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Design-Based Research als Forschungsansatz in der Fachdidaktik Biologie Entwicklung, Implementierung und Wirkung einer multimedialen Lernumgebung im Biologieunterricht zur Optimierung von Lernprozessen im Schülerlabor Following the Design-Based Research approach in bioscience education Development, implementation and effects of a multimedia learning software in biology classes for optimizing learning processes in informal learning environments Guido Klees - Alexander Tillmann Journal für Didaktik der Biowissenschaften (F) 6, (2015) Zusammenfasssung In der Lehr-Lernforschung wird immer wieder auf die Kluft zwischen Forschung und Innovationen im Bildungsbereich hingewiesen (u.a. Reinmann 2005, Gräsel 2010). Die Problematik des Transfers von lerntheoretischen Erkenntnissen in praxistaugliche Innovationen ist bekannt und wird als Theorie-Praxis- Problem beschrieben (vgl. Stark 2004, Einsiedler 2010). Dieses schließt auch die Implementierung von Neuerungen in den Unterricht ein (Einsiedler 2010, Reinmann & Vohle 2012). Gleiches gilt für die empirische Prüfung innovativer Konzepte durch experimentelle Studien. Der Komplexität von Lehr- Lernsituationen gerecht zu werden stellt hier eine der Herausforderungen für die Lehr-Lernforschung dar (Stark 2004, Reinmann 2005, Einsiedler 2010). Ein vielversprechender Forschungsansatz ist der Design-Based Research Ansatz (DBR), der eine Verknüpfung zwischen anwendungs- und erkenntnisorientierter Forschung darstellt (Design-Based Research Collective 2003, Reinmann 2005, Mandl & Kopp 2006). Der vorliegende Beitrag skizziert zunächst das Evaluationsdesign im DBR- Forschungsansatz und erörtert, auf der Grundlage empirischer Erkenntnisse, die Identifizierung des Bildungsproblems. Die daraus resultierende Innovationsidee wird vorgestellt und die anwendungs- und erkenntnisbezogenen Forschungsziele hergeleitet. Daran anschließend erfolgt die Dokumentation einzelner Entwicklungszyklen zur iterativen Gestaltung einer multimedialen Lernumgebung zur Verbesserung der Bildungssituation bei Schülerlaborbesuchen. Die Ergebnisse zeigen, dass zur erfolgreichen Einbindung von Schülerlabortagen in den Unterricht zentrale Implementierungsmerkmale berücksichtig werden sollten, die im Rahmen des Projekts identifiziert werden konnten. Die schulische Vorbereitung auf den Labortag beeinflusste den nachhaltigen Wissenserwerb von Schülerinnen und Schüler durch den Besuch des Schülerlabortags positiv. Schlüsselwörter: Design-Based Research, Schülerlabor, digitale Medien, Lernsoftware Abstract Educational research consistently indicates a gap between theory-based research and innovations for practice in the educational area (Reinmann 2005, Gräsel 2010). There is a well-known theory-practice- problem (e.g. Stark 2004, Einsiedler 2010), which describes the problem of the transfer of theory- based innovations into practice. This includes the implementation of innovations into school teaching (Einsiedler 2010 Reinmann & Vohle 2012). The same difficulty exists in the empirical evaluation of innovative concepts in experimental studies. One of the challenges for educational research is the complexity of teaching and learning situations (Stark 2004, Reinmann 2005, Einsiedler 2010). Serving as a promising link, the Design-Based Research approach combines research in knowledge-orientation and field testing (Design-Based Research Collective 2003, Reinmann 2005, Mandl & Kopp 2006). Based on empirical findings, the present paper first shows the evaluation design employing the Design- Based Research approach and further identifies the educational problem. The resulting innovation idea is presented and the research objectives are justified. Subsequently, the developmental cycles crucial for the iterative designing process of a multimedia learning software are documented and their value

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Design-Based Research als Forschungsansatz in der Fachdidaktik Biologie Entwicklung, Implementierung und Wirkung einer multimedialen Lernumgebung im Biologieunterricht zur Optimierung von Lernprozessen im Schülerlabor

Following the Design-Based Research approach in bioscience educationDevelopment, implementation and effects of a multimedia learning software in biology classes for optimizing learning processes in informal learning environments

Guido Klees - Alexander Tillmann

Journal für Didaktik der Biowissenschaften (F) 6, (2015)

Zusammenfasssung

In der Lehr-Lernforschung wird immer wieder auf die Kluft zwischen Forschung und Innovationen im Bildungsbereich hingewiesen (u.a. Reinmann 2005, Gräsel 2010). Die Problematik des Transfers von lerntheoretischen Erkenntnissen in praxistaugliche Innovationen ist bekannt und wird als Theorie-Praxis-Problem beschrieben (vgl. Stark 2004, Einsiedler 2010). Dieses schließt auch die Implementierung von Neuerungen in den Unterricht ein (Einsiedler 2010, Reinmann & Vohle 2012). Gleiches gilt für die empirische Prüfung innovativer Konzepte durch experimentelle Studien. Der Komplexität von Lehr-Lernsituationen gerecht zu werden stellt hier eine der Herausforderungen für die Lehr-Lernforschung dar (Stark 2004, Reinmann 2005, Einsiedler 2010). Ein vielversprechender Forschungsansatz ist der Design-Based Research Ansatz (DBR), der eine Verknüpfung zwischen anwendungs- und erkenntnisorientierter Forschung darstellt (Design-Based Research Collective 2003, Reinmann 2005, Mandl & Kopp 2006). Der vorliegende Beitrag skizziert zunächst das Evaluationsdesign im DBR-Forschungsansatz und erörtert, auf der Grundlage empirischer Erkenntnisse, die Identifizierung des Bildungsproblems. Die daraus resultierende Innovationsidee wird vorgestellt und die anwendungs- und erkenntnisbezogenen Forschungsziele hergeleitet. Daran anschließend erfolgt die Dokumentation einzelner Entwicklungszyklen zur iterativen Gestaltung einer multimedialen Lernumgebung zur Verbesserung der Bildungssituation bei Schülerlaborbesuchen. Die Ergebnisse zeigen, dass zur erfolgreichen Einbindung von Schülerlabortagen in den Unterricht zentrale Implementierungsmerkmale berücksichtig werden sollten, die im Rahmen des Projekts identifiziert werden konnten. Die schulische Vorbereitung auf den Labortag beeinflusste den nachhaltigen Wissenserwerb von Schülerinnen und Schüler durch den Besuch des Schülerlabortags positiv.

Schlüsselwörter: Design-Based Research, Schülerlabor, digitale Medien, Lernsoftware

Abstract

Educational research consistently indicates a gap between theory-based research and innovations for practice in the educational area (Reinmann 2005, Gräsel 2010). There is a well-known theory-practice-problem (e.g. Stark 2004, Einsiedler 2010), which describes the problem of the transfer of theory-based innovations into practice. This includes the implementation of innovations into school teaching (Einsiedler 2010 Reinmann & Vohle 2012). The same difficulty exists in the empirical evaluation of innovative concepts in experimental studies. One of the challenges for educational research is the complexity of teaching and learning situations (Stark 2004, Reinmann 2005, Einsiedler 2010). Serving as a promising link, the Design-Based Research approach combines research in knowledge-orientation and field testing (Design-Based Research Collective 2003, Reinmann 2005, Mandl & Kopp 2006). Based on empirical findings, the present paper first shows the evaluation design employing the Design-Based Research approach and further identifies the educational problem. The resulting innovation idea is presented and the research objectives are justified. Subsequently, the developmental cycles crucial for the iterative designing process of a multimedia learning software are documented and their value

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1 Einleitung

Die Etablierung von Innovationen im Bildungs-bereich ist gerade in traditionellen Einrichtungen wie Schulen und Hochschulen sehr schwer, da unter anderem bestehende und etablierte Handlungsroutinen im Unterricht überwunden werden müssen (vgl. Kerres 1999, 2003, Reinmann 2005, Gräsel 2010, Einsiedler 2010). Zudem sind viele Innovationsideen für den Unterricht primär aus Politik und Wirtschaft motiviert, während der mangelnde Einfluss von Forschungsergebnissen im Bildungsbereich und die konkrete Lösung bestehender Bildungsprobleme beklagt wird (u.a. Fischer et al. 2005, Reinmann 2005). Für den Transfererfolg von Neuerungen im Unterricht konnten in den vergangenen Jahren allgemeine Implementierungsmerkmale identifiziert werden, die in konkreten Lehr-Lernsituationen berücksichtigt werden müssen, um praxistaugliche Konzepte hervorzubringen. Die Einflussfaktoren wurden von Gräsel 2010 zusammengefasst und in vier Dimensionen unterteilt: 1. Merkmale der Innovation selbst, 2. Merkmale der beteiligten Lehrerinnen und Lehrer, 3. Merkmale der Einzelschulen, 4. Merkmale des Umfeldes. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Umsetzung von Innovationen im Unterricht ist demnach die Motivation der Lehrpersonen diese auch tatsächlich umzusetzen zu wollen. Dazu ist es erforderlich, dass Lehrkräfte in der Innovation einen Vorteil gegenüber der bestehenden Praxis wahrnehmen und die Bedeutsamkeit der Innovation erkennen. In jüngster Zeit sind Probleme beim Transfer von Innovationen im Bildungsbereich bei der Einführung digitaler Medien in den Unterrichtsalltag zu beobachten. Die Wirksamkeit antizipierter Mehrwerte bei der Einführung und Nutzung digitaler Medien im Unterricht ist in den vergangenen Jahren weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben (Kerres 1999, 2003, Reinmann 2005). Aus mediendidaktischer Sicht kann, nach zahlreichen empirischen Forschungsergebnissen, nicht von einer unmittelbaren Wirksamkeit digitaler Medien auf den Lernerfolg ausgegangen werden (vgl. Übersicht in Kerres 2003). Demnach wird die

Wirkung neuer Medien nicht durch die technischen Merkmale der Medien selbst bestimmt, sondern vom zugrundeliegenden didaktischen Konzept, welches durch das technische und gestalterische Potential digitaler Medien unterstützt wird. Erst dadurch können praxistaugliche Innovationen für den Unterrichtsalltag entstehen. Wesentlich ist auch hier die Wahrnehmung des Mehrwertes des Medieneinsatzes durch die Anwender; in der Schule also Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler.

Merkmale und Forschungsdesign im Design-Based ResearchDer Forschungsansatz im Design-Based Research (DBR) Format hat sich in den letzten Jahren zunehmend etabliert. Es hat sich gezeigt, dass gerade dieser Ansatz besonders geeignet ist, um Innovationsleistungen der Lehr-Lernforschung zu erhöhen und gleichzeitig Erkenntnisse zum Lehr-Lernprozess im konkreten Praxisbezug zu gewinnen (u.a. Reinmann 2005). Der DBR-Ansatz stellt damit eine Verknüpfung zwischen anwendungs- und theoriebasierter, erkenntnisorientierter Forschung dar (Design-Based Research Collective 2003, Reinmann 2005, Mandl & Kopp 2006, Plomp 2013). Der Theorie-Praxis-Transfer wird insbesondere dadurch unterstützt, dass die grundlegenden Implementierungsmerkmale von Anfang an bei der Entwicklung identifiziert werden können und die Wirkung der Innovation vor lerntheoretischem Hintergrund untersucht wird (vgl. Stark 2004, Einsiedler 2010). Der DBR-Forschungsansatz kann allgemein als nutzungsorientierte Grundlagenforschung verstanden werden, indem Design als theorieorientierter Prozess zur Lösung konkreter Praxisprobleme im Bildungsbereich verstanden wird (Reinmann 2005, Fischer et al. 2005, Mandl & Kopp 2006, Plomp 2013, Knogler & Lewalter 2014, Wilhelm & Hopf 2014). Ziel des Ansatzes ist es, im praktischen Kontext Lernumgebungen zu gestalten und gleichzeitig Lerntheorien im konkreten Kontext zu prüfen, zu entwerfen und weiterzuentwickeln. Die grundlegenden Merkmale und Prinzipien des Ansatzes sind zum einen, dass der Entwicklungsprozess der

for optimizing learning processes in informal learning centers is highlighted. Results indicated that the successful integration of informal laboratories in school teaching is dependent on central implementation characteristics, which could be identified during this project. The preparation in school prior visiting the laboratory indicates a positive effect on the sustained knowledge acquisition of the students.

Keywords: Design-Based Research, informal learning center, digital media, educational software

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Innovation zum Forschungsgegenstand wird und im praktischen Kontext unter der Beteiligung von Wissenschaftlerinnen bzw. Wissenschaftlern und Anwenderinnen bzw. Anwendern von Beginn an bestritten wird und zum anderen das zyklische, iterative Vorgehen der Untersuchung, indem sich systematische Gestaltung, Durchführung, Überprüfung und Re-Design der Designlösung wiederholen. Das Forschungsdesign im DBR lässt sich allgemein in drei Hauptphasen gliedern, in Vorprüfung, Protypentwicklung und Beurteilungsphase in denen multiple Evaluationsmethoden zum Einsatz kommen (vgl. Plomp 2013, Mayring 2010). Die Vorprüfung stellt die bildungspraktische Problemanalyse dar, in der auf der Grundlage bestehender Forschungsergebnisse das Bildungsproblem identifiziert wird sowie lerntheoretisch fundiert Forschungsfragen und Hypothesen hergeleitet und formuliert werden. Im Rahmen der Vorprüfung wir auf theoretischer Basis ein erster Prototyp der Designlösung entworfen, der im weiteren Verlauf der Untersuchung sukzessive zur Lösung des Bildungsproblems weiterentwickelt wird. Innerhalb der Prototypentwicklung wird die konkrete Lehr-Lernsituation erfasst und die grundlegenden theoriebasierten Implementierungsmerkmale im konkreten Kontext identifiziert. Der Forschungsschwerpunkt während der Prototypentwicklung liegt im anwendungsorientierten Bereich. Die Prototypentwicklung erfolgt zyklisch unter der Beteiligung von Wissenschaftlerinnen bzw. Wissenschaftlern und Anwenderinnen bzw. Anwendern. Während der formativen Evaluation können qualitative und/oder quantitative empirische Methoden zum Einsatz kommen. Ziel ist die Sicherstellung der Entwicklung einer kontextbezogenen praxistauglichen Designlösung zur Lösung des Bildungsproblems. Von einigen Autoren werden die einzelnen iterativen Zyklen in dieser Phase auch als Mikrozyklen bezeichnet (vgl. Plomp 2013).In der anschließenden Beurteilungsphase liegt der Forschungsschwerpunkt im erkenntnisorientierten Bereich und liefert einen Beitrag zur theoriebasierten Grundlagenforschung. In dieser Phase erfolgt die semi-summative (bei weiterem Re-Design) bzw. summative Evaluation zur Wirksamkeit des innovativen Lehr-Lernansatzes. Theoriebasierte Forschungsfragen und Hypothesen werden überprüft und neue Erkenntnisse/Ansätze

und Zusammenhänge über den Lernprozess in der konkreten Lehr-Lernsituation gewonnen. Auf Grundlage der Ergebnisse können dann neue Forschungsfragen entwickelt und durch erneutes Re-Design der Lernumgebung weitere Theoriebausteine und Aspekte konkreter Praxisprobleme untersucht werden. Der vorliegende Beitrag dokumentiert im Rahmen des langfristig angelegten DBR-Projekts zunächst die Vorprüfung, in der das Bildungsproblem identifiziert, die Innovationsidee vorgestellt und die Begründung des Forschungsinteresses erfolgt. Innerhalb der sukzessiven Prototypentwicklung werden die Ergebnisse der einzelnen Mikrozyklen vorgestellt, die zur Passung der Designlösung auf den Problemraum führen. In der Beurteilungsphase werden erste Forschungsfragen beantwortet und Erkenntnisse zur Wirksamkeit der Lernumgebung als innovative Problemlösung erörtert. Im abschließenden Ausblick werden weitere Forschungsansätze und Re-Design Maßnahmen vorgestellt und lerntheoretische Zusammenhänge im Kontext der Lernumgebung diskutiert.

2 Vorprüfung

Identifizierung des BildungsproblemsAußerschulische Lernorte sind gerade für den Biologieunterricht von besonderer Bedeutung, da sie lebensnahe Lernerfahrungen in Umwelt und Forschung fördern (u.a. Mayer 2013). Insbesondere der Besuch von Schülerlaboren ermöglicht es Schülerinnen und Schülern, Einblicke in moderne biologische Forschungsmethoden und -techniken zu erhalten und unterstützt das selbständige, praktische Arbeiten im Kontext. Die Lernwirksamkeit von Schülerlaborbesuchen kann jedoch nicht selbstverständlich vorausgesetzt werden, da diese maßgeblich von der didaktischen Gestaltung und der Einbindung in den Unterricht bestimmt wird (u.a. Guderian et al. 2006, Guderian 2007, Mayer 2013). Eine sorgfältige Planung ist daher ebenso Voraussetzung, wie eine abgestimmte Vor- und Nachbereitung im Unterricht. Dieses bedeutet für die Lehrenden einen erheblichen Mehraufwand gegenüber der Gestaltung herkömmlichen Klassenunterrichts. Zur effektiven Einbindung außerschulischer Lernorte in den Unterricht müssen grundlegende Informationen und inhaltliche Details zum Lernort schon im Vorfeld bekannt und den Lehrenden zugänglich sein. Es verwundert nicht, dass in der Unterrichtsrealität Laborbesuche vielfach nur

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unzureichend oder gar nicht vorbereitet werden (Griffin & Symington 1997; Engeln 2004, Huck et al. 2009). In Deutschland existieren einige empirische Studien zu Schülerlaborbesuchen, die auf die Bedeutung der Unterrichtseinbindung zur nachhaltigen Wirksamkeit von Laborbesuchen hinweisen (Engeln 2004, Scharfenberg 2005, Glowinski 2007, Übersicht in Guderian & Priemer 2008, Glowinski & Bayrhuber 2011). Für Schülerlaborbesuche wird daher, von zahlreichen Autoren, eine gute Anbindung an den schulischen Unterricht gefordert (u.a. Guderian et al. 2006, Mayer 2013). In den vergangenen Jahren lag der Schwerpunkt der Studien überwiegend im deskriptiven, erkenntnisorientierten Bereich, und mündete nicht explizit in Praxisinnovationen zur Verbesserung der Lernsituation. Konkrete Hinweise zur erfolgreichen Einbindung außerschulischer Lernorte in den Schulalltag stehen daher weiterhin aus. Aus fachdidaktischer Sicht schließt sich die Frage an, welche Maßnahmen zu Praxisinnovationen beitragen und die Bildungssituation verbessern.

Innovationsidee Durch die Entwicklung einer multimedialen Lernumgebung soll die Integration von Schülerlaborbesuchen in den Unterricht erleichtert und deren Wirksamkeit gefördert werden. Das technische und gestalterische Potential digitaler Medien wird genutzt, um grundlegende Informationen und inhaltliche Details zum Lernort schon im Vorfeld für den Unterricht zur Verfügung zu stellen. Digital aufbereitetes Material, in Form von Texten, Abbildungen, Grafiken, Schemata und interaktiven Animationen, erlaubt eine klare Visualisierung und Strukturierung der fachwissenschaftlichen Inhalte und lässt vielseitige, didaktische Einsatzmöglichkeiten für einen zeitgemäßen Unterricht zu (Wirth & Klieme

2002, Pietzner 2009, Aufenanger & Bauer 2010). Idealerweise soll ein Schülerlaborbesuch mit wenig Aufwand in den schulischen Unterricht eingebettet und zugleich der Einsatz neuer Medien im Biologieunterricht gefördert werden. Der Untersuchungsort der hier dargestellten Evaluationsstudie, das Schülerlabor der Universität Frankfurt am Main (Goethe BioLab), bietet, aufgrund der kontrollierten Lehr-Lernsituation, ein ideales Feld für die Entwicklung und Erforschung innovativer Konzepte im Rahmen der Lehr-Lernforschung (Dierkes 2010). Im Labor erhalten die Schülerinnen und Schüler Einblicke in aktuelle Forschungsmethoden und Arbeitsweisen und führen selbsttätig Untersuchungen durch. Die angebotenen Labortage greifen auf Themengebiete aus dem schulischen Unterricht zurück, ergänzen und vertiefen diese. Das zu Grunde liegende didaktische Konzept zur Einbindung der Schülerlaborbesuche in den Schulunterricht ist schematisch in Abb. 1 dargestellt.

Ziele und HypothesenbildungPraxisorientierte Forschungsansätze:Die anwendungsorientierten Ziele der Untersuchung konzentrieren sich auf die Sicherstellung der nachhaltigen Praxistauglichkeit der Unterrichtsinnovation. Während der Prototypentwicklung ist der didaktische Gestaltungs- und Entwicklungsprozess der digitalen Lernumgebung zentraler Gegenstand der Forschung. In der kontextualisierten Lehr-Lernsituation werden die grundlegenden Implementierungsmerkmale, die zur erfolgreichen Integration von Innovationen in den Schulalltag führen und speziell von der gestaltungsorientierten Mediendidaktik zur Nutzung digitaler Medien im Unterricht geforderten werden (Kerres 2003, Kerres & de Wett 2004, Gräsel 2010), untersucht und bei der iterativen Entwicklung

Abbildung 1: Schema zur Einbindung der Schülerlabortage in den Unterricht

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der Designlösung berücksichtigt. Dazu bedarf es einer angemessenen Form der Einführung, einer Nutzerbeteiligung bei der Entwicklung neuer Angebote und eines Qualitätsmanagements bei der Durchführung. Hinzu kommt die Prüfung der Benutzerhandhabung der Lernumgebung, d.h. die Anforderungen an den Nutzer dürfen dessen Fähigkeiten nicht übersteigen.

Lerntheoretische Forschungsansätze: In Anlehnung an die Cognitive-Load-Theorie nach Chandler & Sweller (1991) wird von einer begrenzten Kapazität des Arbeitsgedächtnisses ausgegangen (Plass et al. 2010, Sweller 2005). Beim Lernvorgang muss aus dem Langzeitgedächtnis vorhandenes Wissen in das Arbeitsgedächtnis transferiert und dort mit neuem Wissen erweitert oder kombiniert werden. Der Wissenserwerb wird als Konstruktion von Schemata im Arbeitsgedächtnis verstanden, die neu entstehen, erweitert oder umstrukturiert werden, um dann im Langzeitgedächtnis abgespeichert werden zu können. Der Prozess benötigt Arbeitsgedächtniskapazität, die durch drei unterschiedliche Quellen kognitiv belastet wird. Die intrinsische Belastung ergibt sich aus der Aufgabenschwierigkeit. Die extrinsische Belastung ist abhängig von der Gestaltung des Lernmaterials und die lernbezogene Komponente stellt die freien kognitiven Ressourcen dar, die für den reinen Wissenserwerb benötigt werden (Schemakonstruktion im Arbeitsgedächtnis). Die kognitive Belastung wird als additiv angenommen, so dass es Ziel ist, die intrinsische und extrinsische Belastung beim Wissenserwerb so gering wie möglich zu halten. Durch den vorbereitenden Unterricht sollte bei den Schülerinnen und Schülern Vorwissen generiert werden, das Einfluss auf den Wissenserwerb beim Besuch des Schülerlabors hat. Die intrinsische Belastung kann nach Chandler & Sweller (1991) nicht instruktional beeinflusst werden. Fachliches Vorwissen sollte sich jedoch positiv auswirken, da die empfundenen Aufgabenschwierigkeiten herabgesetzt werden könnten. Zudem stehen durch das erweiterte Vorwissen mehr Elemente aus dem Langzeitgedächtnis zur Schemakonstruktion zur Verfügung. Die Vorbereitung sollte demnach zu einer kognitiven Entlastung der Schülerinnen und Schüler am Labortag selbst führen und den langfristigen Wissenserwerb positiv beeinflussen.

Hypothese 1: Die fachliche Vorbereitung wirkt sich positiv auf den nachhaltigen Wissenszuwachs durch den Schülerlabortag aus.

Das Vorwissen könnte sich zudem positiv auf die Durchführung der handlungsorientierten Arbeiten am Schülerlabortag auswirken, da die Arbeitsmaterialien oder die Handhabung moderner Forschungsgeräte, z.B. des Fluoreszenz-mikroskops, besser verstanden werden könnten und die Zielsetzungen der Experimente für die Schülerinnen und Schüler klarer verständlich werden. Um den Einfluss der Vorbereitung im Bezug zum Lernerfolg durch die praktischen Arbeitsweisen im Labor zu prüfen, untersuchen wir das Flow-Erleben (Rheinberg et al. 2003) der Schülerinnen und Schüler an den verschiedenen Stationen im Schülerlabor. Nach Csikszentmihalyi (1975) handelt es sich beim Flow-Erleben um das selbstreflexionsfreie, gänzliche Aufgehen in einer glatt laufenden Tätigkeit, bei der man trotz voller Kapazitätsauslastung das Gefühl hat, den Geschehensablauf noch gut unter Kontrolle zu haben. Im Rahmen des erweiterten kognitiv-motivationalen Prozessmodells (nach Rheinberg 1989) ist der Lernerfolg abhängig von der Qualität und der Dauer der Lernaktivität und hängt zudem vom Funktionszustand des Lerners während der Lernphase ab. In Untersuchungen wurde gezeigt, dass Flow-Erleben eine der leistungsrelevanten Variablen des Funktionszustandes beim Lernen darstellt (Vollmeyer & Rheinberg 1998, Engeser et al. 2005) und in Abhängigkeit zur aktuellen Motivation steht. Hohe Flow-Erlebniswerte bei der Durchführung einer Tätigkeit geben somit einen Hinweis auf einen positiven Einfluss auf den Lernerfolg. Für die Ausbildung des Flow-Erlebens werden nach Csikszentmihalyi & Schiefele (1993) vor allem zwei zentrale Bedingungen benötigt. 1. Die Passung von Fähigkeit und Anforderung, d.h. die Leistungsfähigkeit des Handelnden und die Anforderungen der Tätigkeit müssen annähernd im Gleichgewicht sein. 2. Die Eindeutigkeit der Handlungsstruktur, d.h. die handelnde Person muss ein klares Ziel vor Augen haben (Csikszentmihalyi & Schiefele 1993). Die Steigerung des Vorwissens sollte sowohl Einfluss auf die Passung zwischen Anforderung und Fähigkeiten haben, als auch die Handlungsstruktur positiv beeinflussen und Aussagen über den Lernprozess erlauben.

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Hypothese 2: Die fachliche Vorbereitung wirkt sich positiv auf das Flow-Erleben bei der Durchführung praktischer Tätigkeiten am Labortag aus.

Ergänzend muss hinzugefügt werden, dass die beiden zentralen Bedingungen, jede für sich genommen, noch nicht hinreichend dafür sind, Flow-Erleben zu garantieren. Einstellungen, Interessen, Motive, Fähigkeiten und andere Persönlichkeitsmerkmale sind mitbestimmend (Csikszentmihalyi & Schiefele 1993). Als Voraussetzung gilt ein wirksamer Anreiz für den Tätigkeitsvollzug, wobei die Art des Anreizes jedoch eine untergeordnete Rolle spielt (Rheinberg et al. 2003). Er kann sowohl tätigkeitsorientiert (intrinsisch motiviert), als auch zielorientiert (extrinsisch motiviert) sein (Rheinberg et al. 2003).

3 Prototypentwicklung

Aufbauend auf den fachwissenschaftlichen Inhalten zweier Schülerlabortage „Evolution des Menschen“ und „Neurobiologie“ wurde zunächst je eine multimediale Lernoberfläche zur Vorbereitung im Schulunterricht mit Adobe Flash programmiert. Innerhalb dreier Lehrerfortbildungen wurde den TeilnehmerInnen die Designlösung präsentiert, die das Konzept zur Vorbereitung und die digitale Lernumgebung beinhaltete. Das didaktische Konzept und die Lerninhalte wurden zyklisch untersucht und sukzessive an die Bedürfnisse und Erwartungen der Lehrenden in der konkreten Lehr-Lernsituation angepasst. Abbildung 2 zeigt die Abfolge des zyklischen Entwicklungsprozesses.

1. ZyklusMethode und ErgebnisseIm Fokus des ersten Evaluationszyklus standen die Erfassung der Lehr-Lernsituation und die Identifizierung der Implementierungsmerkmale, welche die Grundvoraussetzung zur Akzeptanz und Wahrnehmung von Mehrwerten durch die Lehrkräfte bilden. In zwei problemzentrierten, fokussierten Interviews (nach Merton & Kendall 1979, Witzel 1985), zum Schülerlabortag „Evolution des Menschen“, befragten wir insgesamt zwölf Lehrende im Rahmen zweier Lehrerfortbildungen. Unmittelbar vor der Befragung hatten die Lehrkräfte 30-40 Minuten Zeit sich mit der multimedialen Lernoberfläche auseinanderzusetzen. Zentrale Implementierungsmerkmale zum Einsatz der multimedialen Lernumgebung im schulischen Kontext konnten wie folgt identifiziert werden:Als Grundvoraussetzung für den problemlosen Einsatz digitaler Unterrichtsmaterialien in der Schule führten die Lehrenden die Medienausstattung der Einrichtungen an. Alle Befragten gaben an, Zugang zur notwendigen Medienausstattung zu haben. Es gäbe die Möglichkeit Computerräume und Räumlichkeiten mit interaktiven Whiteboards (IWB) innerhalb des Biologieunterrichts zu nutzen. In den meisten Fällen sei dafür ein Raumwechsel notwendig, den die Lehrenden jedoch als unproblematisch einschätzten. Die favorisierte Vorstellung der TeilnehmerInnen sah ein konkretes Unterrichtsszenario vor, indem der Unterricht im Computerraum stattfinden sollte und die Schülerinnen und Schüler in Einzel- oder Kleingruppenarbeit mit dem digitalen Material arbeiten. Die Voraussetzung zur Einsatzbereitschaft durch die Lehrenden im Unterricht bildeten drei zentrale Merkmalsbereiche: „Merkmale zur Mehrwerterkennung“, „Merkmale zum zeitlichen Rahmen“ und „Merkmale zum Unterricht“. Merkmale zur Mehrwerterkennung: Alle Lehrenden sahen eine Notwendigkeit darin, die Schülerinnen und Schüler auf Schülerlaborbesuche vorzubereiten, um die Wirksamkeit eines Besuches zu steigern. Die Befragten werteten das multimediale Setting positiv, da es eine methodische Alternative zum herkömmlichen Unterricht darstellt und ihren Unterricht abwechslungsreicher gestaltet. Den Einsatz digitaler Medien stuften sie grundsätzlich als schülermotivierend ein. Das Thema des Schülerlabortages muss zur Rechtfertigung der

Abbildung 2: Evaluationsdesign im DBR-Format

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unterrichtlichen Mehrarbeit curricular relevant sein, was beim Thema Evolution des Menschen in Hessen jedoch nur bedingt gegeben sei. Merkmale zum zeitliche Rahmen: Ein wesentlicher Einflussfaktor zur Einsatzbereitschaft betraf den generellen zeitlichen Rahmen, der den Lehrenden als praxistauglich zur Vorbereitung von Schülerlaborbesuchen im Unterrichtsalltag erschien. Aufgrund curricularer Einschränkungen sahen die Lehrenden nur eine Doppelstunde als realistisch und praxistauglich an. Merkmale zum Unterricht: Für einen erfolgreichen Transfer des Konzeptes in die Schulen forderten die Lehrenden die Gestaltung einer vorgefertigten Unterrichtseinheit durch den außerschulischen Lernort. Die alleinige Bereitstellung von fachwissenschaftlichen Inhalten durch den Lernort reiche zur Vorbereitung nicht aus, da der Arbeitsaufwand der Unterrichtsgestaltung noch zu groß sei. Zitat eines Lehrers: „Entweder man hat was - und macht das so wie es perfekt ist - oder man lässt es!“ Die Lehrenden sahen allgemein Schwierigkeiten darin, eigenständig eine Unterrichtseinheit mit Hilfe der multimedialen Lernoberfläche vorzubereiten. Die Verwendung von bereits vorbereiteten Unterrichtseinheiten gehöre jedoch zum Arbeitsalltag der Lehrenden und würde häufig für den Unterricht genutzt. An die gewünschte Unterrichtseinheit und die Darbietung der fachwissenschaftlichen Inhalte stellten die Lehrkräfte konkrete und vielseitige Anforderungen:

Die fachwissenschaftlichen Inhalte sollten sich auf das Wesentliche beschränken, wenig Text enthalten und zur Lösung konkreter Aufgaben beitragen. Die Aufgaben sollten kreativ sein und auf Leistungskursniveau liegen, eine Gliederung nach Themen enthalten und zu allen Teilen klare Arbeitsaufträge und eine überschaubare Anzahl an Arbeitsblättern beinhalten. Die Überprüfung der Ergebnisse sollte von den Schülerinnen und Schülern möglichst in Selbstkontrolle vorgenommen werden können. Wünschenswert seien zudem die Möglichkeiten zur Binnendifferenzierung innerhalb der Lernumgebung.

Re-Design Während der Lehrerfortbildung wiesen die Lehrenden auf die größere Bedeutsamkeit des Themenbereichs zur Neurobiologie hin, der in Hessen für die Oberstufe curricular vorgeschrieben sei. Innerhalb des ersten Re-Designs wurde daher die multimediale Lernumgebung für den Schülerlabortag zur „Neurobiologie“ umgestaltet, wobei die allgemein identifizierten Implementierungs-merkmale berücksichtigt wurden. Die inhaltlichen Schwerpunkte innerhalb der digitalen Lernumgebung gliedern sich nunmehr in neun Themengebiete (Abb.3), in denen die notwendigen fachwissenschaftlichen Informationen in Form von Texten, Abbildungen, Grafiken, Schemata und interaktiven Animationen auf je 1-4 Unterkapiteln digitalisiert wurden. Die Möglichkeit zur Binnendifferenzierung

Abbildung 3: Aufbau der multimedialen Lernumgebung

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gewährleisten die unterschiedlichen Schwierig-keitsgrade der neun Themengebiete, die von den Schülerinnen und Schülern bearbeitet werden können. Zur vereinfachten Einbindung in den Unterricht wurde ein didaktisches Konzept für eine vorgefertigte Unterrichtseinheit entwickelt. Die Vorbereitung umfasst demnach zwei Schulstunden und ist in vier Unterrichtsphasen unterteilt (Abb.4). In der ersten Schulstunde arbeiten die Schülerinnen und Schüler eigenständig in Kleingruppen mit der Lernumgebung am PC. Die Arbeitsaufträge bestehen aus der Ausarbeitung kurzer Präsentationen zu den neun verschiedenen Themengebieten. In der zweiten Schulstunde erfolgen die Präsentationen der Kleingruppen am IWB oder mittels Beamer und PC. Zur Unterstützung der Schülerpräsentationen wurde für diese Phase die digitale Lernumgebung um einen Präsentationsmodus erweitert, der die Vorträge mit Abbildungen und interaktiven Animationen unterstützt und den schülerzentrierten Einsatz des IWBs im Unterricht fördert. Die Schülerinnen und Schüler wechseln hier in die Rolle der Lehrenden und kontrollieren sich innerhalb ihrer Kleingruppe eigenständig.

2. ZyklusMethode und ErgebnisseAuf Grundlage der identifizierten Merkmale zur Implementierung aus dem ersten Zyklus entwickelten wir standardisierte Fragebögen, die in der zweiten Evaluationsphase zum Einsatz kamen. Die Prüfung der Selbstlernfähigkeit der digitalen Lernumgebung erfolgte anhand

einer Usabilityanalyse zur Verbesserung der Effektivität, Effizienz und Zufriedenheit. Die Usability wurde in Anlehnung an die Isonormreihe (DIN EN ISO 9241-110 2006; Prümper & Anft 1993, Pataki et al. 2006) durchgeführt und zur Spezifizierung durch eigene Fragen ergänzt. Die zweite Evaluationsphase wurde im Rahmen einer Lehrerfortbildung mit 14 Lehrenden zum Schülerlabortag „Neurobiologie“ durchgeführt. Nach der Einführung in das Grundkonzept hatten die Lehrenden 30-40 Minuten Gelegenheit sich mit dem digitalen Unterrichtsmaterial in Partnerarbeit auseinanderzusetzen und die Arbeitsaufträge zu bearbeiten. Die Evaluation erfolgte am Ende der Lehrerfortbildung. Eingesetzt wurden sechsstufi-ge Likert-skalierte Fragen, die durch Fragen im offenen Antwortformat ergänzt wurden. Die erneute Erfassung der medialen Rahmenbedingungen der Schulen zeigte, dass der Einsatz der digitalen Lernumgebung auch hier in allen Schulen als problemlos bewertet wurde. Die Untersuchung der Merkmale zur Mehrwerterkennung zeigte, dass die Lehrenden die Vorbereitung auf den Besuch eines Schülerlaborbesuchs überwiegend als wichtig bis sehr wichtig ansahen. Die Vorbereitungszeit von einer Doppelstunde bewerteten die Lehrenden unterschiedlich. Vier Lehrende sahen den Zeitrahmen als absolut ausreichend an, sechs hätten eher mehr Zeit aufgewendet, wohingegen vier Befragte unentschieden waren. Zur Bewertung des Unterrichtskonzepts wurden die Bedürfnisse und Erwartungen der Lehrenden überprüft. Beispielitems und Ergebnisse sind in Tabelle 1 dargestellt.

Phase1 Phase 2 Phase3 Phase 4

Schulstunde 1 Schulstunde 2

Phase 1:Einführung in den Ablauf der UnterrichtseinheitEinteilung der ArbeitsgruppenErläuterungen zur Handhabung der Lernumge-bungMaterial: IWB oder Beamer; LernumgebungZeit: 5 min

Phase 2:Schülerzentriertes Arbeiten mit der Lernumge-bung (am PC in Kleingruppen)Aneignung der Informationen mit Hilfe der Lern-umgebungMaterial: PC; Lernumgebung; ArbeitsblätterZeit: 20 min

Phase 3:Schülerzentriertes Arbeiten mit der Lernumge-bung und Vorbereitung der SchülerpräsentationenMaterial: PC; Lernumgebung; ArbeitsblätterZeit: 20 min

Phase 4:Gruppenpräsentationen am IWB /BeamerMaterial: IWB/Beamer; LernumgebungZeit: 45 min (je Präsentation 5 min)

Abbildung 4: Schematische Darstellung des Unterrichtsverlaufs

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Die Prüfung der Merkmale zur Unterrichtseinheit zeigte, dass die Designlösung qualitativ den Bedürfnissen und Erwartungen der Lehrenden entsprach und ihr Mehrwert erkannt wurde. Die Lehrenden stimmten zu, dass die Unterrichtseinheit sie bei der schulischen Vorbereitung unterstützen würde und die Integration des Labortages in ihren Unterricht erleichtert. Sie zeigten zudem die Bereitschaft diese auch im Unterricht einzusetzen. Im offenen Antwortformat beurteilten die Lehrenden Stärken und Schwächen dieser Art der Vorbereitung. Hier aufgeführt sind die Merkmale, die mindestens zwei Lehrende anführten: Neun Befragte sahen in der gezielten Vorbereitung auf den Labortag eine Stärke. Sechs vermuteten eine kognitive Entlastung der Schülerinnen und Schüler durch die Vorbereitung, zwei hoben die gute Unterrichtseinbindung und die verbesserte Verzahnung von Schule und Labor hervor.

Im Rahmen der Usabilityanalyse in Anlehnung an die ISO-Normreihe untersuchten wir Kriterien zur Aufgabenangemessenheit, Selbstbeschreibungsfähigkeit, Steuerbarkeit, Erwartungskonformität und Lernförderlichkeit (Prümper & Anft 1993, Pataki et al. 2006). Beispielitems und die Ergebnisse zur Usability sind in Tabelle 2 dokumentiert.

Anhand der Usabilityanalyse konnten keine Usability-Schwächen der Lernumgebung festgestellt werden. Die Anforderungen entsprachen den Fähigkeiten der Lehrenden. Zur Spezifizierung wurden ergänzende, selbst entwickelte, sechsstufige Likert-skalierte Fragen gestellt, die auf das Produkt abgestimmt waren und zur Beurteilung der digitalen Lernoberfläche beitrugen. Exemplarische Ergebnisse sind in Tabelle 3 dargestellt.

Die Bewertung der Lernumgebung durch die 14 teilnehmenden Lehrenden fiel durchweg positiv aus. Die digitale Lernoberfläche erfüllte demnach die Bedürfnisse und Erwartungen der Lehrenden vollkommen und war gut auf die konkrete Lehrsituation abgestimmt.

Re-DesignIm Rahmen der zweiten Lehrerbefragung überprüften wir die Designlösung nach dem ersten Zyklus. In Bezug auf die Gestaltung der digitalen Benutzeroberfläche und des Unterrichtskonzepts wurden keine weiteren Hinweise auf eine weitere Designänderung gewonnen.

Tabelle 1: Beispielitems aus insgesamt 18 Items. Dargestellt sind die Mittelwerte (MW ± Standardab-weichung (SD) der sechs-stufig Likert-skalierten Einzelitems, 1 Trifft nicht zu bis 6 Trifft zu, n=12 bis 14

Beispielitem MW ± SD

Die Zeitstruktur für die Arbeit mit der Lernsoftware am PC war angemessen 5,2 ± 0,9Mit Hilfe der Lernsoftware könnte ich mir vorstellen, diese Unterrichtsphase mit Schülerinnen und Schülern durchzuführen

5,4 ± 0,6

Die Arbeitsblätter sind gut auf die Unterrichtseinheit und deren Arbeitsaufträge zugeschnitten

5,1 ± 0,8

Die Unterrichteinheit inkl. Lernsoftware und Arbeitsblätter würden mich bei der Vor-bereitung eines Kurses auf den Besuch des Schülerlabortages unterstützen

5,9 ± 0,4

Durch die Lernsoftware und die Vorbereitung erhalte ich Anknüpfungspunkte für meinen weiteren Unterricht

5,0 ± 1,1

Ich erachte das kombinierte Angebot in Form eines Schülerlabortages mit Vorbe-reitungstool als sinnvoll

5,8 ± 0,4

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Tabelle 2: Ergebnisse der Usabilityanalyse. Verwendet wurden siebenstufige Likert-skalierte Items von 1 = entspricht voll dem linken Pol bis 7 = entspricht voll dem rechten Pol; n=14; Dargestellt sind die Mittelwerte ± Standardabweichung (SD) der operationalisierten Items; Zu jedem Kriterium ist ein Beispielitem angegeben.

Unterkriterium: AufgabenangemessenheitBeispielitem

Item, linker Pol Item, rechter Polbietet nicht alle Funktionen, um die gestellten Aufgaben effizient zu bewältigen

bietet alle Funktionen, um die gestellten Aufgaben effizient zu bewältigen

Mittelwert ± SDaus 4 Items

6,7 ± 0,5

Unterkriterium: SelbstbeschreibungsfähigkeitBeispiel-Item

Item, linker Pol Item, rechter Pol

Verwendet schlecht verständliche Begriffe, Bezeich-nungen, Abkürzungen oder Symbole in Masken und Menüs

Verwendet gut verständliche Begriffe, Be-zeichnungen, Abkürzungen oder Symbole in Masken und Menüs

Mittelwert ± SDaus 3 Items

6,3 ± 1,0

Unterkriterium: SteuerbarkeitBeispiel-Item

Item, linker Pol Item, rechter Polerzwingt eine unnötige starre Einhaltung von Bear-beitungsschritten

erzwingt keine unnötige starre Einhaltung von Bearbeitungsschritten

Mittelwert ± SDaus 4 Items

6,5 ± 0,7

Unterkriterium: ErwartungskonformitätBeispiel-Item

Item, linker Pol Item, rechter Pollässt sich nicht durchgehend nach einemeinheitlichen Prinzip bedienen

lässt sich durchgehend nach einem einheitli-chen Prinzip bedienen

Mittelwert ± SDaus 4 Items

6,4 ± 0,7

Unterkriterium: LernförderlichkeitBeispiel-Item

Item, linker Pol Item, rechter Polerfordert viel Zeit zum Erlernen erfordert wenig Zeit zum ErlernenMittelwert ± SDaus 5 Items

6,4 ± 0,8

Tabelle 3: Exemplarische Ergebnisse zur Qualität der Lernsoftware. Auszug aus insgesamt 30 Einzelitems. Dargestellt sind die Mittelwerte (MW) ± Standardabweichung (SD) der sechsstufig Likert-skalierten Einzelitems; 1 = Trifft nicht zu bis 6 Trifft zu; n = 14

Beispielitem MW ± SDDer Programmaufruf ist unproblematisch. 5,6 ± 1,3Die Lernsoftware arbeitet stabil und schnell. 5,9 ± 0,4Die Bedienung der Lernsoftware ist selbsterklärend. 5,7 ± 0,7Ich konnte die mir gestellte Aufgabe leicht mit Hilfe der Software erfüllen. 5,7 ± 0,5Alle relevanten Informationen konnte ich mit wenigen Mausklicks abrufen. 5,9 ± 0,3Der Zeitaufwand um alle Informationen aus der Software zu erhalten war für die Aufgabenstellung angemessen.

5,4 ± 0,5

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Design-Based Research als Forschungsansatz in der Fachdidaktik Biologie 101

3. ZyklusMethode und ErgebnisseIm dritten Zyklus erfolgte der Praxistest im schulischen Unterricht mit sechs Leistungskursen und drei Grundkursen der Biologie (n=145 SuS). 64 % der Teilnehmenden waren weiblich, 36 % männlich. Das Durchschnittsalter betrug 17,9 ± 0,9 Jahre. Zur Förderung der Objektivität und zur Sicherung der Güte während der Untersuchung führte immer die gleiche Lehrperson die Unterrichtseinheit an den Schulen durch. Die Qualitätsprüfung erfolgte durch eine schriftliche Befragung in Anlehnung an Lehrveranstaltungsuntersuchungen (Tillmann et al. 2011) via Fragebogen, ergänzt um weitere spezifische Fragen (Tab. 4). Die Evaluation zur Unterrichtsqualität ergab, dass die Schülerinnen und Schüler insgesamt zufrieden waren und sich nicht überfordert bzw. unterfordert fühlten (Item 1-9). Ebenso bewerteten die Schülerinnen und Schüler den Zeitrahmen als ausreichend, um die gestellten Aufgaben zu erfüllen (Item 10,11).

Tabelle 4: Ergebnisse der Schülerbefragung zu qualitativen Merkmalen der Vorbereitung. Verwendet wurden sechsstufige Likert-skalierten Einzelitems; dargestellt sind die Mittelwerte (MW) ± Standardabweichung (SD); n=131-137

Item Nr. Item MW ± SDQualität der Unterrichtseinheit (1 = Trifft nicht zu bis 6 Trifft zu)

1 Die Unterrichtseinheit führte zu einem spürbaren Wissenszuwachs. 4,5 ± 1,1

2 Das Tempo während der Unterrichtseinheit ist angemessen. 4,8 ± 1,1

3 Ich konnte die Aufgaben, die mir gestellt wurden, gut bewältigen. 5,3 ± 0,9

4 Nach der Arbeit mit der Lernsoftware fühlte ich mich gut auf die Präsentation vorbereitet.

5,2 ± 1,0

5 Die Arbeitsphase am PC mit der Lernsoftware hat mir gut gefallen. 5,1 ± 1,0

6 Die Präsentation mit Hilfe der Lernsoftware am interaktiven Whiteboard hat mir gut gefallen.

5,1 ± 1,1

7 Ich war insgesamt mit meiner Präsentation zufrieden. 5,0 ± 1,2

8 Ich war insgesamt mit der Unterrichtseinheit zufrieden. 4,9 ± 1,1

9 Die Unterrichtseinheit hat meine Neugier auf den Labortag gefördert. 4,6 ± 1,4

Skalierungsänderung (1 = zu kurz; 3 = genau richtig; 6 = zu lang)

10 Die Zeit für die einzelnen Vorträge fand ich angemessen. 3,0 ± 0,7

11 Eine Doppelstunde ist für die Vermittlung der Inhalte zur Vorbereitung auf den Labortag angemessen.

2,9 ± 0,8

Die Beurteilung der Verstehensleistung durch die Schülerinnen und Schüler erfolgte anhand der Selbstauskunft zum Verständnis der fachlichen Inhalte. Dieses Verfahren hat sich in empirischen Untersuchungen zur Beurteilung der Fachkompetenz nach Lehrveranstaltungsbesuchen bei Studierenden als geeignet erwiesen (Braun et al. 2008). Die unterschiedlichen inhaltlichen Themengebiete wurden jeweils von einer Kleingruppe bearbeitet und mit Hilfe der Lernsoftware als schülerzentrierter, interaktiver Vortrag am IWB den anderen Schülerinnen und Schülern präsentiert. Bei der Evaluation kamen sechsstufige Likert-skalierte Items mit 1 = „trifft nicht zu“ bis 6 = „trifft zu“ zum Einsatz. Beispielitem: „Ich kann den Aufbau des Blutegelnervensystems erklären“ 4,5 ± 1,4 (MW ± SD, n = 137). Insgesamt erfasste der Fragebogen die vier zentralen fachlichen Themeninhalte, zu denen die Schülerinnen und Schüler deutliche Lernzuwächse wahrnahmen (4,3 ± 1,4 aus 4 Items, n = 137).

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auf das schülerzentrierte Arbeiten mit dem IWB und 18 auf den PC Einsatz. Schwächen konnten nicht einheitlich identifiziert werden und beruhten überwiegend auf Einzelmeinungen. 14 Personen gaben an, zu wenig Zeit gehabt zu haben.Die sieben Lehrenden, die den Unterricht verfolgten, wurden als Beobachter zur Beurteilung des Konzeptes befragt. Die Qualität der Unterrichtseinheit entsprach den Bedürfnissen und Erwartungen der Lehrenden (vgl. Item 1-8 Tab.5). Die Lehrenden erkannten den Mehrwert der Vorbereitung gegenüber der bestehenden Praxis und zeigten sich bereit, diese zukünftig eigenständig in ihrem Unterricht durchzuführen (vgl. Item 9-17 Tab.5).

Die Vorbereitung förderte darüber hinaus die Neugierde der Schülerinnen und Schüler auf den Besuchstag (4,6 ± 1,4 n = 136). Hervorzuheben ist, dass die Schülerinnen und Schülern die Arbeit mit PC (5,1 ± 1,0, n = 132) und IWB (5,1 ± 1,1, n = 130) mit sehr gut bewerteten. Dieses bestätigte auch die Befragung im offenen Antwortformat, in der die Schülerinnen und Schüler sich zu Stärken und Schwächen der Unterrichtseinheit äußerten. Zu den Stärken äußerten sich 86 Schülerinnen und Schüler, 36 zu den Schwächen. Die Antworten wurden kategorisiert und die Anzahl der Nennungen ermittelt. 33 Befragte werteten die Arbeit mit der Lernumgebung als besondere Stärke. 29 positive Nennungen fielen

Tabelle 5: Beurteilung der Lehrenden in beobachtender Rolle. Dargestellt sind die Mittelwerte (MW) ± Standardabweichung (SD) der sechsstufig Likert-skalierten Einzelitems; 1 = „trifft nicht zu“ bis 6 = „Trifft zu“; n = 7

Item Nr. Item MW ± SD

Qualität der Unterrichtseinheit1 Die Zeitstruktur für die Arbeit mit der Lernsoftware am PC war angemes-

sen.5,5 ± 1,2

2 Die Schülerinnen und Schüler konnten eigenständig ihre Arbeitsaufträge mit der Lernsoftware bearbeiten.

6,0 ± 0

3 Die Schülerinnen und Schüler waren mit ihren Arbeitsaufträgen bei der Arbeit am PC überfordert.

1,3 ± 0,5

4 Die Schülerinnen und Schüler konnten die Aufgaben, die ihnen am PC gestellt wurden, gut bewältigen.

5,7 ± 0,5

5 Die Arbeitsphase am PC war gut strukturiert. 5,8 ± 0,46 Die Zeitstruktur in der zweiten Stunde für die einzelnen Vorträge war

angemessen.5,7 ± 0,5

7 Ich habe die Präsentationen der Gruppen insgesamt gut verstanden. 5,7 ± 0,58 Ist die Lernsoftware mit dem Konzept abgestimmt? 5,9 ± 0,4

Einsatzbereitschaft9 Mit Hilfe der Lernsoftware könnte ich mir vorstellen diese Unterrichts-

phase mit Schülerinnen und Schülern durchzuführen5,7 ± 0,8

10 Die Zeitstruktur der gesamten Unterrichteinheit war angemessen. 5,6 ± 0,811 Die Unterrichteinheit inkl. Lernsoftware und Arbeitsblätter würde mich

bei der Vorbereitung eines Kurses auf den Besuch des Schülerlaborta-ges unterstützen.

5,9 ± 0,4

12 Durch die Inhalte der Lernsoftware erhalte ich einen Einblick was mich am Schülerlabortag selbst erwartet.

6,0 ± 0,0

13 Durch die Lernsoftware und die Vorbereitung erhalte ich Anknüpfungs-punkte zu meinem weiteren Unterricht.

5,0 ± 1,2

14 Die Lernsoftware ermöglicht es, den Schülerlaborbesuch besser in mei-nen Unterricht zu integrieren.

5,9 ± 0,4

15 Würden Sie die Doppelstunde in der Form als Vorbereitung auf den Labortag einsetzen?

6,0 ± 0,0

16 Ist das Konzept in den Unterricht integrierbar? 5,9 ± 0,417 Denken Sie, dass die Lernsoftware gut auf den Labortag vorbereitet? 6,0 ± 0,0

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Design-Based Research als Forschungsansatz in der Fachdidaktik Biologie 103

Zur Beurteilung der Intervention wurden die Ergebnisse mit Werten einer Kontrollgruppe, bestehend aus vier Leistungskursen (n=52) (Abb.5B) varianzanalytisch verglichen und aufgrund bestehender signifikanter Unterschiede zwischen den Gruppen anschließend, mithilfe von t-Tests, geprüft, bei welchen Messzeitpunkten signifikante Gruppenunterschiede auftraten. 62 % der Kontrollgruppe waren weiblich, 38 % männlich. Das Durchschnittsalter betrug 18,4 ± 0,9 Jahre.

Die Ergebnisse (Abb.6) zeigen, dass die Interventionsgruppe nach der Vorbereitung mit der digitalen Lernumgebung im Unterricht mit signifikant (p < 0,01) höherem Vorwissen den Schülerlabortag besuchten, als die unvorbereitete Kontrollgruppe (große Effektstärke dCohen = 1,81). Unmittelbar nach dem Laborbesuch kam es zu einem Angleich der Wissensstände zwischen Interventions- und Kontrollgruppe. Die Untersuchung des nachhaltigen Wissenserwerbs nach 30-35 Wochen zeigt, dass die Interventionsgruppe signifikant (p = 0,02) bessere Ergebnisse erzielte, als die Schülerinnen und Schüler der Kontrollgruppe (mittlere Effektstärke dCohen = 0,59).

Im offenen Antwortformat äußerten sich die Lehrenden darüber hinaus zu den Stärken und Schwächen der Unterrichtseinheit. Drei Lehrkräfte merkten positiv das anspruchsvolle Niveau, die Anschaulichkeit und die gute Verständlichkeit der Unterrichtseinheit an. Je zwei Lehrende machten auf die Förderung der Medienkompetenz ihrer Schülerinnen und Schüler aufmerksam, auf die gute theoretische Vorbereitung und den interdisziplinären Ansatz der Unterrichtseinheit. Keiner der Lehrenden machte Angaben zu Schwächen der Unterrichtseinheit. Insgesamt wurde damit die Praxistauglichkeit der Unterrichtseinheit von den Lehrenden, Schülerinnen und Schülern bestätigt.

4 Beurteilungsphase

4. ZyklusMethode und ErgebnisseDie summative Evaluation zur Überprüfung der Wirksamkeit der Innovation bezogen auf einen nachhaltigen Wissenszuwachs erfolgte als Pre-/Post-/FollowUp-Erhebung (Abb.5A). Der Wissentest beinhaltete 20 Multiple-Choice-Fragen zu spezifischen Themen des Schülerlabortages. Untersucht wurden fünf Leistungskurse der Biologie, die zuvor in der Schule die vorbereitende Unterrichtseinheit durchführten. Berücksichtigt wurden nur Schülerinnen und Schüler, die sowohl beim vorbereitenden Unterricht zugegen waren, als auch zu den unterschiedlichen Erhebungszeiten der Pre-/Post-/FollowUp-Stichprobe (n=62). 52 % der Interventionsgruppe waren weiblich, 48 % männlich. Das Durchschnittsalter betrug 17,9 ± 0,9 Jahre.

Abbildung 5: Evaluationsdesign

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104• Klees, Tillmann

Die Untersuchung des Flow-Erlebens erfolgte unter Verwendung der Flow-Kurzskala (FKS) nach Rheinberg et al. 2003. Die FKS wird als Erlebnisstichproben-Methode durchgeführt, d.h. die Schülerinnen und Schüler werden auf ein Signal hin in ihren praktischen Tätigkeiten am Labortag unterbrochen und beantworten dann die Fragen der FKS. Die FKS verwendet eine siebenstufige Likert-Skalierung von 1 = „trifft nicht zu“ bis 7 = „trifft zu“ mit insgesamt 10 Items. Die 10 Flow-Items lassen sich in zwei Faktoren aufspalten. Der Faktor I repräsentiert dabei den „glatten Verlauf“, Faktor II die „Absorbiertheit“ (Rheinberg et al. 2003). Der glatte Verlauf beschreibt die automatische Ausführung einer Tätigkeit, während die Absorbiertheit das Aufgehen in der Tätigkeit repräsentiert (Rheinberg et al. 2003). Im Unterrichtskontext ist es notwendig, die sogenannte Besorgniskomponente zusätzlich zu berücksichtigen, da theoretisch zu erwarten ist, dass nicht nur „freudiger“ Flow sondern auch Besorgnis motivierter Flow entstehen kann (vgl. Rheinberg et al. 2003), wie er beispielsweise durch Leistungsdruck oder Versagensangst hervorgerufen werden kann. In unserer Untersuchung wurden daher drei zusätzlich Items zur Besorgniskomponente mit einbezogen. Da die FKS nicht explizit für Tätigkeitsprüfungen

im Kontext von Unterricht entwickelt wurde, überprüften wird das Evaluationsinstruments innerhalb der bestehenden Lernsi- tuation. Anhand der Reliabilitätsprüfung wurde ein Item zur Absorbiertheit („Ich bin völlig selbstvergessen“) aus der weiteren Analyse herausgenommen, da die Vokabel „selbstvergessen“ von den Schülerinnen und Schülern nicht richtig verstanden wurde. Die faktorielle Struktur der FKS bildete sich in der Hauptkomponentenanalyse in drei Faktoren ab, in denen die einzelnen Items ihren Subskalen anhand ihrer Faktorladungen eindeutig zugeordnet werden konnten. Der erste Flow-Faktor klärte 40%, der zweite 20% und die Besorgniskomponente 9% der Gesamtvarianz auf. Die Reliabilitätsprüfung ergab für den glatten Verlauf ein Cronbachs α von .88, für die Absorbiertheit .77 und für die Besorgnis .84. Alle drei Subskalen zeigten damit eine hinreichende innere Konsistenz auf. Die Untersuchung des gesamt Flow-Erlebens, während der praktischen Arbeitsweisen am Schülerlabortag, zeigte sehr hohe Flow-Erlebniswerte von 5,34 ± 0,63 für die Interventionsgruppe und 5,37 ± 0,63 für die Kontrollgruppe, bei geringen Besorgniswerten (Interventionsgruppe: 2,81 ± 1,13; Kontrollgruppe: 2,53 ± 1,18). Es kann daher davon ausgegangen werden, dass der Tätigkeitsanreiz der Schülerinnen

Abbildung 6: Wissenstest (* * p < 0,01; * p < 0,05; n.s. = nicht signifikant)

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Design-Based Research als Forschungsansatz in der Fachdidaktik Biologie 105

und Schüler bei der Ausführung der praktischen Arbeitsweisen positiv motiviert ist und sich ein lernbegünstigender Funktionszustandes einstellt. Im direkten Vergleich der Interventions- mit der Kontrollgruppe konnte hier jedoch kein Einfluss der fachlichen Vorbereitung im Bezug auf die einzelnen Flow-Komponenten festgestellt werden (Abb. 7). In vorhergegangen Untersuchungen konnte von Engeser et al. 2005 in universitären Lernsituationen gezeigt werden, dass die Flow-Werte, die sich während Lernphasen einstellten, mit den Abschlussnoten der Studierenden korrelierten. Wir führten dazu in unserer Untersuchung eine Produkt-Moment-Korrelationsanalyse nach Pearson durch, in der der Zusammenhang zwischen den Flow-Werten der einzelnen Schülerinnen und Schüler mit ihren Ergebnissen im FollowUp-Wissentest nach 30-35 Wochen untersucht wurde. Während das Flow-Erleben innerhalb der Interventionsgruppe nicht mit den FollowUp Ergebnissen korrelierte zeigte sich jedoch eine schwach ausgeprägte Korrelation bei der Kontrollgruppe (r= .287; p= 0.048; n=48). Um die Auswirkung der Passung von Fähigkeit und Anforderung auf das Flow-Erleben zu untersuchen, wurden drei weitere Items eingesetzt, die die Selbsteinschätzung der Schülerinnen

und Schüler im Handlungskontext wiedergeben (Rheinberg et al. 2003). Die Anforderung und Fähigkeit werden dabei jeweils mit einem Item erfasst, die eine neunstufige Likert-Skalierung von 1 = „leicht“ bzw. „niedrig“ bis 9 = „schwer“ bzw. „hoch“ verwenden. Die Ergebnisse zur empfundenen Anforderung und Fähigkeit zeigten keine signifikanten Unterschiede zwischen der Interventions- und Kontrollgruppe. Die Anforderung wurde insgesamt von beiden Gruppen leicht unterdurchschnittlich und die Handlungsfähigkeit leicht überdurchschnittlich bewertet (Interventionsgruppe n=56: 3,71 ± 1,18 / 6,08 ± 1,29 und Kontrollgruppe n=48: 3,33 ± 1,28 / 6,11 ± 1,43). Die Vorbereitung beeinflusste demnach den empfundenen Schwierigkeitsgrad der handlungsorientierten Arbeiten am Schülerlabortag nicht. Zur Prüfung der personenbezogenen Anforderungsanpassung wurde ebenfalls ein neunstufig, likert-skaliertes Item eingesetzt, das von 1 = „zu gering“; 5 = „genau richtig“ und 9 = „zu hoch“ misst. Unerwarteter Weise zeigte sich hier ein signifikanter Unterschied zwischen der Interventions- und Kontrollgruppe (p = 0,007). Die Schülerinnen und Schüler mit Vorbereitung werteten die Anforderungspassung als genau richtig (4,48 ± 0,82), während die Schülerinnen und Schüler ohne Vorbereitung diese als etwas zu gering einschätzen (3,97 ± 1,08).

Abbildung 7: Flow-Erleben (** p < 0,01; * p < 0,05; n.s. = nicht signifikant)

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5 Diskussion und Ausblick

Außerschulische Lernorte besitzen ein hohes Maß an Bildungspotential für den Biologieunterricht (vgl. u.a. Mayer 2013). In der Praxis wird dieses jedoch nur in seltenen Fällen vollständig ausgeschöpft, da außerschulischer Unterricht mit einem erheblichen Mehraufwand der Unterrichtsvorbereitung verbunden ist. Dieses bildungspraktische Problem zeigt sich auch bei der Einbindung von Schülerlaborbesuchen in den Unterricht (u.a. Engeln 2004, Huck et al. 2009). In den vergangen Jahren sind zahlreiche Schülerlabore entstanden, die dem Problem der Unterrichtseinbindung überwiegend nicht begegnen. Die bislang vorliegenden empirischen Untersuchungen zur Wirksamkeit von Schülerlaboren in Deutschland (Übersicht in Guderian & Priemer 2008) liefern Hinweise, die die Bedeutung der curricularen Einbindung hervorheben. Konkrete praxistaugliche Konzepte oder Hinweise zur erfolgreichen Einbindungen von Schülerlaboren werden bislang jedoch nicht explizit beschrieben. Im DBR-Forschungsansatz konnten eine Designlösung für eine praxistaugliche Unterrichtinnovation zur Einbindung von Schülerlabortagen in den Unterricht entwickelt werden, die einen Lösungsansatz dieses Bildungsproblems darstellt und gleichzeitig Erkenntnisse zu den theoretischen Lernvorgängen bei Schülerlaborbesuchen liefert.

Praxisorientierte ForschungsergebnisseIm Bezug zum anwendungsorientierten Erkenntnisgewinn in unserer Studie ist es gelungen, die Implementierungsmerkmale, die Voraussetzung für erfolgreiche Unterrichtsinnovationen sind (Gräsel 2010), in dieser konkreten Lehr-Lernsituation zu identifizieren. Eine Generalisierung der Ergebnisse liefert allgemeine Leitlinien, die bei der Einbindung von Schülerlaboren berücksichtigt werden sollten. Die Bereitschaft von Lehrenden außerschulische Lernorte, speziell Schülerlabore, im Unterricht vorzubereiten ist demnach überwiegend abhängig von der curricularen Relevanz des Themas und dem Mehraufwand bei der Unterrichtsvorbereitung und Durchführung. Lehrende sehen Schülerlaborbesuche in erster Linie als ein Zusatzangebot zu ihrem schulischen Unterricht an, das die Unterrichtsinhalte nicht ersetzen, sondern erweitern und ergänzen soll. Den Schülerinnen und Schülern soll dadurch die

Möglichkeit geboten werden, im authentischen Kontext Experimente durchzuführen zu können und praktische Erfahrungen im Labor zu sammeln. Eine komplette Verzahnung von Schülerlabor und curricularem Unterricht wird nicht befürwortet, da dafür bestehende Handlungsroutinen aufgebrochen werden müssten und der Ersatz von bereits bestehenden Unterrichtseinheiten mehrheitlich nicht gewünscht oder akzeptiert wird. Grundsätzlich befürworten Lehrende die Vorbereitung und Einbindung von Schülerlabortagen in ihren Unterricht. Die allgemeinen Leitlinien können wie folgt beschrieben werden: Die Vorbereitungszeit in der Schule ist auf maximal zwei bis vier Unterrichtsstunden beschränkt. Die Unterrichtsvorbereitung sollte möglichst keinen Mehraufwand gegenüber der herkömmlichen Unterrichtsvorbereitung bedeuten. Es reicht demnach nicht aus, Lehrenden nur das notwendige Material zur Vorbereitung durch den Lernort zur Verfügung zu stellen, sondern das Material sollte in eine bereits vorbereitete Unterrichtseinheit eingebettet sein. Die Anforderungen an die Unterrichtseinheit sind vielseitig: Die Inhalte sollten auf das Wesentliche beschränken sein und eine klare Struktur zeigen. Die Arbeitsaufträge sollten kreativ sein und hohe Leistungsniveaus erreichen. Die Unterrichtseinheit sollte Möglichkeiten zur Binnendifferenzierung und zur Selbstkontrolle der Schülerinnen und Schüler beinhalten. In unserer Designlösung wird der vorbereitende Unterricht durch den Einsatz der speziell entwickelten digitalen Lernumgebung durchgeführt. Der Einsatz digitaler Medien wird nicht zwingend für eine erfolgreiche Unterrichtsvorbereitung angesehen, wurde von den Lehrenden jedoch positiv bewertet. Generell sahen die Lehrenden darin eine methodische Alternative zu ihrem herkömmlichen Unterricht und werteten die Methode als schülermotivierend und medienkompetenzsteigernd. Die Befragung der Schülerinnen und Schüler unterstützt diese Annahmen. Der PC- und IWB-Einsatz im Unterricht stieß auf positive Resonanz und förderte neben der inhaltlichen Vorbereitung auch die Neugierde der Schülerinnen und Schüler auf den Besuchstag. Diese Ergebnisse decken sich mit Studien, in denen mehr als 70% der Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler den Einsatz von digitalen Medien im MINT-Unterricht positiv bewerteten (BITKOM 2011; Initiative D21 2011). Die Nutzung digitaler Medien im Unterrichtskontext stellte sich als wenig

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problematisch heraus, da sowohl die technischen Mittel als auch die fachlichen Ressourcen zur Nutzung in allen Kooperationsschulen vorhanden waren. Studien zur Nutzung digitaler Medien im Unterricht zeigen, dass die technischen Voraussetzungen in den Schulen zwar gegeben aber im Unterrichtsalltag noch nicht angekommen sind (Pietzner 2009, Biermann 2009, Initiative D21 2011). Für den wirksamen Einsatz neuer Medien im Unterricht werden von der gestaltungsorientierten Mediendidaktik weitere Anforderungen an die Entwicklung gestellt (Kerres 2003). Dazu gehört auch die Überprüfung inwieweit die Anforderungen des Medieneinsatzes die Fähigkeiten der Nutzer nicht übersteigen. In unserer Untersuchung konnte dieses durch Usabilityanalysen und die Qualitätsprüfung der Unterrichtseinheit sichergestellt werden. Insgesamt ist es im DBR-Projekt gelungen, eine praxistaugliche Unterrichtseinheit zur Vorbereitung auf einen Schülerlabortag zu entwickeln und somit die Einbindung des Schülerlabortages in den Unterricht zu unterstützen. Die Unterrichtseinheit wird den Lehrenden jetzt direkt bei der Anmeldung zum Schülerlabortag angeboten und die multimediale Lernumgebung unmittelbar per E-Mail zugesendet.

Lerntheoretische Forschungsergebnisse Erwartungsgemäß führte ein höheres fachliches Vorwissen der Schülerinnen und Schüler zu einer Verbesserung der langfristigen Wissensspeichung nach dem Schülerlaborbesuch. In Anlehnung an die Cognitive-Load-Theorie nach Chandler & Sweller (1991) ist zu vermuten, dass die gezielte Vorbereitung auf den Schülerlabortag zu einer kognitiven Entlastung der Schülerinnen und Schüler beim Wissenserwerb im Schülerlabor führte. Zu diskutieren bleibt, inwieweit die intrinsische Belastung durch das fachliche Vorwissen herabgesetzt wurde oder ob durch das erweiterte Vorwissen mehr Elemente aus dem Langzeitgedächtnis zur Schemakonstruktion beim Lernvorgang zur Verfügung standen. Als zukünftige Interventionsdesigns stehen im Rahmen der entstandenen Forschungsumgebung vielfältige Möglichkeiten offen. Durch die standardisierte Unterrichteinheit zur schulischen Vorbereitung auf einen konkreten Schülerlabortag ist eine vielseitig manipulierbare Forschungsumgebung entstanden. Zunächst wäre es von Interesse, inwieweit sich eine Erhöhung des Schwierigkeitsgrades der Arbeitsaufträge am Schülerlabortag auf den

Wissenserwerb auswirkt und ob sich daraus Rückschlüsse auf die intrinsische Belastung ziehen lassen. Die Hypothese, die fachliche Vorbereitung würde sich auch positiv auf das Flow-Erleben bei der Durchführung der praktischen Tätigkeiten am Labortag auswirken, musste verworfen werden. Die Vorbereitung zeigte keine messbaren Auswirkungen auf das Flow-Erleben, das sich durch die praktischen Tätigkeiten am Schülerlabortag einstellte. Lerntheoretisch konnten jedoch weitere aufschlussreiche Zusammenhänge und Erkenntnisse zur konkreten Lehr-Lernsituation gewonnen werden. Festzuhalten bleibt zunächst, dass die ermittelten Flow-Werte im Vergleich zu anderen Untersuchungen sehr hoch liegen und an Flow-Kennwerte heranreichen, die bei Stichproben von Graffiti-Sprayern und beim Spielen eines Computerspiels bei optimaler Passung von Anforderung und Fähigkeit erreicht wurden (Rheinberg et al. 2003, Rheinberg & Vollmeyer 2003). Dieses spricht für eine sehr hohe Intensität der Leistungsanstrengung, die den Anreiz für die Ausführung einer Handlung darstellt (Wild et al. 2006). Motivational kann der Tätigkeitsanreiz dabei sowohl intrinsisch und/oder extrinsisch bestimmt sein (Engeser et al. 2005), wobei in unserer Untersuchung anhand der geringen Werte für die Besorgniskomponente davon ausgegangen werden kann, dass das Flow-Erleben hier ausschließlich positiv motiviert ist. Im Rahmen des kognitiven-motivationalen Prozessmodells des Lernens konnte Flow-Erleben als eine der leistungsrelevanten Variablen des Funktionszustands beim Lernen identifiziert werden (Engeser et al. 2005). Die hohen Flow-Werte weisen somit auf sehr gute Lernvoraussetzungen im Schülerlabor hin und könnten als Qualitätsmerkmal für das Experimentieren in authentischen Lernumgebungen gelten. Von besonderem Interesse ist zudem der Befund, dass die Flow-Werte der Kontrollgruppe mit den Ergebnissen des Wissenstests der FollowUp-Erhebung korrelierten, die der Interventionsgruppe jedoch nicht. Dieses Ergebnis wirft weitere Forschungsfragen auf. Inwieweit stehen Vorwissen und der Wissenserwerb durch die praktischen Arbeitsweisen im Labor in Verbindung? Anzunehmen ist zunächst, dass die praktischen Tätigkeiten einen größeren Einfluss auf den Lernerfolg nehmen, wenn das Vorwissen gering ist, während der Lernerfolg bei hohem Vorwissen davon eher unabhängig erscheint. Die Passung von Anforderung und Fähigkeit wird

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als eine der zentralen Bedingungen angesehen, die zur Entstehung von Flow-Erleben führen (Csikszentmihalyi & Schiefele 1993), sie ist jedoch nicht mit dem Flow-Zustand an sich gleichzusetzen (Rheinberg et al. 2003). Bei der Ausbildung von Flow sind personenbezogenen Merkmale wie Einstellung, Interessen und Motive mitbestimmend (Csikszentmihalyi & Schiefele 1993). Ein Einfluss dieser Parameter kann in unserer Untersuchung vermutet werden, da die Untersuchung zur Auswirkung der Passung von Anforderung und Fähigkeit dazu Anlass geben. Es zeigte sich, dass unabhängig von der Vorbereitung, die Schülerinnen und Schüler die Anforderungen im Schülerlabor als leicht geringer und ihre Fähigkeiten als leicht höher einschätzten, bei zugleich sehr hohen Flow-Werten. Erstaunlicherweise wurde die Passung von der Interventionsgruppe als genau richtig empfunden und nur von der Kontrollgruppe die Anforderungen als etwas zu gering gewertet. Die Steigerung des theoretischen Vorwissens könnte demnach dazu führen, dass die Schülerinnen und Schüler der Interventionsgruppe den Gesamtkontext, in dem die handlungsorientierten Arbeiten stehen, besser nachvollziehen konnten und dadurch erst eine höhere Anforderung wahrgenommen haben. Von Interesse wäre hier in weiteren Zyklen den Einfluss der Vorbereitung auf die Anforderungswahrnehmung im Zusammenhang mit einer höheren Leistungsbereitschaft zu untersuchen. Generell stellt sich zudem die Frage, ob die Vorbereitung einen positiven Einfluss auf das Flow-Erleben zeigt, wenn die Anforderungen im Labor erhöht werden. Ein zu starkes Ungleichgewicht von Anforderung und Fähigkeit birgt jedoch die Gefahr der Langeweile bzw. der Überforderung und würde zu geringen Flow-Werten führen (vgl. Rheinberg 2005). Weiter wäre von Interesse, inwieweit eine zielgerichtete Vorbereitung auf die handlungsorientierten Anteile des Schülerlabors das Lernen im Schülerlabor beeinflusst.

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