und dabei vor allem auf die Kapitel II and III. In Keeton’sDissertation The Topology of Feeling. Extensive Connection in the Thought ofAlfred North Whitehead: Its Development and Implications aus dem Jahr 1984findet sich folgende Formulierung: Part IV of “Process and Reality” usually causesreaders of Whitehead great confusion. There is ample reason for this response.Whitehead, in fifty short pages, tries to clarify expressions of spacetime relationswith which he has wrestled for more than thirty years. The effort leaves much tobe desired . . . (p.315). Diese Ansicht scheint von vielen Kommentatoren geteiltzu werden. Wir werden aber sehen, daß es sich bei den meisten in diesem Teil IVformulierten Uberlegungen um zwar sehr fundamentale, aber gar nicht tiefsinnige,und eigentlich sehr klare Einsichten handelt. Daß diese Uberlegungen zu auf denersten Blick eher paradoxen Folgerungen fuhren (zum Beispiel: Demokrit’s Atomis-mus ist nun Grundlage einer Heraklit’schen Dynamik, PR 471), ist als besondererReiz hervorzuheben.

Naturlich gibt es offensichtliche Schwierigkeiten, den Teil IV gedanklich ein-zuordnen, dies kann nicht geleugnet werden. Zum einen liegt dies an der White-head’schen Textgestaltung uberhaupt: Wahrend dem Leser ein systematischer Zu-gang versprochen wird, ist die gedankliche Entwicklung statt dessen ziemlich diffus,sie orientiert sich eher an musikalischen Formen denn an wissenschaftlicher Strin-genz, mit vielen (oft wortlichen) Wiederholungen, Paraphrasierungen, Variationen,usw.1

Zum anderen aber, und dies betrifft nun nur den Teil IV allein, ist die volligebegriffliche Isolation dieses Teils innerhalb des Buchs zu beklagen. Isoliert istdieser Teil IV in zweierlei Hinsicht: Einerseits werden die hier relevanten Begriffewie etwa region im kategoriellen Schema uberhaupt nicht erwahnt, ja es ist sogarrecht muhselig, das Verhaltnis zu den im kategoriellen Schema genannten Begrif-fen zu bestimmen. Andererseits ware zu erwarten, daß Grundbegriffe wie der desNexus hier thematisiert werden, dies geschieht auch, ohne daß jedoch an entschei-denden Stellen der Begriff explizit genannt wird. Offensichtlich handelt es sich beimTeil IV um einen durchaus eigenstandigen Text2, der an fruhere Untersuchungen

1 Und leider gibt es nicht wenige Kommentare, die das Prinzip der immer neu-en Aneinanderreihung feststehender (aber aus sich heraus gar nicht unmittelbarverstandlicher) Formulierungen fortsetzen und einfach fleischwolfartig den White-head’schen Text verarbeiten. Dabei geht dann selbst die Musikalitat verloren. Der-artiges Hackfleisch servieren zum Beispiel Hammersmith, Palter, Ross, eherGoulasch: Sherburne.

2 Ford (p.181) geht davon aus, daß die Abschnitte IV.IV.2 und IV.IV.3 schon1926 oder 1927 nach Diskussionen mit de Laguna entstanden sind. Der Abschnitt

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 1–2

mit der gleichen Thematik anschließt (insbesondere PNK, CN), Formulierungendieser alteren Texte werden variiert, aber auch prazisiert und vor allem forma-lisiert, wahrend die Einbindung in den Gesamttext recht unbefriedigend bleibt.Auf diese begriffliche Isoliertheit3 ist im folgenden einzugehen. Ganz deutlich wirddies werden, wenn wir versuchen werden, den Begriff des Gebiets (region) einzu-ordnen: er ist einer der (wenigen) Grundbegriffe im Teil IV, wird aber außerhalbdieses Teils nicht herangezogen4. Auch das begriffliche Zusammenspiel von Gebiet,Standpunkt und Perspektive wird nicht systematisch thematisiert.

Andererseits wird der Begriff Nexus, von dem man erwarten sollte, daß ihmein zentraler Stellenwert innerhalb des Teils IV zukommt5, dort nur eher beilaufigerwahnt.

In vielerlei Hinsicht muß Teil IV als Fremdkorper innerhalb des Buchs erschei-nen. Dies zeigt sich nicht nur an der fehlenden begrifflichen Einbindung, sondernauch am abrupten Wechsel der Darstellung (mit durchnummerierten Definitionenund Annahmen). Man konnte zwar versucht sein, die Teile III und IV (oder auchIII, IV, V) in Parallelitat zu sehen: daß Teil III die biologisch-psychologischenAspekte thematisiert, Teil IV die mathematisch-physikalischen (und V die theolo-gischen), Dies widersprache aber dem universellen Charakter des Begriffs-Rasters,das eine solche Aufteilung gerade nicht vorsieht.

Zuerst soll der inhaltliche Rahmen von Teil IV und sein wirklicher Stellen-wert innerhalb der Theorie umrissen werden. Es sollte sich dabei zeigen, daß dieseUberlegungen fur das Gesamtwerk durchaus zentral sind. Das Wort Process imTitel des Buchs betont die Bedeutung der zeitlichen Entwicklung; der Begriff derZeit sollte auf jeden Fall zu den Grundbegriffen einer Prozeß-Philosophie gehoren.Auch auf den Untertitel An Essay in Cosmology sollte verwiesen werden. Das Buchist entstanden vor dem Hintergrund der Umwalzungen im naturwissenschaftlichenDenken, die durch die Entwicklung einerseits der Relativitatstheorie, andererseitsder Quantenphysik hervorgerufen wurden. Beide Theorien, jede fur sich, habenFehlvorstellungen, die sich durch die Wissenschafts-Entwicklung der Neuzeit eta-bliert hatten, korrigiert. Das Newton’sche Weltbild basierte auf grundsatzlichen

IV.IV.4 (Strains) wurde wohl als einer der letzten Abschnitte von PR geschrieben.Ford: Since that doctrine depends upon a definition of straightness in terms of mereextensiveness . . . , Whitehead felt it necessary to include in his metaphysical tratisethe two mathematical chapters (IV.IV.2-3) designed to give a proper definition ofstraightness (p.234).

3 Sie ist naturlich ein dankbares Betatigungsfeld fur Kommentatoren. Sieheetwa das Buch von Ross, das dem Begriff der Perspektive nachgeht.

4 Im Gegenteil, wahrend sich der Begriff des Gebiets im Teil IV auf raum-zeitliche Ausdehnung bezieht, wird er ansonsten im Text meist rein raumlich in-terpretiert: spatial region (PR 98, 185) oder region in space (PR 124), aber diessind dann gerade keine Gebiete im Sinne des Gebietsbegriffs von Teil IV, sondernraumliche Abstraktionen.

5 Siehe etwa PR 461, wo festgehalten wird, daß Punkte (und allgemeiner geo-metrical elements) Nexus sind. Ganz allgemein handelt es sich bei einem Nexusum eine Menge von actual entities, die eine Einheit bilden, und zwar zum Beispieldurch raumliche Einheitlichkeit oder zeitliche Abfolge; und dazu gibt es jeweils einextensives Quantum, also ein Gebiet

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 1–3

Annahmen, die nicht weiter hinterfragt wurden: die der lokalen Koordinatisierbar-keit durch reelle Zahlen, mit drei Raumachsen und, davon unabhangig, einer Zeit-Achse, und schließlich die der globalen Linearitat. Entwickelt wird von Whiteheadein Weltmodell, das in weiten Strecken versucht, Relativitatstheorie und Quanten-theorie ernstzunehmen. Wichtig sind hierfur die Frage, wie uberhaupt das Koordi-natisieren erfolgt (als Stichwort sei hier das der extensiven Abstraktion genannt),die uber das Verhaltnis zwischen diskreten Daten und stetigen Vorgangen, undschließlich die, was Gleichzeitigkeit bedeutet. Es sind dies die Fragen, die im TeilIV thematisiert werden. Darauf aufbauend ware dann zu klaren, wie Beeinflussung(oder, ruckgewandt, Empfindung) zu verstehen ist; dies findet sich allerdings schonim Teil III, unabhangig von der in Teil IV entwickelten Raum-Zeit, und nur imKapitel IV.IV wird das Thema noch einmal aufgegriffen.

Daß die Teile III und IV als Kern von Process and Reality anzusehen sind,wird im Vorwort betont: In the third and the fourth parts, the cosmological schemeis developed in terms of its own categorical notions, and without much regard toother systems of thought (PR vi)6.

Extensive Abstraktion. Das wesentliche Stichwort fur Teil IV von PR (zu-mindest die Kapitel II und III) ist das der extensiven Abstraktion. Es ist zwar eherversteckt und taucht nur als Obertitel von IV.II.III auf, aber dies trugt. Beruck-sichtigt man die expliziten Verweise auf fruhere Arbeiten (PR 440, 453, 454, 455)und zieht diese heran, so wird deutlich, wie wichtig fur die Whitehead’sche Kos-mologie die Methode der extensiven Abstraktion ist. Zur Verdeutlichung sei hierdie Struktur der beiden Vorgangerbucher, auf die Whitehead verweist, notiert. Eshandelt sich um das 1919 erschienene Buch PNK mit den Teilen:

• The Traditions of Science (p.1)• The Data of Science (p.59)• The Method of Extensive Abstraction (p.101)• The Theory of Objects (p.165-200).

Wie man sieht, ist der langste Abschnitt der zur extensiven Abstraktion. Ent-sprechend die Ausarbeitung der 1919 gehaltenen Tarner-Lectures, 1920 als CNveroffentlicht:

• Nature and Thought (p.1)• Theories of the Bifurcation of Nature (p.26)• Time (p.49)• The Method of Extensive Abstraction (p.74)• Space and Motion (p.99)• Congruence (p.120)• Objects (p.143)• Summary (p.164)• The Ultimate Physical Concepts (p.185-196)

Die Bedeutung der Methode der extensiven Abstraktion fur das Denken White-head’s wird von den den meisten Kommentatoren herausgearbeitet. Eine Unmengean Seiten, ja ganze Bucher7 sind diesem Thema gewidmet.

6 Dieser Satz, in dem die Schlusselworter Scheme und categorical vorkommen,ist zu konfrontieren mit dem Verhaltnis des Categorical Scheme (Kapitel II im TeilI) zu den Teilen III und IV.

7 Siehe die Literatur-Liste und dort entsprechende Anmerkungen.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 1–4

Die Worte “abstrakt” und “Abstraktion” wurden von Boethius in die philo-sophische Sprache eingefuhrt; abstrakt steht bei Boethius fur “das mathematischeSeiende..., soweit dieses durch die Ausklammerung derjenigen Bestimmtheiten dessinnlichen Wesens konstituiert wird, die, wie z. B. die Bewegung, Gegenstand derPhysik sind.” Verwiesen wird dabei “auf den kunstlichen Charakter der Operation. . . , durch welche die mathematischen Seienden konstituiert werden.”8

8 Historisches Lexikon der Philosophie (1971), Spalte 33.

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2. Grundbegriffe der mengentheoretischen Topologie.(Leider zum Teil nur Stichworte)

Zum Koordinatisieren. Zur Beschreibung der Lage von Punkten in derEbene oder im Raum verwendet man ublicherweise ein kartesisches Koordinaten-system. Zwei Zitate aus Gabriel9: “Graphische Darstellungen von Funktionen wur-den in Paris von Nicole Oresme (1323-1382) verwendet; es war ihm insbesonderebekannt, daß die Funktion y = ax als Graphen eine Gerade hat. Koordinaten zurDarstellung von Punkten in der Ebene wurden auch schon vom Italiener Bombelli(2.Halfte des 16. Jahrhunderts) vorgeschlagen. Gleichungen mit unbestimmten Ko-effizienten und das Wechselspiel zwischen Algebra und Geometrie sind zentral imSchaffen von Francois Viete (1540-1603).” Und zu Descartes (1596-1650): “Zumersten Mal wird in einer zuganglichen Publikation die Bedeutung algebraischerGleichungen in zwei Unbekannten begrundet, ihre Beziehungen zu den ebenenKurven werden erlautert, . . . .”

Dimension. n-dimensionale Raume sind nichts Mysterioses. Die Falle n ≤ 4sind wohlbekannt: Gerade, Ebene, Raum, Raum-Zeit (jedenfalls als lokale Model-le). Aber auch fur n ≥ 5 macht es Sinn, vom n-dimensionalen Raum zu sprechen:sobald wir mit Datensatzen arbeiten, die n Eingaben (von reellen Zahlen) ver-langen, konnen wir diese Datensatze als Elemente des Rn auffassen. Auch beimStudium von geometrsichen Konfigurationen in R2, R3 oder R4 tauchen viele Frage-stellungen auf, die auf hoher-dimensionale Raume fuhren.

1. Raumzeit.

Hier erst einmal das naive Raumzeit-Modell des R4. Nach Wahl von Ursprungund Koordinatenachsen wird jedem Raumpunkt ein Tripel (x, y, z) reeller Zahlenzugeordnet. Will man die Zeitabhangigkeit betonen, so fugt man eine vierte Ko-ordinate t hinzu, betrachtet also Quadrupel (x, y, z, t) reeller Zahlen. Die Mengedieser Quadrupel bildet den vier-dimensionalen Raum R4. Zur Ubung hier werdehier die Bewegung eines Teilchens, das sich bewegt, uber einen langeren Zeitraumhinweg (wir variieren also die Zeit t; da sich das Teilchen bewegt, andern sich je-weils auch die Ortskoordinaten), und zwar eines Teilchens, das sich mit konstanterGeschwindigkeit bewegt (dabei ist horizontal nur eine Raum-Koordinate fixiert,die vertikale Achse ist die Zeitache).

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(x,t)

(x,t)+(x′,t′)

(x,t)+2(x′,t′)

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Je flacher eine derartige Gerade ist, um so schneller bewegt sich das Teilchen.Man nennt eine derartige Linie die “Weltlinie” des Teilchens (dabei kann es sich

9 P. Gabriel: Matrizen, Geometrie, Lineare Algebra. 1996. p.130, mit Verweisenauf Boyer (1956).

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 2–2

zum Beispiel auch um einen Menschen, oder ein Schiff, usw. handeln; bei großenObjekten betrachten wir zum Beispiel den Schwerpunkt).

Eine Ubungsaufgabe zum Arbeiten mit Raum-Zeit-Koordinaten.Vier Schiffe A, B, C, D fahren auf einem ebenen Meer im dichten Nebel mit ver-schiedenen, aber konstanten Kursen und Geschwindigkeiten. Die Schiffe konnensich per Funkt verstandigen, aber keine Positionen bestimmen. Der Kapitan vonA erfahrt von Beinahe-Kollisionen der Schiffe B und C, der Schiffe B und D sowieder Schiffe C und D. Die Schiffe B, C, D haben Kurs und Geschwindigkeit bei-behalten. Der Kapitan von A hat ausßerdem gesehen, wie sein Schiff beinahe mitB und mit C kollidiert ware. Daraufhin andert er seinen Kurs. Ist der Kapitanaberglaubisch? (Man interpretiere die Beinah-Zusammenstoße als wirkliche Zu-sammenstoße, also daß die jeweiligen Schiffe zum gleichen Zeitpunkt am gleichenOrt sind.)

Losung: Als Raumzeit konnen wir hier den R3 nehmen: zwei raumliche Ach-sen (weil wir voraussetzen, daß das Meer eben ist) und eine zeitliche Achse. Ge-geben sind als Weltlinien der Schiffe A, B, C, D vier Geraden im R3, die wir derEinfachheit halber wieder mit A, B, C, D bezeichnen wollen. Da wir die Beinah-Zusammenstoße als wirkliche Zusammenstoße interpretieren, daß also die jeweili-gen Schiffe zum gleichen Zeitpunkt am gleichen Ort sind, bedeutet ein derartigesEreignis, daß sich die entsprechenden Geraden schneiden. Wir erhalten demnachSchnittpunkte B∩C, B∩D, C∩D. Daraus folgt, daß die Geraden B, C, D in einerEbene E liegen. Nun schneiden sich aber auch die Geraden A und B, wir habenalso einen Schnittpunkt A∩B in E, entsprechend auch A∩C in E. Die Gerade Aist die Verbindungsgerade von A∩B und A∩C, liegt also auch in E. Der Kapitanvon A weiß nun, daß seine Gerade in der gleichen Ebene wie die von D liegt undsich daher die Geraden A und D wohl schneiden werden (einizge Ausnahme ware:die Geraden A und D waren parallel, aber das ist hochst unwahrscheinlich). EinKurswechsel bringt inn mit großer Wahrscheinlichkeit aus dieser Ebene E her-aus, und dann scheiden sich die Geraden A und D garantiert nicht. Der Kapitanhandelt also sehr vernunftig.

Was sollte man auf diese Weise gelernt haben? Den Umgang mit Begriffenwie Gerade, Ebene im Rahmen der Raum-Zeit R4.

Lorentz-Raum.

Vergangenheitskegel in der Raum-Zeit. Licht-Geschwindigkeit als ab-solute Grenze, alle anderen Beeinflussungen (z.B. Informations-Weitergabe durchakustische Signale) langsamer.

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Vergangenheit

Zukunft

Relativitatstheorie. Die Frage der Gleichzeitigkeit

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 2–3

• Kriminalroman: Wer hat was zu welchem Zeitpunkt gewußt?

Physikalische, kulturelle Beeinflussung.• Licht• Donner• Physikalische Wirkungen (Gewehrkugel, Bomben)• Osmose bei Zellen

• Briefe-Schreiben, e-mail, Telefon• Kulturelle Beeinflussung: Schiffsverkehr (z.B. Columbus); Osterinseln (Floß)• Personliche Kontakte.

Vergangenheitskegel. Jeder schleppt seine Vergangenheit mit sich herum.Keiner kann sie abschutteln. Dies betrifft Personen. Aber auch physikalische Pro-zesse: Blitz, Wetter-Konstellation. Biologisch: Ein Baum zu einem Zeitpunkt hatseine Vergangenheit.

2. Grundbegriffe der Mengenlehre.

Alle gegenwartig in Physik oder Mathematik diskutierten Kosmologien (et-wa: Hawking-Ellis, Dodson-Boston) sind mengentheoretisch formuliert. Verwendetwerden jeweils “differenzierbare Mannigfaltigkeiten”: es sind dies “topologischeRaume”, bei denen vorausgesetzt wird, daß jeder Punkt eine Umgebung besitzt,die die gleiche Struktur wie eine Kugel im R4 hat; es gibt also lokale Koordina-tensysteme und untersucht wird die globale Struktur. Zumindest im Hinblick aufdie Einfuhrung lokaler Koordinatensysteme sollte der Whitehead’sche Text vonInteresse sein.

Aufgabe der Philosophie (so sie eine hat): Philosophy is explanatory of ab-straction, and not of concreteness (PR 39). Die Philosophie sollte versuchen, dasSelbverstandnis der Wissenschaften (hier vor allem: der Physik) zu erlautern, undHinweise geben, wo falsche Vorstellungen sich entwickelt haben. Dies gerade istdas Anliegen von Whitehead und er zielt darauf, einen allgemein verwendbarenBegriffsrahmen zu entwickeln.

Mengen: Cantor (1845-1918).

Eine typische Menge, die den Ausgangspunkt vieler Uberlegungen und vielerKonstruktionen bildet, ist die Menge

N = {0, 1, 2, . . .}

der naturlichen Zahlen. Mit Z = {−2,−1, 0, 1, 2, . . .} wird die Menge der ganzenZahlen bezeichnet. Sie entsteht aus N, in dem man zu jeder naturlichen Zahl n ≥ 1die Zahl −n (mit n + (−n) = 0) hinzunimmt.

Wichtig sind Mengenbildungsprozesse: Wie erhalt man aus vorgegebenen Men-gen neue Mengen? Zum Beispiel bildet man Mengen von Mengen. Ist M eineMenge, so bezeichne P(M) die Menge aller Untermengen10 von M , entsprechendPP(M) die Menge der Untermengen von P(M), und so weiter. (Wie wir sehen

10 Statt “Untermenge” sagt man oft auch “Teilmenge”.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 2–4

werden, braucht man diese Hierarchie auch zum Verstandnis von Teil IV. Beispiel:an abstractive set ist eine Menge von Gebieten (PR 454); a geometrical elementist eine Menge abstraktiver Mengen).

Im Rahmen der Grunbaum’schen Kritik werden wir ausfuhrlicher mengen-theoretische Begriffsbildungen erlautern.

3.Die Zahlsysteme Q und R.

Mit R bezeichnet man die Menge der reellen Zahlen. Wir stellen sie uns vorals die Menge der Punkte auf der Zahlengerade:

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−1 0 1 5

Beispiele reeller Zahlen sind ganze Zahlen wie 5, −1002, 17, 0, 230, −371;Bruche wie zum Beispiel 9

11 oder − 52 ; abbrechende Dezimalbruche wie −17, 23 oder

0, 0001, . . . ; periodische Dezimalbruche wie 0, 3 oder −17, 24181, . . . ; es gibt (vie-le!) reelle Zahlen, die sich nicht als abbrechende oder periodische Dezimalbruchedarstellen lassen, z.B.

√2 oder die Kreiszahl π.

Folgende Untermengen der Menge R der reellen Zahlen sind besonders wichtig:

N ⊂ Z ⊂ Q ⊂ R,

dabei bezeichnet Q die Menge der Bruche (also die Menge der rationalen Zahlen),es sind dies die reellen Zahlen der Form a

bmit a, b ∈ Z und b ≥ 1.

Intervalle. Seien a, b zwei reelle Zahlen mit a < b. Man unterscheidet folgendeSorten von Intervallen:

• ]a, b[ = {x ∈ R | a < x < b} (offenes Intervall)• ]a, b] = {x ∈ R | a < x ≤ b} (halboffen)• [a, b[ = {x ∈ R | a ≤ x < b} (auch halboffen)• [a, b] = {x ∈ R | a ≤ x ≤ b} (abgeschlossen)

Der Unterschied besteht also darin, ob die Randzahlen a und b zum Intervallgehoren oder nicht; zum Beispiel gehort a nicht zu den Mengen ]a, b[ und ]a, b],gehort aber zu [a, b[ und [a, b].

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Offenes Intervall ] 12,2[

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Halboffenes Intervall ] 12,2]

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0 1 2

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Abgeschlossenes Intervall [ 12,2]

Konstruktion der reellen Zahlen:N

Z Hinzufugen der negativen Zahlen (= Invertieren bzgl. der Addition)Q Bildung von Bruchen (= Invertieren bzgl. der Multiplikation)R Vervollstandigen.

Moglichkeiten der Vervollstandigung:◦ Cauchy-Folgen.◦ Dedekind-Schnitt.• Intervall-Schachtelung

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 2–5

Diskusssion der Einbettung Q ⊂ R. Was ist komplizierter? Q oder R?

Stetigkeit/Unstetigkeit. Sei f : R → R eine Funktion11. Die Funktion fheißt stetig, wenn es keine “Sprungstellen” gibt, wenn der Graph der Funktionalso “ohne Absetzen des Stiftes” gezeichnet werden kann.

Es ist wichtig, auch typische Beispiele unstetiger Funktionen vor Augen zuhaben, um zu sehen, was alles passieren kann: die beiden folgenden Funktionenhaben jeweils im Punkt x = 0 eine Unstetigkeits-Stelle.

f(x) =

{

0 fur x < 0,

1 fur x ≥ 0.g(x) =

−1 fur x < 0,

0 fur x = 0,

1 fur x > 0.

h(x) =

{ 1x

fur x 6= 0,

0 fur x = 0,

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x•

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1

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Betrachtet man die folgenden zwei auf R \ {0} definierten Funktionen

p(x) = cos(

1x

)

und q(x) = x cos(

1x

)

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1

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so stellt man fest, daß die linke Funktion p(x) im Punkt x = 0 nicht stetig erganz-bar ist, die rechte Funktion q(x) dagegen kann im Punkt 0 stetig erganzt werden(durch die Festsetzung f(0) = 0).

Warnungen. Die meisten Funktionen, die in den Naturwissenschaften Ver-wendung finden, sind stetige Funktionen. Allerdings betreffen sie haufig Sachver-halte, die gar nicht stetig sind!

(a) Betrachtet man zum Beispiel eine Funktion, die das Bevolkerungswachs-tum beschreiben soll, so durften als Werte nur ganze Zahlen auftreten (“halbeMenschen machen keinen Sinn”); dennoch arbeitet man lieber mit Funktionendie beliebige reelle Zahlen als Werte liefern (dabei vernachlassigt man dann nichtnur die Stellen hinter dem Komma, sondern meist auch viele Stellen vor dem

11 Eine Funktion f : A → B ordnet jedem a ∈ A ein (und nur ein) Element f(a)der Menge B zu, man schreibt dann auch a 7→ f(a), man nennt f(a) das Bild desElements a unter der Funktion f , und man sagt auch, daß a auf f(a) abgebildetwird.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 2–6

Komma, da nur die Großenordnung der berechneten Zahl wirklich relevant ist!).Zweites Beispiel: Betrachtet man die taglichen Hochststande der Sonne in Bielefeld(gemessen als Winkel uber dem Horizont) in Abhangigkeit vom Kalendertag):

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81

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171

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261

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351

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100 200 300 400

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20◦

40◦

60◦

15◦

38◦

61◦

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Kalendertag

so erhalt man 365 Einzeldaten, die sich zu Punkten einer Sinus-Kurve fugen; aberZwischenwerte zwischen diesen 365 Einzelpunkten machen gar keinen Sinn!

(b) Es gibt eine weitere merkwurdige Verquickung zwischen stetigen undunstetigen Phanomenen: Beim Einschalten einer Lichtquelle empfindet das Augeoft einen plotzlichen Ubergang von Dunkelheit zu Helligkeit, zu modellieren waredies also durch eine Funktion mit einer Sprungstelle; physikalisch gesehen mußman aber an eine stetige Zunahme der Helligkeit denken (wie dies auch bei denSparlampen empfunden wird). — Umgekehrt: Im Kino wie auch beim Fernsehenwerden nacheinander Einzelbilder vorgefuhrt (unstetig), das Auge interpretiert diedargestellten Bewegungsablaufe aber als stetige Bewegungen.

Funktionen auf Q versus R. Warnung: Es gibt mehr stetige FunktionenQ → R als stetige Funktionen auf R → R, denn jede Funktion R → R ist schoneindeutig durch die Einschrankung auf Q definiert, da Q “dicht” in R liegt; ande-rerseits gibt es zum Beispiel viele stetige Funktionen Q → R, die sich nicht zu einerauf ganz R definierten stetigen Funktion fortsetzen lassen; zum Beispiel Sprung-funktionen wie die folgende Funktion f : sei f(x) = 0 falls x2 < 2 und f(x) = 1falls x2 > 2; als Funktion Q → R ist f stetig.

Cantor’sches Diskontinuum. Wir geben hier die Konstruktion der Cantor-Menge D. Man starte mit dem Intervall D0 = [0, 1], entferne das mittlere Drittel,genauer: die offene Menge ] 1

3, 2

3[, es bleiben ubrig die beiden Intervalle [0, 1

3] und

[ 23 , 1], die Vereinigung dieser beiden Intervalle nennen wir D1. Nun entferne man injedem dieser Intervalle wieder das offene mittlere Drittel, wir erhalten die MengeD2, sie ist die Vereinigung der Intervalle [ 09 , 1

9 ], [ 29 , 39 ], [ 69 , 7

9 ], [ 89 , 99 ]. Dieser Prozess

wird wiederholt, wir erhalten insgesamt eine Folge von Mengen D0, D1, D2, . . .und wir bilden nun den Durchschnitt D =

i Di. Gibt es uberhaupt Punkte,die erhalten bleiben, die also in D liegen? Naturlich, viele sogar. Zum Beispielalle Randpunkte eines der entstehenden Intervalle (denn wir nehmen jeweils nurPunkte in der Mitte von Intervallen weg), also 0, 1, 1

3 , 23 , 1

9 , . . . sind Punkte, die zuD gehoren. Dies sind abzahlbar viele Punkte - aber man kann zeigen, daß es sogar

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 2–7

“uberabzahlbar viele” Punkte12 in D gibt..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

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D0

D1

D2· · · · · · · · ·

.... .... .... .... .... .... .... ........ .... .... .... .... .... .... ........ .... .... .... .... .... .... .... D

4.Mengentheoretische Topologie.

Dies ist eine Theorie, die beschreiben mochte, was Stetigkeit bedeutet, wasman sich unter Konvergenz vorstellen sollte. Weitere Begriffe, die im Zentrumdieser Theorie stehen: Zusammenhang. Wann ist ein Raum unzusammenhangend,wann zusammenhangend? Die Dimension von Raumen. Wann sind Raume metri-sierbar? Welchen Einfluß hat die lokale Struktur auf das globale Erscheinungsbild?

Beispiele typischer topologischer Raume sind R, R2, R3, R4 (oder eben ganzallgemein Rn, wobei n eine naturliche Zahl ist). Aber auch Raume, die zwar “lo-kal” eine ahnliche Struktur besitzen, “global” aber ganz anders aussehen. Beispiel:Kurven, wie etwa eine Kreislinie, sehen lokal ganz ahnlich wie R aus. Eine Kugel-oberflache sieht lokal recht ahnlich zum R2 aus (genauer: nimmt man eine kleineKreisscheibe auf der Kugeloberflache, so ist diese Kreisscheibe fast nicht von einerKreisscheibe in der Ebene zu unterscheiden — man denke hier an die Erdober-flache: lange wurde angenommen, die Erde sei eine Scheibe!)

Die Topologie gibt sich eine Menge vor, die Elemente heißen “Punkte” undman mochte nun definieren, daß Punkte nah beieinander liegen. Man denke anR: sind nur zwei Punkte (oder nur endlich viele Punkte) gegeben, so haben diesePunkte immer einen Mindest-Abstand voneinander. Nimmt man dagegen all diePunkte der Form n−1

n, also 1

2, 2

3, 3

4, 4

5, . . . , so “konvergiert” diese Folge gegen 1,

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12

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23

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34

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45

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56

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67 · · ·

diese Punkte kommen beliebig nahe an 1 heran (ohne 1 wirklich zu erreichen).Gibt man sich eine Genauigkeit vor, etwa 1

1000 , so haben fast alle Punkte n−1n

einen Abstand von 1, der kleiner als 11000

ist. Topologie kann man auf diese Weisemit Hilfe konvergenter Folgen treiben, meist arbeitet man aber lieber mit “offenen”Mengen (dies paßt auch besser zur parallelen Situation bei Whitehead).

Die Topologie arbeitet mit Punkten und Untermengen13, zum Beispiel ebenden offenen Mengen. Diese Untermengen sollten, im Gegensatz zu beliebigen Un-termengen, jeweils noch irgendwie uberschaubar erscheinen. Festzuhalten ist je-denfalls: Gegeben sind ist ein System von Untermengen einer Menge, das gewisse

12 Auf den Begriff der Uberabzahlbarkeit werden wir im Rahmen der KritikGrunbaum’s zu sprechen kommen.

13 Gegeben ist also eine Grundmenge, sagen wir S (die Menge der “Punkte”)und eine geeigneten Menge T von Untermengen. Da es sich bei den Elementen vonT um Untermengen von S handelt, ist auf T die Enthaltenseinsrelation erfullt.Es sind also zwei Sorten von Entitaten gegeben: Punkte und Mengen; zwischenihnen gibt es dann zwei Beziehungen: einmal die Element-Beziehung (dies ist eineUntermenge von S × T , namlich die Menge der Paare (x, U) mit x ∈ S, U ∈ T ,fur die x ∈ U gilt), zum anderen, daraus abgeleitet, die Inklusionsrelation vonMengen, dies ist eine Untermenge von T × T .

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 2–8

Bedingungen erfullt, alle diese Bedingungen beziehen sich auf das Inklusionsver-halten dieser Untermengen (zum Beispiel auf das Bilden von Durchschnitten undVereinigungen). Wir werden sehen, daß Whitehead mit einem ganz ahnlichen Axio-mensystem arbeitet, und zwar mit “Gebieten”, fur die es einen Inklusionsbegriffgibt, wobei das Inklusionsverhalten auch bei ihm axiomatischen Bedingungen zugenugen hat. Vorstellen sollte man sich diese “Gebiete” als durchaus mengenartigeGebilde, ohne daß Punkte spezifiziert sind (sie werden erst nachtraglich konstru-iert); es handelt es sich um “Mengenlehre ohne Elemente”. Dies ist spater nochausfuhrlich zu diskutieren.

Hier nun ein Uberblick uber Grundbegriffe der Topologie im ublichen Sinn.

Definition: Ein topologischer Raum (S, T ) ist eine Menge S mit einer MengeT von Untermengen von S (man nennt diese Mengen offen), falls gilt:(O1) Die leere Menge und S selbst gehoren zu T .(O2) T ist abgeschlossen unter endlichen Durchschnitten.(O3) T ist abgeschlossen unter beliebigen Vereinigungen.

Die Komplemente offener Mengen heißen abgeschlossen. Man kann naturlichauch die Menge der abgeschlossenen Mengen axiomatisch charakterisieren.

Ist x ∈ S, so heißt eine Untermenge U mit x ∈ U ⊆ S eine Umgebung von x,falls es eine offene Menge T ∈ T mit x ∈ T ⊆ U gibt. Die Menge aller Umgebun-gen von x nennt man den Umgebungsfilter von x. Man kann eine Topologie auchaxiomatisch durch Eigenschaften der Umgebungsfilter der Punkte charakterisieren.

Ist (S, T ) ein topologischer Raum, so heißt eine Untermenge T0 eine Basisoffener Mengen, falls sich jede offene Menge als Vereinigung von Mengen aus T0

schreiben laßt. Will man einen topologischen Raum konstruieren, so gibt man sichhaufig eine Menge S und zusatzlich eine Menge T0 ⊆ P(S) vor, bildet dann dieMenge T aller Vereinigungen von Mengen in T0 und hat nun zu uberprufen, obdie Axiome erfullt sind (das Axiom (O3) ist hier naturlich auf jeden Fall erfullt).

Beispiel: Um R zu einem topologischen Raum zu machen, wahlt man fur T0

die Menge aller offener Intervalle. Man erhalt auf diese Weise eine Topologie, diesist die Standard-Topologie auf R. Man kann fur T0 auch weniger Mengen nehmen:so genugt es, alle Intervalle ]a, b[ mit a, b ∈ Q zu nehmen; statt Q reicht es sogar,die Menge der abbrechenden Dezimalbruche zu nehmen. Zusatzlich konnte manauch noch die Einschrankung b − a < 1

1000(oder etwas Ahnliches) nehmen. Dies

also die Standard-Topologie auf der Menge R. Entsprechend definiert man auch Q

als topologischen Raum.Sind (S, T ) und (S′, T ′) topologische Raume, so erhalt man auf S × S′ eine

Topologie (die Produkt-Topologie), indem man die Mengen der Form T × T ′ mitT ∈ T und T ′ ∈ T ′ als Basis offener Mengen wahlt. Insbesondere erhalt man aufdiese Weise eine Topologie auf R2, und induktiv auf allen Mengen Rn.

Ein topologischer Raum (S, T ) heißt zusammenhangend, wenn sich S nichtals disjunkte Vereinigung zweier nicht-leerer offener Mengen schreiben laßt. Offen-sichtlich ist R zusammenhangend14. Dagegen ist Q gerade nicht zusammenhangend,

14 Es ist die Vorstellung dieser Eigenschaft von R und von ahnlichen Raumen,auf die Formulierungen wie The contemporary world . . . is continuous: divisible,but not divided (PR 96) verweisen.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 2–9

denn es gibt folgende Zerlegung (und viele andere):

Q = {x ∈ Q | x2 < 2} ∪ {x ∈ Q | x2 > 2},

beides sind offene Mengen (dies ist zu beweisen), beide sind nicht leer, und sie sinddisjunkt.

Total unzusammenhangende Raume. Definition: S heißt total unzusam-menhangend, wenn es zu x 6= y in S offene Mengen U, V gibt mit U ∩ V = ∅ undU ∪ V = S. Wir erhalten also eine Zerlegung in zwei Mengen, die beide offen undabgeschlossen sind. Beispiele:

• Q

• D und dies ist sogar ein kompakter Raum: Jede Folge hat einen Haufungs-punkt.

Sei (S, T ) ein topologischer Raum. Ist X eine Untermenge von S, so definiertman ihr Inneres X◦, ihren Abschluß X und ihren Rand ∂X wie folgt:

X◦ = { y ∈ X | Es gibt eine offene Menge U mit y ∈ U ⊆ X },X = { y ∈ S | Ist U offene Menge mit y ∈ U , so ist U ∩ X 6= ∅ },

∂X = X \ X◦.

Offensichtlich gilt immer X◦ ⊆ X ⊆ X; es ist X◦ offen, X abgeschlossen, und zwarist X◦ die großte offene Menge, die in X enthalten ist, wahrend X die kleinsteabgeschlossene Menge ist, in der X enthalten ist. Da X abgeschlossen und X◦

offen ist, ist der Rand ∂X = X \ X◦ ebenfalls abgeschlossen.Hier Beispiele: Sei I eines der Intervalle ]a, b[, ]a, b], [a, b[, [a, b]. Dann ist

I◦ =]a, b[ und I = [a, b]. Insbesondere ist der Rand also gerade die zwei-elementigeMenge ∂I = [a, b] \ ]a, b[= {a} ∪ {b}. Betrachten wir nun die Untermenge

X = {(x, y) ∈ R2 | 0 ≤ x ≤ 1, 0 < y < 1}

in der Ebene R2, so ist ihr Inneres die Menge

X◦ = {(x, y) ∈ R2 | 0 < x < 1, 0 < y < 1},

ihr Abschluß die Menge

X = {(x, y) ∈ R2 | 0 ≤ x ≤ 1, 0 ≤ y ≤ 1}.

Der Rand ∂X ist also gerade die entsprechende Randlinie:

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X

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X◦

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X

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∂X

In solchen Beispielen geschieht nichts Unerwartetes. Insbesondere ist der Abschlußvon X auch der Abschluß von X◦ und das Innere von X ist das Innere von X.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 2–10

Betrachten wir dagegen die Untermenge Y = Q ⊂ R, so ist Y ◦ = ∅, also ist auchY ◦ = ∅, dagegen ist Y = R.

Es ist ganz wichtig eine klare Vorstellung zu haben, was man unter einemRandpunkt x einer Menge X versteht: Jede Umgebung U von x enthalt sowohlPunkte, die zu X gehoren, als auch solche, die nicht zu X gehoren.

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X

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Ux

Topologisch ist kein Unterschied zwischen ]0, 1[ und R. Einen Homoomorphis-mus erhalt man zum Beispiel durch die Funktion

tan: ] − π2, π

2[→ R

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Entsprechend ist topologisch kein Unterschied zwischen der offenen Kreisscheibe{(x, y) ∈ R2 | x2 + y2 < 1}, dem offenen Quadrat {(x, y) ∈ R2 | 0 < x < 1, 0 <y < 1}, und der Ebene R2.

Wir formulieren nun einige Bedingungen, die bei beliebigen topologischenRaumen nicht notwendigerweise erfullt sein werden, es sind also Zusatzforderun-gen, die man stellen kann und oft auch stellt. Man spricht auch hier von “Axio-men”:

Trennungsaxiome:(T1) (Erstes Trennungsaxiom von Hausdorff, oder auch Frechet-Axiom (Rend.

Circ. Mat. Palermo, 22 (1906)): Jeder Punkt ist abgeschlossen.(T2) (Zweites Trennungsaxiom von Hausdorff (Grundzuge der Mengenlehre, Teub-

ner 1914) Zu jedem Paar a 6= a′ von Punkten gibt es offene Mengen T, T ′

mit a ∈ T , a′ ∈ T ′ und T ∩ T ′ = ∅.(T3) (Drittes Trennungsaxiom oder auch Vietoris-Axiom (Monatshefte Math.

Phys.31 (1921)). Gegeben ein Punkt a und eine abgeschlossene UntermengeA′ mit a /∈ A′, so gibt es offene Untermengen T, T ′ mit a ∈ T, A′ ⊆ T ′ undT ∩ T ′ = ∅.

(T4) (Viertes Trennungsaxiom oder auch Tietze’s erstes Axiom (Math.Ann.88(1923)) Gegeben seien disjunkte abgeschlossene Untermengen A, A′, so gibtes offene Untermengen T, T ′ mit A ⊆ T, A′ ⊆ T ′ und T ∩ T ′ = ∅.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 2–11

Abzahlbarkeitsaxiome15.(Z1) (Erstes Abzahlbarkeitsaxiom, Hausdorff) Jeder Punkt besitzt eine abzahlbare

Umgebungsbasis. Gilt in jedem metrischen Raum.(Z2) (Zweites Abzahlbarkeitsaxiom) Es gibt eine abzahlbare Basis der Topologie.

Vervollstandigung topologischer Raume. Ineinandergeschachtelte Mengen:abstractive set.

Metrische Raume. Messen. Metrische Raume (im Gegensatz zu nur topo-logischen Raumen). Metrik unterscheidet ]0, 1[ und R (also endlich-unendlich)16.Analog: Metrik unterscheidet zwischen der Kreisscheibe {(x, y) ∈ R2 | x2+y2 < 1}und der Ebene R2.

Metrische Raume: Axiomensystem stammt von Frechet (1906).Metrisierungssatze.

5. Mannigfaltigkeiten.

Lokale Koordinatisierbarkeit. Lokal vorgegeben, globale Struktur kann sehrverschiedenartig sein.

Beispiel: Klassifikation der 2-dimensionalen kompakten Mannigfaltigkeiten.Insbesondere: Links ein Torus, rechts die Klein’sche Flasche:

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• Kurven in der Ebene (ohne Singularitaten)• Flachen• 3-dimensional• 4-dimensional

Riemann’sche Mannigfaltigkeit. Differenzierbare Mannigfaltigkeit M inder (durch den “Fundamentaltensor”) eine Metrik erklart ist. Lokal (in der Nahe

15 Zum Begriff der Abzahlbarkeit siehe Seite 4-1.16 Ublicherweise gelten Intervalle wie ]a, b[ oder [a, b] als “endliche” Objekte,

die gesamte Zahlengerade R dagegen als “unendliches” Objekt. Wir haben weiteroben gesehen, daß als topologische Raume offene Intervalle wie ]0, 1[ mit R identi-fiziert werden konnen. Die Topologie unterscheidet also nicht zwischen derartigen“endlichen” oder “unendlichen” Objekten. Unterschieden sind die als metrischeRaume, wenn also eine Abstandsfunktion definiert ist: In jedem Intervall gibt eseinen Hochst-Abstand, in R dagegen nicht.

Die Unterscheidung zwischen topologischen Fragestellungen und metrischenFragestellungen nimmt Whitehead sehr ernst: er betont mehrfach, daß Einfuhrungund Verwendung einer Metrik nur nachrangig erfolgen soll. Fragen der Metrisie-rung ist erst das letzte Kapitel IV.V im Teil IV gewidmet; bei den vorangehendenUberlegungen legt Whitehead großen Wert darauf, daß keine Maßzahlen gebrauchtwerden, daß zum Beispiel nicht von “kurzestem Abstand” gesprochen wird.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 2–12

jedes Punkts) entspricht das geometrische Verhalten dem in einem euklid’schenRaum. Ist eine Kurve in M gegeben, so laßt sich ihre Lange berechnen.

Garben. Lokal definierte Funktionen. Halme, direkte Limites.

6. Geometrie und Algebra.

Hier sollen einige Grundbegriffe der algebraischen Geometrie vorgestellt wer-den, vor allem soll aber herausgearbeitet, daß die Unterscheidung von Geome-trie und Algebra auf die Verwendung verschiedenartiger Methoden (und Vor-stellungsweisen) verweist, daß sich diese beiden Theorien aber eigentlich mit dengleichen Objekten beschaftigen: der Gebrauch von Koordinaten erlaubt es, geo-metrische Fragestellungen in solche der Algebra zu ubersetzen, umgekehrt ist manin den letzten Jahrzehnten immer mehr dazu ubergegangen, algebraische Frage-stellungen geometrisch zu interpretieren. Dabei verstand man fruher unter Al-gebra das Losen algebraischer Gleichungen, mittlerweile arbeitet man eher mitden sogenannten algebraischen Strukturen (wie Gruppe, Ring, Korper: sie sindmengentheoretisch definiert), aber auch dies sind nur zwei verschiedene Betrach-tungsweisen. Allgemeiner Konsens ist

Geometrie ist Algebra ist Geometrie

und dies entspricht auch der Whitehead’schen Sichtweise: In seinem Buch UA,einem wie der Titel festhalt, algebraischen Werk, widmet er sich vor allem geo-metrischen Fragestellungen, und er betont die Bedeutung der Moglichkeiten derAlgebraisierung. Wenn Whitehead in PR nur mit geometrischen Vorstellungen ar-beitet, so heißt dies nur, daß fur ihn die Ubersetzung in entsprechende algebraischeFormalismen vollig selbverstandlich ist.

Nur beispielhaft kann hier die algebraische Beschreibung geometrischer Da-ten erlautert werden, also das Vorgehen der algebraische Geometrie, wenn es umKurven, Flachen, geometrische Orter geht. Es gibt zwei wesentlich verschiedeneBeschreibungsweisen fur derartige geometrische Dinge: Einerseits sucht man nachParametrisierungen, andererseits stellt man sie als Nullstellenmenge (also als “geo-metrischen Ort” = Locus) dar.

Beispiel: Die quadratischen ebenen Kurven. Zum Beispiel V (X2 + Y 2 − 1),der Kreis mit Radius 1 um den Ursprung, entsprechend ist der Kreis mit Radius1 und Mittelpunkt (1, 1) die Nullstellenmenge V (p), mit

p = (X − 1)2 + (Y − 1)2 − 1 = X2 − 2X + Y 2 − 2Y + 1.

Oder Ellipsen, vielleicht noch leicht gedreht: hier nehme man

p = aX2 + bY 2 + cXY + dX + eY + f = 0.

Insgesamt erhalten wir 6 Koeffizienten. Multiplikation mit einer von Null verschie-denen Konstanten andert nichts. Also setze ich etwa f = 1 und habe dann 5wesentliche Koeffizienten. Wenn (a, b, c, d, e) nahe bei (1, 1, 0, 2, 2) liegen, erhalteich eine Ellipse, die dem Kreis K sehr ahnlich ist. — Dies sind Siuationen, wo manmit hoher-dimensionalen Raumen arbeitet, hier mit dem “Raum” der Koeffizientena, b, c, d, e, er handelt sich also um einen 5-dimensionalen Raum.

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3. Textanalyse: Kapitel II

Vorbemerkung. Es wird versucht, die wesentlichen Argumente des Textsherauszuarbeiten. Undiskutiert bleibt alles, was eher peripheren Charakter zu ha-ben scheint, insbesondere all die dubiosen Hinweise, daß gewisse Strukturaussagennur fur the present cosmic epoch gultig sein konnten.

Zum Titel. Ausdehnungszusammenhang soll hier offensichtlich als einer derGrundbegriffe etabliert werden. Die Frage nach dem Zusammenhang verweist aufdie Topologie, fehlender Zusammenhang wurde bedeuten, daß die Welt in mehrereKomponenten zerfallt, zusammenhangend soll aber nicht nur der Gesamtkosmossein, erwartet wird lokaler Zusammenhang. Die Topologie hat eine Vielzahl von Zu-sammenhangsbegriffen erarbeitet (zusammenhangend, lokal zusammenhangend,weg-zusammenhangend, k-fach zusammenhangend, . . . ), um verschiedene topolo-gische Verhaltensweisen zu beschreiben und zu unterscheiden. Whitehead machtvon dieser Fulle nur bedingt Gebrauch.

Die Frage nach dem Ausdehnungszusammenhang wird von Whitehead unterder Suche nach Ordnung eingeordnet (PR 148, also innerhalb des Abschnitts TheOrder of Nature) - “Ordnung” hier einerseits als allgemeiner, umgangssprachlicherwie auch philosophisch-theologischer Begriff, andererseits aber auch als mathema-tischer Begriff. Und der mathematische Begriff einer Ordnung, einer geordnetenMenge, verweist auf eine hierarchische Relation.

Ausdehnung. Zu erinnern ist hier zu allererst an die “Ausdehnungslehre”von Hermann Grassmann, die 1844 erschienen ist, aber zuerst wenig Beachtungfand. Dies gilt auch fur die zweite Auflage (1861). In diesem Buch wird eine allge-meine Theorie von Vektorraumen (Vektoralgebra, Vektoranalysis, Tensorrechnung,n-dimensionale Geometrie) entwickelt. Gleich zu Beginn seiner Einleitung zu UA(1898) bezieht sich Whitehead auf Grassmann: It is the purpose of this work to pre-sent a thorough investigation of the various systems of Symbolic Reasoning alliedto ordinary Algebra. The chief examples of such systems are Hamilton’s Quater-nions, Grassmann’s Calculus of Extensions, and Boole’s Symbolic Logic. Um denStellenwert des Begriffs der Ausdehnung in UA zu realisieren, sei hier auch fur UAdie Text-Struktur notiert:

• Principles of Algebraic Symbolism (p.1)• The Algebra of Symbolic Logic (p.33)• Positional Manifolds (p.117)• Calculus of Extensions (p.169)• Extensive Manifolds of Three Dimensions (p.271)• Theory of Metrics (p.347)• Application of the Calculus of Extensions to Geometry (p.503-573)

Noch einmal: Wenn von Ausdehnung (extension) gesprochen wird, so gehort zumbegrifflichen Kontext das gesamte Umfeld der Vektorrechnung — und nicht nur,das sollte betont werden, die (eher droge) lineare Vektorraumtheorie, wie sie als Li-neare Algebra zu den Grundstrukturen des Bourbakismus gerechnet wird, sonderndie Theorie der Vektorfelder17 und damit eigentlich die Theorie der (partiellen)Diffentialgleichungen, der dynamischen Systeme usw.

17 Wenn Hampe in “Wahrnehmung der Organismen” (p.254) anmerkt, daß White-head’s Vektorbegriff nicht den “exakten mathematischen Begriff” meine, so bezieht

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 3–2

Axiomatischer Zugang. Wie man sieht, liefern die weiteren Abschnitte einaxiomatisches Gerust, mit Axiomen und Annahmen (assumptions). Merkwurdigallerdings ist, daß Whitehead hier nicht, wie an sich ublich, zwischen Axiomen, dievorausgesetzt werden, und Folgerungen, die zu beweisen sind, unterscheidet. In derTat formuliert er am Ende: A sufficient number of assumptions, some provable,and some axiomatic have now been stated. (PR 459).

Arbeitete man fruher, wie etwa Euklid, mit einem Axiomensystem, so erwar-tete man, daß das Axiomensystem folgende Eigenschaften hatte:

• Widerspruchsfreiheit.(Es gibt mindestens ein Modell.)

• Vollstandigkeit.(Es gibt hochstens ein Modell.)

• Minimalitat.(Das Axiomensystem kann nicht verkurzt werden.)In der modernen Mathematik haben Axiomensysteme einen vollig andersarti-

gen Stellenwert als etwa bei Euklid: Die Diskussion des Parallelen-Axioms und derNachweis, daß es neben der euklid’schen Geometrie auch andere Geometrien gibt,die die ubrigen Axiome erfullen, haben dazu gefuhrt, daß man heute meist aufdie “Vollstandigkeit” verzichtet - man erlaubt, daß es fur ein Axiomensystem ganzverschiedene Modelle geben kann. Etwa die Axiomatisierung der Gruppentheorie:wenige Axiome, die aber dann auch kein einzelnes Objekte vollstandig beschrei-ben, sondern es gibt viele Sorten von Gruppen, alle erfullen sie die Axiome derGruppentheorie, sind aber nicht isomorph. Und die Axiomensysteme konnen ganzverschieden interpretiert werden (Hilbert hat dies einmal sehr drastisch formuliert:geometrische Axiome konnen durch Tische, Stuhle, Bierseidel erfullt sein). Auchauf die Minimalitat wird oft kein so großer Wert mehr gelegt: um zu uberprufen,ob eine vorgegebene Struktur die im Axiomensystem formulierten Bedingungenerfullt, ist es naturlich praktisch, wenn man nur wenige Bedingungen uberprufenmuß, andererseits erweist es sich aber manchmal als hilfreich, mit pragnanten, abervielleicht redundanten Bedingungen zu arbeiten.

Ziel der Whitehead’schen Theorie der Ausdehnung ist es (auch dies wird erstam Ende explizit formuliert), sie auf die physikalische Welt anzuwenden(applicationof this theory of extension to the existing physical world).

Abschnitt I.

1.Absatz. Hier betont Whitehead, daß das folgende Axiomensystem auch inanderen Zusammenhangen verwendet werden kann.

2.Absatz. Es wurde nicht versucht, ein minimales Axiomensystem vorzule-gen.

3.Absatz. Wenn man ein Axiomensystem vorlegt, arbeitet man mit Grund-begriffen, die nicht weiter hinterfragt werden, hier zum Beispiel mit den Begriffen

er sich offensichtlich nur auf den naiven Vektorbegriff der Schulmathematik, nichtjedoch auf denjenigen im Rahmen der Vektoranalysis. In unserer Textanalyse vonAbschnitt IV.III.V werden wir genauer uber die Vorstellung von Vektorfeldern, dieauch Whitehead vor Augen hat, berichten.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 3–3

“Gebiet” (region)18 und “zusammenhangend” (extensively connected, oder einfachconnected). Mehr Grundbegriffe gibt es hier nicht, alle anderen Begriffe sind abge-leitet.

Wichtig ist aber naturlich die intendierte Anwendung im Rahmen der White-head’schen Prozess-Philosophie. Dies ist spater ausfuhrlicher zu diskutieren.

4.Absatz. Zur Illustration werden Euler- oder Venn-Diagramme verwendet.

5.Absatz. Warnung, daß diese Illustrationen irrefuhrend sein konnen: Er-stens verwenden sie Punktmengen, wahrend es das Ziel ist, Punkte uberhaupt ersteinzufuhren. Zweitens zeichnet man zweidimensionale Mengen, gemeint sind abervierdimensionale Mengen (raum-zeitliche Gebiete). Hier als Skizzen Wurfel im R2,R3 und R4.

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(So sollte man bemerken, daß bei den gleich folgenden Bildern in der zweiten Reihedie Unterscheidung zwischen (ii) und (iii) die einer eindimensionalen und einer null-dimensionalen Beruhrung ist. Im vierdimensionalen gibt es aber naturlich nicht nurzwei, sondern vier wesentlich verschiedene Moglichkeiten.)

Drittens sind solche Bilder raumliche Darstellungen, eine der Axen sollte abereine Zeitachse sein! Die Schwierigkeiten der Veranschaulichung von Raum-Zeit-Gebieten durch Mengenbilder wird von Whitehead mehrfach betont.

18 Palter (p.107, Anmerkung): Whitehead never says explicitly that his regionsare closed, but it is a reasonable inference from the properties he does attribute toregions. In terms of standard mathematical conceptions, regions seem to be purelytopological in character . . . – Im Gegenteil, die Definition 21 besagt gerade, daß diePunkte, die zu einem Gebiet gehoren (points “situated” in a region) innere Punktesind! Also sind die Gebiete bei Whitehead offen; da sie auch bschrankt und nichtleer sind, sind sie gerade nicht abgeschlossen. Allerdings ist dieser Unterschied inder Interpretation des Textes vollig unerheblich.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 3–4

Noch einmal der 4.Absatz. Vorgestellt werden hier 6 verschiedene Dia-gramme, die mit (i) bis (vi) durchnummeriert sind. Die Mengen sind jeweils durchKreise gegeben. Hier entsprechende Veranschaulichungen durch Rechtecke; dieNummerierungen entsprechen denen in PR; dreimal geben wir zur Verdeutlichungzwei Varianten an.

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A

B

(i)

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A

B

(ii).................................................................................................................

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A

B

(ii).................................................................................................................

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A

B

(iii)

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A

B

(iv).................................................................................................................

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A

B

(iv)

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A B

(v)

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A

B

(vi).................................................................................................................

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A

B

(vi)

Absatz 6. Hier werden entsprechend Illustrationen fur Gebiete vorgelegt, dienicht zusammenhangen, aber mittelbar zusammenhangen. Dabei sollte schon hierbetont werden, daß nach der Annahme 2 je zwei Gebiete A, B immer mittelbarzusammenhangen: daß es also immer ein C geben soll, das sowohl mit A als auchmit B zusammenhangt (Definition 1).

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A B

C

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A B

C

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A B

C

Abschnitt II.

Hier werden Definitionen und Annahmen (assumptions) formuliert; nur aufeinige dieser Annahmen soll weiter unten eingegangen werden.

Wie schon gesagt, die Definition 1 formuliert, was unter “mittelbar zusam-menhangend” zu verstehen ist.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 3–5

Die Definition 2 ist den “Inklusionen” gewidmet, siehe die Bilder (i), (ii) und(iii); die Definition 3 den Uberlappungen, siehe die Bilder (iv). Wenn notwendig,werden wir A ⊃ B schreiben, falls B ein Teil von A ist19. Uberlappungen liefernDurchschnitte, die in Definition 6 thematisiert werden; unterschieden wird, ob esnur eine Zusammenhangskomponente im Durchschnitt gibt oder mehrere.

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A

B....

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A

B..................

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(naturlich konnen hier auch unendlich viele Komponenten auftreten).Die Definition 4 handelt von Zerlegungen, hier eine Zerlegung in funf Teilge-

biete:

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Die Definition 7 fuhrt den Begriff des externen Zusammenhangs ein, siehe dieBilder (v) und (vi). Die Definitionen 8 und 9 liefern die Unterscheidung zwischenden Bildern (ii) und (iii) einerseits und dem Bild (i) andererseits. In den Fallen(ii) und (iii) handelt es sich um eine ”tangentiale” Inklusion, im Fall (i) um einenicht-tangentiale Inklusion.

Tangential - Nicht-tangential. Die Wortwahl ist irrefuhrend, denn vonTangenten zu sprechen, suggeriert, daß es es so etwas wie Linearisierungen gibt,daß man also uber eine differenzierbare Struktur verfugt, was hier in diesem sehrallgemeinen Rahmen sicher nicht angenommen werden kann. Gemeint ist hier eineUnterscheidung, die das Randverhalten betrifft.

Widerspruchsfreiheit des Axiomensystem. In der vorliegenden Formsind, darauf haben einige Kommentatoren hingewiesen, gewisse Unvertraglichkei-ten; so soll nach Annahme 4 ein Gebiet nicht einmal mittelbar mit sich selbstzusammenhangen, dies widerspricht aber der ublichen Lesart der Definition 1.Das Axiomensystem ware also, wenn es wirklich ernst genommen werden soll,entsprechend zu uberarbeiten.

Ausblick. Fur die Methode der extensiven Abstraktion werden wir vor al-lem mit den nicht-tangentialen Inklusionen arbeiten. Die Frage der mehrfachenKomponenten bei Uberlappungen spielt bei der Wahl von Oval-Klassen eine ent-scheidende Rolle.

19 Wir entlehnen also die Notation ⊃ aus der Mengenlehre, betonen aber, daßGebiete keine Mengen sind. Wir werden spater sehen, daß jedem Gebiet A eineMenge P (A) (die Menge der Punkte in A) zugordnet werden kann, und es gilt dannA ⊃ B genau dann, wenn P (A) ⊃ P (B) gilt. Das letztere Zeichen ⊃ ist dabei diemengentheoretische Inklusion. Insgesamt besagt dies, daß die Teil-Relation fur Ge-biete durchaus auch mengentheoretisch interpretiert werden kann, aber eben erst,wenn die zugehorigen Elemente konstruiert worden sind. Dies leistet die Methodeder extensiven Abstraktion.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 3–6

Bevor wir weiter gehen, sollte geklart werden, was denn diese Gebiete imRahmen der Whitehead’schen Kosmologie bedeuten.

Einschub: Was sind Gebiete? Wann hangen sie zusammen?

Gebiete. Schaut man sich nur die beiden Kapitel II und III an, so wirdder Begriff “Gebiet” (region)20 unvermittelt vorgelegt, als Grundbegriff, der nurdurch seinen Stellenwert innerhalb des Axiomensystems Bedeutung erhalt: Theterm “region” will be used for the relata which are involved in the scheme of “ex-tensive connection” (PR 449). Dies ist zwar im Rahmen mathematischer Theorien,die axiomatisch gegeben sind, ublich, bedarf hier zumindest im Hinblick auf dieintendierte Anwendung einer Explikation. Es sei daran erinnert, daß das Ziel deraxiomatischen Ausdehnungslehre ihre Anwendung auf die physikalische Welt (theapplication of this theory of extension to the existing physical world) ist (PR 459).Innerhalb der beiden Kapitel II und III muß man sehr lange warten, bis man Hin-weise auf die Einordnung findet. Erst im Abschnitt IV von Kapitel IV.III gibtes sie: im Absatz 3 wird begonnen, die physikalische Bedeutung zu diskutieren,Absatz 4 liefert endlich das entscheidende Stichwort, das weiterhilft: jedem actualentity21 ist ein Gebiet zugeordnet, sein “Standpunkt” (standpoint).

Diese Problematik ist ubrigens ganz neu in PR, in den vorangehenden Werkenwird als entsprechender Grundbegriff der des event22 direkt verwendet.

Blattert man zuruck23 so findet man genauere Information: Im Abschnitt Ivon Kapitel IV wird jedem actual entity wirklich ein Raum-Zeit-Gebiet zuordnet.Allerdings erscheint der entsprechende Gedankengang recht holprig: Whiteheadbeginnt mit der zeitlichen Einordnung: The actual entity is the enjoyment of acertain quantum of physical time. Es folgt das Stichwort vom Standpunkt24 (gar-

20 Dieser Begriff wird schon in UA verwendet, dort allerdings nur in raumlicherHinsicht. Und zwar recht unspezifisch; zu Beginn als portion of space, not neces-sarily a continuous portion, (UA 38) also einfach wohl im Sinn einer Untermenge— spater dagegen im Sinn von linearer oder affiner Teilraum, also sehr speziell.

21 Allgemeiner auch: Bei den Gebieten handelt es sich um den raum-zeitlicheAspekt eines event, dabei ist ein event ein nexus of actual occasions, inter-relatedin some determinate fashion in one extensive quantum. Zu betonen sind hier dieletzten vier Worte: in one extensive quantum. (PR 113)

22 Uber den Unterschied zwischen Event und Region wird noch zu sprechensein; Palter (p.109): It seems clear that Whitehead intends regions (the relata ofextensive connection) to be formally almost identical with events (the relata ofextensions). It is impossible to demonstrate this formal identity between regionsand events because Whitehead never lays down a complete set of axioms for eitherconcepts. Und weiter (p.110): The sole formal difference between regions and eventswhich is explicitly mentioned by Whitehead is the fact that regions are limited inextend or bounded, whereas events may be (as in the case of durations) unbounded.

23 Es sollte angemerkt werden, daß hier der Index nicht weiterhilft, weder in deralten PR-Ausgabe, noch in der Ubersetzung.

24 Das Begriffspaar Standpunkt und Perspektive ist als zusammengehorig an-zusehen und steht in der philosophischen Tradition fur die Beziehung des wahr-nehmenden Subjekts zu seinen Wahrnehmungen. Verwiesen sei zuerst einmal aufBoethius (siehe Historisches Worterbuch der Philosophie, Stichwort: Perspektive).

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 3–7

niert mit einem Schlenker hin zum lieben Gott): The quantum is that standpoint inthe extensive continuum which is consonant with the subjective aim in its originalderivation from God. Erst der nachste Absatz thematisiert auch die raumliche Ein-ordnung: There is a spatial element in the quantum as well as a temporal element.Thus the quantum is an extensive region. Hier also nun die ersehnte Zuordnung:Actual entity 7→ Quantum 7→ Gebiet (in der Raum-Zeit). Der Zwischenschritt solloffensichtlich festklopfen, daß es sich bei diesem Gebiet um ein einheitliches Ganzeshandelt, also die Atomizitat des Gebiets. Das Gebiet ist nachtraglich naturlich teil-bar (divisible), und dazu wird viel im Axiomensystem gesagt, aber als Gegebenesist es eine Einheit, auf jeden Fall ungeteilt.

Die Zuordnung: (Actual entity oder Nexus) 7→ Gebiet. Diese Zu-ordnung liefert “blindes” Verhalten (PR 440), nur das raum-zeitliche Verhaltender Atome, nicht dagegen die Einordnung (Handeschutteln, die Unterscheidungvon Billardkugel und Gewehrkugel); die Bits, nicht jedoch die Decodierung. BeimScanner: Buchstaben als Bitmap oder als Information. Musik: Wellenlangen oder

Whitehead folgt dieser Tradition und bezeichnet damit eine Art Inklusionsbezie-hungen zwischen actual entities. Verwiesen sei vor allem aber auf die Monadologievon Leibniz, §57: Und wie eine und dieselbe Stadt, die von verschiedenen Seitenbetrachtet wird, als eine ganz andere erscheint und gleichsam auf perspektivischeWeise vervielfacht ist, so geschieht es in gleicher Weise, daß es durch die un-endliche Vielheit der einfachen Substanzen gleichsam ebenso viele verschiedeneUniversen gibt, die jedoch nur die Perspektiven des einen einzigen gemaß den ver-schiedenen Gesichtspunkten jeder Monade sind. Und in §60: . . . obschon es wahrist, daß diese Darstellung in den Einzelheiten des ganzen Universums nur verwor-ren ist und deutlich nur in einem Teil der Dinge sein kann, das heißt in jenen,die entweder die nachstliegenden sind oder in Beziehung auf jede der Monadendie großten sind; sonst ware jede Monade eine Gottheit. In verworrener Weiseerstrecken sie sich alle auf das Unendliche, auf das Ganze; aber sie sind begrenztund unterschieden durch den Grad der deutlichen Perzeption.

Whitehead verwendet diese Begriffe sehr oft. Im Teil II beginnt Kapitel II (dasja den Titel The Extensive Continuum tragt, mit Uberlegungen wie der folgenden:The world of contemporary actual entities . . . is objectified for us as ‘realitasobjectiva’, illustrating bare extension with its various parts discriminated by dif-ferences of sense data. . . . Our direct perception of the contemporary world is thusreduced to extension, definiting (i) our own geometrical perspectives, and (ii) pos-sibilities of mutual perspectives for other contemporary entities inter se, and (iii)possibilities for division. (PR 93f).

PR 105: An act of experience has an objective scheme of extensive order byreason of the double fact that its own perspective standpoint of an actual entityhas extensive content, and that the other actual entities are objectivfied with theretention of their extensive relationships.

PR 321 (Chapter X Process): Objectification is an operation of . . . abstraction.. . . This fact . . . is sometimes termed the perspective of the actual world fromthe standpoint of that congrescence. Each actual occasion defines its own actualworld from which it originates. (Hinzugefugt wird noch: No two occasions can haveidentical actual worlds. Stande hier regions, so ware damit klar, daß die Zuordnungactual entities 7→ regions injektiv ware.)

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 3–8

Beethoven. Und naturlich mehrschichtig: Gedicht zuerst als Druckerschwarze, dannals Information, dann als Verweis auf andere Gedichte, usw.

PR 439: Actual entities, Nexus: Both types are correlated by their commonextensiveness.

Weiter gibt es bei Whitehead aber kaum Bemerkungen, welche Eigenschaftendiese Zuordnung hat, obwohl dies eine ganz wichtige Frage ist. Wie schon erwahnt,stellt sich diese Frage in den fruheren Arbeiten nicht, da dort statt von Gebietengleich von events gesprochen wird. Aber gerade der Wechsel der Terminologiesollte stutzig machen (er konnte naturlich einzig dadurch veranlaßt sein, daß inPR rein aximatisch vorgegangen wird und durch den Wechsel der Terminologiedie Verschiedenheit der Ebenen betont werden soll, dies scheint aber beim spatenWhitehead eher unwahrscheinlich.)

Hier also noch einmal explizit die Frage: Ist ein actual entity oder ein Nexusschon eindeutig durch seine raum-zeitliche Ausdehnung bestimmt? Beispiele: gibtes so etwas wie Schizophrenie? Wenn man das event “Universitat Bielefeld im Jahr1999” nimmt, kann man ausschließen, daß es zwei Kulturen gibt (geisteswissen-schaftliches - versus naturwissenschaftliches Denken), oder sind notwendigerwei-se diese beiden Kulturen raumlich oder zeitlich getrennt? Oder physikalisch, dasRontgen eines Brustkorbs. Man kann dies als ein Event ansehen, aber doch auchals zweie: gleicher Ort, gleiche Zeit.

Auch die zweite Frage, ob die Zuordnung (Actual Entity) 7→ (Gebiet) surjektivist, ob also zu jedem Gebiet ein actual entity (oder zumindest ein Nexus) gehort,scheint offen zu bleiben25.

25 Auch die meisten der Kommentare helfen hier nicht weiter. Zu erwahnen istallerdings W.A.Christian, An Interpretation of Whitehead’s Metaphysics. (YaleUniversity Press 1959 und 1967), der derartige Fragen sehr klar formuliert und zubeantworten versucht, aber zu ganz abenteuerlichen Interpretationen kommt. Unddieses Buch wurde zweimal aufgelegt! Er formuliert folgende Thesen (p.77):

1. An actual occasion is extensive.

2. The region of an actual occasion is definite.

3. The region of actual occasions form an extensive plenum.

4. No two actual occasions have the same region.

5. The regions of any actual occasions are nonoverlapping.

Und zusatzlich auch (p. 89, bei ihm unnummeriert):

6. Not all the regions that are relata for extensive connection are regions of actualoccasions.

Unproblematisch sind die ersten drei Behauptungen, die vierte und sechstehaben wir oben diskutiert. Uberraschend, und ganz kontrar zum Whitehead’schenText ist jedoch die funfte, denn ohne Uberlappungen und ohne Inklusionen (dieauch von ihm als Spezialfall von Uberlappungen gesehen werden und also auchausgeschlossen sein sollen), kann es gar keine extensive Abstraktion geben, einesder Kernthemen bei Whitehead, und gerade auch von PR. Daß Whitehead sich dieMuhe gemacht hat, die Durchfuhrung der extensiven Abstraktion neu zu uberden-ken und hier nun (im Gegensatz zu PNK und CN, wo ja versucht wurde, zuerst diezeitliche Komponente zu isolieren) eine wirklich raum-zeitliche extensive Abstrak-tion vorlegt, kummert ihn nicht. Im Gegenteil, er beruft sich auf die (auch von unskritisierte) mangelhaft dargestellte Verzahnung der Begriffe event und region und

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 3–9

Im Rahmen der Diskussion von Abschnitt IV werden wir aber genauere Ein-sicht erhalten, welche Struktur die Whitehead’schen Gebiete haben.

Zusammenhangend, Teilgebiet. Das Axiomensystem hat zwei Grundbe-griffe: Gebiet und Zusammenhangend. Die Suche nach einer physikalischen Inter-pretation des Zusammenhangs ist noch muhseliger. Eine Interpretation des Ter-minus “zusammenhangend”, der ja in PR der entscheidende Grundbegriff seinsoll, wird gar nicht gegeben; nimmt man die beiden disjunkten Begriffe des “sichUberlappens” und des “externen Zusammenhangs” und beachtet man, daß sichdas Uberlappen auf den Inklusionsbegriff zuruckgefuhrt werden kann, so ergibtsich folgendes: Es gibt im Abschnitt IV.I.II (p.436-438) Erlauterungen zum Inklu-sionsbegriff; hier wird explizit von Teilgebieten (sub-regions) gesprochen26. Und

macht sich dies zunutze: It is not required by the general theory of extensions thatall relations defined in that theory apply to the regions of actual entities . . . (p.97,die Hervorhebung stammt von ihm. Mit all relations meint er offensichtlich die An-nahmen oder Axiome). Und er betont auch, daß in der fruheren Theorie ohne diebegriffliche Unterscheidung von event und region eine entsprechende Formulierungdefinitiv ausgeschlossen war: . . . in the earlier writings events not only may inclu-de or extend over other events, they always do include some other events and areincluded by still other events. . . . Therefore a proposition analogous to proposition5, framed in terms of events as described in the earlier writings, would be clearlyfalse. (p.93/94). Daß Whitehead eine derartige Abweichung seiner Vorstellungensicher kommentiert hatte, bleibt unberucksichtigt; auch gibt Christian keinerleitextlichen Rechtfertigung sondern entwickelt eine eigene Theorie von wirklichenund moglichen (possible) Standpunkten; Uberlappungen gibt es bei ihm nur furdie moglichen, nicht die wirklichen Standpunkte (p.104). Auf diese Weise entwirfter ein Bild von schon nebeneinander liegenden actual entities, die sich beruhren,aber nicht uberdecken, also eine Art Pflasterung. (Dagegen wird das Nebenein-ander von nicht-uberlappenden Einheiten von Whitehead explizit ein “logischesKonstrukt” genannt (p.508).)

Ubrigens mochte auch Palter einen volligen Sichtwechsel (very nearly a rever-sal) bei Whitehead ausmachen: in his early writings there is no doctrine of mini-mum events; in fact the method of extensive abstraction there explicitly repudiatesthe idea of either minimum or maximum events. (p.112) Warum es allerdings inPR mimimum events geben solle, bleibt auch hier undurchsichtig. Es konnte sein,daß Ausgangspunkt dieser Pflasterungs-Interpretationen bildliche Illustrationenwie etwa Palter, p.142, sind, in denen actual entities als Kreuzungspunkt einesduration und eines strain dargestellt werden. Derartige Darstellungen gehen wirk-lich auf Whitehead zuruck, siehe Hocking’s Notizen der Harvard-Vortrage 1924-45zeigen (Anhang 1 bei Ford, etwa p.282-285), hier handelt es sich aber um lokale,keinesfalls globale Darstellungen. Und wenn Palter (p. 146) in diesem Zusammen-hang eine Stelle aus AI zitiert, in der notiert wird, daß einzelne actual entities auchdurch Nachbarschaftsbeziehungen definiert werden konnen, so handelt es sich, wieschon der Obertitel The Grouping of Occasions belegt, um eine Auswahl von actualentities, nicht etwa um das viel kompliziertere Gesamtsystem aller events.

26 Eine Begriffsbildung, die in den Kapiteln II und III jedoch nicht aufgegriffenwird.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 3–10

es gibt Erlauterungen zum externen Zusammenhang zumindest von Ovalen, sie-he Abschnitt IV.III.IV (p.468-470), aber auch hier nur unter der Annahme einerraumlichen Beruhrungsflache. Hier wird die stetige Ubertragung zum Beispiel vonEnergie diskutiert und ein Nachbarschaftsbegriff folgendermaßen eingefuhrt: Lettwo actual accasions be termed “contiguous” when the regions constituting their“standpoints” are externally connected. (PR 468)27. Dabei wird dann stillschwei-gend vorausgesetzt, daß es sich um ein Nacheinander handelt: unterschieden wirdzwischen “fruher” und “spater” (antecedent actual occasion, later actual occasion),also, bei vertikaler Zeitachse, das linke Bild, nicht etwa das rechte:

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A B

Inklusion. PR 440f: Whitehead diskutiert die die Beziehungen The perspec-tive of one subregion from the other.

Verifikation der Axiome. Ist ein Axiomensystem gegeben, und will manes auf eine spezielle Situation anwenden (wie hier), so sind die Annahmen zu ve-rifizieren. Spatestens dann ist man dankbar, wenn sich jemand die Muhe gemachthat, ein mimimales Axiomensystem auszuwahlen. Dies ist ja leider hier nicht derFall, es bleibt also nichts anderes ubrig, als wirklich alle 20 Annahmen zu verifi-zieren oder zumindest plausibel zu machen. So weit ich sehe, hat sich bisher keinWhiteheadianer dieser Muhe unterzogen – wirklich argerlich. Es stellt sich aller-dings heraus, daß die meisten Annahmen doch wohl aus vorangehenden Annahmengefolgert werden konnen, siehe etwa die Annahmen 5 und 6.

Wo also konnten Probleme liegen?Annahme 2, beide Teilaussagen: Erstens: Kein Gebiet hangt mit allen ande-

ren Gebieten zusammen. Vor allem aber zweitens: Je zwei Gebiete hangen mit-telbar zusammen (und zwar, nach der hier vorliegenden Definition, mit einemeinzigen Vermittlungsgebiet).

Annahme 9: Zu jedem Gebiet A gibt es Gebiete B, B′, die in A enthaltensind, wobei B, B′ nicht zusammenhangen. Also folgende Illustration:

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B B′

A

Annahme 15: Jedes Gebiet besitzt (viele) Zerlegungen. Diese auf den erstenBlick vielleicht harmlos erscheinende Bedingung ist sehr gravierend. Viele in derMathematik betrachteten Topologien, auch solche, die den Anschauungsraum be-treffen, habe diese Eigenschaft gerade nicht: ich denke hier zum Beispiel an dieZariski-Topologie, die in der algebraischen Geometrie eine wichtige Rolle spielt.

27 Es wird also eigentlich schon vorausgesetzt, daß man weiß, was externallyconnected bedeutet.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 3–11

Bei all den Annahmen uber die Existenz von Teilgebieten (Annahme 9, An-nahme 15) verwundert es, daß hier28 nicht verlangt wird, daß es zu jedem GebietA Gebiete B gibt, die nicht-tangential eingebettet sind - denn das wird ja imnachsten Abschnitt ganz entscheidend gebraucht.

Und auch, daß nicht genauer die Verfeinerbarkeit in alle Richtungen spezi-fiziert wird: immerhin handelt es sich um vier-dimensionale Gebilde, die bisherformulierten Annahmen sind auch dann erfullt, wenn es Verfeinerungen nur ineiner Koordinatenrichtung geben sollte, etwa in Zeitrichtung:

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Abschnitt III: Extensive Abstraktion.

Ausgangspunkt der Whitehead’schen Uberlegungen ist die Feststellung, daßes in der Wirklichkeit nichts Punktuelles gibt oder zumindest nicht wahrgenom-men werden kann, weder raumlich Punktuelles, noch zeitlich Punktuelles und daßdie Vorstellung von Raum- und Zeitpunkten, die sich in den Naturwissenschaften(aber auch im taglichen Leben) etabliert hat, durch einen Abstraktionsprozess er-zeugt wird. Die Methode der extensiven Abstraktion macht es sich zur Aufgabe,diesen Abstraktionsprozess nachzuvollziehen. Man denke dabei an das Verfeinernder Wahrnehmung, das Fokussieren, bei dem man sich auf immer kleinere Einhei-ten konzentriert. Whitehead verweist auch auf Meßvorgange, etwa auf die immerweiter wachsende Genauigkeit bei astronomischen Messungen.

Zeitpunkt - Zeitdauer: Beispiele. Der Tod Caesar’s. Bei Geschichtsdatenunterscheidet man ublicherweise zwischen punktuellen Daten (Tod Caesar’s, Er-nennung zum Konsul, usw.) und Zeitraumen (Regierungszeit Caesar’s, RomischesImperium, usw.).

Schaut man aber genauer hin, so sind auch die punktuellen Daten gar nichtwirklich punktuell. Beispiel eben: Tod Caesar’s. Das dauert ja. Eindringen desDolchs, Verdrehen der Augen, etc. Selbst: Eindringen des Dolchs: auch das dau-ert. Welches sollte denn der genaue Zeitpunkt sein? “Wenn das Herz zu schlagenaufhort” - auch dies kein wohl bestimmter Moment. Siehe auch die gegenwartigeHirntod-Debatte. Auch ortlich: Whitehead notiert: Tod im Senatsgebaude. Auchhier kann man einkreisen auf Dolch und Korper, oder auch das Herz, usw. Undnaturlich ist alles mogliche andere mitzubedenken: die ganze Vorgeschichte. Auchdies laßt sich einkreisen und einkreisen und einkreisen . . . .

Zweites Beispiel, diesmal aus der Natur. Ein Blitz schlagt ein. Ein Moment?Nein, eine Dauer. Auch ortlich: lokalisierbar, aber nicht punktuell. Und auch hierdie Vorgeschichte: die Wetterlage, der Spannungsaufbau. Ohne den Aufbau derSpannung gabe es die Entladung nicht. Auch hier laßt sich alles einkreisen. Auf

28 Man mache sich aber klar, daß die Annahme 19 derartiges leistet

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 3–12

die Stunde davor, oder die Minute davor, oder die Sekunde. Aber man brauchteine Dauer.

Dies beides Ereignisse, spektakular. Aber naturlich sind genau so auch dieunspektakularen Ereignisse zu interpretieren: Die Cheops-Pyramide gestern. Usw.

Auch wenn vom “Standpunkt” die Rede ist, muß man vorsichtig mit demBestandteil “Punkt” sein – als Abstraktion mag es ein Punkt sein, real nicht.

Siehe auch RM p.91 A definite limited physical event limited both as tospace and time, but with time-duration as well as with its full spatial dimension.

Daß es in der Realitat keine wirklichen punktuellen Daten gibt, wird vonWhitehead immer wieder herausgearbeitet. Ross (p.179) scheint dies zu storen: Itis interesting that Whitehead never considers the posibility that standpoints maynot at all be extensive in even a generalized sense . . . .

Erwahnt seien auch Formulierungen, die sich beispielsweise in SMW finden,dort wird die Vorstellung von simple location mit folgenden Worten kritisiert:Mistaking the abstract for the concrete.

Beispiele zur Verfeinerung der Sicht. Zuerst in der 2-dimensionalen Welt:

• Vergroßerung eines Bilds, Ubergang zu einem Bildausschnitt

• Erhohung der Auflosung

• Genauere Vorstellung: Pixel. Digital-Kamera.

• Die alteren Techniken (Zeitungsbilder mit Bildpunkte, Rasterung von Bildern)sind eher irrefuhrend. Auch die dort verwendeten Bildpunkte sind selbst wie-der 2-dimensional.

Analog in der Musik:

• Digitale Aufnahmen. Remastering 20-Bit-Technik usw.

Ganz allgemein sei verwiesen auf den Beitrag

• R. Efron: The Measurement of Perceptual Durations. (207ff). In: Study ofTime, p.207 ff.

Abstraktive Mengen. Hier die formale Definition einer “abstraktiven Men-ge”: Es handelt sich um eine Menge von Gebieten A1, A2, . . . , wobei jeweils Ai+1

tangential in Ai enthalten ist (fur alle i) und andererseits kein Gebiet in allenAi enthalten ist. Es sind also ineinander geschachtelte Gebiete. Was durch einederartige abstraktive Menge beschrieben werden soll, sind geometrische Dinge29,wie Punkte, Kurvenstucke, Flachenstucke — keineswegs alle, sondern nur ganzspezielle.

29 Holl ubersetzt geometrical element ganz richtig mit “geometrisches Element”,wahrend wir hier von “geometrischen Dingen” sprechen wollen. Unser Sprachge-brauch erlaubt es, die Unterscheidung zwischen member und element einfacherherauszuarbeiten: member steht fur die mengentheoretische Relation “Element ei-ner Menge” sein.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 3–13

Beginnen wir mit zwei Beispielen fur abstraktive Mengen (Definition 10), dielinke ist “punktual” (Definition 17), die rechte “segmental”:

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Zur Verdeutlichung sind hier die gedachten geometrischen Loci (links ein Punkt,rechts ein Segment) eingezeichnet:

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In CN (79) gibt es den Vergleich mit chinesischen (wir wurden sagen: russi-schen) Puppen in der Puppe, in jeder Puppe findet sich eine kleinere; allerdingsgibt es bei den abstraktiven Mengen kein letztes, kein kleinstes Element.

Konnten wir Gebiete als Punktmengen interpretieren (aber sie sind es, diedurch die Methode der extensiven Abstraktion erst definiert werden), so ware dasgeometrische Ding, das zu einer abstraktiven Menge gehort, einfach der mengen-theoretische Durchschnitt30. Im Nachhinein ist diese Interpretation auch wirklicherlaubt, denn Definition 21 liefert zu jedem Gebiet eine Punktmenge (die Mengeder Punkte situated in the region. Die durch die Annahmen 29-31 stark einge-schrankte Form dieser Punktmengen fuhrt dazu, daß die mit Hilfe der extensivenAbstraktion konstruierbaren geometrischen Dinge sehr speziell sind. So ist zumBeispiel kein Kreis, wohl aber jeder Kreisbogen konstruierbar. Konstruierbar sindbeispielsweise Mengen der folgenden Form (jeweils einzeln):

Punkt

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Segmente

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Dreibein

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Flachenstuck usw.

Nicht konstruierbar (mit Hilfe abstraktiver Mengen) ist ein Punktepaar, ein Kreisoder eine Schlaufe, eine Gerade, eine Halbgerade, usw.

30 Die Annahme nicht-tangentialer Einbettung fuhr dazu, daß dies Durchschnittenicht leer sind, dies wohl einer der Grunde fur die Neufassung der extensivenAbstraktion in PR.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 3–14

Das Uberdecken. Hier zwei abstraktive Mengen α (rechteckig gezeichnet)und β (kreisformig gezeichnet); dabei uberdeckt die Menge α die Menge β.

β

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Die Definition 12 fuhrt einen Aquivalenzbegriff fur abstraktive Mengen ein;die Aquivalenzklassen abstraktiver Mengen werden dann “geometrische Elemen-te” genannt (Definition 13). Hier links zwei aquivalente abstraktive Mengen α ={A1, A2, . . .} (durchgezogen gezeichnet) und β = {B1, B2, . . .} (punktiert gezeich-net), jedenfalls jeweils die Anfange, namlich die ersten vier Elemente (rechts sindsie noch einmal gezeichnet, nun nebeneinander, um Bezeichnungen fur die einzel-nen Gebiete zu notieren):

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.A1

A2A3

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B1B2

B3B4

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Der Skizze entnimmt man, daß gilt A1 ⊃ B3, A2 ⊃ B4 und so weiter, also wird βvon α uberdeckt. Entsprechend gilt B1 ⊃ A3, B2 ⊃ A4 und so weiter, also wird αvon β uberdeckt.

Die geometrischen Elemente sind als Aquivalenzklassen abstraktiver Mengenrecht komplizierte Gebilde31 . Bezeichnen wir mit G die Menge der Gebiete, soist also ein geometrisches Ding (insbesondere also zum Beispiel ein Punkt) einElement32 von PP(G). Die Komplexitat dieser Setzung macht sich zum Beispielbemerkbar, wenn Whitehead formuliert, was es bdeuteten soll, daß ein Punkt Pzu einem Gebiet A gehort (a point “situated” in a region, Definition 21): A ∈∈ P ,gelesen: A gehort zu einer abstraktiven Menge, die ein Element von P ist.

Einfacher schiene folgender Vorschlag: Ist α eine abstraktive Menge, so sei αdie Menge aller Gebiete B, fur die es ein Gebiet A ∈ α gibt mit B ⊃ A. Mankonnte nun als geometrisches Element, das zu α assoziert ist, einfach die Menge α(statt der Aquivalenzklasse [α]) nehmen.

Zwei verschiedene Segmente α (durchgezogen) und β (gestrichelt) mit gleichen

31 Darauf weist schon Palter hin.32 Es sei daran erinnert, daß wir mit P(M) die Potenzmenge der Menge M

bezeichnen.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 3–15

Endpunkten P und Q (sie sind als Punkte eingetragen):

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sie liefern Segmente mit den gleichen Endpunkten P und Q (hier jedoch neben-einander gezeichnet):

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P Q...................................................................................... • •

P Q..........................................................................................................................

Inzidenz. Sind α, β abstraktive Mengen, so schreiben wir [α] ⊂ [β], fallsdie abstraktive Menge β die abstraktive Menge α uberdeckt, aber α und β nichtaquivalent sind. Whitehead sagt in diesem Fall, daß α in β inzident33 ist (Definition15).

Punkte. Insbesondere verwendet er diesen Ansatz, um den Begriff des Punk-tes einzufuhren: Ein geometrisches Ding [α] ist ein Punkt, wenn es kein β mit[β] ⊂ [α] gibt (Definition 16): Ein Punkt ist also ein geometrisches Ding, das keineTeile hat!

Nachdem nun Punkte konstruiert worden sind, ist es moglich, die geometri-schen Dinge mengentheoretisch zu interpretieren, also als Mengen von Punkten.Dazu wird wieder der Inzidenz-Begriff (Definition 15) verwendet. Und man mochteauch den Gebieten eine Grundmenge von Punkten zuordnen; dies erfolgt dann erstim Abschnitt IV, in Definition 21.

Vergleich der Methode der extensiven Abstraktion in PNK, CN,PR und bei de Laguna. In CN wird zuerst die Zeit abgehandelt, und erst da-nach die Methode der extensiven Abstraktion eingefuhrt. Whitehead mochte alsoals erstes die Zeit isolieren, und zwar soll man auf diese Weise zu einer dura-tion (Dauer) kommen (immer noch mit einer zeitlichen Ausdehnung.) Auch dieEinfuhrung der Zeit verwendet abstraktive Mengen, hier wird mit unbeschranktenMengen gearbeitet (dies wird von de Laguna kritisiert). Als zweites wird dann dieMethode der extensiven Abstraktion durchgefuhrt, ausgehend von events; dabeigeht Whitehead ausdrucklich von beschrankten Gebieten (genauer: limited eventsCN 74) aus. Die Darstellung in CN ist im Vergleich zu PR weniger formal, alsokeine explizite Nennung von Definitionen, Annahmen, Beweisen, inhaltlich aber

33 Der Inzidenz-Begriff wird haufig als Grundbegriff der Geometrie genommen;ebene lineare Geometrie handelt dann von Punkten, Geraden und Inzidenz: ge-geben sind zwei Mengen P (die der Punkte) und L (die der Geraden) und eineRelation I ⊂ P×L, die gewisse Axiome erfullt; ist P ∈ P und L ∈ L mit (P, L) ∈ I,so sagt man, daß P und L inzident sind, daß also der Punkt P auf der Geraden Lliegt.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 3–16

sehr ahnlich; auf Abweichungen wird in PR hingewiesen. Whitehead betont, daßdie in PR vorgelegte Axiomatik entscheidend von de Laguna beeinflußt wurde undzwar stammt von ihm die Idee, den Grundbegriff der Inklusion durch den desZusammenhangs zu ersetzen; unterschieden wird dann zwischen Uberlappen undexternem Zusammenhang. Der Begriff des externen Zusammenhangs erlaubt es,bei Inklusionen zwischen tangentialen und nicht-tangentialen Inklusionen zu unter-scheiden. De Laguna selbst hat in Anlehung an die fruhere Whitehead’schen Theo-rie eine Raum-Theorie entwickelt, er betrachtet also nur die raumliche Ausdehnungund beginnt ganz bewußt mit endlichen drei-dimensionalen Raum-Gebieten.

Nun zu PR, wo die fruhere Whitehead’sche Theorie entsprechend den Beden-ken de Laguna’s modifiziert wird. Der wichtigste Unterschied zu den vorangehen-den Fassungen liegt daran, daß Whitehead nun bei den abstraktiven Mengen nurnoch Inklusionen zulaßt, die nicht-tangential sind. Wo liegt der Unterschied undwelche Vorstellung steckt dahinter?

Man sollte sich zuerst den Begriff einer Uberdeckung (cover) genauer ansehen:α “uberdeckt” β konnte so definiert werden: Ist B ∈ β, so gibt es A in α mit A ⊃ B(die Mengen von α sind großer als die Mengen von β). Es wird aber formuliert:Ist A ∈ α, so gibt es B ∈ β mit A ⊃ B

Beispiel: α durchgezogen (Kreise mit Radius 2n um den Punkt (0, 0), dabeiist n ∈ Z), und β punktiert (Kreise mit Radius 2n um den Punkt (2n, 0), ebenfallsmit n ∈ Z)

α β

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Ist B ∈ β, so gibt es A in α mit A ⊃ B. Ist A ∈ α, so gibt es B ∈ β mit A ⊂ B.Aber: Ist A ∈ α, so gibt es B ∈ β mit A ⊃ B, dagegen: Fur kein B ∈ β gibt es einA ∈ α mit A ⊂ B.

Und offensichtlich gibt es sogar derartige Folgen von Regionen, die sich aufden gleichen Punkt zusammenziehen, ohne daß es irgendeine Uberlappung gibt:

α β

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Die Bedeutung der Methode der extensiven Abstraktion. Um denR4 als topologischen Raum zu konstruieren, genugt die Vorgabe aller Wurfel mitEcken in Q4 (ganz so, wie man R selbst aus der Menge der Intervalle in Q erhalt),dabei kann man zusatzlich eine Schranke fur die Kantenlangen vorgeben. Es rei-chen also relativ wenige Daten aus, um den R4 (und damit auch entsprechendevierdimensionale Mannigfaltigkeiten) als topologische Raume zu beschreiben (dieswird im Rahmen der Diskussion der Grunbaum-Kritik noch genauer besprochen).

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 3–17

Im Sammelband The study of Time34 gibt es unter dem Obertitel Time,Philosophy and the Logic of Time Concepts die folgenden funf Beitrage:

• A.N.Prior: The Notion of the Present.• C.L.Hamblin: Instants and Intervals.• M. Capek: The Fiction of Instants.• E.Cassirer: On the Reality of Becoming.• W. Mays: Whitehead and the Philosophy of Time.

Dabei bezieht sich nicht nur Mays Beitrag sondern auch der von Capec ganz ex-plizit auf Whitehead. Interesant ist die Arbeit von Hamblin schon wegen der fol-genden Schlußbemerkung: Is was drawn to my attention during the Oberwolfachconference by H.A.C. Dobbs that the definition of instants from intervals in set-theoretical terms has previously been discussed by A.G. Walker in [7]. (p.331) Diezitierte Arbeit [7] hat den Titel Durees et instants und ist 1947 in Revue des coursscientifiques erschienen. Hamblin hatte sich Whitehead ansehen sollen, bevor erzur Feder griff.

Extensive Abstraktion ist nicht uberraschend. Paralellitat zur Kon-struktion der reellen Zahlen mit Hilfe von Intervall-Schachtelung. Arbeitet manmit Dedekind’schen Schnitten, so arbeitet man mit unbeschrankten Bereichen (diesentspricht in mancher Hinsicht der Einfuhrung von durations in PNK und CN).Cauchy-Folgen verbieten sich, denn hier mußten schon Raum-Zeit-Punkte gegebensein.

Wir wir wissen, ist ein topologischer Raum durch die Vorgabe einer Menge Sund einer geeigneten Menge T von Untermengen von S definiert. Da es sich dannum Untermengen handelt, ist auf T die Enthaltenseinsrelation gegeben. Es sindalso zwei Sorten von Entitaten gegeben: Punkte und Mengen.

Rekonstruktion der Grundmenge aus (T ,⊂) ist immer dann moglich, wenndas erste Trennungsaxiome von Hausdorff (das Frechet-Axiom) erfullt ist, denndann entsprechen die Punkte einfach den minimalen nicht-leeren abgeschlossenenUntermengen. In diesem Fall laßt sich also die Grundmenge aus der Kenntnis derabgeschlossenen Mengen (und damit auch aus der Kenntnis der offenen Mengen)rekonstruieren.

Will man, wie Whitehead es tut, die Punkte aus absteigenden Folgen α ={A1, A2, . . .} von Umgebungen rekonstruieren, so braucht man zusatzlich auch daserste Abzahlbarkeitsaxiom: Jeder Punkt besitzt eine abzahlbare Umgebungsbasis.

Es gibt viele vergleichbare Ansatze: Siehe zum Beispiel• Karl Menger: Topology without points. Rice Institute Pamphlet 27 (1940),

80-107.• “Mereologie”. Siehe z.B. Peter Simons: Whitehead und die Mereologie. In:

Materialien (ed. Hampe, Maaßen), 369-388. Das Stichwort “Mereologie” findetsich sogar im Historischen Worterbuch der Philosophie!.

• Mengenlehre ohne Elemente (zum Beispiel ohne das Fundierungsaxiom).Aber wahrscheinlich ist Whitehead hier die Prioritat zuzusprechen!

34 Herausgegeben von J.T.Fraser, F.C.Haber und G.H.Muller, 1972. Es handeltsich hierbei um die Proceedings of the First Conference of the International Societyfor the Study of Time. Diese Tagung fand 1969 in Oberwolfach statt.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 3–18

Fortsetzung der Text-Analyse von Abschnitt III. (Ab Definition 16)

Prime geometrische Dinge. Whitehead betrachtet hier Eigenschaften E =E(α) abstraktiver Mengen, die als Invarianten35 bezuglich Aquivalenz auftretenkonnen.

Eine abstraktive Menge α heißt prim bezuglich einer solchen Eigenschaft E,wenn α diese Eigenschaft E hat, und es keine abstraktive Menge β mit [β] ⊂ [α]gibt, die diese Eigenschaft E hat. Es handelt sich hier also um eine Minimalitats-bedingung36. Typisches Beispiel: Sind zwei Punkte A und B gegeben, und nennenwir E(α) die Eigenschaft, daß A und B inzident in [α] ist, so ist jedes Segmentmit den Endpunkten A und B prim bezuglich dieser Eigenschaft E.

Abschnitt IV: Rander.

Die Punktmenge P (A) eines Gebiets (Definition 21). Gegeben sind dieGebiete (als Standpunkte der actual entities), mit ihrer Hilfe wurden Punkte kon-struiert. Bezeichnen wir die Menge der Gebiete mit G, so sind die Punkte, wie wirgesehen haben, Elemente von PP(G). Man kann nun jedem Gebiet A die Men-ge P (A) derjenigen Punkte zuordnet, die zu A “gehoren”, oder in A “liegen”;Whitehead spricht von a point “situated” in the region; gemeint ist dabei P ∈∈ A,daß also A zu einer der abstraktiven Mengen, die P definieren, gehort. Ist etwaα = {A1, A2, . . .} eine abstraktive Menge, die P definiert, so “liegt” P in jedemder Ai. Von Interesse ist hier die Tatsache, daß Whitehead mit nicht-tangentialenInklusionen A1 ⊃ A2 ⊃ A3 ⊃ . . . arbeitet. Die Gebiete, in denen der Punkt Pliegt, bilden offensichtlich einen Umgebungsfilter fur P (im Sinn der mengentheo-retischen Topologie); wir erhalten also wirklich einen topologischen Raum, undjedes Gebiet A (oder besser: die Menge P (A) der Punkte, die in A liegen), ist eineoffene Menge.

Die Oberflache eines Gebiets. Die Definition 22 ordnet jedem Gebiet Aseine OberfLache O(A) zu, auch dies eine Punktmenge, und zwar die Menge allerPunkte P mit folgenden Eigenschaften: Einerseits gehort P nicht zu A, andererseitsuberlappen alle Gebiete B, die P enthalten, die Menge A. Die Oberflache bestehtalso gerade aus den Randpunkten der Menge P (A):

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A

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B

35 Es soll also gelten: Sind die abstraktiven Mengen α, α′ aquivalent, und gilt dieEigenschaft E fur eine der beiden abstraktiven Mengen, so auch fur die andere.Eine derartige Eigenschaft E ware zum Beispiel, punktuell zu sein, oder auch: daßder Punkt P in jedem der Gebiete, die zu α gehoren, liegt (daß P mit [α] inzidentist).

36 Daß man in solchen Situation das Wort “prim” (oder auch “primal” oder “pri-mitiv”) verwendet, ist in der Mathematik in verschiedensten Zusammenhangenrecht ublich. Die Namensgebung geht auf Betrachtung der Primzahlen in der Zah-lentheorie zuruck: eine naturliche Zahl n > 1 ist eine Primzahl, wenn sie nur 1 undn als Teiler hat, wenn also die Zahl der Teiler minimal ist.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 3–19

Die Annahmen 29 – 31. Sie sind besonders hervorzuheben (und wurdenmerkwurdigerweise bisher kaum zur Kenntnis genommen37): hier wird sehr klarformuliert, welch drastischen Bedingungen nach Whitehead’s Meinung die Gebiete(also die Standpunkte der actual entities) unterworfen sind.

Was steht hier? Erstens: die Zuordnung A 7→ P (A) ist bijektiv. Dies besagtinsbesondere, daß es zu jedem Gebiet A Gebiete B gibt, die nicht-tangential in Aenthalten sind (denn es muß ja abstraktive Mengen geben, zu denen A gehort).Zweitens: Die Zuordnung A 7→ O(A) ist ebenfalls bijektiv, jedes Gebiet ist alsodurch seine Oberflache schon eindeutig bestimmt. Soweit die hier relevanten Aus-sagen von Annahme 29. Annahme 30 besagt, daß P (A) wegzusammenhangend ist.Entsprechend besagt Annahme 31, daß auch O(A) wegzusammenhangend ist. Die-se Annahmen legen nahe, daß nach Whitehead fur jedes Gebiet A die PunktmengeP (A) offen in ihrem Abschluß sein soll. Auf jeden Fall sind innere Locher ausge-schlossen. Betrachten wir etwa das folgende zweidimensionale Analog-Beispiel:

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A

so sehen wir, daß der Rand O(A) hier nicht zusammenhangend ist.Offensichtlich ist auch folgende Konfiguration unerwunscht:

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A

B

In diesem Zusammenhang sind Beispiele gefragt! Was ist etwa ein Mensch,topologisch gesehen? Als erste Approximation fur die raumliche Gestalt erhaltman wegen des Verdauungskanals wohl folgendes Bild:

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Im analogen zweidimensionalen Modell entspricht dies einem Kreisring, und derware ausgeschlossen!

Auch die Annahme, daß jedes Gebiet durch seine Oberflache eindeutig be-stimmt ist, konnte zu Schwierigkeiten fuhren! Man denke nur an die analoge

37 Im Gegenteil, Palter etwa notiert, daß es derartige Uberlegungen im Text garnicht gibt: Whitehead may wish to exclude regions with “holes” as he excludesevents with “holes” in his earlier works; but this is by no means certain since hislater theory of extensions (und hier meint Palter eben PR) is deliberately moregeneral than his earlier theory. (p.146)

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 3–20

zweidimensionale Situation und zwar an den Fall einer kompakten zweidimen-sionalen Mannifgaltigkeit wie etwa einer Kugeloberflache. Betrachten wir kleineKreisscheiben, so kann man aus der Vorgabe des Randkreises die gegebene Kreis-scheibe rekonstruieren, nicht jedoch im Grenzfall, wenn der Rand ein Großkreisist. Bei Kreisen auf einer Kugeloberflache von Innen und Außen zu reden, ist mitSchwierigkeiten verbunden38.

Tangential. Der Gebrauch dieses Worts deutet darauf hin, daß die White-head’schen Rander glatt sind, daß es keine Ecken und Kanten gibt.

Unscharfe Rander. Die Annahme 29 wird von Whitehead nicht nur nichtbegrundet, sie entspricht auch in keiner Weise der von ihm (und vielen anderen)sehr klar formulierten Kritik an Punktuellem. Mit der Annahme 29 kommt denndoch wieder der Wunsch zum Vorschein, daß die punktuellen Konstruktionen (Ab-straktionen) wohlgeformte Gebilde liefern: wenn die Gebiete wohlgeformte Randerhaben (und so ist die Annahme 29 zu lesen), so kann man mit diesen Randernwissenschaftlich “exakt” arbeiten - aber die Beispiele legen dies nicht nahe.

Es gibt mathematische oder mathematisch-naturwissenschaftliche Ansatze,ohne solche wohlgeformten Rander auszukommen:

• Fuzzy set theory.• Vernachlassigen von Mengen vom Maß Null.• Fraktale.• Schon das Arbeiten mit Umgebungsbasen im Gegensatz zu Basen der Topo-

logie ist ein erster Versuch, die Frage moglicher Rander erst einmal offen zulassen.

Eine derartige Theorie sollte die von Whitehead einfach so geforderte (aber auchnur im sowieso obsoleten Abschnitt uber Oval-Klassen gebrauchte) Bijektion zwi-schen Randern und Gebieten ersetzen.

Die Moglichkeit, Rander nicht festzulegen, gehort gerade zu den besonderswichtigen Eigenschaften des Whitehead’schen Ansatzes: zur Robustheit der Theo-rie.

Verwiesen sei auch auf explizite Formulierungen von Whitehead selbst: Eventsappear as indefinite entities without clear demarcations. (PNK 73), siehe auch (CN59).

Eine weitere Schwierigkeit, die die Frage der moglichen Rander betrifft, ist zunotieren: Bei der extensiven Abstraktion wird ausdrucklich mit nicht-tangentialenInklusionen gearbeitet. Man erhalt auf diese Weise (und das gerade ist beabsich-tigt), keine Randpunkte. Allerdings scheint das mikroskopische atomic actual en-tity eher ein Randpunkt zu sein! (Siehe den Versuch einer Skizze auf Seite 5-10.)

38 Erinnert sei an den Betrunkenen, der etliche Zeit um eine Litfaßsaule schlichund schließlich ganz entnervt schimpfte: “Man hat mich eingemauert!”

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4. Grunbaum’s Kritik.

Grunbaum hat sich mehrfach zu Whitehead geaußert, von besonderem Inter-esse sind:

• Whitehead’s method of extensive abstraction. British J. Philos. 4 (1953), 215-226.

• Buchbesprechung von: Whitehead’s Philosophy of Science (Palter). Phil. Rev.71 (1962)

E.W. Beth (Math.Reviews 1954) faßt die Grunbaum’schen Argumente folgen-dermaßen zusammen39:(i) Even if the existence of denumerable actual infinite is somehow certifiable

by sense awareness, sense awareness cannot suggest the idea of a super-denumerable collection of perceptible regions, which is needed in order to avoidZeno’s paradox of plurality.

(ii) that the convergence of Whitehead’s classes is ambiguous, and(iii) that these classes do not belong to the domain of sense awareness.

Was die beiden letzten Argumente anbetrifft, scheint mir kaum Dissens zuWhitehead zu bestehen. Als Hauptkritik-Punkt ist (i) zu diskutieren, das Erfassenunendlicher Datenmengen. Hier muß als erstes die in der Mathematik ublicheUnterscheidung zwischen abzahlbar unendlichen und uberabzahlbar unendlichenMengen vorgestellt werden.

Abzahlbar unendlich – uberabzahlbar unendlich. In der Mathematikwird haufig, in vielen Zweigen der Mathematik (wie etwa der Analysis) fast im-mer mit unendlichen Grundmengen gearbeitet, und seit Cantor werden unendli-che Mengen nach ihrer Große (“Machtigkeit”, also nach der Anzahl der Elemente)unterschieden. Man nennt zwei Mengen S1, S2 gleichmachtig, wenn es eine Bi-jektion zwischen den Elementen von S1 und denen von S2 gibt: Zum Beispielsind die Mengen der geraden Zahlen G = {0, 2, 4, . . .} und der ungeraden ZahlenU = {1, 3, 5, . . .} gleichmachtig: man betrachte die Bijektion n 7→ n + 1. Schonuberraschender mutet an, daß die Menge G der geraden Zahlen “genau so vie-le” Elemente enthalt wie die Menge N = {0, 1, 2, 3, . . .} der naturlichen Zahlen(denn G ist ja eine echte Untermenge von N)40: die Abbildung n 7→ 2n liefertdie gewunschte Bijektion. Verwendet man den Zahlenstrahl zur Markierung dieser

39 Er fugt hinzu: Though the author’s conclusions are probably correct, argument(i) does not seem fully convincing on account of the Skolem-Lowenheim paradox.Es besagt, daß man, wenn von uberabzahlbaren Mengen die Rede ist, auch ma-thematische Modelle finden kann, die sich in vieler Hinsicht gleich verhalten, undin denen man es nur mit abzahlbaren Mengen zu tun hat. Dies scheint aber furdie hier zu diskutierende Fragestellung irrelevant zu sein!

40 Ist S eine endliche Menge, so gibt es naturlich keine echte Untermenge, diegleichviel Elemente wie S besitzt; anders ist dies bei allen unendlichen Mengen:laßt man zum Beispiel nur endlich viele Elemente weg, so erhalt man als Restmengeeine Untermenge, die zur Ausgangsmenge gleichmachtig ist. Man kann also diesemerkwurdige Eigenschaft zur Charakterisierung unendlicher Mengen verwenden:Eine Menge S ist genau dann eine unendliche Menge, wenn es eine echte Unter-menge U ⊂ S gibt, so daß U und S gleichmachtig sind.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 4–2

beiden Mengen, so haben diese beiden Mengen G und N immerhin das gleicheAussehen:

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Hat eine Menge die gleiche Machtigkeit wie N, so nennt man N abzahlbar,und mansagt auch, daß abzahlbare Mengen die Kardinalitat Aleph Null (geschrieben ℵ0)haben. Auch die Menge Q der rationalen Zahlen ist abzahlbar, das wurde man ersteinmal nicht erwarten, denn auf dem Zahlenstrahl hat Q eine ganz andere Form:es ist eine in R uberall “dichte ” Menge, ungefahr so (aber mit noch viel mehrPunkten):

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Der Beweis beruht auf dem Cantor’schen Diagonalverfahren. Um zum Beispiel dierationalen Zahlen a

b≥ 0 abzuzahlen, betrachtet man nacheinander diejenigen41

mit a + b gleich 1, gleich 2, gleich 3, usw, also

01; 0

2, 1

1; 0

3, 1

2; 2

1; 0

4, 1

3, 2

2, 3

1; . . . .

Ist jede unendliche Menge abzahlbar? Nein, wir werden gleich zeigen, daß R nichtabzahlbar ist. Ganz allgemein gilt: Ist S eine Menge, so sind S und die Potenz-menge P(S) nicht gleichmachtig.

Beweis. Wir zeigen, daß es keine surjektive Abbildung S → P(S) gibt. Seif : S → P(S) eine Abbildung. Um zu zeigen, daß f nicht surjektiv ist, konstruierenwir ein Element U ∈ P(S), das nicht Bild eines Elements von S unter f sein kann,wie folgt: Setze U = {s ∈ S | s /∈ f(s)}. (Diese Konstruktion geht auf Russellzuruck: auf den Dorffriseur, der alle im Dorf rasiert, die sich nicht selbst rasieren. . . ).

Eine unendliche Menge, die nicht abzahlbar ist, heißt uberabzahlbar. Wir ha-ben gerade gezeigt: P(N) ist eine uberabzahlbare Menge. Daraus folgt aber, daßauch R uberabzahlbar ist (und es gibt viele andere Moglichkeiten, dies einzusehen).Und auch das Intervall I = [0, 1] ist (wie jedes andere Intervall) uberabzahlbar.

Grunbaum. Er betont zuerst einmal: Empiricists from Aristotle to Humehave maintained that infinitum actu non datur, erlaubt dann aber doch dasHeranziehen gewisser einfach strukturierter unendlicher Daten: Let us suppose forthe argument that contrary to that tradition, the existence of a denumarable ac-tual infinite were somehow certifiable by sense awareness so that the meaning ofaleph zero could still be given a sensationalist pedegree. It would then neverthelessbe true that the very notion of actually infinite classes having a cardinality ex-ceeding aleph zero would inexorably defy encompassment by the sensory imagina-tion. For the set-theoretical meaning of super-denumerabiltiy eludes alle logicallypossible sensory exemplification, since any collection of non-overlapping three-dimensional regions of space is at most denumerably infinite (cf. G. Cantor,Math. Ann.1882, 20, 117).

41 Genauer: Um wirklich eine Bijektion, nicht nur eine surjektive Abbildung zuerhalten, muß man rationale Zahlen, die mehrfach vorkommen, jeweils nach demersten Auftreten unberucksichtigt lassen. Statt der im Text notierten Folge erhaltman dann 0

1; 1

1; 1

2, 2

1; 1

3, 3

1; . . . .

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 4–3

Fangen wir hinten an, mit seiner Begrundung “since”. Cantor’s Satz ist richtig,aber das Heranziehen dieses Satzes ist vollig unsinnig und beleuchtet entscheidenddie Problemstellung: Das verraterische Stichwort ist non-overlapping. Es ist volligklar, daß es bei einem Raum wie dem R4 eine abzahlbare Basis der Topologie gibtund man wird dies auch bei allen anderen in kosmologischen Theorien betrachtetenvier-dimensionalen Mannigfaltigkeiten voraussetzen: daß jede Familie offener, sichnicht uberlappender Mengen hochstens abzahlbar sein kann. Dies wird zwar beiWhitehead nicht explizit als Annahme formuliert, aber es deutet auch nichts daraufhin, daß er an andere Strukturen gedacht haben konnte. Die Uberabzahlbarkeit vonR, R4 und entsprechender Mannigfaltigkeit kommt jedoch nicht von der globalenStruktur her, sondern ist ein rein lokales Problem: R zum Beispiel wird vollstandiguberdeckt von den abzahlbar vielen Intervallen [n, n+ 1], wobei n eine ganze Zahlist, und die Struktur dieser Menge von Intervallen ist so ubersichtlich, wie man esnur von einer abzahlbaren Menge erwarten kann! Es sind die einzelnen Intervalle[n, n + 1], die uberabzahlbar sind, und wenn man denn schon an uberabzahlbarvielen Gebieten interessiert sein sollte, so kann man getrost an Inklusionen denken.

Es sei daran erinnert, daß diese Argumentation Grunbaum’s dazu dient, White-head’s Methode der extensiven Abstraktion zu kritisieren: Und dafur werden ankeiner Stelle uberabzahlbar viele Gebiete gebraucht. Im Gegenteil: die abstraktivenMengen sind bei Whitehead offensichtlich abzahlbare Folgen, und zur Konstrukti-on aller Punkte sagen wir des R4 genugt es vollig, mit abzahlbar vielen Gebietenwie etwa den vierdimensionalen Wurfeln mit Ecken in Q4 zu beginnen.

Wir konnten hier die Diskussion fur beendet erklaren, nehmen sie aber zumAnlaß, um nachzufragen, was denn mit dem Leitsatz der endlichen Bestimmtheitder Erfahrung gemeint sein konne. Ausgangspunkt der Grunbaum’ Argumenta-tion ist ja, daß die sinnliche Erfahrung nur endliche Information, vielleicht auchnoch abzahlbare Information liefert, daß aber durch die sinnliche Erfahrung kei-nesfalls etwas so kompliziertes wie eine uberabzahlbare Menge erfaßt werden kann.Stimmt dies? Offensichtlich “sieht” man ein Intervall wie [0, 1], ohne sich auch nurim entferntesten klar zu machen, daß ein Mathematiker dies als eine uberabzahlba-re Menge interpretieren wurde! In vieler Hinsicht ist diese uberabzahlbare MengeI einfacher zu beschreiben, als die abzahlbare Menge42 I ∩ Q, denn I ist ein-fach die Menge aller Punkte zwischen 0 und 1. Deutlicher wird dies auch, wennwir uns Computergraphik-Programme ansehen: Zu unterscheiden ist hier zwischenBitmap-Bildern und Vektorgraphik: zeichnet man zum Beispiel eine Strecke von aund b, so werden bei einer Bitmap-Graphik die Koordinaten aller Zwischenpunk-te, die im vorgegebenen Pixel-Raster liegen, gespeichert, bei einer Vektorgraphik

42 Die Mengen N und [0, 1] sind vorstellbar, die Menge [0, 1] ∩ Q dagegen ist esgerade nicht. Abzahlbarkeit heißt, eine Bijektion anzugeben, diese braucht nichteinmal konstruktiv zu sein, aber im Fall von [0, 1] ∩ Q ist sie konstruktiv, undtrotzdem ist sie in vieler Hinsicht nicht vorstellbar. Zum Beispiel mache mansich klar: Legt man ein Intervall der Lange 2−i−1 um die i-te rationale Zahl qi

(entsprechend einer solchen Abzahlung q1, q2, . . . ), so ist die Gesamtlange dieserIntervalle hochstens 1

2 , es bleibt also ein nicht uberdeckter Rest ubrig, und dessenGesamtlange ist dann mindestens 1

2. Dieser Rest enthalt aber nur Einzelpunkte,

kein einziges Intervall, da jedes Intervall rationale Zahlen enthalt. Dies alles sindUberlegungen der Lebesgue’schen Maßtheorie.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 4–4

dagegen nur die Koordinaten dieser beiden Punkte (und die Information, daß essich um die Strecke mit diesen Endpunkten handelt). Vektorgraphiken haben vieleVorteile: sie sind beliebig skalierbar (wie ich auch vergroßere, ich erhalte immerwieder entsprechende glatte Linien), der Speicherbedarf einer derartigen Datei istdagegen außerst gering: gerade dies ist es, was uns hier interessiert.

Die Frage, in welcher Weise Sinnesdaten endlichen Charakter haben, ist außerstinteressant, wird aber durch die Gedankenfuhrung Grunbaum’s eher vernebelt.

• Bild: Pixel, Bits• Musik: Bits,• Film: Bits• Tastsinn: Zum Beispiel beim Gravieren zeigt sich, daß die Motorik des Men-

schen mit feineren Unterschieden umgehen kann, als der Gesichtssinn.Gerade im Rahmen der algorithmischen Mathematik (die ja mathematische Frage-stellungen so aufbereiten will, daß sie mit Computern bearbeitet werden konnen)spielt die Frage der Endlichkeit von Datenmengen eine wichtige Rolle.

Daran schließt sich die Frage an, inwieweit derartige endliche Sinnesdatenimmer weiter verfeinert werden konnen. Offensichtlich beginnt schon hier der Ab-straktionsprozess. Es gibt ein anderes Bild, das im Rahmen der Gultigkeit dersogenannten “vollstandigen Induktion” in der Mathematik manchmal herangezo-gen wird. (Dabei will man eine Aussage A(n) beweisen, wobei n eine naturlicheZahl ist. Man zeigt zuerst, daß A(1) gilt und zeigt dann, daß aus der Richtigkeitvon A(n) auch die von A(n + 1) folgt.) Sei A(n) die Aussage, daß in einen Koffermindestens n Taschentucher passen. A(1) ist klar: In jeden Koffer paßt ein Ta-schentuch. Nehmen wir nun an, es seien schon n Tachentucher im Koffer (daß alsoA(n) gilt). Aus Erfahrung weiß man: wie voll auch ein Koffer ist, ein Taschentuchpaßt immer noch in den Koffer: es gilt also A(n + 1).

Grunbaum betont: Extensive Abstraktion ist kein sense-datum. Aber auchWhitehead selbst formuliert: AI 135: ... the restless modern search for increasedaccuracy of observation and for increased detailed explanation is based upon unque-stioning faith in the reign of Law. Apart from such faith, the enterprise of scienceis foolish, hopeless.

Zum Abschluß noch ein Zitat aus PNK (p.76): The method is merely thesystematization of the instinctive procedure of habitual experience.

Die Alternative. Schauen wir uns an, welche Alternative es ist, die Grunbaumvor Augen hat. Er kritisiert nicht die Verwendung der reellen Zahlen in Mathe-matik und Physik zur Beschreibung raum-zeitlicher Phanomene. Ganz wie beiWhitehead gibt es fur ihn die Menge R als mathematisches Abstraktum, nichtjedoch in der Realitat. Hier noch einmal die Unterscheidung, um die es sich dreht:the classical idea of a continuum as a mere closely packed collection of discretepoints im Gegensatz zu the conception of the interconnectedness of regions, deri-ved from their basic extensiveness. (Grunbaum, p.21843) Und aus dem Text wird

43 Es ubernimmt diese Formulierung von Hammersmith, Whitehead’s Philosophyof Time: seiner Meinung nach wird der Sachverhalt aptly characterized. Um Miß-verstandnisse zu vermeiden, sollte allerdings betont werden, daß es sich bei dieser

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 4–5

klar, daß er R gerade nicht nur als Punktmenge ansieht, sondern als “Kontinu-um”, das heißt zusammen mit seiner Topologie. Zweitens bezweifelt er auch nicht,daß dieses mathematische Abstraktum herangezogen werden kann, um Vorgangeder Wirklichkeit zu beschreiben, daß also die Wirklichkeit koordinatisiert werdenkann. Dies bedeutet aber, daß er (wie jeder Naturwissenschaftler) einfach ver-schweigt, wie er an die reellen Zahlen kommt. Und jede Konstruktion der reellenZahlen muß von irgendwelchen abzahlbaren Konvergenzprinzipien Gebrauch ma-chen. Dabei genugt es ja nicht, die reellen Zahlen als Punkte zu konstruieren,gebraucht wird auch die Topologie, also die Menge der offenen Untermengen vonR. Wenn man also, wie Whitehead, die Punkte erst nachtraglich konstruiert undnur die Existenz von offenen Mengen, oder genugend vieler solcher Mengen, als ge-geben ansieht, so kann man sicher nichts falsch machen. Fur die Verwendung dieserKoordinaten zur Beschreibung raum-zeitlicher Phanomene mussen den Objektenraum-zeitliche Bereiche zugeordnet werden — wir sehen also, daß Grunbaum aufdie Whitehead’schen Vorgaben gar nicht verzichten kann, daß er allerdings denAbstraktionsprozess einfach stillschweigend voraussetzt und nicht thematisierenmochte. Dies scheint der einzige Unterschied zu sein.

closely packed collection of discrete points nicht um ein Nebeneinander von sichberuhrenden kleinen Intervallen handelt, sondern wirklich um die ubliche mathe-matische Vorstellung eines topologischen Raums mit Punkten und offenen Mengen,wie man gleichzeitigen Texten von Grunbaum, wie etwa A consistent conception ofthe extended linear continuum as an aggregate of unextended elements. (Philos.Sci.19 (1952), 288-306) entnehmen kann.

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5. Textanalyse: Kapitel III. Flat Loci.

Vorbemerkung: Im Kapitel III finden sich einige Uberlegungen, die eher obso-let wirken. Whitehead versucht hier, eine differenzierbare Struktur auf der Mannig-faltigkeit der Raum-Zeit mit rein mengentopologischen Methoden zu beschreiben.Daß er dabei die angenommenen Flachheit in den Vordergrund stellt, erinnert andie vergebliche Suche nach Beweisen, daß die Erde eine Scheibe sei . . . . Palter44

berichtet uber Gesprache zwischen Einstein und Whitehead, in denen WhiteheadEinstein davon zu uberzeugen versuchte, daß aus philosophischen Grunden dieRaum-Zeit nicht gekrummt sein konne! Zum Beispiel mochte Whitehead sicher-stellen, daß es zu zwei Punkten eine eindeutig bestimmte Verbindungsstrecke gibt:einerseits daß es sie gibt, andererseits daß es nur eine gibt, also Existenz undEindeutigkeit.

Aus gutem Grund wird dieses Kapitel in den Kommentaren meist ubergangen,es liefert aber durchaus einige Denkanstoße, die von Interesse sind.

Abschnitt I.

Dieser Abschnitt ist eine Uberleitung. Fangen wir mit dem letzten Absatz an,da eigentlich er erst die Uberlegungen im Kapitel II zum Abschluß bringt. No-tiert wird hier der ontologische Charakter eines Punkts (und jedes geometrischenDings, das durch extensive Abstraktion gewonnen wurde): es handelt sich um einenNexus von Actual Entities. Dies ist einerseits keine Uberraschung, denn so sindja die geometrischen Dinge gewonnen: als Menge von Gebieten (oder als Mengevon Mengen von Gebieten) mit wohlbestimmten Eigenschaften. Wichtig aber istdennoch, daß betont wird, daß diese geometrischen Dinge nicht mehr (und nichtweniger) sind, als was sie sind.

Die Abschnitte II und III.

Wir haben in IV.II.III gesehen, daß es zu zwei Punkten P, Q viele Segmentemit diesen Endpunkten gibt. Nun mochte man ein eindeutig bestimmtes “lineares”Segment finden. Es soll “gerade” (straight) und “flach” (flat) sein.

Oval-Klassen. Fur die weiteren Uberlegungen fuhrt Whitehead den Begriffeiner Oval-Klasse (ovate class of regions) ein. Betrachtet wird dabei eine Unter-menge der Menge aller Gebiete, die einerseits untereinander, andererseits bezogenauf die restlichen Gebiete, ein ganz pragnantes Schnittverhalten zeigen. In Ab-schnitt III wird dann als Annahme 1 postuliert, daß es eine solche Oval-Klassewirklich gibt (in the extensive continuum of the present epoch); Whitehead vermu-tet (it seems probable, PR 462), daß es auch nur eine solche Oval-Klasse gibt, aberes war ihm nicht moglich, dies zu beweisen. Die Existenzaussage selbst soll weiterunten eingehender diskutiert werden.

44 Zitat aus P.Frank: Einstein, His Life and Times, p.189: Whitehead had longdiscussions with Einstein and repeatedly attempted to convince him that on me-taphysical grounds the attempt must be made to get along without the assumptionof a curvature of space. Einstein, however, was not inclined to give up a theory,against which neither logical nor experimental reasons could be cited, nor consi-derations of simplicity and beauty. Whitehead’s metaphysics did not seem quiteplausible to him.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 5–2

Im Rn (und dieser Raum dient Whitehead sicher als Standard-Modell furseinen Kalkul eines Ausdehnungszusammenhangs) bildet die Menge der konvexenoffenen Untermengen eine Oval-Klasse im Sinne Whiteheads. Dabei heißt eineUntermenge des Rn konvex, wenn sie mit jedem Punktepaar a, b alle Punkte derVerbindungsstrecke enthalt (dies sind gerade die Punkte der Form λa + (1 − λ)b,wobei 0 ≤ λ ≤ 1 gilt).

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•a

• b

Wir erlautern hier an der Menge aller konvexen offenen Untermengen die vonWhitehead verlangten Bedingungen an eine Oval-Klasse; die zugehorigen Skizzen45

beziehen sich auf den R2. Wir beginnen zuerst mit den Bedingungen, die dasSchnittverhalten endlich vieler Gebiete betreffen:

(i) Der Durchschnitt zweier konvexer offener Mengen U1, U2 ist wieder konvexund offen.

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U1 U2

(ii) Ist U offen, aber nicht konvex, so gibt es eine konvexe offene Untermenge V , sodaß sich U und V uberlappen und U ∩ V zwei Zusammenhangskomponentenhat.

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U

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V

(iii) Ist U konvex und offen, so gibt es eine offene Untermenge V , die nicht konvexist, so daß sich U und V uberlappen und U ∩V zwei Zusammenhangskompo-nenten hat.

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V

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U

(iv) Sind U1, U2 konvexe offene Untermengen, die sich beruhren, aber nicht uber-lappen, so ist U1 ∩ U2 eine zusammenhangende abgeschlossene Untermenge.

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U1 U2...........................................

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(v) Ist U offen, aber nicht konvex, so gibt es eine konvexe offene UntermengeV , so daß U und V sich beruhren, aber nicht uberlappen, wobei U ∩ V zwei

45 Wird dabei zu einer gegebenen Menge U die Existenz einer Menge V verlangt,so werden wir in den zugehorigen Skizzen V gestrichelt zeichnen.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 5–3

Zusammenhangskomponenten hat.

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U

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V

(vi) Ist U konvex und offen, so gibt es eine offene Untermenge V , die nicht konvexist, so daß U und V sich beruhren, aber nicht uberlappen, und U ∩ V zweiZusammenhangskomponenten hat.

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V

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U

(vii) Sind U1, U2 offene Untermengen, so gibt es V konvex und offen mit U1 ⊂ Vund U2 ⊂ V .

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U1

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U2 ................

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(viii) Sind U1, U2 konvex und offen mit U1 ⊃ U2, so gibt es V konvex und offen mitU1 ⊃ V ⊃ U2.

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............................ U1U2

V

(ix) Jede konvexe offene Menge U besitzt Zerlegungen in konvexe offene Mengen,aber auch Zerlegungen in offene Mengen, die nicht konvex sind.

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U ........................

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U

Wie gesagt, durch diese Axiome wird definiert, was man unter einer Oval-Klasse verstehen soll; dies ist also eine Menge von Gebieten mit speziellem Schnitt-Verhalten. Die Elemente einer solchen Oval-Klasse heißen dann “Ovale” (die Frage,ob ein Gebiet ein Oval ist oder nicht, ist nur entscheidbar, wenn man die ganzeOval-Klasse kennt).

Die weiteren Bedingungen (b)(i) bis (b)(iii) betreffen die Existenz oder Nicht-Existenz abstraktiver Mengen aus Ovalen. Whitehead nennt daher die unter (b)zusammengefaßten Axiome die “abstraktive Gruppe” von Axiomen. Bevor wir die-se Axiome diskutieren, sollte die Behauptung 2 (PR 465) vorgestellt werden, dieWhitehead fur sehr wichtig halt, und fur die er einen formalen Beweis vorlegt —ganz im Still eines mathematischen Textes: Erst Definitionen, dann Behauptun-gen, und zu jeder Behauptung der zugehorige Beweis. Diese Behauptung 2 besagt

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 5–4

das folgende: Zwei abstraktive Mengen aus Ovalen, die beide prim bezuglich dergleichen Eigenschaft E sind, sind aquivalent (liefern also das gleiche geometrischeDing). Die Eigenschaften E, die im folgenden Text betrachtet werden, beziehensich darauf, eine feste vorgegebene Menge P1, . . . , Pm von Punkten zu uberdecken.

• Im Fall zweier Punkte P1, P2 erhalt man auf diese Weise eine Strecke (straightsegment oder, als Punktmenge, straight line mit den Endpunkten P1 und P2,Definition 5).

• Im Fall dreier Punkte P1, P2, P3 erhalt man ein Dreieck (Definition 7) mitden Ecken P1, P2, P3.

• Im Fall von vier Punkte erhalt man ein Tetraeder (Definition 9) mit diesenEcken.

Die weiteren Definitionen sind dafur gedacht, die entsprechenden globalen Be-griffe zu liefern: Gerade, Ebene, 3-dimensionaler (flacher) Raum. Verlangtwird dabei jeweils, daß je m Punkte (m = 2, 3, 4) zu einer Strecke, einem Dreieck,einem Tetraeder gehoren.

Warnung. Im analogen zwei-dimensionalen Fall zeigt ein Blick auf die Kugel-oberflache (im Gegensatz zum flachen Raum R2), daß aus der Moglichkeit einerDefinition nicht auf die Existenz entsprechender Dinge geschlossen werden kann.Im Fall einer Kugeloberflache ist es unproblematisch, fur je zwei Punkte P1, P2, dienicht zu weit auseinanderliegen46, eine eindeutig bestimmte Verbindungsstreckezu definieren, namlich eine Kurve kurzester Lange mit den Endpunkten P1, P2.Eine Globalisierung dieser Begriffsbildung scheitert aber daran, daß es zu zweiAntipodenpunkten eben keine eindeutig bestimmte kurzeste Verbindungsstreckegibt (jeder halbe Großkreis durch die beiden Punkte kann genommen werden,keiner ist vor den anderen ausgezeichnet).

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Die Axiome (b) einer Oval-Klasse. Wir betrachten nun die weiteren For-derungen an eine Oval-Klasse, namlich diejenigen zu Existenz und Nichtexistenzabstraktiver Mengen von Ovalen. Als erstes wird notiert, daß es zu jedem Punkt Pgenugen viele (oder genugend kleine) Ovale geben soll, die den Punkt uberdecken,daß es namlich eine entsprechende abstraktive Menge gibt, die nur aus Ovalenbesteht. In unserem Modell der konvexen offenen Untermengen des Rn lautet dieFormulierung:

(i) Jeder Punkt P besitzt eine abstraktive Menge α ∈ P , die nur aus konvexenoffenen Mengen besteht (es sei daran erinnert, daß ein Punkt P nichts anderesals eine Aquivalenzklasse abstraktiver Mengen ist). Anders formuliert: Jeder

46 Genauer: es durfen keine Antipoden sein.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 5–5

Punkt besitzt einen Umgebungsfilter aus offenen konvexen Untermengen47.

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Dimensionalitat. Die letzten beiden Bedingungen, die noch vorzustellensind, dienen dazu, die Vierdimensionalitat der Raum-Zeit herauszuarbeiten. Dien-Dimensionalitat wurde von Whitehead wie folgt formuliert werden:(ii) Sind hochstens n Punkte48 gegeben, so gibt es eine abstraktive Menge aus

Ovalen, die prim bezuglich der Eigenschaft, alle diese Punkte zu uberdecken,ist.

(iii) Sind n + 1 Punkte gegeben, so gibt es keine abstraktive Menge aus Ovalen,die prim bezuglich der Eigenschaft, alle diese Punkte zu uberdecken, ist.

Ich betone hier den allgemeinen Fall, weil zur Veranschaulichung wieder der ebeneFall, also der Fall n = 2, vorgestellt werden soll: (ii) Sind 2 Punkte gegeben, sogibt es eine abstraktive Menge aus Ovalen, die prim bezuglich der Eigenschaft,alle diese Punkte zu uberdecken, ist. Anders formuliert: Sind zwei Punkte P, Qgegeben, so gibt es eine abstraktive Menge aus Ovalen, die ein Segment mit denEndpunkten P, Q liefert.

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P Q• •...........................................................................................................................................................................

(iii) Sind dagegen 3 Punkte P1, P2, P3 gegeben, und versucht man, eine abstraktiveMenge zu finden, die aus Ovalen besteht und alle diese Punkte uberdeckt, so stelltman schnell fest, das dies nur dann moglich, wenn diese Punkte kollinear sind. Dennbilden die Punkte ein echtes Dreieck, so ist das Innere dieses Dreiecks eine konvexeoffene Menge M , und M ist in jeder konvexen offenen Untermenge enthalten, diedie Punkte P1, P2, P3 enthalt.

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•P2

•P3

Es kann also gar keine abstraktive Menge aus konvexen offenen Mengen geben, diealle drei Punkte P1, P2, P3 uberdeckt.

Existenz von Oval-Klassen. Whitehead fuhrt den Begriff einer Oval-Klassevor allem ein, um Flachheit definieren zu konnen. Wie wir notiert haben, be-sitzt jeder reelle Vektorraum Rn (und derartige Raume sind gerade die “flachen”,“geraden” Mannigfaltigkeiten) eine Oval-Klasse. Eine reelle Mannigfaltigkeit mit

47 Ein topologischer Vektorraum mit dieser Bedingungen wird lokal kompaktgenannt.

48 Dabei muß man den Fall eines einzelnen Punkts nicht betrachten, da schondie Bedingung (b)(i) besagt, daß es eine abstraktive Menge α ∈ P gibt, die nuraus Ovalen besteht. Und jede abstraktive Menge α ∈ P ist prim bezuglich derEigenschaft, den Punkt P zu uberdecken.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 5–6

Krummung, wie etwa eine Kugeloberflache, ein Torus oder eine Klein’sche Flasche,besitzt wahrscheinlich keine Oval-Klasse im Whitehead’schen Sinn. Betrachten wirzum Beispiel auf der Kugeloberflache die folgenden beiden Untermengen U (lang-lich) und V (eine Kreisscheibe), die beide typischerweise als Ovale gelten sollten,so sehen wir, daß die Schnittmenge aus zwei Komponenten besteht.

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U

Es ist davon auszugehen, daß es in kosmologisch relevanten Modellen keine Oval-Klassen im Sinne der Whitehead’schen Definition gibt. Man konnte versuchen, dieaxiomatischen Forderungen abzuschwachen, also etwa nur “lokale ” Oval-Klassenzu verlangen. Ob dies erfolgversprechend ist, ist nicht klar.

Abschnitt IV.

In diesem Abschnitt finden sich einige Explikationen zum Begriff des externenZusammenhangs. Als erstes wird die Problematik des sich Beruhrens von Gebietenaufgeworfen; dabei beschrankt sich Whitehead auf Ovale. Das Sich-Beruhren vonOvalen wird als Grenzfall zwischen konvexem und konkaven Verhalten gedeutet:

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U

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U

V

Die ubrigen Absatze des Abschnitts IV und der ganze Abschnitt V wendensich der kosmologischen Interpretation zu, die bisher fast vollstandig ausgespartblieb.

Energie-Ubertragung. Eine Differenzierung der Raum-Zeit in raumlichesund zeitliches Verhalten erfolgt erst im Kapitel IV, das den Entwicklungsstrangen(strains) gewidmet ist. Dennoch wird hier nun schon der externe Zusammenhangzweier zeitlich aufeinander folgender actual entities (the objectification of the an-tecedent occasion in the later occasion) diskutiert; ein derartiger Zusammenhangwird als Ubertragung (von Energie, von Information) interpretiert. Zwar schließtWhitehead nicht aus, daß es so etwas wie eine Fernwirkung auch geben konnte,grundsatzlich spricht seiner Meinung nach aber alles fur eine unmittelbare Ubert-ragung durch extensiven Zusammenhang und entsprechende mittelbare Ubertra-gung entlang aufeinanderfolgender Gebiete: through a route of successice quantaof extensiveness. These quanta of extensiveness are the basic regions of successivecontiguous occasions.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 5–7

Die weitere Unterscheidung zwischen unmittelbarer Objektivierung und mit-telbarer Objektivierung, in Paralellitat einerseits zum geistigen Pol, andererseitszum physikalischen Pol, erscheint recht mystisch. Ihr sind die letzten drei Absatzeim Abschnitt IV und auch noch die ersten drei Absatze im Abschnitt V gewidmet.

Es sei hier versucht, eine Zusammenstellung einiger Phanome zu notieren,deren Diskussion hier ansteht: Thematisiert wird hier die Moglichkeit zum Beispielvon

• Telepathie (PR 469)

• Das instinktive Erahnen einer Stimmung im Umgang mit Menschen (PR 469).

• Hellsehen, Zukunfts-Prognosen.

• Erinnerung.

Mentaler Pol. Eine Interpretationsmoglichkeit: Das Erfassen codierter Infor-mation (Schrift, Musik, Magisches Auge) erlaubt das Uberspringen benachbarterEntitaten, also eine unmittelbare Objektivierung wo ansonsten nur eine mittelbaremoglich ware.

Abschnitt V. Rekapitulation.

Die ersten vier Absatze deuten an, wie die hier entwickelte Ausdehnungslehreim Gesamtkontext von Process and Reality einzuordnen ist. Die abschließendenzwei Absatze von Abschnitt V liefern ein weiteres wichtiges Stichwort, das des“Vektors”, dies soll hier besonders herausgearbeitet werden. Um zu verstehen,welchen Stellenwert der Begriff des “Vektors” im Rahmen der Whitehead’schenPhilosophie besitzt, reicht es nicht, den Begriff eines Vektorraums und seiner Ele-mente (eben einzelner Vektoren) vor Augen zu haben, sondern man muß an ganze“Vektorfelder” denken. Geht man davon aus, daß, in der Sprache der modernenMathematik, das Kapitel III einen differentialgeometrischen Zugang zur Kosmo-logie intendiert, so entspricht unsere Interpretation genau dieser Intention. Eineexplizite Erwahnung von Differentialgeometrie und Vektorfeldern erfolgt allerdingserst ganz am Ende von Kapitel IV (PR 507).

Vektorfelder. Es sollte betont werden, daß Vektorfelder etwas vollig Natur-liches, Grundlegendes, jedem Vertrautes sind; man kennt sie durch die Wetterkar-ten, wenn durch Pfeile die Windrichtung angedeutet wird, durch Stromungsbilder(auf manchen Meeres-Karten), durch Abbildungen von Magnetfeldern usw. Schonin Schulbuchern der Sekunderstufe I tauchen sie auf, leider nicht in denen derMathematik, sondern in solchen der Physik, Erdkunde, Biologie.

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Deartige Vektorfelder sind heutzutage eines der wichtigsten Hilfsmittel bei der ma-thematischen Beschreibung von Vorgangen, die in den Naturwissenschaften und

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 5–8

den Wirtschaftswissenschaften untersucht werden: Links skizzieren wir Richtungs-vektoren, rechts einige Phasenkurven:

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Mathematische Modellierung dynamischer Prozesse erfolgt meist durch die Be-trachtung geeigneter Differentialgleichungen und moglicher Losungskurven. Fastimmer spielen dabei Vektorfelder eine wichtige Rolle.

Was sind Vektorfelder? Ein ebenes Vektorfeld ist nicht anderes als eine Ab-bildung R2 → R2, jedem Punkt x der Ebene wird ein Vektor v(x) zugeordnet,also ein Pfeil, den man zur Verdeutlichung an der Stelle x antragt, und meist wirdverlangt, daß dieser Vektor v(x) stetig (oder differentierbar, oder analytisch . . . )von x abhangt:

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Offensichtlich beschreibt ein derartiges Vektorfeld eine “vektorielle” Große, mitRichtung und Maßzahl (der Intensitat), also zum Beispiel die Luftbewegung: Wind-starke (dargestellt durch die Lange des Pfeils) und Windrichtung (durch die Rich-tung des Pfeils), wobei man davon ausgeht, daß diese Angaben eben nicht konstantsind (Lange und Richtung der Pfeile v(x) hangen von dem jeweiligen Punkt x ab).

Entsprechend sind Vektorfelder auf beliebigen Raumen Rn definiert (als Ab-bildungen Rn → Rn; auch hier wird also jedem Punkt x ∈ Rn ein Vektor v(x),also Bewegungsrichtung und Intensitat, zugeordnet.

Eine derartige Beschreibung dynamischer Prozesse (man denke dabei an Wet-terlage, an Bevolkerungswachstum oder an die Wirtschaftsentwicklung) erlaubtPrognosen fur die Zukunft (also Wettervorhersage, Rentenformeln, Aktienbewer-tung). Insbesondere erlaubt eine Beschreibung durch Vektorfelder den volligenVerzicht auf Fernwirkung. Und es ist das Gravitatsfeld, das den Rahmen fur dieallgemeine Relativitatstheorie liefert; es sei daran erinnert, daß die von dieser Theo-rie vorhergesagten Ablenkungen der Lichtstrahlen zum Beispiel durch die Sonnewirklich gemessen werden konnen; allerdings sollte betont werden, daß die Formu-lierung, daß es zu “Ablenkung” der Lichtstrahlen kommt, eher irrefuhrend ist, dader Begriff der Ablenkung einen absoluten Bezugsrahmen voraussetzt.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 5–9

Vektorfelder eignen sich naturlich auch sehr gut im Rahmen der Raumzeitzur Beschreibung der Beeinflussung (und damit dann auch zur Fixierung von vonWeltlinien):

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Vergangenheit

Zukunft

Wenn Whitehead derartige Beeinflussungen diskutiert, so formuliert es diesmeist genetisch (als genetische Analyse), also bezogen auf die Vergangenheit einesactual entity:

• Erfassen (Uberschrift, Teil III).• Empfinden (Kapitel I - IV).• Erfahrung (Kapitel V).

Nun zuruck zum Abschnitt V.

Absatz 4. Hier wird der relationale Charakter der Theorie herausgearbeitet.Im Gegensatz zur Descartes’schen Vorstellung physikalischer Korper mit Attri-buten betont Whitehead die Bedeutung von Relationen, und zwar unterscheideter zwischen Relationen innerhalb (within) actual entities und solchen zwischen(between) actual entities.

Absatze 2 und 3. Diese Relationen werden durch die Theorie des Ausdeh-nungszusammenhangs beschrieben: diejenigen innerhalb der actual entities durchden Begriff der Inklusion, die zwischen den actual entities durch Uberlappung undexternen Zusammenhang. Es ist also die Topologie auf der Menge der Gebiete, diefur die organistische Philosophie Whitehead’s grundlegende Bedeutung hat.

Detailliertere Beschreibung dieser beiden Typen von Beziehungen finden sichan anderen Stellen: Die Beziehung des außeren Zusammenhangs (zumindest inzeitlicher Hinsicht) wurde im Abschnitt IV (und wird dann vor allem im KapitelIV: Strains) beleuchtet, fur das Inklusionsgefuge, das sich im Entstehungsprozesseines actual entities ergibt, ist auf Kapitel III (Die Theorie des Erfassens) zuverweisen.

Die Atomizitat der actual entities. Die actual entities werden als letzteEinheiten angesehen, und sie besitzen, wie wir wissen, raum-zeitliche Ausdehnung.Nun spricht allerdings Whitehead in einer Anmerkung49 von microscopic atomic

49 Auf den ersten Blick muß es als eine Art Bombe, die das ganze Begriffsgefugezum Einsturzen bringt, erscheinen, wenn auf der letzten Seite von Teil IV (und da-nach kommt nur noch Gott) Whitehead die Formulierung: My doctrine of micros-copic atomic occasions verwendet. Warum werden hier die actual occasions nichtnur als atomic, sondern als microscopic atomic charakterisiert? Wenn dies denndie Whitehead’sche Lehre ist, so sollte die Charakterisierung der actual occasionsals microscopic atomic occasions innerhalb des Buchs einen hohen Stellenwert ein-nehmen - tut sie dies? Wo finden sich Verweise auf die Vokabel microscopic? Aufden Seiten 75, 196, 254, 326, 327; allesamt innerhalb der philosophiegeschichtli-

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 5–10

occasions. Das Verhaltnis zwischen makroskopischer und mikroskopischer Betrach-tungsweise wird von Whitehead mehrfach thematisiert. Zum Beispiel p.75. Hierwird das Zusammenwachsen (congrescence, Holl: Konkretisierung) unterschiedenim Hinblick auf seinen Anfangsstatus (= makroskopisch) und seinen Endstatus(= mikroskopisch); Whitehead spricht von initial facts und final facts. Zur Ver-anschaulichung vielleicht folgendes Bild: Betrachte den Vergangenheitskegel, dernaturlich nicht bis in alle Ewigkeit zuruckverfolgt werden muß, also zeitlich abge-schnitten werden kann (linkes Bild), die Spitze davon ware diese mikroskopischeEnd-Tatsache (aber dies ist ein Abstraktum - keine wirkliche Entitat).

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Der subjektiven Einheit eines actual entities entspricht es, den Vergangenheitskegeloder das Standpunkts-Gebiet als eine in sich geschlossene Menge, als Quantum,anzusehen. Ein solches Gebiet ist, wie schon oft betont teilbar, aber ungeteilt(divisible, but undivided).

Absatze 5 und 6. Whitehead polemisiert hier gegen die Vorstellung, zuunterscheiden ware zwischen Materie und leerem Raum. Die vektorielle Interpre-tation basiert darauf, die Krafte (action and flow) in den Vordergrund zu rucken.Der Ausspruch von Heraklit “alles fließt” wird von Whitehead in der Form allthings are vectors interpretiert; dabei integriert die Whitehead’sche Interpretationvon Bewegung den Quantencharakter.

Bewegung wird als ein Nexus von actual entities beschrieben, und zwar alsNexus sukzessiver actual entities. Hier der Versuch einer bildhaften Umsetzung:

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chen Ubersicht (dem Teil II, und zwar in den Kapiteln I, IV, VII, X) und jeweilsparallel zur Vokabel macroscopic.

Zieht man die Texte von Northrop, auf die Whitehead verweist, heran, undubersetzt den dort dargelegten Begriff eines “makroskopischen Atoms” in dasWhitehead’sche Raster, so klart sich die Lage: Ein Mensch in seiner zeitlichenEntwicklung, wie auch das Sonnensystem oder ein Molekul, zeitlich nicht wei-ter eingegrenzt, waren derartige makroskopische Atome. Fur Whitehead dagegenhandelt es sich bei diesen makroskopischen “Atomen” um (zeitliche) Nexus vonEntitaten, die Identifikation uber die Zeit hinweg ist fur ihn eine Idee, ein eternalobject, keine Realitat.

Auch Whitehead selbst tendiert manchmal zu derartigen makroskopischenAtomen, so wenn er in (PR 439) formuliert, daß man in mancher Hinsicht auchdie Lebensspanne eines Molekuls, eines Felsens, einer Menschen ein actual entitynennen konnte.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 5–11

Beispiele: ein sich bewegendes Molekul (PR 114), eine Person (PR 116: jedesmal,wenn Descartes sagt “Ich bin” ist er ein anderer, die Einheit uber die Zeit hinwegist ein eternal object, die sukzessive Abfolge ein Nexus), ein fliegender Pfeil.

Bildhafte Umsetzung, was Nexus bedeutet. Man sieht: Zeitumkehrnicht moglich. Man sieht: Jeder schleppt seine Vergangenheit mit sich herum.

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Anhang.

Schaut man sich einen Großteil der Literatur an, so ist man als Außenste-hender maßlos enttauscht, frustriert und alleingelassen: Nichts wird erklart, nichteinmal der Versuch wird unternommen. Ware es denn Textexegese, und nicht nurHackfleisch und Goulasch! Denn zu einer Textexegese gehort meiner Meinung nachauf jeden Fall auch eine Diskussion moglicher Beispiele, und gerade dies vermißtman uberall.

Hier soll versucht werden, Beispiele, die Whitehead selbst notiert, zusammen-zustellen; und es soll versucht werden, diese Liste so zu vervollstandigem, daß alleWirklichkeitsbereiche, die in das Whitehead’sche Schema passen (und hoffentlichliefert dieser Zusatz keine Einschrankung) abgedeckt werden.

Beispiel-Liste: Actual Entities (und Events).

• Ein Blitz schlagt in einen Baum ein.• Die Cheops-Pyramide an einem speziellen Tag (CN 75,77) gestern und heute.

Oder nur gestern. Nur heute. Oder ein Stein. Eine Wolke. Kreidestaub. EinElementarteilchen. (Jeweils: wann? wo? ungefahr). Castle-Rock in Edinburgh(PR 69)

• Vorsicht: Wahrscheinlich sind dies nur events, also ein nexus of actual entities,inter-related in some determinate fashion in one extensive quantum. (PR 113).Fraglich ist hier namlich die subjektive Einheit (subjective unity), die fur einactual entity konstituiv ist: Fuhlt sich die Pyramide als eine Einheit? Odervielleicht nur die einzelnen Ziegelsteine, die ja als Einheit hergestellt sind, . . .

• Eine Blute offnet sich.• Ein Hund beißt einen Brieftrager (oder einen Hasen).• Wolf eats lamb (PR 69) (That wolf eats that lamb.)• Einen Nagel einschlagen (oder besser: eingeschlagen haben, zu einem festen

Zeitpunkt, an einer festen Stelle). (W)• Der Seminar-Beginn am 10.10.2000.• Ich habe einen Satz bei Whitehead verstanden (am . . . , so gegen neun Uhr

abends).• Caesar’s Tod: “Die gesamte Natur innerhalb des romischen Senatsgebaudes

wahrend des Todes von Julius Caesar” (TSM, p.262)• Caesar uberschreitet den Rubikon (PR 298).• Ein Verkehrsunfall (CN 74), sagen wir: ein Auffahrunfall am . . . an der Keu-

zung . . . .• Die franzosische Revolution.• Der Sturm auf die Bastille (1789).• Die amerikanische Unabhangigkeitserklarung (1776).• Die Amerikaner bombadieren die chinesische Botschaft in Belgrad.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 6–2

Literatur. Whitehead

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[TSM] 1919. Time Space, and Material: Are they, and if in what Sense, theUltimate Data of Science?. Proceedings of the Aristotelian Society, Suppl.2, 44-57. Deutsch: Zeit, Raum und Stofflichkeit: . . . . In Hampe-Maaßen.p.259-273.

[CN] 1920. Concept of Nature.

[REL] 1922. The Principle of Relativity with applications of Physical Science.

[SMW] 1925. Science and the Modern World.

[PR] 1929. Process and Reality. (Die Seitenzahlen beziehen sich auf die alteAusgabe!)

[AI] 1933. Adventures of Ideas.

Weitere Literatur.

(Notiert sind jeweils Hinweise, die sich auf die Theorie der extensivenAbstraktion beziehen.)

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1962. Grunbaum, Adolf: Buchbesprechung von: Whitehead’s Philosophy ofScience (Palter). Phil. Rev. 71 (1962)

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Gibt sich redlich Muhe, versteht aber nichts! Aufschlußreich seine person-lichen Bemerkungen am Ende: Hat Schwierigkeiten wegen des unendlichenRekurses, mit der Gleichzeitigkeit, und schließlich mit einer Unterschei-dung zwischen formaler und nicht-formaler (?) Zeit.p 98-100. Weiter: p.34f- seine Auseinandersetzung mit dem Atomismus: er liest aus PR heraus:“atomism is due solely to its mental pole.” Und p.63ff zeigen deutlich seinabsolutes Unverstandnis der Relativitatstheorie.

1984: Jung, Walter: Uber Whiteheads Atomistik der Ereignisse. In: Wolf-Gazo, p.54

1984: Ford, Lewis S.: The Emergence of Whitehead’s Metaphysics 1925-1929.

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Ringel: Whitehead’s Ausdehnungslehre 6–4

Internal and External Relations. 73-102Extension and Whole-Part Relations. 103-130Time. 131-154

Parallel-Literatur.

1866. Riemann, Bernhard: Uber die Hypothesen, welche der Geometrie zuGrunde liegen. Hg.: Dedekind. (3.Auflage: 1923)

1917. Weyl, Hermann: Das Kontinuum

1922. de Laguna, Theodore: The Nature of Space I. J. of Philosophy. Uber-setzung: Die Natur des Raumes. In: Hampe-Maaßen I.

1923. Weyl, Hermann: Mathematische Analyse des Raumproblems

1923. Weyl, Hermann: Raum, Zeit, Materie

1927. Russell, Bertrand: Analysis of Matter (deutsch: Philosophie der Mate-rie. 1929) Tarner-Vorlesungen 1926, Trinity College. Cambridge

XXVII. Elemente und Ereignisse p.282. Dort insbesondere auch Einwandegegen Whitehead (p.125)

XXVIII. Die Konstruktion von Punkten p.301

XXIX. Die Raum-Zeit-Ordnung p.315

XXX. Kausallinien p.326

1957. Grunbaum, Adolf: The philosophical Retention of absolute space inEinstein’s general theory of relativity. Phil. Rev. 66, 525-229.

1973. Hawking, S.W. und Ellis: The Large Scale Structure of Space.-Time.Cambridge University Press.