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Dr. Gabriele Minz Gesamtleitung Young Euro Classic Grußwort des Paten Dr. Eckart von Hirschhausen Moderator, Schriftsteller Konzerteinführung per Podcast Herbert Böck Dirigent Daniel Auner Violine IVÁN FISCHER (*1951) • „Young Euro Classic festival hymn“ (2011) SERGEI PROKOFJEW (1891-1953) • Symphonie Nr. 1 D-Dur op. 25 „Symphonie classique” (1916/17) Allegro – Larghetto – Gavotta: non troppo allegro – Finale: molto vivace KURT SCHWERTSIK (*1935) • Violinkonzert Nr. 2 „Albayzin und Sacromonte“ op. 81 (2000, Deutsche Erstaufführung) Ruhig fließende Halbe. – Tango: Intermezzo – Allegro FRANZ SCHUBERT (1797-1828) • Symphonie Nr. 7 h-Moll D 759 „Die Unvollen- dete“ (1822) Allegro moderato – Andante con moto SERGEI PROKOFJEW (1891-1953) • Orchestersuite „Die Liebe zu den drei Oran- gen“ op. 33 a (1919/1924) Les ridicules (Sonderlinge) – Scene infernale (Szene in der Hölle) – Marsch – Scherzo – Le Prince et la princesse (Der Prinz und die Prinzessin) – La fuite (Die Flucht) * Pandemiebedingt finden diese beliebten Elemente des Abends im digi- talen Raum, via Podcast bzw. Videobotschaft statt. Alles zu den Konzerteinführungen finden Sie unter yecl.de/podcasts. Die Ansprache der Konzertpaten finden Sie auf der jeweiligen Veranstal- tungsseite, spätestens am Veranstaltungstag. Viel Spaß beim Einstimmen auf Ihren Konzertabend! Das Konzert wird von Deutschlandfunk Kultur aufgezeichnet und am 08.08.2021 um 20:03 h bundesweit gesendet – über UKW, DAB+, Kabel, online und App. 20 Uhr Gemeinsam. Ins Konzert. Live. Lange wa- ren diese drei Aspekte nicht zusammen zu bringen. Jetzt rückt ihre Zusammen- führung in greifbare Nähe. Wir freuen uns ungemein, mit Ihnen die Rückkehr zu einer gewissen Normalität zu feiern. Hier spielt die Zukunft – endlich wieder! Nachdem Young Euro Classic 2020 pan- demiebedingt die Gelegenheit genutzt hat, Schätze der Kammermusik zu heben, erleben wir in diesem Jahr großartige Ju- gendorchester, wie sie am liebsten spie- len: in symphonischer Besetzung, getra- gen von der einzigartigen Stimme ihrer musikalischen Botschaft. Die Rückkehr auf die Bühne ist gerade für die jungen Mit- wirkenden ein magischer Moment, den wir mit Freude und Dankbarkeit teilen. Auch mit jenen, die aufgrund begrenzter Kapazitäten keinen Platz mehr bekom- men haben: 5 der 16 Konzerte werden live auf den Gendarmenmarkt übertragen. Ob Greek Youth Symphony Orchestra, Schleswig-Holstein Festival Orchestra oder Orquesta del Lyceum de La Habana: Für jene Orchester, die für 2020 einge- plant waren und deren Konzerte abge- sagt werden mussten, stand von Anfang an fest, dass sie Wege finden wollen, 2021 dabei zu sein. Was sind schon Rei- sebeschränkungen, Abstandsvorschrif- ten und Maskenpflicht, wenn man dafür wieder vor echtem Publikum – vor Ihnen! – spielen kann! Mit bemerkenswerter Verve haben sie sich in die Planung eines Programms gestürzt, das bestens ohne gewaltig besetzte Werke auskommt. Die Rückkehr zu klassisch-romantischen Di- mensionen ist auch für sie eine willkom- mene Chance, Ihnen diesmal auf andere Art und Weise Bekanntes, Unbekanntes und Neues zu bieten. Sogar die Tradition der bi-nationalen Orchestergründungen konnte wiederaufgenommen werden: So- wohl bei Young Euro Classic als auch bei Next Generation, dem Festival für den Nachwuchs des Nachwuchses, entsteht ein deutsch-französischer Fokus für Be- gegnung und Verständigung. Wir sprechen wohl im Namen aller Be- teiligten, wenn wir sagen: Das wird ein besonderes Wiedersehen. Wir freuen uns auf Sie und eine wundervolle Zeit bei Young Euro Classic, YOUNG EURO CLASSIC 2021 30. JULI BIS 15. AUGUST KONZERTHAUS BERLIN Do 05 Prof. Dr. Dieter Rexroth Künstlerischer Leiter Young Euro Classic Ulrich Deppendorf 2. Vorsitzender Deutscher Freundeskreis europäischer Jugendorchester e.V. Dr. Willi Steul 1. Vorsitzender Deutscher Freundeskreis europäischer Jugendorchester e.V. Online* © WJO Archiv WIENER JEUNESSE ORCHESTER ÖSTERREICH

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Dr. Gabriele Minz Gesamtleitung Young Euro Classic

Grußwort des PatenDr. Eckart von HirschhausenModerator, Schriftsteller

Konzerteinführung per Podcast

Herbert Böck DirigentDaniel Auner Violine

IVÁN FISCHER (*1951) • „Young Euro Classic festival hymn“ (2011)SERGEI PROKOFJEW (1891-1953) • Symphonie Nr. 1 D-Dur op. 25 „Symphonie classique” (1916/17)Allegro – Larghetto – Gavotta: non troppo allegro – Finale: molto vivaceKURT SCHWERTSIK (*1935) • Violinkonzert Nr. 2 „Albayzin und Sacromonte“ op. 81 (2000, Deutsche Erstauff ührung)Ruhig fl ießende Halbe. – Tango: Intermezzo – AllegroFRANZ SCHUBERT (1797-1828) • Symphonie Nr. 7 h-Moll D 759 „Die Unvollen-dete“ (1822)Allegro moderato – Andante con motoSERGEI PROKOFJEW (1891-1953) • Orchestersuite „Die Liebe zu den drei Oran-gen“ op. 33 a (1919/1924)Les ridicules (Sonderlinge) – Scene infernale (Szene in der Hölle) – Marsch – Scherzo – Le Prince et la princesse (Der Prinz und die Prinzessin) – La fuite (Die Flucht)

* Pandemiebedingt finden diese beliebten Elemente des Abends im digi-talen Raum, via Podcast bzw. Videobotschaft statt.Alles zu den Konzerteinführungen finden Sie unter yecl.de/podcasts. Die Ansprache der Konzertpaten finden Sie auf der jeweiligen Veranstal-tungsseite, spätestens am Veranstaltungstag. Viel Spaß beim Einstimmen auf Ihren Konzertabend!

Das Konzert wird von Deutschlandfunk Kultur aufgezeichnet und am 08.08.2021 um 20:03 h bundesweit gesendet – über UKW, DAB+, Kabel, online und App.

20 Uhr

Gemeinsam. Ins Konzert. Live. Lange wa-ren diese drei Aspekte nicht zusammen zu bringen. Jetzt rückt ihre Zusammen-führung in greifbare Nähe. Wir freuen uns ungemein, mit Ihnen die Rückkehr zu einer gewissen Normalität zu feiern. Hier spielt die Zukunft – endlich wieder!

Nachdem Young Euro Classic 2020 pan-demiebedingt die Gelegenheit genutzt hat, Schätze der Kammermusik zu heben, erleben wir in diesem Jahr großartige Ju-gendorchester, wie sie am liebsten spie-len: in symphonischer Besetzung, getra-gen von der einzigartigen Stimme ihrer musikalischen Botschaft. Die Rückkehr auf die Bühne ist gerade für die jungen Mit-wirkenden ein magischer Moment, den wir mit Freude und Dankbarkeit teilen. Auch mit jenen, die aufgrund begrenzter Kapazitäten keinen Platz mehr bekom-men haben: 5 der 16 Konzerte werden live auf den Gendarmenmarkt übertragen.

Ob Greek Youth Symphony Orchestra, Schleswig-Holstein Festival Orchestra oder Orquesta del Lyceum de La Habana: Für jene Orchester, die für 2020 einge-plant waren und deren Konzerte abge-

sagt werden mussten, stand von Anfang an fest, dass sie Wege fi nden wollen, 2021 dabei zu sein. Was sind schon Rei-sebeschränkungen, Abstandsvorschrif-ten und Maskenpfl icht, wenn man dafür wieder vor echtem Publikum – vor Ihnen! – spielen kann! Mit bemerkenswerter Verve haben sie sich in die Planung eines Programms gestürzt, das bestens ohne gewaltig besetzte Werke auskommt. Die Rückkehr zu klassisch-romantischen Di-mensionen ist auch für sie eine willkom-mene Chance, Ihnen diesmal auf andere Art und Weise Bekanntes, Unbekanntes und Neues zu bieten. Sogar die Tradition der bi-nationalen Orchestergründungen konnte wiederaufgenommen werden: So-wohl bei Young Euro Classic als auch bei Next Generation, dem Festival für den Nachwuchs des Nachwuchses, entsteht ein deutsch-französischer Fokus für Be-gegnung und Verständigung.

Wir sprechen wohl im Namen aller Be-teiligten, wenn wir sagen: Das wird ein besonderes Wiedersehen. Wir freuen uns auf Sie und eine wundervolle Zeit bei Young Euro Classic,

YOUNG EURO CLASSIC 2021

30. JULI BIS 15. AUGUST KONZERTHAUS BERLIN

Do 05

Dr. Gabriele Minz Gesamtleitung Young Euro Classic

Prof. Dr. Dieter RexrothKünstlerischer Leiter Young Euro ClassicKünstlerischer Leiter Young Euro Classic

Ulrich Deppendorf2. Vorsitzender Deutscher Freundeskreiseuropäischer Jugendorchester e.V.

Dr. Willi Steul1. Vorsitzender Deutscher Freundeskreiseuropäischer Jugendorchester e.V.

Gesamtleitung Young Euro Classic

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WIENER JEUNESSE ORCHESTERÖSTERREICH

WIENER JEUNESSE ORCHESTER Österreich

Das Wiener Jeunesse Orchester (WJO), gegründet 1987 von Manfred Honeck, kann im Okto-ber des kommenden Jahres auf 35 Jahre musikalischer Aktivitäten zurückblicken. Schnell hat sich das Ensemble, in dem Student_innen der Musikuniversitäten und Konservatorien aller Bundesländer im Alter von 18 bis 26 Jahren mitspielen, als wichtigstes Jugendsymphonieor-chester Österreichs etabliert. Regelmäßig nehmen die jungen Musiker_innen an Festivals im In- und Ausland wie dem Klangbogen Wien, den Wiener Festwochen und den Salzburger Festspielen teil. Im August 2018 unternahm das WJO eine Rumänien-Tournee; im September 2019 wirkte es beim Jubiläumskonzert „70 Jahre Jeunesse“ mit. Das Repertoire umfasst vor allem die große österreichische Symphonik von Bruckner und Mahler, aber auch Antonin Dvořák, Richard Strauss und Franz Schmidt. Einen wichtigen Platz nehmen darüber hinaus österreichische Komponisten der Gegenwart ein, die immer wieder durch Uraufführungen gefördert werden. Seit 1989 steht Herbert Böck an der Spitze des WJO.

wjo.at

Herbert Böck DirigentHerbert Böck erhielt seine erste musikalische Ausbil-dung als Wiener Sängerknabe und studierte anschlie-ßend an der Wiener Musikhochschule Oboe, Dirigie-ren, Tonsatz und Musikerziehung. Von 1985 bis 1990 war Böck Solo-Oboist des ORF-Symphonieorchesters. Seit 1995 wirkt er als Professor für Chor- und Ensem-bledirigieren an der Universität für Musik Mozarteum Salzburg, seit 2007 außerdem als Leiter des von ihm gegründeten Kammerchores der Universität Mozarteum Salzburg. Zahlreiche Konzertreisen führten ihn in den letzten Jahrzehnten durch ganz Europa, nach Russland, Israel und in die USA. Eine langjährige künstlerische Partnerschaft verbindet Herbert Böck mit Den Norske Oper in Oslo und dem Oslo Philharmonic Orchestra. Seit 2009 ist er ein gern gesehener Gastdirigent beim Arctic Philharmonic Orchestra im norwegischen Tromsö, mit dem er die großen Chorwerke von Bach, Mozart und Haydn aufführte. Seit 1989 leitet der 63-Jährige auch das Wiener Jeunesse Orchester.

Daniel Auner ViolineDaniel Auner, 1987 in eine österreichisch-russische Mu-sikerfamilie geboren, gehört heute zu den international gefragtesten Wiener Geigern seiner Generation. Einla-dungen führten ihn in letzter Zeit zum Orchestre Philhar-monique de Strasbourg, Saint Paul Chamber Orchestra, Bournemouth Symphony Orchestra, Orquestra Sinfónica

Portuguesa und Orquestra Sinfónica Brasileira. Als ehemaliger Student von Christian Al-tenburger, Igor Ozim und Boris Kuschnir beschäftigte er sich besonders mit der barocken Aufführungspraxis des 17. und 18. Jahrhunderts, die 2019 in einer Gesamteinspielung von Bachs Solo-Sonaten und Partiten ihren Niederschlag fand. Auner ist als Kulturbotschafter Ös-terreichs in vielen außereuropäischen Ländern aufgetreten, so in Brasilien, Mexiko, Iran, Ku-wait, Indonesien und Malaysia. Der Geiger spielt auf einer historischen Violine von Giovanni Battista Guadagnini aus der Sammlung wertvoller Streichinstrumente der Österreichischen Nationalbank. 2015 gründete er das Auner Quartett; außerdem unterrichtet er seit 2018 als Professor für Violine am Prayner Konservatorium in Wien.

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Kurt Schwertsik KomponistÜber die vergangenen Jahrzehnte hat sich der mittlerweile 85-jährige Kurt Schwertsik den Ruf einer schillernden Figur im Wiener Musikle-ben erworben. International zählt er seit langem zu den führenden Komponisten Österreichs, dessen Werke bei vielen großen Festivals zur Aufführung kamen. In den 1960er Jahren noch Schüler Karlheinz Stockhausens in Köln, kehrte Schwertsik bald darauf dem Serialismus wieder den Rücken und begann, tonal zu komponieren. Oft zeichnet sich seine Musik durch einen Hang zu einer ironisch-humoristischen

Note aus. Im Hauptberuf Hornist der Wiener Symphoniker, war Schwertsik mit zahlreichen Solokonzerten, aber auch mit der fantastischen Oper Fanferlieschen Schönefüßchen (1983), dem fünfteiligen Orchesterzyklus Irdische Klänge (1992) und der Sinfonia–Sinfonietta (1996) erfolgreich. Für den Trompeter Håkan Hardenberger schrieb er das Divertimento Macchiato (2007); in Zusammenarbeit mit dem Choreographen Johann Kresnik entstanden seine Bal-lette Macbeth, Frida Kahlo, Nietzsche, Gastmahl der Liebe und Hans Christian Andersen.

ZWISCHEN SCHUBERT UND SCHWERTSIK: FANTASIEREISEN NACH WIEN, GRANADA UND RUSSLAND

Sergej Prokofjew an den Anfang eines Programms zu stellen, mit dem das Wiener Jeu-nesse Orchester bei Young Euro Classic 2021 auftritt? Das liegt gar nicht so fern, wenn man an das ausgewählte Werk denkt: die Symphonie Nr. 1 D-Dur op. 25 mit dem

Beinamen „Symphonie classique“. Denn dem damals 26-jährigen Komponisten kam 1917 die Idee, allen spätromantischen Attitüden, wie sie etwa von seinen Landsleuten Rachmaninow und Skrjabin gepflegt wurden, ade zu sagen und stattdessen auf den Zug der Moderne aufzuspringen. Aber nicht Atonalität war damit gemeint, sondern ein Rückgriff auf die klassi-schen Formen, wie sie Joseph Haydn perfekt verkörperte. „Es schien mir“, so schrieb Prokof-jew dazu, „dass Haydn, wenn er bis in unser Jahrhundert gelebt hätte, seinen eigenen Kom-positionsstil beibehalten, aber bestimmte Momente der neueren Musik absorbiert hätte.“

Eine gewagte These – doch Prokofjew nahm sie sehr ernst, indem er in seinem Werk die klassischen Vorgaben getreulich erfüllte: die klar definierte Tonart D-Dur, die üb-liche Viersätzigkeit, die kleine Orchesterbesetzung mit zweifachem Bläsersatz, Pauken

und Streichern. Dazu fielen ihm wohl proportionierte Themen ein, die in ihrer Kontrastierung auch sehr klassisch wirken. Dennoch sind der markante Zugriff, die harmonischen Verirrun-gen und die großen Intervallsprünge viel mehr Prokofjew als Haydn, ganz zu schweigen von der tänzerischen Eleganz, die den Meister der großen Ballette ahnen lässt. Das Larghetto wirkt mit seinem Dreivierteltakt wie ein stilisiertes Menuett; und den dritten Satz, die Gavotte – eher barock als klassisch! – übernahm Prokofjew später in sein Ballett Romeo und Julia. Bemerkenswert auch, wie weit weg in dieser Symphonie noch die Wirren der Russischen Revolution sind, die Prokofjew schon ein Jahr später ins Exil treiben sollten!

Ein echter „Weaner“ von Geburt ist Kurt Schwertsik, inzwischen 86 Jahre alt und seit 60 Jahren nicht aus dem Wiener Musikleben wegzudenken. Anfangs noch der seriellen Musik zugeneigt, kehrte er sehr bald wieder zur Tonalität zurück und entwickelte einen

sehr persönlichen, farbigen Orchesterklang, in den sicherlich auch seine langen Erfahrun-gen als Hornist der Wiener Symphoniker eingeflossen sind. Schwertsik hat sich in den ver-schiedensten Genres getummelt, Oper und Ballettmusik zählen ebenso dazu wie zahlreiche Solokonzerte. Einem frühen Violinkonzert von 1977 folgte sein Violinkonzert Nr. 2 im Jahr 2000; uraufgeführt wurde es von Dennis Russell Davies mit Christian Altenburger als Solist.

Sein Untertitel „Albayzin und Sacromonte“ weist den Weg nach Granada, von dessen maurisch geprägter Atmosphäre der Komponist sich für sein Violinkonzert inspirieren ließ. Äußerst suggestiv beginnt der erste Satz „Ruhig fließende Halbe“ mit einer Violine,

die unbeirrt in höchster Lage einsetzt. Man meint, einen erwachenden Tag mit seinem Vo-gelgezwitscher zu erleben, bis sich aus den vereinzelten Stimmen des Orchesters nach und nach deutlicher Motive und Strukturen herauskristallisieren. Unangefochten zieht die Violine währenddessen ihre melodischen Kreise; im kurzen „Intermezzo“ tritt sie mit sich selbst in einen amüsanten Dialog. Nahtlos schließt sich das gewichtige Finale an: Dicht gewebt von Schwertsik ist das orchestrale Geflecht, während die Solovioline energisch und schwelge-risch, tänzerisch und virtuos immer die Oberhand behält. Leichte arabische Einflüsse meint man wahrzunehmen, und als unverfälschte Reminiszenz an Granadas Stadtleben steuern die Orchestermitglieder per Hand lautstarke rhythmische Unterstützung bei.

Lassen wir einmal die Frage beiseite, ob Franz Schuberts Symphonie Nr. 7 h-Moll D 759 den Beinamen „Unvollendete“ wirklich zurecht trägt. Bekanntermaßen existieren Skizzen zu einem dritten (Scherzo-)Satz; andererseits bildet auch das zweisätzige Werk

ein zwar kurzes, aber in sich geschlossenes Ganzes, das einen neuen, von Beethoven völlig abweichenden Symphonie-Stil begründete. Nicht der Kontrast der thematischen Gegensätze bestimmt den Verlauf, sondern die Schattierung der Motive. Beide Male, im Allegro mode-rato wie im Andante con moto, wählt der Komponist nahezu dasselbe gemäßigte Zeitmaß, zweimal auch den Dreier-Takt.

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Kein anderer Komponist als Schubert konnte ein so schlichtes, liedhaftes Thema für den ersten Satz erfinden. Von Celli und Kontrabässen eingeführt, wird es anschlie-ßend von den Holzbläsern weitergesponnen. Erneut sind es die Celli, die ein volks-

tümliches Ländler-Thema ins Spiel bringen, schroffe Akkorde fahren dazwischen. Dieses Material belichtet Schubert immer wieder neu, ohne daraus jedoch dramatisches Kapital schlagen zu wollen. Das Andante con moto im Drei-Achtel-Takt beginnt mit einer Melodie der hohen Streicher über gezupften Bässen, die von den Bläsern beantwortet wird. Klarinette und Oboe wechseln sich in der Führung ab, Synkopen bringen stärkere Belebung in den Fortgang ebenso wie der Wechsel von Dur nach Moll. Ein letztes großes Aufbäumen, ein langsames Verebben – und im pianissimo klingt der Satz aus.

Das heitere Finale des heutigen Konzerts knüpft quasi nahtlos an den Anfang an. Denn auf der „klassizistischen“ Straße ging Prokofjew auch im Exil weiter; ihr schöns-tes Ergebnis war die komische Oper L‘amour des trois oranges, die allerdings mit nur

mäßigem Erfolg – in französischer Sprache – 1921 in Chicago uraufgeführt wurde. Daraufhin stellte der Komponist daraus eine sechsteilige Suite zusammen, die Prokofjews zwischen Raf-finement, Witz und Groteske changierenden Kompositionsstil wie in einem Brennglas vor-führt und heute in der Beliebtheit wohl nur durch die Symphonie classique übertroffen wird.

Nach einem lakonisch-knappen Einstieg prägen düster-fantastische Klänge den zwei-ten Satz, der auf das magische Kartenspiel zwischen dem Zauberer Celio und der Fata Morgana Bezug nimmt. Legendäre Berühmtheit hat der anschließende Marsch

mit seiner kuriosen Dur-Moll-Mischung erlangt, der in seiner Kürze nur noch durch das dahinhuschende Scherzo unterboten wird. Wie zärtlich Prokofjew auch eine Liebesszene ausmalen kann, zeigt die fünfte Nummer, wenn sich „Prinz und Prinzessin“ endlich gefunden haben. Doch das letzte Wort haben die „Bösewichte“, die am Ende mit viel musikalischem Lärm in die Flucht geschlagen werden!

Michael Horst