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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.

Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.

tidin und Cytidylsäure mit salpetriger Säure) beob-achteten wir, daß die Beeinflussung des Cytosin-Rin-ges durch den Ribose- bzw. Ribosephosphat-Rest so ausgeprägt ist, daß sie sogar zu einer Veränderung des Reaktionsablaufs f ü h r t 2 c : Cytidylsäure liefert mit H N 0 2 in glatter Reaktion Uridylsäure; Cytosin und Cytidin geben dagegen nicht das erwartete Ura-cil bzw. Uridin, sondern unter Ringöf fnung ein nicht identifizierbares Reaktionsgemisch 2 8 .

Wir danken der D e u t s c h e n F o r s c h u n g s -g e m e i n s c h a f t und dem V e r b a n d d e r C h e -m i s c h e n I n d u s t r i e für die großzügige Förde-rung der vorliegenden Arbeit, Herrn Prof. Dr. G. HARTMANN, Institut für Biochemie der Universität Würz-burg, für wertvolle Anregungen und Hinweise.

28 Von R . M . LEMMON, Nature [London] 212, 1 4 8 1 [ 1 9 6 6 ] , wurde kürzlich darauf hingewiesen, daß sich die in der Nucleinsäure eingebauten Basen gegenüber ionisierender Strahlung anders verhalten als im isolierten Zustand.

Freie Radikale in bestrahlten Einkristallen von Purin-Nucleosiden: Adenosin, Desoxyadenosin und Desoxyguanosin

H E R M A N N D E R T I N G E R

Institut für Strahlenbiologie, Kernforschungszentrum Karlsruhe

(Z. Naturforschg. 22 b, 1261—1266 [1967] ; eingegangen am 5. April 1967)

ESR-studies on irradiated single crystals of adenosine hydrochloride, deoxyadenosine mono-hydrate and deoxyguanosine hydrochloride demonstrate clearly the formation of 7,8-dihydro-ade-nyl(guanyl)-(7)-radicals to be a major consequence of irradiation. This species shows a character-istic triplett spectrum and is formed by addition of one atom of hydrogen at the position C ( 8 ) of the purine base.

Das Auftreten freier Radikale in bestrahltem orga-nischem Material bildet eine wichtige Zwischenstufe in der Reaktionsfolge, die mit der Absorpt ion von Strahlenenergie ihren Anfang nimmt und im allge-meinen zu einem beobachtbaren Schaden führt. Auf die Bedeutung der Elektronenspin-Resonanz ( E S R ) als Nachweismethode für strahleninduzierte Radikale ist unter anderem von Z I M M E R 1 hingewiesen worden. Für die quantitative Strahlenbiologie bietet sie die Möglichkeit, die Radiolyse biochemischer Substanzen im festen Zustand, also weitgehend unabhängig v o m umgebenden Medium, zu studieren. Speziell der Schädigung der Desoxyribonucleinsäure ( D N S ) , als Trägerin der genetischen Information, gilt, begün-stigt durch die Entwicklung und Verfe inerung der Elektronenspin-Resonanz-Technik, großes Interesse der Strahlenbiologen. V o m Standpunkt der Elektro-nenspin-Resonanz betrachtet, erscheint die D N S als verhältnismäßig kompliziertes Riesenmolekül inso-fern, als die eindeutige Identifizierung der strahlen-erzeugten Radikalstellen mit beträchtlichen Schwie-

rigkeiten verbunden ist. Das Interesse vieler ESR-Spektroskopiker konzentriert sich deswegen zunächst auf das radiolytische Verhalten der DNS-Bausteine, der vier Basen, der Desoxyr ibose und des M o n o -phosphat-Restes. Die ESR-Spektren dieser K o m p o -nenten wurden von vielen Autoren eingehend unter-sucht, insbesondere auch von M Ü L L E R 2 , der in einer umfassenden Arbeit nicht nur die Spektren der Nu-cleinsäure-Komponenten, sondern auch diejenigen von Bakteriophagen und deren D N S registrierte. Eine eindeutige Zuordnung und Identifizierung ge-lang jedoch erst in einem Fall, nämlich bei bestrahl-ten Thymin-Verbindungen und bestimmten D N S -Präparationen, w o das 5 .6 -D ihydro -Thymyl - (5 ) -Ra -dikal entsteht, welches ein sehr signifikantes 8-Li -nienspektrum l ie fert 3 .

Gegenstand dieser Untersuchungen bildet haupt-sächlich ein Triplett-Spektrum mit etwa 35 Oe Li-nienabstand, wie es zuerst von D O R L E T , V A N D E

V O R S T und B E R T I N C H A M P S 4 in bestrahlter D N S aus Forel len-Spermien registriert wurde. H E R A K und

1 K. G. ZIMMER, Akad. Wiss. Lit. Mainz, Abh. math.-natur-wiss. Kl. Nr. 3,107 [I960].

2 A. MÜLLER, Akad. Wiss. Lit. Mainz, Abh. math, natur-wiss. Kl. Nr. 5,139 [1964].

3 B . L. PRÜDEN, W. SNIPES U. W. GORDY, Proc. nat. Acad. Sei. USA 53, 917 [1965].

4 C . DORLET, A. VAN DE VORST U. A. J . BERTINCHAMPS, Nature [London] 194,767 [1962].

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GORDY 5 erhielten es, indem sie Purin-Basen einer Wasserstof f -Gasentladung aussetzten. Es wird dar-über hinaus auch in P u r i n - N u c l e o s i d e n 2 und in 9 -Äthyl -Guanin 6 beobachtet.

Methodik

Sehr präzise Auskünfte über Radikalstrukturen er-hält man durch Anwendung der Elektronenspin-Reso-nanz-Methode auf Einkristalle, in deren Gitter die Ra-dikale in maximal geordnetem Zustand festgehalten sind. Die vollständige Beschreibung des Radikals um-faßt dann die Bestimmung der Elemente des g - ( L a n d e ) - T e n s o r s und des Kopplungstensors \ A | . Sie bilden die radikalspezifischen Größen des Spin-H a m i l t o n - Operators der Elektronenspin-Resonanz für freie organische Radikale:

H = / / B S | g | H 0 + S|A|T. (1)

Dabei sind S und I die Operatoren des Elektronen-bzw. Kernspins, H0 das Z e e m a n - Feld und /un — 0 , 9 2 7 3 1 - 1 0 _ 2 0 e r g / 0 e das B o h r sehe Magneton. Aus dem H a m i l t o n - Operator berechnen sich die Wech-selwirkungsenergien des ungepaarten Elektronenspins mit dem Magnetfeld H0 (1. Term) und dem Kern-Moment, der sog. Hyperfeinstruktur (2. T e r m ) . Für den Tensorcharakter von g ist bei freien organischen Radikalen die Spin-Bahn-Kopplung verantwortlich, während die winkelabhängige Dipolwechselwirkung zwischen Kern- und Elektronenspin bewirkt, daß die Hyperfeinstruktur-Wechselwirkung tensoriell ist. Die Bestimmung der Tensorelemente geschieht nach dem v o n GEUSIC u n d BROWN 7 b e s c h r i e b e n e n V e r f a h r e n , w o -bei man den Einkristall um 3 zueinander senkrechte Achsen dreht. Hat man dieses Koordinatensystem so gewählt, daß die 3 x 3-Matrizen ! g | oder | A | (oder beide) diagonal sind, erkenntlich daran, daß die Sinus-Funktionen g 2 ( 0 ) bzw. A2(0) ( 0 = Drehwinkel) ihre Extremwerte längs der Koordinatenachsen anneh-men, dann bilden diese 3 Extremwerte gerade die Hauptwerte der entsprechenden Tensoren. In diesem Falle genügt es, die Winkelvariation von g und A, an-statt von g2 und A2 zu registrieren.

Zur ESR-Messung diente ein konventionelles Q-Band-Spektrometer mit drehbarem Magneten und zylin-drischem Meßresonator. Durch die Verwendung der hohen Mikrowellenfrequenz von 35 GHz erzielt man große Empfindlichkeit bei kleinem Probevolumen, was sich in Anbetracht der kleinen Kristalle als entschei-dender Vorteil erwies. Als Eichsubstanz für den unbe-kannten g-Faktor und Linienabstand fand ein Mn 2 ®-Präparat Verwendung, dessen 6 Linien zugleich mit den Spektren der bestrahlten Kristalle in Winkelinter-vallen von 15° registriert wurden. Die Kristalle selbst befanden sich innerhalb des Resonators in passend her-

3 J. N. H E R A K U. W. G O R D Y , Proc. nat. Acad. Sei. USA 54, 1287 [1965].

6 A . CHECUCCI, J. DEPIREUX U . J. DUCHESNE, Nature [London] 206,925 [1965].

gestellten Quarzkapillaren, in die sie zuvor unter dem Mikroskop einjustiert wurden. Während säulenförmige Kristalle von Adenos in-HCl ( 4 - 1 , 5 - l m m ) durch lang-sames Abkühlen salzsauerer Lösungen der reinen Nu-cleoside in einem transistorbeheizten und elektronisch gesteuerten Thermostaten erhalten wurden, erwies sich langsames Verdunsten einer wäßrigen Lösung für die Kristallplättchen von Desoxyadenosin-H 20 ( 5 - 3 - 0 , 4 mm) als besonders geeignet. Nach Bestrahlung bei Zim-mertemperatur und Luftzutritt mit Dosen von 10 7 rad (Gammacell 220 der Atomic Energy of Canada; 1,5 • 106 rad/h) zeigten die klaren Kristalle charakteri-stische Verfärbungen. Die Raumgruppen-Bestimmungen wurden von S C H N E I D E R 8 durchgeführt.

Ergebnisse

1. Adenosin HCl

A b b . 1 zeigt die Festlegung des g-Tenson-Haupt-achsensystems x, y und 2 im Einkristall von A d e n o -s i n - H C l . D ie Tatsache, daß der Kristall der m o n o -klinen R a u m g r u p p e P 2 t angehör t 8 bedingt , daß

p - y ^ ^ — .

I I x X

Abb. 1. Hauptachsen des Tensors | g j im Einkristall von Adenosin Hydrochlorid.

20 0 e

Abb. 2. ESR-Spektrum des bestrahlten Einkristalls von Ade-nosin Hydrochlorid. Das Magnetfeld liegt parallel zur x-Achse.

7 J . E. GEÜSIC u. L . C. B R O W N , Physic. Rev. 1 1 2 , 6 4 [ 1 9 5 8 ] . 8 W. SCHNEIDER, persönliche Mitteilung (1966).

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2 Radikalposi t ionen im Kristallgitter auftreten kön-nen, die zwar durch die 2 1 -Symmetr ie -Operat ion (2-zählige Schraubsymmetrie) verbunden, aber magnetisch unterscheidbar sind. Es kann daher Rich-tungen geben, längs denen sich das typische A d e n o -sin-Triplett ( A b b . 2 ) verdoppelt . Da aber natur-gemäß ein und dasselbe Radikal einen eindeutig be-stimmten g -Tensor hat, m u ß aus den zweideutigen Spektren die jenige K o m p o n e n t e herausgesucht wer-den, die einen widerspruchsfreien und physikalisch sinnvollen g -Tensor liefert. Dies ist die bei t iefem Feld erscheinende K o m p o n e n t e . Ver fährt man auf diese Weise , so erhält man bei Drehung u m die Achsen x, y und 2 die in A b b . 3 wiedergegebenen

-2003% •2002 \

2/102 2/i03/2/)04

2,003 2/104

-̂ 004 •2003 9 T \

2,002 2/)03/2/104

C)

Abb. 3. Polardiagramme des g-Tensors beim Einkristall von Adenosin Hydrochlorid. a) Drehung um x; b) Drehung um y ,

c) Drehung um z.

Winke ld iagramme, aus denen man f o lgenden dia-gonalen g -Tensor abliest:

2,0024 2,0038

Der Linienabstand des Adenosin-Tripletts ( A b b . 2 ) ist winke lunabhängig und beträgt

4̂ = 39,5 ± 0 , 5 O e .

G r ö ß e und Isotropie der K o p p l u n g zeigen, daß die Hyperfe instruktur v o n 2 äquivalenten ^ - P r o t o -nen herrührt . Das Spektrum in A b b . 2 besteht also aus e inem Triplett mit dem Amplitudenverhältnis 1 : 2 : 1 , dem aber wenigstens eine weitere zentrale Linie überlagert ist.

2. Desoxyadenosin'H20

I m Gegensatz zu A d e n o s i n lieferten diese Kristalle in vielen Orientierungen schwache und in den Ein-zelheiten schwer interpretierbare Spektren, die je-doch alle das oben erwähnte Triplett enthalten. A b b . 4 zeigt das ESR-Spektrum für den günstigsten

20 Oe

Hn

( ± 0,0002)

Abb. 4. ESR-Spektrum des bestrahlten Einkristalls von Des-oxyadenosin. Das Magnetfeld verläuft parallel zur Längsachse

des Kristallplättchens.

Fall , bei d e m das Magnet fe ld der Längsachse des Plättchens parallel verläuft. D ie isotrope K o p p l u n g beträgt

^ = 40 ± 0 , 5 Oe

und entspricht damit ziemlich genau dem ob igen , fü r das A d e n o s i n erhaltenen Wert . Der zentrale Teil des ESR-Spektrums ist j edoch komplizierter als in A b b . 2 .

3. Desoxyguanosin-HCl

D i e Einkristalle von D e s o x y g u a n o s i n - H C l waren kleine, leicht zerbrechliche Nadeln mit schlecht ausge-prägten Kristallf lächen. Dies erschwerte eine wohl -definierte Festlegung der ESR-Achsen. D ie g-Fakto-ren st immen weitgehend mit den Elementen des g -Tensors b e i m A d e n o s i n - H C l überein. D a auch hier die R a u m g r u p p e P 2 4 vorl iegt 8 , gibt es im über-raschend starken ESR-Signal , welches wieder von dem typischen Triplett beherrscht wird ( A b b . 5 a ) , Orient ierungen, in denen zwei magnetisch unter-scheidbare Pos i t ionen erscheinen ( A b b . 5 b ) . Die

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Abb. 5. ESR-Spektren des bestrahlten Einkristalls von Des-oxyguanosin Hydrochlorid. a) Magnetisch äquivalente Posi-

tionen, b) zwei magnetisch verschiedene Positionen.

Kopp lung ist jedoch im Vergleich zu den Adenin-Nucleosiden geringer :

^ = 3 5 ± 1 O e .

ferte ein Duplett von ca. 39 Oe Kopplung, dessen Linien durch die Wechselwirkung mit einem Deute-ron stark verbreitert waren, sowie eine zusätzliche Zentrallinie anderer Herkunft. Die Autoren zogen daraus den Schluß, daß ein Wasserstoff-Anlagerungs-Radikal entstanden sei, wobei offenbar der Wasser-stoff an eine Posit ion addiert, in der bereits ein Was-serstolfatom sitzt. Da das Triplett ferner für Purin-Derivate charakteristisch und von den Liganden des Pyrimidin-Ringes unabhängig ist, liegt die Radikal-stelle mit großer Wahrscheinlichkeit am Imidazol-ring. Nach den Berechnungen von P U L L M A N und M A N T I O N E 9 ist dann das sog. 7 .8-Dihydro-Adenyl-(Guanyl ) - (7 ) -Radika l (Abbn . 6 und 7 ) die stabilste

o.n Ii m / H

Diskussion

Es erhebt sich die Frage, welches Radikal dem isotropen ESR-Triplett der Purin-Nucleoside zu-grunde liegt. Nach dem g-Tensor im Falle des Ade-nosine HCl-Einkristalls wird man, da in den Spek-tren überdies keine 1 4N-Hyperfeinstruktur erkennbar ist, ein Kohlenstoff-Radikal der folgenden Art anneh-m e n :

. I - C - C - H

I I H

Ein derartiges Radikal kann aber sicher nicht auf einfache Weise entstehen. Dies gilt sowohl für die Base, als auch für den Zucker, bei dem noch hinzu-kommt, daß sowohl die Ribos ide , als auch die Des-oxyr ibos ide das gleiche ESR-Triplett liefern. Ande-rerseits entsteht das Radikal aber mit einem G-Wert 2 von ungefähr 1, und es ist daher zu prüfen, ob nicht in Wirklichkeit doch ein anderes Radikal vorliegt, nämlich ein Stickstoff-Radikal mit anoma-lem Verhalten.

In diesem Zusammenhang sind die Ergebnisse von H E R A K und G O R D Y 5 wichtig. Die Autoren expo-nierten unter anderem die Purin-Basen Adenin und Guanin atomarem Wasserstoff aus einer Wasserstoff-Gasentladung und erhielten als ESR-Signal ein Tri-plett mit einer Kopplung von etwa 39 Oe. Die ana-loge Bombardierung mit atomarem Deuterium lie-

Abb. 6. Das 7.8-Dihydro-Adenyl-(7)-Radikal. Spindichten nach P U L L M A N und M A N T I O N E 9 .

HZN' m

0,06 0

su/lOZ^Xrv "0,01 0,1̂

r 0,07 0,15 p. ^ V J - O O ^

•-N 0.33V /H

/ C 0 , 0 8 /

I R'

Abb. 7. 7.8-Dihydro-Guanyl-(7)-Radikal. Spindichten nach P U L L M A N u n d M A N T I O N E 9 .

und damit die wahrscheinlichste Struktur. Die Spin-dichten an N(7) betragen nach P U L L M A N und M A N T I O N E

0 ,43 für das Adenyl - und 0 ,39 für das Guanyl-Radi-kal. Beim Vergleich mit den hier gemessenen Kopplun-gen von 39 ,5 und 3 5 Oe für das Adenosin bzw. Desoxyguanosin fällt auf, daß sich diese ziemlich ge-nau wie die Spindichten verhalten, was H E R A K und G O R D Y bei den Pulverspektren natürgemäß nicht verifizierten konnten. Dank dieser Übereinstimmung ist man einerseits zu der Folgerung berechtigt, daß in bestrahlten Purin-Nucleosiden tatsächlich die von P U L L M A N und M A N T I O N E berechneten Radikale ent-stehen. Man ist darüber hinaus sogar in der Lage, eine bisher nicht bekannte Kopplungskonstante für

9 B . P U L L M A N U. M . J. M A N T I O N E , C . R . hebd. Seances Acad. Sei. 260,5643 [1965].

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Stickstoff-Radikale abzuschätzen. Die Wechselwir-kung des ungepaarten Elektrons, welches im allge-meinen das 2p-0rbi ta l senkrecht zur Radikalebene einnimmt, mit /^-ständigen Protonen (Hyperkonjuga-tion) genügt fo lgender Beziehung 10

A= (ßo + ^ c o s 2 0)g; B0<Bl.

Dabei sind B0 und Bt Konstanten, die z. B. für Fragmente des Typs

• I — Ca — C/J — H^

fo lgende Werte annehmen 1 1 :

#o = 3 , 6 0 e ; ß ^ O O e ,

o ist die Spindichte am Zentralatom (Ca ) und 0 der Winkel zwischen der Cß — H^-Richtung und der 2p-Orbitalachse, projiziert in eine Ebene senkrecht zur C a — C^-Bindung. Nimmt man für N-Radikale wieder B0 an, so gilt :

Q • COS2 &

Bei Annahme einer Tetraeder-Bindung der ^-Proto -nen ( 0 3 0 ° ) folgt mit den entsprechenden Werte-paaren Q und A der erwartungsgemäß hohe Wert v o n : Bt ~ 120 Oe

für N-Radikale mit am Nachbarkohlenstoff gebun-denen Protonen.

Es bleibt noch die Frage zu beantworten, weshalb die hier registrierten ESR-Spektren keine 1 4N-Hyper-feinstruktur zeigen, was sicherlich auch für die Spek-tren v o n H E R A K und G O R D Y 5 zutrifft, obwohl diese Autoren glauben, sie in der geringfügig asymmetri-schen L in ien form zu erkennen. Auf diese Frage gibt es noch keine endgültige Antwort, wenngleich ent-sprechende Beobachtungen schon von mehreren Auto-ren gemacht wurden. Ihre Ergebnisse lassen sich so formulieren, daß die Übergänge m = ± 1 des Kernspins be im Stickstoffatom unterdrückt sind, so-bald die Rotation der Radikalstelle behindert ist. Bestätigt wird dieser Befund recht eindrucksvoll durch die Ergebnisse von H Y D E und F R E E M A N 1 2 .

Durch Bestrahlung von Ammoniumperchlorat-Ein-kristallen erzeugten sie das Radikal N H 3 ® . Beim langsamen Abkühlen eines solchen Kristalls ver-

10 J. R. MORTON, Chem. Reviews 64, 4 5 3 [ 1 9 6 4 ] . 11 D. H. WHIFFEN, persönliche Mitteilung (1966) ; J. chim.

Physics, im Drude.

schwanden bei 1 7 0 ° K die beiden äußeren Linien des Stickstoff-Tripletts. H Y D E und F R E E M A N machten die bei sinkender Temperatur stufenweise einfrie-rende Rotation des Radikals für den beobachteten Ausfal l der 1 4N-Hyperfeinstruktur verantwortlich. In einem ähnlichen Experiment erzeugten A L - N A I M Y ,

M O O R T Y und W E I S S 13 in gefrorenen Ammoniak-Wasser-Systemen das Radikal N H 2 , dessen Rota-tion durch die Ausbi ldung von Wasserstoff-Brücken zu den Wassermolekeln ebenfalls behindert ist. Die Fo lge davon ist wieder ein Ausfall der 1 4 N-Kopp-lung, die jedoch sofort wieder auftritt, wenn man in einer Argon-Matr ix arbeitet, in der kein Wasser-stoff-Brücken-System möglich ist. V o n der behinder-ten Rotation wird höchstwahrscheinlich audi der g-Faktor betroffen, dessen Mittelwert bei den Ex-perimenten von H Y D E und F R E E M A N 12 und offensicht-lich auch von H E R A K und G O R D Y 5 bei 2 , 0 0 3 4 lag, während man bei N-Radikalen im allgemeinen Werte von 2 , 0 0 5 0 erwartet 1 0 .

Dieser Tatbestand der behinderten Rotation trifft, wie unmittelbar einzusehen ist, auch für das 7.8-Di-hydro-Adenyl (Guanly) - ( 7 ) -Radikal zu, so daß hier-mit die Anomal ien dieses Radikals befr iedigend er-klärt werden können. Darüber hinaus entnimmt man aus A b b . 2, daß die „verbotenen" 1 4N-Übergänge nicht vollständig unterdrückt sind, sondern als eben noch erkennbare Satelliten erscheinen und vor allem rechts und links der Zentrallinie durch Überlagerung eine Abschrägung der Nullinie bewirken. Zur voll-ständigen Beschreibung des Spektrums in A b b . 2 ge-hört noch eine Bemerkung über dessen zentralen Teil . Genauere Auswertungen aller Adenosin-Spek-tren zeigen, daß der Mittellinie des Tripletts 2 Ein-zellinien überlagert sind, die sich in ihrem Anisotro-pie-Verhalten voneinander unterscheiden. Während bei der einen keine Positionsaufspaltung erkennbar ist, fo lgt die andere in dieser Hinsicht wie auch im g-Faktor ziemlich genau dem Triplett, so daß ihre Anwesenheit meist nur dessen Amplitudenverhältnis 1 : 2 : 1 verfälscht. Dieses Verhalten beobachtet man audi in den ESR-Spektren von Desoxyguanos in -HCl ( A b b . 5 ) , und man kann hieraus mit einiger Be-rechtigung schließen, daß die zugehörige Radikal-stelle spiegelsymmetrisch zur Radikalstelle N(7) des Tripletts lokalisiert ist, d. h. also an der Posit ion

1 2 J . S . HYDE U. E. S . FREEMAN, J . physic. Chem. 6 5 , 1 6 3 6 [ 1 9 6 1 ] .

1 3 B . S . AL-NAIMY, P . N . MOORTHY U. J . J . WEISS, J . physic. Chem. 7 0 , 3 6 5 4 [ 1 9 6 6 ] .

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N(9) des Purin-Ringes . Ein solches Radikal , das mit g r o ß e r Wahrscheinlichkeit audi bei den Versuchen v o n HERAK u n d GORDY i n f o l g e W a s s e r s t o f f - A b s t r a k -

tion durch atomaren Wasserstof f entstanden ist, würde in diesem Fall durch Trennung der V - G l y c o -s id -Bindung zum Zucker zustande k o m m e n , was v o m Standpunkt der Strahlenbio logie aus eine Mutation bedeuten kann. Der Ausfal l der 1 4 N - K o p p l u n g er-

klärt sich dabei wieder durch Behinderung der Rota-t ion des Radikals . Über die andere paramagnetische K o m p o n e n t e , die in allen Orientierungen ein eindeu-tiges Singulett liefert, kann in diesem Zusammen-hang nichts ausgesagt werden.

Herrn Prof. Dr. K. G. ZIMMER und Herrn Priv.-Doz. Dr. A. MÜLLER danke ich für nützliche Ratschläge und klärende Diskussionen.

Der Ursprung des ESR-Dubletts in der Nucleinäurebase Cytosin: eine Einkristallstudie bei 8 mm Wellenlänge

H E R M A N N D E R T I N G E R

Institut für Strahlenbiologie, Kernforschungszentrum Karlsruhe

(Z . Naturforschg. 22 b, 1266—1269 [1967] ; eingegangen am 5. Apr i l 1967)

An ESR-study on an irradiated single crystal of cytosine monohydrate shows a hydroxy-radical to be formed by addition of a hydrogen atom to the C(2) =0-double bond which gives rise to a characteristic doublet spectrum.

Neben den strahlenchemischen Untersuchungen bio logischer Substanzen, die meistens in wäßr iger L ö s u n g durchgeführt werden, sind d ie Elektronen-spin-Resonanz ( E S R ) -Exper imente mit bestrahlten trockenen Pulvern von g r o ß e r Bedeutung. D a man hierbei unabhängig ist von der zufäl l igen W a h l des chemischen Mil ieus, und d i f fus ionsbedingte chemi-sche Sekundärprozesse im al lgemeinen stark ver-langsamt sind, erfaßt man den Strahlenschaden meist in e inem sehr frühen, dem physiko-chemischen Sta-d ium, innerhalb dessen chemische B indungen zer-stört und Radikale erzeugt werden. V o n besonderem strahlenbiologischen Interesse ist die W i r k u n g ioni-sierender Strahlung auf die Nucle insäuren und ihre Kompontenten . ESR-Exper imente an Einkristallen solcher Nucleinsäure-Bausteine, aus denen sich ein-deutige Schlüsse über Art und Struktur der strahlen-erzeugten Radikale ziehen lassen, wurden bis jetzt in zwei Fällen d u r c h g e f ü h r t 1 ' 2 . D ie vor l iegende ESR-Untersuchung an Einkristallen v o n Cytosin M o n o h y d r a t dient der Identi f iz ierung des Cytosin-Radikals , dessen ESR-Spektrum im wesentlichen

1 B . L. PRÜDEN, W. SNIPES U. W. GORDV, Proc. nat. Acad. Sei. USA 53, 917 [1965].

2 H . DERTINGER, Z. Naturforschg. 22 b, 1261 [1967]. 3 W. KÖHNLEIN, Strahlentherapie 122, 437 [1963]. 4 A. MÜLLER, Akad. Wiss. Lit. Mainz, Abh. math, naturwiss.

Kl. 5, [1964],

aus e inem Dublett von etwa 10 Oe Linienabstand be-s t e h t 3 ' 4 .

Methodik

Die schwere Kristallisierbarkeit der für die Strahlen-biologie interessanten Verbindungen erfordert im all-gemeinen, daß man, zur Steigerung der Volumen-empfindlichkeit, mit hoher Mikrowellenfrequenz arbei-tet. Aus diesem Grunde wurden die Messungen bei 35 GHz und einem Z e e m a n - Feld von 12 KOe durch-geführt. Das Spektrometer war mit einem zylindrischen Resonator und drehbarem Magneten ausgerüstet, so daß die Kristalle fest in den Resonator einjustiert wer-den konnten, während der Magnet um diesen gedreht wurde. Die Einkristallspektren wurden jeweils in Win-kelintervallen von 15° zusammen mit einem Mn2®-Eich-präparat registriert. Die Grundlagen der Auswertung der Spektren wurden früher beschrieben2 ' 5 ' 6 . Klare, aber mit der Zeit verwitternde Kristallplättchen von Cytosin Monohydrat bilden sich verhältnismäßig leicht beim Verdunsten wäßriger Lösungen. Sie wurden an-schließend der Co-y-Bestrahlung mit Dosen bis zu 10" rad unterworfen. Die Festlegung des ESR-Achsen-systems (x, y, z) erfolgte, wie in Abb . 1 dargestellt, in Anlehnung an die kristallographischen Achsen a, b und c 7 .

5 L . A . BLUMENFELD, W . W . WOJEWODSKI U. A . G . SEMJONOW, Akad. Verlagsges. Frankfurt/M. 1966.

6 J. E . GEUSIC U. L. C. BROWN, Physic. Rev. 112, 64 [1958]. 7 H . A. ROSE, Analyt. Chem. 27, 1 5 8 [ 1 9 5 5 ] .


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