look ye then and see now · english version by henry s. drinker, revised by gordon paine carus...
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Johann Sebastian
BACHSchauet doch und sehetob irgendein Schmerz sei
Look ye then and see nowBWV 46
Kantate zum 10. Sonntag nach Trinitatisfür Soli (ATB), Chor (SATB)
Tromba da tirarsi (Corno), 2 Querflöten, 2 Oboen da caccia 2 Violinen, Viola und Basso continuo
herausgegeben von Paul Horn
Cantata for the 10th Sunday after Trinityfor soli (ATB), choir (SATB)
tromba da tirarsi (corno), 2 flutes, 2 oboes da caccia2 violins, viola and basso continuo
edited by Paul HornEnglish version by Henry S. Drinker, revised by Gordon Paine
Carus 31.046/03
Stuttgarter Bach-Ausgaben
Klavierauszug /Vocal scorePaul Horn
3104603_UT.qxp 27.02.2014 12:50 Seite 3
Die Kantate „Schauet doch und sehet, ob irgendeinSchmerz sei“ BWV 46 ist für den 10. Sonntag nach Trinita-tis bestimmt. Sie erklang am 1. August 1723 zum erstenMal und gehört Bachs erstem Leipziger Jahrgang an. DasSonntagsevangelium aus Lukas 19, 41–48 handelt vonJesu Ankündigung der Zerstörung Jerusalems und bot demnamentlich nicht bekannten barocken Textdichter will-kommene Gelegenheit, die Gläubigen mit drastischen Bil-dern zur Buße aufzurufen.
Der Eingangschor basiert auf einem Vers aus den Klagelie-dern des Jeremias (Jer 1, 12). Entsprechend der Textvorla-ge ist er zweiteilig angelegt. Bach hat sich entschlossen,den ersten Teil als Quintkanon, der zweimal durchgeführtwird, zu vertonen. Eine instrumentale Sinfonia, die klang-lich vor allem durch die beiden Blockflöten bestimmt wird,ist in diesen Abschnitt integriert, indem sie nicht einfachvorangestellt, sondern in der Folge kunstvoll mit demKanon verwoben wird. Der zweite Teil des Satzes ist einefünfstimmige Fuge, bei der die Blockflöten den Chor er-gänzen. Daß Bach diesen Satz selbst als ein Muster zurDarstellung von Schmerz und Trauer ansah, zeigt sich dar-an, daß er den Satz später zur Vorlage des Qui tollis seinerMissa in h-Moll BWV 232 bestimmt hat. Im anschließen-den Accompagnatorezitativ für Tenor behält Bach dieBlockflöten bei, die den Klagetönen Nachdruck verleihen.Die nachfolgende Baßarie, die das Zentrum des Werkesbildet, gehört mit ihrer Warnung vor dem göttlichen Zornzu den eindrücklichsten Mustern barocker musikalischerRhetorik. Die Trompete steht als Sinnbild für GottesMacht, die Gewalt des aufziehenden Gewitters wird durchpunktierte Rhythmen, der Blitzstrahl durch Läufe musika-lisch umgesetzt. Harsche Dissonanzen bestimmen denMittelteil, der den Untergang der von Gott Abgefallenenverkündet. In einem Altrezitativ wird zunächst in drasti-schen Worten davor gewarnt, daß die Zerstörung, dieJerusalem um seiner Sünden Willen erleiden mußte, auchhier und jetzt droht, „weil ihr euch nicht bessert und täg-lich die Sünden vergrößert“. Die zugehörige Altarie kün-digt in dieser Situation den Beistand des Gottessohnes an,in dessen Obhut die „Frommen sicher wohnen“. Die bei-den Arien der Kantate bilden einen denkbar starken Kon-trast: Nicht allein Tempo, Taktart und Tongeschlecht diffe-rieren, selbst die Besetzung weist keine Überschneidungauf. Bach beschränkt sich hier auf die Holzbläser des Ein-gangschores und läßt sogar den Basso continuo, das Fun-dament der Barockmusik, symbolisch schweigen: Jesussteht über der Welt und ihrer Ordnung. Der um Verge-bung bittende Schlußchoral, die sechste Strophe des Lie-des „O großer Gott von Macht“ von Johann MatthäusMeyfarth aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, ziehtdie Blasinstrumente in den Zwischenspielen noch einmalobligatorisch heran und weicht damit von Bachs gewöhn-licher Praxis ab (in den Sammlungen Bachscher Choräle,die 1765 bzw. 1784 im Druck erschienen sind, sind dieinstrumentalen Zwischenspiele ausgelassen).
Die Texterstellung der vorliegenden Kantate bereitet keineSchwierigkeiten, da das originale Aufführungsmaterial,das Bach gründlich durchgesehen und mit aufführungs-
praktischen Anweisungen versehen hat, mit Ausnahmeder Dubletten der Streicherstimmen vollständig erhalten ist(Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz,Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv. Signatur: Mus.ms. Bach St 78). Der originale Titelumschlag wurde vonJohann Andreas Kuhnau, dem Hauptschreiber des Stim-mensatzes, wie folgt beschriftet: Domin: 10 post Trinit: /Schauet doch und sehet, ob irgend ein etc. / a / 4 Voci / 2 Flauti / 2 Hautb: da Caccia / 2 Violini / Viola / Viola /con / Continuo: // di Sign: / J.S.Bach. Von Carl PhilippEmanuel Bach, der zeitweilig Besitzer des Materials ge-wesen sein muß, stammt ein Hinweis auf die Mitwirkungeiner Tromba [da tirarsi]. Die Kantate ist, hrsg. von Wil-helm Rust, erstmals 1860 in Band 10 der Ausgabe derBachgesellschaft im Druck erschienen (BG X, S. 187–238;Kritischer Bericht auf S. XXIIf.); in der Neuen Bach-Aus-gabe liegt sie, hrsg. von Robert Marshall, seit 1985 vor(NBA I/19, S. 109–172).
Leipzig, im November 1999 Ulrich Leisinger
CV 31.046/032
Vorwort
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Inhalt
Vorwort 2
1. Coro 3Schauet doch und sehet Look ye then and see now
2. Recitativo (Tenore) 16So klage, du zerstörte GottesstadtLament and wail thou ruined town of God
3. Aria (Basso) 18Dein Wetter zog sich auf von weitenThy storm of wrath was long in coming
4. Recitativo (Alto) 24Doch bildet euch, o Sünder, ja nicht einImagine not, ye sinners
5. Aria (Alto) 25Doch Jesus will auch bei der StrafeBut Jesus’ grace remains eternal
6. Choral 29O großer Gott von TreuO God of mercy sure
CV 31.046/03
Zu dieser Kantate liegt folgendes Aufführungsmaterial vor:Partitur (CV 31.046), Klavierauszug (CV 31.046/03),Chorpartitur (CV 31.046/05), 5 Harmoniestimmen(CV 31.046/09), Violino I (CV 31.046/11),Violino II (CV 31.046/12), Viola (CV 31.046/13),Violoncello/Contrabbasso (CV 31.046/14),Organo (CV 31.046/49).
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Zu diesem Werk liegt folgendes Aufführungsmaterial vor:Partitur (Carus 31.046), Studienpartitur (Carus 31.046/07),Klavierauszug (Carus 31.046/03),Chorpartitur (Carus 31.046/05),komplettes Orchestermaterial (Carus 31.046/19).
The following performance material is available for this work:full score (Carus 31.046), study score (Carus 31.046/07),vocal score (Carus 31.046/03),choral score (Carus 31.046/05),complete orchestral material (Carus 31.046/19).
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