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HAUPTBEITRAG Gruppendyn Organisationsberat (2013) 44:373–387 DOI 10.1007/s11612-013-0228-9 Online publiziert: 24.10.2013 © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013 N. Akin () · J. Rumpf Hay Group GmbH, Franklinstraße 46a, 60486 Frankfurt am Main, Deutschland E-Mail: [email protected] J. Rumpf E-Mail: [email protected] Führung virtueller Teams Niyazi Akin · Jörg Rumpf Zusammenfassung: Mit dem Fortschritt der Technologie und der daraus resultierenden Entwick- lung neuer Medien, verschwinden die Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben und digitale Tools bieten billige, einfache und schnelle Kommunikation, Kooperation, Organisation und Pro- duktion. Diese Vorteile haben auch Unternehmen erkannt und grenzüberschreitende Arbeitsmo- delle entwickelt, die der neuen „Wirtschafts-Weltordnung“ Rechnung tragen und die nicht mehr an stationäre, reale Standorte gebunden sind. Im Vordergrund stehen dabei insbesondere virtuelle Teams, deren Teammitglieder vorwiegend über Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK) miteinander kommunizieren. Verbunden mit dieser neuen Form der Zusammenarbeit sind jedoch auch Herausforderungen, die es erst einmal zu lösen gilt. Doch wie sehen diese aus? Wel- che Faktoren sind für ein erfolgreiches virtuelles Team essentiell? Wie sieht die Gegenwart und Zukunft virtueller Teams aus? Diesen Fragen ist die globale Managementberatung Hay Group in Kooperation mit dem Führungskräfte Institut (FKI) in einer Umfrage nachgegangen und hat Fach- und Führungskräfte nach ihrer Meinung gefragt (N = 289). Die Ergebnisse der Umfrage ha- ben aufgezeigt, dass virtuelle Teams eine sehr verbreitete Form der grenzüberschreitenden Arbeit darstellen und auch in Zukunft an Bedeutung gewinnen werden. Des Weiteren konnten durch die Umfrage die sechs Faktoren ermittelt werden, von denen der Erfolg eines virtuellen Teams in besonderem Maße abhängt. Zu nennen sind hier insbesondere der Vertrauensaufbau und die Teamleitung. Schlüsselwörter: Führung · Grenzüberschreitende Arbeit · Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK) · Neue Arbeitsmodelle · Virtuelle Teams Leading virtual teams Abstract: Thanks to an ever-advancing technology and the ensuing development of new media, the boundaries between private and professional life become rather blurred, with digital tools enabling affordable, easy and fast communication, cooperation, organization and production. Organizations everywhere are recognizing the possibilities and benefits to be derived, and are developing cross-border work models to accommodate the new “economic world order”, where nothing is bound to a stationary, existing location anymore. Prime targets are, in particular, virtual

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Page 1: Führung virtueller Teams; Leading virtual teams;

Hauptbeitrag

Gruppendyn Organisationsberat (2013) 44:373–387DOI 10.1007/s11612-013-0228-9

Online publiziert: 24.10.2013© Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

N. Akin () · J. RumpfHay Group GmbH, Franklinstraße 46a,60486 Frankfurt am Main, DeutschlandE-Mail: [email protected]

J. RumpfE-Mail: [email protected]

Führung virtueller Teams

Niyazi Akin · Jörg Rumpf

Zusammenfassung: Mit dem Fortschritt der Technologie und der daraus resultierenden Entwick-lung neuer Medien, verschwinden die Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben und digitale Tools bieten billige, einfache und schnelle Kommunikation, Kooperation, Organisation und Pro-duktion. Diese Vorteile haben auch Unternehmen erkannt und grenzüberschreitende Arbeitsmo-delle entwickelt, die der neuen „Wirtschafts-Weltordnung“ Rechnung tragen und die nicht mehr an stationäre, reale Standorte gebunden sind. Im Vordergrund stehen dabei insbesondere virtuelle Teams, deren Teammitglieder vorwiegend über Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK) miteinander kommunizieren. Verbunden mit dieser neuen Form der Zusammenarbeit sind jedoch auch Herausforderungen, die es erst einmal zu lösen gilt. Doch wie sehen diese aus? Wel-che Faktoren sind für ein erfolgreiches virtuelles Team essentiell? Wie sieht die Gegenwart und Zukunft virtueller Teams aus? Diesen Fragen ist die globale Managementberatung Hay Group in Kooperation mit dem Führungskräfte Institut (FKI) in einer Umfrage nachgegangen und hat Fach- und Führungskräfte nach ihrer Meinung gefragt (N = 289). Die Ergebnisse der Umfrage ha-ben aufgezeigt, dass virtuelle Teams eine sehr verbreitete Form der grenzüberschreitenden Arbeit darstellen und auch in Zukunft an Bedeutung gewinnen werden. Des Weiteren konnten durch die Umfrage die sechs Faktoren ermittelt werden, von denen der Erfolg eines virtuellen Teams in besonderem Maße abhängt. Zu nennen sind hier insbesondere der Vertrauensaufbau und die Teamleitung.

Schlüsselwörter: Führung · Grenzüberschreitende Arbeit · Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK) · Neue Arbeitsmodelle · Virtuelle Teams

Leading virtual teams

Abstract: Thanks to an ever-advancing technology and the ensuing development of new media, the boundaries between private and professional life become rather blurred, with digital tools enabling affordable, easy and fast communication, cooperation, organization and production. Organizations everywhere are recognizing the possibilities and benefits to be derived, and are developing cross-border work models to accommodate the new “economic world order”, where nothing is bound to a stationary, existing location anymore. Prime targets are, in particular, virtual

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teams, whose team members predominantly communicate by information and communication technologies (ICT). There are, however, new challenges to face and solutions to be found. What exactly lies ahead of us? What factors are key to a successful virtual team? Where do present virtual teams stand, and what will future virtual teams look like? The global management consult-ing firm Hay Group in collaboration with FKI – Führungskräfte Institut have asked both experts and leadership in a survey to share their opinion (N = 289). The results of the survey have shown that virtual teams are a very common form of cross-border work and will gain importance in the future. Furthermore, those six factors determining the success of a virtual team in particular de-gree, could be identified by the survey. Worth mentioning here in particular are the development of trust and the team leader.

Keywords: Cross-border work · Information and communication technologies (ICT) · Leadership · New work models · Virtual teams

1 Zielsetzung der Studie „Führung virtueller Teams“

In Kundenkontakten verzeichnet Hay Group ein zunehmend großes Interesse an der Thematik „virtuelle Teams“. Im Vordergrund stehen dabei die Fragen, wie solche Teams effektiver geführt werden können und welche Ansätze zur Lösung von Problemen bestehen, die durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien, durch Zeitverschiebungen und die räumliche Distanz sowie durch unterschiedliche kultu-relle Hintergründe der Teammitglieder entstehen können.

Bisherige Arbeiten zu diesem Thema beruhen meist auf theoretischen Ansätzen – Ver-mutungen, wie sich virtuelle Teams von „traditionellen“ Teams unterscheiden und wie sich virtuelle Strukturen auf die Zusammenarbeit in einem Team auswirken. Doch wie sieht es wirklich in der Praxis aus?

Um dies herauszufinden, hat Hay Group in Kooperation mit dem Führungskräfte Ins-titut (FKI) in Berlin eine empirische Erhebung zum Thema „Führung virtueller Teams“ durchgeführt. Mit der Erhebung sollten insbesondere folgende Fragestellungen geklärt werden:

● Wie weit hat der Einsatz von virtuellen Teams eigentlich in Unternehmen bereits Ein-zug gehalten?

● Welche Erfolgsfaktoren halten Führungskräfte bei der Leitung der Mitarbeitenden und der Organisation von virtueller Teamarbeit in der Praxis für wichtig?

● Welche Herausforderungen stellen sich in der Praxis der Teamleitung und den Mit-gliedern virtueller Teams?

Die Beantwortung dieser Fragen sollte dabei helfen, eine Basis zu schaffen, um mög-liche Maßnahmen zur Verbesserung der Erfolgschancen virtueller Teams identifizieren zu können.

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2 Megatrends der Zukunft

Im Jahr 2011 identifizierte Hay Group gemeinsam mit dem in Köln ansässigen Zukunfts-forschungs-Unternehmen Z-Punkt in der Studie Leadership 2030 sechs „Megatrends“ der kommenden Jahrzehnte (vgl. Abb. 1). Diese Megatrends werden sich nicht nur erheblich auf Organisationen sowie ihre Führungskräfte auswirken und diese verändern, sondern sie werden auch erhebliche Auswirkungen auf die zukünftigen Arbeitsmodelle haben, die sich von unseren heutigen Modellen deutlich unterscheiden werden (vgl. Z-Punkt, n. d.).

1. Globalisierung 2.0: Unternehmen müssen agiler und gemeinschaftlicher arbeiten, um den Herausforderungen der zunehmenden Globalisierung begegnen zu können. Hierfür sind flexible und international tätige Führungskräfte erforderlich, die stär-ker konzeptionell und strategisch denken und arbeiten. Durch die Verschiebung der Machtverhältnisse in Richtung Asien (vgl. Kreft 2006) müssen Führungskräfte kul-turelle Unterschiede kennen und beachten. Interkulturelle Teamarbeit wird verstärkt im Vordergrund stehen und die Loyalität zwischen Unternehmen und Mitarbeitenden schwinden.

2. Klimawandel und Auswirkungen auf die Umwelt: Unternehmen müssen nachhal-tige Umweltkonzepte entwickeln und umweltgerechte Geschäftspraktiken etablieren, um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen und einen schonenden Umgang mit immer knapper werdenden natürlichen Ressourcen zu gewährleisten. Dies ist aus Kostengründen notwendig, aber auch, um einem immer stärker werden-den Konsumentenbedürfnis gerecht zu werden. Dafür sind Führungskräfte mit ausge-prägten strategischen und konzeptionellen Kompetenzen gefragt, die einen Ausgleich zwischen Wettbewerb, finanziellem Erfolg, sozialer Verantwortung und Umweltge-sichtspunkten schaffen.

3. Demografischer Wandel: Für Unternehmen auf dem mitteleuropäischen Markt wird durch den Fachkräftemangel der „War for Talents“ (der „Kampf um die besten Arbeitskräfte“) zunehmen (vgl. Michaels et al. 2001). Eine immer älter werdende Gesellschaft verändert die demografische Zusammensetzung der Belegschaft. Füh-rungskräfte müssen Wege finden, um gut funktionierende Teams zu entwickeln, zu motivieren und zu unterstützen. Sie müssen die steigende Zahl von internationalen Zuwanderern, Frauen und älteren Personen auf zukünftige Fach- und Führungsver-antwortung vorbereiten.

Abb. 1: Die sechs Megatrends der Zukunft und ihre Auswirkungen. (Quelle: Hay Group)

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4. Digitaler Lebensstil und digitale Arbeitsweise: Unternehmen und Arbeitsplätze werden virtueller und technologische Entwicklungen lassen die Grenze zwischen Privat- und Arbeitsleben weiterhin verschwimmen. „Digital Natives“ (vgl. Prensky 2001) verfügen über Wissen, das erfahrene Kräfte nicht haben und das für Innovatio-nen unabdingbar ist. Führungskräfte müssen diese beiden Gruppen zusammenbringen und den Bedürfnissen der Digital Natives nach Mobilität, Flexibilität und flachen Hierarchien Rechnung tragen.

5. Individualisierung und Wertepluralismus: Unternehmen müssen ein neues Konzept von Loyalität entwickeln und Mitarbeitende auch jenseits des klassischen Arbeitsvertrages binden. Für immer mehr Menschen wird die Vereinbarkeit von pri-vaten Werten und Zielen mit den Unternehmensanforderungen entscheidend, persön-liche Loyalität wird wichtiger werden als die zu einem Unternehmen. Hinzu kommt eine stärkere Betonung von Selbstverwirklichung. Führungskräfte und Unternehmen werden Mitarbeitenden verstärkt Sinn und Bedeutung ihrer Arbeit aufzeigen müssen, um sie zu einer Mitarbeit zu motivieren.

6. Technologiekonvergenz: Die Verschmelzung moderner Technologien verändert die Geschäftsprozesse in Unternehmen und Unternehmens-Mash-ups (Kooperationen und branchenübergreifende Partnerschaften) werden an Normalität gewinnen. Füh-rungskräfte müssen die Potenziale dieser Innovationen für ihre Aufgabenbereiche er-kennen und Konzepte zur Umsetzung und Weiterentwicklung erarbeiten.

3 Die zunehmende Bedeutung von virtuellen Teams

Durch die zuvor genannten Megatrends werden sich Veränderungen im Unternehmens-umfeld und in Organisationsstrukturen bis auf Team- und Individualebene ergeben, die neue, veränderte Anforderungen an die Organisationen, ihre bestehenden Arbeitsmodelle und Führungskräfte stellen werden:

● Weltweite Unternehmen müssen ihre globalen Strategien an lokale Märkte anpassen – ein Prozess, bei dem es hilfreich sein wird, lokale Partizipation bei Entscheidungen sowie länder- und funktionsübergreifende Zusammenarbeit zu fördern und kulturell heterogene Führungsteams zu bilden.

● Organisationen werden stärker zusammenarbeiten müssen, um gemeinsam Lösungen für Umweltprobleme zu erarbeiten.

● Der demografische Wandel, die Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte „Brain Drain“ und die Gleichberechtigung von Mann und Frau führen dazu, dass Unter-nehmen ihre Arbeitsmodelle in Frage stellen müssen, um die besten Talente für sich zu gewinnen und zu behalten. Dazu müssen familienfreundliche und altersgerechte Arbeitsplatzmodelle eingeführt werden.

● Die zunehmende Individualisierung führt dazu, dass Arbeitsprozesse heute nicht mehr nur im Sinne des Unternehmens gestaltet werden müssen, sondern auch im Sinne des Menschen. Individualisierung führt auch zu dezentralisierten Arbeitsplät-zen, die durch flachere, flexiblere Strukturen, funktionsübergreifende Projektteams und höhere Fluktuation gekennzeichnet sind.

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● Mit den Neuen Medien verschwinden die Grenzen zwischen Privat- und Berufsle-ben. Digital Natives können an jedem Ort der Welt arbeiten, und digitales Wissen wird zum Motor der globalen Wirtschaft. Digitale Tools bieten billige, einfache und schnelle Kommunikation, Kooperation, Organisation und Produktion, und Arbeits-plätze sind nicht mehr so sehr an stationäre, reale Standorte gebunden.

● Konvergierende Technologien werden mit sich bringen, dass die Bereitschaft andere Akteure in gemeinsame Unternehmungen einzubinden, zu offeneren Strukturen und Organisationen führen wird.

Diese Faktoren werden verstärkt zum Einsatz und zu einer Notwendigkeit von virtuellen Teams führen. Unter einem virtuellen Team wird hier der Zusammenschluss von mindes-tens zwei Interaktionspartnern (z. B. Mitarbeitende des eigenen Unternehmens im In- und Ausland, Kunden, Lieferanten, Experten, Spezialisten etc.) verstanden, die sich an unter-schiedlichen Orts- und/oder Zeitzonen befinden und für eine unbestimmte Dauer über-wiegend durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (z. B. Videokonferenz, Telefon, elektronische Flipcharts, E-Mail etc.) an der Erreichung eines gemeinsamen Ergebnisses oder Zieles zusammenarbeiten.

4 Durchführung

4.1 Teilnehmendenstruktur

Das Führungskräfte Institut stellte für die Durchführung der Befragung den „Manager Monitor“ zur Verfügung. Der Manager Monitor ist ein festes Umfragepanel mit rund 1.000 Mitgliedern, bei denen es sich um angestellte Fach- und Führungskräfte aus den Mitgliedsverbänden des Deutschen Führungskräfteverbandes ULA handelt. Das Panel deckt eine Vielzahl an Branchen der privaten Wirtschaft ab.

Acht Prozent der Panel-Mitglieder sind in ihren Unternehmen als Vorstands- und Geschäftsführungsmitglieder, 52 % als Leitende Angestellte, 35 % als außertarifliche Angestellte und fünf Prozent in sonstiger Stellung tätig.

Die Befragung wurde online in der Zeit vom 29. Januar 2013 bis zum 05. Februar 2013 durchgeführt. Insgesamt haben 289 Teilnehmende an der Befragung teilgenommen. Dabei sind mehr als die Hälfte (55,7 %) der Teilnehmenden in Unternehmen der Chemischen Industrie beschäftigt, 30,8 % kommen aus dem Produzierenden Gewerbe und die anderen 13,5 % verteilen sich auf den Finanz- und Dienstleistungssektor, den Handel sowie die Kommunikations- und IT-Branche. Neben der Beantwortung von vorgegebenen Fragen, hatten die Befragten auch die Möglichkeit freie Textkommentare hinzuzufügen. Hiervon machten ca. zehn Prozent aller Teilnehmenden Gebrauch. Diese Textkommentare liegen jedoch nur in anonymisierter Form vor. Alle folgenden Zitate stellen, soweit nicht anders kenntlich gemacht, Textkommentare von Teilnehmenden der Umfrage dar.

Über 80 % der Befragten sind bei Unternehmen beschäftigt, die ihren Hauptsitz in Deutschland haben und weltweit aktiv sind. Der Rest ist in deutschen Niederlassungen oder Tochterfirmen von Unternehmen mit Hauptsitz im Ausland tätig.

Der hohe Anteil an Teilnehmenden aus der Chemischen Industrie wirft die Frage auf, ob dieser einen Einfluss auf die Gesamtergebnisse hat. Deshalb wurden die Antworten

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separat nach Industriezweig untersucht. Durch die Untersuchung konnte festgestellt wer-den, dass keine signifikanten Unterschiede zwischen den einzelnen Industriezweigen bestehen. Aus diesem Grund wurden für die folgenden Ergebnisse die Antworten aller Teilnehmenden, unabhängig vom Industriezweig, herangezogen.

4.2 Vertrautheit mit und Verbreitung von virtuellen Teams

Unter den Befragten gaben 69 % an, dass sie mit der Arbeit in virtuellen Teams vertraut sind. In 74 % der betreffenden deutschen Unternehmen und in sogar 81 % der Unterneh-men mit Hauptsitz im Ausland werden virtuelle Teams bereits eingesetzt (vgl. Abb. 2 und 3).

Offen bleibt, ob dieser hohe Anteil virtueller Arbeit repräsentativ für das gesamte Panel angenommen werden darf. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Bereit-schaft, sich an der Befragung zu beteiligen, umso stärker vorhanden ist, als der Einsatz virtueller Teams im beruflichen Alltag präsent ist. Vermutlich wird der Anteil virtueller

Abb. 3: Verbreitung virtueller Teams in Unternehmen mit Hauptsitz im Ausland. (Quelle: Hay Group)

Abb. 2: Verbreitung virtueller Teams in Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland. (Quelle: Hay Group)

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Arbeit bei den übrigen Panel-Mitgliedern, die sich an der Befragung nicht beteiligt haben, etwas geringer als in der Stichprobe sein.

Andererseits lässt sich daraus schließen, dass die Befragungsergebnisse überwiegend von Fach- und Führungskräften stammen, die mit virtueller Arbeit und ihren besonderen Herausforderungen aus der täglichen Unternehmenspraxis vertraut sind. Man kann also davon ausgehen, dass die im Rahmen der Befragung von den Teilnehmenden gemachten Aussagen im Wesentlichen tatsächlich auf eigenen Erfahrungen beruhen und somit eine hohe Validität aufweisen.

5 Erfolgsfaktoren virtueller Teams

5.1 Anforderungen an die Teamleitung

Aus Sicht der Befragten stellt die Person der Teamleitung einen Schlüsselfaktor für den Erfolg eines virtuellen Teams dar (vgl. Konradt und Hertel 2002) und dessen „Auswahl ist wesentlich höher zu bewerten als die der Mitarbeitenden“. Diese muss nicht nur in der Lage sein, zwischen den Teammitgliedern Vertrauen aufzubauen, sondern auch aufrecht zu erhalten.

Neben dem Aspekt der Vertrauensbildung und -aufrechterhaltung, muss die Team-leitung für eine klare Rollen- und Aufgabenverteilung sorgen und Ziele für die Gruppe insgesamt, wie für die einzelnen Teammitglieder klar formulieren (vgl. RKW Kompe-tenzzentrum 2011), denn „auch virtuelle Teams brauchen feste Hierarchien und Linien-zuordnungen“. Rollen- und Aufgabendefinitionen sind schon in traditionellen Teams wichtig – in einem virtuellen Arbeitsumfeld sind sie offensichtlich noch kritischer. Ein Faktor, der häufig unterschätzt wird. Der Teamleitung kommt also auch bei der Rollen- und Aufgabenverteilung eine Schlüsselfunktion zu, denn „wichtig ist ein gemeinsames Verständnis des Teamzieles und eines gemeinsam definierten Zeitplans“ (Tab. 1).

Tab. 1: Erfolgsfaktoren, die die Teamleitung betreffen. (Quelle: Hay Group)Rang Ø Zustimmunga Erfolgsfaktoren, die die Teamleitung betreffen1 1,45 Aufbau und Aufrechterhaltung von Vertrauen zwischen den Teammit-

gliedern durch die Teamleitung2 1,91 Veranstaltung persönlicher Treffen der Teammitglieder vor dem Einsatz3 1,96 Festlegung von Rollen- und Aufgabenverteilungen durch die Teamleitung4 2,01 Motivation der Teammitglieder durch die Teamleitung5 2,12 Erfahrung mit der Führung virtueller Teams6 2,26 Festlegung von individuellen und Gruppenzielen durch die Teamleitung7 2,40 Förderung der Teammitglieder durch die Teamleitung8 2,42 Durchführung von Feedbackgesprächen9 2,42 Mentoring/Coaching der Teammitglieder durch die Teamleitung10 3,01 Kontrolle und Überwachung der Teammitglieder durch die TeamleitungaSkalierung: 1 = sehr bedeutend bis 6 = nicht bedeutend

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5.2 Anforderungen an die Teammitglieder

Auch die Teammitglieder sehen sich in einem virtuellen Team vor neue Herausforde-rungen gestellt. Der Aufbau und die Aufrechterhaltung von Vertrauen zwischen den Teammitgliedern stehen auch hier an erster Stelle, daher ist ein „langsames Heranfüh-ren der Mitarbeitenden an die Teams“ empfehlenswert. Auf den folgenden Plätzen der Erfolgsfaktoren für die Teammitglieder finden sich vor allem Fähigkeiten und Verhaltens-weisen zu einer klaren Kommunikation. Hierzu gehören Englischkenntnisse, eine klare Ausdrucksweise und auch die Offenheit anderen Kulturen gegenüber (vgl. Albrecht und Albrecht-Goepfert 2012).

Schließlich erleichtert bereits gewonnene Erfahrung mit der Arbeit in einem virtuellen Team die Zusammenarbeit – nicht zuletzt wohl, weil die Vorbereitung von Teamleitung und Teammitgliedern auf virtuelle Teamarbeit kaum erfolgt (s. u.), die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für eine erfolgreiche virtuelle Zusammenarbeit also eher in der Praxis (sozusagen durch „Versuch und Irrtum“) gewonnen werden müssen (vgl. Iten 2000).

Tatsächliche, reale Auslandserfahrung wird erst an neunter Stelle genannt. Kenntnisse der jeweiligen Landessprachen anderer Teammitglieder werden als weniger wichtig ange-sehen. In den gemeinsamen, virtuellen Meetings wird in der Regel Englisch gesprochen, für viele eine Fremdsprache, aber offensichtlich in der beruflichen Welt am stärksten ver-breitet und anerkannt (vgl. Senst 2001) (Tab. 2).

5.3 Anforderungen an das organisatorische Umfeld

Unternehmen müssen die erforderlichen Rahmenbedingungen für den Erfolg virtueller Teams bereitstellen und neben der Auswahl und Vorbereitung der Teammitglieder eine

Tab. 2: Erfolgsfaktoren, die die Teammitglieder betreffen. (Quelle: Hay Group)Rang Ø Zustimmunga Erfolgsfaktoren, die die Teammitglieder betreffen1 1,49 Aufbau und Aufrechterhaltung von Vertrauen zwischen den

Teammitgliedern2 1,62 Austausch von Wissen und Informationen zwischen den Teammitgliedern3 1,71 Englischkenntnisse der Teammitglieder4 1,76 Klare Ausdrucksweise der Teammitglieder5 1,83 Offenheit gegenüber anderen Kulturen bzw. interkulturelle Kompetenzen6 2,29 Kenntnisse über den Einsatz und die Nutzung von Informations- und

Kommunikationstechnologien7 2,57 Kenntnisse über die Kultur/Gebräuche oder Geschäftspraktiken in den

jeweiligen Ländern der anderen Teammitglieder8 2,88 Erfahrung mit der Arbeit in virtuellen Teams9 3,07 Auslandserfahrung der Teammitglieder10 4,22 Kenntnisse über die jeweiligen Landessprachen der anderen

TeammitgliederaSkalierung: 1 = sehr bedeutend bis 6 = nicht bedeutend

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ausgereifte Informations- und Kommunikationsstruktur bieten – und das nicht nur im Stammhaus (Tab. 3).

5.3.1 Auswahl der Teamleitung und der Teammitglieder

An erster Stelle wird hier die Auswahl der Teamleitung als Erfolgsfaktor genannt (vgl. Konradt und Hertel 2002). Um die Erfolgschancen eines virtuellen Teams zu erhöhen, ist daher bei der Auswahl genau darauf zu achten, dass die Teamleitung neben den erforder-lichen fachlichen Kompetenzen, auch die notwendigen sozialen Kompetenzen mitbringt, denn wie bereits erwähnt: „Ein virtuelles Team kann nur so gut sein, wie seine Teamlei-tung – mit ihr steht und fällt alles.“

Gespräche mit Betroffenen zeigen, dass es hierbei neben der Affinität zu technischen Hilfsmitteln, die bei der Kommunikation in virtuellen Teams unverzichtbar sind (s. u.), vor allem eine starke emotionale und soziale Kompetenz von Bedeutung ist. Wer es hier im realen Kontext eines traditionellen Teams nicht schafft, Vertrauen und Teamgeist aufzubauen, der wird in einer virtuellen Struktur noch größere Schwierigkeiten haben. Gleichwohl ist die erfolgreiche Leitung eines traditionellen Teams allein noch keine Garantie, dasselbe mit einem virtuellen Team zu erreichen.

Auch bei der Auswahl der Teammitglieder muss sorgfältig vorgegangen werden, denn „die richtigen Leute zusammenzubringen, d. h. die Kenntnisse und Motivation der einzel-nen Teammitglieder sind entscheidend“ für die Gestaltung einer erfolgreichen virtuellen Teamarbeit (vgl. Fassnacht 2010). Des Weiteren hängt auch „die Anerkennung virtueller Teams immer von der Qualität des Teams bzw. der Teammitglieder ab“.

Eine besondere Herausforderung ergibt sich offensichtlich aus der häufigen Praxis, Mitarbeitende in mehreren Projekten oder in Matrixstrukturen mehreren Arbeitsteams zuzuordnen (vgl. Konradt und Köppel 2008). „Die Zugehörigkeit Einzelner zu verschie-denen Teams ist problematisch anzusehen, denn diese begrenzt die Identifikation mit einem Team. Der Aufbau einer positiven virtuellen Teamkultur erfordert auch gemein-same, sichtbare und gefeierte Erfolge.“

Tab. 3: Erfolgsfaktoren, die das organisatorische Umfeld betreffen. (Quelle: Hay Group)Rang Ø Zustimmunga Erfolgsfaktoren, die das organisatorische Umfeld betreffen1 1,50 Auswahl der Teamleitung2 1,51 Vorhandensein von Informations- und

Kommunikationstechnologiestrukturen3 1,75 Auswahl der Teammitglieder4 1,78 Vorbereitung der Teamleitung auf den Einsatz5 2,32 Vorbereitung der Teammitglieder auf den Einsatz6 2,53 Internationalität des eigenen Unternehmens7 2,78 Implementierung virtueller Teams in die Unternehmens- und

Organisationsstrukturen8 2,97 Erfahrung im eigenen Unternehmen mit virtuellen Teams9 3,14 Richtlinien für die Arbeit in virtuellen Teams10 4,40 Eigenes Vergütungssystem für virtuelle MitarbeitendeaSkalierung: 1 = sehr bedeutend bis 6 = nicht bedeutend

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Die von den Befragten hervorgehobene Schwierigkeit, Vertrauen in virtuellen Teams aufzubauen und aufrechtzuerhalten, dürfte durch diese häufige Mehrfachzugehörigkeit zu verschiedenen Teams begünstigt werden, denn es besteht die Gefahr, dass die Mitarbei-tenden sich in keinem der virtuellen Teams richtig „heimisch“ fühlen.

5.3.2 Vorbereitung der Teamleitung und der Teammitglieder auf die virtuelle Arbeit

Offenbar wird bei der Einführung virtueller Arbeitsstrukturen bzw. Gründung von vir-tuellen Teams davon ausgegangen, dass diese keine besondere Vorbereitung erfordern bzw. die nötigen Fertigkeiten nur technischer Natur sind und durch „Learning by Doing“ erworben werden können (vgl. Iten 2000). Dies betrifft sowohl die Vorbereitung der Teamleitung als auch die der Teammitglieder. Auch die Kommentare der Umfrageteil-nehmenden illustrieren das Problem: „Wir schlittern ohne große Vorbereitung (Regeln, Schulung etc.) in neue Technologien.“

5.3.3 Arbeitsorganisation in virtuellen Teams

Arbeitsregeln, Prozesse, Strukturen – in der Regel scheint in den Unternehmen keine besondere Rücksicht auf bzw. Anpassung an die Bedürfnisse virtueller Arbeitsformen genommen zu werden und somit bleibt „trotz aller Technik ein effektiver Informations-austausch über die Distanz eine Herausforderung“. Des Weiteren geben die Umfrageteil-nehmenden an, dass „es keine vernünftige Lösung für die Zeitverschiebung gibt, und dass Unternehmen lernen müssen, dass Menschen keine Maschinen sind“.

5.3.4 Bereitstellung der technischen Einrichtungen

Geeignete Informations- und Kommunikationsmittel für virtuelle Kommunikation wer-den an zweiter Stelle bei den organisatorischen Voraussetzungen genannt. Dabei kommt es besonders auf die ständige Modernisierung an: Die Entwicklung auf diesem Gebiet schreitet rasant voran. Insbesondere die Kapazität von Datenverbindungen (um ruckel-freie Video-Verbindungen zu gewährleisten), die Stabilität der Leitungen und die mög-lichst einfache Bedienbarkeit sind wichtig. Eine „Kleinigkeit“ ist dabei ebenso banal wie offensichtlich doch häufig problematisch: Die beste technologische Lösung ist nur dann von Nutzen, wenn ein unternehmensweiter Standard gesetzt und an allen virtu-ell miteinander zu verbindenden Standorten auch tatsächlich realisiert wird, denn das schwächste Glied in der Kette bestimmt hier die Qualität der Kommunikation. Daher ist „die Bereitstellung technisch funktionierender Systeme, wie z. B. Videokonferenzen“, nicht nur für das Stammhaus wichtig, sondern auch für alle anderen Standorte der vir-tuellen Teammitglieder. Selbstverständlich müssen die Teilnehmenden virtueller Kom-munikation auch in der Nutzung der vorhandenen Einrichtungen geschult werden (s. o.), denn „trotz aller Technik bleibt ein effektiver Informationsaustausch über die Distanz eine Herausforderung“.

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5.3.5 Vergütung virtueller Teams

Auch wenn allgemein ein spezifisches Vergütungssystem für virtuelle Arbeit nicht als vordringlich angesehen wird, sollte der Einfluss auf die Arbeit in einem virtuellen Team nicht unterschätzt werden (vgl. Gobeli et al. 2012). Das Performance Management Sys-tem kann beispielsweise Schwierigkeiten verstärken, wenn die Unterschiedlichkeit der lokalen Bedingungen der virtuell zusammengeführten Mitarbeitenden nicht angemessen adressiert wird: „Die Motivation virtueller Teams, insbesondere in wirtschaftlich unter-schiedlich entwickelten Ländern, erfordert ein neues Bonussystem (Teamergebnis/loka-les Einkommen).“

6 Virtuelle Teams im Vergleich zu traditionellen Teams

Eine der wichtigsten Botschaften aus der Studie ist wahrscheinlich die Einschätzung der Befragten zu den Unterschieden zwischen virtuellen und traditionellen Teams. In einem Satz zusammengefasst: In virtuellen Teams ist alles schwieriger. Die Befragten geben an, dass virtuelle Teams in fast jeder Hinsicht schwieriger zu gestalten sind als traditionelle Teams (vgl. Tab. 4).

6.1 Aufbau und Aufrechterhaltung von Vertrauen

Kritischstes Thema ist der Aufbau von Vertrauen in einem virtuellen Team (vgl. Sulz-bacher 2003). 93 % der Teilnehmenden nennen dies an erster Stelle, 89 % sehen zudem die Aufrechterhaltung von Vertrauen – wenn denn der Aufbau gelungen sein sollte – als deutlich schwieriger als in traditionellen Teamstrukturen.

Dieses Ergebnis bestätigt die Erwartungen, die aus den Erfahrungen mit traditionel-len Teams nahe liegen: Eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Menschen aufzubauen, ohne dass diese sich tatsächlich persönlich „beschnuppern“ können, ist eine große Her-ausforderung: „Videokonferenzen sind bei uns noch zu schwach, persönliche Begegnun-gen zu selten, zu viele virtuelle Meetings etc. mit Leuten, die man noch nie gesehen hat.“ Viele Teilnehmende geben dann auch zu bedenken, dass eine rein virtuelle Zusammen-arbeit kaum erfolgreich vorstellbar ist. Persönliche Treffen von Zeit zu Zeit und insbeson-

Tab. 4: Schwierigkeiten in virtuellen Teams im Vergleich zu traditionellen Teams. (Quelle: Hay Group)Zustimmungsquote Schwierigkeiten in virtuellen Teams im Vergleich zu traditionellen Teams93% Aufbau von Vertrauen93% Führung der Teammitglieder91% Förderung der Teammitglieder89% Aufrechterhaltung von Vertrauen88% Mentoring/Coaching der Teammitglieder85% Motivation der Teammitglieder84% Kontrolle und Überwachung der Teammitglieder89% Insgesamt

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dere am Beginn der Zusammenarbeit werden von den meisten als unerlässlich angesehen (vgl. Konradt und Köppel 2008), denn „ab und an ein Treffen im richtigen Leben wirkt Wunder“.

6.2 Führung, Mentoring und Coaching von virtuellen Teams

Die persönliche Führung des Mitarbeitenden, seine Motivation wie seine persönliche und berufliche Entwicklung fallen der Teamleitung in virtuellen Teams deutlich schwerer als in traditionellen Teams. Die wichtigste Ursache dürfte darin zu suchen sein, dass sich die virtuelle Arbeitsstruktur in der Regel aus einem Effizienzgedanken heraus entwickelt: „Virtuelle Teamarbeit ist zeit- und kostensparend (Entfall der Reisetätigkeit).“

Dies führt dann meist auch dazu, dass die virtuellen Begegnungen nur in Form von for-mellen Meetings mit geschäftlicher Agenda stattfinden. Der „Small Talk“ am Rande ent-fällt zugunsten der „Funkdisziplin“, die kostbare Zeit der Video- oder Telefonkonferenz (häufig sekundengenau in Rechnung gestellt) muss optimal genutzt werden. So bleiben die persönlichen Gespräche auf ein Minimum beschränkt, vieles wird durch schriftliche (E-Mail) Kommunikation ersetzt.

6.3 Kontrolle von virtuellen Teams

Die Teilnehmenden sehen die Kontrolle und Überwachung der Teammitglieder ebenfalls als schwieriger an (84 %). Objektiv betrachtet ist die Kontrolle der Mitarbeitenden in einer virtuellen Struktur über weite Phasen überhaupt nicht möglich. Selbst während der virtuellen Meetings ist kaum zu überwachen, inwieweit einzelne Teammitglieder aktiv beteiligt bzw. aufmerksam sind (vgl. Senst 2001).

Wenn Telefone auf „mute“ geschaltet werden, damit Störgeräusche unterdrückt wer-den, kann der Teilnehmende einer Telefonkonferenz sich getrost mit jemand anderem unterhalten, ohne dass es jemand merkt. Selbst während einer Videokonferenz ist die Aufmerksamkeit nur bedingt zu kontrollieren. In einem traditionellen Teammeeting ist es kaum vorstellbar, dass jemand während einer Präsentation Zeitung liest und dies nicht von der Teamleitung angesprochen wird. In einem virtuellen Meeting wäre dies ohne Weiteres möglich.

Das Motto „Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser“ hat in einer virtuellen Arbeitswelt ausgedient. „Vertrauen ist wichtig – Kontrolle kaum möglich“ – aber gerade Vertrauen zu schaffen und aufrecht zu erhalten, ist die größte Herausforderung (s. o.).

7 Ausblick: Zukunft virtueller Arbeit

Die vorangegangenen Punkte haben gezeigt, dass virtuelle Teams sich mit vielen Heraus-forderungen konfrontiert sehen, die nicht von heute auf morgen gelöst werden können. Unternehmen sind zwar mit der Handhabung virtueller Teams zufrieden (86 %), jedoch besteht noch deutliches Verbesserungspotenzial.

Von der Entscheidung ein virtuelles Team einzusetzen, geeignete Teammitglieder aus-zuwählen und diese auf ihren Einsatz vorzubereiten, bis hin zum Einsatzende, gibt es

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viele Fallstricke, die von organisatorischer Seite beachtet werden müssen und nicht mit dem Grundsatz „virtuell gleich traditionell“ gelöst werden können.

Es ist selbstverständlich zu beachten, dass nicht jedes Unternehmen die Kapazitä-ten hat, um sich jedem in diesem Artikel genannten Punkt anzunehmen – und dies ist auch gar nicht notwendig. Jedoch sollte den folgenden sechs Faktoren (vgl. Abb. 4), bei der Entscheidung ein virtuelles Team einzusetzen, genauere Beachtung geschenkt werden:

Anzumerken ist, dass der Erfolg eines virtuellen Teams nicht nur einem einzigen Fak-tor zuzuschreiben ist, sondern mehreren, die sich gegenseitig ergänzen und verstärken. Es wird z. B. einer Teamleitung schwerfallen, Vertrauen zwischen den Teammitgliedern aufzubauen, wenn diese nicht die notwendigen Kompetenzen dafür besitzt und auch von Seiten der Organisation keine Vorbereitung diesbezüglich erhalten hat. Des Weiteren muss ein Unternehmen eine Akzeptanz für diese noch relativ neue Arbeitsform schaffen. Glauben noch nicht mal die obersten Leitungsebenen an dieses Modell, so wird es schwer sein, die anderen Mitarbeitenden dafür zu begeistern.

Trotz aller Schwierigkeiten bestätigen 96 % der Befragten virtuellen Teams eine posi-tive Zukunft und glauben daran, dass auch in den kommenden Jahren diese als Arbeits-form an Bedeutung gewinnen werden.

Abschließend bleibt zu sagen, dass Organisationen und ihre Führungskräfte vor einer harten, aber nicht unlösbaren Herausforderung stehen. Das zeigen uns die Unter-nehmen, die sich durch den Einsatz virtueller Teams bereits heute an die neue Welt-ordnung anpassen oder gerade darauf vorbereiten. Die Schlüsselrolle dabei, wie die Ergebnisse der Umfrage gezeigt haben, spielen die Führungskräfte von Morgen. Diese werden lernen müssen, aus der Ferne zu führen, dürfen sich aber nicht allein auf virtu-elle Kommunikation verlassen. Die neue „Wirtschafts-Weltordnung“ wird Führungs-kräfte mit deutlich erhöhten Anforderungen auf drei Ebenen konfrontieren (vgl. Hay Group 2011):

1. Kognitive Ebene:

● Führungskräfte müssen sich der Zusammenhänge stärker bewusst sein. Dazu brauchen sie starke konzeptionelle und strategische Denkfähigkeiten.

Abb. 4: Die sechs Erfolgsfak-toren virtueller Teams. (Quelle: Hay Group)

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● Sie müssen auf nie dagewesene Weise fähig sein, den Wandel zu gestalten, auch hier vor allem auf Basis konzeptionellen und strategischen Denkens.

● Führungskräfte werden gedanklich sehr viel offener und neugieriger sein müssen.

2. Emotionale Ebene:

● Allgemein werden Führungskräfte deutlich sensibler für unterschiedliche Kultu-ren, Generationen und Geschlechter sein müssen.

● Sie werden ein höheres Maß an Integrität und Aufrichtigkeit demonstrieren und bei ihrer Geschäftstätigkeit einen ethischeren Ansatz annehmen müssen.

● Sie müssen auch in einem viel höheren Maß Ambiguitäten tolerieren.

3. Verhaltensebene:

● Führungskräfte müssen zunehmend heterogene Teams führen und eine Kultur des Vertrauens und der Offenheit schaffen.

● Als „post-heroische“ Führungskräfte müssen sie alte Konzepte wie Loyalität und Betriebszugehörigkeit neu denken und persönliche Loyalität schaffen.

● Zusammenarbeit – generations-, funktions- und unternehmensübergreifend – wird ihr Motto sein.

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Niyazi Akin ist seit 2012 als Berater bei der Hay Group tätig. Hier trägt er insbesondere Verantwortung in Projekten im Bereich Exe-cutive Rewards. Dazu gehören die Überprüfung der Wettbewerbs-fähigkeit bestehender Vergütungssysteme von Unternehmen sowie die Erarbeitung maßgeschneiderter Analysen und Empfehlungen für Führungskräfte und Vorstände. Des Weiteren beschäftigt sich Herr Akin intensiv mit der Thematik grenzüberschreitender Arbeitsformen, insbesondere virtueller Teams. Hier liegt sein Fokus auf den Herausforderungen, denen sich die virtuellen Team-mitglieder gegenüberstehen und wie virtuelle Einsätze erfolgreich gestaltet werden können.

Vor seinem Eintritt in die Hay Group war Herr Akin bei einem internationalen Automobilkonzern in Peking/China als Junior Pro-ject Manager im Bereich Expatriate Management und Mergers & Acquisitions tätig und konnte sich besondere Expertise bei zwei großen Beratungshäusern im Feld der Vorstandsvergütung aneig-

nen. Zusätzlich ist Herr Akin seit 2009 als Berater für die Hochschule Fulda tätig, wo er Studie-rende bei Fragestellungen rund um das Thema wissenschaftliches Schreiben unterstützt.

Herr Akin studierte Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Personal- und Organisa-tionsmanagement sowie internationale Konzernrechnungslegung. Er graduierte als Diplom-Kauf-mann an der Hochschule Fulda.

Jörg Rumpf ist seit 1998 als Berater bei der Hay Group im Ein-satz. Als Vice President und Service Line Manager für Leadership Transformation in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist er für die Bereiche Entwicklung und Coaching von Führungskräften sowie Entwicklung effektiver Führungsteams auf der Top-Ebene von Unternehmen verantwortlich.

Vor seinem Eintritt in die Hay Group arbeitete Herr Rumpf rund 15 Jahre im öffentlichen Sektor, der chemischen und phar-mazeutischen Industrie sowie der Telekommunikation als Perso-naldirektor und Executive Manager. Er übte die Funktion eines Geschäftsbereichsleiters in einer pharmazeutischen Produktion erfolgreich aus, leitete Change Management Initiativen und Mer-ger Integration Projekte.

Er hat ein Diplom der Georg-August-Universität Göttingen in Sozialwissenschaften (Diplom-Sozialwirt) und einen Abschluss

der Verwaltungsakademie Berlin in Personalmanagement. Er war Lehrbeauftragter an der Tech-nischen Universität Chemnitz und ist Sprecher auf nationalen und internationalen Konferenzen.