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www.OBJEKTspektrum.de Führung und Management in der IT G 6540F Boris Steiner Management 3.0: Die Zukunft des Managements? IT-Management und Software-Engineering € 9,90 Österreich € 10,90 Schweiz sfr 18,20 Juli/August 2016 • Nr. 4 4 194164 109900 04 Führung und Management in der IT Sonder- druck für

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Boris Steiner

Management 3.0: Die Zukunft des Managements?

IT-Management und Software-Engineering

€ 9,90 Österreich € 10,90 Schweiz sfr 18,20

Juli/August 2016 • Nr. 44 1 9 4 1 6 4 1 0 9 9 0 0

0 4

Führung und Management in der IT

Sonde

r-

druck

für

Agile Methoden und Prinzipien haben sich

in der Softwareentwicklung inzwischen

etabliert. Zahlreiche Projekte und Teams

profitieren von den daraus resultierenden

Vorteilen. Viele dieser Methoden sind je-

doch Rahmenwerke und beleuchten weder

die Details innerhalb des Rahmens noch

jene, die von außen auf ihn einwirken. Am

Beispiel Scrum wird durch den dazugehö-

rigen Scrum Guide nicht geschildert, wie

sich die geforderten, selbstorganisierten

Teams erreichen lassen. Genauso wenig

wird thematisiert, wie ein Manager mit ei-

nem solchen Team interagieren sollte und

es unterstützen kann. Daher herrscht beim

Management im Zuge eines agilen Tran-

sitionsprozesses oftmals Unsicherheit vor,

da sie sich auf der Suche nach ihrer Rolle

befinden und die bisher gängigen Führungs-

werkzeuge nicht mehr angemessen sind.

Genau hier setzt Management 3.0. von Jur-

gen Appelo an. Hierbei handelt es sich um

eine Sammlung theoretischer Wirkprinzipi-

en, die sich aus vielerlei Aspekten zusam-

mensetzt. Unter anderem aus der Komple-

xitätstheorie, Holismus und diversen agilen

Ansätzen. Ergänzt werden diese theoreti-

schen Überlegungen durch praktische Emp-

fehlungen zur Umsetzung. Dieser Artikel

stellt die Theorie hinter Management 3.0

vor und liefert konkrete Hilfestellungen zur

Umsetzung aufgrund eigener Erfahrungen.

Was ist Management 3.0?Appelo illustriert seine Überlegungen mit

Hilfe von „Martie“, dem Management

3.0-Modell (siehe Abbildung 1).

Es besteht aus sechs verschiedenen Sichten,

die verschiedene Aspekte agilen Manage-

ments repräsentieren. Eine Erklärung der

einzelnen Sichten und welche Praktiken in

diesem Artikel behandelt werden findet sich

in Tabelle 1.

Anwendung in der PraxisVor den in Tabelle 1 beschriebenen Fra-

gestellungen stand unser Team, als wir

begannen, uns mit dem Thema näher aus-

einanderzusetzen. Es besteht aus einem

Manager sowie einer Mischung aus jungen

und erfahrenen Kollegen und beschäftigt

sich mit dem Einsatz agiler Methoden in

Kundenprojekten. Obwohl es bereits sehr

gut funktioniert, streben wir nach konti-

nuierlicher Verbesserung, einem der agilen

Grundgedanken. Und natürlich gab und

gibt es auch mit einer eingespielten Truppe

immer wieder Konflikte und Probleme.

Wie können wir als Team möglichst selbst-

ständig und auf Augenhöhe mit unserem

Manager agieren und welche Methoden

sind für ihn angemessen zur Führung eines

agilen Teams? Fragen wie diese waren un-

ser Antrieb, uns mit der Thematik Manage-

ment 3.0 auseinanderzusetzen.

Um alle Teammitglieder auf einen gemein-

samen Wissensstand zu bringen, musste

zunächst eine gemeinsame Wissensbasis

Management 3.0:Die Zukunft des Managements?

Agile Methoden sind oft Rahmenwerke und beschränken sich auf die Teamebene und die operative Arbeit. Daher herrscht beim Management im Zuge eines agilen Transitionsprozesses oftmals Unsicherheit vor.

Es befindet sich auf der Suche nach seiner Rolle und die bisher gängigen Führungswerkzeuge sind für ein agiles Umfeld nicht mehr angemessen. Genau hier setzt Management 3.0 an. Dieser Artikel stellt die Theorie dahinter

vor und liefert konkrete Hilfestellungen zur Umsetzung aufgrund eigener Erfahrungen.

Management 3.0: Die Zukunft des Managements?

https://management30.com/

Abb. 1: „Martie“, das Management 3.0-Modell (© J. Appelo, Creative Commons 3.0 By [M3.0]).

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04/2016 3

geschaffen werden. Das hieß für uns: Lesen

und für sich selbst verinnerlichen. Zusätz-

lich besuchten wir eine offizielle Manage-

ment 3.0-Schulung.

Die Grundliteratur zum Thema ist einer-

seits „Management 3.0“ [App11], welches

sich mit dem Modell an sich und seinen

wissenschaftlichen Grundlagen beschäftigt,

zum anderen „#Workout“ [App14], das

eine Sammlung von Praktiken darstellt, die

die theoretischen Prinzipien in die Praxis

umsetzen. Genau mit diesen Praktiken be-

schäftigten wir uns im Anschluss intensiver.

Zu Beginn in einem spielerischen Format

im Rahmen eines Workshops, um heraus-

zufinden, was uns helfen könnte.

Im Folgenden wird eine Praktik aus jeder der

in Tabelle 1 genannten Sichten vorgestellt,

die wir untersucht, als nützlich befunden

und mittlerweile operationalisiert haben.

Einige davon hatten wir bewusst oder unbe-

wusst bereits im Einsatz, bevor wir mit Ma-

nagement 3.0 in Kontakt kamen.

Energize People – Kudo Box & Kudo Cards

Mitarbeitermotivation ist eine Grundvo-

raussetzung für den Unternehmenserfolg

und welcher Manager würde von sich be-

haupten, dass er seine Mitarbeiter nicht

motivieren will?

Das am meisten eingesetzte Mittel zur Mo-

tivation ist heutzutage Geld. Sei es die Be-

teiligung am Unternehmenserfolg oder ein

Bonus basierend auf der persönlichen Pro-

duktivität. Monetäre Anreize sind das Mit-

tel der Wahl. Das ist fatal. In der Wissens-

arbeit gibt es keine bewiesene Korrelation

zwischen einem Bonus und der Leistung

eines Mitarbeiters [Fle11].

Einige Studien zeigen, dass ein System, das

hohe Leistung mit hoher Belohnung hono-

riert, für rein mechanische Aufgaben funk-

tioniert. Sobald jedoch nur ein Mindestmaß

kognitiver Fähigkeiten benötigt wird, führ-

ten höhere Belohnungen zu einer schlechte-

ren Leistung (vgl. [Pin09])!

Das Problem an monetären Bonussyste-

men ist, dass sie ein extrinsischer Moti-

vator sind, das heißt, sie wollen eine Ver-

haltensänderung aufgrund einer externen

Belohnung bewirken. In der Praxis führen

sie jedoch dazu, dass Personen nur noch in

Erwartung einer Belohnung arbeiten (nicht

mehr um der Arbeit selbst willen) und sich

ihr Fokus auf deren Erreichen verschiebt.

Man muss stattdessen die intrinsische Mo-

tivation ansprechen. Diese zeichnet sich da-

durch aus, dass sie aus einer Person selbst

heraus wirkt. Man belohnt sich quasi selbst

durch seine Handlungen.

„Management 3.0“ gibt einem sechs einfa-

che Regeln (siehe Tabelle 2) an die Hand,

Sicht Adressierte Fragestellung Was praktizieren wir?

Energize People Wie motiviere ich Kudo Box & Kudo Cards Menschen intrinsisch?

Empower Teams Wie schaffe ich ein Teamgefühl Identity Symbols und ermögliche Selbstorganisation?

Align Constraints Welche Möglichkeiten zur Delegation Boards & Poker Lenkung eines selbst- organisierten Teams gibt es überhaupt?

Develop Competence Wie sollten Mitarbeiter durch Improvement Dialogues & ihren Manager gefördert und Copilot Programs weiterentwickelt werden?

Grow Structure Welche Organisationsstruktur Work Profiles ist geeignet und wie kann sie entstehen?

Improve Everything Wie lässt sich kontinuierliche Retrospektiven Verbesserung umsetzen?

Tabelle 1: Die Sichten von Management 3.0.

Regel Hintergrund

Versprich Belohnungen nicht im Voraus Kann man das Eintreten oder den Zeitpunkt einer Belohnung nicht vorhersagen, verschiebt man seinen Fokus nicht auf das Erreichen der Belohnung und die intrinsische Motivation wird nicht in Mitleidenschaft gezogen.

Halte zu erwartende Belohnungen klein Für den Fall, dass sich das Erwarten einer Belohnung nicht vermeiden lässt, werden kleine Belohnungen keine negativen Auswirkungen auf die Leistung haben.

Belohne regelmäßig Belohnungen, die diese Regeln erfüllen, steigern die intrinsische Motivation und machen Mitarbeiter glücklich. Daher sollten sie durchaus öfter als z. B. nur einmal im Jahr oder Monat eingesetzt werden.

Belohne öffentlich Es sollte Transparenz herrschen, was und wofür Belohnungen vergeben werden. Dies unterstützt auch das Ziel von Belohnungen, gutes Verhalten zu honorieren und den Spaß an der Arbeit zu steigern.

Belohne Verhalten und nicht Resultat Knüpft man Belohnungen an gute Verhaltensweisen, bestärkt man Menschen in dieser Verhaltensweise. Knüpft man sie an Resultate, fokussieren sie sich möglicherweise auf Betrug, um das Resultat möglichst schnell zu erreichen.

Belohne Gleichgestellte, Oftmals wissen Gleichgestellte besser, wann ihre Kollegen eine Belohnung verdienen. Das heißt keine Untergebenen natürlich nicht, dass ein Manager nicht ebenfalls belohnen darf.

Tabelle 2: Regeln für funktionierende Belohnungen.

len der Karten immer weiter im Unterneh-

men. Die Karten selbst sind frei verfügbar

und können selbst gedruckt oder bei Bedarf

bestellt werden [App16].

Teilweise werden solche Systeme auch mit

einer weitergehenden Belohnung verknüpft.

Kudos können dann einen bestimmten mo-

netären Wert haben oder gegen andere Din-

ge (Bücher, Urlaubstage o. Ä.) eingetauscht

werden. Wir selbst setzen dies so noch nicht

ein. Erfahrungsberichte anderer Organi-

sationen zeigen jedoch, dass das System

weiterhin gut funktioniert und es nicht zu

Missbrauch kommt, wenn die vorgestellten

Regeln weiterhin berücksichtigt werden.

Als Manager erhält man hier ein sehr einfa-

ches Instrument, Mitarbeiter zu motivieren!

Das Bewusstsein für Wertschätzung steigert

sich unseren Erfahrungen nach deutlich. Es

werden zudem Dinge gelobt und belohnt,

die man als Manager sonst gar nicht wahr-

genommen hätte. Natürlich können auch

Führungspersonen dieses Werkzeug zur

Belohnung ihrer Teammitglieder nutzen,

selbst wenn sie damit streng genommen ge-

gen Regel 6 aus Tabelle 2 (Belohne Gleich-

gestellte, keine Untergebenen) verstoßen. In

der Regel ist die Menge an Karten im Kol-

legenkreis aber ohnehin deutlich höher, dies

fällt also kaum ins Gewicht.

Empower Teams – Identity Symbols

Es ist erwiesen, dass ein Symbol einer

Gruppe für eine gemeinsame Identität und

ein gesteigertes Zugehörigkeitsgefühl sorgt.

Gleichzeitig wird jedes Individuum seine

Aktivitäten am Wohl der Gruppe und ih-

ren Zielen ausrichten. Als Manager muss es

also das Ziel sein, innerhalb von Teams und

in einer Organisation eine solche Identität

zu schaffen. Je größer die Organisation,

desto mehr unterschiedliche Gruppen und

Identitäten wird es geben. Weitere Komple-

xität ergibt sich durch die Tatsache, dass

zusätzlich noch verschiedene Hierarchien

möglich sind. Eine Identität für das Un-

ternehmen selbst, für einzelne Geschäfts-

bereiche, Abteilungen und Teams. Es hilft

an dieser Stelle ebenfalls, diese Identitäten

durch klare Symbole zu verdeutlichen.

Ein Grundproblem bleibt aber immer:

Wenn bei einer Weltmeisterschaft mein

Geburtsland gegen das Land, in dem ich

4

Management 3.0: Die Zukunft des Managements?

Abb. 2: Kudo Door.

um Belohnungen einzusetzen, die Men-

schen intrinsisch motivieren, damit ihre

Leistung steigern und sie glücklich machen.

Um diesen Anforderungen gerecht zu wer-

den, schlägt Apello das „Kudo“-System

vor. Das Wort Kudo leitet sich aus dem

griechischen Wort „kydos“ ab, was Ehre

oder Ruhm bedeutet. Es kann auf diverse

Arten implementiert werden, basiert aber

immer auf demselben Grundprinzip: Mit-

arbeiter erhalten die Möglichkeit, sich ge-

genseitig kleine, unerwartete Zeichen der

Anerkennung zukommen zu lassen. Wir

haben das System mit Hilfe einer Kudo-Box

und Karten (siehe Abbildung 2) umgesetzt.

Die abgebildeten Karten liegen bei uns im

Teamraum aus. Jeder hat die Möglich-

keit, auf sie zuzugreifen und sie auszufül-

len. Danach werden sie in die Kudo-Box

geworfen. Einmal im Monat zu unserem

Review-Termin wird die Box geöffnet, die

darin enthaltenen Karten werden vorgele-

sen und anschließend an der Tür unseres

Raumes angebracht. Dadurch werden alle

sechs vorgestellten Kriterien für gute Beloh-

nungen erfüllt.

Der Einsatz von Kudos fand zunächst nur

innerhalb unseres Teams statt. Nach und

nach wurden auch weitere Personen, zum

Beispiel aus unserer Verwaltung oder un-

serem technischen Support, damit von uns

bedacht, und so verbreitet sich das Vertei-

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www.objektspektrum.de

lebe, spielt, für wen werde ich jubeln? Dies

bedeutet: Es werden immer dann Probleme

auftreten, wenn verschiedene Identitäten

im Konflikt miteinander stehen. Dies sollte

innerhalb eines Unternehmens transparent

gemacht und adressiert werden!

Leider funktionieren Symbole zur Iden-

titätsstiftung nur dann besonders gut,

wenn sie auch als solche anerkannt wer-

den. Einfach ein Logo zu bestimmen und

einer Gruppe als ihres zu verkaufen, kann

funktionieren, muss es aber nicht. Eine

Erfahrung, die auch unser Manager auf

schmerzliche Art machen musste, als sein

selbstgewähltes Logo auf eine Mischung

aus Skepsis, mangelnder Euphorie und Wi-

derstand stieß.

Doch wie kann man feststellen, ob sich ein

Logo zur Schaffung einer gemeinsamen

Team selbst gewähltes Logo den gewünsch-

ten Effekt erzielen wird.

Align Constraints –

Delagation Boards & Poker

Selbstorganisation ist ein erstrebenswer-

tes Ziel. Sie ist dazu geeignet, Menschen

glücklicher zu machen und sie intrinsisch

zu motivieren. Doch selbst wenn man da-

von absieht und lediglich wirtschaftliche

Überlegungen eine Rolle spielen, gibt es

auch unter diesem Gesichtspunkt gute

Gründe. Sie hilft uns dabei, mit komplexen

Problemstellungen adäquat umzugehen.

Verteilte Kontrolle ist weniger anfällig für

Ausfälle und Fehler. Die oft beschworene

„Schwarmintelligenz“ funktioniert auf-

grund des einfachen Prinzips, dass viele Ge-

hirne in der Regel schlauer sind, als eines

alleine. Ein komplexes System, in dem alle

Kontrolle von einer zentralen Instanz aus-

geht, wird aufgrund von Überlastung oder

Ausfällen über kurz oder lang zusammen-

brechen [App11].

Selbstorganisation kann jedoch auch ins

Chaos führen, wenn sie nicht richtig ein-

gesetzt wird. Doch wie ermögliche ich als

Manager einen hohen Grad von Selbstor-

ganisation in meinem Team, bleibe aber

trotzdem in der Lage, im Zweifel Entschei-

dungen zu treffen? Ziel ist es, eine Situa-

tion zu schaffen, in der Kontrolle verteilt

wird, nicht eine, die außer Kontrolle gerät.

Hier gibt es zwei passende Praktiken, die

in Kombination genau dieses Problem ad-

ressieren sollen: Das Delegation Board und

Delegation Poker.

Zunächst muss ein Manager (evtl. schon

in Zusammenarbeit mit seinem Team) sich

Gedanken darüber machen, welche Ent-

scheidungen er überhaupt zu treffen hat.

Es spielt in diesem ersten Schritt noch keine

Rolle, ob er diese delegieren oder die Ent-

scheidungshoheit behalten möchte. Auch

erhebt diese Sammlung noch keinen An-

spruch auf Vollständigkeit. Ziel ist es, eine

erste Übersicht zu erhalten und transparent

zu machen, welche Entscheidungen über-

haupt zu treffen sind. Unsere erste Liste ist

die Basis für ein Delegation Board (siehe

Abbildung 4).

Ausgehend von dieser Übersicht kann nun

herausgearbeitet werden, wie diese Ent-

Identität eignet? Eine simple Empfehlung

lautet, einfach den T-Shirt-Test durchzufüh-

ren. Wenn Personen aus einer Gruppe frei-

willig und mit Freude bereit sind, das Sym-

bol der Gruppe auf einem Kleidungsstück

zu tragen, dann ist es ein gutes! Die Ideen

für ein gutes Logo und eine starke gemein-

same Identität erwachsen am besten aus der

Gruppe heraus. Dieser Prozess lässt sich lei-

der nicht erzwingen, sondern von außen nur

unterstützen. Wir sind aktuell dabei, mögli-

che Symbole zu sammeln und uns auf eines

zu einigen (siehe Abbildung 3).

Als Manager sollte man seinen Teams ge-

nau diese Zusammenhänge verdeutlichen

und sie dazu animieren, sich selbst mit ei-

nem Symbol eine Identität zu schaffen. Für

den Weg dazu gibt es leider kein Patentre-

zept außer der Tatsache, dass nur ein vom

Abb. 3: Sammlung von möglichen Symbolen.

6

Management 3.0: Die Zukunft des Managements?

scheidungen im Einzelfall getroffen werden

sollen. Hierfür kommt die zweite Praktik,

das Delegation Poker, zum Einsatz. Die An-

nahme ist, dass es bei jeder Entscheidung

nicht nur Schwarz und Weiß betreffend der

Entscheidungskompetenz gibt („Ich allei-

ne als Manager entscheide“ vs. „Ich gebe

die Verantwortung komplett ab“), sondern

noch diverse Grautöne dazwischen. Um

diese zu illustrieren, wurde das Kartenset

für Delegation Poker entwickelt. Auf die-

sem finden sich sieben verschiedene Level

der Delegation, die die Verantwortung je-

weils unterschiedlich verteilen und aus der

Sicht des Managers zu sehen sind (siehe

Tabelle 3).

Um seine individuellen Delegation Levels

festzulegen, erhält jede Person (Manager

+ Teammitglieder) ein Kartenset. Eine zu

treffende Entscheidung (bzw. ein Themen-

gebiet, in dem Entscheidungen getroffen

werden) wird zunächst durch den Mana-

ger vorgestellt. Eventuelle Unklarheiten

oder Rückfragen werden diskutiert. Da-

nach wählt jede Person ein Level aus dem

Kartenset aus. Dies soll verdeckt erfolgen,

damit keine gegenseitige Beeinflussung im

Vorfeld stattfindet. Gemeinsam werden

die gewählten Karten aufgedeckt. So er-

hält man ein initiales, unverfälschtes Stim-

mungsbild, welches Level jede Person für

angemessen hält.

Darauf aufbauend finden weitere Diskus-

sionen statt. Im Idealfall kann man nach

einem oder mehreren Durchgängen Kon-

sens über das passende Delegation Level

erzielen. Das letzte Wort hat allerdings der

Manager, da er die Verantwortung abgibt

und nur selbst entscheiden kann, wie viel

Delegation er zu tragen bereit ist. Aus der

entstandenen Liste an Entscheidungen und

dem jeweils zugeordneten Level wird das

Abb. 4: Delegation Board (© J. Appelo, Creative Commons 3.0 By [M3.0]).

Level Name Wie fällt die Entscheidung?

1 Tell Der Manager trifft die Entscheidung alleine.

2 Sell Der Manager trifft die Entscheidung und versucht danach, das Team zu überzeugen.

3 Consult Der Manager holt sich weitere Meinungen ein und trifft dann die Entscheidung.

4 Agree Die Entscheidung wird gemeinsam getroffen.

5 Advise Das Team trifft die Entscheidung, man gibt als Manager seine Meinung ab.

6 Inquire Das Team trifft die Entscheidung und teilt diese dem Manager mit.

7 Delegate Das Team trifft die Entscheidung, ohne den Manager explizit zu informieren.

Tabelle 3: Level der Delegation.

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Delegation Board aufgebaut. Dieses ist wie

alle agilen Artefakte im Normalfall nicht

statisch, sondern wird stetig erweitert, falls

weitere Entscheidungen hinzukommen

oder bestehende angepasst werden müssen.

Bei uns war das Themengebiet der disku-

tierten Entscheidungen breit gefächert. Ein

auf den ersten Blick triviales Thema waren

Anschaffungen aus unserem Abteilungs-

budget. Hier konnte zunächst kein Konsens

gefunden werden. Uns half es, hier weiter

herunter zu brechen. So existieren nun zwei

verschiedene Delegation Level. Für An-

schaffungen unter (Inquire) und über (A-

gree) 100 Euro. Das heißt, kleine Dinge wie

Bücher können eigenverantwortlich durch

jedes einzelne Teammitglied beschafft wer-

den, wohingegen bei größeren Investitionen

eine Abstimmung mit dem gesamten Team

nötig ist. Interessant ist, dass unser Mana-

ger bei beiden Varianten nicht die Entschei-

dungshoheit besitzt, da er im zweiten Fall

auch als gleichwertiges Mitglied gesehen

wird.

Für uns hat es sich bewährt, klar heraus

zu arbeiten und transparent zu machen, ob

eine Entscheidung zwischen einzelnen Per-

Einem Manager kann dieses Werkzeug hel-

fen, Kontrolle abzugeben und sie dennoch

nicht zu verlieren. Man muss sich jedoch

bewusst sein, dass Delegation auch als In-

vestition zu sehen ist. Erwartet man von

seinen Mitarbeitern die Fähigkeit, gute Ent-

scheidungen zu treffen, muss man ihnen die

Möglichkeit einräumen, auch einmal falsch

zu liegen und aus diesen Fehlern zu lernen.

Mit der Zeit wird sich die Entscheidungs-

kompetenz dann steigern und es kann mehr

Verantwortung delegiert werden [Rot05].

Develop Competence – Improvement

Dialogues & Copilot Programs

Jahresendgespräche gehören in fast allen

Unternehmen zu den etablierten Führungs-

instrumenten. Hier geht es in aller Regel

um die Einigung auf ein neues Gehalt, die

Bewertung von durchgeführten Projekten

und die persönliche Weiterentwicklung des

Mitarbeiters. Das große Problem an dieser

Vorgehensweise ist der fehlende Fokus und

die nicht angemessene Frequenz. Durch die

Vermischung vieler Themengebiete wird

man in der Regel keinem davon wirklich

ausreichend Zeit einräumen. Geht es um

sonen nötig ist oder das Team einbezogen

werden sollte. Während des Delegation Po-

kers kann dieser Unterschied beispielsweise

durch die Position im Raum deutlich ge-

macht werden (eine Ecke steht für Team-,

eine andere für Einzelentscheidung). Um

Änderungen an den beschlossenen Leveln

vorzunehmen, ist in unserem Fall eine ge-

meinsame Entscheidung mit Team und

Manager auf Augenhöhe vorgesehen und

wie alle anderen Fälle auf dem Board ver-

merkt (siehe Abbildung 5). Ein sehr hoher

Vertrauensbeweis. Sich darüber klar zu

werden und die getroffene Entscheidung

transparent zu machen, empfehlen wir aus-

drücklich!

Mit der Zeit ist es natürlich das Ziel, ein

Team weiter in Richtung Delegation zu be-

wegen. Dies ist aber auch immer eine Frage

des Reifegrades. Ein Team muss sich ein ho-

hes Verantwortungslevel in der Regel erst

verdienen. Bei uns ist zu sehen, dass wir auf

diesem Weg schon relativ weit sind, da es

weder ein Tell noch ein Sell des Managers

gibt. Dies setzt Vertrauen und die erwähnte

Reife des Teams voraus, um der übertrage-

nen Verantwortung gerecht zu werden.

Abb. 5: Unser Delegation Board.

die Weiterentwicklung des Mitarbeiters,

also die Steigerung seiner Kompetenz, ist

es nicht sinnvoll, ein solches Gespräch nur

einmal im Jahr durchzuführen. Man muss

hier – ganz im Sinne einer agilen Vorge-

hensweise – ein schnelles Feedback etablie-

ren, um entsprechend schneller zu lernen.

Wir haben in unserem Team dafür eine sehr

gut funktionierende Praxis etabliert. Unser

Unternehmen ist in Teams gegliedert, die sich

mit bestimmten Fachgebieten beschäftigen

und einen Manager besitzen. In aller Regel

sind dies die Personen, die über das meiste

Fachwissen zum Thema verfügen. Jedes Mit-

glied unseres Teams kann entsprechend sei-

ner persönlichen Wünsche (bei den meisten

hat sich ein monatlicher Rhythmus etabliert)

ein Gespräch mit unserem Manager führen.

Damit ist bereits eine wichtige Anforderung

erfüllt: Um eine Person sinnvoll in seiner

persönlichen Weiterentwicklung in einem

Themengebiet zu beraten, sollte man selbst

über ein entsprechend großes Wissen verfü-

gen. Nur so kann man mögliche Optionen

aufzeigen, Ratschläge geben und bestmög-

lich bei der Weiterentwicklung unterstützen.

Solche Charaktere werden daher oftmals

auch als Competency Leaders bezeichnet

[Pop09]. Es ist übrigens nicht zwingend

notwendig – und manchmal auch gar nicht

möglich –, dass es sich bei einer solchen Per-

son um den direkten Vorgesetzten handelt.

In großen Linienorganisationen könnte dies

allein aufgrund der Anzahl an Mitarbeitern

zu einem zeitlichen Problem werden. Das

Format dieser Gespräche ist sehr individu-

ell und richtet sich nach den Bedürfnissen

der Person zum jeweiligen Zeitpunkt. Sie

reicht bei mir zum Beispiel von der Diskus-

sion möglicher Weiterbildungen über den

Austausch von Leseempfehlungen bis hin

zu Rollenspielen zur Verdeutlichung von

Problemstellungen.

Wir gehen noch einen Schritt weiter und

halten darüber hinaus jedes Mitglied unse-

res Teams dazu an, sich einen persönlichen

8

Management 3.0: Die Zukunft des Managements?

Mentor zu wählen. Dieser soll bei allen

möglichen Themen mit Rat und Tat zur Sei-

te stehen. Ich habe mit meinem Mentor Ge-

spräche in einem zweiwöchigen Rhythmus

vereinbart, bei denen wir uns in einem sehr

offenen Format über Dinge unterhalten, die

uns gerade bewegen, und gleichzeitig diver-

se Mentoring- und Coaching-Techniken,

wie den „Arc of Coaching Conversation“

(eine Art Ablaufplan zur Durchführung ei-

nes Gespräches zwischen Coach und Coa-

chee), einsetzen [Adk10]. Ein gutes Ver-

trauensverhältnis ist dafür unabdingbar,

die Beziehung ist aber ein großer Gewinn

für beide Seiten. Hier stehen vor allem all-

tägliche Themen aus Kundeneinsätzen im

Mittelpunkt, zu denen eine zweite Perspek-

tive oder der Rat eines erfahrenen Kollegen

Abb. 6 Titelinflation (© J. Appelo, Creative Commons 3.0 By [M3.0])

4/2013

schwe rpunk t

beziehen. Test werk zeuge sind hierzu nichtin der Lage. Aus unserer Sicht ist ein voll-ständig automatisierter UAT auch in deragilen Welt nicht seriös durchführbar – aus-genommen automatisierte Smoke-Tests, diedie Vollständigkeit der Funk tio nalität ober-flächlich prüfen. Gele gentlich werden auto-matisierte GUI-Tests (Graphi cal-User-Interface) als UAT bezeichnet. Diese Testssind funktionale Tests unter Einbeziehungeiner Oberfläche und können zum Beispielim Regressionstest einen wertvollen Beitragleisten. Sie sind aber kein Er satz für dieEinbeziehung des Menschen als Tester.

Ein Fokus des UAT liegt auf der Instal -lierbarkeit der Software. Diese lässt sichleicht in Kombination mit der obenbeschriebenen automatisierten Prüfung aufVollständigkeit anwenden: Wenn dieserSmoke-Test erfolgreich war, ließ sich dieSoftware offenbar erfolgreich installieren.

Ziel des UAT ist es, die Benutzbarkeit einerSoftware zu prüfen. Aus eigener Erfahrungwissen wir, dass für einen erfolgreichen UATin allen Teststufen gewissenhaft gearbeitetwerden muss. Für Ent wickler gibt nichtsSchlimmeres als einen UAT, der von denTestern oder vom Kunden nach wenigenMinuten abgebrochen wird, weil viele offen-sichtliche Fehler in den vorherigen Teststufennicht entdeckt wurden und der Softwaremangelnde Qualität bescheinigt wird.

Last und Performance-TestsDie Teststufe Last- und Performance-Testsdient im Wesentlichen dazu, drei nicht-

Iteration knapp wird. Das führt zu einemgefährlichen Trugschluss: Wenn es akzep-tabel ist, manuelle Tests im Notfall wegzu-lassen, sind sie scheinbar nicht wichtig.

Auch in der agilen Welt ist es der Zweckvon Tests, Fehler in der Software zu finden.Wenn automatisierte Tests dazu nurbedingt in der Lage sind, gibt es lediglicheine Alternative: manuelles beziehungs-weise exploratives Testen, bei dem dieTester ihre Kreativität und Spontanität ein-setzen, um Fehler zu finden. Ein wesent-licher Nutzen manueller Tests – besondersbei neuen Features – ist die kontextbezoge-ne Perspektive auf die zu prüfendeFunktionalität. Denn im Gegensatz zuautomatisierte Tests kennt der manuelleTester deren aktuellen Kontext.

Wenn es Kunde und Budget zulassen,planen wir am Ende einer Iteration für alleEntwickler einen Tag ein, dessen Fokus aufmanueller Testdurchführung liegt. Ziel die-ses Tages ist es, die Software zerbrechen zulassen. Gelingt es, den Code durch Benut -zer eingaben oder Datenkonstellationen zuzerbrechen, wird für die Situation, die dazugeführt hat, ein automatisierter Testgeschrieben. Anschließend wird der Man -gel nach voll ziehbar behoben und mit demautomatisierten Test dafür gesorgt, dass dieso ge wonnene höhere Robustheit erhaltenbleibt.

Plädoyer für Nicht-AutomatisierungWenn die geforderte Funktionalität imple-mentiert wurde, also sämtliche automati-sierte Tests durchgeführt und um eventuellnotwendige manuelle Tests der neuenFeatures ergänzt wurden, schließt sich eineweitere manuelle Stufe an.

Der User-Acceptance-Test (UAT) dientdazu, eine Software unter realen Bedin gun -gen zu testen und zu prüfen, ob eineSoftware effizient und effektiv genutzt wer-den kann. Software, die für Endanwendergedacht ist, muss bei dieser Testart vomBenutzer selbst geprüft werden. Dazu ist esnotwendig, den fachlichen Kontext der zuprüfenden Soft ware zu kennen und einzu-

gehensweise, wenn die Erweiterung durchUmpriorisierung doch nicht stattfindet unddie Tests weiterhin manuell durchgeführtwerden müssen.

Aus unserer Erfahrung lohnt sich einesprechende, nachvollziehbare Zuordnungvon Anforderungen (User-Storys) undAkzeptanztests. Wird eine Anforderungverändert oder erweitert, fließt der Auf -wand für eine notwendige Anpassungbestehender Akzeptanztests mit in dieSchätzung ein. Gibt es außerhalb desEntwicklungsteams Interessenten für dieAkzeptanztest-Kriterien, erhalten diesewertvolles Feedback zu den Auswirkungender Änderung. Können Anforderungen undAkzeptanztests einander nicht zugeordnetwerden, kommt das böse Erwachen bei derEntwicklung: Die Änderungen dauern fünfMinuten, das Anpassen der fehlgeschlage-nen alten Akzeptanztests zwei Tage.

Manuelle TestsManuelle Tests sind auch in agilen Pro -jekten wichtig. Sie schließen die Lücke zwi-schen automatisierten Tests und aufwändigoder gar nicht automatisiert prüfbarenAnforderungen. Dabei können manuelleTests zeitaufwändig und fehleranfällig sein.Auch in der agilen Welt neigen Projekt -teams dazu, manuelle Tests zu vernachläs-sigen, wenn die Zeit am Ende einer

Tipp 4: Abnahmetests sollten immergrün sein – Zero Bug Policy.Auch wenn das Release noch ein paar Wochenentfernt sein mag, ist es sehr wichtig, Testfällenicht länger als notwendig fehlschlagen zu lassen– auch wenn man die vermutliche Ursache kennt.Ein fehlschlagender Testfall kann durchausProbleme verdecken, die erst nach Behebung deroffensichtlichen Ursache zu Tage treten. Ziel desTeams muss es sein, die Testfälle auch währendder Entwicklung grün zu halten. Grün bezieht sichhier auf die Signalfarben, die traditionell in Build-Umgebungen eingesetzt werden.

Tipp 5: Pair-Testing im UAT.User-Acceptance-Tests sollten dabei niedurch die Softwareentwickler durchge-führt werden. UAT mittels Pair-Testing hatsich dagegen bewährt. Hier führt einBenutzer den UAT durch, der Entwicklersitzt daneben und bekommt direkt wert-volles Feedback zur Benutzbarkeit seinerArbeit. Im Idealfall ist dieser Tester derKunde selbst oder ein Mitarbeiter mit tie-fem fachlichen Wissen, aber keinen weite-ren Kenntnissen über den Quellcode.

Tipp 6: Zeitnaher UAT.Während der UAT in der klassischenProjektwelt eine abgeschlossene Phasedarstellt, bietet es sich in agilen Projektenan, unmittelbar nach dem Abschluss einerFunktionalität Nutzer-Feedback einzuho-len. Will der Entwickler in Folge desFeedbacks Änderungen vornehmen, istseine Arbeit effektiver als nach einemUAT-Feedback mehreren Wochen.

OBJEKTspektrum ist eine Fachpublikation des Verlags:

SIGS DATACOM GmbH · Lindlaustraße 2c · 53842 TroisdorfTel.: 0 22 41 / 23 41-100 · Fax: 0 22 41 / 23 41-199 E-mail: [email protected]/publications/aboservice.htm

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04/2016 9

www.objektspektrum.de

erwünscht ist. Durch diese Yedi-Padawan-

Konstellation sorgen wir automatisch für

eine bessere Wissensverteilung innerhalb

unseres Teams und eine gegenseitige Wei-

terentwicklung unserer Kompetenz.

Eine der wichtigsten Aufgaben des Ma-

nagers in einem agilen Unternehmen ist

die zielgerichtete und individuelle Weiter-

entwicklung seiner Teammitglieder. Die

Kombination der beiden vorgestellten Vor-

gehensweisen entlastet unseren Manager

einerseits und bietet ihm andererseits die

Möglichkeit, dieser Aufgabe in einer ange-

messenen Form nachzukommen.

Grow Structure - Work Profiles

Wie man als Manager die persönliche Ent-

wicklung seiner Mitarbeiter vorantreiben

und unterstützen kann, wurde bereits um-

rissen. Man muss sich darüber hinaus aller-

dings auch oft mit der Frage beschäftigen,

welche Entwicklungsstufe ein bestimmter

Mitarbeiter einnimmt. Dies spiegelt sich in

den meisten Unternehmen in einem Titel

wieder, der immer „senioriger“ wird und bei

uns zum Beispiel in einem „Senior Mana-

ging Consultant“ mündet. Laut Appelo gibt

es aber vier entscheidende Probleme bei sol-

chen, an Karrierepfaden orientierten Titeln:

n Inflationäre Verwendung von Titeln:

Auch wenn eine Unternehmenshierar-

chie normalerweise eher wie eine Py-

ramide gebaut ist und nach oben hin

schlanker wird, finden sich unzählige

Presidents, Chiefs, Seniors, Executives

und Directors. Das Resultat sind Mitar-

beiter, die ständig nach der nächsthöhe-

ren Stufe streben und sich automatisch

mit den – aus ihrer Sicht – leistungs-

schwächsten Personen darin vergleichen.

n Einengung in ein Titelkorsett: Ein zu-

gewiesener Titel kann dazu führen,

dass man bewusst oder unbewusst von

Dritten auf die darin beschriebenen Fä-

higkeiten reduziert wird. Ob ein Senior

Softwareentwickler auch über Fähig-

keiten im Bereich Scrum oder noch wei-

ter entfernten Dingen wie dem Schrei-

ben von Fachbüchern verfügt, spiegelt

sich hier nicht wieder.

n Keine Standardisierung: Titel sind sel-

ten über Unternehmen hinweg standar-

nicht zwingend und manchmal sieht die

Realität völlig anders aus, als die erste

Annahme vermuten lässt.

Die einfachste Lösungsmöglichkeit wäre

natürlich, sämtliche Titel ad acta zu legen.

Alle sind nur noch Mitarbeiter. Das funk-

tioniert eventuell bei kleinen Organisatio-

nen. Bei einer größeren Mitarbeiteranzahl

wird man jedoch eine Möglichkeit benöti-

gen, Verantwortlichkeiten gegenseitig und

nach außen zu kennzeichnen, als Person

die eigene Marke zu schärfen und Gefühl

Literatur & Links

[Adk10] L. Adkins, Coaching agile Teams: A Companion for Scrum Masters, Agile Coaches,

and Project Managers in Transition, Addison-Wesley, 2010

[App11] J. Appelo, Management 3.0: Leading agile developers, developing agile Leaders, Ad-

dison-Wesley, 2011

[App14] J. Appelo, #Workout: Games, Tools and Practices to Engage People, Improve Work,

and Delight Clients, Happy Melly Express, 2014

[App16] J. Appelo, Management 3.0 Kudo Cards, siehe:

https://management30.com/product/kudo-cards/

[Der06] E. Derby, D. Larsen, Agile Retrospectives: Making Good Teams Great, O‘Reilly UK

Ltd, 2006

[Fle11] N. Fleming, The bonus myth: How paying for results backfires, in: The New Scientist,

4/2011

[M3.0] Management 3.0, siehe: https://management30.com/

[Nova] B. Steiner, NovaTec Blog, siehe

http://blog.novatec-gmbh.de/wie-sieht-eigentlich-eine-gute-retrospektive-aus/

[Pin09] D. H. Pink, Drive: The Surprising Truth Abouth What Motivates Us, Riverhead Books,

2009

[Pop09] M. Poppendieck, T. Poppendieck, Leading Lean Software Development: Results are

Not the Point, Addison-Wesley, 2009

[Rot05] J. Rothman, E. Derby, Behind Closed Doors: Secrets of Great Management, Raleigh,

2005

disiert. Zum Aufgabenbereich eines Ti-

telträgers können in zwei verschiedenen

Organisationen völlig unterschiedliche

Tätigkeiten, Rechte und Pflichten gehö-

ren.

n Vorurteile: Ein Mitglied des Vorstands

ist in der Regel männlich, die Büroassis-

tenz weiblich. Junior Consultants sind

jung und unerfahren, während ihre Se-

nior Kollegen wesentlich kompetenter

sind und viel mehr Projekterfahrung

aufweisen können. Manche dieser An-

nahmen mögen stimmen, dies ist aber

Schritt Zweck

Set the stage Teilnehmer auf die Retrospektive einstimmen, Ziele vereinbaren und abstecken.

Gather data Informationen aus dem Betrachtungszeitraum (im Normalfall seit letzter Retrospektive) sammeln.

Generate Insights System in die erhobenen Informationen bringen und mögliche Lösungsansätze herausarbeiten.

Decide what to do Entscheiden, welche Maßnahmen getroffen werden.

Close the retrospective Erreichen der Zielsetzung überprüfen und Abschluss des Termins.

Tabelle 4: Schema für den Ablauf einer Retrospektive.

für den persönlichen Fortschritt zu erhalten

(siehe Abbildung 6).

Um diese Ziele zu erreichen, ohne die ne-

gativen Effekte in Kauf nehmen zu müs-

sen, schlägt Appelo eine „Seperation of

concerns“ vor. Menschen bestehen nicht

nur aus ihrem Jobtitel und Projektrollen

können von Titeln abweichen. Daher wird

eine Aufteilung in die drei Bestandteile Pro-

fil – Titel – Rolle vorgeschlagen [App14].

Ein Mitarbeiter verfügt über ein bestimm-

tes Profil, das seine Fähigkeiten beschreibt.

Dieses kann durch einen Titel ergänzt wer-

den, der diese Fähigkeiten zusammenfasst

oder ihnen mehr Gewicht verleiht. Projekt-

rollen sollten dann entsprechend der Fähig-

keiten gewählt werden, um diese bestmög-

lich einzubringen oder auszubauen.

Wir versuchen diese Anforderungen zu

erfüllen, indem jeder Mitarbeiter von uns

eine Projekthistorie pflegt. Darin finden

sich die letzten Kundenprojekte ebenso

wie eine generelle Auflistung seiner Fähig-

keiten. Diese werden dann unter anderem

auch an potenzielle Kunden weitergereicht,

die sich vorab einen Eindruck über einen

Kollegen verschaffen möchten.

Um diese Beschreibung noch zu ergänzen,

haben wir die Technik der Work Pro-files

eingesetzt. Hier versucht man, einen selbst-

gewählten Titel zu entwerfen, der die persön-

lichen Fähigkeiten bestmöglich beschreibt.

Am Beispiel von Jurgen Appelo wäre dies

„Creative Networker“. Um hier kreativ zu

werden und Inspirationen zu erhalten, kann

man in einem Workshop über Titel für sein

Team nachdenken. Bei uns führte dies zu

sehr interessanten Ergebnissen. Wir zählen

beispielsweise den „Agile Visualizer“ zu

unserem Team. Ein Zeichentalent, das es

schafft, komplexe Zusammenhänge auf

den Punkt einfach visuell aufzubereiten und

Probleme zu verdeutlichen. Unser „Agile

Reflector“ ist ein scharfer Beobachter, der

die Verhaltensweise seines Gegenüber wie

kein anderer spiegelt, transparent macht

und einem dadurch oftmals die Augen öff-

net. Wir denken aktuell darüber nach, diese

zusätzlich zu unseren offiziellen Titeln auf

unseren Visitenkarten anzubringen.

Work Profiles geben einer Person die Mög-

lichkeit, sich ein Profil zu geben, das dem

Leser kontextabhängig wertvolle Informa-

tionen liefert und falsche Anreize reduzieren

kann. Als Manager sollte man sich bewusst

sein, dass hier durchaus auch „Wildwuchs“

entstehen kann und das Tragen beziehungs-

weise Nichttragen von Titeln möglicher-

weise ein sehr sensibles Thema ist. Man

muss bereit sein, diese Nachteile in Kauf zu

nehmen, um die Vorteile von wirklich aus-

sagekräftigen Titeln zu nutzen.

Improve Everything – Retrospektiven

Anpassbarkeit und die schnelle Reaktion

auf Veränderung haben in der Softwareent-

wicklung zum Vormarsch agiler Methoden

geführt. Aber Organisationen bestehen

nicht nur aus IT-Abteilungen oder arbeiten

eventuell auf einem völlig anderen Gebiet.

Es gibt zahlreiche Vorgehensmodelle für

Verbesserungsinitiativen wie PDCA (Plan

– Do – Check – Act), QIP (Quality Impro-

vement Paradigm) oder DMAIC (Teil von

Six Sigma), die alle sehr ähnlich strukturiert

sind. Es wird eine mögliche Verbesserung

identifiziert, erprobt und das Resultat der

Veränderung überprüft. Um genau diese

Experimente herauszuarbeiten, hat sich das

Format der Retrospektive bewährt.

Wir setzen Retrospektiven in unserem Team

im Rahmen eines iterativen Vorgehens ein.

Obwohl wir als Berater im Normalfall alle

für verschiedene Kunden arbeiten, orga-

nisieren wir unsere gemeinsamen Themen

nach Scrum. Das heißt, wir erfassen sie in

einem Backlog, planen in einem Planning

konkrete Arbeitsschritte, führen mit unse-

ren Stakeholdern Reviews durch und versu-

chen, uns im Rahmen von Retrospektiven

zu verbessern. Die Zuständigkeit für die

Durchführung der Retrospektive wechselt

dabei innerhalb des Teams, die Termine fin-

den im Monatsrhythmus statt. Für uns hat

es sich bewährt, sich beim Ablauf an dem

bekannten 5-Schritte-Schema (siehe Tabelle

4) zu orientieren [Der06].

Durch diese Leitplanken ist sichergestellt,

dass eine Retrospektive zielgerichtet ab-

läuft und wertvolle Erkenntnisse gewonnen

werden können. Weitere Hinweise zu einer

guten Retrospektive findet man auch in ei-

nem ausführlicheren Blogpost [Nova] zu

diesem Thema.

Als Manager liegt einem die kontinuierliche

Verbesserung der Arbeit eines Teams am

10

Management 3.0: Die Zukunft des Managements?

|| Boris Steiner ([email protected]) ist Berater bei der NovaTec Consulting GmbH. Er steht Entwicklungsteams, Scrum Mastern und Product Ownern als Coach zur Seite und führt Scrum- und Kanban-Schulungen durch. Dabei hilft er Organisationen, ihren persönlichen Weg zu finden und die Vorteile der agilen Kultur für sich zu nutzen.

Der Autor

Herzen. Auch die hier vorgestellten Prak-

tiken können ständig auf den Prüfstand

gestellt und angepasst werden. Die perfekte

Blaupause für jeden Kontext und jedes Pro-

blem existiert nun einmal nicht. Retrospek-

tiven sind ein sehr mächtiges Werkzeug, um

genau diesen Prozess zu etablieren und für

sich und sein Team zu nutzen.

FazitManagement 3.0 ist kein revolutionäres

Thema, aber eine sehr stimmige Kombina-

tion von Theorien und Prinzipien, die Ant-

worten auf viele offene Fragen liefert.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass

hier – ähnlich wie bei agilen Methoden –

viele Dinge nicht grundlegend neu sind, in

dieser Kombination aber ein sehr gut funk-

tionierendes Ganzes bilden. Nicht zuletzt

deshalb ist es in der agilen Szene derzeit in

aller Munde. Dass es Antworten auf bisher

unbeantwortete Fragen liefert, trägt sicher-

lich entscheidend zu seiner Verbreitung bei.

Die Rolle eines Managers in einem agilen

Unternehmen ändert sich massiv. Manage-

ment 3.0 hilft dabei, diesen Paradigmen-

wechsel zu verstehen und angemessen mit

ihm umzugehen.

Hierfür liefern die Praktiken konkrete Hil-

festellung und Ideen, wie sie sich im eige-

nen Unternehmen verwenden lassen. Der

Einblick in unsere Umsetzung kann Ihnen

helfen und aufzeigen, wie Ihre ersten Schrit-

te aussehen können! ||

© Illustration by Jurgen Appelo, www.mgt30.com

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