methoden zur erfassung der korrosion · prediction of the future deterioration of reinforced...

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    Methoden zur Erfassung der Korrosion von Stahl in Beton Méthodes d'évaluation de la corrosion dans le béton armé Institut für Baustoffe, Werkstoffchemie und Korrosion Eidgenössische Technische Hochschule Zürich Dr. B. Elsener Dr. D. Flückiger Dr. H. Wojtas Prof. Dr. H. Böhni

    Forschungsauftrag 85/88 auf Antrag der Arbeitsgruppe Brückenunterhaltsforschung Februar 1996

    Eidgenössisches Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement Bundesamt für Strassenbau Arbeitsgruppe für Brückenunterhaltsforschung

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    Der Inhalt dieses Berichtes verpflichtet nur die vom Bundesamt für Strassenbau beauftragten Autoren.

    Weitere Berichte sind erhältlich bei der Vereinigung Schweizerischer Strassenfachleute (VSS), Seefeldstrasse 9, 8008 Zürich.

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    Vorwort Das Forschungsprojekt „Methoden zur Erfassung der Korrosion von Stahl in Beton“ wurde in Etappen konkretisiert. Es galt zunächst, eine zerstörungsfreie Methode zur Lokalisierung der korrodierenden Bewehrung zu entwickeln, welche dann vom IBWK der Schweizerischen Gesellschaft für Korrosionsschutz (SGK) zur Umsetzung und Einführung in die Praxis übergeben wurde. Heute steht mit der Potentialmessung eine weitgehend etablierte Methode zur Verfügung, welche zur zerstörungsfreien Zustandsuntersuchung sowie zur Ueberwachung sehr häufig eingesetzt wird (vgl. die Literatur im Anhang und VSS Bericht 510). Ein Manko besteht indessen vorab in der Quantifizierung des Korrosionsfortschritts. Diese Grösse ist letztlich eine Voraussetzung für die Angabe einer entsprechenden Schädigungsentwicklung. Im hier präsentierten zweiten Teil der Forschungsarbeit sind daher Methoden zur Erfassung der Korrosionsgeschwindigkeit der Bewehrung auf ihre Tauglichkeit untersucht und im Labor sowie im Feld getestet worden. Die im Labor bewährten Methoden (Polarisationswiderstandsmessung, Impedanzmessung) sind für Anwendungen an Bauwerken zu zeitaufwendig. Dieser Lernprozess hat zur Entwicklung einer raschen, zerstörungsfreien Methode zur Erfassung der momenta-nen Korrosionsgeschwindigkeit, der Galvanostatischen Pulsmessung (GPM) geführt. Der vorliegende Bericht widmet sich darüber hinaus ausführlich den theoretischen Grundlagen und leistet dadurch einen Beitrag zur Dokumentation des Stands der Technik der Korrosionsforschung im Bauwesen. Die Untersuchungen sollen schliesslich die Möglichkeiten und Grenzen der verschiedenen Methoden aufzeigen helfen. Die Autoren möchten den Mitarbeitern des Instituts für Baustoffe, Werkstoffchemie und Korrosion, Ernst Bleiker, Daniel Bürchler, Angelika Hug, Jürg Inhelder, Stefan Müller, Dr. Aldo Rota, Martin Suter und Lorenz Zimmermann sowie den an deisem Forschungsprojekt beteiligten Personen, insbesondere Herrn Dr. Fritz Hunkeler, herzlich danken. Für die angenehme Zusammenarbeit mit der Begleitkommission 2 sind wir deren Mitgliedern und ihrem Vorsitzenden, Herrn Dr. Peter Schmalz, zu Dank verpflichtet. Unser besonderer Dank gebührt schliesslich dem Bundesamt für für die grosszügige Unterstützung dieser Studie. Zürich, Februar 1996 Prof. Dr. H. Böhni

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    Methoden zur Erfassung der Korrosion von Stahl in Beton Inhaltsverzeichnis 0. Kurzfassung - Résumé – Riassunto - Summary 9 1. Einleitung 13 2. Grundlagen 15 2.1 Allgemeines 15 2.2 Initiierungsphase 17 2.2.1 Eindringen von Chloriden 18 2.2.2 Karbonatisierung 18 2.3 Korrosionsfortschritt 20 2.3.1 Elektrochemische Grundlagen 20 2.3.2 Korrosion durch Chloride 24 2.4 Der elektrische Widerstand des Betons 27 2.4.1 Ionenmigration 27 2.4.2 Diffusion und Ionenbeweglichkeit 29 2.4.3 Ionenmigration und elektrischer Widerstand 30 2.5 Zusammenwirken der Korrosionsparameter 32 3. Methoden zur Erfassung der Korrosion 35 3.1 Potentialmessung 35 3.1.1 Messprinzip 36 3.1.2 Durchführung 37 3.2 Elektrischer Betonwiderstand 41 3.2.1 Messprinzip 41 3.2.2 Durchführung 42 3.3 Bestimmung der Korrosionsgeschwindigkeit 44 3.3.1 Messaufbau 44 3.3.2 Polarisationswiderstand 48 3.3.3 Impedanz der Phasengrenze Stahl / Beton 50 3.3.4 Potentiostatische Polarisation (LPR) 52 3.3.5 Impedanzmessungen (EIS) 54 3.3.6 Galvanostatische Pulsmessung (GPM) 57 3.4 Makroelemente 60

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    4. Resultate 63 4.1 Potentialmessung 63 4.1.1 Potential / Korrosionszustand der Bewehrung 63 4.1.2 Potential / Chloridgehalt des Betons 71 4.1.3 Potential / Betonfeuchtigkeit 74 4.2 Elektrischer Betonwiderstand 76 4.2.1 Abhängigkeit vom Elektrodenabstand 76 4.2.2 Abhängigkeit von der Temperatur 77 4.3 Polarisationswiderstand / Korrosionsgeschwindigkeit 79 4.3.1 Labormessungen 79 4.3.2 Feldmessungen 83 4.4 Makroelementkorrosion 91 4.4.1 Potentialverteilung 91 4.4.2 Stromverteilung 93 4.4.3 Widerstandsverteilung 95 4.4.4 Makroelement unter Aussenpolarisation 96 4.5 Simulationsrechnungen 98 4.5.1 Beschreibung des Modells 98 4.5.2 Homogen aktive oder passive Bewehrung 99 4.5.3 Lokal korrodierende Bewehrung 100 5. Diskussion und Beurteilung 103 5.1 Vergleich der Messtechniken (Labor) 104 5.1.1 Stationäre vs. instationäre Techniken 104 5.1.2 Zusammenhang Rp / Potential 107 5.1.3 Zusammenhang Rp / RΩ 109 5.1.4 Makroelemente 111 5.1.5 Zusammenfassung 112 5.2 Anwendung auf Bauwerken 113 5.2.1 Geometrie der Stromausbreitung 113 5.2.2 Bestimmung des ohmschen Widerstands 117 5.2.3 Bestimmung des Polarisationswiderstands 119 5.3 Korrosionsgeschwindigkeit - "State of the art" 122 5.3.1 Möglichkeiten und Grenzen der Rp-Technik 122 5.3.2 Aussagekraft einzelner Messungen 124

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    5.4 Kurzbeurteilung der Geräte 126 5.4.1 3LP Meter K.C. Clear 127 5.4.2 NSC Portable Corrosion Meter 128 5.4.3 GECOR6 129 5.4.4 Galvanostatische Pulsmessung (GPM) 130 6. Folgerungen für die Praxis 131 7. Ausblick 133 8. Liste der häufigsten Abkürzungen und Symbole 135 Literatur 137 Anhang A1 Verzeichnis der Publikationen und Vorträge 141

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    Kurzfassung Eine Prognose der Schadensentwicklung von Stahlbetonbauwerken ist nur bei Kenntnis der Korrosionsgeschwindigkeit der Bewehrung möglich. Im Forschungs-projekt werden die Grundlagen der verschiedenen zerstörungsfreien elektrochemi-schen Methoden zur Bestimmung der Korrosionsgeschwindigkeit der Bewehrung über den Polarisationswiderstand und die jeweilige Messapparatur beschrieben. Ein Vergleich von Messungen an Laborproben zeigte, dass sämtliche Verfahren, insbe-sondere auch die im Projekt entwickelte rasche Galvanostatische Pulsmessung (GPM), identische Werte des ohmschen Betonwiderstands und der momentanen Korrosionsgeschwindigkeit ergeben. An Bauwerken ist die Bestimmung des Polarisationswiderstands mit denselben Me-thoden wie im Labor möglich, die Bestimmung der Korrosionsgeschwindigkeit aus den experimentell gemessenen Daten setzt jedoch folgendes voraus - eine korrekte Erfassung und Kompensation des elektrischen Betonwiderstands - eine Information über die Distanz der inhomogenen Stromausbreitung zwischen

    Gegenelektrode und Bewehrung (kritische Länge Lcrit) - Vertieftes fachmännisches Verständnis der lokalen Korrosionsprozesse Insbesondere die Geometrie der Stromausbreitung - ein komplexes Wechselspiel zwischen elektrischem Betonwiderstand, Korrosionszustand der Bewehrung und geometrischen Parametern (Betonüberdeckung, Radius der Gegenelektrode) - bestimmt die experimentellen Messwerte des Polarisationswiderstands. Der Vergleich der verschiedenen kommerziell erhältlichen Messgeräte zur Bestim-mung der Korrosionsgeschwindigkeit auf Bauwerken zeigte, dass die rasche Galva-nostatische Pulsmessung (GPM) grosse Vorteile aufweist. Sie kann bei der Zu-standserfassung alternativ zur Potential(punkt)messung eingesetzt werden. Zwei Problemkreise bleiben vorderhand ungelöst: die Bestimmung einer lokalen Abtrags-rate aus den zerstörungsfreien elektrochemischen Messungen ist heute noch nicht möglich; weiter ist zu beachten, dass die ermittelten Korrosionsgeschwindigkeiten momentane Werte darstellen - eine Übertragung auf durchschnittliche Abtragsraten (µm/Jahr) ist nur bei weitergehender Kenntnis der zeitlichen Variation der Einwir-kungen (Temperatur, Feuchtigkeit) möglich. In beiden Gebieten sind weitere For-schungsarbeiten am IBWK der ETH Zürich im Gange.

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    Résumé Pour permettre la prévision du développement des dégâts causés aux ouvrages en beton armé, il faut connaître la vites de corrosion des armatures. Ce projet de recherche décrit les bases des différentes méthodes électrochimiques disponibles et les appareils de mesure nécessaires. Ces méthodes utilisent la résistance de polarisation pour déterminer la vitesse de corrosion des armatures. De plus, aucune détérioration de matériau nʼest provoquée. En comparant des mesures effectuées sur des échantillons de laboratoire, on observe que chaque procédés de mesure donne des valeurs identiques de la résistance ohmique du béton et de la vitesse de corrosion instantanée. En particulier, ces valeurs restent identiques dans le ca du procédé développé au cours de cette étude, à savoir la mesure galvanostatique de pulsage (GPM). La résistance de polarisation des armatures dans les ouvrages peut être déterminée de la même manière quʼen laboratoire. Pour calculer la vitesse de corrosion à partir des données expérimentales, les valeurs suivantes doivent être connues :

    • une mesure correcte et une compensation de la résistance électrique (ohmic) du béton

    • une estimation de la distance dʼextension inhomogène du courent entra la contre-électrode et les armatures (longueur critique Lcrit).

    • une compréhension approfondit des processus de la corrosion localisée Les valeurs mesurées de la résistance de polarisation dépendent principalment de la géométrie de lʼextension du courant de mesure. Celle-ci résulte dʼune interaction complexe entra la résistance électrique du béton, lʼétat de corrosion de lʼarmature et dʼautres paramètres géométriques (le béton dʼenrobage, le rayon de la contre-électrode). Lʼévaluation des différents appareils de mesure servant à déterminer la vitesse de corrosion et partiellement disponible en commerce, a mis en évidence lʼéxistence de deux catégories de problèmes pour lesquels des solutions nʼont pas encore été trouvées :

    • aujourdʼhui la détermination du taux dʼérosion locale à lʼaide des mesures électrochimiques non-destructives nʼest pas encore possible

    • Les vitesse de corrosion icorr (seulment correcte en conditions homogènes) ne présentent que des valeurs instantanées. Le calcul en taux dʼérosion moyens (µm/an) nécessite de connaître la variation des paramètres climatiques (température, humidité).

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    Riassunto Una previsione del degrado di opere in calcestruzzo richiede la conoscenza della velocità di corrosione dei ferri. In questo rapporto finale della ricerca vengono esposti i fondamenti delle diverse tecniche elettrochimiche mediante le quali è possibile mi-surare la velocità di corrosione in maniera non distruttiva tramite la resistenza di po-larizzazione e vengono descritte le apparecchiature utilizzate. Un confronto tra misu-re effettuate su provini in laboratorio ha dimostrato che tutte le tecniche usate, com-presa la tecnica rapida di pulsi galvanostatici (GPM) sviluppata in questo progetto, forniscono risultati identici riguardo ai valori di resistenza ohmica del calcestruzzo e di velocità di corrosione dei ferri. La misura della resistenza di polarizzazione su strutture in cemento armato è possi-bile con le stesse tecniche utilizzate in laboratorio. La determinazione della velocità di corrosione dai dati sperimentali richiede: - una misura esatta della resistenza ohmica del calcestruzzo e la sua compensa-

    zione - un' informazione sull' ordine di grandezza della distribuzione della corrente

    emessa dal contro-elettrodo sulla superficie del calcestruzzo ed i ferri nel calcestruzzo (distanza critica Lcrit)

    - una conoscenza approfondita dei fenomeni relativi alla corrosione localizzata I risultati sperimentali sono influenzati sopratutto dalla distribuzione geometrica della corrente, che e' dovuta ad una interazione complessa tra resistenza elettrica del calcestruzzo, stato di corrosione dei ferri e parametri geometrici (copriferro, dimen-sione del contro-elettrodo). Un confronto tra le diverse apparecchiature commerciali costruite per la determina-zione della velocità di corrosione ha dimostrato che la tecnica rapida di pulsi galva-nostatici (GPM) presenta grandi vantaggi quando venga applicata su strutture. La tecnica GPM puo' essere usata in alternativa alla misura di potenziale singolo. Due problemi rimangono irrisolti: non è possibile a tutt'oggi determinare in maniera pre-cisa, con le tecniche elettrochimiche descritte, la velocità di penetrazione nel caso di attacco localizzato sui ferri. Inoltre, i risultati di velocità di corrosione sono valori istantanei - un'estrapolazione ad un tasso di corrosione medio dei ferri (µm/anno) è possibile solo se si conoscono la variazione della temperatura e dell' umidità in fun-zione del tempo. Su questi temi sono in corso progetti di ricerca all'IBWK del Poli-tecnico di Zurigo .

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    Summary Prediction of the future deterioration of reinforced concrete structures - for lifte time prediction of life cycle engineering - is based on the knowledge of the actual and mean corrosion rate of the rebars. In this research project of the Swiss Federal High-way Agency (ASB) the different non-destructive electrochemical methods for the de-termination of corrosion rate as well as their measurement procedure are described. A comparison based on laboratory samples with different corrosion activity showed that all the methods examined, especially the rapid galvanostatic pulse technique (GPM) developed in this project, determined identical corrosion rates of the rebars. The measurement of the polarization resistance can be performed with the same techniques as in the laboratory, but the calculation of an actual corrosion rate from the measured data is not straight forward and needs - a correct determination and compensation of the ohmic concrete resistance - determination and critical evaluation of the critcal length Lcrit of the spreadout of

    the current between the counter electrode on the surface and the rebars - a well founded specific knowledge of corrosion in concrete The spreadout of the current, a complex function of the corrosion state of the rebar, the electrical resistivity of the concrete and geometrical factors (coer depth, radius of the counter electrode) determines the experimentally measured data. A critical comparison of electrochemical techniques revealed that the galvanostatic pulse technique (GPM) developed in this project shows advantages over the other techniques on site. GPM may replace the single potential measurement during condi-tion assessement. Two problems remain unresolved: the determination of a local pe-netration rate (reduction in cross section) is not yet possible. Further, the measured corrosion rates are momentaneous corrosion rates, their interpretation toward mean corrosion rate (in the sense of µm/year) needs further knowledge on the seasonal variations with climatic conditions (temperature, relative humidity) and their effect on the corrosion rate. On both fields research at the IBWK at ETH Zurich is ongoing.

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    1. Einleitung Immer grössere Bestände von Hoch- und Tiefbauten weisen heute aufgrund ihres Alters sowie sich wandelnder Bedürfnisse und Anforderungen technische und funk-tionale Mängel auf. Sie müssen - soll ihr Gebrauchswert erhalten bleiben - über-wacht, unterhalten und gegebenfalls erneuert werden. Bereits im Jahr 1989 wurde im Hochbau nur noch knapp die Hälfte der Investitionen für Neubauten (16-18 Mia sFr.) eingesetzt. Ca. 15 % wurden für Ersatzbauten, weitere 20% für Renovation und Unterhalt sowie 25% für Umbau und Erneuerung investiert. Diese Tendenz hat sich inzwischen noch verstärkt. Internationale Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Verkehrsanlagen mit Unterhaltskosten von ca. 1.4 - 1.6% der Investitionskosten ge-rechnet werden muss. Für das schweizerische Nationalstrassennetz (Gesamtinve-stition ca. 40 Mia sFr. auf der Preisbasis 1983) bedeutet das einen jährlichen Unter-haltsaufwand von 560 - 640 Mio Franken. Wird der Unterhalt vernachlässigt, so ent-stehen auf die Dauer grosse volkswirtschaftliche Verluste. Eine Brücke oder ein Tunnel kann eine gewisse Zeit auch ohne Unterhalt ihren Dienst versehen, doch nimmt dabei die Qualität und die Betriebssicherheit der Anlage ständig ab, bis zu dem Punkt, an dem aus Sicherheitsgründen der Betrieb eingestellt werden muss. Die Instandsetzung derart vernachlässigter Bauwerke ist dann wesentlich aufwendiger. Bauwerkserhaltung kann aber mit stetem "Flicken am Bau" weder sinnvoll noch kos-tengünstig bewältigt werden. Bauwerkserhaltung ist - wie Neubau - eine anspruchs-volle Ingenieuraufgabe: sie erfordert die Berücksichtigung volkswirtschaftlicher Kriterien, vermehrt Kenntnisse materialtechnologischer Zusammenhänge und ein vertieftes Verständnis der Faktoren, welche die Dauerhaftigkeit von Baustoffen beein-flussen. Das Hauptproblem bildet die Korrosion der Bewehrung: insbesondere schwere, die Tragsicherheit beeinträchtigende Schäden an Stahlbetontragwerken entstehen durch Korrosion der Bewehrung an kritischen Tragwerksteilen. Die oft sehr hohen Chloridkonzentrationen im Überdeckungsbeton an exponierten Bauteilen wie Stützen, Bordüren oder Teilen der Brückenplatte stellen bei gleichzeitigem Vorliegen von Feuchtigkeit und Sauerstoff auch in ansonsten guter Bausubstanz ein grosses Korrosionsrisiko dar. Der zeitliche Verlauf der Korrosion ist insbesondere von der Art der Feuchtigkeitseinwirkung, den mikroklimatischen Verhältnissen sowie der Dicke und Dichte der Betonüberdeckung abhängig. Da eine zuverlässige theoretische Voraussage des Korrosionsfortschritts kaum möglich ist, setzt eine effiziente Bauwerkserhaltung - also Unterhalt sowie Projektierung und Ausführung von Instandsetzungsmassnahmen - eine genaue Überwachung, die Abklärung der Scha-densursache und eine Zustandsbeurteilung im Rahmen der Überprüfung voraus.

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    Nach der neuen Norm SIA E169 "Erhalten von Bauwerken" (im Entwurf) müssen in regelmässigen Abständen Inspektionen (mit einfachen Mitteln) durchgeführt werden. Liefert eine solche Inspektion keine zuverlässige Zustandsbewertung, so ist eine Überprüfung mit weitergehenden Untersuchungsmethoden durchzuführen. Untersuchungen im Sinne einer Früherkennung der Schäden müssen Stahlbeton-tragwerke in den den Umwelteinflüssen besonders ausgesetzten oberflächennahen Bereichen (mindestens die oberste Lage der Bewehrung) rasch, zerstörungsfrei und flächendeckend erfassen können und wirtschaftlich arbeiten. Die am IBWK ent-wickelte Potentialfeldmessung ist heute in der Schweiz Stand der Technik und erfüllt diese Anforderungen; korrodierende Bereiche können rasch und präzise lokalisiert werden. Um eine Zustandsbeurteilung vornehmen zu können bzw. im Rahmen der Erhaltungsstudie verschiedene Instandsetzungsvarianten zu vergleichen, ist die Kor-rosionsgeschwindigkeit von zentraler Bedeutung, sie liefert wesentliche Informa-tionen über die weitere Entwicklung des Bauwerks und bildet so einen wichtigen Baustein in der Entscheidungsfindung über Zeitpunkt, Ausmass und Art von In-standsetzungsmassnahmen. Vor diesem Hintergrund hat die Arbeitsgruppe Brückenunterhaltsforschung des ASB die Forschungsstelle beauftragt, Methoden zur zerstörungsfreien Erfassung des Kor-rosionszustands und der Korrosionsgeschwindigkeit zu erforschen, evtl. zu ent-wickeln und an bestehenden Stahlbetontragwerken zu testen. Diese Arbeiten waren nur möglich dank dem Entgegenkommen und der Unterstützung durch verschiedene kantonale Tiefbauämter, von denen die Kantone Graubünden, Solothurn und Waadt speziell erwähnt und verdankt werden sollen. Die Resultate der Forschungsarbeiten wurden in zahlreichen nationalen und internationalen Publikationen, Vorträgen und Seminaren den Ingenieuren und der Fachwelt laufend zugänglich gemacht. Der vorliegende Bericht stellt somit eine zusammenfassende Beurteilung - Stand 1995 - der Möglichkeiten und Grenzen der verschiedenen Methoden zur Erfassung der Korrosion der Bewehrung dar.

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    2. Grundlagen 2.1. Allgemeines Im Gegensatz zu Stahl an der Atmosphäre, welcher in Gegenwart von Sauerstoff und Feuchtigkeit rostet, bilden dieselben unlegierten Stähle in stark alkalischen Medien, wie etwa dem Porenwasser des Betons, auf der Metalloberfläche spontan dünne, nur wenige Atomlagen umfassende Schutzschichten (Passivfilme). Der Stahl wird da-durch vor weiteren Korrosionsangriffen geschützt. Die Stabilität dieser Passivfilme ist jedoch nicht uneingeschränkt dauerhaft, sondern an gewisse Voraussetzungen gebunden (Abb. 2.1).

    Abb. 2.1 Einwirkungen bei der Korrosion der Bewehrung In Anwesenheit ausreichender Mengen von Chloriden auf der passiven Stahlober-fläche - beispielsweise infolge Streusalzeinwirkung - oder bei einem Abfall des pH-Werts des Porenwassers infolge Karbonatisierung des Betons kommt es zur Depas-sivierung, d.h. der lokalen Zerstörung des schützenden Passivfilms (Abb. 2.2). Damit besteht zwar ein Korrosionsrisiko, eigentliche Korrosion (Rosten, Querschnittsverlust) tritt aber erst auf, wenn gleichzeitig auch Sauerstoff und Feuchtigkeit an der Stahloberfläche vorliegen.

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    Abb.2.2 Das Korrosionsverhalten von Armierungsstahl in Abhängigkeit des pH-

    Werts sowie in Gegenwart von Chloridionen Für Restlebensdauerbetrachtungen oder Schadensprognosen wird der zeitliche Verlauf der Schadensentwicklung (Korrosion der Bewehrung) in eine Initiierungs-phase und eine Korrosionsphase aufgeteilt (Abb. 2.3). Das Ende der Initiierungs-phase ist durch die Depassivierung der Bewehrung gegeben. Die Dauer der Korro-sionsphase wird durch die Korrosionsgeschwindigkeit (Steigung der Gerade in Abb. 2.3) und dem noch akzeptierbaren Grad an Korrosion der Bewehrung bestimmt. Damit wird klar, dass dauerhafte Bauwerke durch eine sehr lange Initiierungsphase und / oder durch sehr geringe Korrosionsgeschwindigkeiten erhalten werden können. Im Designstadium, d.h. beim Neubau von Stahlbetonbauten, wird der Ingenieur über die Dicke der Betonüberdeckung und die Qualität des Betons eine möglichst lange Initiierungsphase zu erreichen versuchen, da die Umgebungsbedingungen (Einwir-

    0 2 4 6 8 10 12 14

    Sauer Basisch

    pH - Wert

    gleichmässige KorrosionlokaleKorrosion

    (gefährlich, da hohelokale Korrosions-geschwindigkeit)

    Lochfrasskorrosion

    Korrosionsverhalten von Stahl in BetonK

    orro

    sion

    sges

    chw

    indi

    gkei

    t g/m

    2 . T

    ag

    pH 10 - 12Korrosion ohneCl- möglich

    pH > 12Korrosion beifreiem Cl- möglich

    PorenwasserPorenwasser

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    kungen) meist nur sehr allgemein und ungenau bekannt sind. Im Falle einer Instand-setzung (Depassivierung, evtl. Korrosion bereits eingetreten) kann die Verlängerung der Lebensdauer über eine Reduktion der Korrosionsgeschwindigkeit erreicht wer-den. Der Initiierungsprozess (Eindringen von Chloriden, Karbonatisierung) und der Schadensfortschritt (Korrosion der Bewehrung) werden, wie im folgenden gezeigt wird, von unterschiedlichen Parametern beeinflusst.

    Abb. 2.3 Allgemeines Schema des zeitlichen Ablaufs der Korrosion von Stahl in

    Beton [ 1 ]: td Zeitpunkt der Depassivierung ta, tb Erreichen des Endzustands bei Korrosionsgeschwindigkeit a, b a,b,c zunehmende Korrosionsgeschwindigkeit a > b > c 2.2 Initiierungsphase In der Initiierungsphase dringen aggressive Stoffe (Chloride, CO2) von der Oberflä-che her in den Beton ein. Die Dauer der Initiierungsphase wird von folgenden Para-metern bestimmt: - Dicke der Betonüberdeckung (Weg von der Oberfläche bis zur Bewehrung) - Eindringgeschwindigkeit - Konzentration der aggressiven Stoffe Die Bedeutung einer genügend grossen Betonüberdeckung ist offensichtlich und in der neuen Norm SIA 162 (1988) gebührend berücksichtigt. Die Eindringgeschwin-digkeit hängt weiter wesentlich von der Qualität des Überdeckungsbetons ab (Porosität, Permeabilität).

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    2.2.1 Eindringen von Chloriden Zur Problematik "Chloride in Beton" wurde am IBWK ein separates Forschungspro-jekt durchgeführt. Hier werden daher nur einige grundlegende Aspekte erwähnt, für detailliertere Informationen wird auf den gleichzeitig erscheinenden Schlussbericht "Transport und Erfassung von Chloriden im Beton", EVED Nr. 520, verwiesen. Chloride können über zwei verschiedene Mechanismen in den Beton eindringen: über die reine Diffusion der Chloride im wassergesättigtem Beton und über den Transport der gelösten Chloride mit dem Wasser in den Beton. Der Transport der Chloride mit dem Wasser (Huckepack) - z.B. durch kapillares Saugen in trockenem Beton - ist dabei um ein vielfaches rascher und leistungsfähiger als die reine Diffusion. Die Chloride dringen zudem nicht in ein inertes Material ein, sondern der Beton kann eindringende Chloride chemisch und physikalisch binden. Für die Initiie-rung der Korrosion ist nur der Chloridgehalt der Porenlösung, d.h. der freie Chlorid-gehalt, massgebend. 2.2.2 Karbonatisierung Die Geschwindigkeit der Karbonatisierung ist durch das Eindringen des CO2 in den Beton bestimmt, was nur über die Gasphase (d.h. im nicht wassergesättigten Poren-system) rasch erfolgen kann. Da für die Karbonatisierungsreaktion selbst Wasser erforderlich ist, ergeben sich bei ganz trockenen bzw. völlig mit Wasser gefüllten Poren die geringsten Karbonatisierungsgeschwindigkeiten, während bei nur teilweise gefüllten Poren die Karbonatisierung am schnellsten fortschreitet. Dies hat auch zur Folge, dass die Karbonatisierung keine eindeutige, senkrecht zur Betonoberfläche verlaufende scharfe Front ergibt, sondern dass ein Übergangsbereich zwischen voll alkalischem und voll karbonatisiertem Beton entsteht. Die Karbonatisierungsgeschwindigkeit hängt von folgenden Faktoren ab [ 2 ]: - Permeabilität / Porosität des Betons (W/Z Faktor, Nachbehandlung, Zementgehalt

    etc.) - Menge der zu karbonatisierenden Substanzen (abhängig von Zementgehalt,

    Alkaligehalt des Zements) - Partialdruck des CO2 (Atmosphäre ca. 0.03%)

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    Das CO2 aus der Atmosphäre muss durch zunehmend dickere, bereits karbonati-sierte Bereiche des Betons eindringen, was einem typischen Diffusionsprozess mit √t Abhängigkeit entspricht. Dieses parabolische Zeitgesetz gilt jedoch nur für den Fall von konstanter, relativ geringer Umgebungsfeuchte. Bei natürlicher Bewitterung (ungeschützte, beregnete Oberfläche) wird die Eindringgeschwindigkeit mit der Zeit stark abnehmen und es werden stets endliche und bei guter Betonqualität geringe Karbonatisierungstiefen auftreten (Abb. 2.4). Als wichtigste Einflussgrösse wurde die langsame Austrocknungsgeschwindigkeit des Betons identifiziert [ 3 ].

    Abb.2.4: Karbonatisierungstiefe in Abhängigkeit der Zeit bei verschiedenen Bewitterungsverhältnissen [ 4 ]

    Natürliche Bewitterung(indirekt)

    1 2 3 4 8 160

    5

    10

    15

    20

    Kar

    bona

    tisie

    rung

    stie

    fe

    [mm

    ]

    Zeit [Jahre]

    Künstliche Bewitterung 20°C / 65%RL

    Natürliche Bewitterung(direkt)

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    2.3 Korrosionsfortschritt Haben Chloride oder die Karbonatisierung die Bewehrung depassiviert, kann in Ge-genwart von Wasser und Sauerstoff Korrosion ablaufen. Die Korrosionsgeschwin-digkeit bestimmt die Zeitdauer bis der Endzustand des Bauwerks erreicht ist (Abb. 2.3). In diesem Kapitel werden zunächst die elektrochemischen Grundlagen der Korrosion von Stahl in Beton erläutert (Kap. 2.3.1) und anschliessend die Chlorid-korrosion bzw. die Korrosion durch Karbonatisierung behandelt. 2.3.1 Elektrochemische Grundlagen Für Stahl bzw. Eisen in sauerstoffhaltigen Elektrolyten (Wasser, Boden, Beton) kön-nen die ablaufenden elektrochemischen Reaktionen wie folgt geschrieben werden: Fe Fe2+ + 2 e- Anode (2.1.a) H2O + 1/2 O2 + 2 e- 2 OH- Kathode (2.1.b) Fe + H2O + 1/2 O2 Þ Fe(OH)2 Gesamt (2.2.) Das Korrosionsprodukt Eisenhydroxid (Fe(OH)2) reagiert an der Atmosphäre weiter zu FeOOH (Rost). Auf Stahl in Beton dagegen bildet sich wegen des hohen pH-Werts im Porenwasser (pH>12.5) ein nur wenige nm dicker schützender Oxid- bzw. Passivfilm.

    Abb. 2.5 Korrosion von Stahl in Beton als kurzgeschlossenes Element

    Reduktion

    Metall Umgebung

    FeOOH

    Ca , Fe

    Z.B. Beton

    ++

    OH , Cl-

    Oxidation

    -

    ++

    2+ -Fe Fe 2e

    12 2 2

    -/ O + H O + 2e 2OH -

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    Die Eisenauflösung als anodische Teilreaktion (Gl. 2.1a) und die kathodische Teil-reaktion (Gl. 2.1b) müssen aus Gründen der Elektroneutralität gleichzeitig und mit gleicher Geschwindigkeit auf der Metalloberfläche ablaufen; sie bilden zusammen ein kurzgeschlossenes galvanisches Element (Abb. 2.5). Dazu ist sowohl eine elektrisch leitende Verbindung (Bewehrungsstahl) als auch eine elektrolytische Leitfähigkeit (Beton) erforderlich. Die Korrosionsgeschwindigkeit kann als Massenverlust (g/m2), Querschnittsabtrag (mm/Jahr) oder - wegen der in Gl. 2.1a sichtbaren Proportio-nalität zwischen Fe2+ Ionen und Elektronen - als Stromdichte [µA/cm2] angegeben werden. Die Umrechnung (nach dem Faradayschen Gesetz) zeigt Tabelle 2.1. Tabelle 2.1 Äquivalente Werte der Korrosionsstromdichte, des Gewichtsverlusts und des Quer-schnittsverlusts für Eisen

    Stromdichte [µA/cm2]

    Gewichtsverlust [g/m2 d]

    Querschnittsverlust [µm/Jahr]

    0.1 0.025 1.2 0.5 0.125 5.8 1 0.25 11.6 5 1.25 58

    10 2.5 116 50 12.5 580 100 25 1160

    Die Kinetik der anodischen und kathodischen Teilreaktionen kann durch eine charak-teristische Kennlinie, die sog. Stromdichte/Potentialkurve (Abb. 2.6) charakterisiert werden. o anodische Teilreaktion Für die anodische Teilreaktion (Eisenauflösung nach G. 2.1a) wird bei korrodie-

    render Bewehrung (tiefer pH-Wert, Chlorideinfluss) eine exponentiell mit dem Po-tential ansteigende Stromdichte gemessen. Der durch die Metalloberfläche fliessende Strom ist ein direktes Mass für die Korrosionsgeschwindigkeit (Tab. 2.1).

  • 22

    Im Falle passiver Bewehrung wird über einen weiten Bereich nur eine verschwin-dend kleine, potentialunabhängige Stromdichte, die Passivstromdichte, gemes-sen. Die Auflösungsstromdichte liegt < 0.1 µA/cm2, d.h < 1 µm/Jahr und ist damit vernachlässigbar klein.

    Abb.2.6 Anodische und kathodische Stromdichte/Potentialkurven von Stahl in

    Beton im Passivzustand und bei Korrosion unter Chlorideinfluss bzw. bei tiefen pH-Werten

    o kathodischeTeilreaktion Die kathodische Teilreaktion (Sauerstoffreduktion nach Gl. 2.1b) wird durch eine

    vom Sauerstoffgehalt im Beton bestimmte, praktisch potentialunabhängige Diffu-sionsgrenzstromdichte iO2,D charakterisiert. Diese Grenzstromdichte ist propor-tional zur Sauerstoffkonzentration cO2, zum Sauerstoffdiffusionskoeffizienten DO2 und zum reziproken Wert der Diffusionsgrenzschichtdicke ∂ (im Beton un-gefähr gleich der Überdeckung). Konzentration und Diffusionskoeffizent des Sauerstoffs hängen stark von der Betonfeuchtigkeit ab: bei Feuchtigkeiten über 80% nimmt DO2 stark ab. Ein völlig an Sauerstoff verarmter Beton (mit iO2,D praktisch Null) kann nur vorliegen, wenn er dauernd und vollständig in Wasser eingetaucht ist.

    Das Gleichgewichtspotential der Sauerstoffelektrode EO2 hängt vor allem vom

    pH-Wert der Umgebung und nur wenig vom Sauerstoffgehalt und vom Wasser-

    Potential [ ]

    Stro

    mdi

    chte

    [

    i ]

    i Korr

    aktiver Zustand:tiefer pH oderCl- _ Einfluss

    anod

    isch

    ( +

    )K

    atho

    disc

    h (

    - )

    Korr

    passiver Zustand

    Korr

    2+Fe Fe + 2e -

    21/2 O +H O + 2e 2 OH-

    2-

  • 23

    gehalt ab. Im pH-Bereich von 7 (neutral) bis 14 (alkalisch) erhält man eine Ge-rade mit der Steigung - 60 mV / pH, das Gleichgewichtspotential der Sauer-stoffreduktion sinkt mit zunehmendem pH-Wert.

    o Korrosionspotential von Stahl in Beton Das Korrosionspotential wird, wie in Abb.2.6 gezeigt, durch die Bedingung der

    Elektroneutralität (anodische gleich kathodische Teilstromdichte) bestimmt. Die Lage von Ekorr wird somit von beiden Teilreaktionen, der anodischen Metallauf-lösung und der kathodischen Sauerstoffentwicklung, beeinflusst.

    Das Korrosionspotential einer intakten, passiven Bewehrung in Beton wird vor

    allem durch das Gleichgewichtspotential EO2 und durch die Kinetik der Sauer-stoffreduktion bestimmt. Ohne Fremdmetallkontakt bzw. Fremdstrombeeinflus-sung ist Ekorr < EO2. Das Korrosionspotential der passiven Bewehrung ändert sich somit mit dem pH-Wert des Porenwassers und der Betonfeuchtigkeit: In al-kalischem, belüftetem Beton misst man ca. -150 mV bis 0 mV gegen die Kupfer-sulfatelektrode (CSE), in sauerstoffarmem Beton können Werte bis gegen -800 mV CSE, in Unterwasserbauten bis -1.1 V CSE auftreten.

    Das Korrosionspotential eines rostigen, freiliegenden korrodierenden Eisens liegt

    bei Werten von ca. -600 mV bis -700 mV CSE. Korrosionspotentiale von Stahl in anderer Umgebung bzw. von andern Werkstoffen sind in Tabelle 2.2 zusammen-gefasst.

    Tabelle 2.2 Korrosionspotential von Stahl in verschiedenen Umgebungen

    Material / Umgebung Potential V CSE

    Bewehrungsstahl in O2-freiem, wassergesättigtem Beton -1.1 in normalfeuchtem, chloridhaltigem Beton > -0.6 in normalfeuchtem, chloridfreiem Beton -0.2 ... +0.1 in normalfeuchtem, karbonatisiertem Beton -0.3 ... +0.1 in trockenem, karbonatisiertem Beton 0 .... 0.2 Hochlegierter Stahl in normalfeuchtem Beton -0.2 .... +0.1

  • 24

    2.3.2 Korrosion durch Chloride Bei Überschreiten eines bestimmten "kritischen" Chloridgehalts an der Bewehrung wird der Passivfilm lokal zerstört (Lochfrass), die Bewehrung ist depassiviert. Der "kritische Chloridgehalt" ist - wie im folgenden hergeleitet wird - keine konstante Grösse, sondern hängt vom pH-Wert und dem Sauerstoffangebot an der Bewehrung ab. Die Bedingung für das Auftreten von Lochfrass (d.h. der Depassivierung des Stahls) lautet: Ekorr > EL (2.3) d.h. das Korrosionspotential der Bewehrung im Beton, Ekorr, muss grösser sein als das Lochfrasspotential EL. Das Korrosionspotential der (passiven) Bewehrung hängt vom pH-Wert und vom Sauerstoffgehalt der Porenlösung ab (Gl. 2.1b). In atmosphärischen Bedingungen ist in der Regel genügend Sauerstoff an der Bewehrung vorhanden, so dass das Korro-sionspotential allein vom pH-Wert der Porenlösung abhängt: Ekorr = E - 0.059 V * pH (2.4) Gl. 2.4 sagt aus, dass das Korrosionspotential der passiven Bewehrung pro pH-Ein-heit um 60 mV absinkt. Werden alkaliarmer Zement bzw. Microsilica oder andere puzzolanische Zusatzstoffe verwendet (welche mit den OH- Ionen der Porenlösung reagieren) oder ist der Beton karbonatisiert, so steigt das Korrosionspotential ent-sprechend an. Nach Gl. 2.3 steigt das Risiko der Lochfrasskorrosion mit steigendem Korrosionspotential. Das Lochfrasspotential einer bestimmten Legierung vom Chloridgehalt der Poren-lösung ab, EL wird umso kleiner, je höher der freie Chloridgehalt ist: EL = ELo - b * log [Cl-] (2.5) Die Konstante b liegt bei ca. 100 mV pro Dekade der Chloridkonzentration. Nach Gl.2.3 sind möglichst hohe Lochfrasspotentiale notwendig, um Lochfrass zu vermei-den.

  • 25

    Damit wird klar, dass es nur für sehr definierte Bedingungen (pH-Wert, Chlorid-konzentration, Sauerstoffgehalt) im Labor einen kritischen Chloridgehalt für das Auftreten von Lochfrass geben kann. In der Praxis ist wegen der unterschiedlichen Chloridbindekapazität des Betons und dem unterschiedlichen pH-Wert der Poren-lösung nicht zu erwarten, dass ein allgemein gültiger "kritischer Chloridgehalt" für das Auslösen der Korrosion der Bewehrung existiert.

    Abb.2.7 Verstärkte lokale Korrosion an einem Armierungsstahl im Beton infolge

    Makroelementbildung Charakteristisch für die Korrosion durch Chloride ist ein sehr lokaler Angriff (Lochfrass). Die kleinen korrodierenden Bereiche der Stahloberfläche liegen unmittel-bar neben grossen passiven Bereichen der Bewehrung (Abb.2.7). Es entsteht so ein kurzgeschlossenes galvanisches Element ähnlich einer Batterie, ein sog. Makroelement. Die korrodierende Stelle wird zur Anode (stark negative Potentiale) und wird von einem wesentlich grösseren, passiven und kathodisch wirkenden Ober-flächenbereich (positivere Potentiale) umgeben, was den lokalen Angriff verstärkt. Das Potential der neben der lokalen Anode liegenden passiven Bereiche wird abgesenkt. Weiter werden durch die kathodische Teilreaktion (Gl. 2.1b) Hydroxylionen produziert, und der pH-Wert über den kathodischen Bereichen steigt.

    Beton

    -400

    -500

    -300 mV-200 mV -200 mV

    LokaleKorrosionsstelle

    -700 mV(Anode)

    IntakteArmierung

    -100mV(Kathode)

    = + +U

    R R RECAIkorr

    StromflussIsopotentiallinien

  • 26

    Beides reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass in den dem Loch benachbarten Katho-denbereichen neue Lochfrassangriffe entstehen (s. Gl. 2.4). Der Unterschied im Potential des passiven und des korrodierenden Bewehrungs-stahls ergibt die Zellspannung ∆U, die treibende Kraft des Makroelements, die bis zu 0.5 V erreichen kann. Als Folge der Zellspanung ∆U fliesst im Makroelement ein Kor-rosionsstrom Ikorr: Ikorr = ∆U / ( RE+ RA+ RK) (2.6) Dieser wird, stark vereinfacht ausgedrückt, durch den elektrischen Widerstand des Betons RE und die beiden Reaktionswiderstände der anodischen bzw. kathodischen Teilreaktion (RA, RK) bestimmt. Der Stromfluss erfolgt im Stahl elektrisch (Elektro-nen) und im Beton elektrolytisch (Ionen). Bedingt durch die sehr ungünstigen Flächenverhältnisse (kleine Anode, grosse Kathode) kann dies zu sehr hohen Korrosionsstromdichten ikorr führen, d.h. zu grossen lokalen Querschnittsverlusten von bis zu 1 mm/a. Voraussetzung ist allerdings, dass die kontrollierenden Widerstände in Gl. 2.6 klein sind: gut leitfähiger Beton (RE klein), genügend Sauerstoff an den Kathoden (RK klein) und viele Chloride im Bereich der Anode (RA klein). Fehlt der Sauerstoff an der Kathode (z.B. wegen zu stark durchnässtem Beton) oder ist der elektrische Betonwiderstand zu hoch (z.B. wegen Austrocknung), werden die Angriffe stark verlangsamt. Mit dem Stromfluss im Beton gekoppelt ist ein elektrisches Feld (Abb.2.7), das an der Betonoberfläche experimentell erfasst werden kann; man misst das Potentialfeld, welches die zerstörungsfreie Lokalisierung korrodierender Bewehrung in den Berei-chen mit stark negativen Potentialen erlaubt.

  • 27

    2.4 Der elektrische Widerstand des Betons 2.4.1 Elektrischer Widerstand und Ionenmigration in Lösungen Zur Messung des elektrischen Widerstands wird zwischen zwei Elektroden im Elek-trolyten eine elektrische Spannung angelegt, so dass sich ein elektrisches Feld mit der Feldstärke E aufbaut. Dieses elektrische Feld übt auf die Ionen als Träger elektri-scher Ladung eine Kraft aus, unter deren Einwirkung die positiv geladenen Kationen zum negativen Pol (Kathode) und die negativ geladenen Anionen zum positiven Pol (Anode) wandern. Dieser gerichtete Stromfluss bzw. Massentransport wird als Migra-tion oder Ionenwanderung bezeichnet. Die Wanderungsgeschwindigkeit ist pro-portional zur Feldstärke und zur Ladung des Ions [5, 6]: vi = ui |zi| E (2.7) |zi| Wertigkeit des Ions ui Ionenbeweglichkeit m2V-1s-1 Die Proportionalitätskonstante wird als Ionenbeweglichkeit u bezeichnet. Sie ist für das betreffende Ion eine charakteristische, von der Feldstärke unabhängige Grösse (Tab. 2.3). Die Beweglichkeit der einzelnen Ionen hängt von der Grösse und der La-dung des Ions ab. Ein kleines Ion hat eine höhere Ladungsdichte, damit aber die grössere Hydrathülle und daher die geringste Beweglichkeit; Protonen und OH- Io-nen in wässrigen Medien liegen um etwa eine Grössenordnung höher als die der an-dern Ionen, was durch die besondere Struktur des Wassers (Wasserstoffbrücken) erklärt werden kann. Tabelle 2.3 Beweglichkeiten von Ionen in wässriger Lösung bei 25 °C

    Kation Beweglichkeit [cm2 V-1 s-1]

    Anion Beweglichkeit [cm2 V-1 s-1]

    H+ 36.30 10-4 OH- 20.50 10-4 K+ 62 10-4 SO-2 8.27 10-4 Ba+ 6.59 10-4 Cl- 7.91 10-4 Na+ 5.19 10-4 NO3- 7.40 10-4 Li+ 4.01 10-4 HCO3- 4.61 10-4

  • 28

    Die im Elektrolyten unter Einfluss des elektrischen Feldes fliessende totale Strom-stärke I berechnet sich zu: I = F A E Σ ci ui |zi| (2.8) F Faradaykonstante 96487 As mol-1 A Querschnitt m2 E Feldstärke V m-1 c Konzentration mol m-3 ui Ionenbeweglichkeit m2 V-1 s-1 Die spezifische Elektrolytleitfähigkeit κ (bzw. reziprok der spezifische elektrische Wi-derstand) berechnet sich daraus zu: κ = F Σ ci ui |zi| (2.9) Sie ist um so grösser, je höher die Konzentration, die Ladungszahl und die Beweg-lichkeit der Ionen in der Lösung sind. Der Anteil des Stroms einer Ionensorte b am Gesamtstrom wird als Überführungs-zahl tb bezeichnet und berechnet sich zu: tb = Ib / I = cb ub |zb| / Σ ci ui |zi| (2.10) Die Überführungszahl hängt von der Ionenbeweglichkeit ub und der Konzentration cb des betreffenden Ions ab, sie wird aber auch durch die andern im Elektrolyten vor-handenen Ionen beeinflusst.

  • 29

    2.4.2 Diffusion und Ionenbeweglichkeit Die Wanderung von Ionen in einem elektrischen Feld wird mit Gl. (2.4) beschrieben. Ionen können aber auch in Abwesenheit eines elektrischen Feldes wandern, nämlich dann, wenn Konzentrationsgradienten vorliegen. Diese Wanderung wird als Diffusion bezeichnet. Für den Diffusionskoeffizienten Di gilt [ 5 ]: Di = R T ui / |zi| F (2.11) ui Ionenbeweglichkeit m2 V-1 s-1 R Gaskonstante J K-1 mol-1 T Temperatur K F Faradaykonstante A s-1 mol-1 Gl. (2.11) gilt für die betrachtete Ionenart i; für die Diffusion von Salzen kann ein ge-eigneter Mittelwert aller beteiligten Ionen (z.B. Na+, Cl-) bestimmt werden [5]. Der in Gl. (2.11) angegebene fundamentale Zusammenhang zwischen Ionenbeweglichkeit und Diffusionskoeffizient lässt sich mit den tabellierten Daten für die Diffusionskoeffi-zienten von LiCl, KCl und NaCl Lösungen [7] überprüfen. Wie Tab. 2.4 zeigt, stimmen die Werte nahezu überein. Damit lassen sich Ionenbeweglichkeit bzw. Leitfähigkeit oder elektrischer Widerstand und Diffusionskoeffizient ineinander umrechnen. Dies ist für die Charakterisierung der Transportphänomene in Zement-stein, Mörtel und Beton von grosser Bedeutung. Tabelle 2.4 Vergleich der experimentell gemessenen Diffusionskoeffizienten Dexp mit den aus den Ionenbeweglichkeiten berechneten Werten Dber Ion Beweglichkeit

    [cm2 V-1 s-1] Salz Dber

    [105 cm2 s-1] Dexp [105 cm2 s-1]

    Cl- 7.91 10-4 K+ 7.62 10-4 LiCl 1.33 1.31 Na+ 5.19 10-4 NaCl 1.60 1.54 Li+ 4.01 10-4 KCl 1.96 1.91

  • 30

    2.4.3 Ionenmigration und elektrischer Widerstand im Beton Der Stromfluss im Beton erfolgt über die Migration der Ionen in der wässrigen Phase, d. h. hauptsächlich über die wassergefüllten Kapillarporen des Zementsteins. Geht man von einem wassergesättigten Beton aus, lassen sich die oben erläuterten Ge-setzmässigkeiten der Elektrolyte unter Berücksichtigung des Volumenanteils der Kapillarporen und der Porenstruktur in erster Näherung auch auf Beton bzw. Mörtel oder Zementstein anwenden. Insbesondere sollte der aus Gl. 2.11 hervorgehende Zusammenhang zwischen Diffusionskoeffizient und Überführungszahl (d.h. Leitfähig-keit und Widerstand) auch für Mörtel bzw. Beton gelten, da die geometrischen Faktoren, welche die Transportphänomene beeinflussen, für Diffusion und Migration identisch sind. Die Wanderung von Ionen in einem porösen Körper als Funktion des Volumenanteils der Poren kann mittels Monte-Carlo Simulation in einem zufällig aufgebauten Gitter ermittelt werden (Abb. 2.8). Dabei wird die mittlere zurückgelegte Weglänge x einer rein statistischen (ungerichteten) Bewegung als Summe von einzelnen Sprüngen in Abhängigkeit der Zeit t berechnet. Die Formel von Einstein-Smoluchowski verknüpft nun Weg und Zeit eines einzelnen Sprungs mit dem Diffusionskoeffizienten [8]: x2 = 2 D t (2.9) x mittlerer Weg t Zeit D Diffusionskoeffizient Die Resultate solcher Simulationen [12] (basierend auf der Perkolationstheorie) für Porenanteile zwischen 100 % (Elektrolyt) und 10% (Annahme für Beton) zeigt Tabelle 2.5, in der die mittleren Weglängen x für eine konstante Zeit t für verschie-dene Porenvolumen aufgetragen sind. Eine Verkleinerung des Porenvolumens von 100% auf 10% führt aus rein geometrischen Gründen (weniger durchgehende Poren, längerer und komplizierterer Weg) zu einer Reduktion der mittleren Weglänge um einen Faktor 400 - 600. Der Vergleich mit experimentell gemessenen Werten des Diffusionskoeffizienten in Lösung rsp. Beton zeigt eine sehr gute Übereinstimmung in der Reduktion. Die verbleibende kleine Differenz von ca. einem Faktor 2 kann auf chemische bzw. elektrochemische Wechselwirkungen mit den Porenwänden [9] zurückgeführt werden. Hinweise darauf sind auch die im Vergleich zu Elektrolyten deutlich höheren Aktivierungsenergien für Chloriddiffusion in Zementstein [10].

  • 31

    Tabelle 2.5 Einfluss der Reduktion des Porenvolumens auf die mittlere Weglänge x2 der Perko-lation zur Zeit t. Zum Vergleich die experimentell bestimmten Diffusionskoeffizienten für Chlorid in Lösung (100%) und in Beton (10%):

    Porenvolumen x2(t)ber (normiert)

    Dexp. [ cm2 s-1 ]

    Dnorm

    100 % (Lösung) 1 1.98 10-5 1 50 % 2.8 10-1 20 % 1.7 10-2 10 % 2.4 10-3 ca. 2 10-8 1 10-3

    Für nicht vollständig wassergesättigten Mörtel oder Beton wird der elektrische Wider-stand ansteigen, da zunächst die grossen, wassergefüllten Poren austrocknen.

    Abb. 2.8 Perkolationsgitter für 80%, 50% und 20% Porenvolumen (ebener Schnitt)

    [11, 12]

    50% 20%80%

    Festkörper Kapillar- bzw. Gelpore

  • 32

    2.5 Zusammenwirken der Korrosionsparameter Ausgeprägte Korrosionsangriffe treten an Bewehrungsstählen immer dann auf, wenn der Stahl depassiviert ist (durch Chloride bzw. durch Karbonatisierung) und Wasser und Sauerstoff an der Stahloberfläche vorliegen. Die Voraussetzungen für das Ein-dringen der korrosionsfördernden Stoffe hängen, wie in Kap. 2.2 gezeigt wurde, stark vom Feuchtigkeits- bzw. Wassergehalt des Betons ab (Abb.2.9). Die Wanderung von O2 und CO2 erfolgt bei hohen Wassergehalten sehr langsam, bei ausgetrocknetem Zustand jedoch rasch. Die Chloride dringen ("Huckepack" mit dem Wasser) rasch in trockenen Beton ein. Da für die Karbonatisierung selbst Wasser benötigt wird, ist die Karbonatisierungsgeschwindigkeit bei Luftfeuchtigkeiten um 60 - 70% gross, im Ge-gensatz zum Korrosionsvorgang, der erst bei höheren Feuchtigkeiten merklich ab-läuft. Ein optimales, die Korrosion förderndes Zusammenwirken aller Vorgänge ist deshalb bei zeitlich konstantem Wassergehalt des Betons meist wenig wahrschein-lich. Die Korrosionsgefahr ist z.B. in Innenräumen trotz merklicher Karbonatisierung klein. Ebenso ist die Gefährdung von Bauteilen, die in Meerwasser eingetaucht sind, trotz hoher Chloridkonzentration gering. Die Korrosionswahrscheinlichkeit steigt je-doch mit wechselnden Bewitterungszyklen (Trocken-/Nasszyklen) stark an. Dann er-geben sich für alle Teile, zumindest vorübergehend, günstige, die Korrosion auslö-sende oder beschleunigende Bedingungen.

    Abb.2.9 Zusammenwirken der Korrosionsparameter Chlorid, Sauerstoff und Feuch-tigkeit für den Korrosionsfortschritt der depassivierten Bewehrung

    Karbonatisierung

    rel. Betonfeuchtigkeit

    Wah

    rsch

    einl

    ichk

    eit d

    er

    Korr

    osio

    n am

    Sta

    hl

    rel.

    Luftf

    euch

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    it (H

    2O)

    Perm

    eabi

    lität

    O2,

    CO

    2

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    nspo

    rt- R

    ate

    (Cl- )

    Korr

    osio

    n

    H 2O

    Cl-, O2, CO2

    0% 100%0

    1.0100%

    0%

  • 33

    Die Erfahrungen aus der Praxis lehren, dass aus diesem Grunde die Korrosionsge-fahr im Bereich von Wasserwechselzonen oder im Spritzwasserbereich wesentlich grösser ist. Massnahmen, die den Wassergehalt des Betons absenken, verringern die Korrosionsgefahr.

  • 34

  • 35

    3. Methoden zur Erfassung der Korrosion der Bewehrung Die einfachste zerstörungsfreie Methode zur Detektion der Bewehrungskorrosion ist die visuelle Beobachtung - Rostspuren am Bauwerk deuten immer auf Korrosion hin. Rostspuren sind ein Warnzeichen; sie können jedoch genauso von oberflächenna-hen Bindedrähten herrühren wie von herunterlaufendem Rostwasser. Zur Lokalisie-rung und Quantifizierung der Korrosion sind sie somit nur bedingt geeignet. Weitere zerstörungsfreie Methoden wie Durchstrahlungsprüfungen, Georadar etc. können evtl. Querschnittsverluste an der Bewehrung feststellen. Wegen des grossen Auf-wands kommen diese Techniken für eine rasche, flächendeckende Erfassung der Korrosion jedoch nicht in Frage und werden hier nicht weiter behandelt [siehe IP Bau]. Die einzig praktikablen zerstörungsfreien Verfahren sind somit elektro-chemische Techniken, die direkt am Mechanismus der Korrosion ansetzen. Im folgenden werden die heute im Labor und auf Bauwerken eingesetzten Verfahren o Potentialmessung (Kap. 3.1) o Elektrischer Betonwiderstand (Kap. 3.2) o Polarisationswiderstandsmessung (LPR) (Kap. 3.3.4) o Impedanzmessungen (EIS) (Kap. 3.3.5) o Galvanostatische Pulsmessung (GPM) (Kap. 3.3.6) in der Reihenfolge zunehmender Komplexität vorgestellt. 3.1. Potentialmessung Im Gegensatz zu Nordamerika begann man in Europa erst anfangs der 80er Jahre, vereinzelt Bauwerke mit der Potentialmessung zur Erfassung des Korrosionszu-stands der Bewehrung zu untersuchen. In der Schweiz wird die Potentialmessung - zuerst fast ausschliesslich durch das IBWK im Rahmen des vorliegenden For-schungsprojekts - seit 1985 eingesetzt. Die Umsetzung in die Praxis erfolgte zusam-men mit der Schweiz. Gesellschaft für Korrosionsschutz (SGK). Ein SIA Merkblatt 2006 liegt vor. Der Schweiz kommt dadurch bei der Einführung der Potentialmessung als Methode der Zustandserfassung von Bauwerken im Vergleich zu den übrigen Ländern Europas eine Pionierrolle zu.

  • 36

    Im Vergleich zu andern, nicht elektrochemischen Untersuchungsverfahren hat die Potentialmessung den Vorteil, dass sie flächendeckend und zerstörungsfrei arbeitet. Die Potentialmessung [13] erlaubt grundsätzlich - eine flächendeckende Aussage bezüglich * Lage und Ausmass von Korrosionsherden * Korrosionszustand der Bewehrung * Chloridverseuchung des Betons * Karbonatisierung des Betons * Feuchtigkeitsverteilung (z.B. unter Abdichtungen) in einem Bauteil zu machen - eine Entscheidungsgrundlage zu liefern, ob und ggf. in welchem Umfang Erhal-

    tungs- und Erneuerungsmassnahmen notwendig sind - den Erfolg von Erhaltungs- und Erneuerungsmassnahmen zu kontrollieren Die Durchführung, Auswertung und Interpretation der (relativ einfachen) Potential-messung erfordert fundierte Kenntnisse der elektrochemischen Grundlagen der Kor-rosion der Metalle, insbesondere von Stahl in Beton, sowie des Feuchtigkeits-haushalts im Beton. 3.1.1 Messprinzip Bei Stahlbetonbauwerken kann das Korrosionspotential der Bewehrung in einem weiten Bereich variieren (Tab. 2.2). Das Korrosionspotential eines korrodierenden, in chloridhaltigem Beton liegenden Stahles unterscheidet sich gemäss Tab. 2.2 von je-nem eines nicht korrodierenden Stahles in alkalischem, chloridfreiem Beton um meh-rere 100mV. Diese Tatsache wird bei der Potentialmessung ausgenutzt, um eine Aussage über den Korrosionszustand der Bewehrung zu machen. Wie Abb. 2.7 zeigt, ist mit dem Stromfluss über einem Makroelement ein elektrisches Feld im Be-ton gekoppelt. An der Betonoberfläche kann dieses elektrische Feld mit geeigneten Elektroden und Geräten gemessen werden; man erhält das Potentialfeld, aufgrund dessen korrodierende Bereiche (negativere Potentialwerte) lokalisiert werden kön-nen.

  • 37

    3.1.2 Durchführung Für die Potentialmessung wird grundsätzlich Folgendes benötigt: - ein Anschluß an die Bewehrung - eine Referenzelektrode - ein hochohmiges Spannungsmessgerät - Kabel Als Referenzelektrode wird meist eine Kupfer/Kupfersulfat Elektrode verwendet, bei der ein Kupferstab in eine wäßrige, gesättigte Kupfersulfat (CuSO4)-Lösung einge-taucht ist. Der zweite Anschluß des Voltmeters wird mit der Armierung verbunden (Abb. 3.1). Der Anschluß an die Armierung erfolgt am sichersten durch Anbohren des Stahls und Kontaktieren mit einer selbstschneidenden Schraube. Damit in die-sem Messkreis nur ein sehr kleiner Strom fließt, ist ein hochohmiges Voltmeter erfor-derlich, Eingangsimpedanz > 1010 Ohm/Volt.

    Abb.3.1: Prinzip der Potentialmessung auf der Betonoberfläche zum Auffinden kor-

    rodierender Bereiche der Bewehrung Der Kontakt zwischen Elektrode und Beton ist sehr wichtig, meist wird ein regel-mässig zu befeuchtender Filz oder Schaumstoff eingesetzt. Die Elektrodenflüssigkeit im Innern der Bezugselektrode wird durch ein poröses Diaphragma (Holzzapfen, Keramik) abgetrennt.

    Makroelement aktiv / passivElektrisches Feld im Beton

    -400

    -300 mV-200 mV -200 mV

    passive Bewehrung-100 mV, Kathode

    Bezugs-elektrode

    mV Meter

    el.Anschluss

    StromlinienÄquipotentiallinien

    Beton

    -500

    Korrosionsstelle-700 mV, Anode

  • 38

    Das Vorgehen beim Messen der Potentialwerte ist einfach, einige wichtige Punkte sind dabei jedoch zu beachten (s. Richtlinie SIA 2006, Potentialmessungen):

    - Anlegen eines Rasters auf der auszumessenden Betonoberfläche; die Dimension des Rasters bestimmt die Grösse der noch lokalisierbaren Bereiche. Dabei wer-den korrodierende Stellen im trockenen Beton weniger stark ausstrahlen.

    - Guten elektrischen Kontakt zur Bewehrung herstellen (kein Clip) - Überprüfen der Elektrode - Voltmeter anschliessen und Stabilität des Messwerts beobachten - Messung an jedem Messpunkt ausführen, beachten dass der Schaumgummi stets

    genügend feucht gehalten wird Das Arbeiten mit einer Einzelelektrode ist bei grossen Flächen und kleinem Raster unbequem und zeitraubend, deshalb werden heute bereits Datenerfassungsgeräte mit bis zu 8 Elektroden und automatischer Registrierung der Potentialwerte angebo-ten. Um das Ausmessen grosser Brückenoberflächen, Wände oder auch Unter-sichten weiter zu beschleunigen, wurde am Institut für Baustoffe, Werkstoffchemie und Korrosion (IBWK) der ETH Zürich im Rahmen des Forschungsprojektes ein Sys-tem entwickelt, in welchem die Referenzelektroden fest montiert sind und der Kontakt zum Beton über acht stets feucht gehaltene Kontakträder erreicht wird (Abb. 3.2).

    Abb. 3.2 Das im Rahmen des Forschungsprojekts entwickelte IBWK-Messystem für

    Potentialfeldmessungen mit acht Radelektroden im praktischen Einsatz

  • 39

    Mit dieser Anordnung können problemlos 2 - 4 m2/min (Wände oder über Kopf lang-samer) mit einem feinen Raster von 0.15 x 0.15 m ausgemessen werden. Die rasche Messung und die damit auftretende grosse Datenmenge erfordert den Einsatz von Rechnern (Abb. 3.3). Die im Rahmen des Forschungsprojekts entwickelte Software ermöglicht das on-line Abspeichern der Messdaten, die numerische Darstellung auf Bildschirm oder Drucker, eine zusammenfassende farbige Darstellung des Potential-feldes mit maximal 10 m Breite und beliebiger Länge (Abb. 3.4) und eine statistische Auswertung der Potentialmessdaten. So ist es möglich, bereits ca. 30 min nach der Messung auf der Baustelle eine präzise Darstellung des Potentialfelds zu erhalten und die Bereiche, wo Korrosion zu erwarten ist, zu bezeichnen.

    Abb.3.3 Messanordnung und Datenerfassung bei der Potentialfeldmessung Die im Laufe des Forschungsprojekts gewonnenen Erfahrungen flossen in Zusam-menarbeit mit dem IBWK in die Entwicklung eines portablen Potentialmessgeräts ein (CANIN der Fa. Proceq, Zürich), welches mit Einzelektrode oder einer bis acht Radelektroden arbeitet. Die Messdaten können via RS 232 Interface auf einen Rechner transferiert werden. Software für die Auswertung der Messdaten ist jedoch nicht enthalten.

    60m

    Stationär

    Mobil

    AD-WandlerIBM - PC 386

    Vorverstärker

    Paint Jet

    Filter

    graphische Farb-Darstellung von Potentialfeldern

    Software: Erfassen Editieren Auswerten

    für 50 und 16.6 Hz

    8 Kanal Trennverstärkerfür Signalübermittlung(Faktor 5)

    Radelektroden Messystem(8 Kupfersulfatelektroden)Stahlbeton

    Dig

    itale

    s Si

    gnal

    Ana

    loge

    s Si

    gnal

  • 40

    Abb. 3.4 Potentialfeld einer Brückenplatte. Messung mit der IBWK Radelektrode,

    Datenerfassung und Darstellung der Messdaten mit der IBWK Software

  • 41

    3.2 Elektrischer Betonwiderstand Der elektrische Widerstand des Betons kann rasch und zerstörungsfrei von der Be-tonoberfläche her gemessen werden. Dabei müssen störende Einflüsse wie die Lage der Bewehrung, Zuschlag oder die elektrolytische Ankoppelung der Messelektroden an den Beton berücksichtigt werden. Der spezifische Betonwiderstand ist eine inte-grale Messgrösse, welche sowohl von der Mikrostruktur des Betons, von der Feuch-tigkeit und vom Ionengehalt im Porenwasser als auch stark von der Temperatur beeinflusst wird. Während im Labor dank gezielter Variation nur einzelner Parameter noch klare Aussagen erhalten werden, ist die Interpretation von Messungen auf Bau-werken schwierig. Die Messung des elektrischen Betonwiderstands auf Bauwerken wird zur Abschätzung des Korrosionsrisikos benützt, ebenso zur Charakterisierung des Feuchtigkeitsgehalts im Beton. 3.2.1 Messprinzip Die Messtechnik zur Bestimmung des spezifischen Betonwiderstands stammt aus dem Bereich Erdboden / kathodischer Schutz. Auf Bauwerken wird der elektrische Betonwiderstand meist mit der sog. Wenner 4-Punkt Messung (Abb. 3.5) bestimmt. Zur Stromeinspeisung werden die äusseren Elektroden A und B benutzt, über die inneren Elektroden C und D wird der im Feld entstehende Spannungsabfall abge-griffen. Der Abstand zwischen den inneren Elektroden sei dabei a, jener zwischen inneren und äusseren Elektroden b. Um Polarisationseffekte an den Elektroden zu vermeiden, wird mit Wechselstrom (Frequenz >100 Hz bis 1 kHz) gearbeitet. Die all-gemeine, von Schlumberger entwickelte Formel für die Berechnung des spezifischen Betonwiderstands r aus dem am Gerät gemessenen Widerstand R lautet: ρ = F (a, b) * R = π * a * R (b/a + b2/a2) [Ω m] (3. 1) Werden die Abstände a und b gleichgesetzt, so erhält man die bekannte Wenner-Formel: ρ = F (a, b) * R = 2 π * a * R [Ω m] (3. 2) Beim berechneten spezifischen Betonwiderstand r handelt es sich um einen Mittel-wert, welcher eine Eindringtiefe t von t = (a+2b)/2 umfasst. Bei stark unterschiedli-

  • 42

    chen Leitfähigkeiten oberflächennaher Schichten wird für a < t näherungsweise der spezifische Widerstand der oberen Schicht gemessen.

    Abb. 3.5 4-Punkt Wenner Technik zur Messung des spezifischen elektrischen Be-

    tonwiderstands Der elektrische Betonwiderstand RΩ wird auch mit den dynamischen elektrochemi-schen Messtechniken (Impedanzmesstechnik, Kap. 3.3.5; Galvanostatische Pulsmessung, Kap. 3.3.6) erfasst. Die Umrechnung in den spezifischen Betonwider-stand r hängt jedoch von der Messkopfgeometrie und der Überdeckung ab. 3.2.2 Durchführung Die Messung des spezifischen Betonwiderstands von der Oberfläche her ist einfach und kann durch einen in der Bedienung des Geräts angelernten Fachmann ausge-führt werden. Ausser dem Widerstandsmessgerät und der 4-Punkt Elektrode werden keine weiteren Geräte benötigt. Kritischer Punkt ist der elektrolytische Kontakt der vier Elektroden auf dem Beton. Die Verwendung von kleinen Schaumgummizäpfchen in den Elektroden aus hochlegiertem Stahl hat sich als praktikabel und genügend genau erwiesen, Verfahren der elektrolytischen Ankopplung über Gels oder Pasten sind ebenfalls erhältlich.

    A b C a D b B

    U

    ~ IR = U

    I

  • 43

    Auf Stahlbetonbauwerken mit z.T. recht dichter Bewehrung empfiehlt es sich, mit ei-nem Bewehrungssuchgerät einen Oberflächenbereich ohne oder mit wenig Beweh-rung zu suchen. Die Widerstandsmessung soll dann immer in zwei verschiedenen, senkrecht zueinander stehenden Richtungen ausgeführt werden, um einen evtl. Ein-fluss der Bewehrung zu überprüfen. Die Temperatur (mindestens Lufttemperatur) ist mit den Messdaten festzuhalten. Verschiedene Geräte, welche 4-Punkt-Wechselstrom-Widerstandsmessungen aus-führen, sind kommerziell erhältlich: - 4-Punkt Sensor, Proceq SA, Zürich - Colebrand Resistivity Logger

  • 44

    3.3 Bestimmung der Korrosionsgeschwindigkeit Mit Potentialmessungen kann der Korrosionszustand von Stahl in Beton erfasst und eventuell auftretende Veränderungen örtlich bzw. zeitlich verfolgt werden. Aus den gemessenen Potentialwerten lassen sich aber a priori keine Aussagen über die Kor-rosionsgeschwindigkeit machen. Beim Begriff Korrosionsgeschwindigkeit müssen zudem zwei Bedeutungen klar unterschieden werden: o Durchschnittswerte Korrosionsgeschwindigkeiten können als Durchschnittswerte über eine bestimmte

    Zeit durch Gewichts- oder Querschnittsverlustmessungen im Labor oder - durch Freilegen der Bewehrung - auch auf Bauwerken gemessen werden. Je nach klimatischen Bedingungen kann sich der gemessene Durchschnittswert jedoch aus Perioden mit viel höheren und viel geringeren Korrosionsgeschwindigkeiten zusammensetzen.

    o Momentane Werte Mit elektrochemischen Verfahren kann der Polarisationswiderstand, aus dem die

    momentane Korrosionsgeschwindigkeit berechnet wird, rasch, zerstörungsfrei und "in situ", d.h. auch auf grossen Proben oder auf Bauwerken bestimmt werden. Die erhaltenen Werte gelten jedoch nur für die klimatischen Bedingungen (Temperatur, Feuchtigkeit) zum Zeitpunkt der Messung.

    In diesem Kapitel wird zunächst der für alle elektrochemischen Techniken erforder-liche Messaufbau vorgestellt (Kap. 3.3.1), anschliessend werden die theoretischen Grundlagen für den Polarisationswiderstand als Messgrösse der Korrosionsge-schwindigkeit (Kap. 3.3.2) sowie die Impedanz der Phasengrenze Stahl/Beton (Kap. 3.3.3) erläutert, und schliesslich folgt die Beschreibung der verschiedenen Messtechniken, welche zur Bestimmung des Polarisationswiderstands (und damit der Korrosionsgeschwindigkeit) eingesetzt werden können (Kap. 3.3.4 ff). 3.3.1 Messaufbau Um einer Metallelektrode, z.B. Stahl in Beton, ein vom Korrosionspotential Ekorr ab-weichendes Potential E aufzuprägen (s. Gl. 3.1), muss, wie Abb. 2.4 zeigt, ein äusse-rer Strom is durch die Metallelektrode fliessen. Eine anodische Polarisation (E > Ekorr) führt zu einem positiven Summenstrom is, eine kathodische (E < Ekorr) zu ei-

  • 45

    nem negativen Strom is. Bei kathodischer Polarisation wird die Auflösungsgeschwin-digkeit des Metalls (ablesbar auf der anodischen Teilstromkurve) reduziert.

    Voltmeter(hochohmig)(Computer)

    Generator

    PotentiostatAEREGE

    Referenzelektrode RE

    Gegenelektrode GE

    Arbeitselektrode AE

    Abb. 3.6 Schematische Darstellung der Messanordnung für elektrochemische Mes-

    sungen. AE Arbeitselektrode, RE Referenzelektrode, GE Gegenelektrode Gegenelektrode Damit dieser äussere Strom is im System Metall / Elektrolyt fliessen kann, wird eine Messanordnung mit einer dritten Elektrode, der sog. Gegenelektrode, zur Stromein-speisung benötigt (Abb. 3.6). Im Falle wässriger Lösungen kann die Gegenelektrode in den Elektrolyten getaucht werden, für Stahl im Beton - im Labor oder auf Bauwer-ken - wird die Gegenelektrode auf die Betonoberfläche aufgesetzt. Die Gegenelek-trode, auch Sekundär- oder Hilfselektrode genannt, soll aus einem inerten Material (z.B. Platinblech oder -netz, Chrom-Nickelstahl, Graphit) bestehen. Um ein möglichst symmetrisches elektrisches Feld um die Arbeitselektrode zu erhalten, sind planparallele oder zylindrische Anordnungen vorteilhaft. Für Bauwerksmessungen werden Gegenelektrode und Bezugselektrode zu einem Messkopf (Abb. 3.7) zu-sammengefasst, der als Ganzes auf der Betonoberfläche fixiert wird.

  • 46

    Abb. 3.7 Messkopf mit Gegen- und Bezugselektrode für elektrochemische Messun-gen auf Bauwerken oder an grossen Laborproben (Entwicklung IBWK)

    Potentiostat Zur kontrollierten Regelung des aufgeprägten Potentials E verwendet man sog. Po-tentiostaten (Abb. 3.8). Diese Geräte enthalten zusätzlich zum hochohmigen Elektro-meter (Potentialmessung) einen sehr empfindlichen Differenzverstärker (FOV), wel-cher das gemessene Potential der Bezugselektrode (IST) mit dem vorgegebenen Potential E (SOLL) laufend vergleicht und Abweichungen mit einem Verstärkungs-faktor von 106 (1µV Differenz am Eingang produziert 1 V Spannung am Ausgang) sofort (d.h. innerhalb von µsec) durch Änderung des Stromflusses durch die elektro-chemische Zelle korrigiert.

    Abb.3.8 Schematische Darstellung des Prinzipschaltbilds eines Potentiostaten: FOV Vorverstärker (Impedanzwandler, Summierer) LV Leistungsverstärker

    BNC Buchse(Referenzelektrode)

    KupferKupfersulfatHolz (Diaphragma)WasserzufuhrBNC Buchse

    (Gegenelektrode)Einstich für O-RingMesskopf (Kunststoff)Gegenelektrode (Streckmetall 18/8)Schaumgummi

    -

    +FOV

    soll-

    +FOV

    Impedanzwandler Summierer

    BEAE

    istGE

    Elektro-chemischeZelle

    LV

  • 47

    Je nach Art des Signals am Sollspannungseingang unterscheidet man verschiedene elektrochemische Messtechniken (Tab. 3.1). Tabelle 3.1: Elektrochemische Messtechniken nach Art des Signals am Sollspannungseingang des Potentiostaten

    Signal Sollspannung Technik konstant (E = const) potentiostatisch Rampe (dE/dt = const) potentiodynamisch Wechselspannung Impedanz Sprung Pulsmesstechnik

  • 48

    3.3.2 Polarisationswiderstand Wie aus Abb. 2.4 hervorgeht, ist die von aussen messbare Summenstromdichte am Korrosionspotential Ekorr is = 0, da sich anodische und kathodische Teilstromdichten aus Elektroneutralitätsgründen gegenseitig kompensieren. Auf der Basis grundle-gender elektrochemischer Gesetze - des Additivitätsprinzips von Wagner und Traud und der exponentiellen Potentialabhängigkeit elektrochemischer Reaktionen - lassen sich aus der experimentell messbaren Summenkurve is(E) in der Nähe des Korro-sionspotentials dennoch Aussagen bezüglich der Korrosionsgeschwindigkeit ikorr ableiten. In der Nähe des Korrosionspotentials lässt sich die Summenstromkurve is(E) durch eine Gerade beschreiben: is (E) = ikorr (E - Ekorr) / B [µA/cm2] (3.3) Die Steigung dieser Gerade ist gleich dem reziproken Polarisationswiderstand Rp des Systems: dis (E) / dE = ikorr / B = 1/ Rp [Ω-1cm-2] (3.4)

    Abb. 3.9 Polarisationswiderstand als Neigung der Summenstromdichte / Potential-

    kurve am Korrosionspotential Ekorr

    Summenstrom

    !" #

    ![mV]

    0 +10-5-10

    !"#

    Rp1

    Impedanz ( )

    korr

    Z

    +5

  • 49

    Daraus resultiert die bekannte Gleichung von Stern-Geary [14], nach der die (nicht direkt messbare) Korrosionsstromdichte ikorr aus dem experimentell zugänglichen Polarisationswiderstand Rp bestimmt werden kann: ikorr = B / Rp [µA/cm2] (3.5) Die Grösse B ist eine Systemkonstante, welche die Kinetik der anodischen und ka-thodischen Teilreaktion beinhaltet. B kann durch unabhängige elektrochemische Messungen bestimmt werden, für korrodierenden Stahl in Beton erhält man B = 0.026 V. Die Stromdichte bzw. der Polarisationswiderstand sind flächenbezogene (spezifische) Werte. Die Gleichungen (3.4) und (3.5) gelten nur unter folgenden Bedingungen: 1 Linearität Gleichung 3.3 gilt nur ganz in der Nähe des Korrosionspotentials Ekorr, die Pola-

    risation ∆E = |E - Ekorr| soll daher weniger als 10 - 20 mV betragen. 2 Stationarität Der Polarisationswiderstand Rp soll unter stationären Bedingungen gemessen

    werden. Die Bedingung der Stationarität wird für die verschiedenen Methoden zur Bestimmung von Rp unterschiedlich erreicht.

  • 50

    3.3.3 Impedanz der Phasengrenze Stahl / Beton Durch die Betonüberdeckung des zu untersuchenden Stahls, die rein geometrisch zu einer endlichen Distanz zwischen dem Stahl und der Bezugselektrode auf der Beton-oberfläche führt, ergibt sich ein weiteres Problem. Elektrisch äussert sich dies in ei-nem in Serie zum Interface Stahl / Beton geschalteten Widerstand, dem ohmschen Widerstand RΩ der Betonüberdeckung (Abb. 3.10). Das Interface Stahl / Beton kann durch eine Parallelschaltung der Faradyimpedanz ZF und der Doppelschichtkapazität cD dargestellt werden. Damit ergibt sich folgender komplexer Ausdruck für die Impe-danz der Phasengrenze Metall / Elektrolyt: Z(ω ) = RΩ + (

    1ZF

    + jωcD)−1 (3.6)

    Wird die Faradayimpedanz ZF zum Polarisationswiderstand Rp* vereinfacht, lassen sich folgende Grenzwerte der Impedanz Z(w) bestimmen: bei hohen Frequenzen (w®¥) wird die Doppelschicht voll leitend, der Polarisationswiderstand wird über-brückt und man erhält: Z(ω )

    ω→∞= RΩ (3.7)

    Genauso gilt für genügend tiefe Frequenzen (w®0, praktisch Gleichspannung): Z(ω )

    ω→ 0= RΩ + Rp* = (

    dIdE)Ekorr

    −1 (3.8)

    Bei hohen Frequenzen wird also der elektrische Widerstand der Betonüberdeckung gemessen, bei tiefen Frequenzen implizit die Neigung der stationären Stromdichte / Potentialkurve am Korrosionspotential, wo die Messung durchgeführt wird. Daraus wird deutlich, dass sich der experimentell gemessene Polarisationswiderstand Rp (Gl. 3.4) aus dem ohmschen Widerstand RΩ und aus dem wahren Polarisationswi-derstand Rp* (welcher zur Korrosionsgeschwindigkeit proportional ist) zusammen-setzt: Rp = Rp* + RΩ (3.9) Reine Gleichstrommessungen (potentiostatische Messungen) können den Einfluss von RΩ und Rp* nicht trennen, die nach Gl. 3.5 bestimmten Korrosionsgeschwindig

  • 51

    Abb.3.10 Allgemeines Ersatzschaltbild einer Grenzfläche Metall/Elektrolyt keiten werden - je nach Grösse von RΩ - stark oder sehr stark unterschätzt. Der Einfluss von RΩ ist bei trockenem Beton, grosser Betonüberdeckung und grosser Fläche des Stahls besonders hoch und kann Fehler von mehr als 100% bewirken. Eine korrekte Bestimmung des wahren Polarisationswiderstands setzt demnach immer eine Korrektur für den ohmschen Widerstand RΩ voraus. Der Polarisationswiderstand Rp* kann durch verschiedene elektrochemische Mess-techniken bestimmt werden, die im folgenden einzeln beschrieben werden: o potentiostatische Polarisation (Kap. 3.3.4) Der Metallelektrode wird ein Potential E (E = Ekorr ± 5 mV, Ekorr ± 10 mV)

    aufgeprägt, der resultierende Strom is(E) unter stationären Bedingungen (t -> ∞) wird gemessen

    o Impedanzmessungen (Kap. 3.3.5) Der Metallelektrode wird ein Wechselspannungssignal der Frequenz f ∆E(f) mit

    kleiner Amplitude (ca. ± 10 mV) aufgeprägt, der resultierende Strom ∆is(f) wird gemessen. Der Polarisationswiderstand wird durch Extrapolation des Impedanz-spektrums zu f -> 0 ermittelt.

    o Galvanostatische Pulsmessung (Kap. 3.3.6) Der Metallelektrode wird für ca. 10 sec ein kleiner, konstanter Strom ∆I aufge-

    prägt, das sich einstellende Potential E wird als Funktion der Zeit registriert. Die Bestimmung von Rp erfolgt durch Extrapolation der Potential/Zeit Kurve E(t) bis zu t -> ∞.

  • 52

    3.3.4 Potentiostatische Polarisation (LPR) Bei dieser "klassischen" Methode zur Bestimmung des Polarisationswiderstands Rp (auch linear polarization resistance genannt) wird der Metallelektrode (z.B. Stahl in Beton) von aussen (über die Gegenelektrode) ein konstantes Potential E (E = Ekorr ± 5 mV, Ekorr ± 10 mV) aufgeprägt, und der resultierende Strom is(E, t) wird gemessen (Abb. 3.9). Der Strom sinkt während der Messzeit ab und erreicht einen neuen End-wert. Die völlige Stationarität, wie sie für die Anwendung von Gl. 3.5 gefordert wird, d.h. t -> ∞, ist praktisch nicht realisierbar, deshalb wird solange polarisiert, bis der sich einstellende Strom is(E, t) sich nur noch unwesentlich ändert. Berechnungen basierend auf dem einfachen Modell für das System Stahl in Beton (Abb. 3.10) haben gezeigt, dass die für das Abklingen des Stroms massgebende Zeitkonstante t durch das Produkt Cd*RΩ bestimmt wird. Aufgrund von Labormessungen wurde eine Polarisationszeit von 1 - 2 min pro Punkt als notwendig und genügend genau befunden (Abb. 3.11). Werden vier Punkte gemessen, dauert eine Polarisations-widerstandsmessung mit der LPR Methode ca. 10 - 15 min.

    Abb. 3.11 Verlauf der Stromdichte nach anodischer Polarisation um ∆E = 10 mV

    Laborversuche an Stahl in chloridhaltigem Mörtel (nach Andrade [15]) Diese reine Gleichstrommessung kann den Einfluss des ohmschen Widerstands der Betondeckung nicht erfassen - die mittels LPR gemessenen Werte des Polarisations-widerstands müssen nach Gl. 3.9 noch um RΩ korrigiert werden. Dazu können Wechselspannung (Gl. 3.7) oder Transiententechniken (Ein- oder Ausschaltmessun-gen) eingesetzt werden.

    2.5 5 10 25 50 100 250

    I cor

    r [

    µA

    / cm

    2 ]

    Polarisationsgeschwindigkeit [ mV / min ]

    20 40 60 80 100

    Zeit [ s ]

    0.03

    0.07

    0.11

    0.15

  • 53

    Vorhandene portable Geräte Soweit bekannt, sind heute international vier Geräte auf dem Markt, welche die mo-mentane Korrosionsgeschwindigkeit von Stahl in Beton nach dem Prinzip der LPR- Messung bestimmen. Es handelt sich dabei um den Corrosion Rate Meter der Ken Clear Inc. (USA), einen LPR Meter des NBS (National Buro of Standard, USA), einen Corrosion Rate Meter der NSC (Nippon Japan) und dem neuesten Gerät GECOR6 (Geocisa SA, Madrid, Spanien). Verschiedene Forschungsgruppen in Europa benüt-zen Labormessgeräte (Potentiostaten) für ihre Forschungsarbeiten.

  • 54

    3.3.5 Impedanzmessungen Die Messanordnung zur Bestimmung der Elektrodenimpedanz ist in Abb. 3.12 dar-gestellt. Zusätzlich zu den für potentiostatische Messungen (LPR) erforderlichen Ge-räten wird ein Generator/Analysator für die Wechselspannungssignale eingesetzt. Der Messkopf mit Gegen- und Bezugselektrode ist derselbe (Abb. 3.7) wie für die LPR-Messungen auf Bauwerken. Es muss auf möglichst kurze, abgeschirmte Verbin-dungskabel zwischen Probe bzw. Bauwerk und Potentiostat, auf die Auftrennung der strom- und potentialmessenden Zuleitungen zur Arbeitselektrode und auf das Über-brücken des Bezugselektrodensystems mit einem Kondensator (≈ 1 µF) geachtet werden. Für Messungen auf Bauwerken ist eine Auftrennung der Geräteerde erfor-derlich (Vermeiden von Erdschlaufen Bewehrung - Netzerde).

    Abb. 3.12 Messanordnung zur Bestimmung der Impedanz von Stahl in Beton Für die vollständige Messung der Elektrodenimpedanz ist ein Frequenzbereich von einigen mHz bis gegen 100 kHz erforderlich. Da in den meisten praktischen Syste-men mit nicht vernachlässigbaren Störungen (Rauschen, Netzfrequenz etc.) gerech-net werden muss, werden hohe Anforderungen bezüglich Rauschunterdrückung ge-stellt. Das Korrelationsverfahren mit digitaler Berechnung der Antwortfunktion (Digital Transfer Function Analyser) ist aus diesen Gründen für eine Impedanzmessung be-sonders geeignet. Das Prinzip des Korrelationsverfahrens ist schematisch in Abb. 3.13 dargestellt.

  • 55

    Die für ein elektrochemisches System mit der Transferfunktion H(ω) auf ein sinusförmiges Störsignal x(t) = x0 • sin(ωt) resultierende Systemantwort Sx(t) (Strom) und Sy(t) (Potential) lässt sich allgemein schreiben als: S(t) = x0 •H (ω) • sin ωt + Φ(ω )[ ] + Am sin

    m∑ (mω t − Φm) + n(t) (3.10)

    Die Systemantwort auf den beiden Kanälen ist also die Summe aus der Grundwelle der angeregten Frequenz, den verschiedenen harmonischen Oberwellen und dem Rauschen n(t).

    Abb.3.13 Arbeitsprinzip des Korrelators (Digital Transfer Function Analyser) Im Analysator wird die Systemantwort S(t) für beide Kanäle mit zwei synchronen Referenzsignalen, eines in Phase mit dem Störsignal x(t), eines mit einer Phasenver-schiebung von 90° zu x(t), korreliert:

    Re = 1T

    S(t) • sin(ωt)0

    T

    ∫ (3.11)

  • 56

    Im = 1T 0

    T

    ∫ S(t) • cos(ωt ) (3.12)

    Durch dieses Korrelationsverfahren werden alle harmonischen Oberwellen zu Null integriert, da ihre Frequenz nicht der angeregten Frequenz entspricht (keine Korre-lation). Dasselbe geschieht mit dem Rauschen n(t), allerdings nur bei (theoretisch) unendlich langer Integrationszeit T, da das Rauschen die angeregte Frequenz w ebenfalls enthält. Als Resultat des Korrelationsverfahrens erhält man für jeden unter-suchten Kanal (Strom und Potential) zwei, dem Real- und Imaginärteil proportionale, Signale: Re(T→ ∞) = x0 •H (ω) • cosΦ(ω) (3.13) Im(T→ ∞) = x0 •H (ω) • sinΦ(ω) (3.14) Im praktischen Versuch ist die Integrationszeit nicht unendlich lang. Trotzdem kann die Bandbreite ∆f des noch verbleibenden Rauschens reduziert werden: Δf

    f=1N

    (3.15)

    Die Impedanz des Systems ergibt sich als Quotient der beiden Systemantworten: Z(ω ) =

    Re y (ω) − j • Im y (ω)R • Re x(ω ) − j • Im x(ω)[ ]

    (3.16)

    Einziger Proportionalitätsfaktor ist der Bereichswiderstand R des Potentiostaten, über den der Strom gemessen wurde. Die resultierenden Impedanzspektren enthalten prinzipiell die gesamten, am Inter-face Stahl / Beton ablaufenden elektrochemischen Reaktionen und erlauben einen vertieften Einblick in den Mechanismus der Korrosion. Da eine Messung je nach Fre-quenzbereich 45 min bis zu 3 Stunden dauert, beschränkt sich der Einsatz dieser Technik vollständig auf Laboruntersuchungen. Einige Testmessungen auf Bau-werken wurden mit den Laboreinrichtungen durchgeführt.

  • 57

    3.3.6 Galvanostatische Pulsmessung Die galvanostatische Pulsmessung arbeitet, im Gegensatz zu Impedanzmessungen, im Zeitbereich. Der Bewehrung wird über einen kleinen, auf der Betonoberfläche aufgesetzten Messkopf mit Bezugs- und Gegenelektrode (Abb. 3.7) kurzzeitig ein geringer, konstanter Strom aufgeprägt. Die resultierende Potentialantwort E(t) wird mit einer Cu/CuSO4 Elektrode und einem hochohmigen Voltmeter gemessen und mit einer Taktrate von 10 msec/Punkt mit einem Speicheroszilloskop bzw. einer A/D Karte im Computer erfasst. Die Messanordnung ist schematisch in Abb. 3.14 darge-stellt. Die Stromstärke des Pulses wird so gewählt, dass die Polarisation des Stahls kleiner als 20 mV bleibt (Bedingung der Linearität). Der Analyse und Auswertung des Potentialverlaufs E(t) liegt das einfache Ersatzschaltbild (Abb. 3.10) mit ohmschen Widerstand, Polarisationswiderstand und Doppelschichtkapazität zugrunde.

    Abb. 3.14 Messanordnung der Galvanostatischen Pulsmessung Damit resultiert für die Potentialantwort auf einen kleinen Strompuls Ipuls E(t) = Ipuls {Rp [1 - exp ( -t / (RpCdl))] + RΩ } (3. 17) Rp Polarisationswiderstand Cdl Doppelschichtkapazität RΩ ohmscher Widerstand

  • 58

    Ein typisches Beispiel eines galvanostatischen Pulses zeigt Abb. 3.15. Aus Gl. 3.17 lassen sich die Grenzwerte bei kurzen (t -> 0) und langen Zeiten herleiten: E(t) t->0 = Ipuls * RΩ = ∆EΩ (3.18) d.h.: zur Zeit des Sprungs (t = 0) wird der ohmsche Spannungsabfall ∆EΩ gemessen. E(t) t->∞ = Ipuls * [ RΩ + Rp ] = ∆EΩ + ∆Ep (3.19) Bei Extrapolation von Gl. 3.17 zu t = ∞ resultiert nach Gl. 3.19 die Summe von ohm-schem Potentialabfall und stationärer Polarisation ∆Ep der Elektrode. Den ohmschen Widerstand und den Polarisationswiderstand erhält man durch Division von Gl. 3.18 bzw. Gl. 3.19 durch die Pulsstromstärke Ipuls. Der Vorteil der Pulsmessung besteht darin, dass eine Messdauer von 8 - 10 sec genügt, um den stationären Wert des Polarisationswiderstands durch curve fitting und Extrapolation zu ermitteln. Der ohmsche Widerstand der Betonüberdeckung wird bei der Analyse direkt mitbestimmt.

    Abb. 3.15 Beispiel des Potentialverlaufs E(t) während eines galvanostatischen

    Pulses. t < 0: Korrosionspotential Ekorr

    -520

    -500

    -480

    -460

    -440

    -420

    -400

    -1 0 1 2 3 4 5 6

    Pote

    ntia

    l [m

    V SC

    E]

    Zeit [sec]

    fit

    deltaEohm

    Ep

  • 59

    Für eine rasche Kurvenanpassung der experimentell gemessenen Werte an den theoretischen Potentialverlauf E(t) nach Gl. 3.17 wird eine Routine mit nicht linearer Minimierung des Fehlerquadrats verwendet, dazu wird Gl. 3.17 umformuliert zu: E(t) = K0 - K1 exp (-t / K2) (3.20) K0 = (Ipuls Rp + Ipuls RΩ) [ V ] K1 = Ipuls Rp [ V ] K2 = (Rp Cd) [ sec ] Wie Abb. 3.15 zeigt, wird durch Extrapolation der gefitteten Kurve E(t) zu t->0 der ohmsche Widerstand bestimmt (Gl. 3.18), die Extrapolation zu t->∞ ergibt die Summe von RΩ und Rp.

  • 60

    3.4 Makroelemente Makroelemente entstehen beim Kontakt zweier unterschiedlicher Metalle (Kontakt-element), bei lokaler Korrosion (s. Abb. 2.7) oder bei stark unterschiedlichem Sauer-stoffgehalt (Belüftungselement). Charakteristisch ist, dass ein von aussen nicht messbarer Kurzschlussstrom (Gl. 2.6) zwischen Anode und Kathode fliesst. Um die-sen Kurzschlussstrom zu erfassen, werden oft Modell-Makroelemente herbeigezo-gen, in denen Anode und Kathode(n) elektrisch voneinander getrennt sind [16]. Das in dieser Arbeit verwendete Modell für das Makroelement besteht aus einer Anode aus Eisen, seitlich flankiert von Kathoden aus CrNi 18/8 Stahl (Abb. 3.16).

    Abb. 3.16: Aufbau des Makroelements (Anode: Stahl, Kathoden: hochleg. Stahl)

    Abb. 3.17 Schaltschema zur Erfassung der Teilströme am Makroelement (K: Kathoden, A: Anode, k: Kurzschluss, m: Messung)

    A 6.5

    K1 K2 K3 K4 K5 K6 K7 K8 K9 K10 K11 K12

    25 25 25 25 25 25 25 25 25 25 25 255

    7 Pol Kabel(1x A + 6x K)

    KabelPVCStab

    Nullwiderstandamperemeter

    K: Kathoden A: Anode k: Kurzschluss m: Messung

    K1 K2 K3 K4 K5 K6 A6,5 K7 K8 K9 K10 K11 K12

    m1 m2 m3 m4 m5 m6 m7 m8 m9 m10 m11 m12

    k1k2

    k3

    k4

    k5

    k6 k7

    k8

    k9

    k10

    k11k12

  • 61

    Das Makroelement ist wie folgt aufgebaut: An ein 5 mm dickes kreisförmiges Bau-stahlsegment (St 37), der Anode, wird auf beiden Seiten je ein PVC-Stab ange-schraubt, welcher eine Länge von 23 cm aufweist. Auf diesen Trägerstab sind 2.5 cm lange und 1mm dicke nichtrostende CrNi-Stahlsegmente (Kathoden) montiert. Die einzelnen Rohrabschnitte werden durch einen 1 mm breiten Spalt voneinander ge-trennt und auf den Stab aufgeleimt. Somit sind sie voneinander elektrisch isoliert. Der elektrische Anschluss der Anode und der Kathodensegmente erfolgt durch abge-schirmte Kabel, welche an den einzelnen Segmenten angelötet werden und im PVC- Stab nach aussen geführt werden. Der im realen Makroelement existierende Kurz-schluss kann durch externes Zusammenschalten von Anode und Kathode(n) simu-liert werden, über ein Null-Widerstands-Ampèremeter lassen sich die fliessenden Teilströme erfassen (Abb. 3.17). Die Teilstrommessung wird bei kurzgeschlossenen Segmenten durchgeführt, d.h. alle Kathoden sind elektrisch leitend mit der Anode verbunden. Demzufolge sind in Abb. 3.17 die Schalter von K1 bis K12 geschlossen. Zur Messung der Teilströme (zwischen K1 und A6.5, K2 und A6.5 u.s.w.) werden hintereinander die Schalter von m1 bis m12 geöffnet. Zwischen den einzelnen Mes-sungen wird alles wieder kurzgeschlossen, damit der Strom nie unterbrochen wird. Nach jeder Teilstrommessung wird zusätzlich der Anodenstrom (Anode vs alle Ka-thoden) gemessen. Diese Anordnung zur Untersuchung der Makroelementkorrosion kann sowohl in wässrigen Lösungen als auch in Mörtelprüfkörpern eingesetzt wer-den. Auf neuen Bauwerken kann durch den Einbau von elektrisch isolierten Bewehrungs-segmenten mit separatem Anschluss eine ähnliche Anordnung erhalten werden. Auf bestehenden Bauwerken kann durch das Durchschneiden von Bewehrungsstählen eine Makrozellanordnung geschaffen werden (Abb. 3.18).

    Abb. 3.18 Makroelement auf Bauwerken durch Trennen der Bewehrung

    (schematisch)

    U,I,R

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    4. Resultate 4.1 Potentialmessung Im Laufe des Forschungsprojekts wurden eine grosse Anzahl von Objekten - insbe-sondere Brückenplatten, Wände und Stützen - mit der Potentialmessung untersucht. Diese Arbeiten wurden meist im Rahmen einer Zustandserfassung durchgeführt, d.h. dass neben der Potentialmessung auch Daten der visuellen Inspektion, Resultate von Sondierfenstern sowie von Bohrkernen (Chloridgehalt) und z.T. anderer elektro-chemischer Messungen vorlagen. Beim Einsatz der Potential(feld)messung steht die Lokalisierung der korrodierenden Bewehrung im Vordergrund; dies ist jedoch nur dann mit Erfolg möglich, wenn die Zusammenhänge zwischen gemessenem Potential und den wichtigsten Einflussgrössen bekannt sind. Im folgenden werden die Resultate gegliedert nach

    o Potential / Korrosionszustand der Bewehrung o Potential / Chloridgehalt des Betons o Potential / Betonfeuchtigkeit

    anhand verschiedener Beispielen präsentiert. Resultate von Labormessungen wer-den zugezogen, um einzelne Fragen klarer darzustellen bzw. abzurunden. 4.1.1 Zusammenhang Potential / Korrosionszustand der Bewehrung Die mit der Referenzelektrode gemessenen Potentiale werden an der Betonoberflä-che und nicht direkt am Bewehrungsstahl erfasst (Abb. 3.1). Für die Unterscheidung zwischen passiver bzw. korrodierender Bewehrung ist also stets eine Interpretation der Messresultate erforderlich. Um Erfahrung und Sicherheit in der Interpretation zu gewinnen, wurde im Laufe des Forschungsprojekts an verschiedenen Objekten nach der Potentialmessung der Überdeckungsbeton abgetragen und der Korrosionszu-stand der Bewehrung visuell beurteilt. Die Anwendung der Potential(feld)messung bei der Zustandserfassung und Be-urteilung von Bauwerken erfordert das Öeffnen von Sondierfenstern nur in kleinem Umfang (in ausgewählten Übergangsbereichen aktiv / passiv), um sich ein Bild über den Zustand der Bewehrung zu verschaffen.

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    1 Beispiel Cugnertobelbrücke Die in der Schynschlucht gelegene Brücke an der Hauptstrasse Thusis - Tiefen-castel ist eine ca. 45 m lange gebogene und talwärts geneigte Hohlkastenbrücke, Baujahr 1962. Die Potentialfeldmessungen wurden im Sommer 1986 im Rahmen einer Instandsetzung durchgeführt, nachdem der Fahrbahnbelag abgetragen und die talseitige Konsole entfernt worden waren.

    Abb. 4.1 Potentialfeldmessungen Fahrbahnplatte Cugnertobelbrücke II

    Abb. 4.2 Resultate der Inspektion der Bewehrung