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282 N. Gorski • Vierzig Jahre .,penta-ammine effect”
Vierzig Jahre „penta-ammine effect
Forty Years of Penta-ammine Effect
N. G o r s k i
Z entra linstitu t für Isotopen- und Strahlenforschung Leipzig, DDR
(Z. Naturforsch. 28b , 282-286 [1973]; eingegangen am 18. September 1972)
Reaction mechanism, penta-ammine-effect, copper-ammine-complexe, coordinationnum ber, structure investigation
The actual aspect of knowledge on the sta te of copper ammine complexes in aqueous solution was discussed. I t was concluded, th a t the Cu(II)-ion has the coordination num beroi 5 contrary to the value of 6 assumed today.
The structure of CuN5-chromophores in aqueous solution indicate, th a t the developm ent of the penta-am m ine effect is based on their higher ligand fields symmetries forced by form ation of CuN5-chromophores comparised with CuN4-chromophores.
Im Jahre 1932 entdeckte J. B j e r r u m 1 bei spektro- photometrischen Untersuchungen von Kupferammoniakkomplexen in wäßriger Lösung den merkwürdigen Effekt der Umkehrung der Verschiebung des Absorptionsspektrums bei der Anlagerung des fünften NHg-Moleküls an Cu(II)-(NH3)4. Diese Erscheinung ist gegenwärtig als „penta-ammine effect“ bekannt, unabhängig davon, ob sie bei der Anlagerung des fünften einzelnen Moleküls (Ursprung des Namens), wie im Falle des Cu(II) +Ammoniak-Systems oder des dritten Moleküls im System Cu(II) + En(En = Äthylendiamin) bei der Bildung des Cu(II)-(En)3-Kom- plexes oder auch in gemischten Komplexen wie Cu(II)- (En)2N H 3 auftritt. Die notwendige Voraussetzung zur Entstehung des Effektes ist die Koordinierung einer fünften Aminogruppe durch das Cu(II)-Ion, also die Bildung einer CuN5-Verbindung. Im System Cu(II) + Pyridin wurde der Pentamin-Effekt nicht beobachtet, da wahrscheinlich kein Cu(II)-(Pyr)5-Komplex in der Lösung gebildet wird 2.
Was birgt dieser Pentamin-Effekt in sich? Gewöhnlich verschiebt sidi bei der Substitution von Wassermolekülen in Aquokomplexen der Ionen der Uber- gangsmetalle durch Liganden mit größerer Ligandenfeldstärke (größeren D^-Werten) das Absorptionsspektrum der entstehenden Komplexe in den Kurzwellenbereich. Diese Verschiebung steigt in der Regel mit der Zahl der angelagerten Liganden näherungsweise linear, weshalb es oft möglich ist, den D q-Wert für gemischte
Sonderdruckanforderungen an N. G o r sk i, Zentralinstitut für Isotopen- u. Strahlenforschung, X-705 Leipzig, Permoser Str. 15, DDR.
Komplexe durch lineare Interpolation zwischen den D q-Werten des Aquokomplexes M(H20)n + und des Komplexes ML„ zu ermitteln (Regel der mittleren Umgebung):
Dq [M(H20)xLn -z] = | Dq [M(H20)„] +
^ D q [ U L n] (1 )
Die Gültigkeit von Gl. (1) wurde für eine große Zahl von Komplexen bewiesen, so daß zu erwarten war, daß sich bei der Komplexbildung in den Systemen C u(II)+N H 3 und Cu(II)-fEn mit steigendem Koordinationsgrad die Absorptionsbanden der gebildeten Komplexe in den kurzwelligen Absorptionsbereich verlagern, da beide Liganden größere Ligandenfeldstärken aufweisen als die H 20-Moleküle (in der spektrochemischen Serie stehen sie rechts vom Wassermolekül)
..........H aO < NCS" < NH2CH2COO" < N H S< Pyridin < E n ..........
Von J. B j e r r u m wurde aber gefunden, daß sich bei der Koordinierung der ersten, zweiten, dritten und vierten NH3-Moleküle 2 und der ersten und zweiten En-Moleküle die Maxima der Absorptionsbanden erwartungsgemäß in den Kurzwellenbereich verschieben:
Cu(H20 )n + — 12,6 kK, Cu(II)-(NH3) — 13,4 kK, Cu(II)-(NH3) 2 — 14,7 kK, Cu(II)-(NH s ) 3 — 15,5 kK, Cu(II)-(NH 3) 4 — 16,9 kK, Cu(II)-(En ) 2 — 18,2 kK,
während die Anlagerung des fünften Ammoniakmoleküls bzw. des dritten Äthylendiaminmoleküls zur Umkehrung der Verschiebung im Spektrum führt:
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Cu(II)-(NH , ) 5 — 15,6 kK, Cu(II)-(En) 3 — 16,4 kK.Der Pentamin-Effekt wurde auch im System Cu(II)
+ Dien (Dien = Diäthylentriamin) beobachtet; so liegt die Absorptionsbande für Cu(II)-Dien bei 16,3 kK, für Cu(II)-(Dien) 2 dagegen bei 15,9 kK3. Als Ursache für das Vorhandensein des Pentamin-Effektes und der Verletzung der Gl. (1) wird gegenwärtig der J a h n - T e l l e r - Effekt der Cu(II)-Komplexe angesehen, der in der Instabilität des d9-Systems im regulären oktaedrischen Feld seinen Ursprung hat und sich in der Verzerrung der Cu(II)-Komplexe offenbart. Diese Verzerrung führt zu niedrigsymmetrischen Ligandenfeldern und zu stark davon abhängiger Aufspaltung des 2D-Grundzustandes des Cu(II)-Ions. Folglich werden die spektroskopischen Eigenschaften der Cu(II)-Komplexe durch die Konfiguration dieser Komplexe vorbestimmt. Das wurde in eindrucksvoller Weise in vielen Arbeiten von H a t h a w a y und Mitarb. 4
gezeigt. Die Autoren fanden aus Vergleichen der spektralen Eigenschaften vieler Cu(II)-Komplexe im Kristallzustand und ihren Strukturen, die aus Röntgenuntersuchungen gewonnen wurden, eine weitgehende Korrelation beider Charakteristiken.
Eigentlich entdeckte schon L a n g e 5 im Jahre 1926 diesen Farbenwechsel des Äthylendiaminkupferkomplexes im Kristallzustand in Abhängigkeit von der Konfiguration dieses Komplexes, so ist Cu(En)2(BF4 ) 2
rot gefärbt, bei der Adsorption eines Ammoniakmoleküls entsteht der kobaltblaugefärbte Cu(En)2N H s (BF4)2-Komplex und die Cu(En) i+-Salze sind rein blau gefärbt. Damit lag es nahe, die Entstehung des Pentamin-Effekts in der Lösung in einem Strukturwechsel und folglich im Wechsel der Ligandenfeldsym- metrie sowohl der Cu(II)-(NH 8) 5 und Cu(II)-(NHs)4- Komplexe als auch der Cu(II)-(En)2- und Cu(II)- (En)8-Komplexe zu suchen.
Erste grundlegende Versuche zur Aufklärung der Konfigurationen des Cu(II)-Aquoions und der Ammoniakkomplexe haben B j e r r u m , B a l l h a u s e n und J 0 RGENSEN aus Vergleichen der theoretisch ausgerechneten Absorptionsspektren für a priori angenommene
Strukturen der Cu(II)-Komplexe und experimentellen Befunden unternommen 6.
Es wurden vier mögliche Konfigurationen in Betracht gezogen, ebenes Quadrat, Tetraeder, quadratische Pyramide und Oktaeder. Die Spektren wurden auf der Basis der Kristall-Feld-Theorie nach Gl. (2) ausgerechnet.
AE n = Av»= n (±)* / * M ( |- )m - y P Ncxp { - s 2 Ä}} (2 )
N
R = Abstand Dipol-Zentralion z == effektive Ladung des zentralen Metallions K m = KonstanteH = Dipolmoment der koordinierten Liganden Pn = Polynome der Integral werte (3/zR )
Im Ligandenfeld werden die fünf entarteten Orbitale des 2D-Zustandes des Cu(II)-Ions in Abhängigkeit von der Symmetrie des Ligandenfeldes aufgespalten und zwar für reguläre Oktaeder und Tetraeder in zwei Niveaus, für Quadrat und quadratische Pyramide mit niedrigerer Feldsymmetrie auf vier Niveaus. Da das Cu(II)-Aquoion und die Cu(II)-Ammoniak- Komplexe Spektren besitzen, die aus mehr als einer Bande bestehen, kommen nur die Konfigurationen der quadratischen Pyramide oder des Quadrates in Frage.
Die berechneten kürzeren Wellenlängen der Ab- sorptionsmaxima für diese beiden Konfigurationen stimmen qualitativ gut mit den experimentellen Ergebnissen überein. Zur weiteren Präzisierung benutzten die Autoren das Verhältnis der Wellenlängen der ersten beiden Maxima der Absorptionsbanden X2iXx. Die experimentellen Werte XJX ̂ für den Cu(II)-Aquo- komplex und Cu(II)-(NHs)n in Ammoniak betragen 1,34 bzw. 1,33. Das Verhältnis des berechneten Wertes X2/Xt liegt aber im Falle der quadratischen Anordnung ungefähr um 2 , während sich für die quadratische Pyramide X2IX\ > 1 , 6 ergibt.
Verwendet man das O r g e l sehe Modell der tetra- gonalen Bipyramide für die Cu(II)-Komplexe, so kommt der berechnete ^ /^-W ert dem experimentellen
Schema I
Cu(H20 ) 4(H20) | + + NH, Cu(NH,) (H20 ),(H 20 )1 + + h 2oCu(NHj) (H20 ),(Hj0 ) !+ + NH, Cu(NH,)2(H20 ) 2(H20 ) f+ + h 2oCu(NH8)2(H20 )2(H ,0 )! + + NH, r=* Cu(NH,),(H20 ) (H20 ) ! + + h 2oCu(NH,),(H20) (HjO) !+ + NH, T” Cu(NH,)4(H»0) r + h 2oCu(NH,)4(H20) | + + NH, Cu(NH,)4(NH,) (HfO)* + + h 2oCu(NH,)4(NH,) (HjO) 2 + + NH, * Cu(NH,)4(N H ,)1+ + H jO
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Verhältnis sehr nahe. Schlußfolgernd wurde angenommen, daß das Cu(II)-Aquoion und die Cu(II)-Am- moniak-Komplexe als tetragonale Oktaeder gebaut sind, in denen die vier plan liegenden Liganden einen kleineren Abstand vom Metallion aufweisen als die beiden auf der Z-Achse liegenden Liganden. B j e r r u m ,
B a l l h a u s e n und J o r g e n s e n nahmen an, daß diese Konfiguration für sämtliche Ammoniakkomplexe, die bei der Verdrängung der Wassermoleküle ausCu(H20 ) 4
(H 20 ) ! + durch N H 3 entstehen, gültig ist:Die nach dem O r g e l sehen Modell theoretisch be
rechneten kürzeren Wellenlängen der Absorptionsspektren der Ammoniakkomplexe ergaben eine gute Übereinstimmung mit den experimentell gefundenen Werten (Tab. I).
Tab. I. W ellenlängen der Absorptionsspektren der Ammoniakkomplexe.
Aj m« ber.
m uexp.
Cu(NHj) (H20 )3(H20 ) ! + 710 745cis-Cu(NH3)2(H20 ) 2(H20 ) ! + 670 680trans-Cu(NH3)2(H20 ) 2(H20 ) | + 620 ~600Cu(NH3)3(H20 ) (H20 ) i + 660 645Cu(NH3)4(H20 ) i + (590) 590Cu(NH3)4(NH3) (H20 ) 2 + — 640Cu(n h 3)4(n h 3) i + — 640
Außerdem bestimmten die Autoren den Pentamin- Effekt zu AI = 55 m^t. Der experimentelle Wert beträgt, wie aus Tab. I zu sehen ist 50 mju. Bei der Verdrängung des auf der Z-Achse liegenden fünften Wassermoleküls durch ein N H 3-Molekül sollte es zur Umkehrung der Spektrumsverschiebung kommen.
Die gute Übereinstimmung von berechneten und gefundenen Absorptionsbanden der Cu(II)-Ammoniak- Komplexe wurde als Beweis für die richtige Erfassung der Komplexbildungsprozesse im C u(II)-fN H 3-Sy- stem angesehen und fand weitverbreitete Anerkennung 7.
In unserer Arbeit8 wurde aber auf der Grundlage der zl-Methode, die von der Analyse der Entropiewerte ausgeht, gezeigt, daß der Komplexbildungspro- zeß im System Cu(II) + N H 3 in wäßriger Lösung wesentlich komplizierter ist, als nach Schema I angenommen wird und zwar, daß das Cu(II)-Ion bei der Koordinierung des ersten bzw. fünften N H 3-Moleküls seine Koordinationszahl wechselt.
Nach diesem Befund dürften alle Cu(II)-(NHs), _4- Komplexe keine gestreckten Oktaeder nach dem O r - g e 1 sehen Modell darstellen, in dem das zentrale Metallion die Koordinationszahl 6 besitzt, sondern in
Schema II
Cu(H20)S+ + NH3 ^ Cu(H20 )4N H |+ + 2H*0 Cu(H20 ) 4N H |+ + NH3 ^ Cu(H20 ) j(NHs) | + + h 2o
Cu(H20 ) 3(NHs) i + + N H , ^ Cu(H20 )2(NH8) t + + H 20 Cu(H20 ) 2(NHs) | + + NHS ^ Cu(H20) (NH3) | + + H 20 Cu(H20 ) (NHs) r + NH3 ^ Cu(H20) (NH3)f +
diesen Komplexen ist Cu(II) 5-fach koordiniert und erst bei der Koordinierung des fünften N H 3-Moleküls entsteht ein sechsfach koordinierter Komplex. Für die Struktur des fünffach koordinierten Komplexes in Lösung sollte dann die quadratische Pyramide oder die trigonale Bipyramide in Frage kommen. Ausgehend von den spektralen Charakteristiken der Cu(II)- (NH3)1_4-Komplexe ist die quadratische Pyramide zu bevorzugen.
Nach neuesten Ergebnissen, die auf der Grundlage der A-Werte gewonnen wurden, sollten in wäßriger Lösung Kupferkomplexe vorliegen, in denen das zentrale Metallion die Koordinationszahl fünf aufweist. So existieren Cu(II)-trien(tri-(2-Aminoäthyl)amin) und Cu(II)-trien(Triäthylentetramin) in Form von Cu(H20)tren2+ und Cu(H20)trien2+ 9. Auch die Komplexe von Cu(II)-Amin und Cu(II)-(Amin) 2 mit Äthylendiamin (En), 1.3-Diaminopropan (Pn), 4(5)- Aminomethylimidazol, 4(5)-2'-Aminoäthylimidazol und 2,2/-Aminoäthylpyridin als Liganden liegen in wäßriger Lösung in Form von fünffach koordinierten Komplexen Cu(H20 ) 3Amin2+ und Cu(H20)(Amin)! + vor 10.
Daraus ist zu sehen, daß die Koordinationszahl von 5 für das Kupferion in vielen seinen Aminokomplexen in wäßriger Lösung charakteristisch ist, im Gegensatz zu dem gegenwärtig angenommenen Wert von 6 . Die neuesten Überlegungen auf der Grundlage von spektroskopischen Daten unterstützen nachhaltig den nach der zl-Methode gefundenen Mechanismus des Kom- plexbildungsverlaufes in Cu(II) +Amin-Systemen. So schlußfolgerte J o r g e n s e n 11 aus der Gegenüberstellung der Absorptionsspektren von Cu(II)-(NH3) 4 in wäßriger Lösung und in Kristallen, daß ein fünffach koordinierter Komplex (Cu(H20)(N H 3) | + ) in Wasser vorliegen sollte. Das gleiche Herangehen führte ihn auch zur Annahme der Existenz eines fünffach koordinierten Diäthylendiamin-Kupfer-Komplexes in wäßriger Lösung: Cu(H20)(En)22+ , wobei nach J o r g e n s e n der Komplex Cu(H20)(N H 3) l + die Konfiguration der quadratischen Pyramide besitzt. Dagegen sollten cyclische stickstoffhaltige Liganden wie Dipyri- dyl (Dip), Phenanthrolin (Phen) im Unterschied zu
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aliphatischen nach J o r g e n s e n mit Cu(II) oktaedrische Komplexe bilden, cis-Komplexe:
Cu(H20 ) 2(Dip)?> + , Cu(H20 ) 2(Phen) | + undCu(Dip)!+, Cu(Phen) | + .
Gegenwärtig ist es wegen des Fehlens zuverlässiger Entropiewerte für die M (II)+Dip- und M(II)+Phen- Komplexe nicht möglich, auf der Grundlage der A- Methode eine Analyse des Komplexbildungsverlaufes in diesen Systemen durchzuführen. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß auch in diesen Komplexen das Cu(II)-Ion die Koordinationszahl fünf besitzt, aber im Unterschied zu den Komplexen mit aliphatischen zweizähnigen Liganden haben die Komplexe Cu(II)- (Dip) 2 und Cu(II)-(Phen) 2 die Struktur trigonaler Bi- pyramiden: Cu(H20)(D ip)i+ und Cu(H20)(Phen)!+' was eine kleinere Aufspaltung des 2D-Niveaus hervorruft; die Absorptionsspektren dieser Komplexe liegen im längeren Wellenbereich als die der quadratischpyramidalen Komplexe 12.
Vorläufige Ergebnisse, die auf Grund der zl-Methode aus thermodynamischen Angaben von E a t o u g h 18
für Zn(II) + Phen- und Cu(II)+Phen-Systeme erhalten wurden, sind so zu interpretieren, daß Cu(II)- Phen, Cu(II)-(Phen) 2 und Cu(II)-(Phen) 3 in wäßriger Lösung die Zusammensetzung Cu(H20 ) sPhen2+ und Cu(H20)(Phen) i+ haben dürften, während dreifach koordinierten Komplexen die oktaedrische Struktur zuzuschreiben ist, obwohl gegenwärtig noch unklar ist, ob der Cu(II)-(Phen)s-Komplex in Lösung in Form von Cu(H20)(Phen) | + vorliegt, wo ein Ligandenmolekül als einzähniger Ligand fungiert, oder als Cu(Phen)i+ , in dem alle Liganden zweizähnig sind.
In der kürzlich erschienenen Arbeit von R a b l e n ,
D o d g e n , H u n t 14, in der der Zustand der Cu(II)- tren-Komplexe in wäßriger Lösung auf der Grundlage der Ergebnisse von NMR-Messungen beschrieben wird, kommen die Autoren zu der Ansicht, daß dieser Komplex als Cu(H20)tren 2+ existiert. Damit bestätigen auch die aus NMR-Untersuchungen gewonnenen Ergebnisse die in unserer Arbeit9 auf der Grundlage der J-Werte gezogenen Schlußfolgerungen über die Koordinationszahl des Cu(II)-Ions in diesem Komplex.
Wie aus Schema II hervorgeht, ist die Entstehung des Pentamin-Effekts im System Cu(II)+NHs mit einer Koordinationszahländerung des Cu(II)-Ions verbunden. Die wahrscheinliche idealisierte Konfiguration des Cu(H20)(N H s) 2+ -Ions ist die quadratische Pyramide während der 6 -fach koordinierte Komplex Cu(HjO)
(NHS) 1+ die Struktur eines verzerrten Oktaeders besitzt. Da die Aufspaltungsenergie im Oktaederfeld kleiner ist als im Ligandenfeld der quadratischen Pyramide 15, müßte man erwarten, daß der D q-Wert für Cu(H20)(N H 3) |+ kleiner ist als der D#-Wert für Cu(H20)(N H s),i+ und folglich die Absorptionsbanden des Cu(H20)(N H 3)J+ -Komplexes im längeren Wellenbereich liegen sollten als die Absorptionsbanden für das Cu(H20)(N H 3) ! +-Ion.
Die Umkehrung der Spektrumsversdiiebung im System C u(II)+En bei der Koordinierung des dritten Äthylendiaminmoleküls kann man ebenfalls wie für die Kupferammoniumkomplexe auf Strukturunterschiede zwischen den Cu(II)-(En)2- und Cu(II)-(En)3- Komplexen zurückführen. Während Cu(II)-(En) 2 in wäßriger Lösung die Zusammensetzung Cu(H20 ) (En)!+ besitzt mit einem fünffach koordinierten zentralen Metallion 10 und mit der Struktur der quadratischen Pyramide 11, führt die Anlagerung eines weiteren En-Moleküls entweder zur Konfigurationsänderung und damit zur Entstehung eines sechsfach koordinierten Kupferkomplexes mit der Struktur eines Oktaeders wie im Falle des Kupferammoniumkomplexes oder zum fünffach koordinierten Cu(II)-(En)3-Kom- plex nach B j e r r u m und R o m a n o 18. Gegenwärtig ist es wegen des Fehlens von Entropieangaben für die Koordinierung des dritten En-Moleküls nicht möglich auf der Grundlage der zl-Methode zwischen beiden Konfigurationen auszuwählen.
Im ersten Fall kann das Vorhandensein des Penta- min-Effektes zwangsläufig durch den Konfigurationsunterschied in Cu(H20)(E n)!+ und Cu(H20)(En)§+ erklärt werden, also durch die Verminderung der Aufspaltungsenergie im oktaedrischen Cu(H20)(En)§+ Komplex im Vergleich zum quadratisch-pyramidalen Cu(H20)(En) | +-Komplex.
Für die Konfiguration der Cu(En)i+-Form im B j e r -
R UM -RoM A NOschen Sinne (CuN5-Chromophor) resultiert die kleinere Aufspaltungsenergie von Cu(En) i+ auch aus der erhöhten Komplexsymmetrie dieses Komplexes im Vergleich zu der Symmetrie der mehr verzerrten quadratischen Pyramide Cu(H20)(E n)f+- Die resultierende Verminderung des D q-Wertes in Cu(En) §+ gegenüber dem D q-Wert des Cu(H20 ) (En) | + -Komplexes spiegelt sich dann in der Umkehrung der Spektrumsverschiebung und der Entstehung des Pentamin-Effektes wider. Daß in Cu(HzO)(En) | + der Verzerrungsgrad und folglich die Aufspaltungsenergie größer sein können als in Cu(En)!+ , erscheint durchaus glaubwürdig, da es durch die stärkere Bin-
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dung von En zur Cu(II)-(En)2-Ebene zur Verminderung der Verzerrung kommt, in analoger Weise wie das von H a t h a w a y und S t e p h e n s im Falle Na4Cu (NH s ) 4 [Cu(S20 8 ) 2 ] 2 • H 20 und Na4Cu(NH , ) 4 [Cu (S20 j)2] 2 ' N H , festgestellt wurde. Die Absorptionsbande beider Komplexe betragen entsprechend 19,2 kK und 17,4 kK 17. Die gleiche Erscheinung kann man im Falle der Cu(II)-Dien-Komplexe beobaditen.
Die zur Zeit gewonnenen Erkenntnisse über die Struktur der Diäthylentriamin-Cu(II)-Komplexe auf der Grundlage der A -Methode führen zu der Schlußfolgerung, daß in wäßriger Lösung die Cu(H20 ) 2
Dien2+- und Cu(Dien)!+ -Komplexe existieren « . Dabei sollte in Cu(Dien) I+das zentrale Metallion nur 5 -fach koordiniert sein und ein Dien-Molekül als zweizähniger Ligand fungieren.
Die Entstehung des Pentamin-Effektes im Cu(II) + Dien-System wird dann nicht die Folge des Überganges von 5-fach zu 6 -fach koordinierten Cu(II)-Kom- plexen sein, sondern wird durch eine Verminderung der Aufspaltungsenergie wegen erhöhter Symmetrie im 5-fach koordinierten Cu(Dien)!+ -Komplex hervorgerufen im Vergleich zu dem quadratisch-pyrami- dalen fünffach koordinierten Cu(H20 ) 2Dien2+.
Die kleine Verschiebung der Absorptionsbande des Cu(Dien)|+ -Komplexes in niedrigere Frequenzen zur Absorptionsbande des Cu(H20 )2Dien 2+-Komplexes von 0,4 kK erklärt sich aus der Tatsache, daß diese Verschiebung nicht wie in anderen Systemen zwischen CuN4- und CuNj-Chromophoren, sondern zwischen CuN3- und CuN5-Chromophoren gemessen wurde.
Das Absorptionsspektrum des Cu-Tetren-Komple- xes (Tetren = Tetraäthylenpentamin) von 14,9 kK w, der nach der A -Methode fünffach koordiniert is t20, unterstreicht, daß die Entstehung des Pentamin-Effek
tes im Cu(II)+Dien-System durchaus mit einer Ko- ordinationszahlerhaltung vereinbar ist. Der kleinere D q-Wert des fünffach koordinierten Komplexes Cu (Dien)!+ im Vergleich zu dem des Cu(H20 ) 2Dien 2+- Komplexes ist durch die Erhöhung der Symmetrie des ersten Komplexes zu erklären, die durch die Koordinierung des zweiten Dien-Moleküls verursacht wird. Es ist möglich, daß Cu(Dien)i+ eine Konfiguration hat, die der trigonalen Bipyramide näher steht, als der quadratischen Pyramide.
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