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2
Danksagung Vorweg sei allen Interviewpartner/innen gedankt, ohne die die Erstellung des
vorliegenden Gutachtens nicht möglich gewesen wäre. Mein besonderer Dank gilt
den Mitgliedern der Vorbereitungsgruppe des 8. Integrationsfachtages, im Rah-
men dessen das Gutachten erstellt wurde. Für die umfangreiche Zuarbeit und die
Gewährung wertvoller Zeit gilt mein Dank des Weiteren: den Mitarbeiter/innen
des Landkreises Märkisch-Oderland, dem Jobcenter MOL, dem Amt Neuharden-
berg, der Grundschule am Annatal, der Kita Tausendfüßler und den Mitar-
beiter/innen des Sozialparks MOL e. V.. Für fruchtbare Diskussionen sowie
Ratschläge und natürlich für das Lektorat danke ich ganz besonders Charlotte
Wenkel.
[Impressum]
Erstellt von:
Dipl.-Soz. Fabian Brauns
Kontakt: Fabian Brauns, Lenbachstr. 8 10245 Berlin [email protected] Im Auftrag des Netzwerkes für Toleranz und Integration in Märkisch-Oderland c/o Kreis- Kinder- und Jugendringes (KKJR) MOL e. V. Kontakt: Feldstraße 3, 15306 Seelow 03346-80609 [email protected]
3
Inhaltsverzeichnis:
Vorwort 5
1. Intention dieses Gutachtens 6
1.1 Vorgehensweise und Methodik 7
1.2 Zuwanderung in Brandenburg 9
1.2.1 Zahlen und Fakten 11
1.2.2 Integrations- Politik und Konzepte in Brandenburg 12
1.3 Zuwanderung im Landkreis Märkisch-Oderland 16
1.3.1 Ein Rückblick - Integrationsnetzwerke in MOL 20
1.3.2 Der Runde Tisch Asyl 21
1.3.3 Das Netzwerk MOL Ost 23
1.3.4 Die Arbeit des Netzwerkes für Toleranz und Integration 23
2. Forschungsstand und Begriffsbestimmungen 25
2.1 Gruppen von Zugewanderten 25
2.2 Integration und Zuwanderung 27
2.3 Zur Messung von Integrationserfolgen 30
2.4 Die Notwendigkeit einer Reform der Datenerfassung 30
2.5 Definition des Begriffs Personen mit Migrationshintergrund 31
2.6 Diskussion und Ausblick 33
3. Empirischer Teil des Gutachtens 35
3.1 Bestimmung der Analyseebenen 35
3.2. Operationalisierung und Forschungspraxis 36
3.2.1 Soziale Lage und Demografie 38
3.2.2 Bildung und Migrationshintergrund 40
3.2.2.1 Die Situation in den neuen Bundesländern 42
3.2.2.2 Kindertagesbetreuung in Brandenburg 44
3.2.2.3 Kindertagesbetreuung in MOL 46
3.2.2.4 Das Fallbeispiel einer Kita im Landkreis 47
3.2.2.5 Schulische Bildung in MOL 49
4
3.2.2.6 Ausgewählte Schuldaten 51
3.2.2.7 Muttersprachlicher Unterricht 58
3.2.2.8 Fallbeispiel - Grundschule am Annatal 59
3.2.3 Die arbeitsmarktliche Integration von Zuwanderern 61
3.2.3.1 Die arbeitsmarktliche Situation der Zuwanderer in MOL 62
3.2.3.2 Die arbeitsmarktliche Integration jugendlicher Zuwanderer 63
3.2.3.3 Maßnahmen zur Integration von Zuwanderern in den Arbeitsmarkt 65
3.2.3.4 Beschäftigungsfördernde Maßnahmen im Rahmen des ESF 66
3.2.4 Freizeit, Engagement und soziales Leben 68
3.2.4.1 Ergebnisse der Befragung 68
3.2.5 Kultur und Identität 70
3.2.5.1 Die Identität der Spätaussiedler/innen 71
3.2.6 Diskriminierungserfahrungen 74
3.2.7 Die Offenheit der Aufnahmegesellschaft 78
4. Fallbeispiele 80
4.1 Die Geschichte der Spätaussiedler in Neuhardenberg 80
4.2 Das Integrationskonzept der Stadt Strausberg 83
4.3 Übersicht der Fachdienste im Landkreis 85
5. Empfehlungen und Fazit 89
5.1 Ein Plädoyer zur Regionalisierung der Integrationsarbeit 89
5.2 Empfehlungen an den Landkreis 90
5.3 Das Asylbewerberheim 92
5.4 Bildungschancen für Kinder mit Migrationshintergrund festigen 94
5.5 Entwicklung von Querschnittsaufgaben 96
Literaturverzeichnis 97
Tabellen und Abbildungsverzeichnis 100
5
Vorwort
„Zuwanderung und Integration sind die wichtigsten Aufgaben unserer Zeit
geworden“. Haben wir diese Feststellung von Frau Süßmuth zum 2.
Integrationsfachtag 2003 in Wriezen umgesetzt? Weiter sagte sie in ihrem
damaligen Grußwort: “Integration ist eine Aufgabe, die uns alle in
Deutschland angeht, in der Politik, der Verwaltung und in der
Zivilgesellschaft.“ Letztere spiegelt das Netzwerk für Integration und
Toleranz (NTI) mit seinen mehr als 50 Mitgliedsorganisationen wider. Es
steht überparteilich auf der Seite derer, die um ihr Recht auf Selbst-
bestimmung ringen. Das NTI leistet tägliche Basisarbeit, um aus dem
„Ankommen“ von Migranten ein „Zuhause“ werden zu lassen.
Die Integration zugewanderter Menschen, die in unserem Landkreis leben,
beziehungsweise leben müssen, stellt über Jahre einen Schwerpunkt
unserer Arbeit dar. Die Worte aus dem Jahr 2003 waren uns daher
Verpflichtung, das Thema erneut auf die Tagesordnung zu setzen. Wie
wurden Landeskonzeption, Nationaler Integrationsplan und die deutlichen
Worte unserer Kanzlerin (Integration sei „Chefsache“), mit Leben erfüllt?
Die noch vorhandenen Defizite im Landkreis Märkisch-Oderland werden im
Netzwerk, durch seine aktuelle Reaktionsfähigkeit sichtbar.
Das hier vorliegende wissenschaftliche Gutachten bietet eine tragfähige
Basis zu konzeptioneller Festschreibung und praktischem Handeln.
Integration beginnt unspektakulär mit Zuhören, Geduld und Verständnis
für besondere Lebenssituationen. Die Realität sieht oft anders aus. Leider
verwenden Mitarbeiter/innen in Behörden gern den Artikel - „die“ - als
Pluralform für Migranten/innen. Dagegen steht das beliebte besitzanzei-
gende - „unsere“ - für einheimische Bürger/innen. Das muss unbedingt,
und nicht nur aus grammatikalischen Gründen, korrigiert werden! Wir
wollen gemeinsame Wege und Mittel aufzeigen, die auch für Migranten ein
hohes Maß an Selbstbestimmung ermöglichen. Das heißt: Alle Chancen
wahrnehmen, gegenseitigen Respekt fördern und ständig miteinander
kommunizieren.
Das Gutachten wird zeigen, dass Standards in der Datenerfassung und
Statistik dringende Zielsetzungen für die künftige Arbeit im Landkreis sein
müssen. Durch sie werden vorhandene Ressourcen in der Integrations-
arbeit für die Zukunft transparenter.
6
1. Intention dieses Gutachtens
Die Erstellung des hier vorliegenden Gutachtens erfolgte im Rahmen einer
Kooperationsvereinbarung zwischen dem Landkreis Märkisch-Oderland
und dem Netzwerk für Toleranz und Integration (NTI) – Träger des NTI ist
der Kreis- Kinder- und Jugendring MOL e.V. (KKJR) dem somit eine
bestimmende Rolle bei der Initiierung des Gutachtens zuzuschreiben ist.
Die zentrale Aufgabe des Gutachtens ist es, die Lebenssituation von
jugendlichen Migrantinnen und Migranten im Landkreis darzustellen. Eine
Intention des Gutachtens ist es zudem, Zuwanderungs- und Integrations-
prozesse im Landkreis darzustellen, um so eine möglichst breite Öffent-
lichkeit in diesen Prozess einzubeziehen und zu informieren. Weiter-
führend können die abgeleiteten Schlussfolgerungen und Ergebnisse ein
Arbeitspapier im Jugend- und Sozialhilfebereich des Landkreises
darstellen.
Die Debatte über die Integration von Migrantinnen und Migranten in
Deutschland ist in vollem Gang – ein nationaler Integrationsplan wurde
erarbeitet, politisch bekennt man sich, wenn auch verspätet, dazu, dass
Deutschland ein Einwanderungsland ist. Mit dem Zuwanderungsgesetz
wurde ein rechtlicher Rahmen geschaffen, der gewisse Verbindlichkeiten
schafft. Es gibt jedoch nicht die „Zuwanderung“ – Zuwanderergruppen und
-Geschichten divergieren stark in Deutschland. In den Großstädten
diskutiert man über vermeintliche Parallelgesellschaften, während im
ländlichen Raum Zuwanderung oftmals gar nicht wahrgenommen wird.
Der Landkreis Märkisch-Oderland ist überwiegend ländlich geprägt, grenzt
im Osten an unsere polnischen Nachbarn und berührt im Westen die
multi-kulturelle Metropole Berlin. Er bildet somit auch eine Schnittstelle;
Menschen verschiedenster Nationalitäten kommen sich hier näher. Einige
von ihnen lassen sich im Landkreis nieder und finden hier eine neue
Heimat. Dieser Prozess hat viele verschiedene Facetten und gestaltet sich
sehr vielschichtig.
Kinder und Jugendliche nehmen dabei eine besondere Rolle ein – ihre
Stellung in der Gesellschaft verschafft ihnen besonders viele Berührungs-
punkte mit der neuen Heimat. Vieles ist zunächst fremd und stellt sie vor
erhebliche Herausforderungen: Die deutsche Sprache mit all ihren Tücken
muss erlernt werden, um erfolgreich einen Bildungsabschluss zu absol-
vieren, die Freizeit muss gestaltet werden und vieles mehr. Aufgrund
7
dieser vielen Anknüpfungspunkte stellen die Kinder somit oftmals auch für
ihre Eltern erste Kontakte in die neue Heimat her. Die Integration der
jungen Generation von Zuwanderern ist daher eine zentrale Aufgabe, um
die Integration von allen Zuwanderern erfolgreich zu gestalten.
1.1 Vorgehensweise und Methodik
Aufgrund des recht breit gefassten Adressatenkreises und der ambi-
tionierten Intention des Gutachtens – als Arbeitsgrundlagen zu dienen und
Verbesserungsvorschläge für integrative Maßnahmen zu unterbreiten – ist
das Gutachten inhaltlich recht breit aufgestellt.
Zunächst soll ein Überblick über Zuwanderungsprozesse in Ostdeutschland
und im Speziellen in Brandenburg aufgeführt werden. Auf Aspekte der
Zuwanderung aus einer gesamtdeutschen Perspektive betrachtet, wird
weitestgehend verzichtet. Es sollen vielmehr ostdeutsche und Branden-
burger Spezifika herausgearbeitet werden, um darauf folgend die Situation
im Landkreis Märkisch-Oderland einzuordnen. Insofern es Daten und
Informationen zu den entsprechenden Analyseebenen zulassen, soll der
Versuch unternommen werden, die integrativen Maßnahmen des Land-
kreises, in Relation zum Land Brandenburg zu beurteilen. Rechtliche
Aspekte werden im Kontext dieser Arbeit außer Acht gelassen – es soll
darum gehen Integrationsprozesse aller Zuwanderer aufzuzeigen, egal
welchen rechtlichen Status sie haben. Damit folgt dieses Gutachten auch
den Grundsätzen der Brandenburger Rahmenkonzeption, welche sich
explizit auch an Flüchtlinge und Asylbewerber/innen richtet.
Kinder und Jugendliche im Fokus der Analyse
Primär geht es um die Analyse von Lebenslagen junger Zuwanderer – also
junger Menschen bis zu einem Alter von 27 Jahren. Integrationsprozesse
von Kindern und Jugendlichen zu befördern ist immanent, denn vor allem
im ersten Lebensabschnitt werden wichtige Fähigkeiten vermittelt, die den
Zuwanderern eine allumfassende gesellschaftliche Partizipation ermög-
lichen.
8
Das Lebenslagenkonzept
Im Gegensatz zu älteren Konzepten der Ungleichheitsforschung, die sich
weitestgehend auf Klassen und Schichtmodelle beriefen, bedient sich das
Lebenslagenkonzept vielfältigerer Dimensionen - als etwa Berufsposition
oder Einkommen. Zur Untersuchung der Lebensbedingungen von einzel-
nen oder von Gruppen, zieht das Lebenslagenkonzept beispielsweise
folgende Dimensionen heran: Wohnsituation und –Umfeld, schulisches
Angebot in der Region, Bedingungen des Freizeitlebens, die innerfamiliäre
Konstellation und weitere. So soll erreicht werden, dass die Lebens-
bedingungen auch derer angemessen erfasst werden, wo die alleinige
Berücksichtigung von Einkommen und Beruf nicht greift – etwa bei
Kindern und Jugendlichen oder bei Bezieher/innen von Transfergeldern
(vgl. Lexikon der Soziologie 1995).
Methodik
In dem hier vorliegenden Gutachten kommt ein Methodenmix aus
qualitativen und quantitativen Verfahren zur Anwendung. Insofern eine
statistische Datenlage vorhanden ist, werden Aussagen auf Basis dessen
getroffen – etwa der Anteil von Kindern die über einen Migrations-
hintergrund verfügen und gerade die verschiedensten Stationen des
Bildungssystems durchlaufen. Hierbei geht es vorrangig darum, deskriptiv
bestimmte Sachverhalte aufzuzeigen.
Zudem wurden umfangreiche Experteninterviews durchgeführt – wobei
diese leitfadengestützt aber auch in offener Form stattfanden. Der hier
interviewte Expertenpool bildete sich aus den „Akteuren der Praxis“, also
aus denjenigen die unmittelbar mit den Zuwanderern arbeiten. Aspekte
die sich in den ersten Interviews als relevant herausgestellt haben,
wurden in den folgenden Gesprächen vertiefend erfragt.
Chancengleichheiten analysieren
Das Recht auf gerechte Verteilung von Zugangs- und Lebenschancen für
alle Individuen und Gruppen einer Gesellschaft ist ein zentrales Anliegen
und als Anspruch moderner Gesellschaften zu betrachten. Ob diese Chan-
cengleichheiten der Gruppe der Zuwanderer gewährt werden, gilt es zu
analysieren. Das folgende Gutachten versucht objektive Vergleichsdimen-
sionen herauszuarbeiten und an Hand derer die Chancengleichheiten zu
beurteilen.
9
Fragebögen Ergänzend wurden teilstandardisierte Fragebögen verwandt, um die
Wahrnehmungen und Einstellungen der Zuwanderer/innen zu erfahren.
Besonders zu Fragen von Kultur und Identität aber auch zu Diskri-
minierungserfahrungen stellen die Fragebögen eine wertvolle methodische
Komponente dar.
Die Verwendung von Zitaten
Die im folgenden Gutachten verwendeten Zitate sind anonymisiert. Sie
entstammen aus Interviews und Gesprächen, die im Zeitraum von März
bis Juli 2009, im Rahmen der Erstellung des Gutachtens durchgeführt
wurden. Die Interviews erfolgten vor allem mit Mitarbeiter/innen der
Fachdienste und der Verwaltungen von Landkreis, Ämtern und
Kommunen, mit Kita- und Schulleiter/innen und mit vielen anderen
Personen, die mit Zuwanderern im Landkreis MOL arbeiten.
1.2 Zuwanderung in Brandenburg
Allgemeine Situation – ostdeutsche Besonderheiten
Im Gegensatz zur Bundesrepublik, die bereits kurz nach ihrer Gründung
ein Zuwanderungsgebiet war, war die DDR immer von Abwanderung
geprägt. Die Hauptsäule der Zuwanderung in die BRD bildete die
Arbeitskräftemigration, welche es in die DDR erst relativ kurz vor ihrem
Ende gab. Migration in die DDR erfolgte hauptsächlich aus politischen
Gründen, durch die Aufnahme von Flüchtlingen und durch die
Qualifizierung von Studenten und Lehrlingen. Die Herkunftsländer waren
dabei nach politischen Gesichtspunkten ausgesucht; zumeist um in den
Herkunftsländern sozialistische Strömungen zu unterstützen, etwa in Chile
oder Griechenland zu Zeiten des Bürgerkriegs.
Das hier vorliegende Gutachten erhebt keinen Anspruch auf
Vollständigkeit – es werden vor allem Schwerpunkte definiert und
herausgearbeitet. Zudem werden Möglichkeiten aufgezeigt, Integra-
tionsprozesse im Landkreis zu analysieren und zu begleiten.
10
Zuwanderung war zudem immer temporär konzipiert – eine öffentliche
Diskussion fand nicht statt. Mit der Vereinigung beider deutscher Staaten
wurde das bundesdeutsche Ausländerrecht auf die neuen Bundesländer
übertragen. Zuwanderung in die neuen Bundesländer erfolgt seit der
Vereinigung nun fast ausschließlich als Zuwanderung per Zuweisung –
Arbeitsmigration gibt es fast nicht. Dieser Prozess vollzieht sich nach dem
Wohnortzuweisungsgesetz nach dem drei Gruppen von Zuwanderern, die
nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel, zu einem bestimmten
Prozentsatz entsprechend der regionalen Gesamtbevölkerung auf alle
Bundesländer verteilt werden. Diese Gruppen setzen sich wie folgt
zusammen:
� Spätaussiedler/innen
� Jüdische Kontingentflüchtlinge aus den Nachfolgstaaten der
der Sowjetunion
� Asylbewerber und politische Flüchtlinge
Konsequenzen dieser Zuwanderung auf Zuweisung
Alle Gruppen sind zunächst auf öffentliche Transfergelder angewiesen.
Solange sie diesen Status besitzen, sind sie zudem verpflichtet, an dem
ihnen zugewiesenen Wohnort zu verbleiben. Sie bleiben zumeist sehr
lange von Transfergeldern abhängig, bedingt durch die schlechte Situation
auf dem Arbeitsmarkt. Die Zuwanderer wählen somit auch nicht freiwillig
ihren Wohnort – sondern kommen, weil sie keine andere Wahl haben.
Viele wandern in die alten Bundesländer ab, sobald es ihre ökonomische
Situation erlaubt, da die alten Bundesländer den Zuwanderern den Weg in
den Arbeitsmarkt erleichtern. Für die neuen Bundesländer bedeutet dies:
� Eine hohe Fluktuation der Zuwanderer
� Eine Abwanderung gerade derer, die aufgrund persönlicher Ressour-
cen (berufliche Qualifikationen, Sprachkenntnisse) bessere Chancen
auf dem (westdeutschen) Arbeitsmarkt haben (vgl. Weiss 2007).
11
1.2.1 Zahlen und Fakten
Rein quantitativ betrachtet ist die Zuwanderung in die neuen Bundes-
länder weitaus weniger ausgeprägt als in die alten Bundesländer. 2005
betrug der Anteil der nicht-deutschen Bevölkerung in der BRD 8,8 Prozent,
wobei einzelne Bundesländer wesentlich höhere Anteile aufweisen, etwa
Berlin mit 13,4 Prozent. In allen neuen Bundesländern lag der Anteil bei 2
Prozent, in Brandenburg waren es 2,7 Prozent1. Das bedeutet in absoluten
Zahlen 65.840 Personen (Stand 2007).
Die Zahlen variieren jedoch, wenn man die Anzahl jener Personen
hinzuzieht die über einen Migrationshintergrund2 verfügen – also in etwa
jene, bei denen mindestens ein Elternteil im Ausland geboren ist. Danach
sind es mehr als 20 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung – in den
neuen Bundesländern sind es 4,7 Prozent, in Brandenburg 6 Prozent.
Somit leben in Brandenburg ca. 132.600 Menschen, die über einen
Migrationshintergrund verfügen. Dabei sind 17 Prozent aller Personen mit
Migrationshintergrund in den neuen Bundesländern bereits in Deutschland
geboren, 34,6 Prozent leben länger als 10 Jahre hier.
Zusammensetzung der ausländischen Wohnbevölkerung
Die Zusammensetzung der ausländischen Wohnbevölkerung in den neuen
Bundesländern ist eine andere als in den alten. Staatsangehörige der
klassischen Anwerberländer der BRD sind fast nicht vertreten – hingegen
leben große Gruppen aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion in
Brandenburg. Des Weiteren ist die hohe Zahl der aus Vietnam
kommenden Menschen kennzeichnend für Ostdeutschland, also auch für
Brandenburg. Hierbei handelt es sich um ehemalige vietnamesische
Vertragsarbeiter und ihre inzwischen nachgezogenen Familienangehörige.
Die Spätaussiedler/innen
Gesondert zu erwähnen sind an dieser Stelle noch die Spätaus-
siedler/innen, die als deutsche Staatsangehörige nicht in entsprechenden
Statistiken auftauchen, welche migrationsbedingte Merkmale aufzeigen.
Dennoch sind die Aussiedler Zuwanderer/innen mit entsprechenden Inte-
grationsproblemen. Seit 1991 sind in Brandenburg 55.000 Spätaussiedler
aufgenommen worden, es gibt jedoch keine gesicherten Daten darüber,
1 Die kleine Brandenburg Statistik 2008: Amt für Statistik Berlin Brandenburg. 2 Die Aussagen zum Migrationshintergrund beziehen sich auf die Auswertung der Mikrozensusdaten des Jahres 2005.
12
wie viele von ihnen sich noch in Brandenburg aufhalten. Experten gehen
von einem Drittel bis zu der Hälfte bei dieser Gruppe von Zuwanderern
aus (vgl. Weiss 2007).
Abbildung 1: Ausländische Bevölkerung in Brandenbu rg nach Altersgruppen 2008.
Werte gerundet, Quelle: Statistisches Jahrbuch Brandenburg 2008 – Stand 31.12.2007.
Tabelle 1 : In Brandenburg lebende Ausländer nach Herkunftsland 2008.
Ausländer am 31.12. Einheit 1999 2003 2007 Europa 1000 34,8 33,2 30,0
darunter Polen 1000 7,5 8,2 6,4
Russ. Föderation 1000 2,6 4,2 4,1
Ukraine 1000 2,2 3,9 4,1
Türkei 1000 2,6 2,5 2,3
Afrika 1000 4,4 3,4 2,6
Amerika 1000 1,5 1,9 1,9
Asien 1000 11,2 12,6 10,8
darunter Vietnam 1000 5,9 5,4 4,4
Australien und Ozeanien 1000 0,1 0,1 0,1
Quelle: Die kleine Brandenburg-Statistik 2008.
1.2.2 Integrations- Politik und Konzepte in Brandenburg
Der Stellenwert von Zuwandererintegration in der Landespolitik
Der Bund, die Länder sowie zahlreiche Städte, Landkreise und Kommunen
diskutieren die Integration von Zuwanderern und stehen dabei auch im
Wettbewerb um die besten Ideen und Konzepte.
Die Aktivitäten des Landes Brandenburg diesbezüglich sind im nationalen
Vergleich dabei als recht ambitioniert zu bezeichnen. Neben Mecklenburg-
6%
13%
10%
71%
65 Jahre und älter
bis unter 18 Jahre
18 bis unter 25 Jahre
25 bis unter 65 Jahre
13
Vorpommern verfügt das Land Brandenburg als einziges ostdeutsches
Flächenland über ein landesweites Integrationskonzept. Bundesweit
betrachtet richten sich die Konzepte von Berlin und Brandenburg als
einzige mit einem eigenständigen Kapitel an Flüchtlinge und
Asylbewerber/innen. Was das Ergebnis an tatsächlicher konkreter
Integrationsförderung für die Betroffenen ist, bleibt bis zum jetzigen
Zeitpunkt jedoch offen (vgl. Ohlig 2007, Engelberts 2006).
Die Brandenburger Rahmenkonzeption
Die Konzeption hat den Auf- und Ausbau eines flächendeckenden,
bedarfsorientierten und den Prinzipien der Subsidiarität und Trägervielfalt
vor Ort verpflichteten Beratungsnetzes zum Ziel. Es soll niedrigschwellige
Beratungsangebote vorhalten und Beratungszugänge für Migrant/innen
öffnen, die interkulturelle Öffnung der Regeldienste und Institutionen
fördern und den spezifischen Gegebenheiten vor Ort angepasst werden
können.
Das Rahmenkonzept beschreibt ein Aufgaben- und Leistungsprofil der
Migrationsfachdienste und leitet davon ausgehend Anforderungen an ihre
Organisations- und Kooperationsstrukturen sowie an die Qualifikation der
Mitarbeiter/innen ab. Es soll einen Beitrag zur Verbesserung der
Zusammenarbeit vorhandener Beratungsangebote für Migrant/innen und
zur Stärkung ihrer Mittlerfunktion in die kommunale Regelversorgung und
Verwaltung leisten (MASGF 2009).
Definierte Schwerpunkte der Landesregierung
Im Zuge der Analyse der landesweiten Integrationsprozesse von
Zuwandern hat die Landesregierung im Wesentlichen vier Aspekte
herausgearbeitet, denen zukünftig mehr Aufmerksamkeit gewidmet
werden muss:
1. Zugewanderte werden als ökonomischer und kultureller Gewinn für die
Gesellschaft erlebt. Gerade angesichts der demografischen Entwicklung in
Brandenburg werden zukünftig vermehrt Arbeitskräfte nicht-deutscher
Herkunft gebraucht. Dieser Fakt betrifft sowohl die Bereiche einfacher
Tätigkeiten als auch den Bereich von Fach- und Führungskräften. Den
Bedarf an Saisonkräften in der Landwirtschaft zu decken, gilt schon nach
heutigen Maßstäben als zunehmend problematisch. Die Aufgabe der
Integration fremder Zuwanderinnen und Zuwanderer muss also auch als
Chance bei der Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz und
14
Gewalt begriffen werden. Die mit der Integration der Zugewanderten
verbundene Erweiterung der Erfahrungen und des Bewusstseins der
einheimischen Bevölkerung ist ein wesentlicher Beitrag zur Prävention
gegen Fremdenfeindlichkeit.
2. Andererseits ist festzustellen, dass die Zahl der aufgenommenen
Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und jüdischen Emigrantinnen und
Emigranten in den brandenburgischen Gemeinden durch die jährlichen
Neuzuwanderungen seit der Änderung des Wohnortzuweisungsgesetzes
1996 kontinuierlich steigen, während die objektiven Bedingungen der
Arbeitsmarktintegration in Brandenburg und den übrigen neuen Ländern
weiterhin ungünstig sind. Gleichzeitig haben sich die mitgebrachten
Integrationsvoraussetzungen, insbesondere im Hinblick auf Sprach-
kenntnisse und berufliche Qualifikation, in den letzten Jahren deutlich
verschlechtert. Auch die Eingliederung jugendlicher Spätaussiedlerinnen
und Spätaussiedler bzw. Familienangehöriger ist von wachsenden Sprach-
und Motivationsdefiziten gekennzeichnet, die verstärkte Anstrengungen
für die schulische Eingliederung und berufliche Ausbildung erfordern,
bevor erhöhte Kriminalität oder soziale Selbstdestruktion den sozialen
Frieden ernsthaft gefährden und zu deutlich höheren gesellschaftlichen
Kosten führen können.
3. In diesem Kontext darf die Situation der Zuwanderinnen und
Zuwanderer mit lediglich vorübergehendem Aufenthalt nicht außer Acht
bleiben. Dabei geht es weniger um ausländische Touristinnen und
Touristen, Besucherinnen und Besucher oder ausländische Studierende,
für die wir ebenfalls ein weltoffenes und fremdenfreundliches Klima brau-
chen. In erster Linie geht es um die Gruppe der Asylsuchenden und
Bürgerkriegsflüchtlinge, die mehrheitlich in ihr Herkunftsland zurück-
kehren müssen und insofern in die Integrationsmaßnahmen des Bundes
und der Länder nicht einbezogen sind. Gleichwohl verbringen sie oft Jahre
hier. Die Kinder unterliegen der Schulpflicht. Einige Asylsuchende leisten
gemeinnützige Arbeiten oder finden Arbeit auf dem Arbeitsmarkt. Kon-
takte mit Personen und Gruppen finden statt. Sie leben mitten unter uns
und nehmen bisweilen am gesellschaftlichen Leben teil. Deswegen ist es
wichtig, dass sie gesellschaftlich nicht diskriminiert oder geächtet werden
und Verständnis für ihre Situation geweckt wird, auch wenn die in den
meisten Fällen letztendlich gebotene Rückkehrpflicht im Interesse der
15
Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bürgerinnen und Bürger notwendig
ist.
4. Die bisher auch in Brandenburg deutlich ausgeprägte Tendenz zur
Delegation auf spezielle Fachdienste und Institutionen wie Übergangs-
wohnheime muss der Einsicht weichen, dass es sich um eine politische
Aufgabe handelt, die erfolgreich nur bewältigt werden kann, wenn Verant-
wortung nicht abgeschoben, sondern auf jeder Verantwortungsebene auch
persönlich wahrgenommen wird. Integration muss stärker als bisher als
gesamtgesellschaftliche Querschnittsaufgabe begriffen werden. Nur eine
möglichst breite, insbesondere kommunale Beschäftigung mit der
Integration der Zuwandernden durch die Auseinandersetzung mit der
Thematik, mit Motiven der Zuwandernden und durch persönliche Kontakte
kann den toleranten Umgang mit ihnen fördern.
Es ist daher Ziel der Landesregierung, den politischen und administrativen
Stellenwert, das Engagement und die Fachkompetenz der Verant-
wortlichen und damit die Effektivität der Zuwandererintegration,
rechtzeitig zu erhöhen. Diesem Ziel dient das Zuwandererintegrations-
konzept. Durch die verstärkte Thematisierung der staatlichen, kom-
munalen und gesellschaftlichen Integrationsaufgabe soll darüber hinaus
ein wichtiger Beitrag für mehr Verständnis und Toleranz gegenüber den
Zuwanderinnen und Zuwanderern, bei den mit der Aufgabe der
Integration befassten Menschen und der Bevölkerung des Landes erreicht
werden. Das Landesintegrationskonzept für Zugewanderte soll damit auch
gegen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt wirken und ist insofern als Teil des
Handlungskonzeptes "Tolerantes Brandenburg" der Landesregierung zu
verstehen (MASGF 2009).
Im Kontext des hier erstellten Gutachtens ist besonders hervorzuheben,
dass eine sich verschlechternde Integration von jungen Spätaussiedler-
/innen angemerkt wird. Dieser Punkt soll hier weiter verfolgt werden,
um schließlich zu versuchen, Ursachen und Lösungsmöglichkeiten
aufzuzeigen.
16
1.3 Zuwanderung im Landkreis Märkisch-Oderland
Gegenwärtig sind in der Ausländerbehörde des Landkreises 2620 (Stand
Juli 2009) Personen erfasst. Das Ausländerzentralregister weist die Zahl
der ausländischen Wohnbevölkerung im Landkreis mit 2442 (Stand
31.12.2008) aus. Die offizielle Statistik des Jahrbuches des Landes
Brandenburg weist eine absolute Zahl von 4173 Personen mit einer
ausländischen Herkunft für den Landkreis aus.
Es existieren somit drei Zahlen, wovon eine erheblich abweicht. Nach
Aussagen der entsprechenden Experten ist es naheliegend, dass die
Angaben aus dem Ausländerzentralregister bzw. die der Ausländerbehörde
des Landkreises der tatsächlichen Zahl der in MOL lebenden Ausländer am
nächsten kommen. Die erhebliche Abweichung zu den Angaben aus dem
statistischen Jahrbuch könnte sich folgendermaßen erklären:
Auskunftspflichtig gegenüber dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg
sind die entsprechenden Meldeämter; vermutlich sind die von dort
übermittelten Zahlen höher. Eine Ursache hierfür kann unter anderem
darin gesucht werden, dass sich nicht alle Personen nach dem Wegzug
abmelden würden.
Wenngleich die Angaben in Tabelle zwei zu hoch sind, gibt diese einen
Eindruck darüber, wie sich die ausländische Wohnbevölkerung auf die
entsprechenden Altersgruppen aufteilt.
Tabelle 2: Ausländische Bevölkerung nach Altersgruppen – LK MOL 2008.
MOL gesamt Bis unter 18 Jahre
18 bis unter 25 Jahre
25 bis unter 65 Jahre
65 Jahre und älter
4173 – 100% 501 – 12,00% 343 – 8,21% 3141 – 75,26% 188 – 4,50% Quelle: Statistisches Jahrbuch Brandenburg 2008.
Die Spätaussiedler/innen im Landkreis
Die folgenden Tabellen drei und vier geben einen Eindruck über die
räumliche Verteilung der der noch im Landkreis lebenden Spätaus-
siedler/innen. Sie veranschaulichen zudem die Aufteilung auf die Ge-
schlechter. Die Angaben entstammen aus den entsprechenden Melde-
ämtern.
17
Tabelle 3: Spätaussiedler/innen in ausgewählten Orten nach Alter – LK MOL 2008.
0-6 Jahre
7-14 Jahre
15-18 Jahre
19-30 Jahre
31-40 Jahre
41-50 Jahre
51-60 Jahre
60 plus
Bad
Freienwalde
1 10 8 15 19 27 15 17
Rüdersdorf 1 5 3 9 14 13 6 9
Seelow - 10 9 19 16 15 11 10
Strausberg 6 30 16 70 54 48 49 60
Wriezen 1 3 3 4 10 2 4 6
Neuharden-
berg
6 9 10 20 12 8 8 18
Quelle: Zuarbeit Landkreis MOL – Datenbasis der Meldebehörden.
Tabelle 4: Spätaussiedler/innen nach Geschlecht in ausgewählten Orten – LK MOL 2008.
Frauen Männer insgesamt
Bad
Freienwalde
57 55 112
Rüdersdorf 30 30 60
Seelow 52 38 90
Strausberg 157 176 333
Wriezen 18 15 33
Neuharden-
berg
47 41 88
Gesamt 716 Personen Quelle: Zuarbeit Landkreis MOL–Datenbasis der Meldebehörden.
Tabelle fünf weist auf die Entwicklung der ausländischen Wohnbevöl-
kerung hin – auch hier ist anzunehmen, dass die Zahlen zu hoch sind.
Dennoch ist ein Trend zu erkennen: Der Anteil der älteren ausländischen
Wohnbevölkerung im Landkreis nimmt stark zu – die Generation 65 plus
hat sich demnach nahezu verdreifacht. Hingegen ist der Anteil der Gruppe
18 bis unter 25 um ein gutes Drittel geschrumpft.
18
Tabelle 5: Entwicklung der ausländischen Bevölkerung im Landkreis 1998-2007.
0 -18 18 bis unter 25 25 bis unter 65 65 und älter 1998 516 490 2.735 60
1999 585 487 2.835 73 2000 499 457 2.696 77
2001 530 443 2.795 99
2002 549 441 2.946 114
2003 550 443 3.087 126 2004 548 426 3.052 141
2005 519 399 3.101 154
2006 514 385 3.130 167
2007 501 343 3.141 188 Quelle: Statistischer Jahresbericht Landkreis Märkisch-Oderland 2009.
Die Herkunftsländer
Insgesamt betrachtet leben im Landkreis Märkisch-Oderland Menschen
aus 76 verschiedenen Nationen. Die größte Gruppe bilden hierbei die
Polen, gefolgt von Bürgern der Russischen Föderation, Vietnam, der
Ukraine, der Türkei und Kasachstan.
Tabelle 6: Ausländische Wohnbevölkerung LK MOL nach ausgewählten Herkunftsländern.
Staatsangehörigkeit in % absolut (insgesamt 2442)
EU Staaten darunter:
37 904
Polen 439
Bulgarien 73
Niederlande 64
Österreich 44
Ungarn 38
EU Kandidatenländer darunter:
6 142
Türkei 122
Sonstiges Europa darunter:
25 621
Russische Föderation 228
Ukraine 198
Afrika darunter:
4 106
Kamerun 36
Asien darunter:
21 510
Vietnam 221
19
Staatsangehörigkeit in % absolut (insgesamt 2442)
Kasachstan 94
Amerika 4 92 Staatenlos 0,5 11 Ungeklärt und ohne
Angabe O,9 21
Quelle: Ausländerzentralregister – Stichtag 31.12.2008.
Aussagen zum rechtlichen Status der ausländischen Wohnbevölke-
rung
Genaue Aussagen zum rechtlichen Status lassen sich nicht detailliert
statistisch ermitteln, da hinsichtlich des rechtlichen Status zum einen noch
ältere Fälle nach dem bis zum Ende 2004 gültigen Ausländergesetz erfasst
sind und zum anderen aufgrund der EU-Erweiterung in den vergangenen
Jahren sich dieser geändert hat (Freizügigkeitsberechtigung). Auch ist ein
"Auszählen" anhand jeder einzelnen Akte, nicht ohne weiteres möglich.
Die folgenden Angaben beruhen daher auf Schätzungen. Vorwiegend
bildet die Niederlassungserlaubnis die Rechtsgrundlage für einen Aufent-
halt, daran anschließend die Aufenthaltserlaubnis und die Freizügig-
keitsberechtigung. Im Verhältnis zu diesen Aufenthaltstiteln bilden die
Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung), die
Aufenthaltsgestattung und das Visum einen eher geringen Anteil für einen
Aufenthalt (Zuarbeit LK MOL, Ausländerbehörde).
Tabelle 7: Eingebürgerte Personen im LK MOL 2000-2007 .
Eingebürgerte Personen gesamt
0 bis unter 18
18 bis unter 45
45 bis unter 60
60 und älter
2000 21 - 14 5 1
2001 21 4 15 2 0
2002 18 - 11 6 2
2003 10 - 7 3 -
2004 7 - 6 1 -
2005 11 - 8 3 -
2006 11 1 7 3 -
2007 18 * * * *
Quelle: Statistischer Jahresbericht Landkreis Märkisch-Oderland 2009.
20
1.3.1 Ein Rückblick - Integrationsnetzwerke in MOL
An dieser Stelle soll ein kurzer Rückblick zu bisher realisierten Inte-
grationsprojekten und zur Entwicklung der Lage der Zuwanderer im
Landkreis unternommen werden. Diesbezüglich werden zunächst die
Ergebnisse eines Fachtages dargestellt, der verschiedenste Problemlagen
der Zuwanderer in MOL thematisierte. Folgend soll der Umgang mit den
Problemlagen aufgezeigt werden.
Ergebnisse des 2. Integrationsfachtages vom 24.09.2003 in
Wriezen (Veranstaltet durch das Netzwerk für Toleranz und Integration)
Titel: „Integrationsprozesse bei Asylbewerbern – Herausforderung und
Vernetzung – Gemeinwesen und Fachdienste“
Der Schwerpunkt dieses Fachtages widmete sich der Analyse von
Lebenslagen der im Landkreis lebenden Asylbewerber/innen. Aus den
Erfahrungen der Beteiligten und aus den dokumentierten Wortmeldungen
der Asylbewerber/innen lässt sich ableiten, dass die Situation der
Asylbewerber/innen zum damaligen Zeitpunkt als verbesserungswürdig zu
bewerten war. Die konkreten Bedingungen in den Heimen wurden als
mangelhaft beschrieben (Zuteilung von Warmwasser, zu wenige
Kochmöglichkeiten etc.). Auch Aspekte, die auf die räumlichen Distanzen
im Landkreis abzielten, menschliche Kälte sowie Probleme mit der
schwierigen rechtlichen Situation wurden thematisiert.
Es zeigt sich, dass die Datenerfassung nicht einheitlich erfolgt. Auch das
Merkmal Migrationshintergrund wird auf der Ebene des Landkreises nicht
erfasst. Die Datenlage ist für die Intention des hier vorliegenden
Gutachtens daher nur begrenzt aussagekräftig. Insofern dies möglich ist,
werden differenziertere Daten in den einzelnen Kapiteln bereitgestellt.
21
Sprachbarrieren als große Hürde identifiziert
Die Möglichkeit die deutsche Sprache zu erlernen, konnte von den
Zuwanderern nicht wahrgenommen werden, da die Bildungsträger
außerhalb des Landkreises lagen und diese aufgrund der Residenzpflicht
nicht besucht werden konnten. Zum einen stellten sich die Sprachpro-
bleme vor allem beim Umgang mit der Verwaltung; es wurde in der
Verwaltung größtenteils kein Englisch gesprochen, Behördengänge
konnten größtenteils nur in Begleitung vorgenommen werden. Dieser
Sachverhalt geht einher mit einer mangelnden interkulturellen Öffnung
der Verwaltung und der Offenheit der Aufnahmegesellschaft, die vielfach
als nicht gegeben eingestuft wurde.
Es muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass der Spielraum des
Landkreises eingeschränkt war und ist – zum einen aufgrund von
Bundesgesetzen, etwa bei der Residenzpflicht und aufgrund der prekären
finanziellen Situation des Landkreises.
1.3.2 Der Runde Tisch Asyl
Als Konsequenz der Ergebnisse des 2. Integrationsfachtages wurde am
20.11. 2003 der „Runde Tisch Asyl“ gegründet. Ziel dieses
Zusammenschlusses war die Verbesserung der allgemeinen Lebens-
situation von Asylbewerber/innen und Geduldeten im Landkreis.
Die Treffen des rundes Tisches fanden Anlass bezogen statt – und
dementsprechend auch in verschiedenen Konstellationen. Tragende
Mitglieder waren Vertreter der Kirche, Akteure der Zivilgesellschaft,
Mitglieder des NTI, die Betreiber des Asylbewerberheimes sowie
Mitarbeiter/innen des Landkreises.
Die Arbeit des rundes Tisches sollte vor allem das Verständnis und die
Toleranz in der Bevölkerung gegenüber den Zuwanderern erhöhen, des
Weiteren sollte in Politik und Verwaltung auf die Situation der Zuwanderer
und Asylbewerber/innen aufmerksam gemacht werden. Schwerpunkte des
runden Tisches waren:
� Bargeld für die Asylbewerber/innen anstatt Chipkarten, Gutschei-
ne oder Sachleistungen
22
� Die Ausgabe und Erteilung von Krankenscheinen
� Arbeitsangelegenheiten und die Erteilung von Arbeitserlaubnissen
� Residenzpflicht
� Deutschkurse
� Fahrscheine
� Auszug aus dem Heim in eigene Wohnungen
� Leistungskürzungen
Angedacht war zudem, eine Interessenvertretung bzw. einen Sprecherrat
der Asylbewerber/innen zu gründen. Dieses Vorhaben konnte jedoch nicht
realisiert werden. Gründe hierfür waren: zu unterschiedliche Erwartungen,
zu wenige Kontakte unter den Flüchtlingen und keine sichtbaren schnellen
Veränderungen. Einzelfälle sollten zudem nicht am Runden Tisch geklärt
werden.
Im weiteren Verlauf begleiteten die Mitglieder des Rundes Tisch Asyl den
Umzug des Asylbewerberheimes von Kunersdorf nach Waldsieversdorf und
schließlich nach Garzau, somit wurde die räumliche Distanz verringert.
Garzau liegt recht nahe am Verpflechtungsraum zu Berlin und verfügt
über eine Anbindung an den ÖPNV.
Zukünftige Schwerpunkte der Arbeit
Nachdem im Jahr 2007 die Chipkartenzahlung, durch das Engagement des
runden Tisches, gegen eine reguläre Zahlung von Bargeld ersetzt wurde,
wollen sich die Mitglieder des Rundes Tisches in Zukunft vermehrt für
folgende Themen einsetzen:
� Verbesserung der Unterbringung im Heim und insbesondere der
Kinder
� Betreuung und Beratung vor Ort
� Verbesserung der Transparenz seitens des Trägers und des
Landkreises
� Einbeziehung der Flüchtlinge in verschiedenen Projekte
� Residenzpflicht, Krankenscheine, Fahrtkosten, Arbeitserlaubnis
Bei der Betrachtung der Problemlagen zeigt sich, dass einiges erreicht
wurde, etwa die Abschaffung der Chipkarten und der Umzug des Heimes
in eine Berlin nahe Region – viele Problemlagen bestehen jedoch weiter-
hin.
23
1.3.3 Das Netzwerk MOL Ost
Das Netzwerk MOL Ost hat sich im Jahr 2000 gegründet. Anlass zur
Gründung des Netzwerkes war die steigende Zahl der Spätaus-
siedler/innen im Landkreis. Die Integration dieser Gruppe von Zuwan-
derern sollte befördert werden. Besonders im Osten des Landkreises, auch
aufgrund des Aufnahmenheimes in Lietzen, lebten dort viele Menschen
dieser Personengruppe. Hauptakteure des Netzwerkes waren der
gemeinnützige Verein Lietzen e.V., Herr Augustin vom Jugendmi-
grationsdienst MOL, Herr Sauer von FAZIT, der Sozialpark MOL e.V. und
das Sozialamt des Landkreises. Die Treffen des Netzwerkes fanden einmal
im Quartal statt.
Da die Zahl der ankommenden Spätaussiedler/innen stark
zurückgegangen ist, wurde das Heim in Lietzen geschlossen; dem zur
Folge verringerte sich auch die Zuwanderung der Spätaussiedler/innen.
Die Aufgaben des Netzwerkes MOL Ost werden seit Herbst 2008 vom
Netzwerk für Toleranz und Integration weiterverfolgt.
1.3.4 Die Arbeit des Netzwerkes für Toleranz und Integration
Am 15. Mai 2000 gründete sich das Netzwerk für Toleranz und Integration
(NTI), angestoßen wurde dieser Prozess vom Kreis- Kinder- und
Jugendring MOL. e.V. (KKJR). Ziel war es, die Toleranz- und Demokra-
tieentwicklung im Landkreis zu befördern sowie Vereine, Träger der
Wohlfahrtspflege aber auch Privatpersonen, die diesbezüglich engagiert
waren, zu vernetzen.
Eine Unterstützung erfolgte durch das Mobile Beratungsteam (MBT) und
die Ausländerbeauftragte des Landkreises. Die ersten Treffen fanden
monatlich statt – die Arbeitsweise und thematische Schwerpunkte wurden
vereinbart. Eine erste finanzielle Unterstützung erfolgte durch das Bundes-
programm Civitas, diese wurde später auf eine Personalfinanzierung, im
Rahmen einer halben Stelle, aufgestockt.
Die konkrete Arbeit vor Ort
Vom Netzwerk wurde eine erste Übersicht erarbeitet, die den
Zuwanderern im Landkreis eine Hilfestellung bei der Orientierung bieten
sollte, Fachdienste und Ansprechpartner/innen wurden so gebündelt. Es
24
folgten weitere Aktionen mir den Bewohnern des Asylbewerberheimes,
etwa Fahrten durch den Landkreis und die Errichtung eines Spielplatzes
am Heim. Im weiteren Verlauf wurde der Integrationsfachtag initiiert, der
sich im Laufe der Zeit zu einer festen Größe etabliert hat und alljährlich
Problemlagen im Landkreis aufzeigt und zur Diskussion stellt.
Die Arbeitsweise des NTI hat sich dahin gehend entwickelt, dass die
Treffen nun einmal im Quartal stattfinden, kombiniert mit Weiterbildungen
etwa zu Themen wie der aktuellen Entwicklung von Rechtsextremismus
und Fremdenfeindlichkeit. Das NTI hat sich zu einem festen Netzwerk
etabliert - bei den Treffen finden sich ca. 30 Engagierte ein. Der gesamte
Kreis umfasst ca. 60 Personen. Die Netzwerktreffen haben auch die
Kontakte unter den Beteiligten befördert – aus der Plattform heraus
entstanden und entstehen Synergien, die sich verstetigen.
zukünftige Arbeitsfelder
Vor allem gemeinsame Aktionen mit den Bewohner/innen des Asylbewer-
berheimes – und zur Verbesserung ihrer Lebenssituation in MOL - gilt es
zukünftig noch stärker in den Fokus zu nehmen. Viele Problemlagen
diesbezüglich wurden bereits im vorangehenden Kapitel erörtert. Zudem
gilt es die Arbeit mit den Schüler/innen und Schülern zu verstärken –
Kompetenzen und Fähigkeiten die Toleranz und Demokratie befördern in
die Schule hinzutragen (Zuarbeit Netzwerkkoordinatorin).
Netzwerkkoordination:
KKJR MOL e.V.
Feldstr.3 15306 Seelow
25
2. Forschungsstand und Begriffsbestimmungen
Das folgende Kapitel zielt darauf ab, sich dem Begriff der Integration zu
nähern und einige zentrale Begriffe sowie deren Stellenwert für das
folgende Gutachten zu bestimmen. Denn besonders empirische Arbeiten,
in die sich die hier Vorliegende einreit, müssen mit definitorisch genauen
Abgrenzungen arbeiten, um präzise Aussagen treffen zu können und
gegebenenfalls eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten.
2.1 Gruppen von Zugewanderten
Eine genaue definitorische Abgrenzung von Gruppen Zugewanderter ist in
erster Linie vonnöten, um statistische Aussagen treffen zu können. Die
laufende deutsche Statistik kennt jedoch weder den Begriff Ein- noch
Zuwanderer. Sie operiert mit der Begriffsdichotomie Ausländer vs.
Deutsche – erhebt also das Kriterium der Staatsangehörigkeit. Die
Kategorie wird demnach nicht nach dem Faktum der Einwanderung oder
der Herkunft aus einer eingewanderten Familie gezogen. Bei der Bewer-
tung von Integrationsprozessen verschiedener Zuwanderergruppen er-
weist sich diese Handhabung als problematisch, da eine differenzierte
Betrachtung mittels statistischer Daten nur begrenzt möglich ist.
Folgend sollen die zentralen Gruppen von Zugewanderten aufgeführt
werden (vgl. Ohliger 2007, Diefenbach&Weiß 2006):
1. Der Begriff Ausländerinnen und Ausländer ist ein juristischer Begriff,
der definiert, dass ein Mensch keine deutsche Staatsangehörigkeit hat.
Der Begriff sagt nichts aus über die Verweildauer in Deutschland aus
(auch über mehrere Generationen).
2. Mit der Zuwanderungskommission der Bundesregierung werden unter
"Zuwanderung" alle Arten der Migration verstanden, auch diejenigen, die
nur vorübergehenden Charakter haben.
3. Von "Einwanderung" wird nur dann gesprochen, wenn ausdrücklich die
dauerhafte Niederlassung in Deutschland gemeint ist.
26
4. Der Begriff Migrantin und Migrant ist der Überbegriff für alle Menschen,
die zugewandert sind, sei es durch Aus- und Übersiedlung,
Arbeitsmigration, Familiennachzug oder Flucht.
5. Der Begriff Menschen mit Migrationshintergrund umfasst sowohl
Migrantinnen und Migranten als auch Menschen, deren Eltern zugewandert
sind, sowie Kinder aus binationalen Partnerschaften.
6. Der Begriff der Aussiedlerinnen und Aussiedler umfasst ca. drei bis vier
Millionen Einwanderer, die als Angehörige des deutschen Volkes unter
privilegierten Bedingungen einwandern konnten, mit der Einwanderung
eingebürgert wurden und somit niemals in der Kategorie der Ausländer
auftauchten.
Um künftig eine aussagekräftige Integrationsberichterstattung zu gewähr-
leisten, ist der Stand der Diskussion, dahin gehend den Begriff Menschen
mit Migrationshintergrund zu verwenden. Vor allem unter dem Aspekt,
dass der Begriff Ausländer als statistische Kategorie und somit als
Planungs-, Analyse- und Politikgröße mehr und mehr untauglich wird. Der
Begriff Menschen mit Migrationshintergrund umfasst umgangssprachlich
alle Einwanderer, solange diese nicht vollständig integriert sind oder
sichtbar als Fremde wahrgenommen werden. Das Problem mit diesem
recht neuen Begriff ist, dass er keine definitorische Trennschärfe besitzt -
somit also in Politik, Verwaltung und Wissenschaft keine Anwendung
finden kann.
Ein erster Versuch wurde mit der Auswertung der Mikrozenzusdaten des
Jahres 2005 vollzogen, wo der Begriff definiert und angewandt wurde.
Einbezogen wurden alle Personen nicht deutscher Staatsangehörigkeit
aber auch eingewanderte Personen, deren Kinder bereits eingebürgert
sind. Demnach leben in Deutschland 15,3 Millionen Menschen mit
Migrationshintergrund – also fast 19 Prozent. Dies ist ein deutlicher
Unterschied zu den nur neun Prozent Ausländerinnen und Ausländern (vgl.
Ohliger 2007).
27
2.2 Integration und Zuwanderung
Allgemein betrachtet steht der Begriff der Integration für die Einheit eines
Sozialsystems, geschaffen durch verbindliche Festlegung der Position der
verschiedenen Elemente und die Definition ihrer Beziehung untereinander.
Diese Definition geschieht nach den Prinzipien der Eindeutigkeit und
Konfliktfreiheit. Die Integration eines Elements ist vollzogen, wenn seine
Stellung sowohl in der vertikalen Dimension einer Gesellschaft (Status im
Schichtsystem) wie auch auf der horizontalen Dimension (Rolle im
System) der Arbeitsteilung festgelegt ist und sowohl von ihm als auch von
den anderen Elementen des Systems akzeptiert wird (Lexikon zur
Soziologie 1995:303).
Wenngleich diese soziologisch ausgerichtete Definition des Integrations-
begriffes recht statisch wirkt, zeigt sie doch die wesentlichen analytischen
Elemente auf, die auch weitere definitorische Annährungen verwenden, in
Bezug auf Integration von Zuwanderern.
Ein kurzer politischer Exkurs
Der Diskurs um erfolgreiche Integration von Zuwanderern in Deutschland
ist relativ jung – historisch betrachtet würde man die Deutschen sicherlich
eher als eine Auswanderer- als eine Einwanderungsgesellschaft betrach-
ten. Vielleicht ist diese Tatsache auch ein Grund dafür, dass sich die
Politik, aber auch viele Teile der Gesellschaft erst recht spät dieses
Themas annahmen.
Wenngleich man zunächst mit einer Beschränkung der Zuwanderung
reagierte, als die Zuwanderung zwischen 1989 und 1993 ca. 2,4 Millionen
Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit betrug (sowohl
Flüchtlinge aus der ehemaligen DDR bis 1990 als auch Aussiedler/innen
und Asylbewerber/innen). Eine Wanderungsbewegung, die 3,2 Prozent der
Gesamtbevölkerung ausmachte. In absoluten Zahlen betrachtet hat
Insoweit der analytische Rahmen dieser Arbeit eine genaue definito-
rische Abgrenzung verlangt, werden die entsprechenden Begriffe so
verwandt. Geht es um die Betrachtung von Integrationsprozessen aller
Gruppen wird der Begriff Zuwanderer bzw. Zugewanderte gebraucht.
28
Deutschland in der Zeit von 1987 bis 2001 sogar mehr Zuwanderer
aufgenommen als die klassischen Zuwanderungsstaaten Kanada und
Australien zusammen.
Erst im Jahr 1991 wurde ein Paradigmenwechsel vollzogen, als die
amtierende Regierung aus CDU und FDP, die Formel „Deutschland ist kein
Einwanderungsland“ aus dem Dresdner Manifest strich.
Mittlerweile besteht ein politisches Verständnis über den Zusammenhang
von rechtsextremer Gewalt und der Herausforderung der Integration von
Menschen mit Migrationshintergrund. Aus gesamtdeutscher Perspektive
betrachtet sind an dieser Stelle noch die Änderung des Staatsan-
gehörigkeitsgesetzes (2003) und die Schaffung eines Zuwanderungs-
gesetzes (2005) zu erwähnen, welche in ihrer politischen Symbolik vor
allem eine Kehrtwende durch alle politischen Lager hinweg darstellten.
Seit 2007 liegt nun ein umfassender bundesweiter Maßnahmenkatalog zur
Integration von zugewanderten Personen und deren Nachkommen vor;
herausgegeben von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration,
Flüchtlinge und Integration. (vgl. Lamontain 2007; Damelang, Steinhardt
2008).
Die Definition von Integration in der Einwanderungs- und Inte-
grationsdabatte
Eine genaue Begriffsbestimmung von Integration innerhalb der deutschen
Einwanderungs- und Integrationsdebatte ist nicht existent – teils auch
strittig. Konsens scheint darüber zu herrschen, dass die Integration von
Zuwanderern gut und notwendig ist, sowohl von den Zuwanderern als
auch von der Aufnahmegesellschaft. Dies ist eine stark normativ gefärbte
Sichtweise und ist somit für analytische Arbeiten weitestgehend un-
brauchbar.
Dissens besteht vor allem in der Frage, wie sich der Begriff Integration zu
den Begriffen Assimilation auf der einen Seite und multikulturelle
Gesellschaft auf der anderen Seite verhält (Ohliger: 20). Politische und
rechtliche Diskussionen haben jedoch gezeigt, dass vor allem die Bereiche
Arbeit, Bildung und Sprache als die vordringlichsten angesehen werden
können. Inwieweit andere Bereiche wie etwa politische Partizipation,
Einbeziehung in die Zivilgesellschaft, Kultur, Religion oder demografische
Aspekte eine Rolle spielen ist noch nicht geklärt. Ein greifbares Modell
bietet der Ansatz des Bamberger Soziologen Friedrich Heckmann. Er
unterscheidet vier analytische Ebenen:
29
1. Strukturelle Integration bezeichnet einen Prozess, in dem Zuwandernde
einen Mitgliedsstatus in der Aufnahmegesellschaft erwerben und Zugang
zu zentralen Institutionen wie den Arbeitsmarkt oder das Bildungssystem
sowie gleichberechtigte Chancen erreichen.
2. Kulturelle Integration oder Akkulturation beinhaltet kognitiv kulturelle
Lern- und Sozialisationsprozesse in erster Linie bei den Zugewanderten
aber in zweiter Linie auch aufseiten der Aufnahmegesellschaft. Dies ist
notwendig für die Teilnahme und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
3. Soziale Integration bedeutet die gesellschaftliche Mitgliedschaft im
privaten Bereich durch Teilnahme und Akzeptanz bei sozialen Aktivitäten
und umfasst somit den Bereich sozialer Beziehungen wie Partnerwahl,
Freundeskreis und Vereinsmitgliedschaften.
4. Identifikatorische Integration umfasst die gesellschaftliche Zugehörig-
keit durch Identifikation mit ethnischen, nationalen, regionalen und/oder
lokalen Strukturen der Aufnahmegesellschaft (vgl. Ohliger 2007, MASGF
2009).
Die hier vorliegende Arbeit wird sich analytisch/empirisch weitestgehend
am Modell von Heckmann orientieren, da sich auf Basis dessen auch eine
empirische Übersetzung realisieren lässt. Zudem besteht auf politischer
und wissenschaftlicher Ebene weitestgehend Konsens über den Gebrauch
des Modells.
30
2.3 Zur Messung von Integrationserfolgen
„Das Fehlen von Indikatoren zur Integrationsmessung steht pars pro toto
für das Versagen des Staates und der Politik der letzen 20 Jahre bei der
Entwicklung eines ganzheitlichen Integrationskonzeptes. Obwohl es
zahlreiche Diskussionen über Staatsangehörigkeit, Zuwanderung und
Integrationsfragen gegeben hat, können wir bis heute kein kohärentes
Integrationskonzept vorweisen, das alle staatlichen Ebenen und alle
Querschnittsbereiche der Politik umfasst“ (Zitat Peter Altmaier, parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Inneren)
Nachdem sich die Politik zunehmend dazu bekennt, dass Zuwanderung mit
einer anschließenden erfolgreichen Integration gut und notwendig ist, geht
es nun darum, diesen Prozess adäquat zu begleiten. Dabei stellt sich vor
allem die Frage: Wie lässt sich Integration von Zuwanderern messen? Betrachtet man die einschlägige Literatur, Studien und Diskussionen
diesbezüglich, so stellt man fest, dass Bewegung in den Prozess
gekommen ist. Es besteht weitestgehend Konsens über das Ziel,
Integrationsprozesse zukünftig besser zu analysieren und begleiten zu
können. Sicherlich auch vor dem Hintergrund, dass eine gescheiterte
Integration gesellschaftliche, aber auch ökonomische Schäden sowie
soziale Zerwürfnisse verursacht.
2.4 Die Notwendigkeit einer Reform der Datenerfassung
Als ersten Schritt hin zu einer Verlaufs- und Erfolgskontrolle im Bereich
der Integration von Migrantinnen und Migranten sollte nach der Ansicht
vieler Experten eine Reform der Datenerhebung stehen. Der Mikrozensus
2005 hat erstmals Daten zum Migrationshintergrund erhoben; diese Daten
zeigen, dass die Fokussierung auf Staatsangehörigkeit der Realität in
Deutschland nicht mehr gerecht wird. So lassen diese Daten keine
genauen Aussagen über Integrationserfolge eingebürgerter Migranten
oder zugewanderter Aussiedler mit deutschem Pass zu. Daher kommt es
zukünftig darauf an, eine differenzierte Datenerhebung und eine einheit-
liche Definition von „Migrationshintergrund“ zu erarbeiten (vgl. Piening
2007).
Der Integrationsbeauftragte der Stadt Berlin Günter Piening weist mit
seinen Ausführungen auf die zentralen Arbeitsfelder hin, um einen einheit-
31
lichen Weg zu einem Integrationsmonitoring zu eröffnen. Im Zuge des
transnationalen Projektes Indikatoren für die Zuwandererintegration
wurden vielfältige analytische Wege erörtert, auf die sich teilweise auch
das hier vorliegende Gutachten stützt.
2.5 Definition des Begriffs Personen mit Migrationshinter-
grund
Wie bereits erwähnt, wurde bei der Mikrozensuserhebung 2005 erstmals
das Merkmal Migrationshintergrund erfasst. Einbezogen wurden alle
Personen nicht deutscher Staatsangehörigkeit, aber auch eingewanderte
Personen und deren Kinder, die bereits eingebürgert sind - gut die Hälfte
aller Personen mit Migrationshintergrund hat demnach einen deutschen
Pass.
Die Auswahl bzw. die Gliederung nach Prioritäten von Parametern bedarf
der Diskussion mit der Verwaltung, aber auch der Statistik bzw. den Daten
erhebenden statistischen Ämtern. Wo immer die Möglichkeit besteht,
sollten die Indikatoren in einem Vergleich mit Daten für Personen ohne
Migrationshintergrund gesetzt werden, um so eine stärkere Aussagekraft
zu erhalten (vgl. Ohliger 2007).
Definition Migrationshintergrund - Mikrozensus (Definition Bund):
1. Zugewanderte seit 1.1.1950
2. Ausländer/innen
3. Eingebürgerte
4. Kinder mit mindestens einem zugewanderten, ausländischen oder
eingebürgerten Elternteil
32
Datenerhebung durch den Mikrozensus 2005
Datengrundlage für den LK MOL
Für den Landkreis Märkisch-Oderland lassen sich aufgrund der kleinen
Stichprobe des Mikrozensus keine Aussagen treffen. Es empfiehlt sich
daher, die verfügbaren Mikrozensusdaten für das Land Brandenburg
heranzuziehen, um daraus Schlussfolgerungen für den Landkreis
abzuleiten.
Im Bereich von Statistiken im Bildungsbereich sowie bei Statistiken, die
Auskunft über die Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen geben, wird
zum Teil das Merkmal Migrationshintergrund geführt. Doch auch hier ist
die Merkmalsführung nicht einheitlich - dennoch lassen sich aus diesen
Daten aufschlussreiche Informationen gewinnen, die auch Aussagen auf
Landkreisebene zulassen (dazu vertiefend Kapitel3.2.2).
• Staatsangehörigkeit,
• Geburtsort in Deutschland oder außerhalb,
• Zuzugsjahr,
• Einbürgerung,
• Staatsangehörigkeit, Einbürgerung und Geburtsort beider Eltern sowie
• für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die mit ihren Eltern in
einem gemeinsamen Haushalt leben, analoge Angaben zu den
Großeltern.
Mit dem Mikrozensus 2005 kann damit zum ersten Mal sowohl die
Differenzierung der Zuwanderungskonstellationen nach der individuellen
und familialen Migrationserfahrung (1. oder 2. bzw. 3. Generation) sowie
dem rechtlichen Status (deutsch vs. nichtdeutsch) vorgenommen
werden. Diese beiden Kriterien sind für die Integration insofern von
vorrangiger Bedeutung, als der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit
mit politischen Teilhaberechten eine höhere Stabilität auch im sozialen
Status vermitteln kann und die Migrationserfahrung darüber Auskunft
gibt, inwieweit der außerfamiliale soziale und kulturelle Kontext noch
vom Herkunfts- oder schon vom Aufnahmeland geprägt worden ist.
33
Tabelle 8: Merkmalsführung in Bildungsstatistiken.
Schulstatistik (Kerndatensatz KDS)
Kinder und Jugendhilfegesetz (KJHG)
1. Staatsangehörigkeit
2. Geburtsland
3. Zuzugsjahr und
4. Verkehrssprache in der Familie
1.Ausländische Herkunft mindestens eines
Elternteils (nicht: Staatsangehörigkeit)
2. In der Familie vorrangig gesprochene Spra-
che, deutsch ja/nein
Quelle: Zuarbeit MASGF.
2.6 Diskussion und Ausblick
Die vorangestellten Kapitel haben gezeigt, dass die Diskussion um eine
gelungene Integration von Zuwanderinnen und Zuwandern sehr viel-
schichtig ist. Es gibt nicht die „Zuwanderung“ – demzufolge auch keine
Universallösungen für die Integrationsarbeit. Konkurrierende Integrations-
konzepte vor allem zwischen den bundesdeutschen Großstädten zeigen
Wege auf, welche Konzepte besonders erfolgreich sind. Bei den
ostdeutschen Bundesländern steigt die Relevanz erfolgreicher Integra-
tionskonzepte, wenngleich hier vor allem Erfahrungswerte fehlen, auch
aufgrund der Tatsache, dass dort zahlenmäßig wesentlich weniger
Zuwanderer leben als in den westdeutschen Bundesländern. Dies sollte
jedoch nicht als Argument angeführt werden, die Thematik zu
marginalisieren. Es sollte vielmehr darum gehen, Zuwanderung als
Bereicherung sowie als Potenzial zu betrachten.
Regionale Ansätze stärken
Bei allen Differenzen haben die Konzepte gemeinsam, dass sie die
Notwendigkeit regionalspezifischer Ansätze betonen und die Bedeutung
von Bildung und Sprache herausstellen, die Arbeitsmarktpartizipation als
zentrale Integrationsvoraussetzung verstehen und die Potenziale kulturel-
ler Vielfalt fördern möchten. Wenngleich die Einflussmöglichkeiten für
Städte und Landkreise im Bereich Bildung und Arbeitsmarkt aufgrund der
gegebenen Kompetenzverteilung gewissen Einschränkungen unterliegen.
Dennoch gibt es zahlreiche Einflussmöglichkeiten im Bereich Bildung und
Arbeitsmarktzugang, im Fokus dieser Maßnahmen liegt die Sprach- und
Bildungsförderung sowie die Verbesserung des Arbeitsmarktzuganges (vgl.
Damleling&Steinhardt 2008).
34
Tabelle 9: Beispiele regionaler Integrationsmaßnahmen.
Bildung Arbeitsmarkt Sprachkurse für Neu- und Altzuwanderer Individuelle Berufsberatung und
Qualifizierungsprogramme für Jugendliche
mit Migrationshintergrund
Vorschulische Sprach- und
Bildungsförderung in
Kindertageseinrichtungen
Unterstützung bei der Suche nach
Ausbildungsstellen
Aktive Einbindung der Eltern durch
Sprachkurse und Seminare
Schaffung zusätzlicher Ausbildungsstellen
bei Unternehmen mit
Migrationshintergrund
Erweiterung der interkulturellen
Kompetenz
Förderung selbstständiger Tätigkeiten
ehrenamtliche Lernbegleiter Interkulturelle Öffnung und Ausrichtung
der Verwaltung und öffentlicher Dienste
Quelle: Integrationskonzepte der Städte – in Dameling und Steinhardt 2008.
35
3. Empirischer Teil des Gutachtens
Das folgende Kapitel bildet den analytischen Kern dieses Gutachtens.
Zunächst werden einige Aussagen zur Durchführung des Forschungs-
prozesses getroffen. Bei den hier verwandten, vorrangig qualitativen
Verfahren, ein entscheidender Schritt, um die Bestimmung der
„Stichprobe“ nachvollziehbar zu machen. Des Weiteren werden die
Analyseebenen bestimmt, die schließlich das Erkenntnisinteresse bilden.
Daraufhin erfolgt die Auswertung der empirischen Ergebnisse,
entsprechend der zuvor bestimmten Analyseebenen.
3.1 Bestimmung der Analyseebenen
Die Auswahl der Analyseebenen setzt unmittelbar an die in Kapitel zwei
angestellten Überlegungen und Ausführungen an. Zudem soll die Wahl der
Indikatoren besonders auf Aspekte, die Jugendliche Zuwanderer/innen
betreffen, fokussieren.
Im Wesentlichen wurden die Analyseebenen und die entsprechenden
Indikatoren in Anlehnung an zwei Publikationen getroffen, welche als
maßgebend in der aktuellen Debatte um die Bewertung und Messung von
Integrationserfolgen einzustufen sind.
1. Berliner Beiträge zur Messung von Integration und Migration
- Indikatoren zur Messung von Integrationserfolgen
Diese hier oft zitierte Publikation ist das Ergebnis des transnationalen
Projektes „Indikatoren für die Zuwandererintegration“ und wurde von der
Berliner Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales heraus-
gegeben. Das Projekt ist von dem EU-Finanzierungsprogramm „INTI -
Integration von Drittstaatsangehörigen“ gefördert worden. Neben Aspek-
ten der Datenerfassung von Migrationshintergründen erörtern die Autoren
spezifische Indikatoren zur Messung von Integrationserfolgen, etwa im
Bereich der Stadtentwicklung. Vertiefend gehen die Autoren auch auf den
Bildungsbereich ein, um diesbezüglich Ziele und Indikatoren für eine
Integration durch Bildung zu bestimmen. Die folgenden Analyseebenen,
36
die diesen Bereich betreffen, orientieren sich weitestgehend an den dort
bestimmten Indikatoren.
2. Gutachten “Menschen mit Migrationshintergrund Datenerfassung“ für
die Integrationsberichterstattung“
Dieses Gutachten wurde im Auftrag der Stelle für interkulturelle Arbeit,
des Sozialreferats und des statistischen Amtes der Landeshauptstadt
München von Heike Diefenbach und Anja Weiß verfasst. Auch diese Arbeit
wurde mit der Intention erstellt, die Integration von Menschen mit
Migrationshintergrund darzustellen und zu fördern. Neben den „harten
Faktoren“ wie Spracherwerb, Bildung und der arbeitsmarktlichen
Integration versuchen die Autorinnen, einen Schritt weiter zu gehen. Es
werden Überlegungen angestellt, auch Aspekte von Kultur und Identität,
Diskriminierungserfahrungen und der Offenheit der Aufnahmegesellschaft
zu berücksichtigen. Ausgehend von dem hier verwandten Integrations-
konzept fügen sich diese Betrachtungsweisen sehr geeignet in das hier
vorliegende Gutachten ein.
3.2. Operationalisierung und Forschungspraxis
Die folgende Abbildung fasst die Analyseebenen zusammen und veran-
schaulicht, inwieweit die bestimmten Indikatoren in eine empirische
Übersetzung münden.
Dimension Indikator Methodisches Vorgehen Bildung Frühbildung:
Bildungsbeteiligung in den
ersten Lebensjahren (Anteil
der Kinder mit Migrations-
hintergrund in Kitas)
Sprachkenntnisse: Erwerb und
Förderung der Sprache, Zwei-
sprachigkeit
Schule: Anteil von Kindern mit
Zuwanderungsgeschichten an
den jeweiligen Schulformen,
Statistiken des Schul-
ministeriums Brandenburg,
Bundesamt für Statistik Berlin-
Brandenburg
Experteninterviews:
Lehrer/innen, Jobcenter,
Träger von Sprach- und
Integrationskursen,
Kindertagesbetreuung
37
Dimension Indikator Methodisches Vorgehen Schulabschlüsse und Chancen-
gleichheit Ausbildung: welche
Chancen haben Jugendliche
mit Migrationshintergrund auf
dem Arbeits- und Ausbildungs-
markt
Allgemein: Kooperation
zwischen den verschiedenen
Bildungseinrichtungen
Fragebögen
Sichtweisen und Problemlagen
aus Sicht der Migrantinnen und
Migranten
Soziales Leben
Zivilgesellschaft
soziale Integration: Kontakte
zwischen Zuwanderern und der
Aufnahme-Gesellschaft, inter-
ethnische/monoethnische
Freundeskreise, die Rolle der
Familie in Bezug auf Bildungs-
entscheidungen, Migrations-
status in Bezug auf die
Gleichheit von Lebenschancen
und Lebensverhältnissen, Ein-
bürgerungsraten, Mitglied-
schaft in Vereinen Verbänden
oder ähnlichen Formen sozialer
Vergemeinschaftung
Fragebögen
Experteninterviews
Sozialstruktur -
Demografie
Wohnumfeld-Situation:
interethnische Segregation,
räumliche Verteilung im Land-
kreis
Arbeit: Arbeitslosen- und
Sozialhilfequoten
Statistische Ämter
Experteninterviews
Fragebögen
Kultur/Identität Zugehörigkeitsgefühl zur Auf-
nahmegesellschaft: kulturelle
Orientierung auf die Herkunfts-
bzw. Aufnahmegesellschaft
Interviews/Fragebögen
Experteninterviews
Offenheit der
Aufnahmegesell-
schaft
Offenheit als Einstellung
gegenüber den „Neuen“: Nicht-
Diskriminierung in Institution-
en und im sozialen Verkehr,
die Bereitschaft Potenziale der
Zuwanderer zu nutzen
Interviews/Fragebögen
Experteninterviews
Potenzialanalysen
Diskriminierungs-
erfahrungen
verbale und körperliche
Übergriffe, Sicherheitsempfin-
den, Diskriminierung durch
öffentliche Behörden etc.
Fragebögen, Experten-
interviews
Statistiken
38
Die Fragebögen
Die im Rahmen dieses Gutachtens verwandten Fragebögen wurden von
Jugendlichen im Alter zwischen 18 und 27 Jahren aus MOL, die über einen
Migrationshintergrund verfügen, ausgefüllt. Zum einen wurden die
Jugendlichen über den Jugendmigrationsdienst erreicht, zum anderen über
das SBSW-Bildungswerk, das Träger von Integrationskursen im Landkreis
ist. Erreicht wurden 23 Jugendliche, die der Gruppe der Spätaus-
siedler/innen zuzuordnen sind bzw. Zuwanderern aus dem Gebiet der
ehemaligen Sowjetunion. Ein Zugang zu weiteren Jugendlichen konnte im
Rahmen des Gutachtens leider nicht realisiert werden. Die getätigten
Aussagen bilden dennoch eine wertvolle inhaltliche Komponente des
Gutachtens - vor allem die Aspekte der Identität, der sozialen Lage und
der Freizeitgestaltung betreffend.
3.2.1 Soziale Lage und Demografie
Dieses Kapitel versucht anhand von ausgewählten bzw. verfügbaren
Daten, aber auch auf Grundlage von Eindrücken und Aussagen der
Interviewten sowie den Ergebnissen aus den Fragebögen, valide Aussagen
zu sozial-strukturellen Aspekten zu treffen.
Zusammenfassung und Interpretation relevanter Daten
Im Landkreis MOL sind 2620 Personen ausländischer Herkunft bei der
Ausländerbehörde registriert. Folgt man den Ergebnissen des Mikrozensus
von 2005, verfügen ca. 6 Prozent der in Brandenburg lebenden Personen
über einen Migrationshintergrund – dies würde für den Landkreis MOL eine
absolute Zahl von ca. 11.400 Personen, die über einen Migrations-
hintergrund verfügen, bedeuten.3 Insgesamt stammen diese Personen in
MOL aus über 76 verschiedenen Nationen. Die größte Gruppe bilden dabei
die Polen.
Im Jahr 2008 verfügten 576 Kinder in der Kindertagesbetreuung (0-14
Jahre) in MOL über einen Migrationshintergrund, das waren ca. 5,5
Prozent aller erfassten Kinder. Im Schuljahr 2007/2008 besuchten 148
Kinder ausländischer Herkunft und 141 Kinder der Spätaussiedler/innen
die Schulen in MOL. Im Vergleich zum Schuljahr 2002/2003 ist dabei ein
3 Berechnungsgrundlage sind die 191.449 in MOL lebenden Personen (Stand 08.2008).
39
Rückgang der ausländischen Kinder um 7,5 Prozent und bei den Kindern
der Spätaussiedler/innen um 34 Prozent zu verzeichnen.
Die Wohnsituation der Zuwanderer
Zu diesem Aspekt lassen sich keine validen Zahlen darstellen – jedoch
Annahmen, die indirekt abgeleitet werden können. Es ist anzunehmen,
dass ein Großteil der Personen mit einer Zuwanderungsgeschichte in den
Plattenbausiedlungen der größeren Orte des Landkreises lebt.
Exemplarisch hierfür steht Strausberg. Zumeist vollzieht sich dieser
Prozess durch eine Zuweisung dieser Personengruppen in die
beschriebenen Wohngebiete aufgrund der geringen Mieten; bezieh-
ungsweise das Wohnumfeld wird aufgrund der geringen Mieten von den
Personen selbst gewählt. In Strausberg lässt sich dieser Prozess am
Neubauviertel „Annatal“ sehr gut nachvollziehen. Spätaussiedler/innen
und Personen ausländischer Herkunft sind dort überproportional stark
vertreten. In Relation zum gesamten Landkreis hat die Grundschule am
Annatal mit ca. 20 Prozent den höchsten Anteil von Kindern, die über
einen Migrationshintergrund verfügen. Ähnlich stellt sich die Situation in
der Kita des Viertels dar.
Räumliche Segregationsprozesse
Inwieweit durch diese wohn-räumlichen Konzentrationsprozesse ethnische
Segregationsprozesse befördert werden, lässt sich nicht verallgemeinernd
feststellen – eine Tendenz diesbezüglich ist jedoch zu erkennen. Vor allem
in den Plattenbausiedlungen in Neuhardenberg haben sich bzw. wurden in
den letzten Jahren vermehrt Spätaussiedler/innen angesiedelt. Wenn
infolgedessen die sozialen Kontakte mit der Aufnahmegesellschaft
abnehmen bzw. nicht zustande kommen, können in solchen
Konstellationen durchaus integrationshemmende Bedingungen entstehen
(dazu vertiefend Kapitel 4.1).
Soziale Segregation
Die Mehrheit der ausländischen Wohnbevölkerung muss als sozial schwach
eingestuft werden. Ein starker Indikator hierfür ist die Arbeitslosenquote
der Ausländer im Landkreis. Der Mittelwert der drei Geschäftsbereiche der
BA im Landkreis ergibt eine Arbeitslosenquote von 32,6 Prozent für die
ausländische Wohnbevölkerung. Die Struktur der Arbeitslosigkeit bezogen
auf die Rechtskreise SGB III und SGB II verdeutlich nochmals die prekäre
Situation: 85,7 Prozent der arbeitslosen Ausländer/innen sind dem
40
Rechtskreis SGB II zuzuordnen, lediglich 14,3 dem Rechtskreis SGB III.
Bei den deutschen Erwerbslosen liegt das Verhältnis bei ca. 30 Prozent
aus dem Rechtskreis SGB II und bei 70 Prozent aus dem Rechtskreis SGB
III.
Die soziale Lage der Spätaussiedler/innen
An dieser Stelle können Angaben aus den Fragenbögen hinzugezogen
werden, den 20 junge Spätaussiedler/innen und Zuwanderer aus den
ehemaligen Sowjetrepubliken ausgefüllt haben. Vor allem die Integration
der Elterngeneration der Spätaussiedler/innen in den Arbeitsmarkt ist als
äußerst problematisch einzuordnen. Nahezu alle Jugendlichen gaben an,
dass ihre Eltern arbeitslos sind bzw. „Ein-Euro-Jobs“ ausüben. Teilweise
wurden zu dieser Frage keine Aussagen getätigt – auch hier liegt die
Vermutung nahe, dass auch diese Personen über keine festen
Arbeitsverhältnisse verfügen.
Die Integration der älteren Spätaussiedler/innen gestaltet sich äußerst
problematisch – diese Aussage wird auch von den entsprechenden
Fachdiensten gestützt. Die Integration in den Arbeitsmarkt kann als
gescheitert eingestuft werden; vor allem mangelnde Kenntnisse der
deutschen Sprache und das Nicht-Anerkennen von Bildungsabschlüssen
erschweren die Teilhabe am Arbeitsmarkt. Um der jüngeren Generation
dieses Schicksal zu ersparen, sollten die integrativen Maßnahmen vor
allem im Bereich des Arbeitsmarktes intensiviert bzw. fortgeführt werden.
3.2.2 Bildung und Migrationshintergrund
Dieses Kapitel beansprucht einen zentralen Stellenwert in diesem
Gutachten. Denn eine allumfassende Bildung – und das betrifft alle Kinder
und Jugendlichen, egal welcher Herkunft – ist entscheidend für ihre
gesellschaftliche Teilhabe. Im Idealfall hat jedes Kind, jeder Jugendliche
die gleichen Chancen, an Bildungsangeboten zu partizipieren. Die Realität
in Deutschland ist jedoch eine andere.
41
Soziale Herkunft und Bildung
Der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen für
eine höhere Ausbildung an Gymnasien und Universitäten hängt in
Deutschland stark von der sozialen Herkunft ab. Die international
vergleichenden Schülertests wie PISA und IGLU haben auf den starken
Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und erreichten Kompetenzen
aufmerksam gemacht. Diese Daten4 zeigen sehr eindrucksvoll, dass in
kaum einem anderen vergleichbaren Industrieland der Bildungserfolg so
eng an die soziale Herkunft geknüpft ist wie in Deutschland – nur in
Ungarn und Belgien ist der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft
und Bildung stärker ausgeprägt.
Neben der sozialen Herkunft ist der Migrationshintergrund der Jugend-
lichen mitentscheidend für die Bildungskarriere. Im internationalen sowie
auch im nationalen Vergleich zeigt sich, dass in Deutschland Schüler/innen
nichtdeutscher Herkunft ein geringeres Bildungsniveau erreichen.
Leistungsunterschiede zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrations-
hintergrund können jedoch in allen Staaten festgestellt werden. Für
Deutschland ist zudem signifikant, dass Jugendliche aus zugewanderten
Familien der ersten Generation schlechter abschneiden als Jugendliche aus
Migrantenfamilien, die noch nicht als ansässig gelten können – obwohl
erstere in Deutschland geboren sind und dort ihre Schulzeit verbracht
haben. Schulische Bildungsmöglichkeiten werden somit durch soziale
Herkunft und Migrationshintergrund begrenzt – wobei soziale Herkunft
und Migrationshintergrund stark miteinander korrelieren (vgl. Allmen-
dinger/Nikolei 2006).
4 In der PISA-Studie von 2003 wurde erstmals ein Indikator verwendet, der die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Indikatoren der familiären Herkunft für den Bildungserfolg zusammen
abbildet. Der „Index of Economic, Social and Cultural Status (ESCS) erfasst die Familienstruktur,
die Bildungsabschlüsse und die Berufstätigkeit der Eltern und setzt diese in Beziehung zu den
mathematischen Kompetenzen der Jugendlichen.
42
3.2.2.1 Die Situation in den neuen Bundesländern
Wesentliche Unterschiede existieren, wenn man die ostdeutschen
Bundesländer gesondert betrachtet. Entgegen den Ergebnissen einer
gesamtdeutschen Betrachtung, die besagen, dass ausländische Schüler
das Bildungssystem generell mit niedrigeren Bildungsabschlüssen
verlassen, weisen die Schulabschlüsse ausländischer Schüler/innen in
Ostdeutschland auf ein anderes Ergebnis hin.
Im Schuljahr 2003/2004 haben in Brandenburg 43,8 Prozent der auslän-
dischen Jugendlichen die Schule mit der allgemeinen Hochschulreife
verlassen, bei den deutschen Schülern lag die Quote lediglich bei 29,4
Prozent. In anderen ostdeutschen Bundesländern liegen die
Bildungsabschlüsse ausländischer Jugendlicher nicht ganz so gut wie in
Brandenburg. Aber auch hier entsprechen die Zahlen nicht der allge-
meinen These vom niedrigen Bildungsabschluss ausländischer Jugend-
licher (Weiss 2007:8). Einschränkend muss an dieser Stelle festgehalten
werden, dass diese Daten nicht die Aussiedler/innen berücksichtigen.
Allgemein betrachtet liegen die Abiturquoten ausländischer Jugendlicher in
Ostdeutschland5 deutlich über der Quote für die gesamte Republik von 8,9
Prozent. Bei der Verteilung der ausländischen Jugendlichen auf die 5 In Thüringen beträgt die Quote 12,4 %, in Sachsen 19,9%, in Brandenburg sind es bemerkens-werte 43,8%.
Leistungspotenziale von Kindern aus bildungsfernen Schichten vermag
das deutsche Bildungssystem nicht ausreichend auszuschöpfen. In
Deutschland werden Ungleichheiten größtenteils institutionell erzeugt.
Viele Experten sehen die Ursachen hierfür:
� in der zu frühen Selektion im deutschen Schulsystem
� und im Unvermögen des dreigliedrigen Schulsystems, soziale
Ungleichheiten auszugleichen.
Jugendliche aus bildungsfernen Schichten und mit Migrationshintergrund
drohen eine neue Bildungsunterschicht zu bilden. Die starke Korrelation
zwischen einer geringen Qualifikation und Arbeitslosigkeit zeigt, dass
Bildungsförderung auch präventive Beschäftigungspolitik ist.
43
Schulen der Sekundarstufe zeigen sich ganz ähnliche Ergebnisse – in allen
neuen Bundesländern beträgt der Anteil der ausländischen Jugendlichen,
die ein Gymnasium besuchen ca. ein Drittel. Auf der anderen Seite ist der
Anteil jener ausländischen Schüler, die die Schule lediglich mit einem
Hauptschulabschluss verlassen, in den ostdeutschen Bundesländern
deutlich geringer als im Bundesdurchschnitt – bundesweit sind es 41,6
Prozent, in Thüringen 25,6 Prozent, in Sachsen 19,4 Prozent und in
Brandenburg sogar nur 10,6 Prozent. Wenngleich ein Vergleich aufgrund
der unterschiedlichen Schulsysteme teilweise problematisch ist, belegen
die Zahlen, dass ausländische Schüler in den ostdeutschen Bundesländern
bessere Schulerfolge erzielen als im Rest der Republik.
Mögliche Gründe für die besseren Bildungserfolge
Hierfür existieren momentan keine empirisch verifizierten Ergebnisse –
dennoch lassen sich Hypothesen bilden.
� Als möglicher Faktor ist die ethnisch-soziale Herkunft der nach
Ostdeutschland zugewanderten Kinder in Betracht zu ziehen – der
hohe Bildungsstand der Eltern wird an die Kinder weiter gegeben.
(Dies könnte vor allem auf die Kinder der ehemaligen
vietnamesischen Vertragsarbeiter zutreffen, denn diese legen
traditionell einen sehr hohen Wert auf die Bildung ihrer Kinder.)6
� Viele Kinder dieser Gruppe waren zudem sehr früh in das
deutsche Bildungssystem integriert, da beide Eltern zumeist
erwerbstätig waren - was sicherlich hilfreich war für den
Spracherwerb.
� Auch der relativ geringe Anteil von Zuwandererkindern an den
Schulen könnte zudem die Möglichkeiten der individuellen
Förderung verbessern (vgl. Weiss 2007).
6 Interviews die im Rahmen dieses Gutachtens durchgeführt wurden stützen diese Hypothese.
44
3.2.2.2 Kindertagesbetreuung in Brandenburg
In Brandenburg informieren die kinderärztlichen Einschulungsuntersuch-
ungen über den Gesundheitszustand von Kindern im Vorschulalter. Ihr
Migrationshintergrund wird über die Muttersprache erfasst. In der
Einschulungsuntersuchung 2006 war bei 522 Kindern die Muttersprache
nicht Deutsch, das sind 2,3 Prozent aller untersuchten Kinder. Positiv ist
zu erwähnen, dass Kinder mit einem Migrationshintergrund weniger
medizinisch relevante Befunde aufweisen als deutsche. Dies gilt für
Allergien, chronische Erkrankungen aber auch für frühförderrelevante
Befunde wie ADS und Hyperaktivitätsstörungen.
Problematisch ist jedoch, dass nur 30 Prozent der Kinder mit Migrations-
hintergrund länger als drei Jahre eine Kindertagesstätte besuchen – bei
deutschen Kindern sind es fast 70 Prozent. Jedes zehnte Kind mit nicht-
deutscher Muttersprache besucht keine Kindertagesbetreuung. Diese
Kinder tragen ein höheres Risiko, dass eventuelle Entwicklungsver-
zögerungen und besonderer Förderbedarf nicht rechtzeitig erkannt werden
(vgl. LGA 2008).
Tabelle 10: Kinder mit Migrationshintergrund in Tag eseinrichtungen-Brandenburg (ohne Tagespflege).
A) Gesamt
B) von A) Kinder von denen mind. ein
Elternteil ausländischer Herkunft ist
C) von B) Kinder in deren Familien nicht vorrangig
deutsch gesprochen wird
Kinder gesamt 135.495 6.164 (4,55 %) 2.668 (43,23 %)
Kinder unter 3 Jahren
21.013 739 (3,52 %) 297 (40,19 %)
Kinder von 3 bis zum Schuleintritt
62.173 3.301 (5,31 %) 1.521 (46,07 %)
Schulkinder 52.309 2.124 (4,06 %) 850 (40,02 %)
Quelle: MBJS, Allner 2007.
Je nach Altersgruppe bewegt sich der Anteil der Kinder mit
Migrationshintergrund in Kindertagesstätten im Land Brandenburg
zwischen 3,52 Prozent (in der Krippe) bis zu 5,31 Prozent (im
Kindergarten). Über alle Altersgruppen beläuft sich der Anteil auf 4,55
Prozent. Der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund, in deren
Familien nicht vorrangig deutsch gesprochen wird, liegt zwischen 40,02
45
Prozent (Hort) und 46,07 Prozent (Kindergarten). Über alle Altersgruppen
beläuft sich der Anteil auf 43,23 Prozent (das sind 1,97 Prozent aller im
Land Brandenburg in Kindertagesstätten betreuten Kinder). Wie viele
dieser Kinder Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache haben, ist nicht
bekannt (vgl. MBJS Allner 2007).
Die Merkmalserfassung in der Kinder- und Jugendstatistik
Im Gegensatz zur Merkmalsführung in der Schulstatistik (siehe dazu
folgendes Kapitel) weist die Kinder und Jugendstatistik eine sehr
differenziertere Merkmalsführung auf. Wenn in den vorangehenden
Kapiteln angemerkt wurde, dass eine Differenzierung nach der Staats-
angehörigkeit (also in die Merkmale Ausländer und Deutsche) nicht mehr
zeitgemäß sei, so spiegelt die Kinder- und Jugendstatistik die soziale
Realität durchaus angemessen wider.
Es wird der Migrationshintergrund über die ausländische Herkunft eines
Elternteils erfasst sowie über den Gebrauch der deutschen Sprache
innerhalb der Familie – Zuwanderer der zweiten und dritten Generation
werden jedoch nicht mehr erfasst.
Nachteile der Kinder und Jugendstatistik
(Aussagen einer Kitaleiterin lassen Aussagen dahin gehend zu, dass das
Attribut vorrangig vielmehr das Nicht-Sprechen der deutschen Sprache
bedeutet.)
Wenngleich die Merkmalsführung als zeitgemäß einzustufen ist, ist aus
der Statistik nicht die Qualität der gesprochenen Sprache herauszulesen.
Das Attribut vorrangig gewährleistet in diesem Fall eine große
Bandbreite von Eventualitäten. Vom Nicht-Sprechen der deutschen
Sprache bis hin zu perfekter Mehrsprachigkeit gibt es diesbezüglich viele
Variationen.
46
3.2.2.3 Kindertagesbetreuung in MOL
Rein quantitativ betrachtet liegt die Anzahl der Kinder in der Kinder-
tagesbetreuung, im Landkreis MOL, die über einen Migrationshintergrund
verfügen, leicht über dem Brandenburger Durchschnitt. Die folgenden
Tabellen veranschaulichen diesen Sachverhalt. Die Kinder und Jugend-
statistik operiert dabei mit dem Merkmal Sprache, welches somit Schlüsse
auf den Migrationshintergrund der Kinder zulässt.
Anzahl der Kinder mit Migrationshintergrund in Tageseinrich-
tungen im LK MOL
Bestimmt man den Migrationshintergrund der Kinder über die Sprache,
also über das Merkmal „in der Familie wird nicht vorrangig Deutsch
gesprochen“ und über das Merkmal „ausländische Herkunft mindestens
eines Elternteiles“, ergibt sich eine absolute Zahl von 576 Kindern. Das
bedeutet, dass 5,41 Prozent der Kinder in Kindertageseinrichtungen (0-14
Jahre) im LK MOL über einen Migrationshintergrund verfügen.
Tabelle 11: Kinder in Tageseinrichtungen und Sprache - LK MOL.
insgesamt
In der Familie wird
vorrangig Deutsch
gesprochen Ja nein
Kinder im Alter
von 0-14 Jahren
10.634
100%
10.262
96,5%
372
3,5%
Quelle: eigene Darstellung nach Statistik der Kinder- und Jugendhilfe Teil III.1 – LK MOL (Stand 2008).
Tabelle 12: Kinder mit ausländischer Herkunft eines Elternteiles und Sprache – LK MOL.
Ausländische Herkunft mindestens eines Elternteiles Insgesamt In der Familie wird
vorrangig Deutsch
gesprochen
In der Familie wird vorrangig nicht
Deutsch gesprochen
377 204 173
Quelle: eigene Darstellung nach Statistik der Kinder- und Jugendhilfe Teil III.1 – LK MOL (Stand 2008).
47
Tabelle 13: Keine ausländische Herkunft eines Elternteils und Sprache LK – MOL.7
keine Ausländische Herkunft mindestens eines Elternteiles Insgesamt In der Familie wird
vorrangig Deutsch
gesprochen
In der Familie wird vorrangig nicht
Deutsch gesprochen
10257 10058 199
Quelle: eigene Darstellung nach Statistik der Kinder- und Jugendhilfe Teil III.1 – LK MOL (Stand 2008).
3.2.2.4 Das Fallbeispiel einer Kita im Landkreis
Die vorangestellten Zahlen geben keinen Eindruck darüber, wie sich die
konkrete Arbeit vor Ort gestaltet. Weiterführend soll an dieser Stelle
vermittelt werden, welche Problemlagen sich ergeben in einer Kinder-
tagesstätte, in der der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund bei 30
Prozent liegt.
Letztlich ist dieser hohe Anteil von Zuwandererkindern eine neue Situation
für alle Beteiligten. Zuwanderung musste thematisiert werden und birgt
für die ohnehin schwierige Situation im Bildungs- und Kinderbetreuungs-
bereich eine zusätzliche Belastung, „der Prozess war schleichend“. Die
allumfassende frühkindliche Betreuung der Zuwandererkinder öffnet auch
7 Die Elternteile in Tabelle neun entstammen wahrscheinlich Zuwanderern der zweiten oder dritten Generation – die also bereits in Deutschland geboren sind.
Die Kinder und Jugendstatistik bildet eine sehr wichtige Arbeitshilfe bei
der Analyse von Zuwanderungs- und Integrationsprozessen. Zum einen
aufgrund der zeitgemäßen Merkmalsführung und zum anderen weil die
Integration im frühkindlichen Bereich eine Schlüsselfunktion darstellt.
Die Merkmalserfassung erfolgt durch die Einrichtungen vor Ort und wird
durch diese direkt an das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg
zugearbeitet. Es empfiehlt sich diesbezüglich, die Daten zunächst auf
Landkreisebene zu bündeln und zu analysieren, um Zuwanderungs-
prozesse im Landkreis frühzeitig begleiten zu können und die entsprech-
enden Einrichtungen nach Bedarf zu unterstützen.
48
den Weg für die Integration der ganzen Familie. Erfolgen ein
Spracherwerb und eine rege Kontaktaufnahme der Kinder, agieren diese
oftmals auch als „Vermittler“ in die Aufnahmegesellschaft für die Eltern.
In dem hier beschriebenen Fall ist die Zusammensetzung der Kinder mit
Migrationshintergrund als recht heterogen einzustufen. Die größte Gruppe
bilden die Kinder der Spätaussiedler/innen (21) es folgen Kinder
libanesischer Herkunft (6), türkischer (3), Sinti und Roma (3),
vietnamesischer (3) sowie ein Kind mit einem polnischen Migrations-
hintergrund. Die meisten dieser Kinder beherrschen die deutsche Sprache
nicht, „die Verständigung erfolgt mit Händen und Füßen“. Die Eltern dieser
Kinder sind jedoch sehr engagiert, auch das soziale Umfeld wird als intakt
beschrieben, „sie nehmen Hinweise sehr genau an, anders als bei den
deutschen Eltern.“
Problemlagen
Als größtes Hemmnis wird der zu hohe Betreuungsschlüssel angegeben –
eine Erzieherin für 16 Kinder. Summieren sich bestimmte Förderbedarfe
innerhalb einer Gruppe, bleibt wenig Spielraum für eine individuelle
Förderung und Betreuung. Ein detaillierter Blick in eine Gruppe veran-
schaulicht die Situation: von 16 Kindern verfügen sechs über einen Migra-
tionshintergrund, zwei über eine notwendige Frühförderung, vier Kinder
mit Frühförderung und sieben Kinder stammen aus einem alleiner-
ziehenden Elternhaus. Das Personal wurde daraufhin um eine 20-Stunden-
Stelle aufgestockt – die Erzieherin ist eine Spätaussiedlerin, das entlastet
das Personal und erleichtert die Kommunikation mit den Kindern und den
Eltern. In Anbetracht von Krankheit, Urlaub oder dem Abbummeln von
Überstunden ist die Personaldecke selten geschlossen. Rechnet man den
Betreuungsschlüssel auf ein Maß an Zeit pro Kind um, bleiben 15 Minuten
für jedes Kind pro Tag. Auch der Betreuungsanspruch von sechs Stunden
für Kinder von Erwerbslosen wird als zu gering eingeschätzt.
Betreuungs- und Personalschlüssel orientieren sich nicht an den sozial-
räumlichen Gegebenheiten. Ähnlich wie in den bundesdeutschen Groß-
städten entwickeln sich auch in den ländlichen und suburbanen Räumen
Gebiete, in denen sich soziale Problemlagen konzentrieren. Zumeist sind
dies die Plattenbausiedlungen, die durch die geringen Mieten oder durch
leerstandsbedingte Zuweisung von sozial schwachen Personengruppen in
eine „Abwärtsspirale“ versetzt werden. Wer es sich leisten kann, zieht weg
49
– eine soziale Durchmischung der Bevölkerung ist oftmals nicht mehr
gegeben, soziale Problemlagen überlagern sich.
Brandenburg hat bundesweit in den kommunalen Kindertagesstätten den
schlechtesten Betreuungsschlüssel. Zudem veraltet das Personal, „Der
Berufsstand veraltet, weil es sich für junge Leute nicht mehr lohnt,
Erzieher/in zu werden – sie können von dem Geld nicht leben“ – mehr als
ein Drittel der Erzieher/innen verdient weniger als 1500 Euro brutto
(Berliner Zeitung, Nummer 13/14, Juni 2009).
3.2.2.5 Schulische Bildung in MOL
Die Ausführungen in den Kapiteln 3.2.2 und 3.2.2.1 haben bereits einige
Aspekte dargelegt, was Bildung und soziale Herkunft betrifft, bzw. zu
Bildungschancen und –Abschlüssen von Kindern und Jugendlichen mit
Migrationshintergrund. Die zentrale Aussage von Almmendinger und
Nikolei in Hinblick auf eine gesamtdeutsche Perspektive war, dass
Jugendliche aus bildungsfernen Schichten und mit Migrationshintergrund
eine neue Bildungsunterschicht zu bilden drohen. Ein Blick auf die
spezifische Situation in Ostdeutschland hat jedoch gezeigt, dass die
Bildungsabschlüsse ausländischer Schüler/innen hier weit über dem
Bundesdurchschnitt liegen – das Land Brandenburg ist dabei in der
Spitzengruppe der ostdeutschen Bundesländer zu verorten.
Kinderarmut und frühförderrelevante Aspekte nehmen zu – in manchen
Gebieten des Landkreises sehr drastisch. Kinder mit Migrationshinter-
grund scheinen von dieser Entwicklung nicht so stark betroffen zu sein,
die Elternhäuser der Zuwandererkinder bemühen sich um eine best-
mögliche Integration der Kinder. Als problematisch ist die Überlastung
des Personals zu betrachten – auf die so entscheidende frühe individuelle
und sprachliche Förderung kann nicht immer in genügendem Maße
eingegangen werden.
50
Die räumliche Verteilung
Die Datenerfassung innerhalb der Schulstatistik erlaubt einen recht
detaillierten Blick auf bildungsrelevante Daten – wenngleich die hier
zugrunde liegenden Daten noch mit den Merkmalen Ausländer und
Aussiedler operieren.
Zunächst ein Blick auf die räumliche Verteilung im Landkreis. Insgesamt
existieren im Landkreis 36 Grundschulen, elf Oberschulen, sieben
Gymnasien und zwei Schulen der beruflichen Bildung. Tabelle zehn führt
diejenigen Schulen auf, die einen erhöhten Anteil der Schülergruppe mit
Migrationshintergrund aufweisen (insgesamt zwölf). Bei allen weiteren
Schulen ist der Anteil sehr gering - zumeist unter ein Prozent – bzw. die
hier benannte Schülergruppe existiert dort nicht.
Anteilig betrachtet verfügt die Grundschule am Annatal in Strausberg mit
fast 20 Prozent über den höchsten Anteil von Kindern, die über einen
Migrationshintergrund verfügen. Alle weiteren Schulen befinden sich
ebenfalls in den größeren Orten des Landkreises, vor allem in Strausberg.
Ausnahmen bilden Neuhardenberg (dazu vertiefend Kapitel 3.3.1) und
Manschnow; die Nähe zur polnischen Grenze lässt hierbei vermuten, dass
es sich bei dieser Schülergruppe um Kinder aus dem Nachbarland handelt.
Tabelle 14: Ausländer- und Aussiedleranteil an aus gewählten Schulen – LK MOL 2008.
Schulform
Schulname - Schulort
Ausländer Aussiedler abs. in % abs. in %
Grundschule Grundschule am Annatal
Strausberg
13 8,0 16 9,8
Grundschule Küstriner Vorland
Manschnow
9 5,8 0 0
Grundschule 1. Grundschule
Strausberg
1 0,4 11 4,2
Grundschule Grundschule Seelow 4 1,2 6 1,8
Grundschule Neuhardenberg 0 0 5 2,9
Oberschule Bertolt Brecht
Seelow
8 4,0 20 10,1
Oberschule Anne-Frank
Strausberg
3 2,5 13 10,7
Oberschule S. Allende
Wriezen
11 2,3 0 0
Gesamtschule Liese-Meitner
Strausberg
9 1,8 21 4,2
51
Schulform
Schulname - Schulort
Ausländer Aussiedler abs. in % abs. in %
Gymnasium Einstein-Gymnasium
Neuenhagen
5 0,6 0 0
Gymnasium Rüdersdorf 8 1,2 0 0
Oberstufen-
zentrum
Strausberg 37 1,2 49 1,5
Quelle: Zuarbeit MBJS, eigene Darstellung (Stand 09/2008).
3.2.2.6 Ausgewählte Schuldaten
Die Schulstatistik verfügt über eine differenzierte Merkmalsführung; das
folgende Kapitel zeigt zum einen Ergebnisse des Schuldatenreportes sowie
die Schulenddaten.
Der Schuldatenreport8
Die Erfassung der Daten im Schuldatenreport erfolgt in Form von Indivi-
dualdaten; es werden die Merkmale Ausländer, Aussiedler und deutsche
Schüler erfasst.
Schulenddaten9
Die Absolventenzahlen der entsprechenden Schulformen werden in aggre-
gierter Form erfasst; das Merkmal Aussiedler wird hierbei nicht erfasst.
Die Schulenddaten operieren mit den Merkmalen deutsche und auslän-
dische Schüler/innen – also nach Staatsangehörigkeit.
Zukünftige Merkmalsführung
Die Kommission für Statistik der Kultusministerkonferenz der Länder
(KMK) hat in ihrem Definitionskatalog ab dem Jahr 2008 folgende Defi-
nition vereinbart, um künftig das Merkmal Migrationshintergrund zu
führen.
8 Offiziell: Statistische Berichte (Amt für Statistik Berlin-Brandenburg): Allgemein Bildende Schulen im Land Brandburg Ergebnisse nach Verwaltungs- und Schulamtsbezirken. 9 Die hier dargestellten Ergebnisse der Absolventenzahlen sind eine Sonderberechnung und in
dieser Form nicht frei verfügbar.
Aufgrund der verfügbaren Daten hat sich die Kultusministerkonferenz
auf drei Merkmale verständigt. Danach ist bei Schüler/innen ein
Migrationshintergrund anzunehmen, wenn mindestens eines der folgen-
den Merkmale zutrifft:
1. keine deutsche Staatsangehörigkeit,
2. nichtdeutsches Geburtsland,
3. nichtdeutsche Verkehrssprache in der Familie bzw. im häuslichen Umfeld
(auch wenn der Schüler/die Schülerin die deutsche Sprache beherrscht).
52
Die folgenden Tabellen stellen einen Vergleich zwischen den Daten des
Landkreises MOL und denen des gesamten Landes Brandenburg dar. Beide
Statistiken sind als Zeitreihen angelegt; es werden die Schuldaten und die
Absolventenzahlen der Schuljahre 2002/2003, 2005/2006 sowie des
Schuljahres 2007/2008 abgebildet.
Tabelle 15: Ausgewählte Schuldaten des Schuljahres 20 02/2003 – Brandenburg/LK MOL.
Merkmal
Realschule Gymnasium Zweiter Bildungsweg
berufliches
Gymnasium
Schüler
Brandenburg
24.147
8,21%
72.388
24,63%
1.449
0,49%
4.421
1,5%
Schüler
MOL
2076
9,51%
4.406
20,2%
129
0,58%
643
2,95%
Ausländer
Brandenburg
83
2,23%
544
15,02%
8
0,22%
11
0,3%
Ausländer
MOL
7
4,38%
11
6,87%
- -
Aussiedler
Brandenburg
160
5,8%
126
4,75%
16
0,58%
17
0,62%
Aussiedler
MOL
39
18,39%
11
5,18%
- -
Quelle: eigene Darstellung, Datenbasis: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.
Merkmal Gesamt Grundschule Gesamtschule Förderschule Schüler
Brandenburg
293.813
100%
90.532
30,81%
86.613
29,47%
14.261
4,85%
Schüler
MOL
21.813
100%
8.105
37,15%
5648
25,89%
807
3,69%
Ausländer
Brandenburg
3.621
100%
(1,23%)
1.925
53,16%
966
26,67%
84
2,31%
Ausländer
MOL
160
100%
(0,73)
118
73,75%
22
13,75%
2
1,25%
Aussiedler
Brandenburg
2.754
100%
(0,93%)
1.467
53,44%
918
33,33%
50
1,82%
Aussiedler
MOL
212
100%
(0,97%)
133
62,73%
28
13,2%
1
0,47%
53
Tabelle 16: Ausgewählte Schuldaten des Schuljahres 20 05/2006 – Brandenburg/LK MOL.
Merkmal
Oberschule Gymnasium Zweiter Bildungsweg
berufliches
Gymnasium
Schüler
Brandenburg
50.283
20,09%
62.453
24,95%
2.065
0,82%
4.351
1,74%
Schüler
MOL
5.615
31,11%
4.377
24,25%
148
0,82%
253
1,40%
Ausländer
Brandenburg
722
18,09%
688
17,23%
16
0,4%
9
0,22%
Ausländer
MOL
53
32,12%
23
13,93%
1
0,6%
-
Aussiedler
Brandenburg
614
25,26%
180
7,40%
33
2,62%
5
0,2%
Aussiedler
MOL
73
37,82%
1
0,51%
7
3,62%
-
Quelle: eigene Darstellung, Datenbasis: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.
Tabelle 17: Ausgewählte Schuldaten des Schuljahres 20 07/2008 – Brandenburg/LK MOL.
Merkmal Gesamt Grundschule Gesamtschule Förderschule Schüler
Brandenburg
227 845
100%
103.667
45%
18.825
8,26%
10.538
4,625%
Schüler
MOL
16 124
100%
6.591
40,87%
1.007
6,24%
807
5%
Ausländer
Brandenburg
3697
100%
(1,6%)
1.750
47,33%
415
11,22%
90
2,43%
Ausländer 148 56 24 8
Merkmal Gesamt Grundschule Gesamtschule Förderschule Schüler
Brandenburg
250.274
100%
92.518
36,96%
25.031
10%
4.351
1,73%
Schüler
MOL
18.045
100%
5.769
31,97%
949
5,26%
939
5,2%
Ausländer
Brandenburg
3.991
100%
(1,56%)
1.932
48,00%
531
13,3%
100
2,5%
Ausländer
MOL
165
100%
(0,94%)
63
38,18%
17
10,3%
8
4,85%
Aussiedler
Brandenburg
2.430
100%
(0,97%)
1.259
51,87%
284
11,68%
55
2,26%
Aussiedler
MOL
193
(1,07%)
93
48,19%
15
7,77%
4
2,07%
54
MOL 100%
(0,91%)
37,83% 16,21% 5,4%
Aussiedler
Brandenburg
1852
100% (0,81%)
947
51,13%
186
10,04%
52
2,84%
Aussiedler MOL
141 100% (0,87%)
65 44,82%
22 15,69%
3 2,21%
Merkmal Oberschule Gymnasium Zweiter Bildungsweg
berufliches
Gymnasium Schüler
Brandenburg
32.303
14,17%
56.006
24,57%
2.436
10,69%
4070
1,78%
Schüler
MOL
3.718
23,06%
3602
22,37%
139
0,86%
278
1,72%
Ausländer
Brandenburg
720
39,45%
725
19,6%
23
0,62%
19
5,177%
Ausländer
MOL
42
29,78%
16
10,8%
2
1,35%
-
Aussiedler
Brandenburg
402
38,87%
194
10,48%
23
1,26%
19
1.04%
Aussiedler
MOL
41
29,08%
4
2,8%
2
1,41%
-
Quelle: eigene Darstellung, Datenbasis: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.
Interpretation der Schuldaten
Zunächst ist festzuhalten, dass sich die absolute Zahl der Spätaus-
siedler/innen an den Schulen in MOL in den letzten fünf Jahren um ein
Viertel verringert hat - die der ausländischen Schüler/innen um fünf
Prozent. Die Schülergruppe der deutschen Schüler/innen hat sich in
diesem Zeitraum jedoch am stärksten verkleinert, nämlich um fast 30
Prozent. Es zeigt sich auch, dass die Kinder der Spätaussiedler/innen und
die ausländischer Herkunft überproportional stark an den Grundschulen
vertreten waren (Schuljahr 2002/2003), was Schlüsse auf starke
Alterskohorten in den entsprechenden Jahrgängen zulässt. Im Schuljahr
2002/2003 besuchten ca. 73 Prozent der ausländischen Kinder in MOL
eine Grundschule – bei den deutschen Kindern waren es lediglich ca. 37
Prozent.
Die Schuldaten lassen auch Schlüsse hinsichtlich der Absolventenzahlen
zu. Dies ist besonders im Fall der Spätaussiedler/innen interessant, da
diese bei den Schulenddaten nicht gesondert erfasst werden. Hierbei ist
festzuhalten, dass die Kinder der Spätaussiedler/innen an den höheren
55
Schulformen - also besonders am Gymnasium - stark unterrepräsentiert
sind. Auf der Ebene des Landkreises ist dieser Sachverhalt noch stärker
ausgeprägt als auf der Ebene des Landes.
Schulenddaten
Tabelle 18: Schulabsolventen Schuljahr 2002/2003 – Br andenburg/LK MOL.
Quelle: eigene Darstellung, Datenbasis: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.
Ergänzung: Absolventen Zweiter Bildungsweg Brandenburg: Ausländer 6/Deutsche 402 - MOL
18/0.
Tabelle 19: Schulabsolventen Schuljahr 2005/2006 – Br andenburg/LK MOL.
Quelle: eigene Darstellung, Datenbasis: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.
Ergänzung: Absolventen Zweiter Bildungsweg Brandenburg: Ausländer 4/Deutsche 700 - MOL
1/46.
Merkmal Gesamt Gesamt- schule
Real- schule
Gymna-
sium beruf- lisches
Gymna- sium
Förder- schule
Absolventen
Brandenburg
37060 100%
17908 48%
5530 15%
9998 27%
1307 3,5%
1915 5%
Absolventen
MOL
2645 100%
1352 51%
397 15%
672 25%
74 3%
132 5%
Absolventen
Ausländer
Brandenburg
301 100%
187 62%
19 6%
80 27%
2 0,5%
7 2%
Absolventen
Ausländer
MOL
10 100%
6 60%
2 20%
0 0%
0 0%
2 20%
Merkmal Gesamt Gesamt- schule
Ober- schule
Gymna-
sium beruf- lisches
Gymna- sium
Förder- schule
Absolventen
Brandenburg
35698 100%
6071 17%
15409 43%
9999 28%
1374 4%
2172 6%
Absolventen
MOL
2834 100%
221 8%
1484 52%
834 29%
82 3%
167 6%
Absolventen
Ausländer
Brandenburg
331 100%
70 21%
148 45%
94 28%
4 1,2
11 3,3%
Absolventen
Ausländer
MOL
13 100%
1 7,5%
6 46%
3 23%
0 0%
2 15,5%
56
Tabelle 20: Schulabsolventen Schuljahr 2007/2008 – Br andenburg/LK MOL.
Quelle: eigene Darstellung, Datenbasis: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.
Ergänzung: Absolventen Zweiter Bildungsweg Brandenburg: Ausländer 7/Deutsche 362 - MOL
0/61.
Interpretation der Schulenddaten
Hierbei gilt es besonders, den Blick auf die Abschlüsse der allgemeinen
Hochschulreife zu richten. In Kapitel 3.2.2.1 wurden bereits einige Aus-
führungen diesbezüglich getroffen. Diese besagten, dass die These von
den schlechten Bildungsabschlüssen ausländischer Jugendlicher in den
ostdeutschen Bundesländern nicht zutrifft. Die hier dargestellten Daten
bestätigen dies, wenngleich die Bildungsabschlüsse der in MOL lebenden
Ausländer/innen nicht auf dem landesweiten Niveau einzuordnen sind.
Einschränkend muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass die
Fallzahl sehr gering ist, was statistische Abweichungen wahrscheinlicher
macht.
Im statistischen Mittel der drei dargestellten Schuljahre haben demnach
15,5 Prozent der ausländischen Absolventen in MOL die Schule mit der
Hochschulreife verlassen, bei den deutschen Kindern waren es 28,7
Prozent. Landesweit betrachtet liegen die Werte bei 27 Prozent bei den
ausländischen Absolventen - bei den deutschen Schülern sind es 30,3
Prozent. Bundesweit liegen die Quoten ausländischer Absolventen, die das
Schulsystem mit der allgemeinen Hochschulreife verlassen bei 8,6 Prozent
(Stand Schuljahr 2002/2003).
Merkmal Gesamt Gesamt- schule
Ober- schule
Gymna-
sium beruf- lisches
Gymna- sium
Förder- Schule
Absolventen
Brandenburg
26494
100%
4308
16%
8233
31%
10063
37%
1398
5%
1587
6%
Absolventen
MOL
1897
100%
270
14%
741
39%
610
32%
97
5%
118
6%
Absolventen
Ausländer
Brandenburg
388
100%
101
26%
165
42%
101
26%
8
2%
6
1,5%
Absolventen
Ausländer
MOL
22
100%
8
36%
9
40%
4
18%
0
-
1
4,5%
57
Schüler ohne Schulabschlüsse
Nicht außer Acht gelassen dürfen an dieser Stelle diejenigen
Schüler/innen, die das Schulsystem ohne einen Bildungsabschluss ver-
lassen. Die folgende Tabelle 21 führt diese Gruppe der Schüler/innen auf –
Basis dieser Daten sind wiederum die aggregierten Daten der drei
Schuljahre. Auch bei diesem Aspekt zeigt sich, dass die ausländischen
Schüler/innen in MOL überproportional oft das Bildungssystem ohne einen
Schulabschluss verlassen.
Zieht man zu diesem Sachverhalt die geringeren Abiturquoten hinzu, liegt
auch in Anbetracht der kleinen Grundgesamtheit (N 44) die Vermutung
nahe, dass die ausländischen Schüler/innen in MOL im Bildungssystem
Barrieren vorfinden, die hinderlich in Bezug auf Chancengleichheiten
wirken.
Tabelle 21: Schüler ohne Hauptschulabschluss/Berufsb ildungsreife, Schuljahre 2003/2004, 2005/2006, 2007/2008.
Ohne
Hauptschulabschluss/Berufsbildungsreife
Merkmal 2002/2003 2005/2006 2007/2008
deutsche Schüler - Brandenburg 8,07% 9,82% 9,12%
ausländische Schüler – Brandenburg 9,96% 7,76% 8,24%
deutsche Schüler - MOL 8,58% 9,95% 9,48%
ausländische Schüler - MOL 30% 23% 13,63%
Quelle: eigene Darstellung, Datenbasis: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.
Tabelle 22: Schüler ohne Hauptschulabschluss/Berufsb ildungsreife - Brandenburg / LK MOL (aggregierte Daten der Schuljahre 2003/2004, 2005/2006, 2007/2008 .)
Ohne Hauptschulabschluss/Berufsbildungsreife
Merkmal MOL Brandenburg deutsche Schüler 9,33% 9,0%
ausländische Schüler 22,21% 8,65%
Quelle: eigene Darstellung, Datenbasis: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.
58
3.2.2.7 Muttersprachlicher Unterricht
Die RAA Frankfurt/Oder ist mit der Koordinierung des Projektes
„Muttersprachlicher Unterricht für Kinder aus Migrantenfamilien“ betraut.
Die Finanzierung erfolgt über das MBJS des Landes Brandenburg. Inner-
halb des Projektes besteht die Möglichkeit, Unterricht in einer Sprache
zusätzlich zum regulären Unterricht zu durchzuführen. Es werden jedoch
mindestens zwölf Schüler/innen benötigt - denn erst dann finanziert das
Ministerium den Unterricht (es kann ein Kurs mit acht Schüler/innen
begonnen werden, unter der Prämisse dass zwölf folgend erreicht
werden).
Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass sich bei Kindern
und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien, die eine deutsche Schule
besuchen, die Kenntnisse in ihrer eigenen Muttersprache zunehmend ver-
schlechtern. Auf diesen Sachverhalt reagiert der muttersprachliche Unter-
richt hinreichend. Der muttersprachliche Unterricht fördert besonders:
� die Integration, denn wer seine Muttersprache beherrscht, kann
auch die Sprache des Gastlandes gut lernen
� die Mehrsprachigkeit
� erfolgreiches Operieren in zwei Kulturen
� Stärkung der eigenen Identität
Im Landkreis MOL existieren vier Gruppen, in denen muttersprachlicher
Unterricht gelehrt wird, jedoch lediglich in Russisch, „in MOL wäre
sicherlich der Bedarf für Polnisch oder Vietnamesisch da“. Die
Beschränkung auf eine bestimmte Gruppengröße erschwert hierbei das
sprachliche Angebot breiter aufzustellen. Ein muttersprachlicher Unterricht
für alle Kinder der Zuwanderer/innen wäre sicherlich als optimal einzu-
stufen. Geschieht diese Kompetenzvermittlung nicht, sind die Kinder in
ihrer Muttersprache nicht alphabetisiert10.
10 Die Ausführungen zum muttersprachlichen Unterricht beruhen auf einer Handreichung der RAA und auf Aussagen der Projektmitarbeiter/innen. Siehe dazu: http://www.raa-brandenburg.de/ProjekteProgramme/MuttersprachlicherUnterricht/tabid/980/Default.aspx
59
Tabelle 23: Übersicht muttersprachlicher Unterricht LK MOL.
Schule Ort Sprache seit wann
Gruppen
Oberschule Seelow Russisch Januar 09 1
Grundschule I Strausberg Russisch März 06 1
Grundschule Strausberg Russisch Januar 07 1
"Am Annatal"
Grundschule Neuhardenberg Russisch 1
Quelle: RAA Brandenburg – Geschäftsstelle FF/O.
3.2.2.8 Fallbeispiel - Grundschule am Annatal
Die Grundschule am Annatal im Strausberger Hegermühlenviertel weist
kreisweit den höchsten Anteil von Kindern mit einem Migrations-
hintergrund auf. Insgesamt besuchen 163 Kinder diese Schule; 13 werden
als Ausländer erfasst und 16 als Aussiedler, der Anteil dieser Kinder
beläuft sich somit auf knapp 20 Prozent. Im nächsten Jahr werden zwei
erste Klassen eingeschult – 15 Kinder werden dabei über einen Migra-
tionshintergrund verfügen.
Genau wie im Kitabereich war diese Entwicklung „schleichend“, Mitte der
neunziger Jahre kamen die ersten Spätaussiedlerkinder in die Schule, „im
Laufe der Jahre kamen türkische, libanesische und Kinder aus dem
ehemaligen Jugoslawien zu uns, sie sind mit der Weile so integriert, dass
man ihnen keinen Akzent mehr anhört.“ Diese neue Situation wurde in
den ersten Jahren weitestgehend selber bewältigt, „am Anfang sind wir
alleine gelassen worden, es stürzte auf uns herein und wir haben versucht
das Beste daraus zu machen.“
Betrachtet man die absolute Zahl von 289 Schüler/innen (Ausländer/innen
und Spätaussiedler/innen zusammen), für die der muttersprachliche Unter-
richt relevant wäre, fällt die tatsächliche Zahl von höchstens 48 Schülern,
die den muttersprachlichen Unterricht in Anspruch nehmen eher gering aus.
Vor allem die großen räumlichen Distanzen im Landkreis wirken für die
Bildung weiterer Gruppen hinderlich. Inwieweit die Möglichkeit besteht,
Schüler/innen zusammen zu führen, gilt es zu prüfen.
60
Ein selbst organisiertes Netzwerk
Mittlerweile wurden Partner gewonnen, wie etwa der Sozialpark MOL e.V.
aus dem Viertel. Es gibt einen Austausch über eine Kontaktlehrerin mit
der Kita und den muttersprachlichen Unterricht, der durch die RAA
organisiert wird. Zur Bewältigung der Sprachbarrieren, vor allem was die
russische Sprache betrifft, konnte man ebenfalls Hilfe beim Sozialpark
einfordern, „bei Russisch gibt es die Möglichkeit einen Dolmetscher zu
nehmen – bei anderen Sprachen ist es schwierig.“
Die Sprachvermittlung funktioniert durch die Lehrer vor Ort, es gibt
zusätzliche Stunden im Zuge der Eingliederungsverordnung. Besuchten
die Kinder bereits die Kita, ist dies nicht mehr von Relevanz, „desto jünger
die Kinder, desto besser funktioniert der Spracherwerb.“
Die Rolle der Eltern
Was diesen Punkt betrifft, muss zunächst festgehalten werden, dass der
überwiegende Teil der Eltern, die ihre Kinder auf die Grundschule am
Annatal schicken, als sozial schwach bzw. bildungsfern einzustufen ist.
Dieser Sachverhalt bedingt sich aus dem nahen Umfeld der Schule.
Es lassen sich jedoch Unterschiede zwischen den deutschen Eltern und
denjenigen mit einer Zuwanderungsgeschichte ausmachen „die russischen
Eltern sind interessierter an Schule als die Deutschen, teilweise – der
Lehrer hat da noch eine ganz andere Stellung“. Wenngleich alle Eltern in
einem schwierigen sozialen Milieu und Umfeld leben, wird das Engagement
der Eltern mit einer Zuwanderergeschichte als höher beschrieben, „was
den häuslichen Bereich betrifft, sind Eltern nicht–deutscher Herkunft
engagierter, sie vermitteln vor allem Motivation.“ Im engeren schulischen
Bereich bestehen jedoch noch Defizite, was das Engagement der Zuwan-
derereltern betrifft – oftmals sind es Sprachbarrieren, die dieses vermehrt
einschränken.
Potenziale
Es zeigt sich, dass die Zuwanderer im Viertel den Bildungschancen ihrer
Kinder einen höheren Stellenwert zuordnen als die deutschen Eltern. Der
Migrationshintergrund korreliert zwar durchaus mit einer schwierigen
sozialen Lage – aber nicht zwingend mit der Ablehnung von Bildungs-
chancen. Für den Unterricht stellt der hohe Anteil von Zuwandererkindern
eine Bereicherung dar, „das Multikulturelle kann nur von Vorteil sein, es
werden beispielsweise Themen aus den Herkunftsländern in den Unterricht
integriert.“
61
Die Offenheit der Aufnahmegesellschaft
Seitens der deutschen Eltern und in der Bevölkerung im Allgemeinen
bestehen dessen ungeachtet Ressentiments gegenüber den Zuwanderern
„manchmal habe ich das Gefühl, dass unsere deutschen Eltern eine
ablehnende Meinung haben.“ Mit der steigenden Zuwanderung sind viele
überfordert, ein Integrationsprozess im Viertel findet weitestgehend nicht
statt. Viele haben Bedenken, ihre Kinder auf die Schule zu schicken, „viele
Eltern lehnen die Schule wegen des Umfeldes und der Ausländer ab.“
3.2.3 Die arbeitsmarktliche Integration von Zuwanderern
Die Grundlage einer dauerhaften gesellschaftlichen Integration von Zu-
wanderern bildet die Arbeitsmarktintegration. Sie dient der Sicherung des
eigenen Lebensunterhaltes sowie der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben
und erhöht zudem die Akzeptanz in der Aufnahmegesellschaft (Beth-
schneider 2008: 1). Die Arbeitslosenquote unter Ausländern liegt jedoch
nach wie vor deutlich über der der Deutschen. Die folgende Tabelle
verdeutlicht, dass die Arbeitslosenquote bei Ausländern nahezu konstant
doppelt so hoch ist wie die der Deutschen.
Tabelle 24: Arbeitslosenquoten (bundesweit) von Ausländern und Deutschen.
2004 2005 2006 05/2009
Deutsche 11,0% 11,9% 11,0% 8,2%
Ausländer 20,4% 25,2% 23,6% 16,8%
Quelle: Bundesagentur für Arbeit.
Die Merkmalsführung der Bundesagentur für Arbeit (BA)
Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit erfasst nach wie vor allein die
Staatsangehörigkeit, nicht aber den Migrationshintergrund der Personen.
Auch Spätaussiedler/innen werden für fünf Jahre ab der Einreise als
Ausländer geführt (obwohl sie zumeist die deutsche Staatsangehörigkeit
besitzen). Nach fünf Jahren wird der Spätaussiedlerstatus gelöscht und
sie sind als diese nicht mehr in der Statistik identifizierbar. Aufgrund der
hohen Anzahl von Spätaussiedler/innen im LK MOL wäre eine
differenziertere Merkmalsführung sicherlich hilfreich, um Aussagen über
die arbeitsmarktliche Integration dieser Zuwanderergruppe treffen zu
können.
62
3.2.3.1 Die arbeitsmarktliche Situation der Zuwanderer in MOL
Wenngleich die Merkmalsführung der BA nicht das Merkmal Migrations-
hintergrund führt, lässt die sehr differenzierte Merkmalsführung der
gesamten Statistik durchaus auch kleinräumliche Aussagen zu. Der
Landkreis Märkisch-Oderland untergliedert sich in drei Geschäftsbereiche,
diese sind Strausberg, Seelow und Bad Freienwalde. Auch für bestimmte
Zielgruppen gibt es eigene Arbeitsbereiche – im Kontext dieses Gutach-
tens ist besonders der Bereich U(nter)25 zu erwähnen. Ein bestimmter
Arbeitsbereich, der sich explizit um die Belange von Zuwanderern
kümmert, existiert nicht.
Dennoch sollen erst die absoluten Zahlen dargestellt werden, denn auf-
grund der geringen Fallzahlen von Ausländer/innen in den Jobcentern
werden diese nicht gesondert nach Altersgruppen betrachtet – wie es bei
den „deutschen Kunden“ der Fall ist.
Tabelle 25: Anteil der arbeitslosen Ausländer am Gesamtbestand nach Geschäftsberei-chen LK MOL – Stand Mai 09.
Merkmal Strausberg Seelow Bad Freienwalde Anteil der arbeitslosen Ausländer am
gesamten Bestand der Arbeitslosen
2,3% 2,0% 1,4%
Quelle: BA - Kreisreport MOL der Arbeitsmarkt im Mai 2009.
Tabelle 26: Arbeitslosenquoten nach Geschäftsbereichen – LK MOL Stand Mai 09.
Merkmal Strausberg Seelow Bad Freienwalde Deutsche 10,0% 18,3% 20,2%
Ausländer 20,9% 43,5% 33,6%
Quelle: BA - Kreisreport MOL der Arbeitsmarkt im Mai 2009.
Tabelle 16 zeigt, dass auch im LK MOL die Arbeitslosenquoten der
Ausländer/innen deutlich höher sind als die der deutschen Bevölkerung.
Bildet man den Mittelwert der drei Geschäftsbereiche, so ergibt sich für
den gesamten Landkreis auch hier eine doppelt so hohe Arbeitslosenquote
für die Ausländer/innen. Tabelle 15 deutet hingegen auf die Struktur der
Arbeitslosen insgesamt hin. Das bedeutet konkret, dass etwa in Straus-
berg 159 Personen ausländischer Herkunft arbeitslos sind zu 6850 im
Gesamtbestand. In Bad Freienwalde hingegen sind es lediglich 46 im
Gegensatz zu 3.184 im Gesamtbestand – in Seelow beträgt das Verhältnis
65 zu 3294. Die Arbeitslosenquote zeigt vielmehr den Anteil der Arbeits-
63
losen in Relation zu allen zivilen Erwerbspersonen nach bestimmten
Gruppen. Das bedeutet beispielsweise für den Geschäftsbereich Seelow,
dass nahezu die Hälfte aller erwerbsfähigen Ausländer arbeitslos sind
(Stand Mai 2009).
Generell ist festzuhalten, dass die Ausländer/innen in den peripheren
Regionen des Landkreises stärker von Arbeitslosigkeit betroffen sind als in
der Berlin nahen Region um Strausberg – vor allem die Ausländer/innen
des Geschäftsbereiches Seelow sind überproportional stark von Arbeits-
losigkeit betroffen.
3.2.3.2 Die arbeitsmarktliche Integration jugendlicher Zuwanderer
Was die Situation jugendlicher Zuwanderer betrifft, so kann an diesem
Punkt auf Aussagen der Teamleiter/innen U(nter)25 der Geschäftsstellen
des Jobcenters in MOL zurückgegriffen werden.
Die Berlin fernen Regionen des Landkreises - Zusammenfassung
der Geschäftsstellen Seelow und Bad Freienwalde
Insgesamt betrachtet ist der Anteil der jungen Zuwanderer, die von diesen
beiden Geschäftsstellen statistisch erfasst werden, sehr gering; er beläuft
sich auf ca. 30 Personen. Einschränkend muss an dieser Stelle jedoch
bemerkt werden, dass der Personenkreis wahrscheinlich wesentlich höher
wäre, wenn jene Spätaussiedler/innen mit eingerechnet würden, die
bereits länger als fünf Jahre in der Region leben.
Im Geschäftsbereich Bad Freienwalde ist die häufigste vom Jobcenter
erfasste Nationalität polnisch; in Seelow befinden sich im Kundenstamm
U25 des Jobcenters Spätaussiedler/innen, Polen und Türken. Die
Bereitschaft der Polen, Defizite abzubauen, die ihre arbeitsmarktliche
Integration hemmen, wird als sehr hoch beschrieben. Sie sind bereit und
motiviert, Sprachkurse zu absolvieren sowie Schul- und Berufsabschlüsse
nachzuholen. Eine hohe Motivation und Flexibilität wird ebenfalls den
Menschen aus der Türkei zugeschrieben – auch dieser Gruppe von
Zuwanderern wird eine gute Zusammenarbeit bescheinigt.
64
Defizite vor allem bei Spätaussiedler/innen
Die Motivation der Spätaussiedler/innen wird von den Teamleiter/innen als
geringer eingestuft. Das betrifft Bestrebungen, eine Arbeit zu finden sowie
das Erlernen der deutschen Sprache – sie verfügen zum Teil über sehr
schlechte Sprachkenntnisse. Maßnahmen des Jobcenters hinsichtlich der
Verbesserung der deutschen Sprache werden oftmals nicht angenommen,
„Sie leben in ihrem Mikrokosmos der Familie und nehmen auch nur dort
Arbeit auf, wo das Umfeld russisch spricht oder russische Sprach-
kenntnisse erforderlich sind.“
Die Geschäftsstelle Strausberg
Diese eher Berlin nahe Geschäftsstelle des Landkreises ordnet die Ge-
mengelage von Faktoren, die einer arbeitsmarktlichen Integration eher
hinderlich sind, nicht explizit einer Gruppe von Zuwanderern zu. Wenn-
gleich die größte Gruppe von „Kunden“ auch hier die Spätaussiedler/innen
stellen. Die Größe dieser Gruppe von Zuwanderern wird für den gesamten
Bestand der Geschäftsstelle Strausberg auf ca. 200 geschätzt. Personen
mit anderen Nationalitäten werden derzeit nur sehr wenige betreut.
Sprachprobleme werden hier eher den Ausländer/innen (ohne Spät-
aussiedler/innen) zugeschrieben; zudem erweist es sich für diesen Perso-
nenkreis zum Teil als problematisch, eine Arbeitserlaubnis zu erhalten.
Zusammenfassung der Problemlagen, die einer Integration in den
Arbeitsmarkt hinderlich sind
� fehlende Sprachkenntnisse
� fehlende Schul- und Berufsabschlüsse, bzw. deren fehlende Aner-
kennung in Deutschland
� fehlende Flexibilität, Motivation und Mobilität
� kulturelle Unterschiede (beispielsweise was die Erwerbsbeteiligung
von Frauen betrifft)
� teilweise fehlende soziale Kontakte
65
3.2.3.3 Maßnahmen zur Integration von Zuwanderern in den
Arbeitsmarkt
Als zentrale und dringlichste Aufgabe lässt sich der Spracherwerb
definieren. Dieser gilt als Schlüssel zu Qualifikation und Weiterbildung.
Auch die Bundesregierung hat dieses Faktum erkannt und mit in Kraft
treten des Zuwanderungsgesetzes (2005) das Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge (BAMF) damit beauftragt, Integrations- bzw. Sprachkurse
zu koordinieren und durchzuführen. Bis zum 31.12.2004 waren die Agen-
turen für Arbeit mit der Organisation der Sprachkurse betraut – die
Kompetenzen haben sich somit grundlegend geändert.
„Ein Ausländer ist u.a. zur Teilnahme an einem Integrationskurs
verpflichtet, wenn die Ausländerbehörde ihm im Rahmen verfügbarer und
zumutbare erreichbare Kursplätze dazu auffordert und wenn der
Grundsicherungsträger nach SGB II die Teilnahme angeregt hat.“
Im Falle einer Nichteilname an den Integrationskursen können Leistungs-
kürzungen von bis zu 30 Prozent veranlasst werden11. Die folgende
Tabelle bietet einen Überblick über die Kursträger der Integrationskurse
im LK MOL.
Tabelle 27: Übersicht der Kursträger für Integrationskurse - LK MOL.
Träger Kontakt FAA Bildungsgesellschaft mbH, Nord
(2 Standorte)
Mittelstr. 9, 15306 Seelow 03346/854124
Fichtenweg 3, 15306 Seelow (884158)
Strausberger Bildungs- und
Sozialwerk e.V.
(3 Standorte)
Garzauer Chaussee 15344 Strausberg
03341/301650
Wirtschaftsweg 71, 15344 Strausberg
(3596310)
Am Annatal 57, 15344 Strausberg
(471381)
TANGENS Wirtschaftsakademie GmbH Garzauer Chaussee
(Brückenkopf 9 04860 Torgau)
033421/903450
Berufsfortbildungswerk - Gemeinnützige
Bildungseinrichtung des DGB GmbH Garzauer Chaussee 1
(Schimmelsbusch Str. 40699 Erkrath)
02104/499156
11 Auszug aus der Arbeitshilfe zur Anregung von Integrationssprachkursen bei Alg II Empfängern im Jobcenter MOL.
66
Träger Kontakt Bildungszentrum des Handels GmbH Bötzseestr. 119 Strausberg/Eggersdorf
0335/413020
WIM Wirtschaftsinstitut INBECU mibeg
GmbH
Alttornow 30 Bad Freienwalde
03344/41760
Quelle: BAMF 2009.
Die konkrete Umsetzung vor Ort
Ein allgemeiner Integrationskurs umfasst 645 Unterrichtseinheiten (UE).
Daneben gibt es spezielle Integrationskurse für Frauen, Eltern,
Jugendliche und zu alphabetisierende Personen, welche einen Stundenum-
fang von 945 UE haben. Für schnelle Lerner werden Intensivkurse
angeboten, deren Stundenumfang 430 UE beträgt. Das Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge zahlt pro UE 1,35 € an den Integrations-
kursträger. Die Teilnehmenden müssen einen Euro pro UE zahlen, können
sich jedoch von diesem Kostenbeitrag auf Antrag vom Bundesamt befreien
lassen, sodass an den Kursträger die kompletten 2,35 € gezahlt werden.
Sofern ein Teilnehmender trotz ordnungsgemäßer Teilnahme am Kurs im
Abschlusstest nicht das Sprachniveau B 1 erreicht, kann er auf Antrag 300
Stunden Sprachkurs wiederholen (Zuarbeit BAMF 2009).
3.2.3.4 Beschäftigungsfördernde Maßnahmen im Rahmen des ESF
Zielgruppe und Förderperiode
Innerhalb der Förderperiode vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2013 führt
der europäische Sozialfonds (ESF) ein beschäftigungsförderndes Pro-
gramm durch, das sich an alle Personen mit Migrationshintergrund richtet,
die einer sprachlichen und fachlichen Qualifizierung für den Arbeitsmarkt
bedürfen.12 Neben Leistungsempfängern nach den Sozialgesetzbüchern II
und III richtet sich das Programm auch an Nicht-Leistungsempfänger und
berufstätige Migranten/innen. Die Fachaufsicht für das Programm liegt
beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS).
Kofinanzierung
Die nationale Kofinanzierung erfolgt durch Lohnersatzleistungen nach SGB
II und III durch Sozialversicherungsbeiträge, kommunale und Länder-
12 Ziel-1-Gebiet (75% ESF-Förderung): 10.000, Ziel-2-Gebiet (50% ESF-Förderung).
67
mittel, durch Eigenmittel der Träger sowie durch private Mittel und die
Freistellung von Arbeitnehmer/innen durch ihre Betriebe.
Ablauf nach Zuwendungsrecht
Das Bundesamt vergibt durch eine öffentliche Ausschreibung nach
Zuwendungsrecht einen Zuwendungsbescheid zur Durchführung von
beschäftigungsfördernden Maßnahmen in einem festgelegten räumlichen
Bereich. Die Agenturen für Arbeit und die Arbeitsgemeinschaften (ARGEn)
bzw. die Optionskommunen werden in den Auswahlprozess einbezogen.
Die zuwendungsberechtigten Träger stellen in Zusammenarbeit mit der
zuständigen Agentur für Arbeit oder ARGE Teilnehmergruppen zusammen
und führen entsprechende Kompetenzfeststellungsverfahren – insbeson-
dere Sprachfeststellungsverfahren – durch. Der Träger beantragt beim
Bundesamt konkrete Zuwendungen für die jeweils nachgewiesenen
Projekte.
Grundstruktur der Maßnahme
Das Programm beinhaltet ein beschäftigungsförderndes Modul mit drei
Teilkomponenten: theoretischer Unterricht, Praktika, Besuche bei
Betrieben und Institutionen sind in den Sprachunterricht integriert. Die
Gesamtstundenzahl beträgt 730 Unterrichtseinheiten. Vor allem sollen
folgende Fähigkeiten und Kompetenzen gestärkt werden (Zuarbeit BAMF):
� Fachkompetenz im jeweiligen Beruf(sfeld)
� Erwerb von mathematischen und EDV-Grundkenntnissen
� Erwerb von Bewerbungskompetenz
� Schriftsprachliche Fertigkeiten: Schreiben und Leseverstehen
� Stärkung der Fähigkeit, schnell auf sich verändernde Anforderungen
in der Arbeitswelt zu reagieren
� Training von Kommunikation am Arbeitsplatz mit der Vermittlung
der entsprechenden sprachlichen Ressourcen
68
3.2.4 Freizeit, Engagement und soziales Leben
Was das zivilgesellschaftliche Engagement der Zuwanderer/innen betrifft,
so sind in diesem Bereich noch Potenziale vorhanden, „ehrenamtliche
Tätigkeit kennen sie nicht – es ist etwas Fremdes“. Dieser Punkt greift
unmittelbar in die Kategorie Kultur und Identität hinein. Veranschaulicht
man sich etwa den „Zustand“ und den Stellenwert der Zivilgesellschaft in
Russland und den ehemaligen Sowjetrepubliken, so wird deutlich, dass die
von dort zugewanderten Spätaussiedler/innen nicht immer über
Erfahrungen mit demokratischen Spielregeln verfügen. Auch viele andere
Zuwanderer stammen aus autokratisch oder diktatorisch regierten
Ländern.
Vielfältige Beispiele im Landkreis zeigen, dass es ein sehr erfolgreicher
Weg ist, Personen mit einer Zuwanderergeschichte in die soziale und
zivilgesellschaftliche Arbeit zu integrieren. Oftmals nehmen die Zuwan-
derer nur auf diesem Wege die verschiedensten Angebote wahr,
„Selbsthilfe ist etwas neues für Sie“.
Im Sozialpark MOL e.V. (Strausberg) beispielsweise sind die „deutschen
Mitarbeiter/innen“ in der Minderheit – sie agieren im Hintergrund, die
meisten Mitarbeiter/innen verfügen über einen Migrationshintergrund. Die
Arbeit des Trägers wird von den Zugewanderten sehr gut angenommen,
vor allem Verständigungsprobleme, die aus dem Nichtverstehen der
deutschen Sprache entstehen, können so gelöst werden.
3.2.4.1 Ergebnisse der Befragung
Im folgenden Kapitel sollen einige relevante Ergebnisse, die Aussagen
zum sozialen Leben der Zuwanderer beinhalten, dargestellt werden.
Hierbei handelt es sich um junge Spätaussiedler/innen und Zuwan-
derer/innen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken, die im Landkreis MOL
leben. (dazu vertiefend Kapitel 3.2)
Freizeitverhalten und soziales Leben
Vor allem sportlichen Aktivitäten gehen die Jugendlichen nach – zumeist
ohne Vereinsmitgliedschaft. Hierbei werden sehr vielfältige Möglichkeiten
69
realisiert, etwa Fußball, Volleyball, Tischtennis oder Boxen. Das
Naturräumliche und die gute Infrastruktur werden von den Zuwanderern
sehr geschätzt – Ordnung und Sauberkeit wurden als Merkmale identi-
fiziert die Deutschland positiv von der alten Heimat unterscheiden.
Einige Jugendliche gaben zudem an, dass die Erziehung in Deutschland
nicht so streng sei – hingegen sei der Zusammenhalt in den Familien und
in den örtlichen Gemeinwesen weniger ausgeprägt.
Kontakte zur Aufnahmegesellschaft
Was diesen Punkt betrifft, so lässt sich aus den getätigten Aussagen
ableiten, dass die meisten Kontakte innerhalb der Zugewanderten
stattfinden. Wenngleich auch Aktivitäten mit einheimischen Jugendlichen
realisiert werden. Die häufigste Antwort, die diesbezüglich getroffen wurde
sagt aus, dass es egal sei mit wem man sich treffe – also mit
Zugewanderten oder mit Einheimischen (9). Dieser Aussage folgt die
Angabe, dass man sich zumeist mit Zugewanderten treffe (8), gefolgt von
der Kategorie: meistens mit Zugewanderten aber auch mit Einheimischen
(7).
Spracherwerb
Prinzipiell betrachten die jungen Zuwanderer die Angebote was den
Spracherwerb betrifft als ausreichend. Die Angebote der Träger werden
genutzt, etwa die des Jugendmigrationsdienstes (JMD) oder des
Sozialpark MOL e.V. und als sehr hilfreich und positiv bewertet.
Was den konkreten Spracherwerb betrifft, so gaben etliche Jugendliche
an, dass sie sich besonders im Bereich der deutschen Grammatik eine
Erhöhung der Intensität wünschen. Auch ein wirksamerer Austausch mit
deutschen Jugendlichen, zum Erwerb der Sprache, wurde von den
befragten Zuwanderern angeregt.
70
Die Wünsche der Zuwanderer
Frage: Sie sind für einen Tag Bürgermeister/in in ihrem Heimatort. Was
würden Sie verändern?
„Für Arbeitslose mit Kindern gebe ich mehr Möglichkeiten (Kindergarten nicht nur ab 3
Jahre) und mehr Möglichkeiten für Ausländer Seminare, usw.“
„mehr Arbeitsplätze schaffen durch Industrieansiedlung, mehr sportliche Wettkämpfe,
Zuschüsse für Lebensmittel für Migranten“
„Neu Gesetz für Asyl- Mehr Lohn für Leute“
„allen Migranten eine Wohnung zuweisen – Arbeitslosengeld erhöhen“
„für Spätaussiedler gebe ich Wohnungen“
„Einmal Monat Dorfparty wie Stadtfest“
„gegen Kinderarmut etwas mehr getan“
„ich hätte organisiert einen Verein gegen Drogen und Alkoholgetränke“
„ich hätte gern NPD Partei verbieten“
„weniger Bürokratie, wo die überhaupt nicht sein muss, mehr finanzielle Hilfe für ALG II
Empfänger oder Arbeitsangeboten“
3.2.5 Kultur und Identität
Die Identität einer Person bezieht sich darauf, wer sie als Individuum und
als Mitglied einer Gesellschaft ist. Sie beinhaltet, dass das eigene Selbst
als unterschiedlich von anderen wahrgenommen wird und dass andere
Dinge als dem Selbst zugehörig oder ihm fremd bewertet werden (vgl.
Zimbardo 1995:502, in Diefenbach&Weiß 2006).
Identifikatorische und kulturelle Betrachtungsweisen einer Person nach
bestimmten sozialen Kategorien sind als handlungsleitend einzustufen. Sie
sind daher wichtig für ihre Integrationsbereitschaft und –Fähigkeit. Zwar
bildet sich Identität in Auseinandersetzung, auch mit denjenigen Kate-
gorien, in die die Person von anderen Personen aufgrund ihrer Merkmale
eingeordnet wird, dies heißt jedoch nicht, dass die Person dieses Merkmal
71
oder Kategorien für sich als relevant akzeptiert. Diese Fremdzuschrei-
bungen werden für die Identität einer Person umso prägender, je häufiger
sie erfolgen – und das ist meist bei Merkmalen der Fall, die deutlich
sichtbar sind.
Um die Frage nach der Identität zu beantworten – die letztlich starke
Schlüsse zur integrativen Motivation der entsprechenden Person zulässt –
gilt es - neben objektiven Merkmalen - festzustellen, mit welchen sozialen,
ethnischen, oder kulturellen Gruppen sich eine Person identifiziert (vgl.
Diefenbach&Weiß 2006).
Im Rahmen dieses Gutachtens ist eine Verortung der Identität der in MOL
lebenden Zuwanderer nicht leistbar – punktuell wurden jedoch Fragen zur
Identität in den Fragebögen gestellt. Im nächsten Kapitel sollen einige
Ergebnisse diesbezüglich vorgestellt werden.
Die Ausführungen in diesem und im nächsten Kapitel sollen verdeutlichen,
dass Integration ein sehr vielschichtiger Prozess ist, dessen identifika-
torische Ebene nicht unterschätzt werden sollte und immanent ist für
erfolgreiche Integrationsprozesse.
3.2.5.1 Die Identität der Spätaussiedler/innen
Die Spätaussiedler/innen bilden in MOL sicherlich die größte Gruppe der
Zuwanderer – wenngleich diesbezüglich keine genauen Zahlen genannt
werden können, da diese aufgrund ihres Status als Rückwanderer die
deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Die Spätaussiedler/innen bringen
eine sehr eigene und spezielle „Geschichte“ mit – viele gerade der
jüngeren Spätaussiedler/innen haben den Weg nach Deutschland nicht
freiwillig und oder mit falschen Erwartungen angetreten – diese Umstände
erschweren die Integration dieser Gruppe von Zuwanderern teilweise
erheblich.
Lebenshintergründe, Migrations- und Integrationserfahrungen von
Aussiedler/innen
Unter dieser Fragestellung erfolgte im Auftrag der Körber-Stiftung eine
Untersuchung von Wierling (2004). Er befragte Russlanddeutsche zu ihren
72
Lebensgeschichten und Migrationserfahrungen. Wenngleich die Untersu-
chung in Hamburg stattfand und nicht im ländlichen Raum, sind die
Ergebnisse als Basiswissen über die Gruppe der Aussiedler/innen
einzustufen. Wierling formuliert folgende Ergebnisse als charakteristisch:
� Die weit überwiegende Zahl der nach Deutschland übergesiedelten
Russlanddeutschen wurde in einem sowjetischen Umfeld sozialisiert.
Nur noch die älteste Generation kennt rein deutschstämmige Hei-
raten und Nachbarschaften, wie sie bis zum 2. Weltkrieg üblich
waren, danach aber zerschlagen wurden. Kultur und Lebensweise
orientierten sich nicht einmal mehr an einem wenn auch überholten
und auf veraltetem Stand stagnierenden Deutschlandbild, sondern
an zeitgenössischen Kultur- und Konsummustern der sowjetischen
Gesellschaften.
� Hauptmotiv für die Übersiedlung nach Deutschland war nach dem
Zusammenbruch der Sowjetunion die Chance, für sich selbst und die
Kinder in einem wohlhabenden Land eine bessere Zukunft zu
sichern.
� Die Ausreise nach Deutschland wurde häufig gegen den Widerstand
von Angehörigen der eigenen Familie durchgesetzt. Insbesondere
ältere Kinder und Jugendliche wollten ihren alten Lebenskontext und
die peer groups, innerhalb derer sie sich bewegten, nicht aufgeben.
� Die Stigmatisierung der Deutschstämmigen als "Deutsche" oder gar
"Nazis" in der Sowjetunion schlug nach der Übersiedlung in die
Bundesrepublik in eine Stigmatisierung als "Russen" um. Dieser
verbale Ausdruck der Ausgrenzung wurde insbesondere von der
jungen Generation als Merkmal der eigenen Identitätsbildung und
Selbstabgrenzung angenommen und bewirkt noch immer erhebliche
Integrationsprobleme.
� Die gleichermaßen von außen entgegengebrachte und selbst ge-
wählte Ausgrenzung im Aufnahmeland, die vor allem auf viele
männliche jugendliche Aussiedler einwirkt, steht in enger Verbin-
dung mit dem Zeitpunkt der Übersiedlung nach Deutschland vor
oder nach Mitte der 1990er Jahre. Die frühen Aussiedlergruppen
verfügten noch über Kenntnisse der deutschen Sprache und Kultur
und trafen günstige Arbeitsmarktbedingungen in der Bundesrepublik
an, ihre strukturelle Integration gelang schnell und erfolgreich.
Unter den späteren Aussiedlergruppen besaßen nur noch wenige
Personen deutsche Sprachkenntnisse, die kulturelle Sozialisation war
73
eine komplett russische bzw. sowjetische. Die verschlechterte
Arbeitsmarktlage in Deutschland und gekürzte Mittel z.B. für
Sprachkurse erschwerten die Eingliederung im Aufnahmeland
erheblich. Die Geschichte der Migration ist für diese Menschen daher
in vielen Fällen eine Geschichte des sozialen Abstiegs13.
Die Ergebnisse von Wieling zeigen, dass vor allem die junge Generation
der Spätaussiedler/innen Integrationsprobleme hat. Die brüchige Identität
nimmt an dieser Stelle eine zentrale Rolle ein – die Fremdzuschreibung als
„Russe“ erschwert dabei die Ausbildung einer festen Identität in der
Aufnahmegesellschaft.
Ergebnisse der Befragung
Die folgende Abbildung drei verdeutlicht die kulturelle und identifi-
katorische Zugehörigkeit von jungen Spätaussiedler/innen in MOL, mit der
Frage: „Zu welchem Land fühlen sie sich eher zugehörig“ - sollten sich die
Spätaussiedler/innen im Alter zwischen 20-27 Jahren kulturell einordnen.
Die hier getroffene Auswahl an Antwortmöglichkeiten stellt einen Quer-
schnitt aller getroffenen Aussagen dar.
Zu welchem Land fühlen Sie sich eher zugehörig?
Abbildung 2: zur Identität von jungen Spätaussiedler/innen.
13 Quelle: http://www.schader-stiftung.de/wohn_wandel/865.php.
74
3.2.6 Diskriminierungserfahrungen
An dieser Stelle kann nicht außer Acht gelassen werden, dass gerade
Zuwanderer/innen unter verbalen und körperlichen Übergriffen von
Rechtsextremen und Neonazis zu leiden haben. Die Straftaten
diesbezüglich haben sich im letzen Jahr bundesweit drastisch erhöht.
Gewalt von rechts muss kein Schicksal sein – Rückgang rechter
(Gewalt)Straftaten in Brandenburg.
„Gute Nachrichten zu verbreiten ist vielleicht nicht die Aufgabe eines
Innenministers. Aber er hätte es durchaus tun können. Inmitten seiner
Statistiken ist eine Zahl fast unbemerkt geblieben, die zeigt, dass Gewalt
von rechts eben kein Schicksal sein muss, auch nicht im Osten
Deutschlands, wo die Zahl der Straftaten besonders hoch ist. Entgegen
dem Bundestrend ist in Brandenburg die Zahl rechtsextremer Gewalttaten
deutlich zurückgegangen. Noch immer gibt es auch in diesem Land viel zu
viele Straftaten von Rechtsextremen. Aber sowohl der Verein
Opferperspektive als auch die zuständige Generalanwaltschaft bestätigen
die Tendenz zur Besserung (Spiegel Nr. 23/2009:43).“
Das Erfolgsrezept, so die Autoren des Spiegel, war eine Art „Zangen-
bewegung“. Zivilgesellschaftliches Engagement auf der einen Seite und
Druck durch die Staatsorgane auf der anderen. Der Innenminister hat es
an klaren Signalen nicht missen lassen, jeder Polizist wurde per Erlass zu
verschärften Kampf gegen Neonazis verpflichtet. Es erfolgte die Anwei-
sung, jede vermeintlich belanglose Tat wie Hakenkreuzschmierereien oder
Heil Hitler-Rufe im Suff zu erfassen. Dadurch wurde es möglich, täter-
orientierte Maßnahmen zu ergreifen – der Verfolgungsdruck wurde erhöht.
Die Justiz zieht mit, mittels beschleunigter Verfahren, engagierter Ermitt-
ler und Staatsanwälte wird die Schlinge um den braunen Mob enger
gezogen (vgl. Berg & Deggerich in Spiegel Nr. 23/2009).
75
Tabelle 28: Entwicklung rechtsextremer Gewalttaten in Ostdeutschland 2008.
Bundesland
Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund
je 1 Million Einwohner 2008
2007 Veränderung gegenüber 2007 Brandenburg 28 -9
Thüringen 28 +2
Mecklenburg
Vorpommern
25 +5
Sachsen-Anhalt 42 +6
Berlin 23 +9
Sachsen 30 +9 Quelle: Bundesamt für Verfassungsschutz – in Spiegel Nr.23/2009.
Keine Entwarnung! - Anstieg der rechten Straftaten im
Allgemeinen
Im Zeitraum vom 01.01. bis 31.12.2008 sind dem LKA Brandenburg im
Bereich der PMK14 -rechts- mit 1640 Straftaten 279 Delikte mehr als 2007
(1361) gemeldet worden, das ist eine Steigerung von 20,5 Prozent.
Den größten Anteil bilden nach wie vor die Propagandadelikte mit 1211
Straftaten. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum (909 Delikte) ist hier ein
Anstieg um 302 Straftaten erkennbar, während die sonstigen Straftaten
(358) auf dem Niveau des Vorjahres (357) liegen. Im Bereich der
Gewaltdelikte (71) ist mit 22 Straftaten ein erheblicher Rückgang (-24 %)
gegenüber dem Vorjahr (2007 = 93) feststellbar. Der überproportionale
Anstieg der Fallzahlen gegenüber dem Vergleichsjahr im Bereich der
Propagandadelikte ist verbunden mit dem Rückgang derartiger Straftaten
im Phänomenbereich -Sonstige/nicht zuzuordnen. Dies ist auf eine
Neubewertung der von Unbekannt verübten Straftaten gem. § 86a StGB
zurückzuführen. Grundlage dieser Umklassifizierung ist der Beschluss des
AK II auf seiner 217. Sitzung am 12./13.03.2008 in Bremen. Danach
werden von Unbekannt verübte „echte Staatsschutzdelikte“, insbesondere
Propagandadelikte, z. B. Hakenkreuze und SS Runen, dem Phänomen-
bereich Politisch motivierte Kriminalität -rechts- zugeordnet, wenn keine
gegenteiligen Tatsachen zur Tätermotivation vorliegen. „Echte Staats-
schutzdelikte“ werden nur dann als „Straftaten ohne explizite politische
Motivation“ eingestuft, wenn im Einzelfall das Nichtvorliegen einer politi-
schen Motivation festgestellt werden kann. Unbeschadet der veränderten
Klassifizierungspraxis ist ein Fallzahlenanstieg im Land Brandenburg in 14 Politisch Motivierte Kriminalität
76
diesem Teilbereich der politisch motivierten Kriminalität, insbesondere
durch „Schmierereien“ von strafbewährten Symbolen, zu verzeichnen. Im
Bereich der Gewaltdelikte ist der Rückgang insbesondere bei Straftaten
mit fremdenfeindlichen Bezügen feststellbar. Der zahlenmäßige Rückgang
der Gewaltdelikte, hier insbesondere der Körperverletzungsdelikte, dürfte
im Zusammenhang mit den stattgefundenen Kommunalwahlen im Jahr
2008 zu sehen sein.
Ein Antreten der rechtsextremen Parteien NPD und DVU wird hiernach als
mitursächlich für ein gemäßigtes Auftreten sogenannter „Freier Kräfte“
gesehen. Ein hohes Aufkommen von Straftaten seitens der rechtsextrem-
istischen Szene hätte sich im Umkehrschluss negativ auf Wahlent-
scheidungen für die NPD bzw. DVU auswirken können. Die Aufklärungs-
quote in Fällen politisch motivierter Kriminalität -rechts- beträgt
insgesamt 46% (2007 = 55%) und bei Gewaltdelikten 83% (2007 =
85%).
Unter Berücksichtigung der mehrdimensionalen Erfassung von Themen-
feldern wurden von den 1640 Straftaten in 1319 Fällen Bezüge zum
Themenfeld „Nationalsozialismus/Sozialdarwinismus“ festgestellt. In 144
Fällen war ein fremdenfeindlicher sowie in 120 Fällen ein antisemitischer
Bezug erkennbar. In 122 Fällen war das Themenfeld „Konfrontation gegen
links“ betroffen. Bei Gewaltdelikten wurden Bezüge zum Themenfeld
„Konfrontation gegen links“ in 43 Fällen festgestellt. In 11 Fällen (2007 =
40 Fälle) waren fremdenfeindliche und in 16 Fällen Bezüge zum
Themenfeld „Nationalsozialismus/Sozialdarwinismus“ feststellbar. Fünf
politisch motivierte Gewaltstraftaten wiesen antisemitische Bezüge auf
(LKA Brandenburg 2009 – Politisch Motivierte Kriminalität – Lagebild
2008: 9).
Interpretation
Die Zahlen und die Analyse des LKA zeigen, dass besonders die Delikte im
Propaganda-Bereich stark angestiegen sind – was wiederum auf eine
geänderte Erfassung dieser Delikte zurückführen ist. Es liegt daher die
Vermutung nahe, dass die Zahl dieser Delikte auch in den Jahren zuvor
wesentlich höher war. Obwohl die Gewaltdelikte zurückgegangen sind,
was auf sinkende Aktivitäten besonders radikaler Kräfte hinweist, sind die
gesamten Delikte der PMK –rechts- gestiegen.
77
Somit kann das Fazit gezogen werden, dass auch die Anzahl der Diskrimi-
nierungserfahrungen, die die Zuwanderer/innen erfahren müssen, ge-
stiegen ist. Denn besonders Propagandadelikte zielen auf die Ausgrenzung
und Diskriminierung von Zuwandern ab. Zumal hier nur jene in Betracht
gezogen werden, die verfassungswidrig sind. Gerade in Zeiten der
politischen Mobilisierung wird von den rechten Parteien gezielt Stimmung
gegen Zuwanderer/innen betrieben, etwa mit Slogans wie „gute
Heimreise“ – diese „Propagandadelikte“ können nicht zur Anzeige ge-
bracht werden und sind dennoch flächendeckend präsent.
Höchste Aufklärungsquote der politisch motivierten Kriminalität–
rechts – in MOL
Eine sehr gute Arbeit im Kampf gegen politisch motivierte Kriminalität von
rechts leistet die Polizei des Schutzbereiches Märkisch-Oderland. Die
Aufklärungsquote der rechten Straftaten ist mit 68 Prozent die höchste im
ganzen Land Brandenburg – die niedrigste weist der LK Teltow-Fläming
mit 24 Prozent auf. Betrachtet man die Anzahl der rechten Straftaten im
Allgemeinen, so ordnet sich der LK MOL im Landesvergleich im Mittelfeld
ein.
Tabelle 29: Politisch motivierte Kriminalität (rechts) – Bereich Polizeipräsidium Frankfurt
(Oder) im Jahr 2008 - Fallzahlen und Aufklärungsquoten.
Bereich
PMK rechts
Fälle Aufklärungsquote 2008 2008
Land Brandenburg 1640 46%
SB MOL 99 68%
PP Frankfurt/Oder 899 54%
SB Uckermark 140 49%
SB Barnim 133 64%
SB Oder-Spree/FF(O.) 151 43%
SB Dahme-Spreewald 89 48%
SB Cottbus/Spree-Neiße 244 56%
SB Oberspreewald-Lausitz 43 56%
Quelle: LKA Brandenburg 2009 – Politisch Motivierte Kriminalität – Lagebild 2008.
Politisch motivierte Kriminalität von „rechts“ ist fortwährend und ange-
stiegen. Gezielte Projektarbeit gerade mit männlichen Jugendlichen, die
diesbezüglich die größte Tätergruppe stellen, ist daher vonnöten.
78
3.2.7 Die Offenheit der Aufnahmegesellschaft
Toleranz und Offenheit gegenüber Zuwanderern in der Aufnahmegesell-
schaft zu erzeugen ist eine zentrale Aufgabe. Die Offenheit gegenüber den
„Neuen“ ist vielfach zugleich als größte Schwierigkeit einzustufen. An
dieser Stelle des Gutachtens kann keine aussagekräftige Statistik hinzu-
gezogen werden. Dennoch soll der Versuch unternommen werden, ein Bild
zu erzeugen, das sich aus vielfältigen Aussagen und Eindrücken
zusammensetzt die in der empirischen Phase der Gutachtenerstellung
entstanden.
Zuwanderung wird vielfach nicht als Potenzial erkannt
Ressentiments gegenüber fremden Kulturen sind weit verbreitet; ein
kultureller Austausch auf der Ebene der Bürger findet ohne offizielle
Rahmung – in Form von Initiativen oder geförderten Programmen – nur
sehr selten statt. Dass Zuwanderung in MOL lediglich eine marginale
Größe bildet, macht diesen Umstand entsprechend problematischer.
Wenngleich diese Einschätzung einen erheblichen normativen Gehalt
enthält, ist diese Wertung an dieser Stelle berechtigt. Ausgehend von dem
Integrationsbegriff, mit dem dieses Gutachten operiert, auch objektiv.
Einschränkend muss an dieser Stelle auch festgehalten werden, dass
Integrationsprozesse – gerade was die Spätaussiedler/innen betrifft -
befördert wurden und werden, hier jedoch Faktoren hemmend wirken, die
sicherlich einer vertiefenden Analyse bedürfen (ein Versuch diesbezüglich
wurde im vorangestellten Kapitel unternommen).
Die Ressentiments gegenüber den Zuwanderern existieren vor allem dort,
wo Zuwanderung geschieht. An dieser Stelle sei nochmals das Viertel am
Annatal in Strausberg genannt: Es gibt einen Treffpunkt für die
Spätaussiedler/innen im Viertel – diese sind hier zumeist unter sich. Es
gibt sicherlich Ausnahmen wie jährlich stattfindende Feste. Die Grund-
schule im Viertel hat den höchsten Anteil von Zuwandererkindern
kreisweit (ca. 20 Prozent). Seitens vieler deutscher Eltern bestehen
Bedenken, ihre Kinder dort einzuschulen – aufgrund des hohen
„Ausländeranteils“. Den Kindern, die dort gemeinsam lernen und soziale
Kontakte aufbauen, fällt somit eine bedeutende Rolle zu. Erlernte und
gelebte Toleranz sowie Multikulturalität können sie in ihr soziales Umfeld
hineintragen – vielleicht entstehen so auch Kontakte auf der Ebene der
Eltern.
79
Kontakte durch die Jugendlichen des Projektes 1260 e.V.
Jugendliche des Alternativen Jugendprojektes 1260 e.V. (Horte) bemühen
sich, die Interessen und Probleme der Bewohner/innen des Asylbewerber-
heimes aufzunehmen und diese in das Gemeinwesen der Stadt Strausberg
zu integrieren. Dieses Engagement steht exemplarisch für sehr ehrliche
und direkte Integrationsarbeit. Jeden zweiten Mittwoch treffen sich die
Jugendlichen des alternativen Jugendprojektes vor Ort mit den
Bewohner/innen des Heimes. Es besteht eine Vertrauensebene zu ca. 5-10
der dort lebenden Zuwanderern. Einige besuchen auch den Treff in
Strausberg, es gibt gemeinsame Essen und vor allem Gespräche.
Interkulturelle Öffnung der Verwaltung
Wichtiger und zumeist erster Anknüpfungspunkt der Zuwanderer ist die
Verwaltung in den entsprechenden Kommunen und auf der Ebene des
Landkreises. Um die entsprechenden Institutionen auf den Umgang mit
Zuwanderern vorzubereiten, unterbreitet die RAA Angebote15, die die
interkulturellen Fähigkeiten der entsprechenden Mitarbeiter/innen beför-
dern sollen. Diese Angebote beziehen sich nicht ausschließlich auf die
Verwaltung – im Fokus stehen auch die Bildungs- und Einrichtungen der
Kindertagesbetreuung. Die Entwicklung und Etablierung von Institutionen
übergreifenden Vorhaben soll sich dabei besonders an der spezifischen
Situation und den Bedarfslagen der Bildungseinrichtungen und der jewei-
ligen Gemeinden orientieren.
Seit dem Jahr 2008 wird die Verwaltung der Gemeinde Neuhardenberg
von der RAA begleitet, auch das Amt Lebus hat diesbezüglich sein
Interesse geäußert. Es wird seitens der RRA zudem versucht, im Amt
Märkische-Schweiz, in dem auch das Asylbewerberheim angesiedelt
wurde, einen solchen Prozess zu initiieren. Die Akteure der RAA sind in
Hinblick auf Schulungsangebote zur Vermittlung von interkulturellen
Fähigkeiten und Kompetenzen als treibende Kraft einzuordnen.
Es werden zudem unterstützende Angebote, von den Migrations-
fachdiensten (vor allem der Caritas) im Bereich der frühkindlichen Bildung
realisiert. Hier erfolgt eine Zusammenarbeit mit der Kita Tausendfüßler in
Strausberg sowie mit einer Kita in Neuenhagen und Bralitz.
15 Dazu vertiefend: http://www.raa-brandenburg.de/ProjekteProgramme/InterkulturelleKompetenzimLandBrandenburg/tabid/146/Default.aspx
80
4. Fallbeispiele
Im Folgenden sollen zwei Fallbeispiele Integrationsprozesse und Integra-
tionsarbeit im Landkreis verdeutlichen. Zum einen geht es um die
Integration (Zuweisung) von Spätaussiedler/innen in die Gemeinde
Neuhardenberg zum anderen um die Implementierung eines Integrations-
konzeptes in den politischen Prozess der Stadt Strausberg. Es werden
somit auch zwei sehr unterschiedliche Ebenen beleuchtet – die dennoch
als exemplarisch einzustufen sind.
4.1 Die Geschichte der Spätaussiedler in Neuhardenberg
Befasst man sich mit Zuwanderungs- und Integrationsprozessen im
Landkreis Märkisch-Oderland, so erfährt man sehr schnell von der kleinen
Gemeinde am Rand des Oderbruchs, die auf eine große und bewegte
Geschichte zurückblicken kann. Im jüngeren Teil dieser bewegten und
nicht immer einfachen Vergangenheit nehmen Spätaussiedler/innen eine
zentrale Rolle ein. Im Zuge der staatssozialistischen Transformation folgte
die Abwicklung der militärischen Nutzung des nahen Militärflugplatzes;
dies führte zu überproportionaler Abwanderung und immensem Leerstand
im Ort. Diese Kapazitäten wurden dazu genutzt, die zugewiesenen Spät-
aussiedler/innen unterzubringen, „man hat auch gehofft, dass es eine
weitere Nutzung des Flughafens geben wird und dann Arbeitsplätze und
ein Integrationsprozess entstehen – dies ist aber nicht so gekommen“.
Zuwanderung auf Zuweisung
Der Zuzug der Spätaussiedler/innen erfolgte, „sehr massiv“ initiiert durch
den Landkreis, die Kommune wurde in diesen Prozess weitestgehend nicht
einbezogen. Dennoch war dieser immense Zuzug auch für die Kommune
von Vorteil; die finanziellen Zuweisungen stiegen wieder. Das sozial-
strukturelle Gefüge geriet aus dem Gleichgewicht, die ohnehin
fragmentierte Sozialstruktur des Ortes wurde um eine weitere soziale
Gruppe ergänzt, „wir waren schon zu DDR Zeiten ein gespaltenes Dorf –
Alteingesessene und Armee, wir haben hier kein wirkliches Zusam-
menleben, das macht die Sache noch komplizierter. Die Situation wäre
eine andere gewesen wenn die Zuwanderung in ein intaktes Gemeinwesen
erfolgt wäre“.
81
Berührungspunkte
Die Unterbringung der Spätaussiedler/innen in einer Plattenbausiedlung
am Rande des Ortes war und ist für die Integration der Neu-
Neuhardenberger nicht förderlich, „durch den massiven Zuzug auf einen
Fleck sind die Deutschen dann ausgezogen, sodass sie dann noch mehr
allein waren“. Die Neugliederung der sozialen Grundsicherung im Zuge der
Hartzreformen führte zudem dazu, dass das Sozialamt nicht mehr im Ort
ist. Ein wichtiger Anknüpfungspunkt zu den Spätaussiedler/innen für die
kommunalen Akteure ging somit verloren. Generell betrachtetet sehen
viele der Zugewanderten den Ort lediglich als Zwischenstation – wer kann,
geht weg. Es verhärtet sich somit ein Kern von Zuwanderern, die aus den
verschiedensten Gründen bleiben: mangelnde Sprachkenntnisse, keine
Perspektiven auf dem (westdeutschen) Arbeitsmarkt oder keine An-
knüpfungspunkte zu Verwandten oder Bekannten in anderen Regionen der
Republik.
Was die Kindertagesbetreuung und die Grundschule im Ort betrifft, so ist
in beiden Fällen das Amt der Träger der Einrichtungen. Für kommunale
Integrationsarbeit bleibt jedoch wenig Spielraum, „es gibt Vorgaben und
wir müssen sie umsetzen.“
Aktuell stammen zehn der insgesamt 99 Kinder in der Kindertages-
betreuung im Ort aus Spätaussiedlerfamilien – ein Kind in jedem Jahr-
gang, im Alter zwischen einem und zehn Jahren.
Integration auf Zuweisung?
Generell lässt sich festhalten, dass es vielfältige Bemühungen gab und
gibt, um die Spätaussiedler/innen in das örtliche Gemeinwesen zu inte-
grieren. Es gibt einen freien Träger, der sich engagiert darum bemüht,
Angebote im Freizeitbereich vorzuhalten – auch die örtlichen Sportvereine
sind auf die Jugendlichen Spätaussiedler/innen zugegangen, „Es gab
Versuche sie in Sportvereine zu integrieren, das hat jedoch nicht
funktioniert – es lag nicht daran, dass man keine Hand gereicht hat, es lag
vielmehr daran, dass man sich bedrängt gefühlt hat. Jeder wollte plötzlich
etwas, jeder wollte sich kümmern, Einzelne haben Angebote ange-
nommen. Es ist aber auch nicht als Problem wahrgenommen worden.“
Auch in Neuhardenberg wurde vielfach ein Zugang zu den Zuwanderern
geschaffen, indem bestimmte Stellen durch Personen mit einer Zuwan-
derergeschichte besetzt wurden. Aktuell gibt es eine Kommunalkombi-
82
stelle im Bereich der Seniorenarbeit, die von einer Aussiedlerin besetzt
wird, „die Älteren sind auch eher integriert.“
Zusammenfassung – Problemlagen
„Die Spätaussiedler, die dazugekommen sind, haben auch noch mal eine
eigene Farbe mitgebracht. Zehn Prozent der Bevölkerung sind heute hier
Spätaussiedler und das ist schon eine ganz schöne Größenordnung. Das
prägt dann ein Dorf doch. Wobei ich noch nicht sehe, dass das Dorf sieht,
was auch für Chancen da drin liegen."16
Das hier vorliegende Zitat beschreibt eine zentrale Problemlage sehr
treffend – im Kontext dieser Arbeit wird diese Kategorie mit der Offenheit
der Aufnahmegesellschaft beschrieben. Zuwanderung wird vielfach nicht
als Potenzial erkannt. Im Fall der Gemeinde Neuhardenberg summieren
sich zudem die sozialen Problemlagen, im Vergleich zum gesamten
Landkreis überproportional. Im Jahr 2004 erhielten 10 Prozent der
Einwohner Sozialhilfe – im Landkreis MOL gesamt 3,4 Prozent. Die
Ausgaben für Sozialhilfe sind in der Gemeinde von 1995-2004 um 329
Prozent angestiegen (vgl. Hädicke 2006).
Ein Teil dieser hohen Ausgaben lässt sich dabei auf die Aussiedler/innen
zurückführen, der größere Teil jedoch auf sozial schwache Bevölkerungs-
gruppen deutscher Herkunft. Es bleibt somit wenig Spielraum für Inte-
grationsarbeit. Es mangelt an finanziellen Mitteln und vor allem an
Kompetenzen in der Bevölkerung, was vor allem mit dem immensen
Abfluss von Humankapital im Zuge des Schrumpfungsprozesses erklärt
werden kann.
16 Das Zitat entstammt aus der Diplomarbeit: Marxwalde – Neuhardenberg Vom sozialistischen Vorzeigeort zum sozialen Brennpunkt. (Hädicke Stefan, Juni 2006 – integrierter Studiengang Sozialpädagogik/Sozialarbeit, Universität Siegen)
83
4.2 Das Integrationskonzept der Stadt Strausberg
Am 4. Oktober 2007 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der
Stadt Strausberg ein Integrationskonzept für die Stadt. Dem Konzept
vorangestellt war ein langer Initiierungs- und Erarbeitungsprozess: Im
Jahr 2004 wurde im Arbeitskreis Strausberg eine Arbeitsgruppe zur
Erarbeitung eines Integrationskonzeptes gegründet. Ein erster Entwurf lag
ein Jahr später vor. Die Überarbeitungsphase dauerte wieder etwa ein
Jahr. Ende des Jahres 2006 wurde der Entwurf des Integrationskonzeptes
an die Stadtverwaltung übergeben, welche dieses wiederum am Ende des
folgenden Jahres beschloss. Grundsätzlich verfolgten die Initiatoren mit
der Erstellung des Konzeptes, dass die Bürger/innen der Stadt Zuwan-
derung in ihrem Ort wahrnehmen und in der Stadt ein integrationsoffenes
Klima entsteht.
Inhalte des Konzeptes
Das Konzept führt mit einer Zielstellung an die Thematik heran und
definiert erste Schwerpunkte für die Integrationsarbeit in der Stadt.
Folgend hierzu ein verkürzter Auszug:
� Leitbilddiskussion und Verankerung der interkulturellen Öffnung in
Leitbild
� Zielbestimmung, Entwicklung von Leitlinien und Evaluationskriterien
� Veränderung von strukturellen und institutionellen Rahmenbeding-
ungen
� Bedürfnisanalyse und Bestandsaufnahme der interkulturellen Arbeit
� Trägerübergreifende Kooperation und Vernetzung
Es folgen die Bestimmung von Handlungsfeldern für die Integration, mit
der Aufnahme beginnend über verschiedene Förderformen für den Sprach-
erwerb, Bildungsmöglichkeiten und andere Möglichkeiten der gesell-
schaftlichen Partizipation. Schließlich bündelt die Konzeption alle wichtigen
Ansprechpartner/innen zum Thema Zuwanderung und verweist auf beste-
hende Fachdienste in der Stadt und im Landkreis.17
17 Dazu vertiefend Integrationskonzept der Stadt Strausberg, online verfügbar unter: http://www.stadt-strausberg.de/neu/cms/upload/pdf/aktuelles/integrationskonzept_beschluss_.pdf
84
Die Implementierung des Konzeptes in Praxis und Diskurse
Strausberg verfügt somit als einziger Ort im Landkreis über ein Inte-
grationskonzept. Die Konzeption stellt keine Selbstverständlichkeit dar.
Der Prozess wurde aus der Trägerlandschaft der Stadt und von Akteuren
der Zivilgesellschaft angestoßen, die Stadtverwaltung wurde infolgedessen
für die Thematik sensibilisiert. Eine Weiterentwicklung – die auch von den
Autoren für notwendig erachtet wird – ist ausgeblieben. Konkret wären
weiterführende Schritte infolge einer Bedarfsanalyse notwendig, um über
eine Zustandsbeschreibung hinweg zu verfahren.
Der Prozess steht somit exemplarisch für die Diskrepanz zwischen poli-
tischer Konzeption und sozialer Praxis. Im Kontext der Gespräche, die zum
Entstehungsprozess und zur Umsetzung des Konzeptes geführt wurden,
entstand zudem der Eindruck, dass Zuständigkeiten, was die Integrations-
arbeit vor Ort betrifft nicht immer klar organisiert sind. Es fehlt ein fester
Ansprechpartner/in innerhalb der Stadtverwaltung, der Kompetenzen und
Informationen bündelt. Zum Teil gab es infolge des Integrationskonzeptes
einen Rücklauf, der auch besagte, dass es keine integrationsbedingten
Probleme gebe – etwa von den Schulen der Stadt. Eine weitere Gemenge-
lage deutet darauf hin, dass sich Problemlagen überlagern, „da kommen
die integrationsbedingten an zehnter Stelle“.
Es ist zudem festzuhalten, dass sich innerhalb der Trägerlandschaft und
anderen Akteuren, etwa aus dem Bildungsbereich, Mechanismen entwick-
elt haben, die die Problemlagen - in Eigenregie - durchaus kompetent
anpacken und zu lösen vermögen.
Zusammenfassung
Es ist an dieser Stelle nochmals zu erwähnen, dass mit dem Integrations-
konzept ein wichtiger Schritt begangen wurde. Die Zivilgesellschaft hat die
Thematik in die politische Arena transferiert, eine nachhaltige
administrative Verankerung ist jedoch ausgeblieben. Hier gilt es
anzuknüpfen, um die Thematik auf eine breite gesellschaftliche Basis zu
stellen. Vor allem gilt es, nachhaltige und langfristige Strukturen zu
schaffen – jenseits von zivilgesellschaftlichen Arbeitskreisen, deren En-
gagement es nicht überproportional zu beanspruchen gilt.
85
4.3 Übersicht der Fachdienste im Landkreis
Migrationsfachdienste im Landkreis Märkisch-Oderland
Sozialpark MOL e.V. Caritasverband für
das Erzbistum Berlin
e.V.
Diakonisches
Werk
Seelow
Caritasverband für
das Erzbistum Berlin
e.V.
Regionale
kreisfinanzierte
Beratung für Zuwanderer
Bundesgeförderte
Migrationserst-
beratung für
Neuzuwanderer
Bundesgeförderter
Jugend-
migrationsdienst
Überregionale
landesfinanzierte
themenspezifische
Beratung für
Asylsuchende, Geduldete
und Kriegsflüchtlinge nach
LAaufnG Quelle: Zuarbeit der Fachdienste.
Regionale kreisfinanzierte Beratung für Zuwanderer
Die soziale Beratung für diesen Personenkreis umfasst insbesondere:
� Unterrichtung der Asylsuchenden und anderen Flüchtlingen über ihre
Situation in der Bundesrepublik
� Orientierungshilfen im täglichen Leben, Unterstützung bei Kinder-
betreuung und Freizeitgestaltung, soweit sie nicht durch die Betreu-
ung in den Gemeinschaftsunterkünften gedeckt werden
� Angebote zur Beratung und Hilfe in besonderen Lebenslagen
(unterstützt durch die überregional tätigen Dienste für besondere
Beratungsbedarfe)
� Hilfe bei der Bewältigung psychosozialer und familiärer Schwierig-
keiten, Konflikt- und Krisenmanagement
� Förderung der Rückkehrbereitschaft und Unterstützung rückkehr-
bereiter Flüchtlinge
Träger
Sozialpark Märkisch-Oderland e.V.
Am Annatal 57, 15344 Strausberg
Tel./Fax 03341/471381
86
Bundesgeförderte Migrationserstberatung (MEB)
Die Migrationserstberatung soll den Integrationsprozess bei Zuwanderern
innerhalb der ersten drei Jahre nach der Einreise bzw. nach Erhalt eines
gesicherten Aufenthaltes initiieren, steuern und begleiten.
Die Integrationsförderung soll durch bedarfsorientierte Einzelfallbeglei-
tung/Case- Management erfolgen. Die übergreifenden Ziele der indivi-
duellen Förderung und Begleitung durch die MEB sind:
� Stärkung der Fähigkeiten, Fertigkeiten und
Problemlösungskompetenzen der Klient/innen
� Verbesserung der Integration
� Stärkung der Fähigkeiten zur Lebensplanung und Krisenbewältigung
der Klient/innen
� Nutzung der Ressourcen anderer sozialer Dienste
� Organisation materieller Hilfen
� Weitere Schwerpunkte der MEB bilden die sozialpädagogische
Begleitung während der Integrationskurse, die Netzwerkarbeit sowie
die Mitwirkung bei der interkulturellen Öffnung.
Träger
Überregionale landesfinanzierte themenspezifische Beratung für
Asylsuchende und Geduldete
Die Beratungsstelle in Strausberg ist ein Teil der überregionalen
Beratungsstelle für die Landkreise Märkisch-Oderland, Oder-Spree und
Dahme-Spree sowie die Stadt Frankfurt (Oder). Im Nachfolgenden werden
die Ziele der überregionalen Beratung verdeutlicht:
Caritasverband für das Erzbistum Berline.V.
Region Brandenburg Ost
Caritasberatungszentrum Strausberg
Große Str. 12, 15344 Strausberg Tel.:03341/ 311784
FAX: 03341/ 3901059
87
� Wahrung eines kontinuierlichen, schlüsselunabhängigen Beratungs-
angebotes für Flüchtlinge im Land Brandenburg, dass sich am
Bedarf der Flüchtlinge und an den regionalen Gegebenheiten
orientiert
� Kompetente Ergänzung des regionalen Beratungsangebotes durch
die Abdeckung besonderer Beratungsbedarfe
� Verbesserung der psychosozialen Situation von Flüchtlingen, sowie
Minderung und Beseitigung von Notlagen
� Verbesserung der Wahrnehmung von Rechten und Pflichten in Asyl-
und ausländerrechtlichen Verfahren
� Unterstützung der Flüchtlinge bei der Suche nach
Lebensperspektiven
� Abbau von Barrieren beim Zugang zu anderen Beratungsdiensten
� Stärkung des Selbsthilfepotenzials
� Stärkung der Kompetenzen von ehrenamtlich Tätigen und
Unterstützung des Engagements
Die Aufgaben der überregionalen Beratungsstellen sind:
� Spezialisierung auf die Beratung im AsylVerfG und AufenthG
� Beratung in besonders schwierigen Lebenslagen
� Beratung in Härtefällen
� Ansprechpartner für Ehrenamt, Initiativen und Projekte
� Anbindungspunkt für Projekte z.B. nach den Richtlinien des EFF
� Mitarbeit in Migrationsfachdiensten
� Öffentlichkeitsarbeit, Gremienarbeit
Träger
Caritasverband für das Erzbistum Berlin e.V.
Region Brandenburg Ost
Caritasberatungszentrum Strausberg
Große Str. 12, 15344 Strausberg Tel.: 03341/ 311784
FAX: 03341/ 3901059
88
Jugendmigrationsdienst (JMD)
Die Einzelberatung folgt wie bei der MEB dem Arbeitsprinzip des Case-
Management. Die Bausteine der Beratung sind daher im Wesentlichen mit
denen der MEB identisch. Der Beratungsansatz der JMD ist jedoch
jugendspezifisch ausgerichtet: Beratungssituationen sind geprägt von der
Suche der jugendlichen Klienten/innen nach Orientierung in allen
Lebensbereichen. Vor diesem Hintergrund ist die professionelle Rolle der
sozialpädagogischen Berater/innen eine andere als im Umgang mit
Erwachsenen. Die Berater/ innen müssen über spezifische Informationen
verfügen, z.B. Kenntnisse der lebensalterspezifischen Problemlagen, be-
sondere Kenntnisse der Arbeitsmarkt- und Ausbildungssituation
Jugendlicher in der Region, aktuelle Informationen über Förder-
möglichkeiten und Maßnahmen zum Berufseinstieg (Maßnahmenkatalog
der Jugendberufshilfe). Zudem erfordert die Arbeit mit Jugendlichen
besondere Kommunikationskompetenzen. Sie benötigen eine andere Art
der Ansprache als Erwachsene, um ein Vertrauensverhältnis zur
beratenden Person aufzubauen, sich auf einen kontinuierlichen
Beratungsprozess einzulassen und sich zu selbstständigen Schritten in
Richtung Beratungsziel motivieren zu lassen.
Die Durchführung von Gruppenangeboten (z.B. Berufsorientierung,
Bewerbungstraining, Drogen- und Gewaltprävention) ist ein weiteres
wichtiges Merkmal der jugendspezifischen Ausrichtung der Dienste. Neben
der Beratung und Durchführung eigener Gruppenangebote
Zielgruppen des JMD sind:
� neu zugewanderte Jugendliche und junge Erwachsene im nicht mehr
schulpflichtigen Alter mit Daueraufenthaltsperspektive – zeitnah
nach der Einwanderung;
� Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationshinter-
grund vom 12. Bis zum 27. Lebensjahr;
� Dienste, Einrichtungen, ehrenamtliche Initiativen, Behörden und
Netzwerke und die Bevölkerung im Gemeinwesen, im Sozialraum
der Jugendlichen;
Die Ziele der Beratung können wie folgt umrissen werden:
� Verbesserung der Integrationschancen durch eine individuelle Integrationsförderung;
� Förderung von Chancengleichheit junger Migrantinnen und
Migranten gegenüber gleichaltrigen einheimischen Jugendlichen;
89
� Förderung der Partizipation von zugewanderten jungen Menschen in
allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens
� Aufgabe des JMD ist außerdem die Beförderung der interkulturellen
Öffnung der Einrichtungen und Dienste, die für jugendliche
Zuwanderer/innen relevant sind.
Träger
5. Empfehlungen und Fazit
5.1 Ein Plädoyer zur Regionalisierung der Integrationsarbeit
Die Analyse der Zuwanderungsprozesse im Landkreis hat ergeben, dass
sich Zuwanderung und die entsprechenden Integrationsaufgaben auf
einige zentrale Orte im Landkreis konzentrieren. Es ist anzunehmen, dass
sich diese Konzentrierung fortsetzt, vor allem nach Strausberg. Zum einen
erfolgt eine Zuweisung von Asylbewerber/innen und Flüchtlingen in
Wohnungen des Ortes, zum anderen ist die Stadt attraktiv durch ihre
Infrastruktur und ihre Berlin nähe. Dennoch sollten andere Orte nicht
außer Acht gelassen werden. Hier gilt es die Analyse zu vertiefen – dies
konnte im Rahmen dieses Gutachtens nicht allumfassend geleistet
werden. Vor allem die Lebensbedingungen der noch im Landkreis
lebenden Spätaussiedler/innen gilt es hierbei zu analysieren; dies betrifft
vor allem die Orte Neuhardenberg und Seelow, aber auch Bad Freienwalde
und Rüdersdorf.
Kompetenzen vor Ort bündeln
Auf Bundes- und Landesebene existieren Integrationspläne und –Konzep-
tionen – diese erreichen jedoch in den wenigsten Fällen die kommunalen
Akteure, bzw. sind diese für sie nicht von Relevanz. Die Bürger/innen vor
Diakonisches Werk Oderland-Spree e.V.
Feldstr. 3 15360 Seelow
Tel.: 03346 / 896918
FAX: 03346 / 896919
90
Ort erreichen diese Konzeptionen zumeist nicht. Dieses Defizit lässt sich
nur durch eine Regionalisierung der Integrationsbemühungen und –Aufga-
ben schließen – angepasst an die sehr unterschiedlichen Konstellationen
und Zuwanderungsgeschichten in den entsprechenden Orten.
Zu Beginn sollte eine ehrliche Auseinandersetzung mit der Thematik
stehen und eine Vernetzung der beteiligten Gruppen und Akteure ange-
regt werden. Zur Initiierung solcher Prozesse kann Hilfe eingefordert
werden – über Kompetenzen und Methoden verfügen beispielsweise die
Mitarbeiter/innen der RAA und der Mobilen Beratungsteams sowie die
Fachdienste im Landreis.
Arbeitskreise können solche Prozesse anregen – zur Verstetigung müssen
Aufgaben klar verteilt werden, eine administrative Verankerung sollte
diesbezüglich angestrebt werden. Auch in Anbetracht chronisch finanz-
schwacher Städte und Kommunen sollte die Integrationsarbeit nicht als
freiwillige Zusatzaufgabe verstanden werden – was zumeist dazu führt,
dass die Erfüllung dieser Aufgaben im Bereich der Trägerlandschaft und
Wohlfahrtspflege gesehen wird. Verfehlte Integration verursacht soziale
und ökonomische Verwerfungen – und somit auch Kosten. Dem kann
durch fortwährende Integrationsarbeit entgegengewirkt werden. Zuwan-
derung bürgt kulturelle und ökonomische Potenziale, die es zu befördern
gilt. Gerade die Berlin fernen Gebiete des Landkreises sind langfristig auf
Zuwanderung angewiesen, auch um die dortige Infrastruktur aufrecht-
zuerhalten.
5.2 Empfehlungen an den Landkreis
Auf der Ebene des Landkreises sollte ein differenzierter Blick auf Zuwan-
derungsprozesse entwickelt werden – auch hier unter der Prämisse,
Chancengleichheiten zu gewährleisten. Wege hin zu einer sozialräumlichen
Berichterstattung und Analyse wurden aufgezeigt, gerade was den so
wichtigen Bereich der frühkindlichen und schulischen Bildung betrifft.
Es ist zudem ratsam und zeitgemäß, bei der statistischen Erfassung der
Personengruppe der Zuwanderer das Merkmal „Ausländer“, was lediglich
auf eine nicht-deutsche Staatsbürgerschaft hinweist, wo immer es möglich
ist, durch das Merkmal „Migrationshintergrund“ zu ersetzen – so lassen
sich beispielsweise auch die Integrationsprozesse der Spätaus-
91
siedler/innen verfolgen. Die Landes- und Bundesstatistik führt diese
Merkmalsführung stückweise ein; diesen Prozess gilt es zu beobachten
und zu implementieren. Die Erhebung der Mikrozenzusdaten (2005) für
das Land Brandenburg haben gezeigt, dass ca. 6 Prozent der in
Brandenburg lebenden Bevölkerung über einen Migrationshintergrund
verfügen – übernimmt man diese 6 Prozent für den Landkreis MOL, ergibt
dies eine Zahl von ca. 11.400 Personen. Daraus lässt sich durchaus
ableiten, dass Personen mit einer Zuwanderungsgeschichte in MOL eine
signifikante Größe bilden.
Sozialen Segregationsprozessen entgegenwirken
Was passiert eigentlich in den Plattenbausiedlungen in und am Rande ost-
deutscher Kleinstädte? So oder ähnlich müsste die Fragestellung lauten,
der man zukünftig verstärkt Aufmerksamkeit widmen muss.
Bunte Fassaden und begrünte Rabatten überdecken oftmals die sozialen
Problemlagen, die sich in diesen Vierteln überlagern – im Kontext von
Zuwanderung sei dieser Sachverhalt genannt, da diese Wohngebiete auch
die neue Heimat der meisten Zuwanderer bilden - in Strausberg und
Neuhardenberg, sicherlich auch in Seelow, Rüdersdorf und anderswo im
Kreis. Zuwanderungsprozesse konzentrieren sich somit auf der einen Seite
– Integrationsprozesse erschweren sich auf der anderen. Für die Belange
der Zuwanderer ist zumeist wenig Raum in Anbetracht wachsender
Probleme wie der allgemein stark gestiegenen Kinderarmut, die sich
beispielsweise in Essensschulden in der Kindertagesbetreuung manifes-
tiert. Handlungsoptionen für diesen Wohn- bzw. Siedlungstyp existieren
nicht. Die wachsende soziale Ungleichheit in der bundesdeutschen
Gesellschaft, die sich in der Herausbildung einer neuen „Unterschicht“
bzw. des sogenannten „Prekariats“ zeigt, findet hier ihre räumliche
Heimat.
Großprogramme wie etwa das der sozialen Stadt oder geförderte
Quartiersmanagementprojekte konzentrieren sich auf die „Problem-
bezirke“ der Großstädte. Eine detaillierte Analyse und Veröffentlichung der
sozialen Situation in den Plattenbausiedlungen in den Klein- und Mittel-
städten wäre ein Schritt dahin gehend, Hilfe einzufordern. Die soziale
Arbeit in diesen Quartieren muss nach besten Möglichkeiten ausgestaltet
werden, um eine weitere Abwertung zu verhindern.
92
Die Erarbeitung eines Integrationskonzeptes?
Ein kreisweites Integrationskonzept kann die Lebensbedingungen und die
Gewährung von Chancengleichheiten für Zuwanderer verbessern. Voraus-
setzungen für eine solche Konzeption sollten eine klare Verteilung der
Kompetenzen im Bereich der Integrationsarbeit sowie Erfolgskontrolle und
Stringenz im Handeln sein. Die momentane personelle Ausgestaltung
dieses Bereiches auf der Ebene des Landkreises erschwert diese
Bedingungen. Integrationsaufgaben sind im Bereich der Behinderten-,
Gleichstellungs- und Ausländerbeauftragten angesiedelt.
Ein Blick auf den Landkreis Barnim zeigt, dass Kompetenzen so
angesiedelt werden können, dass genug Raum für die Integrationsarbeit
entsteht – der Landkreis verfügt über eine Beauftragte für Migration und
Integration. Bereits im Jahr 2007 wurde ein Handlungskonzept18
erarbeitet, welches Schwerpunkte der integrativen Arbeit für und mit Zu-
wanderern im Landkreis definiert.
5.3 Das Asylbewerberheim
Die Situation und die Belange der Asylbewerber/innen waren und sind
immer wieder im Fokus von Arbeitskreisen und zivilgesellschaftlichen
Initiativen – das Engagement dahin gehend ist als sehr vielfältig und stark
einzuordnen. Die Situation der Asylbewerber/innen hat sich verbessert;
momentan erfolgt eine punktuelle Renovierung des Heimes, Waschräume,
Küchen, Flure und die Zimmer werden erneuert. Im letzen Jahr wurde im
Rahmen eines XENOS-Projektes (Träger KKJR) ein Grill- und Sitzplatz auf
dem Gelände gestaltet. Familien mit Kindern und vermehrt auch
ankommende Flüchtlinge werden in Wohnungen untergebracht - dies ist
eine sehr positive Entwicklung.
Die positive Entwicklung fortsetzen
Zukünftig gilt es bei bestimmten Themen die Transparenz zu erhöhen –
ein Miteinander der entsprechenden Migrationsfachdienste, was Beratung
und Betreuung betrifft, ist nicht in allen Fällen gegeben. Die gesell-
schaftliche Öffnung des Heimes kann intensiviert werden. Wenngleich
diese Aufgabe viel Beharrlichkeit verlangt – einzelne Beispiele zeigen
18 Online verfügbar unter: http://www.kreise-fuer-integration.de/barnim-etzw-integ.pdf
93
auch, dass ein Integrationswille ausgehend von den Bewohner/innen nicht
immer gegeben ist. Dennoch kann das Heim mehr sein als ein Ort der
„Aufbewahrung“.
Die Bemühungen, die in den letzten Jahren eingesetzt wurden, um den
momentanen Stand zu erreichen, haben sehr viele Ressourcen gebunden.
An anderen Stellen fehlt dieses Engagement – das vorangestellte Kapitel
hat Problemlagen aufgezeigt, die eine Lösung erfordern – es ist daher als
erstrebenswert anzusehen, den Fokus vermehrt auf kreisweite Inte-
grationsprozesse zu richten.
Residenzpflicht
Die Aufhebung, bzw. die Öffnung der Residenzpflicht ist ein Dauerthema,
dessen Lösung bisher nicht erreicht wurde. Vor allem der Tatbestand, dass
es sich hierbei um ein Bundes- bzw. Landesgesetz handelt erschwert
diesen Sachverhalt. Dennoch gibt es Spielräume, auch auf Basis der be-
stehenden Gesetzestexte. Es muss an dieser unterstellt werden, dass hier
politisch, auch auf der Ebene des Landkreises, kein Handlungsbedarf
gesehen wird diese Ermessensspielräume in genügendem Maße zu nutzen.
„Als ich hierher gekommen bin, wusste ich ehrlich gesagt nicht, was
Rassismus ist. Ich habe davon in Büchern gelesen, es im Fernsehen
gesehen, aber ich wusste nicht, was das heißt. Und dann habe ich es hier
erlebt: Rassismus. Meine Erwartung an Deutschland war anders. Ich
dachte: Das ist ein demokratisches Land. Wenn man in Afrika ist, sind die
europäischen Länder Vorbild. Man denkt an Menschenrechte und das sie
dort gelten. Ich habe erwartet, dass in Deutschland das Gesetz jeden
schützt und das man Rechte hat, auch wenn man arm ist. Aber ich habe
hier etwas ganz anderes gesehen und erlebt. Wie soll ich mit Worten
erklären, was passiert ist? Ich habe keinen Traum mehr19.
Nico Pehounde, Flüchtlingsinitiative Brandenburg
19 Quelle: Selders Beate: Keine Bewegung! Die Residenzpflicht für Flüchtlinge – Bestandsaufnahme
und Kritik. Flüchtlingsrat Brandenburg & Humanistische Union (Hrsg.), Berlin 2009.
94
5.4 Bildungschancen für Kinder mit Migrationshintergrund
festigen
Förderbedarfe von Kindern nehmen zu – hier gilt es zukünftig genauer
hinzuschauen und die förderrelevanten Aspekte aller Kinder und
Jugendlichen stärker zu berücksichtigen – nur so kann auch differen-
zierter auf die Belange der Zuwandererkinder eingegangen werden.
Die Zahl der Kinder aus sozial schwachen Familien hat stark zugenommen
– damit verbunden sind auch viele Probleme. So wurden im Jahr 2008
1529 Anträge zur Bezuschussung der Elternbeiträge in der Kindertages-
betreuung (Nichtschulkinder) gestellt, somit haben ca. 25 Prozent der
Eltern im Landkreis MOL eine Bezuschussung eingefordert. Im Jahr 2004
waren es lediglich 862 Anträge. Die Anzahl der Kinder, deren Eltern nicht
in der Lage sind die Kindertagesbetreuung ihrer Kinder in vollem Umfang
zu finanzieren hat sich demnach in vier Jahren verdoppelt.
Aussagen von Mitarbeiter/innen in den Einrichtungen der Kindertagesbe-
treuung und aus dem Schulbetrieb haben gezeigt, dass Kinder mit einem
Migrationshintergrund zwar in einem ähnlich komplizierten sozialem Um-
feld aufwachsen, sie jedoch Bildungschancen eher wahrnehmen. Die von
den Eltern vermittelte Motivation und der Stellenwert von Bildung sind bei
den Zuwanderern jedoch ausgeprägter.
Integrationsprozesse in der Kindertagesbetreuung befördern
Vor allem die Kitas müssen vermehrt Integrationsaufgaben übernehmen –
das Fallbeispiel einer Kita im Landkreis hat diese verdeutlicht und gezeigt,
dass diese nicht in vollem Umfang erfüllt werden können. Die Überwin-
dung von Sprachbarrieren zu den Eltern und der Spracherwerb der Kinder
sind vordergründige Aufgaben, die verbessert werden können. Erfolgt der
Spracherwerb in der Kindertagesbetreuung, stellen sich zumeist keine
integrationsbedingten Probleme im Schulbetrieb!
Es gilt zudem zu prüfen, inwieweit der Betreuungsanspruch der Kinder, die
über einen Migrationshintergrund verfügen, ausgeweitet werden kann.
Das betrifft wiederum auch alle Kinder aus sozial schwachen Familien. Wo
immer es geht, müssen hier alle Beteiligten handeln, um den Kindern
Wissen und Fähigkeiten zu vermitteln. Vermehrt geht es auch darum,
(Grund)Bedürfnisse zu befriedigen – beispielsweise was die Versorgung
der Kinder mit gesunden Nahrungsmitteln betrifft.
95
Schule
Die Auswertungen der Daten aus dem Bereich der schulischen Bildung
haben gezeigt, dass es einige Schulen im Landkreis gibt, in denen Kinder
mit Migrationshintergrund eine signifikante Größe darstellen. Auch hier
sind es die Schulen in Strausberg, Seelow und Wriezen, aber auch die
Grundschule in Manschnow.
Diese Entwicklung gilt es zu begleiten und gegebenenfalls Bedarfe und
Problemlagen zu erfragen. Gerade im Bereich der Schul- und Kinder und
Jugendhilfestatistik existieren sehr aussagekräftige Datenbestände; deren
Auswertungen lassen auch Schlüsse über die räumliche Verteilung der
Zuwanderer im Landkreis zu - was wiederum gezielte Projektarbeit im
schulischen Umfeld möglich macht. Die Daten erlauben zudem einen Blick
auf die Entwicklung der Alterskohorten.
Positiv ist zu erwähnen, dass im Fall der hier beschriebene Schule ein
Netzwerk in Eigenregie aufgebaut wurde, etwa Kontaktlehrer/innen zu den
Kindertageseinrichtungen oder zu Trägern, um Hilfe bei Sprachbarrieren
einzufordern. Inwieweit andere Schulen auf Hilfe von außen zur Verbes-
serung ihrer integrativen Angebote angewiesen sind, gilt es zu prüfen.
Toleranz vermitteln
Die Institution Schule ist der Ort, wo alle Kinder und Jugendlichen erreicht
werden können. Dieses Potenzial kann stärker genutzt werden. Ein Mit-
einander auf der Ebene der Bürger/innen kann in der Schule befördert
werden. Kontakte zwischen Zuwanderern und deutschen Eltern können so
noch intensiviert werden. Wenn Kinder in einem multi-kulturellem Umfeld
lernen, ist dies als großes Potenzial zu betrachten. Dies kann stärker in die
Öffentlichkeit transferiert werden kann.
Kompetenzen im Sprachbereich bündeln
Spracherwerb und die Überwindung von Sprachbarrieren sind die vorder-
gründigen Aufgaben, die es zu bewältigen gilt. Hier können Kompetenzen
noch gebündelt werden. Beispielsweise wäre die Bildung eines Pools
hilfreich, der Personen vereint, auf die zurückgegriffen werden kann, wenn
Übersetzungstätigkeiten erfordert werden – etwa bei Elterngesprächen,
aber auch in der Verwaltung. Bei bestimmten Sprachen wie etwa Russisch
funktioniert dies bereits, bei weniger weitverbreiteten Sprachen wie etwa
Arabisch könnte ein solches Angebot viele Prozesse vereinfachen.
96
Mehrsprachigkeit fördern
Der muttersprachliche Unterricht fördert die Zweisprachigkeit – hier gilt es
zu prüfen, inwieweit das Angebot der RAA ausgebaut werden kann. Hierzu
müssten die entsprechenden Kinder zusammengeführt werden. Vor allem
was die polnische Sprache betrifft, bestehen erhebliche Potenziale für den
Landkreis, die polnischen Zuwanderer bilden die größte Gruppe der
Zuwanderer im Landkreis. Die Mehrsprachigkeit diesbezüglich zu
befördern würde das Zusammenwachsen der Regionen erheblich voran-
bringen.
5.5 Entwicklung von Querschnittsaufgaben
Die Entwicklung von Querschnittsaufgaben gilt es an jenen Punkten, an
denen sich Kompetenzen überschneiden - das betrifft zum einen die
administrativen Ebenen, also vor allem zwischen den Kommunen und dem
Landkreis, aber auch innerhalb der Träger- und Projektakteure – zu bün-
deln.
Kapitel 3.3.1 hat am Bespiel der im Ort lebenden Spätaussiedler/innen
aufgezeigt, wo sich Querschnittsaufgaben entwicklen lassen. Die Zuwei-
sung und Ansiedlung der Spätaussiedler/innen erfolgte in beiderseitigem
Einvernehmen zwischen Landkreis und Kommune. Mit einer allumfas-
senden Integration dieser Personengruppe ist die Gemeinde überfordert,
welche enormen auch finanziellen Belastungen die Aufnahme mit sich
bringt, wurde dargestellt. Hier gilt es auszuloten, inwiefern Kompetenzen
so verteilt werden können, dass auftretenden Problemlagen besser gelöst
werden.
Ebenso lassen sich im Bildungs- und im Bereich der Kindertagesbetreuung
Synergien erzeugen. Dort wo sich Zuwanderungsprozesse vollziehen, gilt
es Kompetenzen zusammenzuführen – es muss dabei nicht immer darum
gehen, etwas „Neues“ zu schaffen – es gibt gute Strukturen im Landkreis.
Oft ist viel erreicht, wenn die Kommunikation zwischen den handelnden
Akteuren vor Ort, dem Bildungsbereich, den freien Trägern und dem
Landkreis befördert wird. Im Idealfall verläuft dieser Prozess so, dass
Problemlagen entgegen gewirkt wird, bevor sich diese verhärten.
97
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99
Statistiken
Allgemeinbildende Schulen im Land Brandenburg 2002/2003: Statistischer Bericht
B I 9 – j/03 Ergebnisse nach Verwaltungs- und Schulamtsbezirken, Amt für
Statistik Berlin-Brandenburg.
Allgemeinbildende Schulen im Land Brandenburg 2005/2006: Statistischer Bericht
B I 9 – j/06 Ergebnisse nach Verwaltungs- und Schulamtsbezirken, Amt für
Statistik Berlin-Brandenburg.
Allgemeinbildende Schulen im Land Brandenburg 2007/2008: Statistischer Bericht
B I 9 – j/08 Ergebnisse nach Verwaltungs- und Schulamtsbezirken, Amt für
Statistik Berlin-Brandenburg.
Die kleine Brandenburg-Statistik 2008: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.
Landkreis Märkisch Oderland 2009: Statistischer Jahresbericht, erarbeitet durch den
Bereich Statistik und Wahlen im Jahr 2008.
Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen und öffentlich geförderter
Kindertagespflege im Land Brandenburg 2008: Statistischer Bericht K V 7 - j
/ 08, Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.
Politisch Motivierte Kriminalität ind Brandenburg – Lagebild 2008: LKA
Brandenburg, Eberswalde 2009.
Statistisches Jahrbuch 2008: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.
100
Tabellen und Abbildungsverzeichnis
Tabelle 1: In Brandenburg lebende Ausländer nach Herkunftsland 2008. .....................12
Tabelle 2: Ausländische Bevölkerung nach Altersgruppen – LK MOL 2008. ...................16
Tabelle 3: Spätaussiedler/innen in ausgewählten Orten nach Alter – LK MOL 2008. ......17
Tabelle 4: Spätaussiedler/innen nach Geschlecht in ausgewählten Orten – LK MOL 2008.
..........................................................................................................................17
Tabelle 5: Entwicklung der ausländischen Bevölkerung im Landkreis 1998-2007. .........18
Tabelle 6: Ausländische Wohnbevölkerung LK MOL nach ausgewählten Herkunftsländern.
..........................................................................................................................18
Tabelle 7: Eingebürgerte Personen im LK MOL 2000-2007. ........................................19
Tabelle 8: Merkmalsführung in Bildungsstatistiken. ...................................................33
Tabelle 9: Beispiele regionaler Integrationsmaßnahmen. ...........................................34
Tabelle 10: Kinder mit Migrationshintergrund in Tageseinrichtungen-Brandenburg (ohne
Tagespflege). .......................................................................................................44
Tabelle 11: Kinder in Tageseinrichtungen und Sprache - LK MOL. ...............................46
Tabelle 12: Kinder mit ausländischer Herkunft eines Elternteiles und Sprache – LK MOL.
..........................................................................................................................46
Tabelle 13: Keine ausländische Herkunft eines Elternteils und Sprache LK – MOL. ........47
Tabelle 14: Ausländer- und Aussiedleranteil an ausgewählten Schulen – LK MOL 2008. 50
Tabelle 15: Ausgewählte Schuldaten des Schuljahres 2002/2003 – Brandenburg/LK MOL.
..........................................................................................................................52
Tabelle 16: Ausgewählte Schuldaten des Schuljahres 2005/2006 – Brandenburg/LK MOL.
..........................................................................................................................53
Tabelle 17: Schuldaten des Schuljahres 2007/2008 – Brandenburg/LK MOL. ................53
Tabelle 18: Schulabsolventen Schuljahr 2002/2003 – Brandenburg/LK MOL. ...............55
Tabelle 19: Schulabsolventen Schuljahr 2005/2006 – Brandenburg/LK MOL. ...............55
Tabelle 20: Schulabsolventen Schuljahr 2007/2008 – Brandenburg/LK MOL. ...............56
Tabelle 21: Schüler ohne Hauptschulabschluss/Berufsbildungsreife, Schuljahre
2003/2004, 2005/2006, 2007/2008. .......................................................................57
Tabelle 22: Schüler ohne Hauptschulabschluss/Berufsbildungsreife - Brandenburg / LK
MOL (aggregierte Daten der Schuljahre 2003/2004, 2005/2006, 2007/2008.) .............57
Tabelle 23: Übersicht muttersprachlicher Unterricht LK MOL. .....................................59
Tabelle 24: Arbeitslosenquoten (bundesweit) von Ausländern und Deutschen. .............61
Tabelle 25: Anteil der arbeitslosen Ausländer am Gesamtbestand nach Geschäftsberei-
chen LK MOL – Stand Mai 09. .................................................................................62
Tabelle 26: Arbeitslosenquoten nach Geschäftsbereichen –LK MOL Stand Mai 09. .........62
Tabelle 27: Übersicht der Kursträger für Integrationskurse - LK MOL. ........................65
Tabelle 28: Entwicklung rechtsextremer Gewalttaten in Ostdeutschland 2008. .............75
Tabelle 29: Politisch motivierte Kriminalität (rechts) – Bereich Polizeipräsidium Frankfurt
(Oder) im Jahr 2008 - Fallzahlen und Aufklärungsquoten. ..........................................77
Abbildung 1: Ausländische Bevölkerung in Brandenburg nach Altersgruppen 2008. .......12
Abbildung 2: zur Identität von jungen Spätaussiedler/innen. .....................................73