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Doris Martin Smalltalk. Die wichtigsten Regeln

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Smalltalk

Die wichtigsten Regeln furs kleine Gesprach

Doris Martin

Scanner: Umax Astra 3400OCR: Recognita 5

Satz: LATEXpublished by: af data

2

Smalltalk af data Doris Martin

Inhaltsverzeichnis

1 Smalltalk? Aber sicher! 5

1.1 Das Problem mit der Schuchternheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

1.2 Smalltalk ist Beziehungsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2 Testen Sie Ihren Smalltalk-Typ 7

2.1 So wird’s gemacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

2.2 Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

3 Nur wer hingeht, kommt an 13

3.1 Sich vorstellen: die GNA-Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

3.2 Strategisch vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

3.3 Sich in Erinnerung bringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

3.4 Das Eis brechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

3.5 Den Faden weiterspinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

3.6 Sich in Gesprache einfadeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

3.7 Ein guter Abgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

3.8 Am Ball bleiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

4 Der Stoff, aus dem Gesprache sind 21

4.1 Bescheid wissen, mitreden konnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

4.2 Allerweltsthemen sind besser als ihr Ruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

4.3 Die hohe Kunst der Konversation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

4.4 Daruber spricht man nicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

5 Schuchternheit uberwinden 27

5.1 Was es heißt, schuchtern zu sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

5.2 Die positive Seite der Schuchternheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

5.3 Schuchternheit akzeptieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

5.4 Schuchternheit aushalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

5.5 Die Latte hoher legen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

5.6 Gut gewappnet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

5.7 Ruckschritte einkalkulieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

3

4 INHALTSVERZEICHNIS

6 Die Kunst, auf andere einzugehen 31

6.1 Empathie und Menschenkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

6.2 Sich fur andere interessieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

6.3 Ganz Ohr sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

6.4 Andere vorstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

7 Die Kunst, aus sich herauszugehen 35

7.1 Optimismus und Begeisterung ausstrahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

7.2 Sich Gehor verschaffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

7.3 Sich auf den Gesprachspartner einstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

7.4 Das Gesprach steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

8 Der Korper spricht mit 41

8.1 Haltung und Gang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

8.2 Das Mienenspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

8.3 Die Sprache der Hande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

8.4 Verraterische Stimme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

9 Storungen, Klarungen 45

9.1 Besserwisser, Miesepeter und Experten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

9.2 Die Selbstdarsteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

9.3 Die Schweiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

9.4 Die Busenfreunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

10 Private Beziehungen hegen und pflegen 49

10.1 Lange nicht gesehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

10.2 Gaste und Familienfeste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

10.3 Blick uber den Gartenzaun . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

10.4 Besuch im Krankenhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

10.5 Wie kondolieren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

11 Smalltalk und (Big) Business 57

11.1 Per Netzwerk zum Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

11.2 Service ist mehr als ein Wort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

11.3 Bis hierher und nicht weiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

11.4 Manner reden anders, Frauen auch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

11.5 Der Partner kommt mit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

Smalltalk af data Doris Martin

Kapitel 1

Smalltalk? Aber sicher!

So kamen Leo und Emma, wahrend Karl sich mit dem Apotheker unterhielt, in eines jener oberflachlichenGesprache, die um tausend oberflachliche Dinge kreisen und keinen anderen Sinn haben, als die gegenseitigeSympathie einander zu bekunden. Pariser Tanzereignisse, Romantitel, moderne Tanze, die ihnen fremdegroße Gesellschaft, Toastes, wo Emma gelebt hatte, und Yonville, wo sie sich gefunden, alles das beruhrtensie in ihrer Plauderei, bis die Mahlzeit zu Ende war.

Gustave Flaubert, Madame Bovary

”Lange nicht gesehen.“ – ”Ja, stimmt.“ – .”Und wie geht’s dir so?“ – ”Ach, man lebt. Unddu?“ – ”Auch gut. Tja ... also dann, viel Spaß noch.“ – Glucklicherweise verlauft nichtjeder Smalltalk so unergiebig. Aber die meisten Menschen haben oft genug Begegnungen derzahen Art erlebt, um mit leisem Schaudern an das Sommerfest im Kindergarten, den 80.Geburtstag von Tante Herta oder den anstehenden Messeempfang zu denken-wo es gilt, uberStunden hinweg mit fluchtigen Bekannten, entfernten Verwandten, anspruchsvollen Kundenoder vollig Fremden locker und zumindest scheinbar entspannt uber Gott und die Welt zuplaudern.

1.1 Das Problem mit der Schuchternheit

Die Angst vor gesellschaftlichen Situationen plagt viele Menschen: Bei einer internationalenUntersuchung des Psychologie-Professors Philip Zimbardo der Stanford University gabenlediglich sieben Prozent der Befragten an, noch nie in ihrem Leben Schuchternheit empfun-den zu haben. Allen anderen verursachten fremde Menschen und Umgebungen wenigstensgelegentlich ein flaues Gefuhl im Magen. 25 Prozent- der Teilnehmer bezeichneten sich alschronisch schuchtern.

Vorsichtig geschatzt fuhlen sich somit mehr als die Halfte der Menschen in gesellschaftlichenSituationen haufig oder fast immer verlegen und unsicher. Sie haben Angst, beim Geschaft-sessen ins Stottern zu geraten, im Urlaub keinen Anschluss zu finden, sich beim Workshopmit den anderen Seminarteilnehmern bekannt zu machen. Die Suche nach einem freundlich-belanglosen SmalltalkThema macht sie erst einmal sprachlos. Ein Teufelskreis, denn jedergesellschaftliche Misserfolg vergroßert die Angst vor dem nachsten Mal.

Smalltalk scheint aber nicht nur schwer zu sein, er hat auch einen schweren Stand. Wahrenddas kleine Gesprach in England, Frankreich und ganz besonders den USA als erprobtes Mitteldes Andockens, Anknupfens und Ankommens gepflegt wird, leidet es bei uns unter einemeher schlechten Ruf: Mal wird es als die Kunst der Leerformeln geschmaht, mal als mußigerZeitvertreib von Schickimickis und Partygangern verunglimpft. ”Wer nichts zu sagen hat,soll schweigen“, fordern die, die stolz darauf sind, ohne Umschweife zur Sache zu kommen.Und halten Smalltalk fur Unsinn, dem es an Tiefsinn fehlt.

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6 KAPITEL 1. SMALLTALK? ABER SICHER!

1.2 Smalltalk ist Beziehungsarbeit

Es stimmt: Smalltalk bleibt oft an der Oberflache. Weil sein tieferer Sinn darin besteht,die Unterhaltung leicht platschernd in Fluss zu halten. Und nicht etwa darin, die Untiefender Seele auszuloten. Wo es darum geht, neue Leute kennen zu lernen und lose Kontaktezu pflegen, steht zunachst einmal nicht der Gedankenaustausch im Mittelpunkt, sonderndas gegenseitige Beschnuppern und die ”soziale Fellpflege“. Und wo Familienfeste und Be-triebsfeiern Menschen an einen Tisch zwingen, die sich eigentlich lieber aus dem Weg gehenwurden, ist der Smalltalk oft die einzige Moglichkeit, hoflich und dennoch reserviert zubleiben.

Verbindungen schaffen

Niemand will mit Fremden gleich uber die großen Fragen unserer Zeit, geschweige denndes Lebens, sprechen. Um zwanglos ins Gesprach zu kommen, sind alltagliche Themen wiedie neuen Stromtarife oder der schneesicherste Ort fur den Winterurlaub wesentlich bessergeeignet als die Abholzung des Regenwaldes oder der Umbau der Sozialsysteme – so wichtigdiese Themen auch sein mogen. Wer den Weg zu den großen Themen sucht, muss wohl oderubel erst einmal Brucken bauen und unverbindlich die Moglichkeit einer engeren Verbindungausloten.

Verbundenheit demonstrieren

Smalltalk spielt aber auch im Umgang mit Menschen eine Rolle, die wir schon lange undvielleicht sogar gut kennen. Das Geplankel mit dem neuen Abteilungsleiter im Lift oderdas Telefonat mit den Schwiegereltern uber die Kur in Bad Fussing bringen keine neuenInformationen und Erkenntnisse. Ihr Sinn liegt in der MetaMitteilung, der Beziehungsinfor-mation unter den Floskeln: ”Wir sind ein starkes Team“, ”Wir verstehen uns“, ”Ihr seid mirwichtig“, ”Wir nehmen uns Zeit fureinander“.

Grenzen ziehen

Die Hoflichkeit verbietet es, bei der Weihnachtsfeier in der Firma die Querelen um dasumstrittene Strategiepapier fortzusetzen und bei der Konfirmation des Patenkindes die un-gerechte Verteilung des Familienerbes aufzuarbeiten. Wo Unaussprechliches zwischen Ge-sprachspartnern steht, ist der Austausch von Belanglosigkeiten oft der letzte Rettungsanker– es sei denn, man will gesellschaftliche Begegnungen mit Konfliktpartnern ganz vermeiden.Souveraner ist es, auf Smalltalk auszuweichen und die Unterhaltung konsequent in der Un-verbindlichkeit von UEFA-Cup, InternetShopping und der gunstigsten Autobahnverbindungnach Sudfrankreich zu belassen.

Die eigentliche Bedeutung der kleinen Alltags- und unverbindlichen Partygesprache liegtsomit unter der Oberflache. Ganz gleich, ob wir uns uber den regnerischen Sommer, die Ab-sperrung der Altstadtdurchfahrt oder die neu eroffnete Ausstellung in der Kunstsammlungunterhalten. Das Gesprachsthema ist vor allem Mittel zum Zweck, um Kontakte zu knupfen,zu pflegen und in ihrer Intensitat zu steuern. Wer diese Kunst mit leichter Hand beherrscht,ist privat und beruflich klar im Vorteil.

Smalltalk af data Doris Martin

Kapitel 2

Testen Sie Ihren Smalltalk-Typ

Er blickte von neuem dem gesellschaftlichen Tod ins Auge. Er war ein Mensch, der an einer Dinnertafel volligallein saß. Der Bienenschwarm summte uberall um ihn herum. Auf allen anderen ruhte der gesellschaftlicheSegen. Nur er war gestrandet. Nur er war ein Mauerblumchen ohne Gesprachspartner, eine Gesellschafts-leuchte ohne Wattleistung.

Tom Wolfe, Fegefeuer der Eitelkeiten

Haben Sie schon einmal uberlegt, weshalb gesellschaftliche Anlasse Unbehagen bei Ihnenhervorrufen? Warum Sie sich unter fremden Menschen schuchtern und verloren fuhlen? Oderwarum Sie so verbissen Ihr Terrain verteidigen – indem Sie auf Ihren Standpunkt pochen, mitIhren Erfolgen glanzen, andere mit Ihrem Wissen bombardieren? Spater, zu Hause, argernwir uns dann uber uns selbst: Weil wir beim Sommerfest der Agentur wie ublich bei Astridund Kurt hangengeblieben sind, statt ungezwungen von Gruppe zu Gruppe zu wandern.Weil im Familienkreis wieder mal die brillante Karriere des Jungsten im Mittelpunkt standund die eigene Beforderung unbeachtet blieb. Weil wir es uns nicht verkneifen konnten, derfruheren Klassenkameradin, die gerade das dritte Kind erwartet, vom Weihnachts-Shoppingin New York vorzuschwarmen.

Mit dem folgenden Test konnen Sie herausfinden, welche Blockaden Sie moglicherweise davonabhalten, leicht und ungezwungen Kontakte zu knupfen und zu pflegen.

2.1 So wird’s gemacht

Kreuzen Sie bei jeder der folgenden Fragen ”stimmt“ oder ”stimmt nicht“ an.

� Ich wehre Komplimente automatisch ab: ”Du siehst gut aus heute.“ – ”Findest du?Eigentlich muss ich dringend zwei Kilo abnehmen.“

A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . � stimmt � stimmt nicht

� Ich bin ein unterhaltsamer Erzahler.

D . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . � stimmt � stimmt nicht

� Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.

E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .� stimmt � stimmt nicht

� Ich erzahle ofter von meinen Problemen als von meinen Erfolgen.

A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . � stimmt � stimmt nicht

� Ich erwarte, dass Gaste sich telefonisch anmelden.

B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .� stimmt � stimmt nicht

7

8 KAPITEL 2. TESTEN SIE IHREN SMALLTALK-TYP

� Vor gemeinsamen gesellschaftlichen Auftritten bitte ich meinen Partner/meine Part-nerin oft um ein bestimmtes Verhalten – zum Beispiel, es bei ein, zwei Glasern Wein zubelassen oder nicht den ganzen Abend lang uber das eigene Spezialgebiet zu dozieren.

C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .� stimmt � stimmt nicht

� Viele Menschen sind unschwer zu erkennen: als Oko, Karrierefrau, Yuppie, Esoterikerin,Macho ...

E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .� stimmt � stimmt nicht

� Ich geselle mich in der Kantine ungern an einen Tisch, an dem schon heftig diskutiertoder herzlich gelacht wird.

B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .� stimmt � stimmt nicht

� Ich finde es unangenehm, von Freunden auf eine Party mitgeschleppt zu werden, zuder ich nicht ausdrucklich eingeladen wurde.

B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .� stimmt � stimmt nicht

� Ich habe oft Angst, auf Parties alleine herumzustehen oder beim Smalltalk nicht mit-halten zu konnen.

C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .� stimmt � stimmt nicht

� Ruckschlage und Misserfolge sind fur mich kein Thema.

D . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . � stimmt � stimmt nicht

� Ich habe oft das Gefuhl, unversehens in eine unterlegene Position zu geraten, zumBeispiel, wenn ein Kollege mir Ratschlage gibt, obwohl er viel weniger von der Sacheversteht als ich.

A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . � stimmt � stimmt nicht

� Wenige sorgsam ausgewahlte Freunde sind mir wichtiger als fluchtige Bekanntschaften.

E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .� stimmt � stimmt nicht

� Ich frage mich haufig, wie ich auf die anderen wirke. Stehe ich gerade? Rede ich zuschnell? Wirkt mein Lachen nervos? Sieht es fur die anderen so aus, als wurde ich michgut unterhalten?

C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .� stimmt � stimmt nicht

� Ich hasse es, wenn andere mir zu nahe kommen – zum Beispiel in der Warteschlangekeinen Abstand halten oder vorschnell zum Du ubergehen.

B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .� stimmt � stimmt nicht

� Ich bewundere an anderen oft Fahigkeiten, die mir selbst fehlen: ”Wie schaffst du esbloß, den großen Garten ganz allein zu pflegen. Ich wurde das nicht packen.“

A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . � stimmt � stimmt nicht

� Im Zusammensein mit anderen empfinde ich haufig Druck und Selbstzweifel.

C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .� stimmt � stimmt nicht

� Meistens weiß ich auf Anhieb, ob mir jemand sympathisch ist oder nicht.

E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .� stimmt � stimmt nicht

� Ich bin selten um ein Gesprachsthema verlegen. Dazu passiert in meinem Leben einfachzu viel: Erst gestern zum Beispiel das Tennisturnier, das ich im driften Satz schließlichfur mich entscheiden konnte.

D . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . � stimmt � stimmt nicht

Smalltalk af data Doris Martin

2.2. AUSWERTUNG 9

� Ich bin am liebsten mit Menschen zusammen, die meine Interessen und Wertvorstel-lungen teilen.

E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .� stimmt � stimmt nicht

� Komplimente sind mir irgendwie suspekt. Ich weiß nie, ob sie ehrlich oder einfach nurhoflich gemeint sind.

B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .� stimmt � stimmt nicht

� Meine Gesprachspartner sollen mich nicht fur eingebildet halten. Den Traum, mich umeine Green Card zu bewerben, wurde ich zum Beispiel nur guten Freunden erzahlen.

A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . � stimmt � stimmt nicht

� Ich kenne eine Menge einflussreicher, interessanter Leute: den Chefredakteur der Lo-kalzeitung, die Stadtratin Muller-Schmidt, den Chef des Klinikums, ...

D . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . � stimmt � stimmt nicht

� Es gibt Leute, die kann ich einfach nicht ertragen: Angeber, Gesundheitsfanatiker,Oberlehrertypen, Kettenraucher ...

E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .� stimmt � stimmt nicht

� Geheimtipps und gute Adressen gebe ich gerne weiter: ”Sagen Sie Luigi einen schonenGruß von mir-er soll Ihnen einen guten Preis machen.“

D . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . � stimmt � stimmt nicht

� Es ware mir peinlich, zu einem Sommerfest ein Kleid und hochhakige Sandalen zutragen, wenn die anderen Gaste T-Shirts und Bermudas anhaben.

C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .� stimmt � stimmt nicht

2.2 Auswertung

Zahlen Sie bitte zusammen, wie oft Sie bei den Buchstaben A bis E ”stimmt“ angekreuzthaben.

A: malB: malC: malD: malE: mal

Wenn Sie einen oder mehrere Buchstaben 4- bis 6-mal gewahlt haben, haben Sie in diesenBereichen moglicherweise Blockaden, die Ihre Ausstrahlung beim Smalltalk schmalern. LesenSie dann bitte Ihr Ergebnis unter den entsprechenden Buchstaben nach.

A – Machen Sie sich frei von der Angst, nicht geliebt zu werden

Sie beziehen ihr Selbstwertgefuhl vor allem daraus, von anderen geliebt und gemocht zu wer-den. Deshalb betonen Sie in Gesprachen die Gleichheit und harmonische Ubereinstimmungmit dem Gesprachspartner. Instinktiv stimmen Sie Ihre Selbstdarstellung auf Ihr Gegenuberab. Weil Sie auf keinen Fall mochten, dass die anderen Sie fur eingebildet oder abgehobenhalten, spielen Sie Schwachen hoch und Erfolge herunter. ”Wir wohnen ja nur zur Miete,“erzahlen Sie der Gesprachspartnerin, die Ihnen von ihrem neu bezogenen Reihenhaus imGrunen vorschwarmt. Und lassen unerwahnt, dass Sie die Vorzuge Ihrer Dachwohnung mit-ten in der Innenstadt nicht missen mochten. Um sich hinterher zu argern, dass Sie Ihr Lichtunter den Scheffel gestellt haben – weil Ihre falsche Bescheidenheit Ihrer Gesprachspartne-rin den Eindruck vermittelt hat, Sie aufmuntern zu mussen: ”Das kommt noch. Wenn wirdamals nicht diesen guten Finanzberater gehabt hatten ... Wissen Sie was, ich faxe Ihneneinfach mal seine Adresse zu.“

Doris Martin af data Smalltalk

10 KAPITEL 2. TESTEN SIE IHREN SMALLTALK-TYP

Daran konnen Sie arbeiten

Immer nur nett zu sein, fuhrt in die Sackgasse. Wer Harmonie uber alles stellt, reagiertirgendwann enttauscht, wenn er keine Gegenleistung erhalt. Denn die bekommen Sie wahr-scheinlich nicht: Die Siegertypen unter Ihren Gesprachspartnern nutzen Ihren Altruismusaus. Sie schwarmen egomanisch von ihrer steilen Karriere oder schieben ungeruhrt das siebteMagazin mit den Dias von der letzten Irlandreise in den Projektor. Aber auch Gesprache mitMenschen, die genauso bescheiden auftreten wie Sie, verlaufen oft nicht besonders positiv:Unterhaltungen, bei denen die Hohen des Lebens ausgeblendet und seine Tiefen resigniertakzeptiert werden, heben weder die Stimmung noch das Selbstwertgefuhl.

Machen Sie sich klar: Worum es Ihnen wirklich geht, ist Symmetrie, das Geben und Nehmenim Gesprach. Sie wollen niemanden ubertrumpfen. Aber Sie sollten sich auch von niemandemin den Schatten stellen lassen. Selbstdarstellung und Sensibilitat fur andere schließen einan-der nicht aus: Zeigen Sie sich ruhig begeistert von dem anregenden NLP-Seminar, das Sieam Wochenende besucht haben. Dafur ermuntern Sie bei nachster Gelegenheit Ihre Kollegin,ausfuhrlich von Ihrer Agyptenreise zu berichten. Mit dieser Gesprachsstrategie gewinnen Siean Ausstrahlung und Lebensfreude, ohne Ihrem Gegenuber die Show zu stehlen.

B – Bezwingen Sie die Angst, sich aufzudrangen

Sie sind von Natur aus zuruckhaltend und gewahren anderen * den Freiraum, den Sie um-gekehrt auch fur sich selbst erwarten. Ein freundliches Kopfnicken ist Ihnen lieber als einSchwatz uber den Gartenzaun, bei Parties gehen Sie lieber zu fruh als zu spat und bei Zu-fallsbegegnungen im Restaurant oder in der Fußgangerzone halten Sie den Smalltalk so kurzwie es die Hoflichkeit erlaubt. Keinesfalls wollen Sie Ihrer Umgebung das Gefuhl geben, vonIhnen bedrangt zu werden.

Hinter Ihrer Distanziertheit kann ein geringes Selbstwertgefuhl stecken: Um nicht ausge-grenzt zu werden, grenzen Sie sich konsequent ab. Ebenso gut kann Ihre Reserviertheit aberauch in einem stark ausgepragten Bedurfnis nach Privatheit wurzeln. Diese Zuruckhaltungkann anerzogen sein. Sie kann aber auch damit zusammenhangen, dass Sie von Natur aus be-sonders heftig auf außere sensorische Reize ansprechen und deshalb Nahe schnell als storendund anstrengend empfinden. Um diese intensiven Emotionen in Schach zu halten, gehen Sieauf Distanz. Dabei sind Sie weder unkommunikativ noch ungastlich. Nur: Alles hat fur Sieseine Zeit-das Zusammensein mit anderen ebenso wie der Ruckzug ins Private.

Daran konnen Sie arbeiten

Wenn Sie dazu neigen, sich ins Schneckenhaus zuruckzuziehen, um niemanden durch IhreGegenwart zu belastigen, springen Sie beim nachsten Mal uber Ihren Schatten: KnupfenSie ein Gesprach mit dem Sitznachbarn in der Arztpraxis, bewundern Sie die herrlichenSonnenblumen im Nachbarsgarten, zeigen Sie offen Ihre Freude uber ein Mitbringsel, essenSie, wenn es Ihnen angeboten wird, ruhig auch das dritte Stuck Kuchen. Außerdem solltenSie uben, Ihr Unbehagen bei korperlicher Nahe etwas abzubauen zum Beispiel, indem Siesich im Zug bewusst einen Sitzplatz in einem Abteil suchen, in dem schon mehrere andereFahrgaste sitzen. Dadurch bereichern Sie Ihr Verhaltensrepertoire und erweitern Ihre Kom-fortzone. Ihre Fahigkeit zu hoflicher Rucksichtnahme bleibt davon unberuhrt: Ein Gewinnan Selbstbewusstsein muss nicht mit einem Verlust an Sensibilitat verbunden sein.

C – Uberwinden Sie die Angst, sich zu blamieren

Sie sind verlegen, wenn Ihr Partner bei der Geburtstagsfeier nach dem dritten Glas Prosecconicht mehr viel zu sagen weiß. Es ist Ihnen peinlich, wenn Sie einem Anrufer gedankenlos umdrei Uhr nachmittags einen guten Morgen wunschen. Sie mochten in den Erdboden versinken,wenn beim Abendessen mit neuen Bekannten offenkundig wird, dass Sie nur luckenhaft uberdas anstehende Volksbegehren informiert sind. Als ginge es ums nackte Uberleben, achtenSie im Zusammensein mit anderen darauf, nur ja keinen Fehler zu machen.

Die Angst vor der Blamage kann verschiedene Grunde haben: die Erziehung, den eigenenPerfektionsanspruch, aber auch das gesellschaftliche Umfeld, in dem man sich bewegt. Werals Kind haufig durch Liebesentzug oder Verachtlichmachung bestraft wurde, dem werdenals Erwachsenem peinliche Situationen mehr als anderen zu schaffen machen. Wer an sich

Smalltalk af data Doris Martin

2.2. AUSWERTUNG 11

den Anspruch stellt, kulturell auf dem Laufenden zu sein, empfindet es vielleicht schon alsSchmach, den neuen Film von Wim Wenders nicht zu kennen. Und naturlich ist es uns eherunangenehm, ein Glas Rotwein an einer in Damast eingedeckten Festtafel umzustoßen alsbei einem zwanglosen Grillabend am Baggersee.

Daran konnen Sie arbeiten

Es ist schwer, die Angst vor dem Gesichtsverlust zu uberwinden. Schließlich hangen Erfolgund Ansehen in unserer Gesellschaft mehr als je zuvor vom guten Eindruck ab. Trotzdem:Versuchen Sie, sich von unrealistischen Perfektionsanspruchen zu befreien. Machen Sie sichvor sozialen Begegnungen immer wieder klar, dass mehr als drei Viertel aller Menschengenau wie Sie Angst haben zu versagen. Die wenigsten Menschen, denen Sie begegnen, sindso cool, wie sie sich geben. Dazu kommt: Mit einer Hochglanz-Oberflache gewinnen Sie nurselten Sympathie. Wo alle krampfhaft ihre Nonchalance und Trendkompetenz nachzuweisensuchen, wirkt ein Versprecher oder eine kleine Wissenslucke eher erfrischend als peinlich –und ist oft der Anstoß dafur, dass auch die anderen mehr Spontaneitat wagen.

D – Horen Sie auf, andere ubertrumpfen zu wollen

Sie neigen zu einem sehr statusgepragten Gesprachsstil. Ihnen ist nur allzu bewusst: DieMenschen sind nicht gleich, sie nehmen unterschiedliche Platze in einer hierarchischen Ord-nung ein. Im Rennen um Karriere, Geld, Wissen, Beziehungen oder Kultiviertheit wollenSie deshalb auf jeden Fall unter den Ersten durchs Ziel gehen. Diese Haltung ist verstand-lich, auch und gerade in einer wettbewerbsorientierten Gesellschaft, in der sich jeder immerwieder neu definieren und beweisen muss. Allerdings: Wer bei jedem Thema und in je-dem privaten Gesprach einen Fuhrungsanspruch durchsetzen will, druckt zuruckhaltendereGesprachspartner an die Wand. Geben und Nehmen sind nicht gleichmaßig verteilt. DasGesprach wird asymmetrisch: Indem ein Gesprachsteilnehmer die Hauptrolle an sich reißt,weist er den anderen den Rang von Statisten zu.

Daran konnen Sie arbeiten

Nicht alle Menschen konnen oder wollen den verbalen Konkurrenzkampf um den begehrens-werteren Job, die wohlgerateneren Kinder, das raffiniertere Aktienportfolio und das bessereLeben mitmachen. Gerade beim Smalltalk steht fur viele der Aspekt der Beziehungspfle-ge und Harmonie im Vordergrund. Stoßen diese unterschiedlichen Absichten aufeinander,kann es leicht passieren, dass das Gesprach in eine Schieflage gerat: hier der dominierendeAlleinunterhalter, dort das unfreiwillige Jubelpublikum.

Als statusorientierter Gesprachspartner sollten Sie deshalb darauf achten, das Rampenlichtnicht ausschließlich fur sich zu beanspruchen. Balance und Harmonie sind mindestens sowichtig wie sozialer Vergleich und Selbstdarstellung – jedenfalls beim Smalltalk. Nutzen Siedeshalb Ihre Position, Ihre Personlichkeit, Ihre sprachliche Ausdrucksfahigkeit und gebenSie auch schuchternen oder zuruckhaltenden Gesprachspartnern die Gelegenheit, ihr Lichtzum Leuchten zu bringen.

Moglichkeiten dazu gibt es viele: Lenken Sie das Gesprach taktvoll auf ein Thema, bei demder andere glanzen kann. Holen Sie auch einmal den Rat eines Gesprachspartners ein. MachenSie sich uber sich selbst lustig und erzahlen Sie von einem kleinen Missgeschick. Sie werdenmerken: Dabei bricht Ihnen kein Zacken aus der Krone. Im Gegenteil: Sie wirken sympathischund einfuhlsam und bereichern Ihre Gesprachsfahigkeit um eine zusatzliche Dimension. AlleGesprachspartner fuhlen sich wohl und wertgeschatzt.

E – Uberwinden Sie Vorurteile und Schubladendenken

Es gehort zu unserem genetisch verankerten Programm, Fremdes aus sicherer Distanz zubeaugen und uns in Sekundenschnelle ein Urteil uber andere zu bilden. Deshalb reagie-ren auch Sie auf Signale, bei denen sich Ihnen einfach die Haare strauben – zum Beispieldas Piercing an der Nase des kunftigen Schwiegersohns, die zugeknopfte Reserviertheit desTischnachbarn, die Unart der Einrichtungsberaterin, einen mitten im Satz zu unterbrechen,das griffbereite Zigarettenpackchen auf dem Nachttisch des Zimmergenossen im Kranken-haus. Ihr Korper geht in Verteidigungsposition. Bewusst oder unbewusst reagieren Sie re-serviert und haben wenig Lust auf einen netten Smalltalk.

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12 KAPITEL 2. TESTEN SIE IHREN SMALLTALK-TYP

Daran konnen Sie arbeiten

Eine vertrauensvolle Ausstrahlung ist die beste Voraussetzung dafur, dass Ihr Gegenuber Ih-nen seinerseits gutgelaunt begegnet. Wer in den USA schon einmal die professionelle Freund-lichkeit in Geschaften und Hotels erlebt hat, weiß, wie ansteckend Herzlichkeit und guteLaune sind – selbst wenn dahinter ein Stuck Schauspielerei und Geschaftstuchtigkeit steckt.Denn uber Mimik, Korperhaltung und Tonfall ubertragen Menschen gute und schlechteStimmungen aufeinander. Dieses Phanomen erklart, dass Miesepeter oft auch ihrer Umweltdie Laune verderben. Umgekehrt genugt manchmal ein freundlicher Gruß eines Fremden,um unsere Gereiztheit zu besanftigen und unsere Stimmung zu heben.

Wenn Ihnen an einer sympathischen Ausstrahlung gelegen ist, sollten Sie deshalb neuenBekannten einen Vertrauensvorschuss geben. Zeigen Sie sich freundlich und aufgeschlossen– auch wenn Sie das Auftreten der Bewerberin auf den ersten Blick arrogant oder die Le-bensweise des Veganers extrem finden. Vielleicht stellt sich ja nach naherem Kennenlernenheraus, dass die smarte Bewerberin uber erstklassige Qualifikationen verfugt. Oder dass derasketische Veganer der ausgefuchste Anlageberater ist, nach dem Sie seit langem suchen.

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Kapitel 3

Nur wer hingeht, kommt an

”Erzahlen Sie uns etwas Amusantes, aber nichts Boshaftes“, sagte die Frau des Gesandten, eine große Mei-

sterin der eleganten Konversation, die man auf Englisch Smalltalk nennt, zu dem Diplomaten, der auch nichtwusste, woruber man jetzt reden sollte.

Tolstoj, Anna Karenina

Nur wer hingeht, hat die Chance anzukommen. Ganz gleich, ob wir neu zum Italienischkurshinzustoßen, bei einer Tagung niemanden kennen oder einer Klassenkameradin begegnen,die wir zum letzten Mal bei der Abiturfeier gesehen haben: Der Versuch, ins Gesprachzu kommen, ist allemal angenehmer, als verlegen alleine herumzustehen und hinterher dieeigene Zaghaftigkeit zu bereuen – nur weil man das Risiko einer Zuruckweisung gescheutoder nicht den richtigen Anfang gefunden hat. Die wichtigsten Tipps fur den Gesprachsein-und -ausstieg finden Sie in diesem Kapitel.

3.1 Sich vorstellen: die GNA-Formel

Sie haben sich endlich aufgerafft, Fitness zu machen. Ob im Aerobic-Kurs, in der Sauna, ander Bar – uberall tratschen und lachen Cliquen, die sich schon ewig zu kennen scheinen.

Sie nehmen an einem IHK-Seminar uber Finanzbuchhaltung teil. In der Kaffeepause wurdenSie gerne mit Gleichgesinnten ins Gesprach kommen.

Auf der Hauseinweihungsfeier einer Kollegin fallt Ihnen eine sympathisch wirkende Frau auf,die wie Sie ohne Anhang gekommen ist und etwas verloren am Rande steht.

Die Aufgabe, sich locker plaudernd unter Fremde zu mischen, macht viele nervos. Wenn wiruns in solchen Situationen intensiv mit dem Molke-Drink, den Seminarunterlagen oder demkalten Buffet beschaftigen, so liegt das meistens daran, dass wir zogern, uns mit anderenbekannt zu machen. Dabei sind die Regeln dafur ganz einfach: Gehen Sie mit raschen Schrit-ten, aber nicht hektisch, zu dem anvisierten Gesprachspartner hin, lacheln Sie und stellenSie sich vor. Verwenden Sie dabei die GNA-Formel aus Gruß, Name und Aufhanger.

Gruß: Nehmen Sie Augenkontakt auf, lacheln Sie und sagen Sie ”Hallo“, ”Hi“, ”GutenTag“, ¿,Moin, moin“ oder was eben so angesagt ist.

Name: Nennen Sie Ihren Namen – am besten den Vornamen und den Familiennamen, dasklingt personlicher.

Aufhanger: Erzahlen Sie etwas von sich, was zum Anlass passt: Wenn Ihre Schwester hei-ratet, stellen Sie sich als ”der kleine Bruder der Braut“ vor; bei der Weihnachtsfeierin der Schule als ”Vater von Jonas, der einen der drei Hirten gespielt hat“; bei der

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14 KAPITEL 3. NUR WER HINGEHT, KOMMT AN

Hauseinweihungsfeier als ”Kollegin von Anna-Wir erarbeiten gerade zusammen dasKonzept fur eine neue Esoterik-Buchreihe“. Im Fitnessstudio kommen Sie am schnell-sten ins Gesprach, wenn Sie erzahlen, dass Sie neu im Club sind und schleunigst zweiKilo abnehmen mochten; beim IHK-Seminar, wenn Sie Ihr Spezialgebiet nennen unddie Firma, bei der Sie arbeiten.

Diese Form der Selbstvorstellung dauert nicht sehr lange. Wenn Sie sie gut vorbereitet haben,gerade mal sieben bis neun Sekunden: ”Guten Tag, ich bin Peter Berghof. Ich bin ein Studien-freund unseres Gastgebers. Wir haben zusammen in Munchen Betriebswirtschaft studiert.“Mit diesen Zusatzinformationen spielen Sie dem Gesprachspartner drei Gesprachsthemen zu,die er aufgreifen kann:

� ”Dann sind Sie ja schon ein paar Jahre langer mit Frank befreundet als ich. Wir habendie Meitners letztes Jahr im Club Robinson in der Turkei kennengelernt. Seither treffenwir uns regelmaßig zum Squash.“

� Oder: ”Tatsachlich? Ich habe ofter beruflich im Munchner Raum zu tun und verbindedas gern mit einem Abstecher in die Berge.“

� Oder: ”Dann sind Sie also auch BWLer wie Frank. Da verfolgen Sie doch sicherlich dieBorse: Was meinen Sie, kann man bei dem hohen Niveau noch Internetaktien kaufen?“

3.2 Strategisch vorgehen

Die Selbstvorstellung ist der Konigsweg zum gesellschaftlichen Erfolg -erst recht, wenn sievon flankierenden Maßnahmen begleitet wird. Denn: Je sicherer Sie sich fuhlen, je mehrSie uber die anderen Gaste wissen und je geschickter Sie Ihren Auftritt orchestrieren, destobesser stehen Ihre Chancen, dass Sie sich auf Parties und Festen nicht nur gut unterhalten,sondern auch neue Beziehungen knupfen.

Gut geplant ist halb gewonnen

Machen Sie sich vor einem Fest, einer Fortbildungsveranstaltung, einem Geschaftsessenschlau: Wer kommt, wie viel Zeit sollte man mitbringen, was sind die Lieblingsblumen derGastgeberin, was tragt man bei einer Hochzeit im Salzburger Land. Der Lohn der Muhe:Das passende Outfit, ein individuelles Gastgeschenk und das Wissen, an wessen Tisch mangleich sitzen wird, vermitteln ein Gefuhl der Sicherheit. So gestimmt fallt es leichter, offenund unbefangen zu plaudern.

Das richtige Timing

Wer erst kommt, wenn sich die Gruppchen schon gebildet haben, macht es sich unnotigschwer. Einfacher ist es, unter den ersten Gasten zu sein. Es besteht eine gute Chance, dassNeuankommlinge sich zu Ihnen gesellen – vor allem, wenn Sie lacheln und womoglich sogareinen der raren freien Stehtische ergattert haben.

Der richtige Standort

Wer sich im letzten Eckchen verkrumelt, sendet die falschen Signale aus. Platzieren Sie sichbesser an einer Stelle, an der die neueintreffenden Gaste zwangslaufig vorbeikommen – zumBeispiel in der Nahe des Geschenketisches. Wer alleine kommt und auch keinen kennt, istfroh, schnell einen moglichen Gesprachspartner ausfindig zu machen.

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3.3. SICH IN ERINNERUNG BRINGEN 15

Unterstutzen Sie den Gastgeber

Ob Sie Teller herumreichen, Weinflaschen offnen, Gesprachspausen fullen oder Mauerblumchenins Gesprach ziehen – Sie werden dem Gastgeber wie den anderen Gasten in guter Erinne-rung bleiben. Und Sie werden zu beschaftigt sein, um sich uberflussig zu fuhlen oder Ihresozialen Fahigkeiten anzuzweifeln.

3.3 Sich in Erinnerung bringen

Glucklicherweise kennen wir bei den meisten gesellschaftlichen Ereignissen ein paar Leutevom Sehen oder von fruheren Zusammentreffen. Die Frage ist nur: Erinnern sie sich auchan uns? Lassen Sie es nicht darauf ankommen: Es ist einigermaßen peinlich, auf die Nar-kosearztin zuzusteuern, mit der man sich vor drei Jahren beim Dermatologenkongress inBaden-Baden so fabelhaft unterhalten hat und sich zu freuen: ”Das gibt’s ja nicht! Die FrauEisenhardt! Erinnern Sie sich an mich?“ – um mit einem fragendkuhlen Blick konfrontiertzu werden.

Erfolgreiche Kommunikatoren packen die Sache anders an. Naturlich wurden auch sie sich dieGelegenheit nicht entgehen lassen, die Bekanntschaft mit der Kollegin aufzufrischen. Aber siehatten gesagt: ”Hallo, Frau Eisenhardt. Ich bin Caroline Mayer vom St. Vincent-Klinikumin Braunschweig. Wir haben uns vor ein paar Jahren in Baden-Baden kennengelernt. Wieschon, dass wir uns mal wieder treffen.“ So vorbereitet konnen Sie auch bei der zweitenBegegnung ein angeregtes Gesprach anstoßen.

Die gleiche Technik ist ubrigens auch nutzlich, um einen Termin telefonisch zu bestatigen:

”Guten Tag. Hier ist Franziska Anderson von mediatec. Ich wollte mich gerne in Erinnerungbringen. Wir hatten fur morgen Nachmittag einen Termin vereinbart.“

3.4 Das Eis brechen

Sagen Sie etwas. Irgendetwas. Warten Sie nicht auf den begnadeten Einfall. Um freundlicheGesprachsbereitschaft zu signalisieren, brauchen Sie weder tief schurfend noch ausgefallenzu sein. Wie der erste Eindruck ausfallt, hangt namlich viel mehr von nonverbalen Signalenals von der Wahl des Gesprachsthemas ab: Ihrem Aussehen, Ihrer Haltung, Ihrer Stimme,Ihrem Tonfall. Es sind deshalb Belanglosigkeiten, die Gesprache in Gang bringen – eineBemerkung uber den Tagungsort, die Bitte um eine kleine Gefalligkeit oder einfach einfreundliches Kompliment.

Das nahe Liegende – der warme Sommerabend, das Essen, die ausgefallene Tischdekoration– ist oft auch der nahe liegendste Einstieg in ein Gesprach. Nehmen Sie Ihre Umgebungbewusst war und achten Sie auf Auffalligkeiten:

� die Stadt: ”Schon haben Sie es hier in Regensburg.“

� die Schwarzweiß-Aufnahmen von Venedig: ”Ich habe mich an der Volkshochschule fureinen Kurs Schwarzweiß-Photographie fur Anfanger eingeschrieben. Ich freue michschon sehr darauf.“

� das Hotel: ”Ist das hier nicht wie im Paradies? Idyllischer kann man es sich nichtwunschen.“

Ein Tipp fur Fortgeschrittene: Wahlen Sie als Aufhanger eine moglichst erfreuliche Beob-achtung. Dadurch wirken auch Sie als Person automatisch gutgelaunt und positiv. Der Satz

”Herrliches Wetter heute!“ zaubert ganz von selbst ein Lacheln auf die Lippen und einStrahlen in die Augen. Der große Jochbeinmuskel und der

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16 KAPITEL 3. NUR WER HINGEHT, KOMMT AN

Augenringmuskel werden nach oben gefuhrt. Ihr Gesicht erfahrt ein naturliches Lifting. Beider Bemerkung ”Scheußlich, der Dauerregen, nicht?“ verziehen wir dagegen unwillkurlichdas Gesicht.

Fragen sind der direkteste Weg, ein Gesprach in Gang zu bringen.

� ”In welcher Verbindung stehen Sie zu unserem Gastgeber?“

� ”Haben Sie schon ofter an dieser Tagung teilgenommen?“

� ”Habt ihr euch in Dresden gut eingelebt?

� ”Warum sind Sie aufs Snowboarden umgestiegen?“

Vermeiden Sie es aber, Ihren Gesprachspartner ins Kreuzverhor zu nehmen: ”Wie alt sindSie denn?“ ”Was verdient man denn da so?“ ”Man hort ja, dass es mit Ihrer Firma wiederbergauf geht?“ Solche direkten Fragen verlangen etwas mehr Intimitat, als in einem Vier-Minuten-Gesprach entstehen kann.

Gemeinsame Bekannte sind oft die erste Verbindung zwischen Fremden. Vielleicht stellt sichheraus, dass Ihr Gegenuber im gleichen Vorort wie Ihre Kollegin wohnt, dass Sie und IhrGesprachspartner zur gleichen Krankengymnastin gehen oder dass Sie die Schwiegerelternder neuen Bekannten aus dem Gartenbauverein kennen. Solche gemeinsamen Bezugspunkteebnen den Weg zum nachsten Thema: die gunstige S-Bahn-Verbindung in die Innenstadt,die hartnackigen Ruckenschmerzen, die reiche Apfelernte.

Komplimente eignen sich gut dafur, alte Bekanntschaften aufzufrischen. Sie verbreiten ei-ne wohltuende Atmosphare und legen gleichzeitig einen ersten Themenbereich fest: Frisur,Urlaub, Mode, Kinder, das Thema des Vortrags.

� ”Ich freue mich, dass Sie sich wieder als Klassenelternsprecherin zur Verfugung stellen.“

� ”Das Kleid steht Ihnen wunderbar. Haben Sie das hier in Freiburg gefunden?“

� ”Sie sehen richtig gut erholt aus.“

� ”Ich fand Ihren Vortrag sehr aufschlussreich.“

Bitten Sie um Hilfe. Die meisten Menschen fuhlen sich gut, wenn wir ihnen einen Informati-onsvorsprung zubilligen. Die Bitte um eine kleine, leicht zu erfullende Gefalligkeit ist deshalbein erprobter Weg der Kontaktaufnahme.

� Im Urlaub am Pool: ”Entschuldigen Sie. Ich sehe, dass Sie einen Restaurantfuhrer furdie Gegend hier haben. Durfte ich wohl kurz einen Blick hineinwerfen?“ Wird Ihre Bittefreundlich gewahrt, konnen Sie nachlegen: ”Haben Sie schon den einen oder anderenTipp getestet? Konnen Sie uns ein Restaurant empfehlen?“

� Beim Fitnesstraining: ”Ich versuche schon die ganze Zeit vergeblich, die Sitzhohe derBauchmaschine zu verandern. Konnen Sie mir weiterhelfen?“

Wenig erfolgversprechend ist es dagegen, mit guten Ratschlagen ins Gesprach kommen zuwollen: ”Sollten Sie den Griff nicht weiter außen anfassen? So wie es auf der Abbildung zusehen ist?“

Auch in Frageform verpackt laden Belehrungen eher zum Ruckzug als zum Smalltalk ein:Niemand lasst sich von Fremden gerne (etwas) vorfuhren.

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3.5. DEN FADEN WEITERSPINNEN 17

3.5 Den Faden weiterspinnen

Andocksatze und Einstiegsfloskeln signalisieren Interesse und konnen den Funken entzunden.Je weiter das Gesprach fortschreitet, desto starker sind dann aber auch Substanz und damiteine gute Allgemeinbildung gefragt: vom kalifornischen Chardonnay bis zu der umstrittenenDon-Carlos-Inszenierung des Stadttheaters, von den Tarifen der Deutschen Bahn bis zurEntschlusselung des menschlichen Erbguts ist beim Smalltalk alles moglich. Jedenfalls, so-lange es leicht und schwerelos bleibt: Mit Geplankel uber den Sinn und Unsinn von GeorgeLucas’ Star-Wars-Filmen liegen Sie genau richtig. Der Krieg im Kosovo dagegen ist keinThema, das sich zwischen Prosecco und Partyhappchen abhandeln ließe.

Weitere wichtige Zutaten des gelungen Smalltalks sind eingestreute Informationen uber dieeigene Person. Unterhaltungen fließen einfach leichter, wenn wir im Lauf des Gesprachs er-fahren, dass unsere Gesprachspartnerin demnachst nach Berlin umziehen wird und im JanuarGeburtstag hat. Diese Informationen helfen uns, geeignete Gesprachsthemen anzuschneiden(”Ist es eigentlich schwierig, in Berlin eine passende Wohnung zu finden?“) und Fauxpaszu vermeiden (”Mein Chef ist ein typischer Steinbock stur wie ein Maultier“). Umgekehrtsollten auch Sie selbst personliche (aber nicht intime) Informationen einfließen lassen:

� ”Seit ich regelmaßig laufe,...“

� ”Wir haben zwar noch keine Kinder, aber ich kann mir gut vorstellen, dass...“

� ”Wir sind ja hier alle etwa der gleiche Jahrgang...“

Achten Sie darauf, dass Ihre Informationssplitter wirklich das Gesprach weiterbringen undnicht nur Ihrer Selbstdarstellung dienen. Wer im ersten Gesprach nicht nur einfließen lasst,dass er S-Klasse fahrt, sondern auch, dass er Hobbyflieger ist, in Florida uberwintert, mitdem Landrat Golf und mit dem Polizeiprasidenten Skat spielt, dem geht es allzu offensichtlichum die eigene Aufwertung.

3.6 Sich in Gesprache einfadeln

Keine Angst vor Gruppchen: Stellen Sie sich einfach dazu! Was kann Ihnen schon passieren?Schlimmstenfalls lasst man Sie nicht am Gesprach teilnehmen und ignoriert Sie hartnackig.Machen Sie sich nichts draus und versuchen Sie Ihr Gluck bei umganglicheren Zeitgenossen.

Fallen Sie nicht mit der Tur ins Haus

Wer neu zu einer Gruppe stoßt, sollte sich erst einmal auf die Zuhorerrolle beschranken. Esist nicht hoflich, ein angeregtes Gesprach zu unterbrechen, um seinen Namen zu verkunden.Das lasst sich zu gegebener Zeit immer noch nachholen. Am besten erweisen Sie sich alsaufmerksamer Zuhorer: durch Blickkontakt, ein interessiertes Lacheln, ein zustimmendesNicken oder durch ermunternde Bemerkungen wie ”Wirklich?“ – ”Das ist ja interessant!“

Signalisieren Sie Zustimmung

Wenn Sie sich einen Uberblick uber das laufende Gesprach verschafft haben, wagen Sie sichweiter vor. Wirksam, wenn auch ein bisschen opportunistisch, ist es, sich beipflichtend anden Hauptredner anhangen: ”Das sehe ich genauso.“ ”Ihre Argumente sind wirklich uber-zeugend.“ ”Ja, und ...“ So gewinnen Sie einen Verbundeten, der Sie mit großer Wahrschein-lichkeit ins Gesprach ziehen wird.

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18 KAPITEL 3. NUR WER HINGEHT, KOMMT AN

Vermeiden Sie es, sich in den Mittelpunkt zu stellen

Wer Interessantes beisteuern kann, tut das – achtet aber darauf, nicht das Gesprach an sichzu reißen. Spielen Sie den Ball zugig weiter.

3.7 Ein guter Abgang

Der amerikanische Psychologe Leonard Zunin hat ermittelt: Ein fluchtiges Gesprach imSchwimmbad, an der Bushaltestelle, im Supermarkt muss mindestens vier Minuten dau-ern, wenn wir unser Gegenuber nicht durch Kurzangebundenheit bruskieren wollen. Danachkonnen Sie sich von Zufallsbegegnungen ohne weiteres verabschieden: ”Also dann, ...

� lassen Sie sich nicht aufhalten – Sie wollen sicher unter die Dusche.“

� wir sehen uns doch am Samstag beim Adventssingen?“

� ich muss mich beeilen, die Parkuhr lauft ab.“

Bei langeren Gesprachen erkennen Sie oft an der Korpersprache oder am GesprachsverhaltenIhres Gegenubers, dass es an der Zeit ist zu gehen. Sobald der andere nervos wird, auf dieUhr oder im

Raum herum schaut, von einem Fuß auf den anderen tritt oder sich auf einsilbige Antwortenbeschrankt, ist das ein Zeichen, dass Sie besser zum Ende kommen sollten.

Schwieriger ist es, sich von einem Gesprachspartner zu losen, der am liebsten noch stunden-lang weiterreden wurde. Viele Menschen machen in dieser Situation den Fehler, das Gesprachversickern zu lassen. Oder sie verschwinden mit einer Ausrede (”Ich muss mal kurz zu Hauseanrufen“, ”Ich glaube, ich hole mir noch etwas Nachtisch“) – um nie mehr zuruckzukehren.Beides ist dazu angetan, den guten Eindruck zunichte zu machen, den Sie vorher aufgebauthaben. Hoflicher ist es, sich nach einer angemessenen Zeit entschlossen zu verabschieden.

Ehrlich wahrt am langsten: ”Entschuldigen Sie mich bitte. Ich muss mich um den Nachtischkummern.“ Oder: ”Dort druben steht eine fruhere Mitarbeiterin von mir, und ich mochteihr kurz Hallo sagen.“ ,

Freundlich, aber bestimmt: ”Ich mache dann weiter die Runde. Ich wunsche Ihnen nocheinen schonen Abend.“ Oder: ”Es war schon, Sie kennenzulernen. Ich wunsche Ihnen nocheinen schonen Aufenthalt.“

Verbindlich: ”Es war schon, hier einen Tennisfan zu treffen. Es bleibt dabei: Wir machendemnachst zusammen ein Spiel. Ich rufe Sie an. Bis dann.“ Oder: ”Es war schon, dass wiruns wieder einmal getroffen haben. Ich faxe Ihnen den Artikel uber die neue Rechtsprechunggleich morgen zu.“

Vernetzend: ”Dort ist Jurgen. Du weißt schon, wir joggen zusammen. Komm mit, dann lernstdu ihn mal kennen.“ Oder: ”Da druben steht Frieder Baumann. Er hat meinem Sohn letztesJahr Nachhilfe in Franzosisch gegeben. Wenn Sie mochten, mache ich Sie mit ihm bekannt– vielleicht kann er Sie bei der Betreuung der franzosischen Delegation unterstutzen.“

3.8 Am Ball bleiben

Sie konnen beim Smalltalk in der U-Bahn, nach dem Theater oder beim Sommerfest desOrtsvereins noch so charmant lacheln und gewandt plaudern – wenn der Kontakt nicht imSande verlaufen soll, mussen Sie ihn pflegen: Rufen Sie kurz an und geben Sie die verspro-chene Adresse durch, schreiben Sie ein paar Zeilen und legen Sie ein Foto dazu, schlagen Sieeine Verabredung zum Mittagessen vor, schreiben Sie eine Karte aus dem Urlaub, schickenSie einen Blumenstrauß als Dankeschon fur einen guten Tipp.

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3.8. AM BALL BLEIBEN 19

Allerdings: Ubertreiben Sie es nicht. Lassen Sie neuen Bekannten immer auch die Moglich-keit des taktvollen Ruckzugs. Nicht jede gelungene erste Begegnung wird sich zu einer tiefenFreundschaft oder auch nur losen Bekanntschaft entwickeln. Das mag schade sein, ist aberkein Grund fur Selbstzweifel: Ein vergnugter Abend, eine angeregte Fachsimpelei, ein fluchti-ges Eintauchen in die Lebensgeschichte eines fremden Menschen besitzen einen Wert an sich– auch wenn sich nicht mehr daraus entwickelt.

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20 KAPITEL 3. NUR WER HINGEHT, KOMMT AN

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Kapitel 4

Der Stoff, aus dem Gesprachesind

Einen Moment lang dachte ich, vielleicht konnte ich von dem Ubersetzer-Symposium in Singen erzahlen, beidem ich kurzlich eingeladen war und mich so furchterlich gelangweilt hatte, dass wahrlich nichts dabei war,daruber zu erzahlen, aber ich verwarf es sofort, weil es mir, gerade wenn ich erwahnen wurde, wie langweiligdas Symposium gewesen war, gefahrlich nah an Understatement zu geraten schien, und wenn ich loge, esware interessant gewesen, ware das Prahlerei.

Birgit Vanderbeke, Alberta empfangt einen Liebhaber

Auch wenn wir es nur ungern zugeben: Die meisten von uns scheuen weder Aufwand nochMuhe, um sich auf das Zusammensein mit anderen vorzubereiten. Wir putzen die Wohnung,weil sich die Schwiegereltern ubers Wochenende angesagt haben, suchen stundenlang nachdem passenden Outfit fur den Juristenball, backen Kuchen fur den Nachmittagskaffee inder Mutter-Kind-Gruppe, zwangen uns fur die Vernissage ins kleine Schwarze und starkenergeben die Damastservietten fur das Abendessen mit dem Chef. Nur eines uberlassen wirdem Zufall und hoffen das Beste: die Art und den Verlauf der Gesprache. Perfekt kostumiertund frisiert betreten wir die stimmig ausgeleuchtete Buhne – ohne auch nur einen Blick insTextbuch geworfen zu haben.

Gesprachsprofis kann das nicht passieren: Kein Staatsanwalt halt sein Pladoyer aus demStegreif, kein guter Verkaufer sturzt sich unvorbereitet in ein Kundengesprach, kein Talk-master tritt seinen Gasten ohne Vorkenntnisse gegenuber. Wenn Alfred Biolek mit HenryMaske kocht und Sabine Christiansen mit Alice Schwarzer talkt, ist die Zwanglosigkeit derGesprache auch das Ergebnis einer grundlichen Vorarbeit. Was den Gesprachsprofis rechtist, ist uns Laien billig: Je mehr wir uber die Interessen unserer Gesprachspartner wissenund je mehr Gesprachsthemen wir im Repertoire haben, desto besser stehen die Chancen,dass Gesprache eine Eigendynamik entwickeln.

4.1 Bescheid wissen, mitreden konnen

Menschen, die leicht und unbefangen mit den unterschiedlichsten Leuten uber Gott und dieWelt plaudern konnen, fuhren fast immer ein ausgefulltes Leben. Ihr Alltag umfasst mehr alsBuro, Kinder und Haushalt, und sie bewegen nach Feierabend nicht nur die Fernbedienung.

Zwanglose Smalltalker spielen Tennis und laufen Ski, gehen regelmaßig in die Oper, ma-len, surfen im Internet, spielen Klavier oder Saxophon und sind begeisterte Hobbykoche.Sie engagieren sich im Elternbeirat, in der Lokalpolitik oder bei den Wirtschaftsjunioren.Sie organisieren Kindergartenfeste, Weinproben und Studienfahrten in auslandische Part-nerstadte. Und vor allem: Sie lesen und gehen mit wachen Augen durch die Welt. Weil

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22 KAPITEL 4. DER STOFF, AUS DEM GESPRACHE SIND

sie gut informiert und vielseitig interessiert sind, konnen sie mit fast jedem Thema etwasanfangen.

Wer im Fernsehen regelmaßig auf Magazine wie Monitor, WISO, Aspekte oder Mona Lisazappt und die morgendliche Zeitungslekture nicht auf Politik und Lokales beschrankt, istselten um ein Thema verlegen:

� Sie rufen einen Kunden in einem anderen Bundesland an: ”Ich habe gehort, die Wurz-burger Autobahn war wegen Sturmschaden gesperrt. Ich hoffe, Sie sind heute Morgentrotzdem ohne Stau ins Buro gekommen?“

� Sie plaudern mit einer Geschaftspartnerin, von der Sie wissen, dass sie gern und oft insTheater geht: ”Hatten Sie schon Gelegenheit, die neue Hamlet-Inszenierung zu sehen?Ist sie wirklich so ungewohnlich, wie man sich erzahlt?“

� Der Sohn Ihrer Freundin fuhrt Ihnen sein neuestes Computerspiel vor: ”Hast du auchFinal Fantasy 8 auf deinem PC? Tatsachlich? Das wurde ich mir gerne mal anschauen.Die 3DEffekte sollen ja umwerfend sein.“

4.2 Allerweltsthemen sind besser als ihr Ruf

Wenn Gesprache nicht in Gang kommen, so liegt das fast immer daran, dass die Gesprachs-partner an ihrem eigenen Ehrgeiz scheitern: Sie setzen sich mit dem Anspruch unter Druck,unbedingt etwas besonders Geistreiches, Schlagfertiges, Ausgefallenes sagen zu mussen. Mitdem Erfolg, dass ihr Kopf leer und ihre Zunge wie gelahmt ist.

Hat man sich dagegen erst einmal von der Erwartung an einen ausgefallenen Einstieg befreit,liegen die Themen auf der Hand: Sport, Reisen, Bucher, Filme, die Kinder, der Garten, dieBorse, das Internet...

Das Wetter

Die Englander wissen es langst: Zumindest als Gesprachseinstieg ist das Wetter besser als seinRuf. Wie kein anderes Thema ist es wirklich allen Gesprachspartnern gemeinsam. Und derWeg vom Wetter zu anderen Themen ist kurz: der anstehende Osterurlaub in den Bergen, dasgeplante Picknick am Wochenende, die verhagelte Obstbaumblute, die ins Wasser gefalleneRadtour.

Sushi, Steak und Saltimbocca

Viele Koche verderben den Brei. Das mag sein. Aber wenn zwei, drei Mochtegern-Siebeckszusammensitzen, lauft das Gesprach wie von selbst: der beste Biobauer im Landkreis, dasRezept fur das garantiert nicht zusammenfallende Kasesouffle, die Vorzuge von Induktions-herden, der hauseigene Krautergarten, der Nutzen von Isogetranken. Und auch die staunendeZuhorerschaft kommt nicht zu kurz: Dass Parmesan aus der Tute ungenießbar ist und Risot-to am Schluss tuchtig mit einem Holzloffel aufgeschlagen werden muss, sind Erkenntnisse,die sich am heimischen Herd muhelos umsetzen lassen.

Salbei, Schlehdorn, Schneckenkorn

Von den ersten Krokussen bis zum letzten Rasenschnitt ist der Garten ein ergiebiges Thema:Schon, dass man endlich den Fruhling ahnt. Ihre Pfingstrosen bluhen wieder herrlich. Wirbrauchten dringend Regen. Wie heißt der Strauch mit den roten Beeren? Die Nacktschneckenhaben uns samtliche Zucchinipflanzen kahl gefressen. Haben Sie dieses Jahr auch so einereiche Apfelernte?

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4.3. DIE HOHE KUNST DER KONVERSATION 23

Madonna, Mozart und Miles Davis

Auch wenn Sie nicht das absolute Gehor haben, Wagner nur in homoopathischen Dosenvertragen und bei TicTacToe an ein Pfefferminzbonbon denken, ist Musik ein ergiebigesGesprachsthema: Um uber Handys in der Philharmonie und Girlie-Geigerinnen im nassenT-Shirt zu lastern, die glaubhafte Korpersprache der Mozart-Interpretin zu bewundern odereine Meinung uber den preisgunstigsten CD-Anbieter im Internet zu haben, muss man keinMusikexperte sein.

Pleiten, Pech und Pannen

Gebeutelt von den Widrigkeiten des Lebens, sind sie der Star auf jeder Party: Pechvogel,die auch noch lustig erzahlen konnen. Von den Pfotenabdrucken auf dem versandfertigenManuskript, weil die Katze nicht begreifen will, dass ein Schreibtisch kein Spielplatz ist.Von dem sorgfaltig gepackten Koffer, der mitten in der uberfullten Abflughalle um zwei KiloUbergewicht erleichtert werden musste. Oder von der missgluckten Philadelphia-Torte, mitder man die Schwiegereltern beeindrucken wollte. Wer solche Erfahrungen mit anderen teilt,sorgt fur gute Unterhaltung und hat die Lacher auf seiner Seite.

Und ausserdem

Die Krimis von Elizabeth George, die Hackerangriffe auf Yahoo, das 1:2 gegen Herta BSC,Gobelinstickerei, franzosischer Rotwein und australischen Chardonnay, das Moorhuhn-Jagdfieberund der BigBrother-Kult, die Schlossertour durch Frankreich, der Campingurlaub in derLuneburger Heide, der Segeltorn im hollandischen Wattenmeer, die Schnakenplage, die Grip-pewelle, der lauschige Biergarten auf dem Land, die Immobilienpreise auf Sylt, die Heilwir-kung von Bachbluten, die Entwicklung der Bioinformatik.

4.3 Die hohe Kunst der Konversation

Entgegen landlaufiger Meinung gibt es also kaum ein Thema, das der Smalltalk nicht beruhrenkonnte. Der Unterschied zwischen unverbindlichem Geplauder und ernsthafter Diskussionliegt weniger in der Wahl der Themen, als in der Art ihrer Behandlung. Drei Dinge namlichsind im Smalltalk strikt verboten: zu streiten, zu jammern und mit Spezialwissen zu prahlen.

Das plaudernde Miteinander

Wahrend es bei Fachdiskussionen darum geht, kontrare Positionen zu thematisieren undunter einen Hut zu bringen, betont der Smalltalk eher die Gemeinsamkeiten als die Unter-schiede: Dass die Aktien am Neuen Markt Ihrer Meinung nach hoffnungslos uberbewertetsind – daruber diskutieren Sie mit Ihrer Bankberaterin. Beim Smalltalk verzichten Sie bes-ser auf polarisierende Insider-Vokabeln wie ”Hausfrauen-Hausse“ und ”deadcom-Companies“und sagen verbindlich: ”Die dotcom-Firmen haben sich in den letzten Monaten unglaublichrasant entwickelt.“

Sprechen Sie uber die schonen Dinge des Lebens Gesprache im Familien- und Freundeskreisleben auch davon, dass wir uns offnen und uns Weltschmerz, Frust und Sorgen von der Seelereden. Beim Smalltalk gelten andere Regeln: Wer an der Festtafel, im Umkleideraum unduber den Gartenzaun hinweg unnotigerweise mit einer Bemerkung uber den schweren Unfallauf der A8 einsteigt (”Haben Sie das heute Morgen auch gehort? Das ist doch schrecklich,nicht“), ruhrt bei den anderen an tiefsitzende Angste, an die sie womoglich nur ungernerinnert werden. Besser kommen Themen an, die die anderen zum Lacheln oder Staunenbringen – und Sie selbst zum Strahlen.

Doris Martin af data Smalltalk

24 KAPITEL 4. DER STOFF, AUS DEM GESPRACHE SIND

Vorsicht mit den eigenen Lieblingsthemen

Gegen die italienische Renaissance oder gesunde Ernahrung als Smalltalk-Thema ist nichtseinzuwenden. Sofern Sie Ihr Thema behutsam ansteuern. Allerweltssatze wie ”Haben Sieauch geschaftlich in Mailand zu tun?“ oder ”Die Wurstchen sehen ja lecker aus“ eroffnendas Gesprach, ohne dem anderen ein spezielles Thema aufzudrangen.

Wer sich dagegen gleich im ersten Satz als genussfeindlicher Gesundheitsapostel zu erkennengibt (”Normalerweise verzichte ich auf Gegrilltes“) oder als feinsinniger Kunstsachverstandi-ger prasentiert (”Ich kann es kaum erwarten, endlich Leonardos Abendmahl ohne Gerust zusehen“), hat den Sinn des Smalltalks nicht verstanden. Der besteht namlich darin, Bruckenzu bauen und nicht Graben aufzureißen, leicht zu sein und bei Bedarf auch mal seicht.Wer Menschen gewinnen will und nicht verprellen, darf sie nicht mit den eigenen Lieblings-themen und -thesen uberfallen. Stattdessen gilt es, einander erst einmal zu umkreisen undbehutsam nach Gemeinsamkeiten zu forschen. Stellt sich dann heraus, dass beide Seiten sichfur Leonardos Malerei begeistern oder uber giftige Benzyprene ereifern konnen, steht einerangeregten Fachsimpelei nichts mehr im Weg.

4.4 Daruber spricht man nicht

Fur die Buchautorin Sybil Grafin Schonfeldt gehort es zum 1x1 des guten Tons, Geld, Politikund Klatsch aus der Konversation herauszuhalten. Auch wenn viele Menschen das nicht mehrso eng sehen: Eine gewissen Vorsicht ist bei diesen Themen weiterhin angesagt. Jedenfallsbeim Smalltalk.

Uber Geld spricht man nicht, man hat es

Der ehernen Regel zum Trotz hat sich das Reden uber Geld in den letzten ein, zwei Jah-ren grundlegend verandert: Anlagestrategien, Vermogensbildung, Aktien, Grundstuckspreiseund Baufinanzierungen entwickeln sich zunehmend zu einem ergiebigen und akzeptierten Ge-sprachsthema. Dennoch ist Fingerspitzengefuhl angebracht. Vor allem, wenn die finanziellenMoglichkeiten der Gesprachspartner unterschiedlich sind. Im Prinzip ist nichts dagegen zusagen, wenn jemand vom phantastischen Menu im SterneRestaurant schwarmt, das seine150 Mark wirklich wert gewesen ist. Wenn die anderen ahnliche Summen fur kulinarischeGenusse ausgeben konnen, ist das in Ordnung und vielleicht der Auftakt zu einem angereg-ten Smalltalk uber Berliner In-Lokale und Geheimtipps im provenzalischen Hinterland. Sitztdagegen am gleichen Tisch jemand, der sich hochstens mal ein Essen in der Pizzeria um dieEcke leistet, sind Preisangaben tabu.

Jetzt red i

Politische Diskussionen gehoren in den Bundestag, in Parteiversammlungen, in Talkshows,vielleicht auch an den Stammtisch nicht aber an die Festtafel zur Feier des Firmenju-bilaums oder ins Wohnzimmer des Geschaftsfreundes. Missstimmung, vielleicht sogar Streitist namlich vorprogrammiert, wenn politische Meinungen aufeinander prallen. Wahrend dereine gegen den Abbau von Sozialleistungen wettert, giftet der andere uber seinen Spitzen-steuersatz. Was dabei herauskommt, ist hochstens ein verdorbener Abend – die Losung dergesellschaftlichen Probleme sicher nicht.

Klatsch und Tratsch

Gemeinsames Lastern wirkt verbindend. Sticheleien uber des Kanzlers Hang zu Kaschmirund Cohiba, den zuerst ins Auge gefassten, aber dann wieder verworfenen Erziehungsurlaub

Smalltalk af data Doris Martin

4.4. DARUBER SPRICHT MAN NICHT 25

von Tony Blair oder die Verfeldbuschung der Welt konnen denn auch ganz erheiternd sein,wenn zwei oder drei spitze Zungen miteinander um die beste Pointe wetteifern.

Klatschgeschichten uber Polit- und Medienstars sind eine Frage des Geschmacks. Klatschge-schichten uber gemeinsame Bekannte dagegen verbietet der Takt. Wer hinter vorgehaltenerHand uber Evas Zickigkeit, Eugens Karrierismus und die Dauerkrise der Ohlenschlagersmunkelt, outet sich selbst als neugierig und wenig vertrauenswurdig. Und als wenig selbst-bewusst: Menschen mit gesundem Selbstwertgefuhl haben es schließlich nicht notig, sich uberdie Unzulanglichkeiten und Missgeschicke ihrer Mitmenschen aufzuwerten.

Political Correctness

Frauenfeindliche Spruche, Witze uber Behinderte und rassistische Bemerkungen sind nichtnur politisch falsch. Wer sie nicht lassen kann, riskiert unter Umstanden auch das beruflicheund gesellschaftliche Aus. Menschen mit Takt trampeln allerdings auch ohne Angst vorSanktionen nicht auf den Gefuhlen anderer herum.

Nie sollst du mich befragen

Und wenn es Sie noch so sehr interessiert: Manche Fragen stellt man besser nicht. Was manfragen kann und was nicht, hangt ganz davon ab, wie vertraut das Verhaltnis zwischen denGesprachspartnern ist. Wie viel Wert jemand auf seine Privatsphare legt. Und wer demGesprach zuhort.

� ”Tolle Haarfarbe. Ist die echt?“ Unter Freundinnen ist diese Frage normalerweise o.k.,die Frau des Chefs konnte irritiert sein.

� ”Herr Mayer, ich habe gehort, Ihre Firma baut Stellen ab. Sie mussen sich doch keineSorgen machen?“ Vielleicht mochte Herr Mayer fur diesen Abend seine Sorgen malvergessen. Oder sie nur mit seiner Frau teilen. Oder Frau Mayer steht gerade danebenund weiß davon noch nichts, weil Herr Mayer sie nicht beunruhigen wollte.

� ”Warum habt Ihr eigentlich noch keine Kinder?“ Nicht jeder gibt bereitwillig Aus-kunft uber verklebte Eileiter oder zu wenig aktive Spermien. Oder mochte daruberRechenschaft ablegen, warum ihm oder ihr die berufliche Entwicklung wichtiger ist.

Doris Martin af data Smalltalk

26 KAPITEL 4. DER STOFF, AUS DEM GESPRACHE SIND

Smalltalk af data Doris Martin

Kapitel 5

Schuchternheit uberwinden

Ich wurde dort wahrscheinlich uberhaupt niemanden kennen, und ich bin auch nicht der Typ, der sich leichtbekannt macht oder locker plaudert, aber es sind ja noch die Bilder da, Gott sei Dank, im Zweifelsfall seheich mir einfach immer wieder die Bilder an.

Franziska Stalmann, Champagner und Kamillentee

Gemeinsames Pferdestehlen liegt ihnen nicht. Sie gehen lieber ins Konzert als in die Kneipe.Sie haben Angst vor vielen Menschen. Sie ergreifen ungern als erste das Wort und wartenlieber ab, bis sie gefragt werden. Offentliche Auftritte, Verkaufstelefonate oder Vorstellungs-gesprache jagen ihnen einen Schauer den Rucken hinunter. Oft haben sie sich ihr Leben soeingerichtet, dass sie relativ unabhangig vom Kontakt zu fremden Menschen sind. Sie scheu-en zuruck vor lauten Witzen und indiskreten Fragen. Sie haben ein starkes Bedurfnis, geliebtund akzeptiert zu werden, fuhlen sich aber oft isoliert, inkompetent und schmerzlich anders.Sie werden haufig ubersehen oder gelegentlich zu Unrecht als kalt und arrogant abgelehnt.Sie sind schuchtern.

5.1 Was es heißt, schuchtern zu sein

Der amerikanische Entwicklungspsychologe Jerome Kagan geht davon aus, dass bei etwaeinem Drittel der schuchternen Erwachsenen Schuchternheit zum biologischen Programmgehort. Moglicherweise haben sie eine chronisch hohe Konzentration von Noradrenalin undanderen Hirnsubstanzen geerbt. Dieser hohe Noradrenalin-Spiegel erregt sowohl den Man-delkern im Gehirn als auch das sympathische Nervensystem uber Gebuhr. Dadurch werdenAngstreaktionen wie schnellerer Herzschlag oder hoherer Blutdruck ausgelost.

Immer wieder mussen Schuchterne feststellen: Die Begegnung mit unvertrauten Menschenund Umgebungen ruft bei ihnen ein physiologisches Unbehagen hervor, das sie verstandli-cherweise lieber vermeiden mochten. Menschenscheu und Kontaktarmut sind die Folge.

Bei zwei Dritteln der Schuchternen wird der Grundstein der sozialen Angstlichkeit dagegendurch belastende Lebensereignisse gelegt. Ablehnende, zuruckweisende Eltern konnen daranschuld sein, Erziehungsmethoden, die eher auf Druck als auf Ermutigung setzen, aber auchBruche in der Biographiewie Scheidung, Arbeitslosigkeit oder eine chronische Krankheit.

Ob schuchtern geboren oder schuchtern geworden: Schuchterne schleppen eine Hypothekmit sich herum, die in unserer erfolgsorientierten Gesellschaft wenig gefragt ist. Sie leidenunter Angstlichkeit, Verschlossenheit, Uberempfindlichkeit. In ihrem Kopf laufen standigverunsichernde Fragen ab: Drucke ich mich klar aus? Merkt man, dass ich nervos bin? Wiesehe ich aus? Wirke ich verkrampft? Langweilig? Spreche ich zu laut? Halte ich mich gerade?Diese zwanghafte Selbstbeobachtung lost Stresssymptome aus: Herzklopfen, ein flaues Gefuhlim Magen, ein leeres Gefuhl im Kopf, schweißnasse Hande, Erroten, Augenflackern.

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28 KAPITEL 5. SCHUCHTERNHEIT UBERWINDEN

5.2 Die positive Seite der Schuchternheit

Unsicher wie sie sind, uberbewerten Schuchterne ihre Defizite und ubersehen ganz, dassSchuchternheit und gesellschaftlicher Erfolg einander keineswegs ausschließen. Der Beweis:Prominente von Prinzessin Diana bis Steffi Graf, von David Letterman bis Yitzhak Rabinschafften es trotz ihrer Schuchternheit, die Menschen fur sich zu gewinnen. Sie haben gelernt,mit ihrer Scheu zu leben und das Beste aus ihrem Naturell zu machen. Dabei kamen ihnendie gleichen Eigenschaften zugute, die auch weniger beruhmte Schuchterne auszeichnen:Sensibilitat und menschliche Warme. Sie sind auf Dauer fur gute Gesprache mindestensebenso wichtig wie Selbstsicherheit und ein gewandtes Auftreten.

Amerikanische Untersuchungen haben gezeigt: Testpersonen, die schuchterne Menschen ersteinmal naher kennengelernt haben, stufen sie als sympathischer und intelligenter ein als dieauf den ersten Blick so beeindruckend geschliffenen Siegertypen. Wahr ist allerdings auch: Beiden ersten ein, zwei Begegnungen, die mehr als spatere Begegnungen vom Smalltalk leben,werden Schuchterne haufig als langweilig, unengagiert und uninteressant wahrgenommen.Das liegt daran, dass sie das Licht scheuen und anderen Menschen kaum Anhaltspunkteuber ihre Meinungen, Interessen und Gefuhle geben.

Um besser anzukommen, mussen Schuchterne deshalb lernen, in neuen Situationen wenig-stens hin und wieder einmal eine Bemerkung einzuwerfen. Dabei kommt es gar nicht so sehrauf besondere Schlagfertigkeit oder Kompetenz an als einfach darauf, sich bemerkbar zumachen und sich zu beteiligen. Der Schuchternheitsforscher Philip Zimbardo hat es auspro-biert: Er versuchte, verschlossene Personen in einer Testgruppe per Lichtzeichen ofter zumReden zu bringen. Mit Erfolg: Sobald die Schuchternen sich ein Herz fassten und mehr zumGesprach beisteuerten, stieg ihre Beliebtheit innerhalb der Gruppe mit einem Schlag an.

5.3 Schuchternheit akzeptieren

Schuchternheit ist ein Wesenszug, der sich nicht abschutteln lasst. Es gehort zu Ihrem Na-turell, dass Ihr Korper Angstsignale wie Schweißausbruche oder Magenkrampfe aussendet,sobald Sie mit fremden Menschen und Umgebungen konfrontiert sind. Dagegen helfen auchkeine Entspannungsubungen im stillen Kammerlein: Sie werden Ihren Korper nicht davonabhalten, in Angstsituationen sein angeborenes physiologisches Programm abzuspulen.

Versuchen Sie deshalb gar nicht erst, sich gegen die außerlichen Anzeichen innerer Erregungzu stemmen. Lernen Sie lieber, sie in einem Prozess der Desensibilisierung zu akzeptieren,auszuhalten und zu managen. Und besinnen Sie sich auf die Starken, die hinter den ver-meintlichen Schwachen verborgen liegen: In punkto Einfuhlungsvermogen sind Sie jedemegomanischen Siegertyp uberlegen. Das ist Ihr Markenzeichen, diese Fahigkeit sollten Siepflegen und betonen.

5.4 Schuchternheit aushalten

Sehen Sie es doch mal so: Die Aufregung in gesellschaftlichen Situationen ist ein naturlichesDoping-Mittel. Die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin bereiten den Korper daraufvor, Hochstleistungen zu erbringen. Ein interessantes Phanomen, das sich ubrigens alleindurch den Gedanken hervorrufen lasst, in der Seminarpause isoliert oder bei der Studienreiseaußen vor zu bleiben. Je ofter Sie die Angstgefuhle durchlebt haben, die fur Sie mit solchenSituationen verbunden sind, desto unbeteiligter werden Sie darauf reagieren. Auch Angstlebt sich irgendwann ab.

Densensibilisierung beschleunigt diesen Prozess: Haben Sie den Mut, beim nachsten Mal,wenn Sie vor Verlegenheit am liebsten im Boden versinken mochten, die Vorgange in IhremKorper nuchtern zu registrieren. Zwingen Sie sich, die unangenehmen Gefuhle in Ihnenweder zu verdrangen noch zu uberspielen. Beobachten Sie einfach, was passiert. Sie werden

Smalltalk af data Doris Martin

5.5. DIE LATTE HOHER LEGEN 29

merken: Die Angstgefuhle sind zwar unangenehm, lassen Sie aber vollig unbeschadet zuruck.Paradoxerweise fuhrt diese Selbstbeobachtung dazu, dass wir mit unseren Angsten besserklarkommen und uns nicht von ihnen ubermannt fuhlen.

5.5 Die Latte hoher legen

Desensibilisierung funktioniert am besten, wenn Sie Schritt fur Schritt vorgehen und dieAnforderungen an sich selbst ganz allmahlich steigern. Spielen Sie die Szenarien, die IhnenAngst ein jagen, deshalb erst einmal gedanklich durch: Malen Sie sich lebhaft aus, wie Sieeinen Raum voller fremder Menschen betreten, wie keiner Sie beachtet, wie Sie sich da-bei fuhlen, wie Sie sich an Ihrem Orangensaft festhalten. Wie Sie sich an einen Tisch inWandnahe stellen, wie sich jemand zu Ihnen gesellt und ein Gesprach anfangt. Wie Sie her-umstottern und nicht wissen, was Sie sagen sollen. Lassen Sie die Gefuhle der Verlegenheit,der Scham, der Unsicherheit zu und nehmen Sie sie an. Sie merken: Sie vergehen genausowie sie gekommen sind.Setzen Sie sich von nun an freiwillig und systematisch Gesprachssituationen aus, vor denenSie Angst haben. Dabei genugt es fur den Anfang schon, wenn Sie ein kleines Gesprach mitder Marktfrau oder Ihrem Sitznachbarn im Seminar anfangen. Nach und nach legen Sie dieLatte hoher:

� Verkneifen Sie es sich, schon wieder eine Ausrede zu erfinden, damit Sie nicht amBetriebsausflug teilnehmen mussen.

� Melden Sie sich in Meetings mindestens einmal zu Wort, statt wie bisher nur zu reden,wenn Sie gefragt werden.

� Feiern Sie Ihren Geburtstag nicht wie sonst im engsten Familienkreis, sondern gebenSie eine kleine Party.

Am Anfang werden Sie bei diesen Ubungen furchterlich nervos sein. Nehmen Sie Ihre Er-regung als unangenehm, aber normal hin – ungefahr so wie das Schwitzen beim Sport.Widerstehen Sie dem Verlangen, die innere Anspannung zu unterdrucken oder zu uberspie-len. Sie werden merken: Mit der Zeit lasst Ihre Erregbarkeit in sozialen Situationen nach. Siewerden unempfindlicher und erleben immer mehr Gesprachssituationen als relativ ertraglich.

5.6 Gut gewappnet

Es ist unrealistisch, sich vorzunehmen: ” Ab heute trete ich selbstbewusst auf und lassemich nicht mehr in die Ecke drangen.“ Das kann nicht klappen. Besser ist es, sich machbare,uberprufbare Ziele zu setzen. Zum Beispiel: Ich frage zwei Leute, ob es sich lohnt, in denneuen Spielberg-Film zu gehen. Oder: Ich antworte nicht einfach mit ”ja“, ”nein“ oder ”gut“,sondern in vollstandigen Satzen. Oder: Ich uberlege mir schon zu Hause zwei, drei Themen,uber die ich mich mit Kunden uber das rein Geschaftliche hinaus unterhalten kann.Auch gut: Informieren Sie sich nach Moglichkeit vorher, wem Sie begegnen werden. So konnenSie sich zumindest die Eroffnung vorher zurechtlegen: ”Frau Eisler-Strehle sagt, Ihre Abtei-lung ist gerade umgezogen?“ Oder: ”Ich habe gehort, Sie waren bis gestern auf der CeBit?“

5.7 Ruckschritte einkalkulieren

Rechnen Sie damit, dass nicht alle Ihre Bemuhungen, offener auf Menschen zuzugehen, gleichvon Erfolg gekront sein werden. Misserfolge sind unvermeidlich: Wenn Sie sich zum erstenMal auf ein Snowboard stellen, erwarten Sie ja auch nicht, noch am selben Tag die Halfpipe zumeistern. Nehmen Sie Versprecher, Stottern, linkische Bewegungen oder einen schleppendenGesprachsverlauf gelassen in Kauf. Meister fallen eben nicht vom Himmel. Aber mit jedemEinzelschritt kommen Sie ihrem Ziel ein Stuckchen naher.

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30 KAPITEL 5. SCHUCHTERNHEIT UBERWINDEN

Smalltalk af data Doris Martin

Kapitel 6

Die Kunst, auf andereeinzugehen

So stand Ellie Henderson, ihrer Kurzsichtigkeit wegen den Hals vorgestreckt, da, und es war nicht sosehr sieselbst, die sich etwas daraus machte, niemanden zu haben, mit dem sie reden konnte [...]; sondern Richardselbst, der fuhlte, dass er das arme Geschopf nicht den ganzen Abend weiter so allein dort stehn lassenkonnte.

”Na, Ellie, und wie geht’s dir immer?“ sagte er auf seine gutherzige Art. Und Ellie Henderson, die nervos

wurde und errotete und fuhlte, dass es außerordentlich nett von ihm war, herzukommen und mit ihr zuplaudern, sagte, dass viele Leute Hitze starker empfanden als Kalte.

”Ja, das ist wahr“, sagte Richard Dalloway.

”Ja.“ Aber was noch sagte man?

Virginia Woolf, Mrs. Dalloway

Nicht nur fur Schuchterne gilt: Man muss kein großer Redner sein, um gut anzukommen.

Genauso wichtig wie Witz, Ausstrahlung und Schlagfertigkeit sind beim Smalltalk namlichInteresse, Takt und Aufmerksamkeit-sich nach dem Backenzahn der Nachbarin zu erkundi-gen, auch wenn man in Eile ist; dem Cousin herzlich zu seiner Beforderung zu gratulieren,obwohl es fur einen selbst zurzeit beruflich nicht gut lauft; die Kollegin auf eine Internet-Adresse hinzuweisen, die fur ihren Marketingbericht nutzlich sein konnte; den ausfuhrlichenSchilderungen der Schwiegermutter uber ihre Gesundheitsprobleme geduldig zuzuhoren.

6.1 Empathie und Menschenkenntnis

Jede Form der Kommunikation erfordert Empathie, die Fahigkeit, uns in das Erleben, dieStimmungen, die Erwartungen anderer Menschen hineinzuversetzen – auch dann, wenn wirselbst anders denken und fuhlen. Das setzt voraus, dass wir in der Lage sind, nicht nurdie Worte, sondern auch den Gesichtsausdruck, den Klang der Stimme, die Gesten und dieKorperhaltung unseres Gegenubers richtig zu deuten. Fur unsere Beziehung zu anderen istnamlich die Art und Weise, wie etwas gesagt wird, noch wichtiger als das, was gesagt wird.Die Unsicherheit in der Stimme eines Gesprachspartners oder sein skeptischer Blick sindnonverbale Signale, die es zu entschlusseln und aufzunehmen gilt.

Je mehr Empathie wir aufbringen, desto leichter fallt es uns, uns auf die Gefuhlslage einesGegenubers einzuschwingen. Zum Beispiel, indem wir Mimik, Korperhaltung oder Sprach-rhythmus des anderen aufnehmen oder uns auf sein Erregungsniveau einstellen. Im Idealfallgeht das so weit, dass bei Gesprachspartnern ahnliche physiologische Daten wie Herzschlagoder Schweißabsonderung gemessen werden konnen. Diese korperliche Abstimmung bewirkt,dass sich auch unsere Stimmungen einander annahern. Wortlos entsteht so das Gefuhl see-lischer Ubereinstimmung.

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32 KAPITEL 6. DIE KUNST, AUF ANDERE EINZUGEHEN

Gesellschaftlich gewandte Menschen konnen diese Abstimmung auf subtile Weise steuern –oft ohne sich dessen uberhaupt bewusst zu sein. Sie merken, dass ihre Gesprachspartnerineine Abwehrhaltung einnimmt und gehen unmerklich ein paar Zentimeter auf Distanz, umihr mehr Raum zu geben. Sie beruhren den Kollegen, der bemuht locker vom Anpfiff desChefs erzahlt, kurz an der Schulter. Mit seismographischem Gespur nehmen sie wahr, dassdem anderen eine Frage auf der Zunge liegt und geben ihm Gelegenheit, sie zu außern. Indemsie Gefuhlssignale aufnehmen und beantworten, vermitteln sie anderen Menschen wortlos dasGefuhl, sie zu verstehen.

6.2 Sich fur andere interessieren

Bestimmt ist Ihnen schon oft aufgefallen, dass die meisten Menschen uber nichts so gern re-den, wie uber sich und ihre Belange. Ihre Hausfinanzierung, ihre Herzkatheteruntersuchung,ihren Urlaub, ihren neuen Stromanbieter, ihre Kinder, ihren Chef, das Konzert, in dem siekurzlich waren, das Buch, das sie gerade lesen, und die Gehaltserhohung, die sie demnachstbekommen werden. Und fast immer schwingt darin eine Spur von Wettbewerb mit: MeinAuto ist sparsamer (wenn schon nicht großer), wir beziehen unser Olivenol direkt aus derEmilia Romagna, unsere Jennifer konnte bei der Einschulung schon fließend lesen, meinMagengeschwur wurde vom Chefarzt personlich operiert.Um in diesem unausgesprochenen Wettbewerb nur ja nicht den Kurzeren zu ziehen, sehenwir uns nun unsererseits veranlasst, unsere eigenen Errungenschaften ins Spiel zu bringen.Geradezu zwanghaft warten wir auf ein Stichwort, das es uns erlaubt, die Aufmerksamkeitauf uns zuruckzulenken: ”Apropos Zahnkrone. Mein Zahnarzt hat mir da kurzlich einenKostenvoranschlag unterbreitet ... ich sage Ihnen, haarstraubend.“ Statt nachzuhaken: ”Undwie haben Sie dann die Weihnachtstage ohne Krone uberstanden?“Dabei konnen wir nur gewinnen, wenn wir unseren Gesprachspartnern unsere ungeteilteAufmerksamkeit widmen: Gesprachsstoff, Sympathie, Wissen und nicht zuletzt Souveranitat.Gesprachsstoff Wer andere ermutigt, von sich zu erzahlen, halt Gesprache muhelos in Gang.Die Frage ”Was soll ich bloß sagen?“ erubrigt sich. Und auch die unbehaglichen Pausen ent-fallen, in denen wir im Raum herumschauen, verstohlen auf die Uhr blicken und dem anderenschon zum dritten Mal versichern, die Forellenterrine schmecke wirklich ausgezeichnet.

Sympathie und Nahe

Wer Gehor findet, fuhlt sich anerkannt. Das beziehungsschadliche Element des Wettbewerbsverliert an Bedeutung. Mit einem Mal kommen auch die Nachteile hinter den stolzen Erfolgenzur Sprache, zum Beispiel die zeitraubenden und strapaziosen Reisen, die der hochdotierteJob mit sich bringt, oder die finanzielle Belastung, die das USA-Studium der Tochter furdie Eltern darstellt. Offenbarungen dieser Art verbinden Gesprachspartner und schaffenVerstandnis und Gemeinsamkeit.

Neue Ansichten und Einsichten

Wenn wir uns wirklich auf andere Menschen und ihre Erfahrungen konzentrieren, erweiternwir ganz nebenbei unseren Horizont. Wir lassen uns auf Themen außerhalb unseres einge-fahrenen Interessenspektrums ein. Und erfahren dabei ganz nebenbei, dass jetzt der Momentgunstig ist, um neues Heizol zu bestellen. Oder dass Musik und Inszenierung der MusicalsLudwig IL gar nicht mal so platt sind, wie wir angenommen haben.

Souveranitat

Und schließlich: Die Großzugigkeit, Ihrem Gegenuber das Rampenlicht freiwillig und gerneeine Weile lang zu uberlassen, gibt Ihnen Gelassenheit und Ruhe. Sie gewinnen an Ausstrah-lung, Prasenz und Personlichkeit.

Smalltalk af data Doris Martin

6.3. GANZ OHR SEIN 33

6.3 Ganz Ohr sein

Um aufgeschlossen zuzuhoren, genugt es nicht, auf Autopilot zu schalten, ab und zu zunicken und ein unverbindliches ”Tatsachlich?“ oder ”Das ist ja interessant!“ einzuwerfen.Ein wirklich guter Zuhorer ermuntert sein Gegenuber zum Weiterreden, spurt den Gefuhlenhinter den Worten nach und geht wertungsfrei auf den Gesprachspartner ein.

Aufmerksames Zuhoren ist harte Arbeit, die sowohl den Korper als auch den Geist fordert.Wenn wir unserem Gesprachspartner wirklich zuhoren, beschleunigt sich der Puls, der Atemwird schneller und die Muskeln sind angespannt. Nach außen hin wirken wir konzentriertund bei der Sache. Wir sind ganz Ohr.

Konzentrieren Sie sich

Korper und Gesicht sind dem Gesprachspartner zugewandt. Wer im Raum herumschaut,seine Brille putzt oder an seiner Kleidung zupft, signalisiert, dass er mit seinen Gedankenuberall ist – nur nicht bei seinem Gegenuber und dessen Erzahlungen. Da hilft es auch nicht,wenn Sie sagen: ”Reden Sie nur weiter, ich hore schon zu.“

Signalisieren Sie Aufmerksamkeit

Fragen, Lachen, Nicken und bestatigende Reaktionen wie ”hm“, ”ja“, ”das stimmt“, ”un-glaublich“ ermutigen den anderen zum Weitererzahlen. Aber Vorsicht: Es reicht nicht aus,dieses Zuhorverhalten zu simulieren. Die meisten Gesprachspartner merken am Ausdruck Ih-rer Augen, einem falschen Ton oder Ihrer unbewegten Mimik, dass Sie sich im Geiste schonverabschiedet haben. Sie reagieren irritiert oder verunsichert. Das Gesprach verebbt.

Horen Sie aktiv zu

Angenommen, Ihr Gegenuber erzahlt: ”Entschuldigen Sie, dass ich so zerfahren bin, aberich bin erst gestern aus Toronto zuruckgekommen“. Dann spiegelt ihre Antwort idealerweisewider, dass Sie sich in die Gedankenwelt des anderen einfuhlen konnen: ”Da macht Ihnensicherlich der Jetlag noch zu schaffen.“ Egomanen wurden dagegen die Gelegenheit beimSchopf ergreifen, ins Fahrwasser des eigenen Erlebens zuruckzusteuern: 4a, das kenne ich.Als ich letztes Jahr in Australien war...“

6.4 Andere vorstellen

Wenn wir gefordert sind, zwei Menschen miteinander bekannt zu machen, ist blitzschnellesAbwagen gefragt: Wer wird wem zuerst vorgestellt? Die Anlageberaterin Sabine Stromerdem langjahrigen Kunden Axel Thon – weil er als Kunde der Ranghohere ist? Oder dochder Kunde der Bankerin-gemaß der Regel, dass die Frau den Namen eines ihr unbekanntenHerrn immer zuerst erfahrt? Moderne Knigges pladieren fur die erste Variante: ”Darf ichbekannt machen: Frau Dr. Stromer – Herr Thon.“ So ist es korrekt – aber nicht besondershilfreich.

Geschickte Kommunikatoren sorgen deshalb bei der Vorstellung dafur, dass Fremde sich vonihrer besten Seite zeigen konnen: ”Herr Thon, ich mochte Sie mit unserer neuen Anlage-beraterin bekannt machen: Frau Dr. Sabine Stromer. Frau Stromer kommt direkt von derLondon Business School zu uns und arbeitet sich zurzeit in das Vermogensmanagement ein.Frau Stromer, das ist Herr Axel Thon, ein langjahriger Kunde unserer Bank.“ Frau Stromerkann sich freuen: So eingefuhrt, ist ihr ein Vertrauensvorschuss des Kunden sicher. Umge-kehrt wird Herr Thon es zu schatzen wissen, Vermogensfragen mit einer derart kompetentenMitarbeiterin besprechen zu konnen.

Doris Martin af data Smalltalk

34 KAPITEL 6. DIE KUNST, AUF ANDERE EINZUGEHEN

Allerdings muss diese ausfuhrliche Art des Bekanntmachens dem Anlass entsprechen. BeimRaclette-Abend in lockerer Runde wurden Sie Sabine Stromer einen schlechten Gefallenerweisen, wenn Sie sie den anderen Gasten als Uberfliegerin prasentieren. Dort ist es kon-taktfordernder, uber Beruhrungspunkte zu reden: ”Sabine, das ist meine Nachbarin KatrinSchmidbauer. Sie unterrichtet Deutsch und Englisch am Anne-Frank-Gymnasium. Das istSabine Stromer, eine fruhere Studienkollegin von mir. Sabine hat gerade ein Jahr in Londonverbracht.“

Smalltalk af data Doris Martin

Kapitel 7

Die Kunst, aus sichherauszugehen

Wir sitzen in der Wohnlandschaft vor dem offenen Kamin, wie vier Gullivers im Land der Riesen, dieRuckenlehne ist so weit entfernt, dass eine bequeme Haltung unmoglich ist, am besten halt man sich anseinem Glas fest, und plaudern locker kreuz und quer, die Unterhaltung ein Knauel, das wir uns spielerischzuwerfen, das Wetter, der Urlaub, gemeinsame Freunde, Sylvie halt die Faden fest im Griff.

Marlene Faro, Die Frau des Weinhandlers

Die Kunst, auf andere einzugehen, ihnen nicht die Show zu stehlen, Interesse zu zeigen undim Bedarfsfall auch einmal taktvoll zu schweigen, ist eine Facette des Smalltalks. Ihr Pen-dant ist die Kunst, aus sich herauszugehen: Sich aktiv in das Gesprach einzubringen. Anderemitzureißen. Sich uber Anerkennung zu freuen, statt sie abzuschwachen. Den Gesprachsver-lauf zu beeinflussen. Hier finden Sie Strategien, wie Sie sich ins rechte Licht rucken, ohnedie anderen in den Schatten zu stellen.

7.1 Optimismus und Begeisterung ausstrahlen

Je gefuhlsbetonter ein Mensch sich ausdruckt, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich seineGefuhle auf seine Zuhorer ubertragen. Wie dieses Ubertragen von Stimmungen funktioniert,beschreibt Daniel Goleman in seinem Erfolgsbuch Emotionale Intelligenz:

”Sehr wahrscheinlich imitieren wir unbewusst die Emotionen, die ein anderer erkennen lasst,durch eine von uns nicht wahrgenommene Mimikry des Gesichtsausdrucks, der Gebarden,des Tonfalls der Stimme und anderer nonverbaler Anzeichen der Emotionen. Durch dieseImitation erzeugen wir in uns die Stimmung des anderen.“ Dabei liegt es nahe, dass Men-schen, die Begeisterung und Optimismus ausstrahlen, besser ankommen, als Menschen, dieandere mit ihrem Missmut und ihrer schlechten Laune anstecken.

Lassen Sie das Haar in der Suppe

Jeder von uns ist-wenn er oder sie die Wahl hat- lieber mit Menschen zusammen, die Spaßhaben und sich amusieren konnen. Mal ehrlich, welcher Gast ist Ihnen denn lieber? TanteElsbeth, die gleich zur Begrußung sagt: ”Angelika, das Unkraut im Vorgarten musste malwieder gezupft werden.“ Oder die Schwiegermutter, die sich freut: ”Schon habt ihr es hier,Kinder. Richtig wildromantisch.“

Eine positive Ausstrahlung beginnt deshalb damit, dass Sie sich das Lamentieren uber Nich-tigkeiten abgewohnen:

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36 KAPITEL 7. DIE KUNST, AUS SICH HERAUSZUGEHEN

� ”Meine Gute, ist das voll hier.“

� ”Wir werden alle nicht junger.“

� ”Die mussen den Lachs wohl erst angeln.“

� ”Die Post kommt auch taglich spater.“

Bemerken Sie lieber, wie Sie sich auf das lange Wochenende freuen, wie gut das Geburts-tagskind aussieht, wie lecker die Vorspeise geschmeckt hat, dass der Brieftrager jetzt vor denFeiertagen viel zu tun hat.

Gehen Sie aus sich heraus

Nur wer seine Begeisterung zeigt, kann andere begeistern und mitreißen. Ganz gleich, obSie von Ihrem Hausbau, dem OpenAir-Konzert im furstlichen Schlosspark oder der Radtourentlang der Mecklenburgische Seenplatte erzahlen: Lassen Sie die anderen ruhig spuren, wiesehr Sie davon beruhrt oder fasziniert sind. Selbst wenn Sie normalerweise eher scheu undzuruckhaltend auftreten, wird Ihre innere Bewegtheit Sie sichtbar verwandeln: Ihre Augenstrahlen, Ihr Korper strafft sich, Ihre Stimme wird tiefer, Ihre Sprache beredter, Ihre Gestiklebhafter. Sie wirken lebendig und ausdrucksstark.

Haben Sie keine Angst, Ihre Begeisterung konnte affektiert oder arrogant wirken. Norma-lerweise ist das nicht der Fall: Gesprachspartner konnen sehr gut unterscheiden, ob unserEnthusiasmus echt oder aufgesetzt ist. Wobei es naturlich Situationen gibt, in denen wir auchehrliche Begeisterung besser im Zaum halten. Es ware einfach taktlos, der fruheren Nachba-rin, die nach ihrer Scheidung in einer 2-Zimmer-Wohnung lebt, mit leuchtenden Augen vondem geplanten Dachausbau zu erzahlen.

Der Glaube versetzt Berge

Niemand kann einem anderen versprechen, eine Prufung zu schaffen, die richtige Entschei-dung zu treffen oder wieder gesund zu werden. Aber wir konnen die eigene Zuversicht aufden Gesprachspartner ubertragen:

� ”Sie werden sehen, morgen sieht die Welt schon ganz anders aus.“

� ”Du schaffst das, da bin ich sicher.“

Allerdings: Vorspielen lassen sich Optimismus und Lebensmut nicht. Wir konnen uns nochso sehr bemuhen-wenn wir uns nicht danach fuhlen, wirkt unsere Zuversicht aufgesetzt. Jepositiver dagegen Ihre Einstellung zum Leben ist, desto positiver ist auch die Stimmung, dieSie an andere weitergeben.

Finden Sie sich gut

Mal ehrlich: Wie sollen die anderen von uns uberzeugt sein, wenn wir uns selber runterma-chen (”Ich habe ja nicht studiert.“, ”Ich habe zwei linke Hande.“, ”Ich konnte das nie.“) undjedes Lob abwehren (”Abgenommen? Ach was, nur geschickt kaschiert.“). Was wir da furBescheidenheit halten, grenzt manchmal schon an Hoffnungslosigkeit. Viele Gesprachspart-ner fuhlen sich von soviel Schwarzmalerei eher unangenehm beruhrt. Und sie argern sich,wenn man ihre Komplimente zuruckweist. Zu Recht: Schließlich sprechen wir ihnen damitGeschmack und Urteilsvermogen ab.

Versuchen Sie deshalb, kunftig starker zu Ihren Leistungen und Erfolgen zu stehen und Lobuneingeschrankt anzunehmen:

Smalltalk af data Doris Martin

7.2. SICH GEHOR VERSCHAFFEN 37

� ”Wir sind sehr stolz, dass Sybille die Aufnahmeprufung fur die Musikhochschule ge-schafft hat.“

� ”Es war gut, dass ich mich entschlossen habe, die Meisterprufung zu machen.“

� ”Ja, ich finde auch, dass mir dunkelblau gut steht.“

� ”Ich bin froh, dass Ihnen mein Tipp weitergeholfen hat.“

Sie werden sehen: Sie wirken dadurch souveraner und geloster Und ganz und gar nichtarrogant.

7.2 Sich Gehor verschaffen

Es ist zum Verrucktwerden: Da hat man nun endlich den heiß umkampften Auftrag be-kommen und mochte in epischer Breite die verwickelte Vorgeschichte seines großen Coupsschildern. Doch kaum hat man angefangen: ”Stellt euch vor, die Stadt hat mir den Zuschlagfur die Gestaltung des Werbematerials erteilt ... “ und die Gluckwunsche entgegengenom-men, wendet sich das Gesprach auch schon wieder anderen Dingen zu. Klar, alle habenherzlich gratuliert ... Aber so ganz Ohr ist eigentlich niemand gewesen. Irgendwie hatte mansich seinen großen Auftritt anders vorgestellt. Viele Menschen machen die Erfahrung, dasssie zwar etwas Interessantes mitzuteilen haben, sich aber nicht so recht Gehor verschaffenkonnen. Was ihnen fehlt, ist die Fahigkeit, ihr Thema publikumswirksam aufzubereiten.

Fassen Sie sich kurz

Im Zeitalter der Medien und Fernbedienungen sind die meisten Menschen an rasche Infoh-appen gewohnt und wollen sich nicht auf ausfuhrliche Monologe konzentrieren. Erzahlen Siedeshalb Erlebnisse und Geschichten moglichst witzig und pointiert. Halten Sie Ihre Zuhorernicht mit Details und langatmigen Erklarungen auf. Das gelingt am besten, wenn Sie dieGeschichte von den vertauschten Koffern immer wieder im Geist durchspielen – so lange, bisSie sie sparsam und trocken schildern konnen.

Setzen Sie das Publikum ins Bild

So wichtig es ist, Zuhorer nicht durch Details zu langweilen, so unerlasslich ist es, sie mitnotwendigen Basisinformationen zu versorgen. Wer der neuen Bekannten erzahlt: ”Seit mei-ner Operation geht alles ein bisschen langsamer“, bringt die andere in Verlegenheit und denGesprachsfluss ins Stocken: Um was fur eine Operation handelt es sich da? Ist mitfuhlendesInteresse angebracht? Oder wurde eine Nachfrage nach der Art des Eingriffs womoglich indis-ket wirken? Mit konkreten Informationen ersparen Sie Ihrem Gegenuber unnotiges Ratsel-raten: ”Seit meiner Bypass-Operation im vergangenen Jahr kann ich leider keine großenRadtouren mehr unternehmen.“

Stimmen Sie Ihr Thema aufs Publikum ab

Ein Informatiker, der die Tischrunde – einen Orthopaden, eine Anwaltin, die nicht berufstati-ge Mutter von zwei Teenies – mit seinen Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der objektori-entierten Analyse unterhalt, braucht sich nicht zu wundern, wenn ihm nach kurzester Zeitniemand mehr zuhort. Mehr Erfolg konnte er sicherlich verbuchen, wenn er uber allgemeininteressante Aspekte aus seinem Beruf reden wurde: den OP-Roboter, der kunstliche Huftge-lenke implantiert; den Neuen Markt; die mangelhafte Informatikausbildung in den Schulen;virtuelle Kasinos im Internet ...

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38 KAPITEL 7. DIE KUNST, AUS SICH HERAUSZUGEHEN

Reichen Sie den Staffelstab weiter

Auch wenn Sie ein guter Erzahler sind: Sowie die Aufmerksamkeit nachlasst, ist es Zeit,die Buhne fur einen anderen Gesprachsteilnehmer freizumachen: ”Aber ich glaube, meinenVortrag in Brussel haben wir jetzt ausgiebig besprochen. Erzahl doch mal, Axel, wie kommtihr denn mit eurer Nachbarschaftsinitiative voran?“

Wenn Ihre Zuhorer aus Erfahrung wissen, dass Sie das Rampenlicht nicht uberbeanspruchen,horen sie Ihnen umso lieber zu.

7.3 Sich auf den Gesprachspartner einstellen

Gute Smalltalker passen sich an: Klug und pragmatisch stimmen sie Verhalten und Themenauf die Denkkultur und Erwartungen des Gegenubers ab. Weil sie wissen, dass Smalltalkbesser lauft, wenn sie ihre Wirkung auf andere bewusst steuern. Dabei mussen sie sich nichtverbiegen: Sie prasentieren im Umgang mit anderen einfach diejenigen Facetten aus ihremRepertoire von Ansichten, Neigungen und Gefuhlen, die dem Gesprach am dienlichsten sind.

Betonen Sie Ahnlichkeiten

Gemeinsamkeiten wirken verbindend. Deshalb reden gesellschaftlich erfolgreiche Menschenmit dem Nachbarn zur Rechten uber die Datenautobahn und mit dem zur Linken uber diedringend benotigte Umgehungsstraße. Sie sprechen mit Kunden hochdeutsch und mit derGemusefrau sachsisch oder Platt. Und machen beim Smalltalk nach dem Urlaub je nachGegenuber mal das Country-Hotel mit dem zwolf Hektar großen Park zum Thema und maldie kinderfreundlichen Sandstrande und den zurzeit sehr gunstigen Wechselkurs.

Halten Sie die Vorzeigeregeln ein

In den meisten gesellschaftlichen Situationen ist freundliche Unaufrichtigkeit fur alle Betei-ligten wohltuender als aufrichtige Unfreundlichkeit. Statt momentanen Gefuhlen freien Laufzu lassen, empfiehlt es sich deshalb, die Vorzeigeregeln zu beachten und ein Gefuhl je nachAnlass und Gesprachspartner

� herunterzuspielen (”Ich hatte heute einfach einen guten Tag“ nach der gelungenenPrasentation),

� zu ubertreiben (”Schoner Schlag“, nachdem der Ball der Anfangerin immerhin nichtim Aus gelandet ist) oder

� zu ersetzen (”Leider feiern wir an diesem Wochenende den 60. Geburtstag meinesSchwiegervaters. Sonst ware ich naturlich gern mitgefahren“ angesichts der Radtourder Kollegen am Vatertag).

Verhalten Sie sich der Situation entsprechend

Jeder von uns spielt im Leben viele Rollen. Je nachdem, auf welcher Buhne wir geradestehen, ist deshalb ein anderes Verhalten angesagt:

� Auch wenn Herr Hordegen Patient in Ihrer Praxis ist – bei der Begegnung in derKonzertpause streichen Sie nicht das ArztPatienten-Verhaltnis heraus: ”Na, die Lachs-brotchen sind aber nicht das richtige fur Sie – bei Ihrem Cholesterinspiegel.“ SondernSie sprechen wie mit anderen Bekannten auch uber die erstaunlich professionelle Lei-stung des Bundesjugendorchesters, den frischen Beaujolais Primeur oder die uberfalligeNeubestuhlung des Konzertsaals.

Smalltalk af data Doris Martin

7.4. DAS GESPRACH STEUERN 39

� Und ganz gleich, wie formlos der Umgangston in Ihrer Firma ist -der Anruferin amTelefon sagen Sie nicht ”Der Nicki holt sich nur schnell einen Doner“, sondern ”HerrDr. Sonnleitner ist gerade zu Tisch“.

7.4 Das Gesprach steuern

In einem Zweiergesprach oder in einer kleinen Runde von drei, vier Leuten sind alle dafurverantwortlich, dass das Gesprach nicht versickert, niemand außen vor bleibt und alle sichwohl fuhlen. Je mehr der Gesprachsteilnehmer diesen Job ubernehmen, desto reibungsloserlauft die Unterhaltung.

Brechen Sie das Schweigen

Es kommt in den besten Gesprachen vor: Plotzlich kommt die Diskussion zum Erliegen.Alle haben ihr Pulver verschossen. Wer es jetzt schafft, geistesgegenwartig ein neues Themaanzubieten, darf sich der allgemeinen Sympathie sicher sein.

� ”Ubrigens, ich habe kurzlich Kurt und Marlene im Biergarten getroffen. Stellt euchvor...“

� ”Was halten Sie eigentlich von der Umorganisation des A-Bereichs?“

� ”Kennen Sie die Theorie, dass zwei beliebige Bewohner der Erde nicht mehr als sechsBekannte voneinander entfernt sind?“

Wechseln Sie unerfreuliche Themen

Es ist schwer, angemessen zu reagieren, wenn uns ein Thema verletzt oder beunruhigt.Entweder lassen wir die anderen aus Hoflichkeit oder Harmoniebedurfnis weiterreden undhoffen, dass unsere beschworenden Blicke sie dazu bringen werden, von sich aus das Themazu wechseln. Oder aber wir reagieren aggressiv und arrogant. In unseren Antworten klingtdurch: ”Uberlasst das mal mir, was versteht ihr denn schon davon.“

Souveraner ist es, in solchen Fallen klar zu sagen: ”Lasst uns bitte uber etwas anderessprechen. Das Thema ist fur mich nicht erfreulich.“ Am besten schneiden Sie gleich selbstein neues Thema an, von dem Sie wissen, dass Ihr Gegenuber es begierig aufgreifen wird:

”Ich werde uber deinen Vorschlag nachdenken. Was machen ubrigens deine Urlaubsplane?“

Ziehen Sie Aussenseiter ins Gesprach

Perfekte Smalltalker zeichnen sich dadurch aus, dass sie auch Neulinge, Schuchterne undAußenseiter ins Gesprach ziehen. Angenommen, die versammelten Elternpaare tauschensich schon den halben Abend lang uber Trotzphase und Einschlafprobleme aus. Dann istes nett, dafur zu sorgen, dass auch die kinderlose Freundin ihr Wissen beisteuern kann: ”Wirmochten Jan demnachst in die musikalische Fruherziehung schicken. Ute, du spielst dochKlavier und Querflote. Welches Instrument wurdest du denn fur den Einstieg empfehlen?“

Auch gut: Verwickeln Sie Außenseiter in ein Zwiegesprach. Wenn die Schonen und Erfolg-reichen des Familienclans sich uber schrage Restaurant-Einrichtungen oder die Kunstszenein Berlin austauschen, dann bleibt der bodenstandig gebliebenen Cousine eigentlich nichtsanderes ubrig, als still daneben zu sitzen. Eisen Sie sie aus der Gruppe Ios: ”Ich glaube,ich vertrete mir mal ein bisschen die Beine. Christiane, hast du Lust mitzukommen? Erzahldoch mal, wie kommt ihr denn mit eurem Hausbau voran? Steht der Rohbau schon?“

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40 KAPITEL 7. DIE KUNST, AUS SICH HERAUSZUGEHEN

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Kapitel 8

Der Korper spricht mit

Wir gaben uns die Hand. Es ist bedauerlich, dass ich mich an diesen Moment nicht deutlicher erinnere.Das Handeschutteln ist der Schwellenakt, der Beginn aller Politik. Seither habe ich ihn millionenfach Handeschutteln sehen, trotzdem konnte ich nicht sagen, wie er das macht, das mit der Rechten: Kraft, Eigenart,Dauer, das Einmaleins des Handedrucks. Dafur kann ich einiges daruber sagen, was er mit der anderen Handtut. Mit der ist er ein Genie. Er fasst dich am Ellbogen oder weiter oben am Bizeps – das sind Grundgriffe,reine Reflexe. Er interessiert sich fur dich. Es freut ihn, dich kennenzulernen.

Anonymous, Mit aller Macht

Ein Blick genugt – und unser Gegenuber macht sich ein Bild von uns: in Sekundenbruchteilen,allein aufgrund unseres Auftretens und unserer Erscheinung. Wie schwungvoll wir einenRaum betreten, wie wir sitzen, schauen, lacheln, gehen und stehen, legt in kurzester Zeitund ohne dass ein Wort gefallen ist fest, wie wir auf andere wirken: offen oder gehemmt,lebhaft oder schwerfallig, gelassen oder nervos, ausgleichend oder aggressiv, kontaktfreudigoder zuruckhaltend, entschlossen oder zogerlich.

Umgekehrt gilt ubrigens das Gleiche. Uber Haltung, Gestik, Mimik und Stimme konnenwir unsere Stimmungen direkt beeinflussen. Wer hoch erhobenen Hauptes auftritt oder mitbeiden Beinen fest auf dem Boden steht, wird sich auch selbstbewusster fuhlen. Grund genug,gerade beim Smalltalk das Thema Korpersprache zu bedenken.

8.1 Haltung und Gang

Gang und Korperhaltung sind der Gradmesser unserer inneren Verfassung. In den Glucks-momenten, in denen wir uns geliebt, schon oder erfolgreich (oder alles zusammen) fuhlen,strafft sich der Korper unwillkurlich. Wir richten uns in der Taille auf, bewegen uns rasch,aber nicht hektisch, blicken freimutig in die Welt und tragen den Kopf hoch. Ganz andersnach einem Misserfolg. Dann fuhlen wir uns klein und haßlich, und das sieht man uns an. Miteingezogenem Nacken, hangenden Schultern, gesenktem Blick, uber der Brust verschranktenArmen, eingeknicktem Becken und angewinkeltem Bein ducken wir uns vor den Schicksals-schlagen weg. Wie ein verangstigtes Tier bieten wir moglichst wenig Angriffsflache.

Stehen

Stellen Sie sich aufrecht hin, verteilen Sie Ihr Gewicht gleichmaßig auf beide Beine, lassenSie die Arme lassig am Korper herunterhangen und heben Sie das Kinn unmerklich an. DieFußspitzen sind leicht nach außen gerichtet. Denken Sie dabei an ein schones Erlebnis odereine Aufgabe, die Sie vor kurzem erfolgreich bewaltigt haben. In dieser Haltung wirken Siepositiv und zuganglich.

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42 KAPITEL 8. DER KORPER SPRICHT MIT

Daran konnen Sie arbeiten: Hangende Schultern, ein zur Seite geneigter Kopf und Standbein-Spielbein-Haltung wirken unsicher und traurig. Ein eingezogener Hals und uber der Brustverschrankte Arme lassen Sie verklemmt aussehen. Auch schlecht: Mit in die Huften ge-stemmten Armen nehmen wir uns zwar Raum, wirken dabei aber plump und ungewandt.

Gehen

Halten Sie sich gerade, heben Sie den Kopf und lassen Sie die Arme seitlich am Korperherabhangen. Machen Sie relativ große Schritte und lassen Sie beim Gehen Ihre Arme lockerim Rhythmus mitschwingen. Am besten wirken Sie, wenn Sie lassig schlendern oder mitausgreifenden Schritten durchs Leben sturmen.

Daran konnen Sie arbeiten: Langsame, schleppende Schritte wirken schwerfallig und depres-siv; kleine, trippelnde Schritte signalisieren Angstlichkeit und Vorsicht; wer sich ohne nachlinks und rechts zu schauen den Weg bahnt, erscheint stur und rucksichtslos.

Sitzen

Sitzen Sie gerade, so dass beide Fuße Bodenkontakt haben. Neigen Sie den Oberkorperleicht nach vorne und legen Sie eine Hand oder beide Hande auf die Tischplatte. Wenn Siedie Beine lieber ubereinanderschlagen, achten Sie darauf, dass der Fuß des ubergeschlagenenBeins zum Gesprachspartner zeigt: So signalisieren Sie Zugewandtheit und Sympathie.

Daran konnen Sie arbeiten: Sitzen Sie nicht sprungbereit auf der Stuhlkante. Vermeiden Siees, die Arme uber der Brust zu verschranken oder die Hande um die Knie zu schlingen. Beidessignalisiert Unsicherheit und Abwehr. Selbstdarsteller mussen dagegen darauf achten, sichnicht allzu breit zu machen: Weit ausgestreckte, womoglich noch gespreizte Beine wirkennicht lassig, sondern ungezogen.

8.2 Das Mienenspiel

Wie keine andere Form der nonverbalen Kommunikation ist das Gesicht mit seinen 23 Mus-kelstrangen dazu geeignet, unsere Gefuhle in all ihren Nuancen widerzuspiegeln. Wissen-schaftliche Untersuchungen zeigen: Ob uns unser Gegenuber sympathisch findet oder nicht,hangt in erster Linie vom Mienenspiel ab, in zweiter Linie vom Tonfall der Stimme und nurzu einem sehr kleinen Teil vom gesprochenen Wort.

Das konnen Sie tun: Die passende Mimik fur jede Gelegenheit gibt es nicht. Schließlich sollIhr Gesichtsausdruck das, was Sie oder Ihr Gegenuber sagen, kommentieren. Er wird sichsomit wahrend eines Gesprachs standig verandern. Um ein gutes Gesprachsklima herzustel-len, ist es aber wichtig, dass Sie vor allem am Anfang einer Unterhaltung lacheln und IhrGegenuber direkt anblicken. Im weiteren Verlauf des Gesprachs bestimmt dann das The-ma den Gesichtsausdruck: Wenn Sie ein Gespur fur die Stimmungen und Gefuhle IhresGegenubers haben, wird Ihr Gesichtsausdruck ganz unwillkurlich seine Empfindungen wi-derspiegeln. Auch gut: Ein klares, offenes Gesicht ohne großes Mienenspiel signalisiert demanderen, dass Sie ihn sympathisch finden und interessiert zuhoren.

underlineDas sollten Sie besser vermeiden: Zusammengekniffene Lippen, gefletschte Zahne,nach unten gezogene Mundwinkel, einen ausweichenden Blick, Schmollmund und stereotypesDauerlacheln, ein herrisch nach oben gerecktes Kinn.

8.3 Die Sprache der Hande

Neben dem Gesicht sind die Hande der sichtbarste und ausdrucksstarkste Teil des Korpers.Im Idealfall untermalen die Bewegungen der Hande unsere Außerungen, unterstreichen den

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8.4. VERRATERISCHE STIMME 43

Sprechrhythmus und illustrieren das Gesagte. Wie wir dabei Hande und Arme bewegen, istdagegen eine Sache des Temperaments und von Mensch zu Mensch verschieden.

Um die fur Sie typischen Bewegungsmuster herauszufinden, stellen Sie sich am besten voreinen Spiegel und erzahlen Sie laut ein lustiges oder aufregendes Erlebnis. Begleiten Sie jedenSatz mit den entsprechenden Gesten. Achten Sie dabei auf Ihre Arme, Hande und Finger:Halten Sie die Oberarme beim Gestikulieren eng an den Korper gepresst? Oder nutzen Sieden Raum um sich herum? Wie wurden Sie Ihre Bewegungen charakterisieren? Autoritar?Einhammernd? Kraftvoll? Oder eher zart und leise? Unscheinbar? Fahrig und hektisch?Reiben Sie sich die Hande? Stoßen Sie mit der geballten Faust? Zerschneiden Sie mit demHandteller in rhythmischen Bewegungen die Luft vor sich? Legen Sie die Hande locker aufBauchhohe ineinander, so wie Schwangere es gerne tun? Oder sehen Sie aus, als wurdenSie in langsam-schwebenden Bewegungen ein Adagio dirigieren? Welche Rolle spielen IhreFinger beim Gestikulieren?

Das konnen Sie tun: Die Sprache der Hande unterstreicht Ihre Personlichkeit. Sie gibt IhnenLebendigkeit und Ausdrucksstarke. Widerstehen Sie deshalb dem Impuls, die Arme vor derBrust zu verschranken, hinter dem Rucken zu verstecken oder beide Hande in der Mantel-oder Hosentasche zu versenken. Sie brauchen sie, um Ihren Worten durch Gesten Nachdruckzu verleihen. Ganz wichtig dabei: Bei Ihren Gesprachspartnern kommen offene Gesten, beidenen Sie die Handflachen zeigen, besser an als dominante oder verdeckte Handbewegungen.Achten Sie deshalb in Gesprachen bewusst auf geoffnete entspannte Hande und Finger. Siebedeuten Ihrem Gegenuber, dass Sie in friedlicher Absicht gekommen sind und nichts zuverbergen haben.

Das sollten Sie vermeiden: Unsere Hande sind verraterisch: Die wegwischende Handbewe-gung signalisiert Verachtung, die geballte Faust Aggression, der erhobene Zeigefinger Recht-haberei, verschrankte Arme Verschlossenheit oder Skepsis, das Spielen mit dem Armbandund das Zupfen an der Kleidung Unsicherheit, das Kratzen am Kopf Verlegenheit. Andersals der Gesichtsausdruck lassen sich Gesten nur schwer kontrollieren und fuhren deshalbbesonders oft zu einem uneinheitlichen Verhalten. Zur Faust geballte Hande konterkarierenden Appell ”Daruber sollten wir in Ruhe reden ... “

8.4 Verraterische Stimme

Beim Smalltalk vor der Konferenz zieht uns ein Kollege wegen unserer Vorliebe fur teureDesigner-Klamotten auf. Damit hat er zwar in der Sache Recht, aber vor den Kollegen ist unsdas Thema unangenehm. Die Folge: Ohne unser Zutun setzt der Korper sein Kampf-Flucht-Programm in Gang, bei der unter anderem die Atmung stark angeregt wird. Wir atmenzuviel Luft ein und zuwenig aus. Wenn wir dann auch noch meinen, erklaren zu mussen,warum es sich lohnen kann, statt eines ”No-name“-T-Shirts fur 29,90 Mark ein dreimal soteures Markenlabel zu kaufen, klingen wir vor lauter Einatmen kurzatmig und gehetzt. Wirjapsen nach Luft und verhaspeln und versprechen uns. Fuhlen wir uns dagegen wohl undwertgeschatzt, ist unser Korper ganz entspannt, auch die Muskeln, die die Stimmbanderregulieren, und wir atmen ruhig und gleichmaßig. Dann klingt auch unsere Stimme weicher,voller und melodischer.

Das konnen Sie tun: Je positiver Sie denken, je entspannter Sie sind, desto angenehmerklingt auch Ihre Stimme. Deshalb:

� Lacheln Sie, ehe Sie zum Telefonhorer greifen.

� Atmen Sie ruhig aus, bevor Sie etwas Wichtiges sagen mochten.

� Entspannen Sie sich und denken Sie an etwas Schones, bevor Sie einen Raum betretenoder auf jemanden zugehen.

Und: Horen Sie Ihre Stimme auf einem Kassettenrecorder ab, auch wenn das Uberwindungkostet. Ist die Stimme zu laut, zu leise, schrill, monoton, lebendig, schon moduliert? Oft

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44 KAPITEL 8. DER KORPER SPRICHT MIT

hilft es schon, bewusst darauf zu achten, am Satzende mit der Stimme herunterzugehen, dasSprechtempo zu variieren und gezielte Pausen zu machen, um mehr Aufmerksamkeit beimZuhorer zu finden. Außerdem wichtig: Stimmen Sie Sprechtempo und Lautstarke auf IhrGegenuber ab. Spricht Ihre Gesprachspartnerin uberlegt und leise, schalten Sie am bestenauch selbst einen Gang zuruck. Das geht am einfachsten, wenn Sie mit Ihren Arm- undHandbewegun gen einen langsameren Takt vorgeben: Die Stimme schwingt sich automatischauf den Tempowechsel ein. Wenn Sie dagegen merken, dass Ihr Gesprachspartner zu IhrenAusfuhrungen ungeduldig nickt, kann es sinnvoll sein, um des ubereinstimmenden Rhythmuswillen, auch selbst etwas schneller zu sprechen.

Daran konnen Sie arbeiten: Flustern und Hauchen weisen auf Unsicherheit und Menschen-scheu hin; ein allzu lautes Organ drangt die anderen in die Defensive; eine hohe schrilleTonlage wirkt uberspannt und hysterisch; eine monotone Stimme ohne Wechsel im Tempound in der Lautstarke schlaff und pessimistisch. Laute wie ”ah“ und ”hm“, die Denkpausenfullen, sollten Sie nach Moglichkeit vermeiden.

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Kapitel 9

Storungen, Klarungen

”Ihr Rambouillet ist ja vollstandig versammelt“, sagte er, die ganze Gesellschaft musternd,

”die Grazien

und die Musen.“ Aber Furstin Betsy konnte diesen Ton nicht ausstehen, dieses sneering, wie sie es nannte,und zog ihn daher als kluge Gastgeberin sofort in ein ernsthaftes Gesprach uber die allgemeine Wehrpflicht.Alexej Alexandrowitsch ließ sich sofort von diesem Thema hinreißen.

Tolstoj, Anna Karenina

Es gibt Situationen, da ist es mit einem Vier-Minuten-Gesprach nicht getan – auch wennuns unser Gesprachspartner uberhaupt nicht zusagt. Beim Achtzigsten von Oma Paula,bei der Weihnachtsfeier im Betrieb oder auf dem Flug Munchen/Chicago mussen wir dieeinsilbige Cousine, den Witze reißenden Kollegen und den aufdringlichen Sitznachbarn wohloder ubel ertragen – um des lieben Friedens willen, aus Hoflichkeit oder einfach mangelsFluchtmoglichkeit. Doch keine Bange, auch bei schwierigen Smalltalk-Situationen gibt eseinen Ausweg.

9.1 Besserwisser, Miesepeter und Experten

Sie wissen, dass wir unsere Kuche besser mit wischfester Latexstatt mit umweltfreundlicherDispersionsfarbe gestrichen hatten (”Du wirst sehen, das halt keine zwei Jahre“). Sie belehrendie Tischrunde uber den Cholesteringehalt der raffiniert gewurzten und nicht eben billigenLangusten. Sie versorgen uns ungefragt mit dem Ratschlag, beim Tennisschwung die Schulterweiter zuruckzunehmen (”So wie Sie das machen, bekommt Ihre Ruckhand nie mehr Druck“).Mit ihren Belehrungen und Orakelspruchen reißen sie das Gesprach an sich, vermiesen unsdie Freude und drangen uns in die Defensive. Zeit, ihnen den Wind aus den Segeln zunehmen.

Geben Sie dem Besserwisser recht

Es ist unbestritten: Langusten haben einen hohen Cholesteringehalt. Stimmen Sie demgenussfeindlichen Gesundheitsapostel deshalb mit großzugiger Geste zu: ”Da gebe ich dirRecht. Aber ich finde, sie schmecken einfach herrlich.“ Wenden Sie sich dann wieder den an-deren Gasten zu: ”Jorg, du wolltest mir doch das Rezept fur deine Minestrone mitbringen.“

Lassen Sie unerwunschte Kommentare ins Leere laufen

Am einfachsten ist es, die Expertenmeinung unkommentiert zur Kenntnis zu nehmen. SagenSie freundlich-interessiert: ”Finden Sie?“ – ”Das ist ein Gesichtspunkt.“ – ”Das mag sein.“– ”Das klingt interessant.“ – ”Du meinst, wir haben die falsche Farbe gewahlt.“ Damitvergeben Sie sich nichts: Ihre eigene Meinung zum Thema bleibt vollig offen.

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46 KAPITEL 9. STORUNGEN, KLARUNGEN

Lassen Sie sich nicht auf Diskussionen ein

Es gibt immer Menschen, die felsenfest davon uberzeugt sind, Schwarz-Gelb sei besser alsRot-Grun (oder umgekehrt), jedes

Kind konne malen wie Miro und Prosecco schmecke besser als Veuve-Cliquot. VersuchenSie erst gar nicht, sie eines Besseren zu belehren. In Diskussionen mit den streiterprobtenOberlehrern ziehen Sie ohnehin meistens den Kurzeren. Nicken Sie lachelnd und wechselnSie das Thema.

Sprechen Sie das Verhalten des Besserwissers offen an

Beim Grillabend mit Freunden will Ihnen ein Bekannter hartnackig einreden, dass Sie Ih-re neue Eigentumswohnung mit Bausparvertragen weit gunstiger finanziert hatten als mitBankkrediten. Dann ist es legitim, den guten Ratschlagen ein Ende zu setzen: ”Ehrlich ge-sagt, ich bin froh, dass die Finanzierung endlich steht. Heute Abend mochte ich mich gerneuber etwas anderes unterhalten.“

9.2 Die Selbstdarsteller

Es gibt sie bei jedem Elternabend und jedem Familienfest: die Selbstdarsteller, die jedenSmalltalk als Ein-Mann-Stuck betrachten, in dem sie selbst der Hauptdarsteller sind und alleanderen das applaudierende Publikum. Oft beruflich erfolgreich und gut situiert nehmen sieganz selbstverstandlich an, dass sie auch im Privatleben immer und uberall den Ton angeben.

Geben Sie dem Affen Zucker

Was uns bei zuruckhaltenderen Menschen selbstverstandlich ist, fallt uns im Gesprach mitselbstverliebten Siegertypen schwer: ihre Leistungen und Erfolge anzuerkennen. Spenden Siedeshalb einem notorischen Platzhirschen statt des widerwilligen ”Aha, toll!“, das Sie sich furgewohnlich abringen, doch gleich bei der Begrußung ein freiwilliges Lob: ”Ich habe gehort,Sie statten die neue Stadthalle aus. Schon, dass Ihr Buro den Auftrag bekommen hat.“ Sogestalten Sie Ihren Auftritt aktiv, statt passiv die Ihnen zugewiesene Rolle zu ubernehmen.Obendrein durfen Sie sich der Sympathien des anderen sicher sein.

Unterbrechen Sie den Redefluss

Stellen Sie bei nachstbester Gelegenheit eine geschlossene Frage, die auch Selbstdarstellernur mit ”ja“ oder ”nein“ beantworten konnen: ”Sie haben also vor, Ihre neue S-Klasse zuleasen?“ Bringen Sie dann abrupt ein neues Thema ins Spiel: ”Das ist sicherlich eine guteIdee. Haben Sie ubrigens schon gehort? Demnachst soll hier im Ort ein Fahrradladen eroffnetwerden.“

Fluchten Sie sich in Unverbindlichkeiten

Selbstdarsteller finden nichts dabei, Beifallsaußerungen ungeniert einzufordern: ”Na, wie fin-det ihr das neue Wohnzimmer?“ Die ehrliche Antwort, dass das desinfizierte Wohnen in Weiß,Chrom und Leder Ihnen Kalteschauer den Rucken hinunterjagt, verbietet die Hoflichkeit. Ambesten retten Sie sich ins Nichtssagend-Unverbindliche: ”Wirklich, sehr geschmackvoll. Ichhabe erst kurzlich einen großen Artikel uber Le Corbusier gelesen.“ Damit lassen Sie Ihreeigene Meinung offen, ohne Ihr Gegenuber zu bruskieren.

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9.3. DIE SCHWEIGER 47

9.3 Die Schweiger

Fur ihr Gegenuber sind sie eine harte Nuss: die großen Schweiger. Sie warten grundsatz-lich darauf, dass der andere anfangt zu reden. Und ganz gleich, welches Thema man insSpiel bringt: Mehr als ein ”ja“, ”nein“ oder ”aha“ ist ihnen nicht zu entlocken. Sie alsTischnachbarn zu haben, ist nicht nur muhsam, sondern auch verunsichernd: Ist die Ge-sprachspartnerin einfach schuchtern und unsicher? Langweilt sie das Thema? Findet sie unsunsympathisch? Oder betrachtet sie womoglich heimlich amusiert, wie wir uns winden undwenden, um doch noch ein Gesprach in Gang zu bringen?

Stellen Sie offene Fragen

Fragen wie ”Haben Sie sich in Berlin gut eingelebt?“ oder ”Wie gefallt dir dein neuer Job?“beantworten die Wortkargen knapp mit ”ja“, ”es geht so“ oder ”gut“. Besser ist es zu fragen:

”Wie weit ist denn die Restaurierung der Museumsinsel fortgeschritten? Erzahlen Sie dochmal.“ Oder: ”Welche Aufgaben umfasst eigentlich dein neuer Job?“ Um solche Fragen hoflichzu beantworten, mussen sich auch die Schweiger zumindest zwei, drei Satze abringen.

Halten Sie Pausen aus

Blicken Sie Ihrem Gegenuber freundlich-erwartungsvoll ins Gesicht. Wenden Sie den Blicknicht ab. Das entstehende Schweigen braucht Ihnen nicht peinlich zu sein: Vielleicht empfin-det Ihr Gesprachspartner eine Pause einfach nicht so schnell als unangenehm wie Sie. Undaußerdem: Sie haben sich alle Muhe gegeben, ein Gesprach in Gang zu bringen. Jetzt istIhr Gegenuber am Zug. Behalten Sie die Nerven, auch wenn es Ihnen schwer fallt. Fast alleMenschen brechen fruher oder spater das Schweigen.

Bringen Sie Bewegung ins Gesprach

Bewegung beflugelt den Geist: Vielleicht bringt ein gemeinsamer Spaziergang oder ein Rund-gang durch die neue Fertigungshalle einen schweigsamen Gesprachspartner dazu, mehr aussich herauszugehen. Und: Man muss nicht immer miteinander reden, um Beruhrungspunktezu finden. Gemeinsame Aktivitaten erfullen den gleichen Zweck. Schlagen Sie dem schweig-samen Schwiegervater eine Partie Schach vor und laden Sie den wortkargen Geschaftspartnerzum Angeln ein.

9.4 Die Busenfreunde

Sie schaffen es immer wieder, uns in Verlegenheit zu bringen: jene distanzlosen Zeitgenossen,die sich uns ungeniert als Urlaubsbegleiter aufdrangen. Uns gleich beim ersten Treffen das

”Du“ anbieten. Nach Preis und Bezugsquelle des Pashmina-Schals fragen. Uns auffordern,doch von der leckeren Sahnesauce auf ihren Tagliatelle zu probieren – ganz so, als gehortensie zu unserem engsten Freundeskreis.

Lassen Sie unerwunschte Fragen ins Leere laufen Wenn jemand Sie nach dem Umfang IhrerGehaltserhohung, Ihrem Alter oder dem Grund fur die Trennung von Ihrem Freund fragtund

Sie sich dazu nicht außern mochten, stellen Sie sachlich fest: ”Das ist eine interessante Frage.“Fuhren Sie dann das Gesprach wieder auf unverbindliches Terrain zuruck: ”Ich finde, die neueBuchhandlung ist wirklich ein Gewinn fur das Viertel. Kommen Sie auch ofter hierher?“

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48 KAPITEL 9. STORUNGEN, KLARUNGEN

Vernebeln Sie ihre Ablehnung

In der Radiosendung Tagesgesprach uberrumpelte ein Anrufer die Geigerin Anne-SophieMutter mit der Einladung: ”Ich mochte mich bei Ihnen fur Ihre wunderbare Musik be-danken und Sie gerne einmal zum Essen einladen.“ Frau Mutter parierte gekonnt: ”Also,in diesem Jahr klappt das nicht mehr. Ich bin mit Beethoven beschaftigt.“ AufdringlichenZeitgenossen schadet es ubrigens nicht, wenn in Ihrer Antwort mitschwingt, dass Sie dasAnsinnen dreist finden. Gleichzeitig sollten Sie der Zuruckweisung aber durch ein Lachelnund eine freundliche Stimme die Spitze nehmen.

Lassen Sie den Frager abblitzen

Es gibt Fragen, die so taktlos sind, dass Sie ihre Beantwortung rundheraus ablehnen durfen:

� ”Man hort, dass es bei Ihnen im Vorstand Querelen gibt. Ist da was dran?“ – ”Siewerden verstehen, dass ich dazu nichts sagen kann.“ Oder einfach: ”Daruber mochteich nicht sprechen.“

� ”Habt ihr immer noch kein Baby?“ – ”Nein.“

� ”Vier Kinder – ist das nicht ein bisschen viel?“ – ”Im Gegenteil.“

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Kapitel 10

Private Beziehungen hegen undpflegen

Die Damen waren dem Disput nicht lange gefolgt. Madame Kroger fuhrte bei ihnen das Wort, indem sie inder appetitlichsten Art die beste Manier auseinandersetzte, Karpfen in Rotwein zu kochen ...

”Wenn sie in

ordentliche Stucke zerschnitten sind, Liebe, dann mit Zwiebeln und Nelken und Zwieback in die Kasserrolle,und dann kriegen Sie sie mit etwas Zucker und einem Loffel Butter zu Feuer ...“

Thomas Mann, Buddenbrooks

Beim 50. Geburtstag Ihres Schwagers sollen Sie neben dessen Tante Heima sitzen und dafursorgen, dass die alte Dame sich gut unterhalt. – Zum ersten Mal bringt Ihre Tochter ihrenFreund mit nach Hause. Naturlich wurden Sie ihn gerne naher kennenlernen. Leider ist derjunge Mann nicht eben gesprachig. – Ein Arbeitskollege liegt nach einem schweren Herzin-farkt im Krankenhaus und erholt sich nur sehr langsam. Wie treffen Sie den richtigen Tonzwischen Mitgefuhl und Aufmunterung? Die Situationen zeigen: Die Kunst der Konversationbereichert und erleichtert auch das Privatleben.

10.1 Lange nicht gesehen

Kennen Sie das? Das Gesicht am Nebentisch kommt Ihnen bekannt vor. Ist das nicht derTyp, der im Studentenwohnheim ein Stockwerk tiefer gewohnt hat? Wie hieß er noch gleich?Keine Zeit, derFrage auf den Grund zu gehen. Er ist besser auf Draht: ”Mensch, gruß dich. Wir haben unsja schon ewig nicht mehr gesehen. Wie geht’s denn?“ ”Prima. Und dir?“ ”Auch gut. Wasmachst du denn so?“ Nachdem Sie geklart haben, womit jeder von Ihnen sein Brot verdient,fallt Ihnen nichts mehr ein. Etwas unschlussig lacheln Sie einander an, bis einer der Qual einEnde macht: ”War wirklich nett, dich mal wieder zu treffen. Mach’s gut.“Jemanden ”von fruher“ nach Jahren wieder zu treffen, kann schon recht schwierig sein.Vielleicht erinnert man sich mit schlechtem Gewissen, dass man sich irgendwann einfach nichtmehr beim anderen gemeldet hat. Dazu kommt das Klassentreffen-Syndrom: Womoglich hatder andere tatsachlich eine rasant wachsende Startup-Firma gegrundet, wahrend man selbstallen hochfliegenden Planen zum Trotz in einem soliden mittelstandischen Unternehmengelandet ist und immer noch um den eigenen Internet-Anschluss kampft.

Das Gesprach beginnen

Angesichts des Karussells im Kopf greift man am besten auf vertraute Formeln zuruck:

”Ich freue mich, dich zu sehen.“ – ”Ein schoner Zufall, dass wir uns mal treffen.“ Dassollte moglichst ehrlich und warmherzig klingen – und am besten mit einem Gesprachsankerversehen sein: ”Ich denke oft an unsere Barabende im Studentenwohnheim.“

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50 KAPITEL 10. PRIVATE BEZIEHUNGEN HEGEN UND PFLEGEN

Die Begleiter einbeziehen

Falls Sie nicht alleine sind, machen Sie Ihren Begleiter und Ihren Bekannten naturlich mitein-ander bekannt. Verbunden mit einer Erklarung, in welcher Beziehung Sie zu beiden stehen:

”Das ist Tobias. Wir sind seit zwei Jahren verheiratet.“ – ”Das ist Moritz. Wir haben zusam-men studiert.“ Ideal ist es, wenn Sie irgendeine Verbindung zwischen den beiden herstellenkonnen: ”Tobias ist ein begeisterter Football-Fan. Du bist doch auch immer zu jedem Spielgegangen, Moritz.“ Wenn Sie Gluck haben, brauchen Sie sich um die weitere Unterhaltungnicht mehr zu kummern.

Fragen stellen

Damit das Gesprach nicht im Sande verlauft, sollten Sie einige Fragen parat haben. Schließ-lich wissen Sie nicht mehr viel voneinander. Schließen Sie die Lucken:

� ”Wo lebst du jetzt?“

� ”Was machst du beruflich?“

� ”Wie geht es deinen Eltern?“

� ”Was machen die Kinder?“

� ”Reitest du noch immer?“ (”Spielst du noch immer Squash / Tennis / Badminton...?“)

� ”Fahrt deine Ente noch?“

Interesse zeigen

Zeigen Sie durch aufmerksames Zuhoren, dass die Antworten Sie ehrlich interessieren: Igno-rieren Sie die Fruhjahrsmode im Schaufenster ebenso konsequent wie attraktive Passanten.Durch Einwurfe wie ”Das ist interessant.“ ”Das hort sich gut an.“ ”Toll, was du erreichthast.“ Durch weiterfuhrende Fragen ”Wie gefallt es dir dort?“ ”Was machst du da genau?“.Bohren Sie allerdings nicht nach, wenn Ihr Bekannter eine Frage ausweichend beantwortet.

Niemand gibt gern in einem Zehn-Minuten-Smalltalk das Scheitern der ehrgeizigen Planevon einst preis.

Anerkennung spenden

Komplimente heben das Wohlgefuhl: ”Du siehst gut aus. Die neue Frisur steht dir.“ DieAussagen sollten allerdings zutreffen. Wer in den letzten Jahren etliche Pfunde zugelegt hat,fuhlt sich vermutlich nur verschaukelt, wenn jemand sagt: ”Gut siehst du aus. Du hast dichuberhaupt nicht verandert.“

Von alten Zeiten sprechen

Kramen Sie Ihre gemeinsamen Erinnerungen hervor und begeistern Sie sich fur die ”Weißt dunoch“-Geschichten des alten Bekannten. Bei der Gelegenheit kann man auch auf gemeinsameFreunde zu sprechen kommen: ”Hast du noch Kontakt zu Michael? Wie geht es ihm? Wasmacht er?“

Smalltalk af data Doris Martin

10.2. GASTE UND FAMILIENFESTE 51

10.2 Gaste und Familienfeste

Wird Onkel Hermann wieder alle mit seinen abgestandenen Witzen langweilen? WerdenOma Maier und Oma Scholz endlich das Kriegsbeil begraben haben oder sich noch immerhartnackig ignorieren? Hoffentlich passt das Wetter und die Kinder konnen draußen toben.Und hoffentlich hat die neue Freundin des Neffen etwas weniger provozierende Ansichtenals ihre Vorgangerin, die jedem Besserverdiener in der Familie einen Mangel an sozialemGewissen vorgeworfen hat.

Familienfeste haben es in sich. Davon weiß so ziemlich jeder ein Lied zu singen, der schoneinmal eine Hochzeit, eine Taufe, einen runden Geburtstag im Kreis der lieben Verwand-ten gefeiert hat. Da treffen Großtanten aufeinander, die sich aus einem von allen anderenschon langst vergessenen Grund spinnefeind sind. Oder es kommen zwei verschwagerte Fa-milien zusammen, die außer dem Enkelkind nichts gemeinsam haben. Und wie geht man mitgeschiedenen Paaren um?

Mischen Sie die Karten richtig

Die schonste Tischdekoration, das delikateste Menu, nicht einmal der wunderbare Kaffee mitdem Verwohnaroma garantieren ein harmonisches Familienfest. Eine ausgeklugelte Sitzord-nung schon eher. Die Tante, die mit ihren amusanten Geschichten immer alle zum Lachenbringt, setzen Sie am besten in die Nahe eines Tischendes. So kommt ihr Unterhaltungsta-lent einer moglichst großen Gastezahl zugute. Ein zweites Einsatzgebiet vertrauen Sie derSchwagerin an, die nie um ein Gesprachsthema verlegen ist. Die verfeindeten Großtantenplatziert man weit voneinander entfernt und an der gleichen Seite der Tafel – Blickkon-takt verdirbt ihnen womoglich Appetit und Laune. Ebenso verfahrt man mit Ex-Ehepaaren,deren Trennung nicht unbedingt harmonisch verlaufen ist.

Machen Sie die Runde

Die Gastgeber wechseln haufig den Platz, um mit allen Gasten etwas Zeit zu verbringen. Undum ein wenig nachzuhelfen, wenn irgendwo die Unterhaltung versiegt. Wie bei vielen anderenGelegenheiten hilft ein wohlplatziertes Kompliment, damit sich jemand wohler fuhlt: ”Dieneue Brille steht dir super.“ Fragen kurbeln Gesprache an: ”Wie lauft euer Umbau?“ ”Hastdu schon Urlaubsplane?“ ”Wie gefallt es eurer Tochter in Amerika?“ Wo die Unterhaltunggerade bestens lauft, kann sich der Gastgeber eine Verschnaufpause gonnen und seine Ak-tivitaten auf freundliches Zunicken und herzliches Lacheln beschranken. Es ware ein Schussnach hinten, ubereifrig mit einer munteren Bemerkung dazwischenzuplatzen und womoglichden Gesprachsfaden zu zerreißen.

Gehen Sie es locker an

Von einem entspannten Gastgeber haben die Gaste mehr. Wer vom tagelangen Kochen,Kuchenbacken, Hausputzen und Unkrautjaten vollig erschopft ist, spruht kaum mehr vorguter Laune und Herzlichkeit. Bevor Sie riskieren, Ihre Gaste anzugahnen, kaufen Sie lieberden Kuchen beim Backer, bestellen einen Partyservice und lassen das Unkraut im Gartenstehen. Kann sein, dass Tante Rosalie uber Ihre mangelnden hausfraulichen Fahigkeiten denKopf schuttelt. Wahrscheinlich freut sie sich sogar insgeheim, weil sie sich Ihnen uberlegenfuhlt. Gonnen Sie ihr den vermeintlichen Triumph.

10.3 Blick uber den Gartenzaun

Man braucht sich: Spatestens, wenn der Urlaub naht und sich die Versorgungsfrage furGummibaum und Stubentiger stellt. Man nervt sich: Wenn Nachbars Rasenmaher punktlichzur Kaffeestunde losrattert oder nebenan die funfte Grillparty des Monats steigt.

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52 KAPITEL 10. PRIVATE BEZIEHUNGEN HEGEN UND PFLEGEN

Leider gibt es kein Entrinnen. Wenn es mit dem Nachbarn nicht klappt, hilft nur eines:umziehen.

Sich einfuhren

Am besten pflegt man die nachbarschaftlichen Beziehungen von Anfang an aufmerksam.Der ideale Zeitpunkt, sich als neuer Nachbar vorzustellen, liegt noch vor dem Einzug. Dakann man schon mal vorwarnen, dass demnachst ein Umzugswagen die Zufahrt versperren,die Bohrmaschine ofter drohnen und das Treppenhaus enorm frequentiert sein wird. DieAlteingesessenen werden aufatmen: Offensichtlich kommt da jemand; der die Bedurfnisseseiner Umwelt wahrnimmt und respektiert. Ubrigens durfte es kein Problem sein, dieseserste Gesprach in Gang zu halten. Uber Umzugserfahrungen kann schließlich jeder ein Liedsingen. Noch etwas spricht dafur, die Nachbarschaftsrunde schon vor dem Einzug zu drehen:Wer zwischen unausgepackten Kisten und zerlegten Schranken sitzt, hat wenig Sinn furSmalltalk auf fremden Fußmatten.

Abstand halten

Gute Zaune machen gute Nachbarn. Eine gewisse Distanz zu wahren, hat noch keiner nach-barschaftlichen Beziehung geschadet. In engen Freundschaften kommt es leichter zum Streit.Unangenehm, wenn man sich danach weiterhin standig uber den Weg laufen muss. Vorsichtalso mit vertraulichen Bekenntnissen uber Konflikte mit den Eltern, berufliche Sorgen oder.den letzten Krach mit dem Ehemann. Gemeinsame Themen der unverbindlichen Art findensich schließlich genug. Spitzenreiter sind Gartentipps von der Blattlausbekampfung bis zurRosenzucht. Unter Mannern beliebt und ebenso ergiebig ist der heimwerkerische Erfahrungs-austausch. Das Wetter gibt auch immer etwas her: ”Hochste Zeit, dass es mal wieder regnet.Der Rasen ist schon ganz ausgetrocknet.“ Komplimente bekommen auch der nachbarschaft-lichen Beziehung gut. Bewundern wir also großzugig, was uns nebenan gefallt: die neuenGartenmobel, die bunt bluhenden Balkonkasten, den gepflegten Rasen den verwunschenenRosenbogen.

Konflikte ansprechen

Wie sag ich’s meinem Nachbarn, wenn mich das Geschrei seines Papageien zum Wahnsinntreibt oder sein Kompost meine Geruchsnerven strapaziert? Oder muss ich um des liebenFriedens willen Larm und Gestank ertragen? Klar, man muss nicht gleich aus jeder Muckeeinen Elefanten machen. Großere und vor allem dauerhafte Belastigungen aber darf manoffen ansprechen. Womoglich ahnt der begeisterte Vogelnarr oder der weniger geruchsemp-findliche Hobbygartner ja gar nichts vom stillen Leiden seiner Nachbarn. Statt uns vor lauterhinuntergeschlucktem Arger ein Magengeschwur einzuhandeln, sollten wir lieber ein offenesWort sprechen. Nicht mit dem Holzhammer. Der Hinweis auf die Rechtslage oder die Dro-hung mit dem Anwalt treibt den anderen nur in die Defensive. Aber mit Selbstbewusstsein:Niemand muss sich dafur entschuldigen, wenn er um Rucksicht bittet.Die Rahmenbedingungen dafur sollten allerdings stimmen. Vergewissern Sie sich, ob Sieeinen gunstigen Zeitpunkt gewahlt haben. Und bereiten Sie den anderen auf Ihr Anliegenvor: ”Herr Koch, haben Sie ein paar Minuten Zeit? Ich mochte mit Ihnen ein Problem be-sprechen. Es geht um Ihre Stereoanlage.“ Herr Koch – sachlich mit dem Problem vertrautgemacht – wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit entschuldigen und seiner Tochter na-helegen, wenigstens in der Mittagszeit die Back Street Boys mit dem Walkman zu horen.Schließlich will auch er die bisher funktionierende Nachbarschaft nicht aufs Spiel setzen.

10.4 Besuch im Krankenhaus

Krankenhauser schlagen aufs Gemut. Der Anblick eines Bettlagerigen auch. Munter plaudernfallt da schwer. Trotzdem konnen wir mit unserem Besuch einem Kranken mehr mitbrin-

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10.4. BESUCH IM KRANKENHAUS 53

gen als Obst oder ein Taschenbuch. Optimismus zum Beispiel. Offenheit. Ablenkung. Oderpraktische Unterstutzung.

Optimismus und Lebensmut

Auch Gesprache am Krankenbett beginnt man am besten mit dem nahe Liegenden, namlichdem Befinden des Kranken. Deshalb sind Sie ja gekommen: ”Wie geht es Ihnen?“ ”Haben Siedie Operation gut uberstanden?“ ”Hast du noch Schmerzen?“ ”Durfen Sie bald wieder nachHause?“ Zeigen Sie sich optimistisch: ”Du siehst schon wieder viel besser aus.“ ”Bestimmterholen Sie sich schneller als Sie denken.“

Offenheit und Diskretion

Bei aller Anteilnahme: Fragen nach intimen Einzelheiten wie ”Musste die ganze Brust ent-fernt werden?“ oder ”Werden Sie nun nach Ihrem Schlaganfall in Fruhrente gehen?“ verbietetder Takt. Trotzdem durfen Sie die Krankheit beim Namen nennen. Wenn Sie wissen, bei Ih-rem Bekannten wurde Krebs diagnostiziert, sollten Sie das auch offen ansprechen. Das Thematotzuschweigen, verhindert jedes halbwegs offene und unverkrampfte Gesprach. Außerdem:Daruber zu reden, nimmt der Krankheit etwas von ihrem Schrecken.

Positive Fallgeschichten

”Die Mutter meiner Schwagerin hatte vor funf Jahren auch...“ Fallbeispiele ahnlicher Krank-heitsbilder konnen aufmuntern – allerdings nur, wenn die Betroffenen noch am Leben undinzwischen wieder bei bester Gesundheit sind. Geschichten mit tragischem Ausgang verbie-ten sich von selbst.

Ablenkung bringt Normalitat

Sie spuren: Der andere will nicht oder nicht mehr uber Krankheiten reden. Zeit, zu belanglo-sen Themen uberzugehen, die den Kranken von seinen Schmerzen und Grubeleien ablenken.Uberlegen Sie sich schon vor dem Besuch kleine Begebenheiten, von denen Sie erzahlenkonnten. Schonkost sollte es sein: Unterhaltsam, aber keinesfalls aufregend. Sie erweisen derkranken Kollegin einen Barendienst, wenn Sie daruber spekulieren, ob ihre Mitarbeiterinwomoglich schon an ihrem Stuhl sagt. Erzahlen Sie lieber vom tollen Rahmenprogramm derJahrestagung, von den Heiratsplanen der Sekretarin oder vom Squash-Turnier der Entwick-lungsabteilung. Auch gut: Bringen Sie das Thema auf ein Buch, das Sie beide in letzter Zeitgelesen haben, einen Film, den Sie beide gesehen haben, die Bundesligaspiele des letztenWochenendes. Schließlich sind Lesen und Fernsehen fur Kranke in der Regel die Haupt-beschaftigungen.

Der richtige Zeitpunkt

Krankenbesuche sollten keine Uberfallkommandos sein. Nicht jeder ist begeistert, wenn sichNachbarn, Arbeitskollegen oder Tennispartner an seinem Krankenbett versammeln. Manchelecken ihre Wunden am liebsten alleine. Anderen ist es unangenehm, sich im Schlafanzugund mit der Infusionsnadel im Arm zu prasentieren. Außerdem kostet es große Anstrengung,lachelnd Konversation zu machen, wahrend die Gedanken um das Ergebnis der entnommenenGewebeprobe kreisen.

Also: Klaren Sie per Telefon mit dem Kranken, vielleicht auch mit seinen Angehorigen, ober besucht werden kann und mochte. Besprechen Sie auch den Zeitpunkt Ihres Besuchs.So vermeiden Sie Massenauflaufe am Krankenbett. Zum einen ist da in der Regel wenigPlatz. Zum anderen fallt es oft schon gesunden Menschen schwer, mehrere Gesprachspartnergleichzeitig zu jonglieren.

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54 KAPITEL 10. PRIVATE BEZIEHUNGEN HEGEN UND PFLEGEN

10.5 Wie kondolieren?

Jahrelang sind Sie mit dem Kollegen aus der Zweigniederlassung nicht uber Smalltalk uberdas Wetter und die standigen Umorganisationen in der Firma hinaus gekommen. Irgend-wann horen Sie dann, dass seine Tochter vor vier Wochen bei einem Motorradunfall todlichverungluckt ist. Sollen Sie sich bei ihm melden? Stehen Sie ihm dafur uberhaupt nahe genug?Reißen Sie womoglich kaum vernarbte Wunden neu auf? Und was konnen Sie ihm sagen,wenn Sie es nicht bei einem stereotypen ”Mein Beileid“ belassen wollen?

Jeder von uns weiß: Nichts kann einem Trauernden den Schmerz des Verlustes erleichtern.Daher fuhlen wir uns hilflos, schamen uns unserer nichts sagenden Floskeln. Dazu kommt dieScheu, uns mit der Zerbrechlichkeit unserer Existenz zu konfrontieren. So machen Trauerndeoft die irritierende Erfahrung, dass Arbeitskollegen, Bekannte oder Nachbarn ihren Verlustzu ignorieren scheinen. Verletzlich, wie sie im Augenblick ohnehin sind, fuhlen sie sich vonihrem Umfeld im Stich gelassen.

Nichts sagen, ist der schlechteste Weg

Lassen Sie einen trauernden Menschen nicht im Ungewissen. Zeigen Sie ihm durch Worte,durch eine Beruhrung, dass Sie sich seines Schmerzes bewusst sind, dass Sie sich sorgen.Und wenn Ihnen die Worte fehlen, geben Sie es zu: ”Ich weiß einfach nicht, was ich sagensoll.“ Vergessen wir einmal unser Bedurfnis, uns gut darzustellen. Es geht doch wirklich nichtdarum, mit einer besonders souveranen oder wohlformulierten Beileidsbekundung zu glanzen.Wichtig ist, dass der Trauernde spurt, dass hinter unseren Worten echte Anteilnahme steht.

Was Sie sagen konnen – wenn Sie es wirklich so meinen:

� ”Ich kann es noch gar nicht fassen.“

� ”Es ist ein großer Verlust. Ihr Vater war ein so lieber Mensch.“

� ”Es tut mir leid, dass du so eine schwere Zeit durchmachen musst.“

� ”Kann ich dir irgendwie helfen?“

� ”Es ist so schwer, die Mutter / den Vater / die Frau / den Mann / den Partner zuverlieren.“

� ”Sie machen eine schwere Zeit durch. Ich wunsche Ihnen viel Kraft.“

� ”Melde dich, wenn du reden willst. Ich bin jederzeit fur dich da.“

Was Sie nicht sagen sollten – ohne grundlich daruber nachgedacht zu haben:

� ”Du bist noch jung. Du kannst wieder ein Kind bekommen.

� ”Du bist noch jung. Du wirst wieder jemanden finden.“

� ”Wenigstens seid Ihr durch die Lebensversicherung gut versorgt.“

� ”Es war ein eindrucksvolles Begrabnis. Der große Chor war sicher sehr teuer.“

� ”Es ist schon schlimm, wenn jemand in der Anonymitat eines Krankenhauses sterbenmuss.“

� ”Vielleicht ist es gut, dass es so gekommen ist. Wer weiß, ob er nach dem Schlaganfallnicht ein Pflegefall geworden ware.“

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10.5. WIE KONDOLIEREN? 55

Zuhoren und Erinnern

Es ist Teil der Trauerarbeit, uber den verstorbenen Menschen zu sprechen. Gute Zuhorerhelfen dabei. Wer eigene Erinnerungen an den Verstorbenen hat, kann selbst eine gemeinsamerlebte Geschichte beisteuern: ”Wolfgang und ich, wir haben uns damals

gemeinsam aufs erste Staatsexamen vorbereitet. Vor der ersten mundlichen Prufung war ichein einziges Nervenbundel. Ich war kurz davor, das Ganze hinzuwerfen. Aber Wolfgang hatmir den Kopf gewaschen und mich dann bis zum Prufungsraum gebracht: Damit du dichnicht doch noch abseilst. Er war ein echter Freund.“

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56 KAPITEL 10. PRIVATE BEZIEHUNGEN HEGEN UND PFLEGEN

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Kapitel 11

Smalltalk und (Big) Business

Der Maggiore ging zur Tur, offnete sie und sagte zu jemandem im Flur:”Pino, bring uns zwei Tassen Kaffee

und eine Flasche Mineralwasser.“

Er kam zuruck und nahm seinen Platz hinter dem Schreibtisch wieder ein.”Tut mir leid, dass wir keinen

Wagen direkt nach Venedig schicken konnten, aber es ist schwierig, heutzutage eine Genehmigung fur Fahrtenaußerhalb der Provinzgrenzen zu bekommen. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehmen Fahrt.“

Wie Brunetti aus langer Erfahrung wusste, war es notwendig, solchen Dingen eine angemessene Zeit zuwidmen und ein bisschen zu sondieren und herumzustochern, um sein Gegenuber richtig einschatzen zukonnen, und das ging nur uber den Austausch freundlicher Nichtigkeiten und hoflicher Fragen.

Donna Leon, Endstation Venedig

Beim Plaudern am Kaffeeautomaten wahrend des Fortbildungsseminars, beim Essen mitGeschaftsfreunden oder beim Smalltalk vor der Konferenz zeigt sich, wer mit wem kann,wo die Chemie stimmt, welche Kollegen auf einer Wellenlange sind. Wer an der sozialenFellpflege nicht teilnimmt – aus welchen Grunden auch immer -, stellt sich ins Abseits.Damit verschlechtern sich fur ihn die Chancen, mit fachlichen Vorschlagen oder kreativenIdeen Gehor zu finden. Wer dagegen auch im Beruf Teil eines funktionierenden Netzes ist,fuhlt sich sicher aufgehoben.

11.1 Per Netzwerk zum Erfolg

Querverbindungen sind heute wichtig wie nie. Wenn mehrere gleich qualifizierte Kandidatenvor der Tur stehen, entscheidet die soziale Kompetenz, wer das Rennen macht. Und in derheißen Endphase eines Projekts hat oft der die besten Karten, der Probleme mit einemTelefonat klaren kann. Einen Ersatz fur die plotzlich krank gewordene Grafikerin weiß; einenStudienfreund auftreibt, der bei einem Computervirus weiterhilft; die Sekretarin des Chefsbecirct, damit eine Bedarfsmeldung noch heute unterschrieben wird, oder die Kantinenwirtinuberredet, funf Mittagessen fur das Team zuruckzuhalten.

Beziehungen, aus denen man in Krisensituationen schopfen kann, entstehen nicht uber Nacht.Was wir so gerne als ”Vitamin B“ verachtlich machen, ist das Produkt vielfaltiger Investi-tionen: Die Frage nach den Ruckenschmerzen. Der Anruf zum Geburtstag. Der Tipp mitdem neuen Computerprogramm. Der Name des Personalberaters fur den wegrationalisiertenKollegen. Das Kompliment uber den mutigen Widerspruch in der Arbeitsbesprechung. DieMitgliedschaft bei den Wirtschaftsjunioren. Das Angebot, den wichtigen Brief rasch bei derPoststelle vorbeizubringen. Der Krautertee fur die Kollegin im Stress.

Wer laufend in sein Beziehungskonto einzahlt und andere in ihren Bemuhungen großzugigunterstutzt, weiß im Bedarfsfall, wo er Infos, Unterstutzung, Kontaktadressen und auch malRuckendeckung bekommen kann.

Bauen Sie deshalb Ihr ”Know-who“ genauso selbstverstandlich aus wie Ihr ”Know-how“.

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58 KAPITEL 11. SMALLTALK UND (BIG) BUSINESS

11.2 Service ist mehr als ein Wort

Einen alten Kunden zu halten, kostet nur zehn Prozent der Energie, die es braucht, einenneuen zu gewinnen. Eine personliche Betreuung, eine angenehme Atmosphare sind bei diesemKalkul ein nicht zu unterschatzender Faktor. Denn mal ehrlich: Wenn wir uns als Kundezwischen zwei gleich qualifizierten Dienstleistern entscheiden konnen, gehen wir doch allelieber in ein Geschaft, wo man uns und unsere Vorlieben kennt. Naturlich betrauen wirmit dem Streichen der Fenster lieber den Malerbetrieb, dessen Mitarbeiter bei der letztenRenovierung unseren Vierjahrigen mit Schleifpapier und einem Stuck Holz einen Vormittaglang zu beschaftigen wusste. Und selbstredend geben wir dem Anbieter den Vorzug, der esversteht, einen individuellen Kontakt herzustellen:

� Der Verkauferin, die beobachtet: ”Das dunkle Braun harmoniert gut mit Ihrer Haar-farbe“ statt zu belehren: ”Das tragt man jetzt so.“

� Dem Italiener auf dem Markt, der uns informiert: ”Wir haben gerade frischen Pecorinohereinbekommen. Mochten Sie ein Stuck probieren?“ statt zu drangeln ”Darf’s einbisschen mehr sein?“

� Dem Hausarzt, der besorgt nachfragt: ”Was macht die Wunde? Ist die Schwellungabgeklungen?“ statt routinemaßig abzuspulen: ”Wie geht’s uns denn heute?“

� Die Buchhandlerin, die uns das abgegriffene Taschenbuch kurzerhand 30 Prozent bil-liger gibt und dazu sagt: ”Freuen Sie sich darauf; der Roman ist toll“ statt uns hinzu-halten: ”Da musste ich Ihnen ein anderes Exemplar bestellen.“

11.3 Bis hierher und nicht weiter

Ehrlichkeit und Offenheit der Mitarbeiter untereinander stehen in vielen Firmen hoch imKurs. Wo Hierarchien kippen und Teams die neue Zauberformel sind, fallen oft auch dieGrenzen zwischen Berufs- und Privatleben.

Der Fluch der neuen Offenheit

Gerade in kleineren Unternehmen in der Aufbauphase kennt jeder jeden und weiß Bescheiduber das zahnende Baby, die Probleme mit dem Hausbau, den angeschlagenen Meniskusund das zeitraubende Reit-Hobby. Das fordert zwar das Gemeinschaftsgefuhl, kann aber beiProblemen und Auseinandersetzungen gegen Sie verwendet werden. Gehen Sie auf solcheAttacken nicht ein, sondern bringen Sie das Gesprach moglichst rasch auf die Sachebenezuruck. Angenommen, Ihre Chefin spielt in einem Gehaltsgesprach auf Ihren teuren Jeepan: ”Na, wenn ich mir deinen neuen Wagen ansehe, scheinen wir dich doch so schlecht nichtzu bezahlen.“ Machen Sie jetzt nicht den Fehler zu protestieren: ”Du weißt doch, dass ichmir den nur leisten konnte, weil ich ihn als Vorfuhrwagen gunstig bekommen habe.“ Sondernlenken Sie das Gesprach ohne Umstande auf Ihre berufliche Leistung zuruck: ”Ich denke, dasist jetzt nicht das Thema. Entscheidend ist, dass ich im letzten halben Jahr meinen Umsatzum fast zehn Prozent steigern konnte.“

Genug ist genug

Um Ihr Seelen- und Familienleben fur sich zu behalten, mussen Sie nicht verschlossen wieeine Auster sein. Es gibt Tausende von interessanten Themen jenseits des Jobs, uber die Siereden konnen, ohne die Kollegen deshalb zu Mitwissern Ihrer Eheprobleme, Lebensangste,Kindheitstraumata und finanziellen Engpasse zu machen.

Schwieriger wird es, wenn ein Kollege oder eine Kollegin den beruflichen Kontakt zu Ihnenstarker ausweiten mochte, als Ihnen lieb ist. Wenn Ihnen zum Beispiel ein Kollege seine

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11.4. MANNER REDEN ANDERS, FRAUEN AUCH 59

Mithilfe beim Umzug anbietet, erfordert es Fingerspitzengefuhl, sich abzugrenzen, ohne sichgleich auszugrenzen: entweder hilft eine gute Ausrede (”Danke, meine Bruder managen denUmzug fur mich“) oder die Flucht nach vorn (”Danke, das ist sehr freundlich. Aber ichmochte private und geschaftliche Dinge doch lieber getrennt halten. Lassen Sie uns dochnachste Woche einen Cappuccino zusammen trinken.“).

Das leidige Du

”Hallo, ich bin die Katrin. Wir duzen uns hier alle.“ Wer so am ersten Arbeitstag begrußtwird, hat kaum die Wahl: Wo alle ”Du“ sagen, wurden Sie sich ins Aus manovrieren, wennSie auf dem ”Sie“ bestehen. Wenn allerdings das ”Du“ in Ihrer Firma eher die Ausnahme alsdie Regel darstellt, konnen Sie signalisieren, dass Sie das ”Sie“ dem ”Du“ vorziehen: ”Danke,ich finde unsere Zusammenarbeit auch so sehr angenehm.“ Oder: ”Ich fuhle mich wohler,wenn wir beim Sie bleiben.“

11.4 Manner reden anders, Frauen auch

Spatestens seit den Erfolgsbuchern der Sprachforscherin Deborah Tannen ist es offiziell: Frau-en und Manner pflegen unterschiedliche Sprechweisen. Wahrend es den meisten Mannern vorallem darauf ankommt, sich durchzusetzen, ihre Position zu sichern und Uberlegenheit zudemonstrieren, pflegen Frauen auch im Berufsleben einen offenen Kommunikationsstil. Indem Bemuhen, sympathisch und menschlich zu wirken, reden sie uber ihre Gefuhle, gebenSchwachen unumwunden zu, spielen ihre Autoritat lieber herunter als hoch und federn Kri-tik diplomatisch durch ein einleitendes Lob ab. Dieser Gesprachsstil dient zwar der Sacheund dem Klima, ist aber wenig imageforderlich. Deborah Tannen bringt es auf den Punkt:

”Weibliche Kommunikationsstile scheinen außerst effektiv zu sein, wenn es darum geht, dassArbeit erledigt wird, aber sie sind sehr ineffektiv, wenn es um die Anerkennung geht.“

Viele Frauen mussen deshalb lernen, bei aller Einfuhlsamkeit auch an ihr Prestige zu denken.Auch beim Smalltalk. Frei nach der Devise: Kompetenz muss man nicht nur haben, manmuss sie auch demonstrieren.

Behalten Sie Privatangelegenheiten fur sich

Reden Sie mit Kollegen und Vorgesetzten offen und locker uber die Bergwanderung amWochenende, die Grippewelle, den neuen Woody-Allen-Film und die muhevolle Suche nacheinem passenden Geschenk fur Ihr Patenkind. Ernsthafte Erziehungs- und Gesundheitspro-bleme oder die Unwilligkeit des Partners, im Haushalt zu helfen, behalten Sie besser fursich.

Akzeptieren Sie Anerkennung

”Danke, das ist sehr nett.“ – ”Ich freue mich, dass Sie das sagen.“ – ”Danke, ich habe auchviel dafur getan.“ Sagen Sie nicht: ”Ohne die Kollegen hatte ich das nicht geschafft“, wennSie allein fur das Expose verantwortlich zeichnen.

Versachlichen Sie Beziehungsgesprache

Verkneifen Sie es sich, in die Klagen der Kolleginnen uber die Ungerechtigkeit des Chefsoder die Launen der Kunden einzustimmen. Problemgesprache schaffen zwar Ubereinstim-mung, bringen aber weder Sie noch Ihre Kollegin weiter. Besser ist es, das Gesprach auf dieSachebene zuruckzulenken und zu uberlegen, wie sich das Problem losen lasst.

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60 KAPITEL 11. SMALLTALK UND (BIG) BUSINESS

Akzeptieren Sie Rangunterschiede

Naturlich ist es freundlich, die Praktikantin mit den Kollegen bekannt zu machen, ihr dieKantine zu zeigen, und ihr auch mal ein Projekt zu ubertragen, das sie eigenstandig bear-beiten kann. Genauso selbstverstandlich aber gehort es zu den Aufgaben der Praktikantin,Sie zu entlasten. Dafur brauchen Sie sich nicht zu entschuldigen. Sagen Sie einfach: ”Pia,wurden Sie diese Kopien bitte bis heute Nachmittag erledigen?“ Und nicht: ”Normalerweisekopiere ich meine Sachen ja selbst. Konnten Sie trotzdem ausnahmsweise ...?“

11.5 Der Partner kommt mit

Ganz gleich, ob sie ihn zu einer Veranstaltung mit anschließendem Empfang oder er sie zumAbendessen mit Geschaftskunden begleitet – der gemeinsame Auftritt in beruflicher Missionhat seine Tucken.

Begleitende Partner brauchen eine gute Portion Fingerspitzengefuhl und Zuruckhaltung,zugleich aber auch Unabhangigkeit und ein eigenes Profil.

Informieren Sie sich

Vielleicht sind Sie uber die Kollegen, Kunden, anstehenden Projekte und beruflichen Aus-sichten und Plane Ihres Mannes ohnehin bestens informiert. Falls nicht: Machen Sie sichschlau. Haken Sie nach.

Machen Sie Ihrem Partner klar: Um ihn zu unterstutzen, mussen Sie mitreden, Anspielungenverstehen und Situationen richtig einschatzen konnen.

Passen Sie sich dem Umfeld an

Stimmen Sie Outfit und Auftreten auf das berufliche Umfeld Ihres Partners ab.

Die Moderedakteurin, die zum Lehrerausflug an der Schule ihres Mannes in puristischemSchwarz erscheint, bestatigt unnotig alle Vorurteile gegen die oberflachlichen Selbstdarstelleraus der Modebranche. Wahlen Sie lieber Jeans und eine regenfeste Jacke. (Dass die Jeansvon Armani und der Anorak von Thommy Hilfiger sind, braucht ja niemand zu wissen.)

Vergessen Sie Animositaten

Es ist nicht Ihre Aufgabe, fur Ihren Partner oder Ihre Partnerin Rangkampfe auszufechtenoder um Verstandnis zu werben. Auch wenn Sie wissen, wie sehr Ihrer Frau das eiserneRegiment der Oberschwester gegen den Strich geht: Begegnen Sie der gestrengen Dameunvoreingenommen, freundlich und zuvorkommend. Erstens passiert es schon mal, dass un-angenehme berufliche Vorfalle zu Hause am Abendbrottisch uber Gebuhr aufgebauscht wer-den. Und zweitens tun Sie Ihrer Partnerin den besten Gefallen, wenn Sie die Sympathie derMenschen gewinnen, mit denen sie beruflich zu tun hat. Das Wohlwollen, mit dem man Siebetrachtet, wird auf Ihre Frau zuruckfallen.

Klammern Sie nicht

Als begleitender Partner sind Sie nicht zu Ihrem Vergnugen, sondern zu Reprasentations-zwecken da. Dieser Aufgabe stellen Sie sich am besten, indem Sie sich Ihr eigenes Betati-gungsfeld suchen. Bemuhen Sie sich um die Eingeladenen am unteren Tischende, wahrendIhr Partner die Gaste am oberen Ende unterhalt. Suchen Sie von sich aus das Gesprach mitden Kollegen Ihrer Frau, die Sie bereits von fruheren Veranstaltungen kennen. Kummern Sie

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11.5. DER PARTNER KOMMT MIT 61

sich um Kollegen oder Mitarbeiter Ihres Mannes, die sich vernachlassigt fuhlen konnten. Erallein kann nicht gleichzeitig allen gerecht werden.

Ganz wichtig: Anspruche an Aufmerksamkeit und Zuwendung des Partners oder der Part-nerin sind bei beruflichen Anlassen fehl am Platz. Er oder sie hat bei solchen Gelegenheitenandere Verpflichtungen.

Gemeinsam sind Sie starker

Keine Frage: Der begleitende Partner spielt die Nebenrolle und stellt sein eigenes Ego eineWeile lang hinten an. Wobei die Nebenrolle eine Menge Moglichkeiten bietet, den Hauptak-teur respektive die Hauptakteurin zu unterstutzen:

� Sich eines Kollegen anzunehmen, mit dem er nicht so recht kann.

� Ihm das Stichwort zu liefern, damit er mit einer geistvoll erzahlten Anekdote glanzenkann.

� In die Bresche zu springen, wenn sie einmal nicht ganz bei der Sache war.

� Ihrem Chef beilaufig zu vermitteln, wie sie sich fur die Firma engagiert.

� Sie aus einem Gesprach mit einem besonders unsympathischen Mandanten loszueisen.

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