die de-kommunalisierung der abfallwirtschaft in den städten

152
Arbeitspapier Nr. 40 Winfried Osthorst Die De-Kommunalisierung der Ab- fallwirtschaft in den Städten Sieben Fallstudien Zwischenbericht des Forschungsprojektes „Die De-Kommunalisierung städtischer Infrastrukturen am Beispiel der Müllent- sorgung“ Januar 2001

Upload: duongnhan

Post on 22-Jan-2017

230 views

Category:

Documents


3 download

TRANSCRIPT

Page 1: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Arbeitspapier Nr. 40

Winfried Osthorst

Die De-Kommunalisierung der Ab-fallwirtschaft in den Städten

Sieben Fallstudien

Zwischenbericht

des Forschungsprojektes

„Die De-Kommunalisierung städtischer

Infrastrukturen am Beispiel der Müllent-

sorgung“

Januar 2001

Page 2: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

2

Page 3: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

3

Abstract

This paper presents the first findings of an empirical investigation on the privatisation of thepublic sector in German cities. As an example, the research focused on the development ofthe municipal waste management in the last decade of the 20th century. The investigationasks how much space for political decisions is still left for the municipalities after a period ofliberalisation of the public sector and new forms of environmental regulation by the federalgovernment and the European Union.

Comparing seven large cities, the research focuses on the perceptions of the local protago-nists such as local administrations, political parties and environmental or economic pressuregroups and their reactions to central government and „Länder“ (state) decisions, economicconstraints and the public opinion within their city.

A first result of this research are the seven case studies presented in this paper.

Zusammenfassung

Das Forschungsprojekt „Die De-Kommunalisierung städtischer Infrastrukturen“ untersuchtempirisch, wie sich die Vermarktlichung des öffentlichen Sektors in deutschen Städten ent-wickelt. Am Beispiel der Abfallentsorgung wird untersucht, welche Handlungsspielräume denKommunen verbleiben, nachdem die Europäische Union und die Bundesregierung in den90er Jahren durch Liberalisierungsinitiativen und neue Umweltstandards die Rahmenbedin-gungen für die kommunale Abfallentsorgung verändert haben.

Die Studie zeichnet die Entwicklung der Abfallwirtschaft in sieben deutschen Großstädtennach und zeigt, wie die Kommunen und die lokalen Akteure auf Entscheidungen von Bun-des- und Landesregierungen, wirtschaftliche Zwänge und öffentliche Debatten in ihrer Kom-mune reagieren.

Ein erstes Ergebnis der Untersuchung sind sieben Fallstudien, die im vorliegenden Bandpräsentiert werden.

Page 4: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

4

Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaftin den Städten

DIE DE-KOMMUNALISIERUNG DER STÄDTISCHEN INFRASTRUKTUR AM BEISPIEL DER

MÜLLENTSORGUNG..............................................................................................................7

Vorbemerkung................................................................................................................7Das Forschungsthema: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur...........8Die Entwicklung der kommunalen Abfallentsorgung .......................................................9Ziel der Untersuchung ..................................................................................................11Methodologische Ansätze ............................................................................................12Untersuchungsprogramm .............................................................................................13

BREMEN ............................................................................................................................15

Dauerstreit um die Müllverbrennung.............................................................................15Umbruch in der Abfallpolitik durch eine neue Landesregierung ....................................18Privatisierung und Weiterbetrieb der Verbrennungsanlage...........................................24Auseinandersetzungen mit den Bürgern um ein „gerechtes“ Gebührensystem.............30Resümee......................................................................................................................32

DRESDEN ..........................................................................................................................34

Umbruch mit der deutschen Vereinigung......................................................................34Regionalisierung der Abfallwirtschaft: Abfallwirtschaftspolitik des Freistaates Sachsen36Richtungsentscheidungen in der Dresdner Entsorgungspolitik .....................................37Dresden gestaltet seine Entsorgungspolitik im Konflikt mit dem Umland ......................40Thermische Behandlung der heizwertreichen Fraktion als Königsweg .........................42Gebührengerechtigkeit in einem mengenabhängigen Gebührenmodell........................44Resümee......................................................................................................................46

DUISBURG .........................................................................................................................47

Entsorgung über die Müllverbrennung..........................................................................47Modernisierung der Abfallwirtschaft ab 1991 ................................................................48Reorganisation der Entsorgungsbetriebe......................................................................51Kostendruck durch die Müllverbrennung.......................................................................53Abfallpolitik in Nordrhein-Westfalen ..............................................................................55Resümee......................................................................................................................56

FRANKFURT .......................................................................................................................58

Entsorgungssicherheit als Dauerbrenner......................................................................58Die Region als Entsorgungsträger ................................................................................60Kampf um Kompetenzen zwischen Kommunen und UVF.............................................62Vom UVF zur RMA: Die Neuordnung der regionalen Abfallwirtschaft ...........................65Kommunale Kooperation statt Region ..........................................................................67Regionale Entsorgungspolitik in privater Rechtsform....................................................68Die Privatisierung der Frankfurter Abfallwirtschaftsbetriebe..........................................70Gebührenpolitik ............................................................................................................73

Page 5: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

5

Resümee......................................................................................................................74

HANNOVER ........................................................................................................................76

Die Deponie als Dauerlösung .......................................................................................76Kooperation mit dem Landkreis Hannover....................................................................80Die Entsorgungssituation..............................................................................................81Getrennte Erfassung von Bio-Abfällen..........................................................................82Rückgang der gewerblichen Abfälle .............................................................................83Gebühren und Entsorgungskosten ...............................................................................84Die Region Hannover ...................................................................................................86Resümee......................................................................................................................88

NÜRNBERG........................................................................................................................89

Kommunale Abfallpolitik als rot-grünes Vorzeigeprojekt ...............................................89Privatisierungsinitiativen der CSU.................................................................................93Rückgang der zu beseitigenden Abfallmengen und der Gebühreneinnahmen..............95Nürnberg als Akteur in der bayerischen Entsorgungspolitik ..........................................98Resümee....................................................................................................................100

STUTTGART .....................................................................................................................102

Die Entsorgungsinfrastruktur ......................................................................................102Die Entsorgungssituation............................................................................................104Verringerte Abfallmengen führen zu Einnahmeproblemen..........................................105Entsorgungspolitik unterm Kostendiktat......................................................................107Politische Initiativen zur Sicherung der AVA-Auslastung ............................................111Regionalisierung der Abfallwirtschaft?........................................................................114Resümee....................................................................................................................116

DER UMBAU DER KOMMUNALEN ABFALLPOLITIK IN DEN NEUNZIGER JAHREN ........................118

Das Entsorgungssystem.............................................................................................118Die Entwicklung der Rechtsform.................................................................................124Kooperationen zwischen Entsorgungsträgern ............................................................127Gebühren ...................................................................................................................131Kommunale Handlungsspielräume in einem liberalisierten Umfeld?...........................137

ABKÜRZUNGEN ................................................................................................................139

LITERATUR ......................................................................................................................142

Page 6: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

6

ABBILDUNGEN

ABBILDUNG 1: Besitzverhältnisse im Bereich Entsorgung nach derPrivatisierung der BEB .................................................................................................28

ABBILDUNG 2: Struktur der Rhein-Main Abfall GmbH (RMA) ................................................66

ABBILDUNG 3: Haus-, Sperr- und Gewerbemüll 1990 und 1997 .........................................119

ABBILDUNG 4: Eckdaten des Entsorgungssystems in den untersuchten Städten................121

ABBILDUNG 5: Rückgang der gewerblichen Abfallanlieferungen in % .................................123

ABBILDUNG 6: Regionale Kooperationen der untersuchten Städte im BereichEntsorgungsanlagen...................................................................................................130

ABBILDUNG 7: Siedlungsstrukturen in den untersuchten Städten........................................136

Page 7: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

7

Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispielder Müllentsorgung

Vorbemerkung

Der vorliegende Band stellt als Zwischenbericht empirische Ergebnisse des Forschungspro-jektes „Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsor-gung“ vor.

Im Kontakt mit zahlreichen Gesprächspartnern und Institutionen aus sieben deutschenGroßstädten konnte eine große Fülle von Informationen und Materialien zusammengetragenwerden, die die Entwicklung der Abfallentsorgung in diesen Städten dokumentieren. Bei derAuswertung dieser Materialien sind sieben Fallstudien entstanden, die in diesem Band zu-sammen mit einer ersten vergleichenden Auswertung vorgestellt werden sollen. Eine weiter-gehende theoretische Analyse der Arbeitsergebnisse wird allerdings erst Gegenstand derfolgenden Projektphase sein.

Die Arbeit an diesem Projekt lebt von der Bereitschaft zahlreicher Menschen, sich nebenihrer Tätigkeit als Ratsmitglieder, Verwaltungsangehörige, Umweltschützer/innen, Gewerk-schaftsvertreter/innen usw. Zeit für Gespräche mit mir zu nehmen, Informationen und Unter-lagen zusammen zustellen und zuzusenden und mir für zahllose Nachfragen zur Verfügungzu stehen. Ihnen allen möchte ich an dieser Stelle für ihre Hilfsbereitschaft und ihr Interessedanken, ohne die diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre.

Gleichzeitig wurden die Schwerpunkte der Forschungsarbeit und die Auswertung der in die-sem Zwischenbericht vorgestellten Materialien vollständig von mir bestimmt. Die Verantwor-tung für die Form der Darstellung und etwaige Fehler in dieser Arbeit trage damit nur ich alsAutor dieser Veröffentlichung.

Das Forschungsprojekt wurde im Oktober 1999 mit einer Laufzeit von drei Jahren auf Initiati-ve von Werner Petrowsky an der ZWE „Arbeit und Region“ der Universität Bremen begon-nen, um den Prozeß der Vermarktlichung öffentlicher Leistungen für ein Aufgabenfeld ver-gleichend zu untersuchen.

Das Vorhaben schließt damit in erweiterter Form an Fragestellungen des Lehrprojektes„Verwaltungsreform und Bürgernähe am Beispiel der kommunalen Müllentsorgung derStadtgemeinde Bremen“ an, das von 1995 bis 1997 unter Beteiligung zahlreicher Studentin-nen und Studenten von Thomas Krämer-Badoni, Werner Petrowsky und dem im Juni 2000nach langer Krankheit verstorbenen Martin Osterland im Studiengang Soziologie durchge-führt wurde (zu den Ergebnissen siehe Projektgruppe Verwaltungsreform 1997).

Page 8: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

8

Das Forschungsthema: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur:

Die Wahrnehmung gesellschaftlicher Aufgaben durch staatliche Institutionen unterliegt inDeutschland seit Anfang der achtziger Jahre einem tiefgehenden Wandel. Durch die betei-ligten Akteure wird sowohl die Ausweitung privatwirtschaftlicher Aktivitäten auf bislang öf-fentliche Aufgabenfelder betrieben als auch die bisherige Form der Arbeitsteilung zwischenden verschiedenen staatlichen Ebenen verändert.

Die Bundesregierung und die Europäische Union versuchen hier, bei der Lösung gesell-schaftlicher Probleme staatliche Steuerung, öffentliche Leistungen und privatwirtschaftlicheAktivitäten neu miteinander zu verbinden.

Dabei gibt es zunehmend Indizien dafür, daß insbesondere in den Städten die Prozesse derEntkommunalisierung der städtischen Infrastruktur zu grundlegenden Veränderungen bei derGestaltung der öffentlichen Daseinsvorsorge führen. Diese Entwicklungen sind vor allem beider Energieversorgung, der Abwasserentsorgung, der Abfallbeseitigung, dem öffentlichenNahverkehr und im Wohnungsbau zu beobachten. Auf nationaler Ebene stellt die Neuord-nung des Telekommunikationssektors das wichtigste Beispiel für diese Veränderungen dar.Im Bereich der Abfallwirtschaft wurde durch das 1994 verabschiedete Kreislaufwirtschafts-gesetz1 die Grundlage für eine völlig veränderte Form der Abfallentsorgung geschaffen, diedas bisherige Verhältnis zwischen Kommunen, privater Entsorgungswirtschaft und Bürgernumgestaltet.

Die Abfallentsorgung eignet sich aus mehreren Gründen gut zur Untersuchung der Verände-rungen in der öffentlichen Daseinsvorsorge. So spiegelt ihre Entwicklung in den großenStädten die Herausbildung und den Wandel öffentlicher Infrastrukturen der modernen Indu-striegesellschaft wieder. Dabei wurde durch die neue Gesetzgebung das Verhältnis zwi-schen kommunaler öffentlicher Daseinsvorsorge, (zentral)staatlicher Steuerung und markt-förmigen Strukturen besonders nachhaltig verändert. Gleichzeitig macht es die lokal sehrunterschiedliche Ausgestaltung von Gebührensystemen, Rechtsformen, Organisations-strukturen und regionalen Kooperationen möglich, verschiedene Strategien kommunalerAufgabenwahrnehmung miteinander zu vergleichen und ihre Wirkungen zu untersuchen.

Am Beispiel der kommunalen Abfallwirtschaft geht das Forschungsprojekt deshalb der Fragenach, wie sich die Vermarktlichung kommunaler Dienstleistungen tatsächlich entwickelt.Durch einen Vergleich der Veränderungen der Müllentsorgung in sieben Großstädten mitverschiedenen Entwicklungsstrategien wird untersucht

• wie das Ziel der Daseinsvorsorge von den Kommunen verfolgt wird;

• wie die Gestaltungsspielräume der Kommunen durch die Entlokalisierung der Abfall-entsorgung verändert werden;

• wie sich das Verhältnis zwischen Bürgern und Kommunen verändert.

1 . Im folgenden Text wird das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz vom 6. Oktober 1994 überwiegend kurz alsKreislaufwirtschaftsgesetz bezeichnet und mit KrWG abgekürzt.

Page 9: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

9

Die Entwicklung der kommunalen Abfallentsorgung

Im folgenden soll die Entwicklung der kommunalen Abfallwirtschaft kurz illustriert werden.

Die Entwicklung der Müllentsorgung in ihrer modernen Form begann Ende des 19. Jahrhun-derts in den durch die Industrialisierung geprägten schnell wachsenden Großstädten.Hauptziel der kommunalen Politik war dabei die Sicherstellung der städtischen Hygiene. Wieauch in anderen Bereichen der Daseinsvorsorge waren die Städte daher auf die Einbezie-hung aller Bürger in diese (öffentliche) Leistung angewiesen.

Von Beginn an wurden von den Großstädten sehr verschiedene Rechtsformen, Gebühren-systeme, Finanzierungsmodelle und technische Lösungen gewählt. Bis Mitte der dreißigerJahre setzte sich jedoch weitgehend die Übernahme der Abfallentsorgung durch die Groß-städte durch, um die Sicherheit und Effektivität der Entsorgungsleistungen zu gewährleisten.

Im Zuge dieser Entwicklung der Abfallentsorgung wurde dabei die Diskussion um die ange-messenste Rechtsform öffentlicher Infrastrukturen im Prinzip mit allen heute bekannten Ar-gumenten wiederholt geführt.

Mit dem ersten Abfallbeseitigungsgesetz von 1972 begann eine Phase der zunehmendenRegulierung der Müllentsorgung durch die Bundesregierung und die Länder, die insbesonde-re zu einer stärkeren Beachtung von Umweltschutzaspekten führte. Als direkte Folge desersten Abfallwirtschaftsgesetzes entstanden in der Verantwortung der Landkreise auch imländlichen Raum flächendeckend Entsorgungsinfrastrukturen – oft durch Beauftragung pri-vater Unternehmer.

Mit dem 1994 verabschiedeten Kreislaufwirtschaftsgesetz hat die staatliche Steuerung derkommunalen Abfallentsorgung eine neue Qualität gewonnen: durch das Gesetz werden imPrinzip alle recyclingfähigen Abfälle zu Wirtschaftsgütern deklariert2. Als Folge hiervon ist mitder Entstehung einer privatwirtschaftlich organisierten Verwertungswirtschaft für gewerblicheAbfälle zu rechnen, die sich in Ansätzen bereits entwickelt. Dieser Umbruch zeichnete sichseit 1991 ab, als durch die Verpackungsverordnung mit dem „Dualen System Deutschland“auch für Haushaltsabfälle eine neben den Kommunen existierende Entsorgungsstruktur ge-schaffen wurde, die die Wiederverwendung der erfaßten Materialien finanzieren soll. Außer-dem wurden in der Technischen Anleitung Siedlungsabfälle (TASi) aus Umweltschutzgrün-den die Anforderungen an die kommunalen Entsorgungseinrichtungen (Deponien; MVAs)verändert. Dadurch werden zahlreiche Kommunen gegenwärtig gezwungen, in großem Um-fang in Abfallbehandlungsanlagen wie neue Müllverbrennungsanlagen (MVAs) zu investie-ren.

Diese Steuerungsinstrumente haben die Rahmenbedingungen der kommunalen Abfallent-sorgung gründlich verändert.

Bislang war die Situation in der Abfallentsorgung der größeren Städte von der Aufgabe ge-kennzeichnet, die Beseitigung wachsender „Müllberge“ aus Industrie und Haushalten durchkapitalintensive Großanlagen (Deponien und Müllverbrennungsanlagen) sicherzustellen. Eingroßes Problem stellten dabei stets die mit der Planung dieser Großanlagen verbundenStandortkonflikte sowie die durch Umweltschutzauflagen notwendigen teueren technischen

2 § 3 (1) KrW-/AbfG: Unterscheidung zwischen Abfällen zur Beseitigung und Abfällen zur Verwertung

Page 10: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

10

Nachrüstungen dar. Umweltpolitische Zielsetzungen wurden durch die Städte bisher durchvielfältige Formen der getrennten Sammlung von Wertstoffen, die vorsichtige Umgestaltungder Gebührensysteme auf nutzungsabhängige Preise und die zunehmende Erfassung vonBioabfällen verfolgt. Im Rahmen der Versuche, die öffentliche Verwaltung zu modernisieren,haben zahlreiche Städte die Rechtsform ihrer Entsorgungsbetriebe verändert. Dabei warinsbesondere eine starke Zunahme von Eigenbetrieben zu beobachten.

Mit dem Inkrafttreten der neuen Regelungen haben sich die von den kommunalen Entsor-gungseinrichtungen erfaßten Müllmengen erheblich verringert. Gleichzeitig führen die Aufla-gen aus der TASi dazu, daß ein Großteil der bestehenden Deponien nur noch für eine kurzeÜbergangszeit genutzt werden kann. Deshalb bemühen sich viele Kommunen gegenwärtig,ihre Deponien in der verbleibenden Restnutzungszeit zu verfüllen. Beide Entwicklungen füh-ren dazu, daß zur Zeit bei den Entsorgungseinrichtungen erhebliche Überkapazitäten beste-hen. Angesichts hoher Fixkosten für den Betrieb dieser Einrichtungen ist zwischen denKommunen eine scharfe Konkurrenz um die Auslastung ihrer Anlagen entbrannt.

Die notwendigen Ersatzinvestitionen für neue Abfallbehandlungsanlagen überfordern inzwi-schen selbst große Städte. Die Kommunen versuchen deshalb, die Finanzierung von Groß-anlagen durch unterschiedliche Formen regionaler Verbünde abzusichern. Gleichzeitig wer-den vermehrt Diskussionen geführt, die privaten Entsorgungskonzerne an den Betrieben derkommunalen Abfallwirtschaft zu beteiligen, um den zukünftigen Kapitalbedarf zu decken.Hier deutet sich an, daß die Abfallbeseitigung zukünftig immer weniger eine kommunale Ein-richtung sein wird und immer weniger zum öffentlichen Sektor gehören wird. Dies gilt insbe-sondere für immer größere Anteile der gewerblichen Abfälle. Die Stoffströme werden zu-nehmend über immer weitere Entfernungen geführt.

Gleichzeitig führen die teuren Systeme der getrennten Müllerfassung, die hohen technischenStandards der Entsorgungsstrukturen und die Fixkosten der nicht ausgelasteten Großanla-gen zu einer deutlichen Kostensteigerung in der kommunalen Abfallbeseitigung. Die bisheri-ge Struktur der Gebührenerhebung steht deshalb zunehmend unter Veränderungsdruck. Beiden Gebührenkonzepten und den Leistungen können sich somit Veränderungen mit erhebli-chen Auswirkungen für die Leistungsempfänger ergeben. Während bis vor wenigen Jahrendie Höhe der Gebühren und die Form der Staffelung maßgeblich durch sozialpolitischeÜberlegungen beeinflußt wurde, führen ökonomische und ökologische Überlegungen immeröfter zu einer nutzungsabhängigen Gebührengestaltung.

Dabei zeichnen sich Differenzierungen zwischen verschiedenen Nutzergruppen ab. Haus-halte in Großwohnanlagen und einkommensschwächere Haushalte können den Anforderun-gen an ihr Verhalten als Müllproduzenten aus verschiedenen Gründen nicht in demselbenMaß gerecht werden wie Haushalte in Einfamilienhaussiedlungen. Gewerbliche Müllerzeugerwerden immer öfter gegenüber privaten Haushalten als Nutzer der Entsorgungsinfrastruktu-ren privilegiert.

Als Folge der verschiedenen Formen kommunaler Kooperationen und der wachsenden Be-deutung überregional aktiver Entsorgungskonzerne deutet sich die Entwicklung einer euro-päisierten Entsorgungswirtschaft an, die zunehmend von wenigen großen Konzernen be-herrscht wird.

In der Entwicklung der städtischen Müllentsorgung lassen sich also beispielhaft

Page 11: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

11

• die Verschiebungen zwischen kommunaler Aufgabenwahrnehmung und zentralstaatli-cher Steuerung,

• die Veränderung des Verhältnisses von öffentlichem Sektor und Privatwirtschaft,

• die Entlokalisierung bislang kommunaler bzw. regionaler Strukturen sowie

• der Umbau der Angebote und der Anforderungen an die Bürger

beobachten, die den Wandel der Form öffentlicher Daseinsvorsorge in den Städten ausma-chen.

Ziel der Untersuchung

Das Projekt hat die Veränderungen in der Abfallwirtschaft aus der Perspektive der Kommu-nen untersucht. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob sich eine De-Kommunalisierung der Ab-fallwirtschaft abzeichnet und zu welchen Resultaten sie führt.

Dafür wurde die Entwicklung auf dem Gebiet der Abfallentsorgung in sieben Kommunen ex-emplarisch rekonstruiert, die sich in Hinblick auf ihre Ausgangssituation voneinander deutlichunterschieden.

In diesen Kommunen wurden vor allem vier Handlungsfelder untersucht, die den Kernbe-reich der kommunalen Abfallpolitik bilden und in denen sich die angesprochenen Entwick-lungen beobachten lassen:

• die Entwicklung der Entsorgungsinfrastruktur:

Hier wurde untersucht, wie sich die Abfallmengen seit Beginn der neunziger Jahre ent-wickelt haben. Erhoben wurde außerdem, welche Abfallbehandlungsanlagen (MVAs,Deponien, weitere Einrichtungen wie Kompostierungsanlagen) in den Städten vorhan-den waren, geplant oder errichtet wurden und welche weitere Aufgaben die Städte imBereich der Abfallentsorgung übernommen haben.

• die Rechtsform kommunaler Dienstleistungen:

In diesem Bereich wurde nachgezeichnet, wie sich die Rechtsformen in den einzelnenoperativen Bereichen entwickelt haben und mit welchen Zielen sie von den lokalen Ak-teuren verändert wurden.

• die Kooperation mit anderen Gebietskörperschaften:

Für die einzelnen Städte wurde untersucht, ob die Kooperation mit anderen Kommunenund Gebietskörperschaften von Bedeutung ist und von ihnen angestrebt wird, welcheHindernisse und Konflikte es in den Kooperationsbeziehungen gibt und welche Form fürdie Zusammenarbeit gewählt wird.

• die Gestaltung der Abfallgebühren.

Untersucht wurde, wie das Gebührensystem in den neunziger Jahren umgestaltet wur-de. Dabei wurde vor allem gefragt, ob und in welchem Ausmaß die Gebühren nutzungs-abhängig bemessen werden und welche Leistungen jeweils einzeln berechnet werden.

Page 12: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

12

Nachgezeichnet wurde auch, wie die Höhe der Gebühren verändert wurde. Von beson-derem Interesse war dabei, ob Leistungsveränderungen bei der Müllabfuhr und Gebüh-rensteigerungen in der lokalen Öffentlichkeit debattiert und zu politischen Themen für dieRatsparteien wurden.

Das Projekt hat sich auf Großstädte konzentriert, da die Müllentsorgung in ihrer modernenForm in den großen Städten entstanden ist und die Entsorgungsproblematik dort auch we-sentlich komplexere Formen annimmt. Zudem bilden Großstädte regelmäßig auch den Kerneiner regionalen Kooperation in der Abfallentsorgung, an der kleinere Städte und Landkreiseals weitere Partner beteiligt sind.

Methodologische Ansätze

Sozialwissenschaftliche Studien über den Formwandel staatlicher Leistungen mit der vonuns beabsichtigten Schwerpunktsetzung liegen bislang nicht vor. Verschiedene Untersu-chungen behandeln am Beispiel der Wasserver- und -entsorgung lediglich Einzelaspekte desmit den Privatisierungen verbundenen Umbruchs und der Konsequenzen für verschiedenesoziale Gruppen3.

Die hier vorgestellte Untersuchung konnte deshalb nicht auf einen eingeführten Forschungs-ansatz zurückgreifen. Für die theoretische Untersuchung der De-Kommunalisierung der Ab-fallwirtschaft (und darüber hinaus auch der Vermarktlichung kommunaler Dienstleistungen imallgemeinen) können allerdings verschiedene Ansätze fruchtbar gemacht werden, die jeweilsunterschiedliche Aspekte dieses Wandlungsprozesses in den Vordergrund stellen. Für dieAuswertung der Fallstudien werden besonders

• Beiträge aus der Local-Policy-Forschung4

• der Ansatz des akteurszentrierten Institutionalismus5,

• und Beiträge aus der Regulationstheorie6

von Interesse sein.

Die angelsächsische Local-Policy-Forschung thematisiert in zahlreichen international ver-gleichenden Untersuchungen vor allem das Machtverhältnis und Machtverschiebungen zwi-schen der zentralstaatlichen Ebene und den Kommunen. Damit gibt sie wichtige Impulse fürdie Untersuchung der Vermarktlichung der öffentlichen Daseinsvorsorge.

Der akteurszentrierte Institutionalismus interessiert sich vor allem für die Leistungsfähigkeitverschiedener Formen staatlicher Steuerung. Dabei nimmt das sich wandelnde Verhältnisvon Staat und Markt einen wichtigen Platz ein.

3 Vgl. z.B. die Artikel von Guy, Marvin 1996; Moss 19984 Stellvertretend für zahlreiche Arbeiten: Batley, Stoker (Hrsg.) 1991; Lorrain, Stoker (Hrsg.) 19965 Grundlegend für diesen Ansatz: Mayntz, Scharpf (Hrsg.) 19956 Siehe etwa Gandy (1994; 1997) und Painter (1995)

Page 13: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

13

Die Regulationstheorie wird von verschiedenen Autoren genutzt, um strukturelle Wirkungender neuen Organisationsformen staatlicher und kommunaler Institutionen zu thematisierenund sie in einen historischen Zusammenhang mit den übrigen Veränderungen im Institutio-nengefüge, der Wirtschaft und den Sozialstrukturen zu stellen. Hierbei werden auch die we-sentlichen Akteure dieser Prozesse benannt.

Für den Forschungsprozeß selbst war vor allem der von Mayntz und Scharpf formulierteAkteursbegriff bedeutsam (Mayntz, Scharpf 1995): Dabei werden formal verfaßte Organisa-tionen wie Parteien, Verbände und Unternehmen genauso als Akteure betrachtet wie staatli-che Institutionen. Die Aushandlungsprozesse zwischen diesen gesellschaftlichen Institutio-nen werden als soziale Prozesse gesehen. Dieser Akteursbegriff erlaubt damit einen prag-matischen Umgang mit der Untersuchung der Interaktion zwischen verschiedenen Formengesellschaftlicher Institutionen.

Untersuchungsprogramm

Um die Veränderungen in der kommunalen Abfallentsorgung analysieren zu können, wurdeder Wandlungsprozeß in mehreren Schritten empirisch untersucht:

In einer ersten Projektphase wurden die sich wandelnden Rahmenbedingungen in der Ab-fallwirtschaft erhoben. Hierzu gehören die gesetzliche Regulierung des Sektors auf EU-,Bundes- wie Landesebene ebenso wie die tatsächliche Entwicklung der Müllmengen, ihrVerbleib, die Veränderung der Stoffströme und die Struktur der Entsorgungsbranche. Mitdiesem vor allem auf der Analyse von Dokumenten basierendem Arbeitsschritt wurde dasUmfeld der kommunalen Abfallentsorgung rekonstruiert.

In der zweiten Projektphase wurde die kommunale Müllentsorgung in sieben Großstadtre-gionen miteinander verglichen. Dabei wurden

• die vorhandene Entsorgungsinfrastruktur

• die Organisationsform der Entsorgungsbetriebe

• die Form der regionalen Zusammenarbeit

• sowie die Gebührengestaltung

auf der Basis von Dokumenten der Städte erhoben und analysiert.

In diesen Vergleich wurden Bremen, Dresden, Duisburg, Frankfurt, Hannover, Stuttgart so-wie Nürnberg einbezogen, die aufgrund ihrer Einwohnerzahl als vergleichbar gelten könnenund die dennoch auf den bei der Gestaltung der Abfallentsorgung zentralen Handlungsfel-dern andere Probleme zu lösen hatten oder unterschiedliche Strategien gewählt haben.

In einer dritten Projektphase wurden in den ausgewählten Großstadtregionen die Strategi-en und Sichtweisen der maßgeblichen Akteure untersucht. Diese Projektphase wurde durchzahlreiche Experteninterviews mit Vertretern der für die Gestaltung der kommunalen Abfall-wirtschaft wichtigen lokalen Akteure und Institutionen bestimmt.

Page 14: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

14

Als Akteure wurden in den Städten dabei vor allem die Fraktionen der verschiedenen in denStadträten vertretenen Parteien, die Stadtverwaltung, die kommunalen Abfallwirtschaftsbe-triebe, die Personal- und Betriebsräte der Beschäftigten dieser Betriebe sowie die regionalenGliederungen der Gewerkschaft ÖTV, Wirtschaftsverbände wie etwa die Industrie- und Han-delskammern (IHKs), Bürgerinitiativen und Umweltschutzverbände, die für die Abfallwirt-schaft zuständigen Mittelbehörden der Länder (Regierungspräsidien und Bezirksregierun-gen) sowie regionale Gebietskörperschaften angesprochen.

In den ca. 70 auf einen Leitfaden gestützten Interviews7 wurde insbesondere erörtert, welcheGestaltungsspielräume die einzelnen Akteure auf den verschieden Handlungsfeldern sehenund welche Ziele sie verfolgen.

Als Ergebnis dieser drei Projektphasen sind sieben ausführliche Fallberichte entstanden, diedie Entwicklung der Abfallwirtschaft in den einzelnen Städten nachzeichnen und die denKern des hier vorgelegten Zwischenberichtes bilden. Dieses Material soll in der letzten Pro-jektphase unter Rückgriff auf die angesprochenen sozialwissenschaftliche Theorien über denFormwandel staatlicher Leistungen analysiert werden.

7 Ein großer Teil dieser Gespräche wurde telefonisch geführt. Aufgrund der sehr begrenzten finanziellen Möglich-keiten des Projektes konnten nur wenige Gesprächspartner aufgesucht werden.

Page 15: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

15

Bremen

Die „Freie Hansestadt Bremen“ (543.000 Einwohner in 1998) bildet zusammen mit der StadtBremerhaven (124.000 Einwohner in 1998) das Bundesland Bremen, wobei Landes- undStadtpolitik oft in einander übergehen. So bilden beispielsweise die Angehörigen des Lan-desparlaments (Bürgerschaft) aus der Stadt Bremen gleichzeitig den Rat der Stadtgemeinde(Stadtbürgerschaft), die damit eine um die Bremerhavener Abgeordneten verkleinerte Aus-gabe des Landesparlamentes ist. Da die Abfallwirtschaft in der Zuständigkeit der Stadtge-meinde liegt, beschränkt sich die folgende Darstellung weitgehend auf die Aktivitäten dieserEbene.

Die Stadt Bremen stellt das Zentrum einer Region mit ungefähr 1 Mio. Einwohnern dar. DasUmland der Stadt gehört dabei vollständig zum Bundesland Niedersachsen.

Die Abfallbeseitigung der Stadt wird von einer Müllverbrennungsanlage und einer Großde-ponie bestimmt, wobei insbesondere der Betrieb der MVA von Umweltschutzverbänden inder ersten Hälfte der neunziger Jahre stark kritisiert wurde.

In der Zeit der Regierungsbeteiligung der GRÜNEN an der SPD-FDP-GRÜNEN-Koalitionvon 1991 bis 1995 wurden die Strukturen der Abfallwirtschaft in Bremen grundlegend verän-dert. Dabei wurden eine neue Gebührenstruktur und die Sammlung biologischer Abfälle ein-geführt, die Rechtsform der Abfallwirtschaft umgewandelt und mit der Planung neuer Entsor-gungsanlagen begonnen.

Die nach den Wahlen 1995 gebildete Koalition aus SPD und CDU verfolgt das Ziel, durch diePrivatisierung von öffentlichen Dienstleistungen den Haushalt zu entlasten und zusätzlicheEinnahmen zu erzielen. Im Rahmen dieser Strategie sind auch die operativen Bereiche derBremer Entsorgungsbetriebe in mehrere GmbH umgewandelt und 1998 mehrheitlich verkauftworden. Diese Privatisierung war durch erhebliche öffentliche Auseinandersetzungen insbe-sondere mit der Arbeitnehmervertretung bestimmt. Außerdem wurde beschlossen, die be-stehenden Entsorgungsanlagen weiterhin zu betreiben.

Neben diesen grundlegenden Entscheidungen über die Entsorgungspolitik der Stadt sollenauch die Probleme in der Umsetzung der getrennten Müllerfassung in den Großwohnanla-gen dargestellt werden, die in der Öffentlichkeit wiederholt thematisiert wurden.

Dauerstreit um die Müllverbrennung

Am Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Müllentsorgung in Bremen wie in anderen Städtenvon privaten Unternehmen durchgeführt (Projektgruppe Verwaltungsreform 1997: 83ff.). Alsletzter dieser Unternehmer schloß Hinrich Alfes 1892 mit der Stadtgemeinde Bremen einenZehnjahresvertrag über Straßenreinigung sowie die Abfuhr von Hausunrat und Fäkalien.Dabei war die Stadt verpflichtet, dem Unternehmer die nicht durch Gebühren und den lukra-tiven Dünger-Verkauf gedeckten Kosten zu erstatten. Nach dem Ende des Vertrages ent-schloß sich Bremen, die Straßenreinigung und die Müllentsorgung zukünftig von städtischenEinrichtungen wahrnehmen zu lassen. Gründe hierfür waren, daß in wenigen Jahren mit der

Page 16: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

16

Fertigstellung der Kanalisation die Fäkalienabfuhr entfallen würde und außerdem von einerkommunalen Einrichtung mehr Zuverlässigkeit und höhere Hygienestandards erwartet wur-den. Ab 1903 wurden diese Aufgaben von einem städtischen Amt wahrgenommen. Gebüh-ren wurden zu dieser Zeit für Straßenreinigung und Müllabfuhr nicht erhoben.

1911 debattierte die Bürgerschaft einen Bericht über den schlechten Zustand der BremerMüllabfuhr, in dem vorgeschlagen wurde, zukünftig verzinkte Einheitsgefäße vorzuschreiben,die alle Haushalte gegen eine Leihgebühr von der Stadt beziehen sollten. Als Anfang 1914die Einführung dieser Gefäße beschlossen wurde, verhinderten der 1. Weltkrieg und in denNachkriegsjahren die Verarmung weiter Teile der Bevölkerung diese Maßnahme. 1939 be-stand noch immer keine Pflicht zur Benutzung einheitlicher Müllgefäße. Erst nach der Besei-tigung der Zerstörungen des 2. Weltkrieges waren die Bremer Haushalte ab Juli 1953 zurVerwendung von einheitlichen Müllgefäßen verpflichtet, die sie für 11,50 DM selbst an-schaffen mußten.

Nachdem zwischen 1946 und 1948 die Müllabfuhr über das als „Gemeindeabgabe“ erhobe-ne Wassergeld finanziert wurde, was zu verschiedenen Ungerechtigkeiten und rechtlichenProblemen führte, beschloß der Senat 1949 alles zu vermeiden, was zu einer Erhöhung desMietpreisniveaus führen könnte und bis auf weiteres auf die Einführung einer Müllgebühr zuverzichten. Erst 1964 wurde durch Ortsgesetz eine Müllgebühr eingeführt.

Wurde der Hausmüll bis nach dem 2: Weltkrieg verwendet, um Marschland aufzuschüttenund anschließend als Kleingärten zu nutzen, so erforderten die wachsenden Müllmengenund seine veränderte Zusammensetzung neue Lösungen bei der Müllbeseitigung (Projekt-gruppe Verwaltungsreform 1997: 91ff.). Ab Anfang der sechziger Jahre begann die Stadt-verwaltung mit Überlegungen über die Errichtung einer Müllverbrennungsanlage, deren Bau1964 bei geschätzten Kosten von 25 bis 30 Mio. DM beschlossen wurde. Die Anlage wurdebis 1969 mit drei Verbrennungskesseln fertiggestellt. Ebenfalls 1969 wurde die Blocklandde-ponie angelegt, die vor allem Bauschutt und die Verbrennungsrückstände der MVA aufneh-men sollte.

Der Bau der ersten Bremer Großwohnanlage in der „Neuen Vahr“ mit 10.000 Wohnungen ab1957 hatte auch neue technische Lösungen für die Müllabfuhr notwendig gemacht. Für diegroßen Wohnhäuser wurden 1,1 m³ Behälter bereitgestellt, die spezielle Müllwagen erforder-lich machten (Benedickt 1968). Die wachsenden Sachkosten und starke Steigerungen derPersonalkosten führten 1972 zu einer ersten deutlichen Erhöhung der Müllgebühren. Ange-sichts weiter wachsender Müllmengen beschloß der Bremer Senat, die MVA bis 1976 umeinen vierten Kessel zu ergänzen, da dies für die Stadt die umweltfreundlichste Lösung sei.Mit einer Verbrennungsleistung von bis zu 400.000t/a (bei 70% Auslastung, theoretischeHöchstkapazität: 570.000 t/a) gehörte die Anlage damit zu einer der größten MVAs in derBundesrepublik8.

Als 1976 die Müllgebühren um weitere 24% erhöht werden, um endlich eine Kostendeckungzu erreichen, forderte die CDU, eine Privatisierung der Abfallbeseitigung zu prüfen, was vonder regierenden SPD abgelehnt wurde.

8 Allerdings wurde diese rechnerisch möglich Maximalleistung durch die geringeren Kapazitäten des Müllbunkersbegrenzt. Maximal wurden jährlich 280.000t verbrannt (1999).

Page 17: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

17

Für die beiden Städte des Landes Bremen wurden 1975 (Bremerhaven) und 1981 (Bremen)Teil-Landesabfallbeseitigungspläne aufgestellt, die die Situation der Abfallentsorgung in denbeiden Stadtgemeinden darstellten.

1978 wurde auch in Bremerhaven eine Müllverbrennungsanlage („MüllbeseitigungsanlageBremerhaven“ – MBA) in Betrieb genommen, die nach einer Genehmigungsänderung bis zu315.000t/a bewältigen kann und von einer GmbH im Besitz der Stadt Bremerhaven betriebenwird. Mit dieser Kapazität war die MBA in Absprache mit dem Land Niedersachsen von vorn-herein über den Bedarf der Stadt Bremerhavens hinaus auch auf die Entsorgung von Abfäl-len aus dem niedersächsischen Umland ausgerichtet. Die betreffenden niedersächsischenLandkreise hatten allerdings bereits während der Planung der MBA deutlich gemacht, daßsie nicht bereit seien, für die Verbrennung ihrer Abfälle mehr zu bezahlen als vorher für dieDeponierung. Um die MBA auszulasten, schloß die Betreibergesellschaft deshalb mit ande-ren Entsorgungsträgern Verträge mit Verbrennungspreisen ab, die deutlich unter den realenKosten lagen, während die Stadt Bremerhaven einen höheren Preis bezahlte. 1985 wurdenbeispielsweise 82.000t aus Bremerhaven zu einem Preis von 167,47 DM/t in der MBA besei-tigt, während Anlieferer aus Niedersachsen für weitere rund 151.000t durchschnittlich 38,76DM/t bezahlten. Der reale Verbrennungspreis wurde auf ca. 148.- DM/t geschätzt (DieGRÜNEN (BREMEN) 1987: 12).

Die theoretische Kapazität beider Verbrennungsanlagen betrug Mitte der achtziger Jahredamit zusammen 715.000 t/a, der 308.000t Haus- und Gewerbeabfälle (1985; 226.000t ausBremen, 82.000t aus Bremerhaven) gegenüberstanden.

Ab Anfang der achtziger Jahre begannen Umweltschutzgruppen und die ab 1983 in derBremer Bürgerschaft vertretenen GRÜNEN9, die Abfallwirtschaftspolitik des Landes und derbeiden Städte scharf zu kritisieren. Für die Stadt Bremen wurde insbesondere die von derMVA ausgehende Gefährdung durch Dioxine in der Abluft kritisiert sowie die Deponierungder giftigen Filterrückstände auf der Blocklanddeponie, die über keine Basisabdichtung ver-fügte10.

In Bremen wurden die Haus- und Gewerbeabfälle bei einer Recyclingquote von 7% (1986)fast vollständig in der MVA beseitigt. Die Baubehörde als für die Abfallwirtschaft zuständigesSenatsressort unterstützte mehrere als ABM-Projekte gegründete Recyclinghöfe und führtezahlreiche Modellversuche zur Sammlung von Wertstoffen sowie von biologischen Abfällendurch. Außerdem wurde der Einbau zusätzlicher Filteranlagen in die MVA bis 1989 ange-kündigt, die fristgerecht den Anforderungen der TA Luft entsprechen sollten.

Dagegen forderten insbesondere der BUND und die GRÜNEN ab 1985 die Stillegung derBremer MVA. Statt durch weitere Investitionen Sachzwänge zu schaffen, sollten die ge-trennte Erfassung von Schad- und Wertstoffen deutlich ausgebaut und biologische Abfällekompostiert werden. Die Bremer MVA sollte stillgelegt und der Restmüll statt dessen an dieMBA Bremerhaven geliefert und dort verbrannt werden. Die Bremer GRÜNEN gingen dabeidavon aus, daß von den Abfallmengen des Jahres 1985 bis 1996/97 61% (140.000t) ver-

9 Zwischen 1979 und 1983 war die „Bremer Grüne Liste“ in der Bürgerschaft vertreten.10 Beim bis Anfang 1991 verfüllten Altkörper der Deponie war der Deponiegrund sogar bewußt durchstoßen wor-den, damit die Sickerwässer abfließen können (Die GRÜNEN (BREMEN) 1987:10; BEB 1998b: 44).

Page 18: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

18

wertet werden könnten und nur noch 86.000t beseitigt werden müßten. Die Bremer MVAwurde von ihnen in ihrer Öffentlichkeitsarbeit als „Dioxinschleuder“ angeprangert.

Die regierende SPD reagierte auf die Kritik mit der Ankündigung, die MVA eventuell 1995tatsächlich stillzulegen. Dennoch sollte vorher eine Rauchgasreinigung eingebaut werden,um den Betrieb bis zu diesem Zeitpunkt fortführen zu können. Entsprechend sah auch dasEnde 1988 vorgelegte Abfallwirtschaftsprogramm für Bremen mehrere Varianten für die zu-künftige Nutzung der Verbrennungsanlagen vor, die von einer Mitbenutzung der Bremerha-vener MBA bis zur langfristigen Weiternutzung der Bremer MVA reichten. Eine Entscheidungsollte dabei allerdings erst 1991 getroffen werden. Um eine Mitverbrennung der Bremer Ab-fälle vorzubereiten, bot die Stadt Bremen der Stadt Bremerhaven jedoch bereits 1990 einejährliche Zahlung von 2,2 Mio. DM an, um Bremerhaven für die notwendige Nicht-Verlängerung der Verträge mit niedersächsischen Landkreisen zu entschädigen, damit in derMBA freie Kapazitäten für zukünftige Müllanlieferungen aus Bremen gebildet werden kön-nen. Nachdem die neue niedersächsische Landesregierung aus SPD und GRÜNEN 1991eine auf den Ausstieg aus der Müllverbrennung gerichtete Politik angekündigt und damit dennach Bremerhaven liefernden niedersächsischen Entsorgungsträgern ein deutliches Signalgegeben hatte, unterschrieb Bremerhaven diese Vereinbarung. Dieser Schritt wurde von derBremer FDP scharf kritisiert, die angesichts steigender Müllmengen eine gemeinsame Nut-zung einer einzigen Verbrennungsanlage durch beide Städte für illusorisch hielt und forderte,die als veraltet bezeichnete Bremer MVA durch eine von einem privaten Träger errichteteneue Anlage zu ersetzen.

Im Jahr 1990 wurde die Müllverbrennung von verschiedenen Umweltschutzorganisationenwie dem BUND wieder massiv öffentlich thematisiert. Trotz der 1989 fertiggestellten Rauch-gaswäsche wurde die von der MVA ausgehenden Luftbelastung mit Schadstoffen und Giftenwie Dioxinen und Furanen weiterhin als ernste Gefahr aufgefaßt. Eine neue Bürgerinitiativegriff die Müllverbrennung als „Krematorien des Überflusses“ an (TAZ Bremen vom11.7.1990).

Umbruch in der Abfallpolitik durch eine neue Landesregierung

In der Bürgerschaftswahl 1991 verlor die Bremer SPD ihre absolute Mehrheit und bildetezusammen mit der FDP und den GRÜNEN eine als „Ampel-Koalition“ bezeichnete Landes-regierung, in der das Umweltressort mit dem GRÜNEN Ralf Fücks als Senator besetzt wur-de. In den Koaltionsverhandlungen wurden die wichtigsten Fragen einer zukünftigen Entsor-gungspolitik thematisiert. So setzten sich die GRÜNEN mit ihrer Forderung durch, die Stille-gung der Bremer MVA bis 1997 in der Vereinbarung festzuschreiben.

Auch die Rechtsform der Abfallwirtschaft wurde diskutiert. Dabei standen die Positionen derParteien zur Zukunft des Amtes für Stadtentwässerung und Abfallwirtschaft (ASA) in engemZusammenhang mit ihren Vorstellungen für die weitere Entwicklung der öffentlichen Verwal-tung insgesamt. Während die FDP generell eine möglichst konsequente Privatisierung öf-fentlicher Aufgaben anstrebte, forderten SPD und GRÜNE eine Modernisierung der Verwal-tung durch die Einrichtung von Eigenbetrieben. Die Verhandlungspartner vereinbarten, dieEinführung dieser Rechtsform für zahlreiche öffentliche Einrichtungen zu prüfen, zu denen

Page 19: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

19

auch das Amt für Stadtentwässerung und Abfallwirtschaft gehörte (siehe hierzu Mönnich1997). Dieses Ergebnis wurde von der FDP als erster Schritt zu einer Lösung der Abfallwirt-schaft aus den Strukturen der öffentlichen Verwaltung und als Vorbereitung einer Privatisie-rung angesehen und akzeptiert.

Nach dem Amtsantritt des neuen von Bürgermeister Henning Scherf (SPD) geleiteten Senatsstrebten die GRÜNEN über das von ihnen geführte Umweltressort einen grundlegendenWandel in der Abfallpolitik des Landes und der Stadt an.

Eigenbetrieb statt Privatisierung

Entsprechend der Koalitionsvereinbarung wurde das bisherige Amt für Stadtentwässerungund Abfallwirtschaft Mitte 1992 rückwirkend zum 1.1.1992 in den Eigenbetrieb „Bremer Ent-sorgungsbetriebe“ (BEB) umgewandelt. Für die Bildung von Eigenbetrieben war in Bremen1990 durch das Eigenbetriebsgesetz eine gesetzliche Grundlage geschaffen worden, die mitdem Ziel einer weitgehenden Modernisierung der Strukturen des öffentlichen Dienstes erlas-sen worden war und damit als angemessene Voraussetzung für die Reorganisation vonVerwaltungseinheiten galt. Die BEB waren neben der Abfallwirtschaft auch für den BereichAbwasser und die Straßenreinigung zuständig. In den auf ihre Gründung folgenden Jahrenveränderten die BEB ihre Betriebsorganisation und erweiterten die Kosten- und Leistungs-rechnung (BEB 1998b). Dabei führte der Aufbau des „Kaufmännischen Bereiches“ zwischen1994 und 1995 zu einer Erhöhung der Beschäftigtenzahl von ca. 1.650 auf 1.700. Durch denAbbau von Personal im Bereich der Müllabfuhr verringerte sich die Zahl der Beschäftigtenbis Ende 1997 jedoch auf ca. 1.500. Insgesamt verringerte sich die Zahl der Beschäftigten imAbfallbereich von ca. 950 (1994) auf rund 800 (1997). Mit der zunehmenden betriebswirt-schaftlichen Orientierung der BEB waren damit deutliche Veränderungen zwischen den ein-zelnen Personalgruppen verbunden. Bezogen auf die Personalentwicklung warfen Kritikerdem für den Abfallbereich verantwortlichen Umweltsenator Ralf Fücks (GRÜNE) und demStaatssekretär Uwe Lahl vor, sie hätten sich bei den Neuanstellungen im Angestelltenbe-reich von der Verwaltung „über den Tisch ziehen lassen“.

Die Geschäftsberichte der BEB wiesen von Anfang an Gewinne aus, die 1995 rund 37 Mio.DM betrugen. Aus diesen Gewinnen zahlte die BEB der Stadt Bremen für das von der Stadtzur Verfügung gestellte Kapital Zinsen, die von rund 25 Mio. DM in 1993 auf über 30 Mio.DM in 1997 anstiegen.

Neben den BEB wird die Müllabfuhr in Bremen in einem Stadtteil (Bremen-Nord) auch voneinem Privatunternehmen durchgeführt (Projektgruppe Verwaltungsreform 1997: 151ff). Diein den dreißiger Jahren zusammen mit anderen Ortschaften nach Bremen eingemeindeteStadt Vegesack hatte 1928 den Unternehmer Karl Nehlsen mit der Entsorgung des Hausmüllbeauftragt, der diese Aufgabe auch nach der Eingemeindung behielt. Das Unternehmen hatsich auf der Basis dieser sicheren Geschäftsverbindung inzwischen zu einem bundesweittätigen Entsorgungsbetrieb mit 1.600 Beschäftigten entwickelt. Die Entsorgungsleistungenund Gebühren in Bremen-Nord sind dabei völlig mit denen im übrigen Stadtgebiet identisch.

Page 20: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

20

Die „codierte Tonne“ und ein neues Gebührensystem

Neben der Reorganisation der Abfallwirtschaft wurden auch die Entscheidungen über neueEntsorgungsanlagen vorbereitet. Als zentralen Baustein einer neuen Abfallwirtschaftspolitiksah der GRÜNE Umweltsenator Fücks allerdings die getrennte Erfassung von Wertstoffenan. Erst mit der Verwirklichung dieser Maßnahmen würden sich die Abfallmengen deutlichreduzieren und eine zukünftiges Abfallbehandlungskonzept planen lassen. Ab 1992 beganndie Umweltbehörde, ein neues Sammelsystem vorzubereiten.

So sollte die Zahl der Wertstoff-Container in der Stadt vervierfacht werden. Aus Kostengrün-den und aufgrund des Problems, in dichtbesiedelten Stadtteilen genügend von den Anwoh-nern akzeptierte Stellplätze zu finden, wurde von den BEB eine Verdoppelung realisiert (BEB1998a: 11). Zwischen 1993 und 1995 wurde zudem die Sammlung der DSD-Verpackungsab-fälle flächendeckend eingeführt.

Außerdem beschloß der Senat, Bioabfälle getrennt zu sammeln und ein verbrauchsabhängi-ges Gebührensystem einzuführen, daß die Mülltrennung der Haushalte finanziell belohnt.

Ab 1993 wurde mit der Einführung der Bio-Tonnen begonnen, deren Nutzung durch dieHaushalte allerdings freiwillig ist, um durch die Beteiligung motivierter Haushalte eine hoheReinheit der gesammelten Bioabfälle sicherzustellen. Um den Bürgern einen Anreiz zu ge-ben, wurden für die Bio-Tonne keine Gebühren in Rechnung gestellt. Die Sammlung undKompostierung der Bioabfälle wurde und wird aus den Restmüllgebühren finanziert. 1995nahmen die BEB eine Kompostierungsanlage mit einer Kapazität von 9.000t/a in Betrieb11.Bis Ende 1995 hatten etwa 40% der Bremer Haushalte eine Biotonne bestellt, wobei insbe-sondere für die Großwohnanlagen vorerst keine praktikablen Lösungen gefunden wurden(siehe unten) (BEB 1998a)12.

Bei der Umstellung des Gebührensystems entschied sich die Umweltbehörde, ein elektroni-sches Indentifikationssystem anzuschaffen, das eine verbrauchsabhängige Gebührenab-rechnung erlauben und zudem auch die Basisdaten für eine modernere Organisation derAbfuhr liefern sollte. Da damit neben der Einführung des entsprechenden EDV-Systemsauch der Austausch des gesamten Behälterbestandes verbunden war, veranschlagten dieBEB nach ersten Pilotprojekten in 1993 für die Einführung des neuen Systems drei Jahre.Anfang 1994 beschloß der Senat auf Initiative des Umweltsenators jedoch, das Projekt bisEnde 1994 zu realisieren, um so schnell wie möglich die Voraussetzungen für die beschlos-sene Stillegung der MVA zu schaffen.

Ab Ende 1994 wurden innerhalb weniger Monate 220.000 Müllbehälter ausgetauscht. Dabeiwurden gleichzeitig auch die überwiegende Zahl bisher vorherrschenden 35l- und 50l-Mülleimer gegen moderne Rollgefäße13 ausgetauscht, was insbesondere in Haushalten ohneKeller oder Außenflächen Stellplatzprobleme verursachte. Viele Haushalten verlangten zu-

11 Dieser Kapazität standen ab 1997 gesammelte Mengen von jährlich über 20.000t/a gegenüber.12 Trotz eines weiter erhöhten Gefäßbestandes hat sich der Anteil der angeschlossenen Haushalte nicht grundle-gend verändert. Die BEB nennen in anderen Quellen für 1998 sogar nur eine Anschlußquote von etwa 30% (BEB1998c: 31).13 Neben der Codierung wurde der Austausch der Behälter durch die Entsorgungsbetriebe und die zuständigenPolitiker gegenüber der Öffentlichkeit auch mit einer von der EU erlassene Arbeitsschutzvorschrift begründet.

Page 21: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

21

dem kurzfristig die Lieferung eines kleineren Gefäßes, da sie sich erst während der Umstel-lung mit den Konsequenzen des neuen Systems beschäftigt hatten. Die BEB hatten wegenzahlreicher Probleme außerdem die Umstellung der Haushalte in den Großwohnanlagennach schwierigen Verhandlungen mit den Wohnungsbaugesellschaften vorerst zurückge-stellt. Ab Ende 1994 wurde der Austausch der Müllbehälter in der Öffentlichkeit zunehmendkritisiert und drohte immer mehr zu einem Wahlkampfthema für die im Sommer 1995 anste-henden Bürgerschaftswahlen zu werden. Als Reaktion auf den öffentlichen Druck ließen dieBEB daher für zahlreiche Haushalte Übergangslösungen und Ausnahmen zu.

Problematisch gestaltete sich auch die Einführung des Gebührensystems selbst:

Seit dem 1.1.1993 wurden für die wöchentliche Leerung eines 35l-Gefäßes 141.- DM jährlichberechnet, für die Abfuhr einer 120l-Tonne 336.- DM. Nach dem neuen System sollte einZwei-Personen Haushalt nach der Umstellung auf die „Codierte Tonne“ für einen 60l-Behälter bei 52 Leerungen 211,20 DM bezahlen (120l-Behälter: 367,80 DM). Pro Haus-haltsmitglied mußten weiterhin mindestens 30l-Gefäßvolumen bereitstehen. Für bis zu 24nicht in Anspruch genommene Leerungen sollte die Gebühr nachträglich reduziert und denHaushalten als Bonus gutgeschrieben werden. Bereits nach wenigen Monaten ließ sich aufder Basis der bis dahin elektronisch erfaßten Leerungsdaten erkennen, daß die Mehrheit derHaushalte nur die Mindestzahl der Leerungen in Anspruch nahm und der angekündigte Bo-nus voll wirksam werden würde. Die vorhersehbaren Verluste an Gebühreneinnahmen hät-ten nur durch eine deutliche Erhöhung der Vorab-Gebühren für das folgende Jahr aufgefan-gen werden können.

In dieser Situation beschloß der Senat auf Anregung der Umweltbehörde und gegen denWiderstand der BEB, das Gebührensystem nochmals zu verändern (BEB 1998a; Bremen1995): Ab dem 1.1.1995 sollte jeder Haushalt nunmehr mit seinen Gebühren 20 Leerungenals Grundsockel bezahlen. Zusätzliche Leerung sollten jetzt nachträglich in Rechnung ge-stellt werden. Durch diese Umstellung wurde nach Ansicht von einzelnen Kritikern die ur-sprüngliche Argumentation für Gebührengerechtigkeit umgekehrt und statt einer Belohnungfür konsequente Abfalltrennung im Bonusverfahren jetzt eine „Bestrafung“ von Fehlverhaltenangedroht (Malussystem). In der Öffentlichkeit bestimmten die kritischen Beurteilungen die-ser Veränderung das Bild, da sich zahlreiche Bürger für ihr Umweltverhalten bestraft fühltenund Presseartikel die Veränderung als Halbierung der angebotenen Leistung bei gleichemPreis bezeichnete.

Das Malussystem führte zudem ebenfalls zu finanziellen Problemen, da die Verantwortlichenvon Einnahmen aus den Nachveranlagungen von 10 Mio. DM jährlich ausgegangen waren,aber tatsächlich nur 2 bis 3 Mio. DM eingenommen wurden.

Rückgang der Abfallmengen

Die von der öffentlichen Müllabfuhr erfaßten Mengen an Haus- und Geschäftsmüll gingen ab1993 deutlich zurück: nachdem in 1991 174.500t und in 1993 176.600t erfaßt wurden, warenes 1995 nur noch 129.000t. Bis 1997 verringerten sie sich weiter auf 116.500t. DM. DieMenge der erfaßten Wertstoffe (Glas, Papier und Verpackungen) stieg dagegen von rund

Page 22: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

22

47.000t in 1993 auf 70.000t in 1995 und 76.000t in 1997. Die Menge der erfaßten Bioabfällestieg von 2.000t in 1993 auf über 19.000t in 1995 und 21.000t in 1997.

Die Mengen an Gewerbe- und Produktionsabfällen verringerte sich von 130.000t in 1991über 100.000t (1993) und 72.000t (1995) auf 60.000t in 1997. Als wichtige Ursachen für die-se Entwicklung sahen die BEB die Verpackungsverordnung und das Kreislaufwirtschaftsge-setz an.

Bei den Bauabfällen war durch das Angebot an Verwertungsmöglichkeiten eine deutlicheVerringerung der zu deponierenden Mengen festzustellen: wurden 1988 noch 580.000t de-poniert, hatte sich diese Menge bis 1991 bereits auf 237.000t und 1993 auf 127.000t verrin-gert. Nachdem 1994 eine Andienungspflicht zu Sortieranlagen erlassen wurde, sanken diedeponierten Bauabfälle weiter bis auf 33.000t in 1997.

Nachdem 1991 insgesamt 228.000t Müll aus Bremen in der MVA beseitigt wurden, waren es1994 sogar 239.000t; bis 1997 sank diese Menge auf 203.000t. Die zusätzlich auf derBlocklanddeponie abgelagerten Mengen verringerten sich in diesem Zeitraum von 388.000t(1991) über 137.000t (1994) auf 110.000t in 1997. Das von den GRÜNEN 1987 genannteZiel einer zu beseitigenden Restmenge von 86.000t/a ab 1996 konnte damit trotz deutlicherErfolge bei der getrennten Erfassung von Wertstoffen nicht erreicht werden.

Problematisch blieb die Verwertung der Bioabfälle: Die Bremer Kompostanlage war mit einerKapazität von 9.000t/a für eine Stadt mit rund 550.000 Einwohnern erheblich zu klein aus-gelegt worden. So werden seit 1997 jährlich über 20.000 t/a gesammelt, die zu einem erheb-lichen Teil in der MVA beseitigt werden. Eine geplante Erweiterung der Anlage auf 14.000 t/awurde bislang nicht realisiert.

Planungen für die Restabfallbehandlung

Nachdem die GRÜNEN als Oppositionspartei die Auffassung vertreten hatten, daß die Bre-mer MVA stillgelegt werden müßte und der nach verstärkten Anstrengungen zur Mengenre-duzierung verbleibende Abfall in die Bremerhavener Anlage geliefert werden sollte, bereiteteUmweltsenator Fücks die Planungen für neue Restabfallbehandlungsanlagen vor.

Dabei versuchte die Ampel-Koalition nach dem Amtsantritt, bedeutende gesellschaftlicheAkteure von vornherein in die Abfallpolitik einzubeziehen. So sah die neue Fassung desOrtsgesetzes über die Entsorgung von Abfällen von 1993 einen Abfallbeirat vor, dem ehren-amtliche Mitglieder aus Umweltschutz- und Wirtschaftsverbände, Arbeitnehmervertreter undVerbraucherverbände angehören sollte. Dieser Beirat begleitete und diskutierte die wichtig-sten Probleme der Abfallwirtschaft ab 199414.

1993 begann die Umweltbehörde auch für die Blocklanddeponie eine Nachfolgelösung zusuchen, nachdem für den seit 1991 betriebenen Deponieabschnitt von 1,8 Mio. m³ aufgrundvon jährlichen Ablagerungen von über 500.000t/a voraussichtlich bereits 1996 ein Ersatz

4 Seit März 1998 ist der Beirat von der Umweltbehörde allerdings nicht mehr einberufen worden.

Page 23: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

23

notwendig werden würde (Bremen 1995). Angesichts des angekündigten Widerstandes vonUmweltschutzverbänden entschloß sich die Umweltbehörde, die Nachfolgelösung im Rah-men eines Mediationsverfahrens gemeinsam mit den betroffenen gesellschaftlichen Gruppenauszuwählen. Dabei bezog die Umweltbehörde neben Umweltschutzverbänden die Ortsbei-räte, Wirtschafts- und Arbeitnehmervertreter sowie die bisherigen Nutzer möglicher Depo-nieflächen in das Verfahren ein. Nach einer etwa einjährigen Auseinandersetzung mit derAbfallbeseitigung in der Stadt und potentiellen Standorten für eine Deponie benannte der„runde Tisch“ 1994 im Konsens drei mögliche Flächen, die die Umweltbehörde für die zu-künftigen Planungen berücksichtigen wollte (Wiedemann, Karger, Claus u.a. 1994). Da sichaufgrund weiter zurückgehender Ablagerungsmengen die Restlaufzeit der Blocklanddeponiezudem bis ca. 2003 verlängert hatte, hatte die Gefahr eines Planungsnotstandes deutlich anBrisanz verloren.

Das zentrale Problem blieb jedoch die zukünftige Behandlung der bislang in der MVA ver-brannten Abfallmengen in einer neuen Restabfallbehandlungsanlage (RABA). Neben einerMitverbrennung dieser Bremer Abfälle nach einer mechanisch-biologischen Vorbehandlungin der MBA Bremerhaven galt insbesondere der Bau einer neuen Verbrennungsanlage inBremen als mögliche Alternative, wobei hier wiederum der Einsatz sehr unterschiedlicherTechnologien und verschiedener Kombinationen möglich war. So interessierten sich sowohlUmweltsenator Fücks als auch der Abfallbeirat für die von der Firma Noell angebotene Flug-stromvergasung, bei der aus dem Abfall Synthesegas erzeugt wird, aus dem wiederumMethanol gewonnen werden kann. Auch das Schwelbrennverfahren der Firma Siemens wur-de zwischenzeitlich erwogen. Um die Möglichkeit einer Mitverbrennung in Bremerhaven zusichern, erwog die Umweltbehörde 1993 die Errichtung eines vierten Kessels in der Bremer-havener MBA, was von den Politikern der Stadt Bremerhaven abgelehnt wurde.

In verschiedenen Gutachten kamen die beauftragten Ingenieurbüros zu unterschiedlichenBewertungen: In einer ausführlichen Untersuchung stellte die ITU (IngenieurgemeinschaftTechnischer Umweltschutz) 1993 Prognosen über die zukünftig zu erwartenden Abfallmen-gen vor und entwickelte Kriterien für die Bewertung der einzelnen Technologien. Auf der Ba-sis dieser Ausführungen kam insbesondere der BUND zu dem Schluß, daß die Mitverbren-nung der nach einer mechanisch-biologischen Vorbehandlung verbleibenden Restabfälle dieumweltgerechteste Möglichkeit sei (BEB 1995b: 32ff.). In dem 1995 vorgelegten und in ei-nem Workshop diskutierten Gutachten des Ingenieurbüros Fichtner kamen die Gutachterdagegen zu dem Schluß, daß diese Variante wirtschaftliche Nachteile hätte, ohne auf ande-ren Gebieten Vorteile zu bringen und empfahlen den Bau einer neuen MVA mit Rostfeuerungin Bremen. Aus ökologischen Gründen wurde dabei eine in diese Anlage integrierte Schlak-ke-Einschmelzung vorgeschlagen, die ein Auslaugen von Schadstoffen aus der MVA-Schlacke verhindern soll (BEB 1995b: 90ff.)15.

Bis zu den Bürgerschaftswahlen im Mai 1995 wurde über die Ausrichtung der zukünftigenRABA zwar noch kein Beschluß gefaßt, allerdings war die Position der Befürworter einerneuen Verbrennungsanlage durch die Expertisen gegenüber den Vertretern der „Bremerha-vener Option“ deutlich gestärkt worden. Bei den Wahlen, bei denen insbesondere die ange-spannte finanzielle Situation und die Sicherung der Eigenständigkeit des Bundeslandes im

15 Diese Technologie befindet sich allerdings noch im Erprobungsstadium.

Page 24: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

24

Vordergrund standen, verlor die SPD weiter an Stimmen (Anteil: 33,4%), die vor allem an dievor der Wahl von konservativen ehemaligen SPD-Politikern gegründete Gruppe „Arbeit fürBremen“ (AFB) gingen, die mit 10,7% der Stimmen in die Bürgerschaft einzog. Die CDUwurde mit 32,6% zweitstärkste politische Kraft vor den GRÜNEN mit 13%, während die bis-her an der Landesregierung beteiligte FDP an der Fünfprozent-Hürde scheiterte. Als Reakti-on auf das Wahlergebnis entschloß sich die SPD, mit der CDU eine „Große Koalition“ zubilden. Das Umweltressort wurde dabei von der Sozialdemokratin Christine Wischer über-nommen. Diese Koalition wurde von den beiden großen Parteien auch nach den Bürger-schaftswahlen im Juni 1999 fortgesetzt, aus denen sowohl CDU (37% der Stimmen) als auchSPD (42,5%) mit Gewinnen hervorgingen und außer ihnen nur noch die GRÜNEN (8,9%) inder Bürgerschaft vertreten waren.

Privatisierung und Weiterbetrieb der Verbrennungsanlage

Bereits vor den Wahlen hatten Politiker der CDU eine Privatisierung der Abfallwirtschaft ge-fordert, nachdem bei der BEB im Abfallbereich deutliche Einnahmerückgänge erkennbarwurden und deren Betriebsleitung für 1996 Gebührenerhöhungen in Aussicht gestellt hatte.In den Koalitionsverhandlungen führte die Haltung der CDU zu der Vereinbarung, daß dieRechtsform der BEB überprüft werden solle. Angesichts der angespannten Haushaltssituati-on gingen die neuen Koalitionspartner zudem davon aus, daß städtische Betriebe und Ein-richtungen verkauft werden müßten, um mit dem Erlös den sogenannten „Stadtreparatur-fonds“ zu füllen. Außerdem stand Bremen aufgrund der Kritik süddeutscher Bundesländeram Finanzausgleich zwischen den Bundesländern unter einem erheblichen Druck, Erfolgebei der Haushaltssanierung zu erzielen, um die Selbständigkeit des Bundeslandes Bremenin der bundespolitischen Auseinandersetzungen zu verteidigen.

Bereits wenige Wochen nach den Wahlen wurde bei der Vorlage des Jahresabschlusses für1994 der BEB im Juni 1995 deutlich, daß die Entsorgungsbetriebe zwar Gewinne auswiesen,aber dennoch eine Deckungslücke von über 44 Mio. DM entstanden war. Als Ursache hierfürsahen die BEB die Auswirkungen des neuen Gebührensystems, politische Entscheidungenüber die Ausstattung von Entsorgungsanlagen sowie ältere Defizite an, die erst durch dieEinführung der betriebswirtschaftlichen Rechnungsführung in 1994 deutlich geworden seien.Das Umweltressort und verschiedene Politiker machten dagegen auch Planungs- und Ma-nagementfehler der BEB für das Defizit verantwortlich.

Als Reaktion auf diese Situation schlug das Umweltressort vor, den Leerungsrythmus für dieRestmülltonne von wöchentlich auf zweiwöchentlich zu verändern und in der Bremer MVAAbfall aus dem Umland mitzuverbrennen. Hierfür sollten die BEB in eine GmbH umgewan-delt werden, da nach Auffassung des Umweltressorts einem Eigenbetrieb eine wirtschaftli-che Betätigung außerhalb des eigenen Stadtgebietes nicht möglich sei. Man müsse sichauch von dem Gedanken verabschieden, die MVA vor dem Jahrtausendwechsel zu schlie-ßen und statt dessen die Anlage solange weiter betreiben, wie dies wirtschaftlich vertretbarsei. Ab 1996 müßten die Bürger außerdem mit Gebührenerhöhungen von etwa 10% rech-nen, um endlich kostendeckende Gebühren zu erreichen, vor denen die Politik bislang zu-

Page 25: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

25

rückgeschreckt sei. Trotz der Diskussion um die Deckungslücke wurden über 27 Mio. DMGewinne der BEB als Stammkapitalverzinsung an den städtischen Haushalt gezahlt.

In den folgenden Wochen wurden die BEB immer stärker von den Politikern der „GroßenKoalition“ für die finanziellen Probleme der Abfallwirtschaft verantwortlich gemacht. MitteAugust 1995 nannte Bürgermeister Henning Scherf die BEB gegenüber der Presse „zuschlecht und zu teuer“ und kündigte Konsequenzen an (Weser-Kurier vom 11.8.1995). Be-reits im September hielt der Bürgermeister die Übernahme der Müllentsorgung durch dieStadtwerke AG oder ein privates Entsorgungsunternehmen für denkbar.

Während das Personal der BEB und die Arbeitnehmervertretungen dagegen protestierten,durch den Bürgermeister „zu Buhmännern für politische Entscheidungen gemacht zu wer-den“, beklagte die Betriebsleitung der BEB gegenüber der Presse, daß der Senat die not-wendigen Gebührenanpassungen aus politischen Gründen bereits um mehrere Jahre verzö-gert habe.

Die Betriebsleitung befürwortetet in dieser Diskussion eine private Rechtsform für die BEB,die den Entsorgungsbetrieben mehr Eigenständigkeit gegenüber politischen Vorgaben ver-schaffen und wirtschaftlichen Aspekten gegenüber ökologischen und politischen Argumentenmehr Gewicht einräumen sollte. Die Betriebsleitung begann deshalb in der folgenden Zeit,eigene Vorschläge für eine Veränderung der Rechtsform des Unternehmens zu machen.

Die CDU forderte ebenfalls die Umwandlung der BEB in eine Kapitalgesellschaft und sah dienotwendigen Gebührenerhöhungen als Folge der von den GRÜNEN zu verantwortendenabfallpolitischen Experimente an. Die einflußreiche Bremer Handelskammer forderte einePrivatisierung der Abfallwirtschaft, um kostengünstigere Strukturen durchzusetzen.

Die GRÜNEN reagierten auf die Diskussion um die BEB und die bisherige Abfallpolitik miteiner ausführlichen Betrachtung der aktuellen Handlungsmöglichkeiten (Bündnis 90 / DieGRÜNEN (Bremen) 1995). Dabei sahen sie Einsparpotentiale bei der Betriebsführung derBEB und einer Veränderung des Leerungsrythmus. Auch einer Kooperation mit umliegendenLandkreisen und der Mitverbrennung von bis zu 60.000t/a Hausmüll in der Bremer MVAstimmten sie darin zu. Angesichts der Kostensituation und der noch unübersehbaren Wir-kungen des KrWG sei auch eine Verlängerung der Betriebszeit der MVA hinnehmbar, dieallerdings trotz neuer Filteranlage eine Altanlage bleibe und in einigen Jahre ersetzt werdenmüsse. Trotz des Sparzwanges dürfe jedoch die Sanierung der Blocklanddeponie nicht wei-ter aufgeschoben werden. Außerdem dürfe die Politik die Verantwortung für die Abfallwirt-schaft nicht in einer Privatisierung aus der Hand geben und müsse bei einer zukünftigen Ge-bührenerhöhung den Mut zu kostendeckenden Gebühren aufbringen.

Die Umweltbehörde bereitete im Herbst 1995 wichtige Veränderungen in der Bremer Entsor-gungspolitik vor: So wurde nach längeren Verhandlungen im Dezember des Jahres ein Ver-trag mit dem benachbarten niedersächsischen Landkreis Nienburg über die Mitverbrennungvon 35.000 bis 50.000t/a bis 2015 geschlossen. Verhandlungen über die Mitverbrennung von25.000t/a heizwertreicher Abfälle aus einer mechanisch-biologischen Behandlungsanlagedes Landreises Diepholz kamen allerdings erst 1998 zum Abschluß. Im Gegenzug für dieMitverbrennung strebte Bremen eine Mitbenutzung von Deponien im Bremer Umland nachder Verfüllung der Blocklanddeponie an.

Page 26: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

26

Gleichzeitig untersuchten die BEB verschiedene Varianten, die MVA für weitere 20 Jahrebetriebsbereit zu machen. Dabei wurden Optionen mit Investitionen zwischen 55 und 151Mio. DM und Verbrennungskapazitäten zwischen ca. 200.000t/a und 400.000t/a geprüft. Auswirtschaftlichen und ökologischen Gründen wurde eine Variante favorisiert, bei der mit Inve-stitionen von rund 100 Mio. DM verschiedene technische Verbesserungen z.B. bei derRauchgas-Reinigung durchgeführt werden sollten. Für einen wirtschaftlichen Betrieb derAnlage wurden darüber hinaus eine Verdoppelung der Stromproduktion, der Ausbau derFernwärmenutzung und Kesselumbauten vorgeschlagen. Außerdem sollte der Müllbunkererweitert und eine Anlage zur Zerkleinerung und Homogenisierung des angelieferten Roh-müll errichtet werden. Bislang wurde neben einigen technischen Verbesserungen lediglicheine einfach Form der Müllhomogenisierung auf dem Gelände der Blocklanddeponie reali-siert.

Ab Ende 1995 zeigten die teilweise im Besitz der VEBA / Preussen Elektra befindlichenStadtwerke offenes Interesse an den BEB. Während der Bremer Bürgermeister dieses An-gebot begrüßte, forderten Handelskammer und AFB eine Beteiligung mittelständischer Ent-sorgungsfirmen. Die Parteien der „Großen Koalition“ diskutierten verschiedene Varianteneines „Holding-Modells“, bei dem die BEB in ein Konzerndach und verschiedene operativeTochterunternehmen aufgeteilt werden sollte. Im März 1996 beschlossen CDU und SPD ge-gen heftige Proteste der ÖTV und der BEB-Belegschaft die Gründung der Holding und dieAusschreibung von 49% ihrer Anteile zum Verkauf.

Im März 1996 beschloß die Umweltbehörde ebenfalls, die Müllgebühren zum 1.7.1996 umca. 25% zu erhöhen, um die aufgelaufenen Defizite aufzufangen und für die folgenden Jahreweitere Gebührenerhöhungen zu verhindern. Die Gebühr für einen 60l-Behälter Zwei-Personen-Haushalt wurde von 211,20 DM auf 260,40 DM angehoben, für dieselbe Behälter-größe für einen Ein-Personen-Haushalt von 151,20 DM auf 186,60 DM. Für einen 120l-Behälter waren statt 367,80 DM jetzt 453,60 DM zu zahlen. Bereits seit dem 1.1.1996 er-folgte die Abfuhr von Rest- und Biomüll zweiwöchentlich. Für alle Leerungen, die über die mitden Grundgebühren bereits bezahlte Zahl von Leerungen (20 bzw. 17 für einen Ein-Personen-Haushalt) hinausging, wurden weiterhin nachträglich Gebühren erhoben.

Die Gebührenerhöhung führte in der Öffentlichkeit nochmals zu ablehnenden Reaktionenund wurde auch von Handels- und Arbeiterkammer sowie Vertretern aller Parteien in Stel-lungnahmen kritisiert. Neben der eigentlichen Erhöhung der Gebühren stand bei den Reak-tionen vieler Bürger vor allem der Unmut über das Abrechnungssystem für die Haushalte inden Großwohnanlagen im Vordergrund, die noch immer nicht an die „codierte Tonne“ ange-schlossen waren.

Die Vorbereitungen der Privatisierung der BEB zogen sich bis Anfang 1998 hin. In dieser Zeitkam es insbesondere zwischen einzelnen Ressorts des Senates und der Arbeitnehmerver-tretung zu Gegensätzen um die soziale Absicherung der Belegschaft: Die von der ÖTV unddem Personalrat geforderte Absicherung von Tarifstandards auch für neue Arbeitnehmersowie der Ausschluß betriebsbedingter Kündigungen nach einem Verkauf der BEB kam erstnach langwierigen Verhandlungen und heftigen öffentlichen Auseinandersetzungen zustan-de. Außerdem traten die ÖTV und die Personalvertretung zusammen mit den GRÜNEN ge-gen die Privatisierung ein, von der sie neben einer Einschränkung von Arbeitnehmerrechtenauch einen Verlust an öffentlicher Kontrolle über die Abfallentsorgung befürchteten. Als Re-

Page 27: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

27

aktion auf die wichtigsten Argumente der Privatisierungsbefürworter forderten ÖTV undGRÜNE, die BEB in eine „Anstalt öffentlichen Rechts“ umzuwandeln, die auf dem Markt aktivsein könne und dem städtischem Haushalt einmalig einen Betrag von beispielsweise 500Mio. DM zahlen könnte, um der Stadt auf anderem Wege als durch einen Verkauf kurzfristigGelder zur Verfügung zu stellen. Außerdem wiesen die GRÜNEN darauf hin, daß ein überden Buchwert der Entsorgungsanlagen hinausgehender Verkaufserlös sowieso dem Gebüh-renhaushalt zukommen müsse. Kritisiert wurden die Privatisierungsabsichten auch vomBUND, der durch den Verkauf der MVA eine Ausweitung der überregionalen Vermarktungder Verbrennungskapazitäten befürchtete und darauf hinwies, daß eine andere Form derAbfallbehandlung damit langfristig verhindert werde.

Ab Herbst 1996 bildete sich unter der Führung der Firma Nehlsen ein Konsortium mittelstän-discher Entsorgungsunternehmen aus Bremen, die aus Sorge um ihre Position auf dem re-gionalen Entsorgungsmarkt zumindest Teile der BEB erwerben wollten und hierfür die Unter-stützung durch die Bremer Politik einforderten. Sowohl Vertreter der CDU als auch der SPDsicherten den Unternehmen daraufhin zu, die Privatisierung der BEB insbesondere durch dieAufteilung der operativen Bereiche der Abfallentsorgung auf mehrere privatrechtliche Gesell-schaften so zu organisieren, daß sich auch die regionale Wirtschaft beteiligen könne. Dieswurde auch von der Handelskammer gefordert, die vor den Folgen einer Übernahme derBremer Abfallentsorgung durch einen überregional aktiven Entsorgungskonzern für die re-gionale Entsorgungswirtschaft warnte.

Für die Beteiligung am Bietungsverfahren für den Bereich Abfall der BEB schlossen sichmittelständischen Unternehmen mit den Stadtwerken zusammen, die sich zu einem regio-nalen Ver- und Entsorgungsunternehmen weiterentwickeln wollten. An der im Frühjahr 1998stattfindenden Ausschreibung beteiligten sich außerdem noch mehrere überregional tätigeEntsorgungsunternehmen. Der Bremer Senat beschloß mit späterer Zustimmung der Bür-gerschaft jedoch, das Angebot der Bremer Bietergemeinschaft anzunehmen und den Abfall-bereich der BEB für 177 Mio. DM zum 1.7.1998 zu verkaufen. Zum 1.1.1999 wurde auch derBereich Abwasser verkauft, wobei ein Erlös von 708 Mio. DM erzielt wurde16.

5 Der zur Abwasser Bremen GmbH umgewandelte Bereich Abwasser der BEB wurde zu 74,9% von der Hanse-Wasser GmbH erworben, an der die Stadtwerke AG zu 51% und die Gelsenwasser AG zu 49% beteiligt sind.25,1% der Anteile der Abwasser Bremen verblieben bei der Stadt Bremen.

Page 28: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

28

Entgegen der ursprünglich geäußerten Absicht wurden die Anteile der Nachfolgegesell-schaften der BEB nicht nur zu 49% sondern fast vollständig veräußert, um einen höherenVerkaufserlös zu erzielen: Die Bietergemeinschaft schloß sich dabei zu der neu gegründeten„Holding Bremer Entsorgung“ (HBE) zusammen (Firma Nehlsen und die Stadtwerke BremenAG mit jeweils 39,5 % der Geschäftsanteile, die zur RWE-Gruppe gehörende Firma R+TUmwelt mit 21%), die die in Einzelgesellschaften aufgeteilten Bereiche der BEB-Abfallabteilung führt.

Abbildung 1: Besitzverhältnisse im Bereich Entsorgung nach der Privatisierung der BEB

Zu 100% erwarb die HBE die für den Betrieb der Kompostanlage zuständige KompostierungNord (KNO) und die als Abfallbehandlung Nord (ANO) geführte MVA17 (siehe Abbildung 1).An der für die Müllabfuhr zuständigen Entsorgung Nord (ENO) behielt die Stadt Bremen 49%der Gesellschaftsanteile. Dabei wurde davon ausgegangen, daß die ENO in den ersten dreiJahren nach dem Verkauf Verluste erzielen würde. Die HBE schloß mit der Stadt Bremeneine Vielzahl von Leistungsverträge, die für die zentralen Leistungsmerkmale eine Laufzeitvon 20 Jahren vorsahen. Dabei wurde bis auf weiteres für die Nutzung der MVA ein Ver-brennungspreis von 150.- DM/t vereinbart, wobei die ANO das Risiko der Auslastung derAnlage trägt.

6 Verkauft wurde außerdem das Schadstoffzwischenlager, daß als Schadstoffentsorgung Nord (SEN) zu 100%von einer Entsorgungsfirma erworben und nicht Teil der HBE wurde.

RWEFreie Hansestadt Bremen(Stadtgemeinde Bremen)

VEW VEBA

R+TUmwelt

Sonstige NehlsenBremer Versorgungs-

und Verkehrsges. mbHPreussen

ElektraSonstige

Hanse WasserGmbH

Gelsen-wasser AG

StadtwerkeBremen AG

AbwasserBremen GmbH

EntsorgungNord GmbH

AbfallbehandlungNord GmbH

KompostierungNord GmbH

SchadstoffentsorgungNord GmbH

„Holding BremerEntsorgung“

20%2,50% 38,75%

100%

< 50% < 50% 52,08%

49%

74,90%25,10%49%100% 100% 100% 51%

38,75%

20,05%

27,87%

51%

Page 29: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

29

Die Belegschaft der BEB wurde weitgehend auf die neuen Abfallbeseitigungs-Gesellschaftenaufgeteilt18, lediglich etwa 100 Beschäftigte blieben bei den nunmehr für die Kontrolle derEntsorgungsleistungen und die Gebührenabrechnung zuständigen Rest-BEB, die weiterhinals städtischer Eigenbetrieb geführt wurden. Die BEB blieben auch für die Blocklanddeponiezuständig, für die in den folgenden Jahre Kosten zwischen 70 und 100 Mio. DM für Sanie-rungsmaßnahmen erwartet wurden.

Heftige Kritik wurde auch nach dem Abschluß des Verkaufs von den GRÜNEN an der Priva-tisierung geübt, die darauf hinwiesen, daß für den Abfallbereich der Erlös von 177 Mio. DMum zahlreiche Posten verringert werden müßte und der verbleibende Gewinn damit wesent-lich niedriger sei. In einem Mitte 1999 dem Eigenbetriebsausschuß vorgelegten Gutachteneiner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wurde davon ausgegangen, daß letztlich noch 53 Mio.DM verbleiben würden. Die GRÜNEN waren dagegen der Auffassung, daß auch dieser Be-richt noch nicht alle mit der Privatisierung verbundenen Folgekosten berücksichtige und ka-men zu der Einschätzung, daß höchstens knapp 14 Mio. DM der Erlöse für den Haushaltübrig bleiben würden. Diesem Betrag stünden jedoch allein entgangene anteilige Stammka-pitalzinsen von jährlich etwa 5 Mio. DM gegenüber, so daß die Privatisierung innerhalb weni-ger Jahre für den Bereich Abfall zu einem Verlust führe. Zudem habe die Stadt durch denVerkauf der MVA ihren abfallpolitischen Handlungsspielraum aus der Hand gegeben undsich langfristig auf die Müllverbrennung in einer Altanlage festgelegt.

Strittig blieb auch, ob der Verkaufserlös überhaupt dem städtischen Haushalt zugeführt wer-den durfte. Während Vertreter der GRÜNEN forderten, die Gelder in die entsprechendenGebührenhaushalten einzustellen, vertrat ein Rechtsgutachten der Stadt die Position, daßdie Verkaufserlöse die aus städtischen Geldern finanzierten Investitionen in Abfall- und Ab-wasserbeseitigungsanlagen nicht überschreiten würden. In dieser im Frühjahr 2000 in eini-gen Presseartikeln aufgegriffenen Auseinandersetzung hatte die Stadt daher das Interesse,die letztlich verbleibenden Einnahmen niedrig anzusetzen.

Nach dem Abschluß der Privatisierung sind Probleme der Abfallpolitik und die Leistungender Entsorgungsbetriebe in der Öffentlichkeit nicht mehr zum Thema geworden, was auch zueinem veränderten Umgang mit diesem Themenbereich führte. So wurde der 1994 von derUmweltbehörde eingerichtete Abfallbeirat (siehe oben) nach einer letzten Sitzung im März1998 nicht mehr einberufen, da sowohl bei den Umweltbehörden als auch bei der Mehrheitder mitwirkenden Verbände kein Interesse mehr bestand. In dem Gremium hatten bis dahindie vertretenen Verbände Fragen der Bremer Abfallwirtschaft beraten und der Umweltbehör-de auch weitergehende Vorschläge gemacht. Die Beteiligung an der Arbeit im Abfallbeiratbot insbesondere den dort mitwirkenden Umweltschützern eine wichtige Möglichkeit, ihreVorstellungen an den Senat heranzutragen. Beispielsweise regte der im Abfallbeirat vertre-tene BUND mehrfach eine Initiative Bremens im Bundesrat zur Änderung der TASi im Sinneeiner Öffnung dieser Vorschrift für mechanisch-biologische Behandlungsverfahren an, wasvom Bremer Senat jedoch abgelehnt wurde.

18 ANO 128 Mitarbeiter, ENO 706 Mitarbeiter, KNO 19 Mitarbeiter, Schadstoffzwischenlager 11 Mitarbeiter (Born-halm, Mönnich, Popp 1997: 78)

Page 30: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

30

Auseinandersetzungen mit den Bürgern um ein „gerechtes“ Gebührensystem

Mit der Einführung der „codierten Tonne“ und des zugehörigen Gebührensystems hatte dieUmweltverwaltung den Versuch unternommen, die Haushalte zur Trennung der einzelnenMüllfraktionen anzuhalten. Während in den meisten Stadtteilen mit einer aufgelockerten Be-bauung die getrennte Erfassung der Abfallfraktionen gute Ergebnisse erbrachte, blieb dieUmsetzung des neuen Systems in den Hochhaussiedlungen unbefriedigend. Die Haushaltedieser Wohnanlage waren mehrheitlich an große Rollbehälter mit einem Volumen von 1,1 m³angeschlossen, wobei die Abfallgebühren über die Wohnungsbaugesellschaften nach derjeweils genutzten Wohnfläche auf die einzelnen Haushalte umgelegt wurde.

Bei der Umstellung auf das neue Sammelsystem blieben die Großwohnanlagen 1994/1995von der Einführung der „codierten Tonne“ ausgenommen, da für die große Zahl kleinererBehälter keine ausreichende Stellfläche vorhanden war und eine direkte Abrechnung derGebühren zwischen den BEB und den Haushalten vorerst rechtlich nicht möglich war.

Um dennoch auch in den Großwohnanlagen die Menge der getrennt erfaßten Wertstoffe zuerhöhen, versuchte die BEB in mehreren Projekten, die Zahl der herkömmlichen Wertstoff-Container deutlich zu steigern, was sich auch auf die Menge der gesammelten Wertstoffepositiv auswirkte. Nach der Einführung der Sammlung von DSD-Verpackungsabfällen rich-teten die BEB wegen einer deutlichen Vermüllung der Großwohnanlagen durch die „gelbenSäcke“ Stellplätze mit Großbehältern für die Verpackungsabfälle ein. Auch Bioabfälle wurdenin diesen Wohnanlagen anfangs in Behältern mit 1,1 m³ Volumen gesammelt, die sich auf-grund hygienischer Probleme allerdings weder aus der Sicht der Nutzer noch aus der BEBbewährten.

1996 forderten Bewohner der Großwohnanlagen zunehmend den Anschluß an das ver-brauchsbezogene Gebührensystem der „codierten Tonne“, um nicht länger für das Abfallver-halten von anderen Haushalten mit zu zahlen. Zur Durchsetzung dieser Forderung gründetesich im Stadtteil Neue Vahr eine Bürgerinitiative, der von den Politiker der „Großen Koalition“eine Berücksichtigung ihrer Belange zugesichert wurde. Die BEB vereinbarten mit der Woh-nungsbaugesellschaft GeWobBa, der insbesondere im Stadtteil „Neue Vahr“ Großwohnanla-gen gehören, daß die Haushalte dieser Wohnsiedlungen bis 1999 fast vollständig mit eige-nen „codierten Tonnen“ ausgestattet werden sollten. Außerdem sollten die Gebühren zu-künftig direkt zwischen der BEB und den Haushalten abgerechnet werden. Hieran hatte dieWohnungsbaugesellschaft ein großes Interesse, da sie nicht nur Verwaltungskosten einspa-ren wollte, sondern sich von einer Senkung der Mietnebenkosten auch eine verbesserteVermietbarkeit der Wohnungen versprach. Um eine Vermüllung der Wohnanlagen zu verhin-dern, vereinbarten BEB und GeWoBa eine intensive Betreuung der Lagerflächen für die„gelben Säcke“, die in diesen Bereichen wöchentlich abgefahren werden sollten.

Die BEB stellten nach der Umstellung erster Gebiete bis Ende 1997 fest, daß zwar die tradi-tionelle Wertstofferfassung von Glas und Papier in Containern verbesserte Ergebnisse er-brachte, aber sich unmittelbar nach der Umstellung die Restmüllanteile in der Verpackungs-fraktion auf über 50% verdoppelten. Auch die gesammelten Bioabfälle in größeren Gemein-schaftsbehältern waren seit diesem Zeitpunkt deutlich verunreinigt. Lediglich die Bioabfälle

Page 31: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

31

aus den ca. 10% der Haushalte, die eine individuelle Biotonne nutzen konnten, wiesen einegute Qualität auf.

Angesichts der durch die Reinigung des Wohnumfeldes entstehenden Kosten und einerweiterhin unübersehbaren Vermüllung der Wohnsiedlungen bewerteten die BEB die Einfüh-rung der individuellen Gebührenabrechnung in den Großwohnanlagen trotz einiger Vorteilefür die Mieter insgesamt als negativ (Schreve-Liedke 1999). Eine Veränderung der rechtli-chen Situation, bei der die Mieter zu Gebührenschuldnern geworden wären, hätte nach An-sicht der BEB zudem zu deutlich höheren Kosten und damit letztlich zu Gebührensteigerun-gen geführt.

Mitte 1999 waren die hygienischen Verhältnisse an den Stellflächen nach Ansicht der BEBuntragbar geworden. Zudem hatten die Entsorgungsbetriebe festgestellt, daß die „codierteTonne“ in diesen Wohnanlagen auffallend selten zur Leerung bereitgestellt wird. Für denFall, daß sich die Situation nicht durch eine weiter verbesserte Betreuung der Stellflächendurch die BEB und die GeWoBa in den Griff bekommen lasse, wurde die Wiedereinführungder Großbehälter angekündigt. Damit war die Einführung eines funktionierenden ver-brauchsabhängigen Gebührensystems in diesen Wohngebieten nicht erreicht worden.

Während in den Großwohnanlagen erheblich Probleme mit dem neuen Gebühren- und Ab-fuhrsystem bestanden, ging die verursachergerechte Abrechnung vielen Bürgern aus ande-ren Stadtgebieten nicht weit genug. Insbesondere die Finanzierung der kostenlosen Biomüll-Sammlung aus der Restmüllgebühr sowie von mindestens 20 Leerungen (17 für Ein-Personen-Haushalte) des Restmüllbehälters jährlich wurde von vielen Bürger als ungerechtempfunden. So kündigten 1997 mehrere Bürger gegen verschiedene Aspekte des Entsor-gungssystems Klagen an.

Die Umweltbehörden waren dagegen der Auffassung, daß mit der über die Gebühren abge-goltenen Zahl der Leerungen sowie dem Umfang der unentgeltlichen Zusatzleistungen einsinnvoller Mittelweg zwischen den gesetzlichen Zielen des Umweltschutzes und der gerech-ten Belastung der einzelnen Bürger durch die Gebühren gewählt worden sei. Eine andereGestaltung der Gebühren hätte lediglich die Kosten anders verteilt und damit neue Problemeaufgeworfen. Die BEB waren zudem der Ansicht, daß eine weitere Verringerung des aufge-stellten Behältervolumens zu einer spürbaren „Vermüllung“ der Stadt führen würde und wie-sen darauf hin, daß die Sauberkeit der Städte immer öfter von den Bürgern als ungenügendempfunden werde. Auch aus diesem Grund wären weitere Anreize zur Nutzung kleinererMüllgefäße problematisch.

Um die Probleme der Bürger mit dem Entsorgungssystem mit den Betroffenen zu erörtern,richteten die BEB 1997 ein Projekt „Kundendialog“ ein, in dem den Bürgern ein telefonischerAustausch und die Teilnahme an einer Arbeitsgruppe angeboten wurde. Auch hier wurdedeutlich, daß viele Bürger für umweltgerechtes Abfallverhalten durch das Gebührensystemeine Belohnung erwarteten. Die Arbeitsgruppe aus interessierten Bürgern kam bis Herbst1999 zu dem Ergebnis, daß die Möglichkeit zur freien Wahl der Behältergröße wünschens-wert wäre. Außerdem sollten kostenfreie Leistungen über eine personenbezogene Grundge-bühr finanziert werden. Die Gebührenabrechnung für den Restmüll sollten neben denNacherhebungen auch eine Rückerstattung für bis zu sieben nicht in Anspruch genommeneLeerungen ermöglichen. Die Umweltbehörden vertraten dagegen die Auffassung, daß weite-

Page 32: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

32

re Veränderungen des Gebührensystems nach den Umbrüchen der vergangenen Jahre vonder Öffentlichkeit abgelehnt werden würden.

Im Juli 2000 gab das Bremer Oberverwaltungsgericht der Umweltbehörde gegen die Klageeiner Bürgerin Recht, die eine stärkere Förderung der Abfallvermeidung im Bremer Gebüh-rensystem gefordert hatte und sich mit ihrem Antrag im Vorjahr in erster Instanz durchsetzenkonnte. Die Klage richtete sich gegen die hohe Zahl von Mindestleerungen, die umweltge-rechtes Verhalten nicht unterstützen würde, da ein Ein-Personen-Haushalt meist deutlichweniger Leerungen nutzen würde. Auch die Auswertungen der BEB wiesen aus, daß dieHaushalte ihre Abfallbehälter in geringerem Umfang nutzen als sie könnten. Durchschnittlichbleibt die Zahl der tatsächlichen Leerungen um 5 unter der bereits bezahlten jährlichen Min-destzahl (BEB 1998a: 31). Nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichtes sei es allerdingsnoch wichtiger, daß die Gebühreneinnahmen insgesamt die Kosten der Entsorgung deckenwürden.

Resümee

Die Entsorgungspolitik der Stadt Bremen wurde seit Ende der sechziger Jahre von der Müll-verbrennung bestimmt, die ab Mitte der achtziger Jahre von Umweltschutzverbänden undden GRÜNEN wegen der von ihr ausgehenden Umweltgefährdungen scharf kritisiert wurde.Ab 1990 wurde deshalb eine Schließung der MVA auch von den Umweltbehörde ernsthafterwogen und durch die Option auf die Mitverbrennung Bremer Abfälle in Bremerhaven orga-nisatorisch vorbereitet.

In der Zeit der „Ampel-Koalition“ aus SPD, FDP und GRÜNEN versuchten die über das vonihnen besetzte Umweltressort für die Abfallwirtschaft verantwortlichen GRÜNEN zwischen1991 und 1995, die Stillegung der MVA durchzusetzen. Hierfür war eine deutliche Verringe-rung der zu beseitigenden Abfallmengen notwendig, die über die Erweiterung der Wertstof-ferfassung, die Einführung der Bioabfall-Verwertung und ein verbrauchsabhängiges Gebüh-rensystem angestrebt werden sollte. Aufgrund der politischen Zielvorgaben wurden dieseMaßnahmen daher in vergleichsweise kurzer Zeit durchgeführt. Organisatorische Probleme,Gebührenerhöhungen und mit den Umstellungen verbundene Beschwerlichkeiten für dieBürger führten zu öffentlichen Protesten, die die Abfallentsorgung zu einem wichtigen politi-schen Thema werden ließen.

Die nach den Wahlen 1995 gebildete Koalition aus SPD und CDU entschloß sich, die Ent-sorgungsbetriebe zu privatisieren. Neben einer grundsätzlichen Präferenz für private Lei-stungserstellung bei der CDU war dabei der für die Haushaltssanierung bestimmte Ver-kaufserlös ein wichtiges Motiv. Außerdem wurde durch den Verkauf der Entsorgungsbetriebeauch eine Entpolitisierung der Abfallentsorgung erreicht. Nach längerer Vorbereitung wurdendie zentralen Bereiche der städtischen Abfallwirtschaft 1998 an ein Konsortium aus BremerVer- und Entsorgungsunternehmen verkauft, wobei die Stadt lediglich an der für die Müllab-fuhr zuständigen Gesellschaft Anteile behielt. Der Senat beschloß auch, die privatisierteMVA nach weiteren Investitionen für voraussichtliche weitere 20 Jahre zu nutzen, um dieEntsorgungskosten stabil zu halten.

Page 33: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

33

Die wechselhafte politische Auseinandersetzung um die Gestaltung der Abfallwirtschaft inBremen ist damit in allen wichtigen Fragen sehr polarisiert gewesen.

Trotz großer Bemühungen ist es bislang nicht gelungen, in den Bremer Großwohnanlagendas im übrigen Stadtgebiet eingeführte Entsorgungssystem aus Wertstoff- und Biomüll-Erfassung und verbrauchsabhängiger Gebührenabrechnung zufriedenstellend einzuführen.Das Gebührensystem stößt bei einzelnen Gruppen von Bürgern zudem auf Kritik, da dieMöglichkeiten einer verbrauchsbezogenen Gebührengestaltung von den Umweltbehördennicht ausgeschöpft werden. Die Umweltbehörden wollen dagegen weitere öffentliche Aus-einandersetzungen und eine ungerechtfertigte Umverteilung finanzieller Lasten auf andereGruppen vermeiden.

Page 34: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

34

Dresden

Die Stadt Dresden ist Hauptstadt des Freistaates Sachsen und Zentrum eines Verdichtungs-raumes mit 1,25 Mio. Einwohnern. Die Zahl der Einwohner in der Stadt hat sich seit 1987von ca. 520.000 auf 456.000 in 1997 deutlich verringert; durch die Eingemeindung von sechsbenachbarten Gemeinden hat sich die Zahl der Bürger bis 1999 jedoch wieder um ca.25.000 erhöht.

Die Abfallwirtschaft der Stadt wurde nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten ab1990 zügig nach westdeutschem Vorbild organisiert, wobei gleichzeitig bestehende Einrich-tungen wie ein mengenabhängiges Gebührenmodell modernisiert wurden. Dabei bereitet dieAusweitung dieses Gebührenmodells auf die die Siedlungsstruktur bestimmenden Groß-siedlungen Schwierigkeiten, die in der Stadt auch von politischen Akteuren thematisiert wer-den.

Um die Abfallentsorgung sicherzustellen, hat sich Dresden mit benachbarten Landkreisen ineinem Entsorgungs-Zweckverband zusammengeschlossen. Unterschiedliche finanzielleAusgangsbedingungen haben jedoch zu starken Interessengegensätzen zwischen der Lan-deshauptstadt und dem Umland geführt, die die Stadt bewogen haben, eigene Entsorgungs-anlagen ohne Mitwirkung des Zweckverbandes zu erreichten. Dabei hat die Stadt sich ent-schieden, die Entsorgungssicherheit zukünftig entsprechend den neuen gesetzlichen Be-stimmungen sicherzustellen, ohne hierfür eine eigene MVA zu bauen.

Bei der Untersuchung der abfallwirtschaftlichen Entwicklung werden daher die vor allem fürostdeutsche Städte typischen Auseinandersetzungen um die der Gebührengerechtigkeit fürGroßwohnanlagen, die Wahl einer Entsorgungsstrategie sowie der damit verbundene Kon-flikt mit dem Umland behandelt.

Umbruch mit der deutschen Vereinigung

Noch bevor die kommunale Selbstverwaltung in der noch bestehenden DDR Mitte Mai 1990wieder eingeführt wurde, wurden in Sachsen am 6.5.1990 Kommunalwahlen abgehalten, ausdenen in Dresden die CDU mit 39% als stärkste Partei hervorging. Zweitstärkste Partei wur-de die PDS mit 15% vor der SPD mit 9,6% der Stimmen. Als Reaktion auf dieses Wahler-gebnisses wurde unter Ausschluß der PDS eine „Große Koalition“ gebildet, die von sechsder sieben Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung getragen wurde. Die bestimmendeKraft stellte die CDU dar, die mit Dr. Herbert Wagner auch den Oberbürgermeister stellte.

Das politische Klima in der Stadt wurde in den ersten Jahren nach der Vereinigung der bei-den deutschen Staaten von der Neuordnung der politischen Verhältnisse bestimmt. So wa-ren die steigenden Mieten ein wichtiges Thema in der Öffentlichkeit. In der zweiten Wahlpe-riode ab 1994 standen Konflikte um die Stadtentwicklungspolitik, größere Verkehrprojektewie Autobahn- und Straßenbahn-Trassen sowie den Umgang mit westdeutschen Großinve-storen im Blickfeld der Öffentlichkeit. Dabei stand für eine Mehrheit der Bürger die Bewah-

Page 35: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

35

rung der Identität der traditionsreichen Residenzstadt im Vordergrund (Schneider, H. 1997:183ff.). Im oft polarisierten politischen Klima der Stadt wurden Entscheidungen bei mehrerenGelegenheiten durch Bürgerentscheide herbeigeführt oder in Bürgerbegehren thematisiert.

Die Dresdner Abfallwirtschaft wurde im Juli 1990 vom Volkseigenen Betrieb Stadtreinigung(VEB Stadtreinigung) in die Stadtreinigung Dresden GmbH (SRD) umgewandelt, deren Ge-schäftsanteile 1991 von der Treuhandanstalt vollständig der Stadt Dresden übertragen wur-den, die die SRD seitdem als Eigengesellschaft führt. Daneben wurde als städtische Behör-de das Amt für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung (AfAS) eingerichtet, das dem Dezernat fürKommunalwirtschaft zugeordnet wurde. Das AfAS nimmt dabei mit rund 25 Mitarbeitern diegrundsätzlichen Aufgaben der Abfallwirtschaft wie die Gebührenfestsetzung und die Entsor-gungsplanung wahr.

Bis 1990 bestand in der DDR neben der kommunalen Abfallwirtschaft außerdem die Vereini-gung volkseigener Betriebe Altrohstoffe, die in jedem Bezirk einen VEB Sekundärrohstoffunterhielt, der über die Sekundärrohstoff-Annahmestellen (SERO) neben Glas, Papier, Texti-lien und Schrott auch Materialien wie Kunststoffe, Batterien, Filme, Knochen und Leder zurRückgewinnung von Rohstoffen erfaßte. Den Bürgern wurden die angelieferten Materialiendabei bezahlt. Mit der Vereinigung wurden die Subventionen für das SERO-System einge-stellt, so daß die Annahmestellen in Dresden wie in den anderen ostdeutschen Kommuneninnerhalb kurzer Zeit geschlossen wurden. Gleichzeitig fielen durch das veränderte Konsum-verhalten erheblich größere Mengen Verpackungsmaterialien an. Die Stadt Dresden beauf-tragte deshalb fünf private Entsorgungsfirmen, in jeweils gleich großen EntsorgungsgebietenDepotcontainer für Glas, Papier und Kunststoffe aufzustellen. 1992 wurde die Finanzierungdieser Struktur vom DSD übernommen (SRD 1998: 20ff.).

Bei der Sammlung des Hausmülls wurden in Dresden die Leerungen der einzelnen Behältertraditionell von den Müllwerkern registriert und zur Grundlage für eine mengenabhängigeGebührenabrechnung gemacht, wobei die Höhe der Gebühren bis 1990 jedoch einen vor-wiegend symbolischen Charakter hatte. Die Erfassung der Leerungen erfolgte durch Strichli-sten, die von den Mannschaften der Müllwagen geführt wurden. Ab Oktober 1992 führte dieSRD erste Versuche mit einem elektronischen Identsystem durch, das die Leerungen dercodierten Gefäße registriert. Bis Ende März 1995 stellte Dresden als erste deutsche Groß-stadt die Verwaltung der Müllgefäße vollständig auf EDV um und machte sie zunehmend zurGrundlage für die Tourenplanung und die Gebührenabrechnung. Durch hohe Investitionenwurden bis 1994 auch der Fuhrpark und in den folgenden Jahren die Betriebsstätten derSRD modernisiert, so daß die Leistungen des Dresdner Abfallwirtschaftsbetriebes ab 1993nach eigener Einschätzung dem Standard anderer deutscher Großstädte entsprach.

Nach der Eingemeindung von acht kleineren Umlandsgemeinden 1999 teilt sich die SRD dieAbfuhr des Hausmülls in diesen Stadtgebieten mit mehreren privaten Entsorgungsunterneh-men, die zuvor bereits im Auftrag der jeweiligen Kommunen tätig waren.

Von 1991 bis 1998 (siehe unten) war die Zahl der Behälterleerungen der einzige Maßstab fürdie Abfallgebühren: ein Haushalt zahlte 1992 für eine Leerung der typischen 110l-Ringtonnen bzw. eines moderneren 120l-Rollbehälters 3,80 DM. Dieser Betrag wurde 1994auf 5,60 DM angehoben. Für andere Behältergrößen einschließlich der Großbehälter von 1,1

Page 36: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

36

oder 2,5 Kubikmeter, an die rund 50% der Einwohner Dresdens angeschlossen sind, wurdeje Liter Behältervolumen der gleiche Preis zugrunde gelegt. Damit sollte ein deutlicher Anreizzur Vermeidung und Sortierung von Abfällen für die Haushalte geschaffen werden. Da überdie Abfallgebühren jedoch auch sämtliche Leistungen der städtischen Abfallwirtschaft finan-ziert werden, ist damit auch die Höhe der jährlichen Einnahmen vom Verhalten der Bürgerabhängig. In den Gebieten mit aufgelockerter Bebauung haben die Haushalte auf die vondem Gebührensystem ausgehenden Anreize allerdings bereits vor der Vereinigung mit derWahl eines möglichst kleinen Müllgefäßes reagiert, so daß sich durch die Einführung desIdentsystems in den ersten Jahren nach seiner Einführung anders als in anderen Städten(siehe z.B. Bremen) keine grundlegenden Veränderungen beim aufgestellten Behältervolu-men und im Gebührenaufkommen ergeben haben. Da jedoch in den Großwohnanlagen dieMüllbehälter zunehmend einzelnen Haushalten oder Hauseingängen zugeteilt und die Stell-plätze abschließbar gestaltet werden, werden die Anreize des mengenabhängigen Gebüh-rensystems mit einiger Verzögerung auch in den Großwohnanlagen spürbar und führen in-zwischen zu einer Verringerung des Behältervolumens.

Ab 1990 stiegen die von der SRD erfaßten Müllmengen dramatisch. Sowohl die neuen Kon-summöglichkeiten als auch der Erneuerungsbedarf bei den Gebäuden führte zu einer deutli-chen Vermehrung von Baurestmengen, Sperr- und Hausmüll19. 1992 erfaßte die SRD166.000t Hausmüll.

Die Stadt beseitigte ihre Siedlungsabfälle seit 1985 in der Deponie Radeburger Straße, die ineiner seit den sechziger Jahren betriebenen Sandgrube liegt. Nachdem für die ersten beidenAbschnitte der Deponie Radeburger Straße ursprünglich eine Nutzungsdauer von ca. 10Jahren bis ungefähr 1995 vorgesehen war, drohte diese Etappe aufgrund des sprunghaftangestiegenen Müllanfalls bereits einige Jahre früher erreicht zu werden (Börner 1992).

Für die Stadt standen damit grundlegende Entscheidungen über die zukünftige Form derAbfallbeseitigung an.

Regionalisierung der Abfallwirtschaft: Abfallwirtschaftspolitik des FreistaatesSachsen

Mit dem Beitritt des von der CDU unter dem Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf regiertenFreistaates Sachsen zur Bundesrepublik war der Freistaat für die Aufsicht über die kommu-nale Abfallwirtschaft und die Einhaltung der neuen abfallrechtlichen Vorschriften zuständiggeworden. Dafür war insbesondere die Schaffung neuer Abfallbeseitigungskapazitäten not-wendig, die den gesetzlichen Auflagen der Bundesrepublik gerecht wurden. Die in Sachsenvorherrschende Form der Abfallbeseitigung war die Deponierung, wobei bei zahlreichen An-lage selbst grundlegende Standards wie etwa Basisabdichtungen fehlten. Von ca. 1800 zuDDR-Zeiten auf sächsischem Gebiet bestehenden Müll-Lagerstätten wurden 1991 nur noch90 als behördlich genehmigte Deponien betrieben. Bis 1999 war diese Zahl auf 32 gesunken(Leipziger Volkszeitung vom 20.7.1999).

19 Allerdings liegen erst ab 1992 zuverlässige statistische Daten vor.

Page 37: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

37

Aus Sicht der Landesregierung konnten die öffentliche Aufgaben nicht durch die einzelnenLandkreise und Städte bewältigt werden, da vor allem die Landkreise im Vergleich zur altenBundesrepublik zu klein waren und eine zu geringe Wirtschaftskraft aufwiesen. In der erstenHälfte der neunziger Jahre wurde deshalb die Zahl der Landkreise deutlich verringert, umgrößere und lebensfähigere Verwaltungseinheiten zu schaffen.

In der Abfallwirtschaft schien angesichts des erheblichen Nachholbedarfs an Investitionen inmoderne Entsorgungsanlagen eine enge Zusammenarbeit zwischen den nach der bundes-deutschen Gesetzgebung entsorgungspflichtigen Kreisen und kreisfreien Städten dringendgeboten. Um dieses Ziel zu verwirklichen, hielt die Landesregierung alle ÖRE zur Bildungvon Zweckverbänden an. Als Ergebnis dieser Politik gehörten 1997 lediglich eine Stadt undein Landkreis keinem der acht Zweckverbände an. Vor diesem Hintergrund hatte die StadtDresden bereits am 4.10.1990 beschlossen, zusammen mit umliegenden Landkreisen denZweckverband Abfallwirtschaft Oberes Elbtal (ZAOE) zu gründen, um gemeinsam neue Be-seitigungskapazitäten zu schaffen. Der Zweckverband nahm 1993 seine Arbeit auf. Damitwar eine Entsorgungsregion mit etwa 1,1 Mio. Einwohnern entstanden, von denen etwa500.000 in Dresden wohnten.

1991 verabschiedete der Landtag das „Erste Gesetz zur Abfallwirtschaft und zum Boden-schutz“ (EGAB) als Ausführungsgesetz zum Abfallgesetz des Bundes und als gesetzlicheGrundlage für die zahlreichen Altlastensanierungen. Außerdem erarbeitete der Freistaat1995 ein Abfallwirtschaftskonzept (AWIKO), das die thermische Abfallbehandlung des Rest-mülls als Ziel zur Erfüllung der Auflagen der TASi vorsieht. Diese Haltung wurde mit den imAbfallwirtschaftsplan von 1999 formulierten Prinzipien fortgeschrieben.

Diese Vorgaben wurden auf Landesebene insbesondere von der PDS scharf kritisiert, dieder Landesregierung vorwarf, von zu hohen Müllmengen auszugehen und damit den Bauüberdimensionierter Verbrennungsanlagen zu verursachen. Die PDS schloß damit an eineöffentliche Debatte an, in der befürchtet wurde, daß die kommunalen Müllgebühren für dieBürger zu einer erheblichen Belastung werden würden, nachdem bereits in zahlreichen ost-deutschen Kommunen durch den Bau von Kläranlagen die Abwassergebühren um zum Teilmehr als 118% (Entsorgungspraxis 4/1998: 8) gestiegen waren. Die politische Verantwor-tung für die Höhe kommunaler Gebühren war damit auch auf Landesebene zu einem be-deutsamen Thema geworden. So bereiteten Bürgerinitiativen ab Juli 1999 einen Volksantragvor, in dem anläßlich der Vorhaben in der Abfallbeseitigung verschiedene Änderungen derLandesgesetze gefordert wurden.

Richtungsentscheidungen in der Dresdner Entsorgungspolitik

Durch den Beitritt zum ZAOE hatte sich Dresden auf eine gemeinsame Entsorgungspolitikmit den anderen Verbandsmitgliedern festgelegt. Insbesondere wollte der Verband eine ge-meinsame Zentraldeponie betreiben und eine Müllverbrennungsanlage errichten. Die beste-henden Entsorgungsanlagen wie die Deponie Radeburger Straße sollten vom ZAOE über-nommen werden.

Page 38: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

38

Mit dieser Einigung war für die Zeit nach einer frühzeitigen Verfüllung der Deponie Radebur-ger Straße auch sichergestellt, daß die Dresdner Abfälle zu den Deponien der anderen Ver-bandsmitglieder gebracht werden könnten.

1994 beschlossen der ZAOE und die Stadt Dresden, im Stadtgebiet Dresdens eine MVA zuerrichten. Die Dresdner Stadtverordnetenversammlung beauftragte die Verwaltung darauf-hin, Standorte für eine thermische Behandlungsanlage zu prüfen und damit den Bau vorzu-bereiten. In der Folge wurden vier Standorte eingehender geprüft. Obwohl damit eine Vor-entscheidung für eine MVA gefallen war, wurde dennoch auch die Möglichkeit einer Mecha-nisch-biologischen Restabfallbehandlung (MBA) erwogen.

Aus der Kommunalwahl im Juni 1994 war wiederum die CDU mit 34% als stärkste Partei vorder PDS mit 22% und der SPD mit 14,7% hervorgegangen. Insgesamt waren 10 Parteienund politische Gruppierungen im neuen Rat vertreten, die sich zu sechs Fraktionen zusam-menschlossen. Die Wahlen waren nach der neuen sächsischen Kommunalverfassung abge-halten worden, die dem nunmehr direkt gewählten Oberbürgermeister gegenüber dem zumGemeinderat umgewandelten Stadtparlament größere Rechte einräumt. Dabei setzte sichder bisherige Amtsinhaber Dr. Wagner (CDU) insbesondere gegen seine Konkurrentin vonder PDS durch.

Bei der Neubesetzung der weiteren Bürgermeisterposten wurde das zusammengefaßteRessort Umwelt und Kommunalwirtschaft von Klaus Gaber (Bündnis 90/ Die GRÜNEN)übernommen.

Als Reaktion auf die gewachsenen Müllmengen hatte sich die Stadt bereits zu Beginn derneunziger Jahre bemüht, insbesondere für die jährlich bis zu 500.000t Baurestmassen neueEntsorgungswege zu finden. Ab 1993 wurden beim Bauschutt Recyclingquoten von 90%erreicht, so daß die Anlieferungen auf die Deponie Radeburger Straße spürbar zurück gin-gen. Das Recycling wurde dabei in Anlagen von privaten Bau- und Entsorgungsfirmendurchgeführt, die als beauftragte Dritte der Stadt auf der Grundlage von Verträgen als öffent-liche Einrichtungen arbeiten. Die Stadtverordnetenversammlung beschloß im April 1993 eineBauabfallsatzung, die im Juni 1994 in Kraft trat und für schadstoffreie Bauabfälle die Benut-zung der bestehenden Recyclinganlagen vorschrieb. Diese Abfälle wurden außerdem vonder Annahme auf der Deponie Radeburger Straße ausgeschlossen (Landeshauptstadt Dres-den 1996: 34ff.).

Ab 1993 wurde außerdem erkennbar, daß aufgrund des deutlichen Bevölkerungsrückgangesund des gleichzeitigen Ausbaus des Dualen Systems sowie der städtischen Wertstofferfas-sung sich auch die Restmüllmengen in den kommenden Jahren erheblich vermindern wür-den: Nach dem Höchststand von 166.000t in 1992 gingen die Restmüllmengen über154.000t in 1993 auf 136.000t in 1995 zurück. Gleichzeitig stieg die Menge der erfaßtenWertstoffe Glas, Papier und DSD-Verpackungen von 31.800t (1992) über 36.900t (1993) auf46.700t in 1995 und sogar 56.500t in 1997.

1995 wurde mit dem Aufbau einer Biomüll-Sammlung begonnen wurde, so daß weitere deut-liche Verringerungen der Restmüllmassen vorhersehbar waren. Nachdem die Biomüll-Sammlung Ende 1996 auf das gesamt Stadtgebiet ausgedehnt worden war und 1997 insge-samt 17.700t erfaßt wurden, fielen in diesem Jahr nur noch 110.000t Restmüll an. Wie zahl-

Page 39: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

39

reiche andere Entsorgungsträger begann die SRD 1995 auch mit der Einrichtung einer Elek-tro-Schrott-Verwertung in Zusammenarbeit mit einem Beschäftigungsträger für Behinderte.Dabei behielt die SRD ihr Beschäftigungsvolumen von etwa 570 Arbeitnehmern bei.

Um zumindest auf die bedeutenderen gewerblichen Abfallerzeuger mit einem Anfall vonmindestens 50t Abfällen jährlich Einfluß nehmen zu können, baute das AfAS ab 1994 einGewerbeabfallkataster auf, das eine verstärkte Abfallberatung ermöglichen soll. Im Dezem-ber 1994 wurde zudem beschlossen, eine kommunale Verpackungssteuer einzuführen, dieinsbesondere gastronomischen Betrieben Anreize zur Abfallvermeidung geben sollte. DieserSteuer unterlagen in den folgenden Jahren etwa 200 Betriebe (Landeshauptstadt Dresden1998: 7). Trotz Widerstände von betroffenen Betrieben, bei denen insbesondere die Fast-Food-Kette McDonald die Meinungsführerschaft übernahm, wurde diese Initiative von allenRatsfraktionen akzeptiert. Nach dem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichtes wur-de die Steuer 1998 wieder aufgehoben.

Die zahlreichen abfallwirtschaftlichen Maßnahmen haben dabei insgesamt eine Situationgeschaffen, in der die abfallwirtschaftlichen Probleme der Stadt lösbar erschienen. Danebenist es der Stadt außerdem noch möglich gewesen, auf der Basis des bestehenden Gebüh-renniveaus Rücklagen für die Deponie-Nachsorge zu bilden.

Angesichts der absehbaren Rückgänge bei den Restmüllmengen gewannen die mit demBetrieb einer MVA für den Gebührenhaushalt verbundenen finanziellen Risiken für die Akteu-re der Stadt eine zunehmende Bedeutung. Gleichzeitig wurden die vier von der DresdnerStadtverwaltung geprüften Standorte für eine derartige Anlage aus der Sicht der begutach-tenden Ämter als ungeeignet eingestuft, so daß die Voraussetzung für die 1996 vorgeseheneEntscheidung für den Bau der Anlage an einem der Standorte unsicher wurde. Auch die in-zwischen bei modernen Verbrennungsanlagen übliche Nutzung der entstehenden Abwärmewurde aufgrund des gesättigten Fernwärmemarktes in der Stadt von der Verwaltung als pro-blematisch angesehen.

Das von dem grünen „Umweltbürgermeister“ Gaber geleitete Umweltdezernat der Stadt hattezudem neben der Müllverbrennung nach alternativen Entsorgungsmöglichkeiten für dieDresdner Restabfälle gesucht. Ab 1995 prüfte das AfAS, ob eine mechanisch-biologischeBehandlung des Restmülls erfolgen könne. Dabei gingen die Abfallbehörden davon aus, daßdie Vorschriften der TASi langfristig eine MBA nur als Vorstufe für eine thermische Abfallbe-handlung zulassen würden. Aus der Sicht des AfAS schien eine MBA dabei trotz insgesamterhöhter Abfallbehandlungskosten sinnvoll, weil eine mechanisch-biologische Behandlungdeutlich früher als eine MVA zur Verfügung stehen würde und die Risiken der ohne Basisab-dichtung betriebenen Deponie Radeburger Straße erheblich verringern würde. Die zukünftigzu verbrennenden Abfallmengen würden außerdem weiter reduziert. Zudem bestanden inanderen Entsorgungseinrichtungen in Sachsen noch erhebliche Überkapazitäten.

Für die verbleibenden Mengen an thermisch zu behandelnden Abfällen schien eine MVA imDresdner Stadtgebiet aus Sicht der Dresdner Abfallbehörden damit immer weniger erforder-lich. Vor diesem Hintergrund formulierte Klaus Gaber als Leiter der Dresdner Abfallbehördenden Vorschlag, sich vertraglich Verbrennungskapazitäten in einer anderen MVA zu sichern.

Page 40: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

40

Die zurückgegangenen Müllmengen und neue Planungen für die Deponie Radeburger Stra-ße ließen es auch möglich werden, daß die Deponie mit einem neu ermittelten Restvolumenvon 1 Mio. Kubikmetern noch bis zum Ablauf aller Übergangsfristen der TASi im Juni 2005genutzt werden kann. Die Stadt Dresden schien somit mittelfristig nicht mehr auf die Depo-niekapazitäten der übrigen ZAOE-Mitglieder angewiesen.

Durch den Beitritt zum ZAOE hatte sich die Stadt Dresden allerdings verpflichtet, die Depo-nie Radeburger Straße an den Verband zu übertragen. Die für diese Übertragung notwendi-gen Verträge wurden bereits vorbereitet, als der ZAOE seine Gebührenkalkulation vorstellte.Dabei wurde deutlich, daß die Übernahme der Abfallentsorgung durch den ZAOE für Dres-den erhebliche finanzielle Konsequenzen haben würde. Während die Stadt bislang mit 35.-DM/t für die Entsorgung auf der Deponie von vergleichsweise niedrigen Entsorgungskostenausging, beabsichtigte der ZAOE die Gebühren auf 140.- DM/t festzusetzen, um die Kostenfür alle im Verbandsgebiet von ihm zu betreibenden Entsorgungsanlagen decken und gleich-zeitig noch Rückstellungen für die Deponie-Nachsorge bilden zu können.

Aus der Sicht der Stadt Dresden hätten damit die Dresdner Bürger über ihre Abfallgebührendie Kosten für die Sanierung anderer Deponien zu tragen gehabt, nachdem sie bereits inDresden über die von der Stadt gebildeten Rückstellungen die Mittel für die Folgekosten dereigenen Deponie bereitgestellt hatten. Aus der Perspektive der übrigen Verbandsmitgliederund des Landes Sachsen war dagegen die gemeinsame Bewältigung der Entsorgungsko-sten notwendig, um nicht für einen Teil der Bürger im Verbandsgebiet untragbar hohe Bela-stungen durch die Abfallgebühren entstehen zu lassen.

Angesichts dieser finanziellen Folgen verweigerte die Stadt die Unterzeichnung der Überga-beverträge und versuchte, eine Änderung von inzwischen wirksam gewordenen Anweisun-gen des zuständigen Regierungspräsidenten zu erreichen.

Damit hatte sich bis 1996 die Interessenlagen in Hinblick auf die gemeinsame zukünftigeEntsorgungspolitik zwischen der Großstadt Dresden und den benachbarten Landkreisengrundlegend verändert.

Dresden gestaltet seine Entsorgungspolitik im Konflikt mit dem Umland

Im Verlauf des Jahres 1996 schlug Klaus Gaber als Beigeordneter für Umwelt und Kommu-nalwirtschaft den Stadtratsfraktionen ein Entsorgungskonzept vor, bei dem die Stadt auf dieKooperation mit dem ZAOE weitgehend verzichtete. So sollte der Dresdner Restmüll in einerMBA behandelt und die verbleibende Restmüllmengen an eine MVA außerhalb Dresdensgeliefert werden. Dabei sollte insbesondere die Verbrennung der heizwertreichen Fraktionals energetische Verwertung im Sinne des KrWG angestrebt werden. Der Bau der vomZAOE gewünschten MVA in Dresden sollte dagegen verhindert werden. Neben der Be-handlung des Restmülls sah das vorgeschlagene Entsorgungskonzept auch die Errichtungeiner Vergärungsanlage für die gesammelten Bioabfälle vor, sobald eine verläßliche Vorher-sage der jährlich erfaßten Mengen möglich sei und falls eine solche Anlage wirtschaftlichbetrieben werden könne.

Page 41: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

41

Die Fraktionen des Dresdner Stadtrates akzeptierten die mit diesen Vorschlägen verbundeneEntsorgungspolitik, wobei insbesondere für die PDS die grundsätzliche Ablehnung einerMüllverbrennungsanlage im Stadtgebiet im Vordergrund stand, während die CDU und dieübrigen Fraktionen in erster Linie die Begrenzung von Gebührenerhöhungen und finanziellenRisiken anstrebten.

Der ZAOE bekräftigte dagegen in 1996 in einer Verbandssitzung durch einen Beschluß seineAbsicht, in Dresden eine MVA zu errichten, wogegen die Stadt als Verbandsmitglied Ein-spruch einlegte.

Im Dezember 1996 beschloß der Dresdner Stadtrat, daß von Gaber vorgeschlagene „inte-grierte Abfallbehandlungskonzept“ zu verwirklichen und sowohl den Bau und den Betriebeiner MBA als auch die Verbrennung der heizwertreichen Fraktion durch die SRD auszu-schreiben zu lassen. Dabei blieb vorerst offen, ob die Verbrennung der verbleibenden Müll-fraktion in der MVA eines anderen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers stattfinden oderob eine als energetische Verwertung rechtlich zulässige Mitverbrennung in einer Industrie-anlage erfolgen sollte. Gleichzeitig beschloß der Stadtrat, zum 1.1.1998 den Austritt aus demZAOE anzustreben (vgl. z.B. Landeshauptstadt Dresden 1998: 31ff.). Da der Regierungsprä-sident als Aufsichtsbehörde eine Ablagerung von unbehandelten Restmüll nur bis zur Mittedes Jahres 2000 genehmigt hatte, war eine zügige Umsetzung der beschlossenen Maßnah-men geboten. Die Errichtung der MBA sollte daher bis 1999 verwirklicht werden.

Der Austritt der Stadt aus dem Verband wurde von den übrigen Verbandsmitgliedern abge-lehnt. Nach ergebnislosen Verhandlungen reichte die Stadt Mitte 1997 einen formellen Aus-trittsantrag ein, der jedoch keine Mehrheit fand. Nach der Verbandssatzung ist für einenAustritt ein 2/3-Mehrheit erforderlich, wobei auf die Stadt Dresden 40% der Stimmenanteileentfallen. Nach der Abstimmungsniederlage legte die Stadt auch gegen diesen BeschlußEinspruch ein, über den die Verbandsversammlung wiederum mit einer 2/3-Mehrheit zu be-schließen hatte. Aufgrund der Dresdner Stimmenanteile konnte die Stadt daher eine Ableh-nung des Einspruchs verhindern. Da die Stadt auch gegen weitere Beschlüsse der Ver-bandsversammlung wie z.B. dem Haushalt 1997 Einspruch eingelegt hatte, da diese demangestrebten Entsorgungskonzept zuwider liefen, war die Arbeit des Zweckverbandes weit-gehend blockiert.

Die Auseinandersetzung um die Mitgliedschaft Dresdens im ZAOE dauerte bis Ende 1998an. Dabei vertraten die politischen Akteure aus der Stadt Dresden die Auffassung, die übri-gen Verbandsmitglieder hätten die Bildung ausreichender Rückstellungen für ihre Deponienversäumt und in der Abfallwirtschaftspolitik keine wirksamen Initiativen ergriffen, die zu einerVerringerung der Abfallmengen führen könnten. Dagegen waren der ZAOE und die übrigenVerbandsmitglieder der Ansicht, die Stadt Dresden habe anfänglich von der Solidarität derübrigen Verbandsmitglieder profitiert, die ihr eine langfristige Entsorgungssicherheit garan-tiert habe, sei jedoch nicht bereit, nun ihrerseits Solidarität zu üben. Die Landesregierungschloß sich der Haltung des ZAOE an und bot sich den Konfliktparteien als Moderator an,um einen Fortbestand der Zusammenarbeit im ZAOE zu erreichen. Signalisiert wurde au-ßerdem, daß die nach der sächsischen Kommunalverfassung notwendige Zustimmung derLandesregierung zum Austritt Dresdens aus dem Zweckverband nicht erteilt werde. Zentra-les Ziel der Landesregierung war es nach Aussagen beteiligter Akteure dabei, einen Präze-

Page 42: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

42

denzfall zu verhindern, der die vom Freistaat Sachsen verfolgte Linie der Bildung vonZweckverbänden zur Entsorgung von Restmüll aus Haushalten gefährdet hätte.

Nach langwierigen Verhandlungen erreichten die Konfliktparteien schließlich einen Kompro-miß, der Ende 1998 zu einem öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen dem ZAOE und derStadt Dresden führte. Darin wurden die Entsorgungspflichten weitgehend vom ZAOE auf dieStadt Dresden zurück übertragen, der ZAOE verzichtet auf die Übertragung der DeponieRadeburger Straße und auf die Errichtung einer MVA in Dresden. Dresden bleibt allerdingsweiterhin Verbandsmitglied, behält im Verband einige finanzielle Verpflichtungen und wirdzukünftig jährlich 20.000t Restmüll über die Entsorgungseinrichtungen des ZAOE beseitigen.Gleichzeitig wurden für den Fall zukünftiger Auseinandersetzungen Prozeduren vereinbart,die eine Blockade der Verbandsarbeit ausschließen sollen.

Mit dieser Lösung haben insbesondere der Freistaat Sachsen und die Stadt Dresden ihreVorstellungen verwirklichen können, da die vereinbarte Regelung in ihrer Substanz nach derAussage eines Akteurs „einem Austritt sehr nahe kommt“, ohne die von der Landesregierungangestrebte Form der regionalen Kooperation offen in Frage zu stellen.

Damit war für die Stadt Dresden der Weg zur Umsetzung des von ihr verfolgten Entsor-gungskonzeptes frei.

Thermische Behandlung der heizwertreichen Fraktion als Königsweg

Nach dem Grundsatzbeschluß vom Dezember 1996, die Errichtung einer MBA und derthermischen Behandlung der heizwertreichen Fraktion durch die SRD ausschreiben zu las-sen, prüften von der Stadt beauftragte Gutachter im Verlauf des Jahres 1998 neun Angebo-te, von denen vier in die Endbewertung kamen. Entscheidungskriterien waren dabei ein Ko-stenansatz von insgesamt 130.- DM/t für die mechanisch-biologische Behandlung und dieenergetische Verwertung, die Umweltverträglichkeit und die Realisierbarkeit. Der Vertrag fürdie vom gesuchten Partner und der SRD gemeinsam zu bildende Betreibergesellschaft sollteüber 15 Jahre laufen.

Im März 1999 beschloß der Stadtrat, daß Angebot der hessischen Firma Herhof anzuneh-men. Danach sollten die SRD und Herhof gemeinsam eine MBA betreiben, wobei die SRDdie Mehrheit der Gesellschafteranteile halten soll. Neben der Lieferung der Anlage über-nimmt die Firma Herhof auch die Gewähr für die weitere Verwertung der von der Anlage se-parierten heizwertreichen Stofffraktion. Diese sollte als stoffliche Verwertung im Sekundär-rohstoff-Verwertungszentrum (SVZ) Schwarze Pumpe erfolgen.

Die Firma Herhof bot bereits seit einigen Jahre Entsorgungsträgern an, Restmüll gezielt fürdie thermische Verwertung aufzubereiten. Dabei sollte der Restmüll in der von der FirmaMABA genannten mechanisch-biologischen Behandlungsanlage zerkleinert, getrocknet undsortiert werden. Etwa die Hälfte der Ausgangsmenge soll als heizwertreiche Fraktion zu la-gerfähigen Pellets gepreßt werden (Trockenstabilat), die als Brennstoff mit einem Heizwertvon ca. 16.000 bis 18.000 KJ/kg eingesetzt werden können. Vorteile werden bei diesemVerfahren wegen seiner Flexibilität in Bezug auf die zu behandelnde Abfallmenge und den

Page 43: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

43

im Vergleich zu einer MVA niedrigen Investitionskosten für Kommunen gesehen, die bislangihre Abfälle noch deponiert haben und keine MVA errichten wollen (Freund 1999: 261ff.).

Die Anlage in Dresden soll die dritte Anlage dieser Art in Deutschland werden. Aus jährlich85.000t Hausmüll sollen 42.500t heizwertreiche Bestandteile separiert, 7.500t Metalle abge-schieden und 12.750t weitestgehend inerte Reste für den Deponiebau verwendet werden.Rund 22.500t der Ursprungsmenge gehen bei der Trocknung als Rotteverlust verloren. DieAnlage soll 40 Mio. DM kosten, 16 Personen beschäftigen und in unmittelbarer Nähe derDeponie errichtet werden.

Bei dem für die Verwertung vorgesehenen SVZ Schwarze Pumpe handelt es sich um ein imLand Brandenburg in der Nähe zum Freistaat Sachsen stehendes ehemaliges Braunkohle-kraftwerk, das zur ersten thermischen Behandlungsanlage in Ostdeutschland umgebautwurde. Bei einer Gesamtkapazität von 450.000 t/a können dort neben DSD-Mischkunststoffen und Sonderabfällen auch Restabfälle verwertet werden. Dabei wird in ei-ner Festbettvergasungsanlage Synthesegas erzeugt, das in einer nachgeschalteten Anlagezu Methanol umgewandelt wird. Dieser Verfahrensweg ist deshalb als stoffliche Verwertunganerkannt. Alternativ dazu kann das Gas auch zur Energieerzeugung im Gasturbinenwerkdes SVZ eingesetzt werden. Nach Angaben des Betreibers unterschreitet die Anlage dieGrenzwerte der 17. BImSchV in den wichtigsten Parametern um 50% (vgl. Gammelin 1999).

Die Behandlungskosten sollen zukünftig insgesamt 166,50 DM/t betragen, weshalb dieDresdner Umweltbehörden im Vergleich zu den vom ZAOE in Aussicht gestellten Konditio-nen von einer Ersparnis von über 95 Mio. DM für die 15-jährige Laufzeit des Vertrages aus-gehen.

Das von dem für die Abfallwirtschaft zuständigen Bürgermeister Gaber initiierte Entsor-gungskonzept genießt bei allen relevanten Akteuren ungeteilten Zuspruch: die Zustimmungreicht dabei von den Umweltverbänden, die insbesondere die mit diesem Konzept erreichteVerringerung der thermisch behandelten Abfallmengen hervorheben, über Bündnis 90 / DieGRÜNEN, die PDS und die SPD bis zur CDU, die neben den ökologischen Vorteilen vor al-lem auf die geringeren wirtschaftlichen Risiken hinweist. Auch die sächsische Landesregie-rung lobte die Dresdner Entsorgungsstrategie nach dem Beschluß für das Trockenstabilat-Verfahren und die Verwirklichung des Betreiber-Modells als beispielhaft.

Damit war es einem Politiker von Bündnis 90 / Die GRÜNEN gelungen, die Entsorgungspoli-tik einer Großstadt in einer entscheidenden Übergangsphase maßgeblich mit zu gestalten.Als im Juni 1999 die dritten Kommunalwahlen nach der Vereinigung abgehalten wurden,bestimmten jedoch andere Themen den Wahlkampf: Die CDU wurde mit 42,8% stärkstePartei vor der PDS mit 24% und der SPD vor 13%. Die GRÜNEN kamen auf 5,8% undmußten damit Verluste hinnehmen. Als Ergebnis der Wahlen konnte die CDU eine Zusam-menarbeit mit der FDP/DSU-Fraktion vereinbaren, die nicht mehr auf die Unterstützung derSPD und der GRÜNEN angewiesen war.

Page 44: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

44

Gebührengerechtigkeit in einem mengenabhängigen Gebührenmodell

Nachdem die Abfallgebühren nach einer Anhebung 1994 stabil geblieben waren, schlug Ga-ber dem Stadtrat für 1998 eine Veränderung des streng mengenabhängigen Gebührensy-stems vor:

Bislang waren für die über ein computergestütztes Identsystem erfaßte Leerung einer 120l-Tonne 5,60 zu zahlen (80l-Tonne: 3,80 DM), wobei auf ein Mindestvolumen verzichtet wur-de. Daneben wurde für die seit 1996 flächendeckend eingeführte Bio-Tonne je Quartal einfester Betrag von 37.- DM für eine 80l-Tonne bzw. 40.- DM für eine 120l-Tonne und 78.- DMfür eine 240l-Tonne berechnet. Etwa 10% der Dresdner Haushalte ließen sich vom Anschlußan die Bio-Tonne befreien und verpflichteten sich zur Kompostierung biologischer Abfälle imeigenen Garten.

Als Ergebnis der bisherigen Regelung hatten nach Feststellung der SRD etwa 2.000 Dresd-ner Haushalte gar keine Gebühren gezahlt, obwohl sie sicherlich ebenfalls Abfälle zu besei-tigen hatten. Um den Anschluß aller Haushalte an die Müllabfuhr sicherzustellen, schlug dasAfAS eine Grundgebühr vor, mit der pro Quartal eine Mindestleerung bezahlt werden sollte.Dabei wurden die Abfallgebühren geringfügig auf 3,70 DM für einen 80l-Behälter, 5,50 DMfür einen 120l-Behälter und 11.- DM für einen 240l-Behälter: Gleichzeitig wurden auch dieQuartals-Gebühren für die Bio-Tonnen gesenkt.

Als Reaktion auf die in dem Gebührensystem enthaltenen Anreize nahm der Anteil der 80l-und 120l-Behälter gegenüber 240l-Behältern und den Großbehältern zu, wodurch das Ge-samtvolumen der aufgestellten Behälter zurückging. Auch die Zahl der abgerechneten Lee-rungen pro Behälter nahm mit Ausnahme der 80l-Tonnen ab.

1999 kündigte Gaber an, daß ab dem Jahr 2000 mit einer deutlichen Steigerung der Abfall-gebühren zu rechnen sei, da die Dresdner Abfallwirtschaft zukünftig jährliche Kosten vonetwa 73 Mio. DM statt bislang 60 Mio. DM zu tragen habe. Im November 1999 wurden dieAbfallgebühren daher deutlich erhöht. Ein 80l-Restmüll-Behälter kostet seitdem 4,80 DM jeLeerung, ein 120l-Behälter 7,20 DM. Dabei wird neben der zu zahlenden vierteljährlichenMindestleerung auch eine Behältergebühr berechnet, die für einen 80l-Behälter 5,25 DM undfür einen 120l-Behälter 5,50 DM kostet. Für die Bio-Tonnen wurden die in Behälter- undEntleerungsgebühren aufgeteilten festen Gebührensätze je Quartal ebenfalls angehoben.Für eine 80l-Tonne sind nunmehr insgesamt 33,85 DM zu zahlen (120l-Tonne: 48,40 DMund 240l-Behälter: 95,40 DM).

Von dem städtischen Gebührensystem gehen dabei deutliche Anreize zur Trennung derAbfälle aus, die allerdings nur den Haushalten zugute kommen, die die Zahl der Leerung derMüllbehälter selbst bestimmen können, da sie über eine eigene Tonne verfügen. 91% der248.000 Dresdner Haushalte wohnen jedoch in Mehrfamilienhäusern und etwa die Hälftealler Haushalte20 wohnt in Großsiedlungen, die vorwiegend an Großbehälter mit einem Vo-lumen von 1,1 Kubikmetern angeschlossen sind. Die Gebühren werden von den vermieten-den Wohnungsbaugesellschaften als Teil der Nebenkosten anteilig nach der Wohnfläche auf

20 Prognose für 2000 in Landeshauptstadt Dresden 1998: 20f.

Page 45: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

45

die angeschlossenen Haushalte umgerechnet. Die einzelnen Haushalte können durch ihrindividuelles Verhalten weder die Zahl der Leerungen noch die Sorgfalt der Mülltrennung fürdie Behälter unmittelbar beeinflussen, so daß ihnen die mit einem mengenabhängigen Ge-bührensystem verbundenen Einsparmöglichkeiten nicht zugute kommen. Dies führt im Er-gebnis dazu, daß an Großbehälter angeschlossene Haushalte in Mehrfamilienhaus-Siedlungen höhere Gebühren zahlen als Haushalte, die über ihre eigenen Müllbehälter ver-fügen (vgl. auch Petrowsky/Osthorst 2000).

Sowohl die politischen Akteuren als auch die Abfallwirtschaftsbehörden der Stadt sehen diehiermit verbundene Subventionierung der anderen Haushalte durch die Bewohner der Groß-siedlungen. Insbesondere die PDS hat im Stadtrat mehrfach Maßnahmen gefordert, die dieUmsetzung mengenbezogener Gebührenabrechnungen auch für Haushalte möglich ma-chen, die an Großbehälter angeschlossen sind und die damit insgesamt ein gerechteres Ab-rechnungssystem zu schaffen.

Das AfAS hat in umfangreichen Hausmüllanalysen zudem ermittelt, daß die Wertstofferfas-sung in den hiervon betroffen Wohngebieten deutlich schlechtere Ergebnisse aufweist als inanderen Wohngebieten, wobei Jahreszeit und Behältergröße entscheidende Faktoren sind(Landeshauptstadt Dresden 1998: 17f.; Bilitewski/Apitz 1997).

Die Stadt hat sich 1997 an einem Förderprogramm des Freistaates Sachsen beteiligt, beidem verschiedenen Verfahren zur Einführung mengenabhängiger Gebührenabrechnungenin Großsiedlungen erprobt werden sollten. Gleichzeitig sollen Sammelsysteme angebotenwerden, die unter den Bedingungen von Großsiedlungen eine Trennung der einzelnen Müll-fraktionen ermöglichen.

Als Ergebnis verschiedener Modellprojekte zeichnet sich ab, daß die gewünschten Zieledurch die Montage sogenannte „Müllschleusen“ auf die Großbehälter erreicht werden kön-nen, bei denen eine Vorrichtung den Einwurf auf eine kleine Menge begrenzt und durchChips oder eine elektronische Erfassung die Kosten dem einzelnen Mieter bzw. Haushaltzuordnet (Apitz 1999: 454ff.). Damit wird eine mengenabhängige Abrechnung auch in Groß-siedlungen möglich. Gleichzeitig wurde deutlich, daß die Erfassung der Wertstoffe sich andie in Ein- und Zweifamilienhaus-Siedlungen erreichten Ergebnisse angleicht.

Probleme entstehen allerdings dadurch, daß die Gebühreneinnahmen der Stadt bei der flä-chendeckenden Einführung dieses Systems zurückgehen und die Fixkosten der Abfallent-sorgung durch zusätzliche Leistungen gleichzeitig steigen werden. Dies würde eine Umver-teilung von finanziellen Lasten zwischen einzelnen Nutzergruppen erfordern, die die gegen-wärtigen Gebührenhöhe und Gebührenstrukturen in Frage stellen. Zudem wären die Kostenfür die Beschaffung und Wartung der „Müllschleusen“ durch die Vermieter zu tragen, die fürdas Vorhaben gewonnen werden müssen (Landeshauptstadt Dresden 1998: 21).

Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt hat das AfAS zwar die Ergebnisse der Modellversucheöffentlich vorgestellt, jedoch noch keine Vorschläge für eine flächendeckende Einführunggemacht. Öffentlich thematisiert wird die Einführung der „Müllschleuse“ regelmäßig von derPDS, die neben verbesserten Sammelergebnissen bei den Wertstoffen von einer höherenGebührengerechtigkeit ausgeht. Die übrigen politischen Akteure sind sich der Problematikzwar bewußt, verhalten sich allerdings abwartend.

Page 46: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

46

Resümee

Die Abfallwirtschaftspolitik in Dresden war nach der Vereinigung der beiden deutschenStaaten vom Aufbau neuer Entsorgungsstrukturen bestimmt. Dabei wurde für den Abfallwirt-schaftsbetrieb eine private Rechtsform gewählt, ohne das damit allerdings eine Privatisie-rung der Müllabfuhr verbunden wurde. Einzelne Leistungen wie Recyclinganlagen werdenjedoch durch private Unternehmen im Auftrag der Stadt betrieben.

Ab 1994 wurde die Abfallwirtschaftspolitik durch langfristig wirksame Entscheidungen überdie zukünftige Entsorgungspolitik maßgeblich durch einen Politiker von Bündnis 90 / DieGRÜNEN bestimmt, der für die von ihm vorbereiteten Vorhaben die Zustimmung aller politi-schen Akteure der Stadt erreichen konnte. Dabei verzichtete die Stadt aufgrund unterschied-licher finanzieller Interessen insbesondere auf die Errichtung einer MVA in Kooperation mitdem umliegenden Landkreisen, mit denen sie im Zweckverband ZAOE zusammengeschlos-sen ist, und entschied sich statt dessen für eine mechanisch-biologische Vorbehandlung mitanschließender energetischer Verwertung der heizwertreichen Anteile des Restmülls in einerauswärtigen Verwertungsanlage.

Der mit dieser Entscheidung verbundene Konflikt mit dem Umland konnte nur durch die Ein-flußnahme des Freistaates Sachsen beigelegt werden, der an stabilen Kooperationsbezie-hungen zwischen den kommunalen Entsorgungsträgern interessiert ist.

Die Gebührenpolitik der von Mehrfamilienhaus-Siedlungen geprägten Stadt ist von einemstreng mengenabhängigen Gebührensystem bestimmt, wobei das Problem der Übertragungdieser Abrechnungsform auf Großsiedlungen noch nicht gelöst ist. Die seit etwa 1998 tech-nisch realisierbare Einführung von „Müllschleusen“ wird gegenwärtig noch nicht betrieben, sodaß faktisch zwei Gebührensysteme nebeneinander bestehen. Das damit verbundene Pro-blem der Gebührengerechtigkeit wird zum Teil von der größten Oppositionspartei PDS the-matisiert.

Page 47: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

47

Duisburg

Die Stadt Duisburg mit ihren 531.000 Einwohnern (1997) liegt im Ruhrgebiet als dem größ-tem deutschen Ballungsraum in unmittelbarer Nachbarschaft zu neun weiteren Großstädten.Der Regierungsbezirk Düsseldorf, zu dem die Stadt gehört, ist mit ca. 5,3 Mio. Einwohnernund ca. 1.000 Einwohnern pro Quadratkilometer der dichtbesiedelste und bevölkerungs-stärkste Bezirk in Deutschland. Wirtschaftlich ist die Stadt von ihrer Geschichte als einemZentrum der Montan-Industrie geprägt: auch wenn der Dienstleistungssektor inzwischen59% der 162.000 Arbeitsplätze anbietet, werden in der Stadt immer noch 45% des deut-schen Roheisens und 33% des Rohstahls erzeugt (1997, Regierungsbezirk Düsseldorf 1998:31).

Die politische Situation war bis zur Kommunalwahl am 12. September 1999 von einer lang-jährigen absoluten Mehrheit der SPD gekennzeichnet.

Die Entsorgungspolitik Duisburgs wird wie die zahlreicher Städte in Nordrhein-Westfalen(NRW) von der Beteiligung der Stadt an einer Verbrennungsanlage bestimmt, deren Ausla-stung angesichts erheblicher Überkapazitäten in der Region problematisch ist. So gehen dieKommunen alleine für die im Regierungsbezirk Düsseldorf vorhandenen sieben MVAs in denkommenden Jahren von Überkapazitäten von 550.000t/a aus (ebenda: 102). Der Förderungder regionalen Kooperation kommt deshalb für die Landesbehörden ein besonders hoherStellenwert zu.

Die Stadt hat bei der Entwicklung ihrer Abfallwirtschaft eine Rechtsformdiskussion geführt,die zur Beibehaltung hoheitlicher Rechtsformen geführt hat. Duisburg gehört zu den Kom-munen, die bislang auf die Einführung einer Bio-Tonne verzichtet hat, was von Umweltver-bänden kritisiert wird.

Für diese Untersuchung sollen insbesondere das Verhältnis der Stadt zur Entsorgungspolitikdes Landes Nordrhein-Westfalen, die Rechtsformdiskussion und der Ausbau der angebote-nen Entsorgungsleistungen im Vordergrund stehen. Ausgangspunkt ist dabei das DuisburgerAbfallwirtschaftskonzept von 1991, das mit zahlreichen Maßnahmen den Beginn einer Mo-dernisierung der städtischen Abfallwirtschaft widerspiegelt.

Entsorgung über die Müllverbrennung

Die Stadt Duisburg beseitigt ihre Siedlungsabfälle seit 1972 in der in Oberhausen stehendenGemeinschaftsmüllverbrennungsanlage Niederrhein (GMVA), die sie gemeinsam mit derNachbarstadt Oberhausen und den zum Kreis Wesel gehörenden Städten Dinslaken, Moersund Voerde betreibt. Anfangs wurde die Anlage von einem Zweckverband betrieben, der1984 jedoch in eine GmbH umgewandelt wurde, an der Duisburg mit 59% der Gesellschaf-teranteile beteiligt ist (Oberhausen mit 25%, die drei kleineren Städte zusammen mit 16%;Stadt Duisburg 1997: 37).

Die GMVA wurde mit einer Kapazität von etwa 500.000t/a für die Beseitigung der in denachtziger Jahren kontinuierlich anwachsenden Mengen an Haus- und Gewerbeabfällen aus-

Page 48: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

48

gelegt. Von 1985 bis 1990 wuchs die in der GMVA verbrannte Abfallmenge von 392.500t auf460.500t um ca. 17% an. In Duisburg nahmen im selben Zeitraum die Siedlungsabfälle von221.500t auf 278.400t um über 25% zu. Diese Abfallmengen wurden zu etwa 90% verbrannt(Stadt Duisburg 1991: 12ff.). Zwischen 17% und 23% der verbrannten Müllmengen wurdenin diesem Zeitraum von Gewerbebetrieben an die GMVA geliefert.

Duisburg gehörte im Bundesdurchschnitt stets zu den Kommunen mit den höchsten Müll-mengen pro Einwohner. So fielen in der Stadt 1985 326,3 Kg/E Hausmüll an (1990: 375,6Kg/E), während der Bundesdurchschnitt bei 244,4 Kg/E lag (1985) (ebenda: 15)

Die ursprünglich aus einem umgerüsteten Kraftwerk entstandene Anlage wurde mehrfachmodernisiert und den verschärften gesetzlichen Bestimmungen entsprechend nachgerüstet.So wird seit 1988 bzw. 1990 die Abwärme der GMVA von der Energieversorgung Oberhau-sen zur Strom- und Fernwärmeerzeugung genutzt. 1994 bis 1996 wurden Filteranlagen ein-gebaut, die die Einhaltung der Grenzwerte der 17. BImSchV gewährleisten. Außerdem wur-den zwei der insgesamt drei Kessel 1995/1996 erneuert, ein dritter soll folgen. Damit wurdenbis 1996 520 Mio. DM in die Umrüstung der GMVA investiert (Entsorgungsbetrieb Duisburg1996b: 99).

Außer der GMVA nutzt Duisburg in geringem Umfang auch die Deponien benachbarterStädte und Landkreise zur Abfallbeseitigung, wobei insbesondere die Zentraldeponie Em-scherbruch in Gelsenkirchen für die Ablagerung von Bauabfällen und bei Betriebsstörungender GMVA bedeutsam ist (1990: 26.500t; 1994: 14.500t; 1997: 2.300t21).

Neben diesen üblichen Formen der Abfallbeseitigung betreibt die Stadt Duisburg seit Endeder fünfziger Jahre auch das Kompostwerk Huckingen, das ursprünglich die Siedlungsabfällevon 150.000 Haushalten zu landwirtschaftlich verwertbaren Kompost verarbeiten sollte. BisEnde der achtziger Jahre wurden jährlich mehrere Tausend Tonnen Hausmüll zusammenmit Grünabfällen aus öffentlichen Anlagen in dem Werk verarbeitet und als Filtermaterialverwendet. Inzwischen werden in der Anlage nur noch Grünabfälle kompostiert (Stadt Duis-burg 1991: 46ff.).

Modernisierung der Abfallwirtschaft ab 1991

In dem im Juli 1991 vorgelegten „Abfallwirtschaftskonzept für Duisburg“ (Stadt Duisburg1991) wird angesichts wachsender Abfallmengen der Verbrennung trotz der Kritik von Um-weltschützern weiterhin Priorität eingeräumt. Gleichzeitig sollen jedoch auch Maßnahmenergriffen werden, um ein weiteres Anwachsen der Müllmengen zu verhindern:

• So sieht das Konzept den Aufbau einer Abfallberatung und eines Abfallkatasters vor.

• Die Erfassung der Wertstoffe Glas, Papier und Textilien sollte deutlich ausgebaut wer-den. Daneben sollten weitere Wertstoffe wie Kunststoffe und Metalle erfaßt werden.

21 Die Menge der deponierten Abfälle wird dabei erheblich von Faktoren wie der Baukonjunktur beeinflußt undunterliegt deshalb starken Schwankungen.

Page 49: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

49

• Für die Hausmüllabfuhr wurde die Einführung neuer Roll-Behälter beschlossen, die denHaushalten auch mit verschiedenen Volumen angeboten werden können. Gleichzeitigwurde die Prüfung einer neuen Gebührenstruktur gefordert, die umweltgerechtes Ver-halten der Haushalte fördert.

• Bio-Abfälle aus Haushalten sollten versuchsweise in einem Stadtteil erfaßt werden. Fürdie Verwertung dieser Abfälle wurde der Bau eines neuen Kompostwerkes geplant.

• Bauabfälle sollten zukünftig verstärkt aufbereitet werden. Hierfür waren neben der Er-richtung entsprechender Anlagen satzungsmäßige Regelungen notwendig.

Mit diesem Maßnahmenkatalog spiegelt sich im Abfallwirtschaftskonzept 1991 der Umbruchvon einer nur auf die Erfassung und Beseitigung gerichteten städtischen Abfallwirtschaft zueiner Steuerung der Abfallströme wieder, die auf die Verringerung und Verwertung der Müll-mengen zielt. Das Abfallwirtschaftskonzept folgte damit den im AbfG von 1986 und der zu-gehörigen Landesgesetzgebung formulierten Zielsetzungen (ebenda: 6ff.).

In den folgenden Jahren wurde die Erfassung von Wertstoffen deutlich ausgebaut. Während1990 noch 12.000t Glas und Papier gesammelt wurden, wurde diese Menge bis 1994 auf25.000t gesteigert. Dabei bemühten sich die Entsorgungsbetriebe darum, auch bei Gewer-betrieben Wertstoffe zu akquirieren. Als nach dem Inkrafttreten der Verpackungsverordnung1993 die Sammlung der Wertstoffe über das Duale System finanziert wurde, wurde dasDuisburger Amt für Stadtentsorgung und Wasserwirtschaft Vertragspartner der DSD AG. Umdie Leistungen für das Duale System von den über Gebühren finanzierten Tätigkeiten ab-grenzen zu können, waren allerdings organisatorische Veränderungen in der Betriebsfüh-rung notwendig, die zur Einrichtung eines eigenständigen Betriebsteiles „Wertstoffe“ führten(siehe unten). Die Finanzierung der Wertstoff-Erfassung über das Duale System22 führte zueiner weiteren Steigerung der gesammelten Mengen auf 47.700t Glas und Papier sowie fast12.000t Verpackungsabfälle in 1997. Ab 1994 begannen die Entsorgungsbetriebe zudem mitder getrennten Erfassung von Elektro-Großgeräten. Zusätzlich wurden noch 8.000t Schrottgesammelt, so das 1997 insgesamt 68.000t Wertstoffe getrennt erfaßt wurden.

Jährlich fallen in Duisburg zwischen 400.000t und 500.000t Baurestmassen an, die bereitsseit Mitte der achtziger Jahre von vier Privatfirmen aufbereitet werden. Die Recyclingquotebei diesen Stoffen konnte von etwa 85% in 1990 auf fast 100% ab 1996 gesteigert werden,so daß nur geringe Mengen über öffentliche Abfallbeseitigungsanlagen beseitigt werdenmüssen.

Zum 1.1.1994 veränderte die Stadt ihr Müllgebührensystem, um den Haushalten über einenauf das genutzte Behältervolumen bezogenen Rechnungsbetrag einen Anreiz zur Sortierungihres Hausmülls zu geben. Bislang wurde pro Haushaltsmitglied ein Behältervolumen vonmindestens 30l pro Woche berechnet. Nach dem neuen „ökologischen Gebührensystem“wurden die Gebühren nach Behältergröße gestaffelt, wobei die Haushalte neben den übli-chen 120l-Behältern auch auf die neu eingeführten 80l-Rolltonnen zurückgreifen konnten.

22 75% der Kosten für die Verwertung von Altpapier werden allerdings nicht vom Dualen System finanziert, son-dern über den Gebührenhaushalt. Die steigenden Altpapiermengen führten daher auch zu entsprechend steigen-den Kosten für den städtischen Gebührenhaushalt.

Page 50: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

50

Außerdem konnte statt einer wöchentlichen Leerung nun auch die zweiwöchentliche Leerungder Behälter gewählt werden. Zudem bestand die Möglichkeit, auf den bislang üblichen Ser-vice des Raustragens der Behälter durch die Müllwerker zu verzichten und hierdurch Gebüh-ren zu sparen.

Obwohl die Abfallsatzung weiterhin ein Behältervolumen von mindestens 20l pro Woche proHaushaltsmitglied vorschrieb, nutzten die Bürger zunehmend die Möglichkeit, durch die Sor-tierung ihres Hausmülls und die Wahl eines kleineren Müllbehälters Gebühren zu sparen. Sogingen die Entsorgungsbetriebe seit 1994 jährlich von einer Verringerung des aufgestelltenBehältervolumens zwischen 1% und 3% aus. Eine Mehrzahl der Haushalte verzichtete zu-dem auf den Service des Raustragens der Müllbehälter. Ein erheblicher Anteil der Haushalteist allerdings zusammen mit anderen Haushalten an Großbehälter mit einem Volumen von660l, 770l oder 1.100l angeschlossen und kann die Größe des von ihnen bezahlten Behäl-tervolumens daher nicht direkt beeinflussen23.

Vor allem die GRÜNEN forderten weitergehende Lösungen und schlugen in ihrem Pro-gramm für die Kommunalwahlen 1994 die Einführung eines streng verbrauchsabhängigenGebührensystems vor, das sich auf ein elektronisches Erfassungssystem stützen sollte. Ent-sprechende Lösungen sollten auch für die an Großbehälter angeschlossenen Haushalte ge-funden werden. Nachdem bei diesen Kommunalwahlen die SPD jedoch mit 58% der Stim-men über eine deutliche absolute Mehrheit verfügte, waren diese Vorstellungen nicht mehr-heitsfähig.

Die städtische Abfallwirtschaft unternahm auch Anstrengungen, über eine verstärkte Abfall-beratung, mehrsprachige Öffentlichkeitsarbeit und Pilotprojekte in Schulen den Umgang mitAbfällen bei den Bürgern zu verändern. Außerdem wurden sechs Wertstoffhöfe im Stadtge-biet eingerichtet.

Als Ergebnis der verschiedenen abfallwirtschaftlichen Maßnahmen nahmen die von derMüllabfuhr erfaßten Restmüllmengen deutlich ab: Während die Restmüllmengen von201.000t in 1990 bis 1994 noch auf 204.500t leicht anstiegen, gingen sie 1995 auf 187.700tund bis 1997 auf 165.500t zurück. Obwohl die Stadt dadurch mit 312 Kg/E in 1997 weiterhinim Vergleich zu anderen Kommunen sehr hohe Müllmengen pro Einwohner aufwies, konntesie doch mit den deutlichsten Rückgang aller nordrhein-westfälischen ÖRE verzeichnen(Friedrich 1999: 151).

Nach dem Inkrafttreten des KrWG gingen auch die direkt von Gewerbebetrieben an dieGMVA gelieferten Müllmengen von jährlich etwa 63.000t (1994 und 1995) über 38.000t in1996 auf 32.000t in 1997 zurück. Die insgesamt von der Stadt Duisburg in der GMVA ent-sorgten Müllmengen verringerten sich daher von 305.000t in 1994 auf 209.000t in 1997.

Im Abfallwirtschaftskonzept 1991 kündigte die Stadt Duisburg außerdem die Einführung dergetrennten Sammlung biologischer Abfälle aus Haushalten an. Beabsichtigt war, den Ver-such in einem Stadtteil mit offener Mehrfamilienhaus-Bebauung durchzuführen, da hier we-

23 Etwa 50% des aufgestellten Behältervolumens entfällt nach den Gebührenbedarfsberechnungen der Stadt aufdie Großbehälter. Dabei ist zu berücksichtigen, daß diese Behälter auch von Geschäften und kleineren Gewerbe-betrieben genutzt werden.

Page 51: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

51

der ein Konflikt mit der in Einfamilienhaus-Siedlungen betriebenen Eigenkompostierung nochProbleme mit den in dichtbesiedelten Innenstadtgebieten gegebenen Bedingungen24 erwar-tet wurden (Stadt Duisburg 1991: 142ff.). Nach der Ausweitung der Sammlung auf weitereStadtteile sollten die Bioabfälle in einem neuen Kompostwerk verarbeitet werden. Die Vorbe-reitungen für die Biomüll-Sammlung wurden jedoch eingestellt, weil die Verwaltung zu demSchluß kam, daß die überwiegend hochverdichtete Bebauung der Stadt eine getrennte Er-fassung dieser Müllfraktion nicht zulassen würde und im großstädtischen Umland der Absatzdes erzeugten Kompostes nicht gewährleistet werden könnte.

Diese Haltung war wiederholt Gegenstand politischer Kritik. So wiesen die GRÜNEN daraufhin, daß andere Städte des Ruhrgebietes trotz ähnlicher Bedingungen dennoch mit derSammlung von Bioabfällen begonnen hätten und vermuteten als Hintergrund, daß der MVAkeine weiteren Abfallmengen entzogen werden sollten. Auch der BUND kritisierte die Hal-tung der Stadt und erteilte in einem 1997 vorgestellten Vergleich der Abfallpolitik deutscherStädte Duisburg auch aufgrund der fehlenden Biomüll-Verwertung eine relativ schlechteNote.

Das seit 1996 von der GRÜNEN Ministerin Bärbel Höhn geleitete nordrhein-westfälischeMinisterium für Umwelt und Raumordnung (MURL) hat bei der Erstellung des 1999 erschie-nen Berichtes über die Abfallwirtschaft des Bundeslandes die für die Biomüll-Sammlung be-stehenden Rahmenbedingungen verglichen und hebt hervor, daß dieser Verwertungswegauch für stark verstädterte Gebiete möglich sei (MURL 1999: 39ff.). Aus dem 1998 verab-schiedeten neuen Landesabfallgesetz ergebe sich zukünftig sogar die Verpflichtung, auchbiogene Abfälle getrennt zu erfassen (MURL 1999: 40). Da die Restmüllmengen dort amgeringsten seien, wo die Bio-Tonne flächendeckend angeboten werde und der Preis für dieKompostierung unter den Kosten für die Verbrennung liege, forderte die Ministerin die bisherzögernden Kommunen auf, ihren Widerstand gegen die Biomüll-Sammlung aufzugeben.

In Duisburg wurde ein Pilotversuch in einem Stadtteil nach veränderten Mehrheitsverhältnis-sen im Stadtrat für den Herbst des Jahres 2000 angekündigt.

Reorganisation der Entsorgungsbetriebe

Durch die Übernahme der Leistungen für das Duale System durch das Amt für Stadtentsor-gung wurde für diesen Aufgabenbereich eine gesonderte Abrechnung der erbrachten Lei-stungen notwendig, um die Tätigkeit als Vertragspartner der DSD AG von den durch Gebüh-ren finanzierten hoheitlichen Tätigkeiten der Abfallentsorgung zu trennen. Außerdem warenerhebliche organisatorische Veränderungen erforderlich, um in diesem Tätigkeitsbereichwettbewerbsfähig zu sein. Trotzdem entschloß sich die Stadt mit Unterstützung durch dieArbeitnehmervertretung, diesen Aufgabenbereich zu übernehmen und ihn nicht privaten Ent-sorgungsfirmen zu überlassen. Die Durchführung der DSD-Sammlung durch die DuisburgerAbfallwirtschaft wurde damit zum Auslöser für eine politische Diskussion über die zukünftigeRechtsform der städtischen Entsorgungseinrichtungen.

24 Keine Stellfläche für die Biotonnen, fast ausschließlich schwer kompostierbare Küchenabfälle, hoher Ver-schmutzungsgrad durch Fehlwürfe.

Page 52: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

52

Die Stadt beauftragte 1992 einen Unternehmensberater, die Wettbewerbsfähigkeit sowie dieOptimierungs- und Rationalisierungspotentiale des Amtes für Stadtentsorgung zu untersu-chen. Dabei wurde insbesondere von der SPD deutlich gemacht, daß bei einer Veränderungder Rechtsform die Verpflichtungen gegenüber den Beschäftigten und die politische Kon-trolle über die Abfallentsorgung von zentraler Bedeutung sein würden. Außerdem solltenfinanzielle Belastungen durch die Restrukturierung vermieden werden und die organisatori-sche Einheit der Entsorgungseinrichtungen gewahrt bleiben.

Als Ergebnis der Überlegungen wurde 1993 beschlossen, das bisherige Amt für Stadtentsor-gung und Wasserwirtschaft zum 1.1.1994 als „optimierten Regiebetrieb Entsorgungsbetriebeder Stadt Duisburg“ zu führen.

Damit sollte versucht werden, die Entsorgungsbetriebe auch weiterhin eng an die wirtschaft-liche Betätigung der Stadt zu binden, die sich dabei als „Konzern Stadt Duisburg“ verstand,und gleichzeitig privatwirtschaftliche Elemente in die Organisationsstrukturen einzuführen.So wurden verschiedene Aufgabenbereiche eingerichtet, für die ein betriebswirtschaftlichesControlling eingeführt wurde. Neben den Bereichen Abfall und Wertstoffe waren dies vorallem Abwasser, Straßenreinigung und Fuhrpark. Die politische Kontrolle sollte über einenneu eingerichteten Ausschuß für Entsorgungsbetriebe ausgeübt werden. Im Ergebnis wur-den die Entsorgungsbetriebe daher wie ein Eigenbetrieb organisiert, verfügten jedoch nichtwie dieser über ein eigenes, vom städtischen Haushalt getrenntes Vermögen.

Gegen privatrechtliche Rechtsformen sprachen neben dem erklärten Widerstand der Arbeit-nehmervertretung die Umsatzsteuerpflicht der dann entstehenden Leistungsbeziehung zwi-schen dem Unternehmen und der Stadt, die zu erheblichen Gebührenerhöhungen geführthätte. Alle betriebswirtschaftlichen Ziele ließen sich dagegen aus der Sicht der Verwaltungauch mit hoheitlichen Rechtsformen erreichen (Stadt Duisburg 1995a).

In den folgenden Jahren unternahmen die Entsorgungsbetriebe erhebliche Anstrengungen,ihre Wirtschaftlichkeit zu verbessern und die Betriebskosten zu senken. So führte der Be-triebsbereich Abfall Fahrzeuge mit neuen Schüttsystemen ein, veränderte Touren und ein-zelne Leistungen wie die Sperrmüllsammlung und setzte gegenüber den Arbeitnehmern ver-änderte Arbeitsbedingungen durch, die eine Steigerung der Produktivität erlaubten (van Wik-keren 1997; Entsorgungsbetriebe Stadt Duisburg 1996b: 84).

Die damit einher gehenden Leistungsverdichtungen stellten aus der Sicht der Beschäftigteneine erhebliche Belastung dar. Arbeitnehmervertreter wiesen auch darauf hin, daß die Sen-kung der Personalkosten durch die Nichtbesetzung offener Stellen erreicht würde, die bei-spielsweise bei der Kanalreinigung langfristig negative Folgen haben könnte.

Insgesamt versuchte die Betriebsleitung, das Personal der Entsorgungsbetriebe im Abfallbe-reich wie auch in den anderen Betriebsteilen geringfügig zu reduzieren: während 1995 1.079Personen beschäftigt wurden, waren für 1999 noch 1.029 Beschäftigte vorgesehen.

1996 beschloß die Stadt, die Entsorgungsbetriebe zum 1.1.1997 in eine „Eigenbetriebsähnli-che Einrichtung“ umzuwandeln, um dem Betrieb die Finanzierung von Investitionen überKredite zu ermöglichen, die bei einer Bindung des Betriebes an den städtischen Haushaltnicht möglich wäre. Die mit einer Privatisierung verbundenen Folgen wurden sowohl von der

Page 53: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

53

SPD als auch in dem vorbereitenden Gutachten weiterhin negativ beurteilt. Überlegungen inder CDU, mehr wirtschaftliche Initiative durch die Bildung einer GmbH mit privater Beteili-gung zu erreichen, waren angesichts der bestehenden Mehrheitsverhältnisse ohne Chance.

Bei den Kommunalwahlen im Herbst 1999 erhielt die SPD 45,3% der Stimmen und verlordamit ihre absolute Mehrheit im Rat. Nach anfänglichen Verhandlungen mit der CDU(41,5%) ging die SPD eine Zusammenarbeit mit den GRÜNEN (6%) ein. Dabei verabredetendie beiden Fraktionen, die Abfallentsorgung weiterhin als städtische Einrichtung zu betreibenund sie innerhalb der Legislaturperiode nicht aus der Hand zu geben. Vereinbart wurde au-ßerdem, nunmehr im Herbst 2000 die Biomüll-Sammlung in einem Stadtgebiet mit überwie-gender Ein- und Zweifamilienhaus-Bebauung als Modellversuch durchzuführen und danachüber eine Einführung dieses Sammelsystems in der gesamten Stadt zu beschließen. Dabeisollte auf eine Quersubventionierung der Bio-Tonne aus den Restmüllgebühren verzichtetund die auf freiwilliger Basis stattfindende Nutzung mit einer kostendeckenden Gebühr be-legt werden.

Kostendruck durch die Müllverbrennung

Trotz der erheblichen Anstrengungen zur Leistungssteigerung der Entsorgungsbetriebemachten die steigenden Entsorgungskosten 1994, 1995, 1996 und 1997 Gebührenanhebun-gen von jeweils 6% bis 8% notwendig. Die Gebühren für einen 80l-Behälter mit wöchentli-cher Leerung ohne Service stiegen dadurch von 282.- DM (1994) über 302.- DM (1995) und326.- DM (1996) auf 352.- DM in 1997. Dabei differenzierten die Entsorgungsbetriebe ab1996 außerdem zwischen den Service-Stufen „normaler Service“ und „erhöhter Service“. DieGebührenanhebungen für die nur 14-tägig geleerten Behälter fielen dabei 1996 und 1997höher aus, da die über die Gebühren abgedeckten Ausgaben für kostenlose Dienste wieSperrmüll und Abfallberatung als Grundkosten in diesen Gebührenansätzen angemessenberücksichtigt werden sollten.

Hauptgrund für die steigenden Entsorgungskosten waren die aus der Duisburger Beteiligungan der GMVA-Niederrhein resultierenden anteiligen Ausgaben für den Betrieb der GMVA, dieMitte der neunziger Jahre für mehr als 500 Mio. DM modernisiert werden mußte. Als Folgedieser erheblichen Investitionen stieg der Anteil Duisburgs an den Betriebsausgaben vonjährlich knapp 22 Mio. DM in 1992 auf 51 Mio. DM in 1994 und 58 Mio. DM in 1997.

Auch bei den gesonderten Dienstleistungen, die wie die Sperrmüllabfuhr den Bürgern ko-stenlos angeboten werden, stellen die Entsorgungsbetriebe seit 1990 eine Steigerung derBetriebsausgaben von 11,1 Mio. DM auf 16,9 Mio. DM in 1995 fest.

Die Personalaufwendungen blieben zwischen 1994 und 1998 mit jeweils rund 27,8 Mio. DMfaktisch konstant. Ihr Anteil an den gesamten Entsorgungskosten ging dadurch deutlich zu-rück. Damit wird deutlich, daß die Entsorgungsbetriebe erfolgreich die Personalaufwendun-gen als „selbst beeinflußbare Kostengrößen“ (Stadt Duisburg 1994: 3) nutzten, um die Aus-gabensteigerungen durch die anderen Faktoren so weit wie möglich aufzufangen.

Die Verwaltung stellte anläßlich der Gebührenerhöhung 1996 fest, daß die Bürger ange-sichts der steigenden Grundkosten des Abfallentsorgungssystems ihre Entsorgungskosten

Page 54: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

54

immer weniger selbst beeinflussen könnten. Statt für die von ihnen zunehmend praktizierteMülltrennung durch sinkende Gebühren belohnt zu werden, würden sie Gebührenanhebun-gen hinnehmen müssen, weil die steigenden Aufwendungen auf eine sinkende Abfallmengeverteilt werden müßten (Stadt Duisburg 1995b: 3). In der Folge versuchten die Entsorgungs-betriebe daher, durch eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit die Ursachen für die steigendenGebühren transparent zu machen und wiesen in ihren Anschreiben an die Bürger ständigdarauf hin, daß die Verbrennungskosten 55% der gesamten Entsorgungskosten verursachenwürden, während die Ausgaben für die Müllsammlung nur einen Anteil von 24% ausmachenwürden.

Dabei gingen die von der Stadt Duisburg an die GMVA angelieferten Restmüllmengen deut-lich zurück (siehe oben) und infolge des Kreislaufwirtschaftsgesetzes nahmen ab 1996 auchdie an der GMVA angelieferten Mengen an Gewerbemüll deutlich ab. Zum 1.4.1997 wurdenaußerdem die zum Kreis Wesel gehörenden Städte Dinslaken, Moers und Voerde trotz ihrerBeteiligung an der GMVA vom Landkreis Wesel als Entsorgungsträger verpflichtet, die ge-sammelten Müllmengen an die Entsorgungsanlagen des Landkreises anzuliefern, um derenAuslastung sicherzustellen. Dadurch sanken die von den Gesellschafter-Städten angeliefer-ten Müllmengen 1997 auf 275.000t ab.

Die Auslastung der erneuerten Anlage war damit durch die veränderten Rahmenbedingun-gen zu einem Problem geworden. In einer Prognose für das Abfallwirtschaftsprogramm 1998des Regierungsbezirks Düsseldorf gingen die an der GMVA beteiligten Städte bei einer Ka-pazität von nunmehr 580.000t/a langfristig von freien Kapazitäten von 270.000t/a aus. DieseMenge verringerte sich allerdings um ca. 100.000t/a, da der Kreis Kleve 1995 beschloß, mitder GMVA zu kooperieren und ab dem 1.1.2000 seinen Restmüll in der Anlage verbrennenzu lassen. Im gesamten Regierungsbezirk stellte die Bezirksregierung in allen MVAs selbstbei der vollständigen Verbrennung aller Restabfälle im Bezirk freie Kapazitäten von minde-stens 350.000t/a bis 550.000t/a fest (Bezirksregierung Düsseldorf 1998: 101).

1996 schloß die Betreibergesellschaft mit dem Entsorgungsunternehmen Trienekens dahereinen Vertrag, in dem sich die Firma zur Anlieferung von jährlich 150.000t an die GMVA ver-pflichtete25. Zur Vorbereitung der energetischen Verwertung von gewerblichen Abfällen ist1998/99 eine Vorbehandlungsanlage errichtet worden, die einen hohen Heizwert der ange-lieferten Abfälle sicherstellen soll. Nachdem auf dem Entsorgungsmarkt inzwischen jedochbereits deutlich niedrigere Verbrennungspreise angeboten wurden, setzte Trienekens ge-genüber der GMVA einen niedrigeren Preis durch, was für die Gesellschaft erhebliche Ein-nahmeverluste im Vergleich zum bestehenden Vertrag bedeutet.

Um eine dauerhafte Auslastung der GMVA sicherzustellen, diskutieren die Mitglieder derAufsichtsgremien der Betreibergesellschaft seit 1998, ob die Beteiligung eines privaten Ent-sorgungsunternehmens an der Gesellschaft vorteilhaft ist und neben zusätzlichem Gewer-bemüll der Gesellschaft auch einen Gewinn an Handlungsfähigkeit bringt. Zudem ist inzwi-schen erkennbar, daß die drei kleineren an der GMVA beteiligten Städte ihre Beteiligungenabgeben werden, nachdem ihnen eine Mitbenutzung der Anlage aufgrund der Haltung ihres

25 Konkrete Angaben über Zeitpunkte und Verbrennungspreise wurden nicht veröffentlicht und auch von ver-schiedenen Gesprächspartnern verweigert.

Page 55: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

55

Landkreises nicht mehr möglich ist. Seit Ende 1999 sucht die GMVA einen Käufer für bis zu49% der Gesellschaftsanteile.

Abfallpolitik in Nordrhein-Westfalen

Nordrhein-Westfalen (NRW) als Bundesland mit der größten Bevölkerung und dem Ruhrge-biet als größtem deutschen Ballungsraum verfügt auch über die größte Konzentration vonMüllverbrennungsanlagen: 1997 beseitigten die 15 nordrhein-westfälischen MVAs 3,5 Mio. tHaus- und Gewerbemüll - in ganz Deutschland haben im selben Jahr rund 50 Verbren-nungsanlagen ca. 10 Mio. t Haus- und Gewerbemüll verbrannt (Bilitewski/Urban 1999: 109).Insbesondere von den ländlichen Kreisen des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen wurdenjedoch weitere 3,3 Mio. t Siedlungsabfälle deponiert (Friedrich 1999: 136). Damit bestandenauch die in zahlreichen deutschen Müllverbrennungsanlagen infolge des KrWG zu beob-achtenden Auslastungsprobleme in NRW in besonderem Maße, während gleichzeitig zahl-reiche Entsorgungsträger noch über keine TASi-gerechten Behandlungsanlagen verfügten.

Um die Auslastung der bestehenden Anlagen zu sichern, ließ das MURL bei der Erstellungdes Statusberichtes Abfallwirtschaft vom Ifeu-Institut ein Konzept für Kooperationen zwi-schen den Entsorgungsträgern erarbeiten, das insbesondere die räumliche Nähe bei Koope-rationen berücksichtigt und konkrete Abfallmengen konkreten Behandlungsanlagen zuord-net. Die erarbeiteten Vorschläge sollten den beteiligten Kommunen als Diskussionsgrundla-ge dienen (Friedrich 1999). Mit den so gemachten Vorgaben wollte das Land dem vom Um-weltministerium moderierten Interessenausgleich zwischen den Entsorgungsträgern mit Ver-brennungskapazitäten und den Deponiebetreibern einen verbindlicheren Charakter geben.

In der Haltung zur TASi hatte sich mit dem Beginn der rot-grünen Zusammenarbeit in derLandesregierung ein grundsätzlicher Politikwechsel vollzogen: Bis 1996 hatte sich die SPD-Landesregierung – anders als z.B. Niedersachsen - mit ihrem Umweltminister Matthiesen inder bundespolitischen Diskussion um die Gestaltung der TASi für eine alleinige Verbren-nungslösung eingesetzt. In einem Erlaß hatte der sozialdemokratische Umweltminister sogardie Verkürzung der in der TASi vorgesehenen Übergangsfrist bis 2005 auf das Jahr 1999vorgesehen (Lamping, Lauer-Kirschbaum, Plaß 1996: 170ff.).

Mit dem Eintritt der GRÜNEN in die Landesregierung und der Übernahme des MURL ver-suchte die rot-grüne Landesregierung dagegen, in der bundesweiten Debatte um die An-wendung der TASi den Entsorgungsträgern ohne Verbrennungsanlagen Spielräume für dieErrichtung mechanisch-biologischer Behandlungsanlagen (MBAs) offen zu halten und formu-lierte hierfür 1998 einen Leitfaden, der Standards für die Genehmigung von MBAs definierte.Diese Haltung wurde von zahlreichen nordrhein-westfälischen MVA-Betreibern kritisiert. Einvon diesen Städten in Auftrag gegebenes Gutachten von Prof. Bilitewski sah insbesonderefür den Regierungsbezirk Düsseldorf angesichts der bestehenden MVA-Überkapazitäten(siehe oben) keinen Bedarf an MBAs, die nur die Entsorgungskosten weiter erhöhen würden(Staeck 1999c: 17).

Gleichzeitig versuchte das Land auch, über das im November 1998 als Ausführungsgesetzzum KrWG erlassene Landesabfallgesetz Einfluß auf die Abfallwirtschaftspolitik der Kommu-

Page 56: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

56

nen zu nehmen und insbesondere die Verwertung biogener Abfälle durch die getrennteSammlung von Biomüll zu fördern. So wurde die Verwertung dieser Abfallfraktion ausdrück-lich als gesetzliches Ziel der Abfallwirtschaft definiert (§1(1)7 LAbfG). In der Absicht, denKommunen „das voneinander Lernen“ zu ermöglichen (Höhn im Kölner Stadt Anzeiger vom3.8.1999), erweiterte das MURL auch den neuen Abfallwirtschaftsplan des Landes zu einerumfassenden Darstellung der abfallwirtschaftlichen Situation, die auch die einzelnen Kom-munen miteinander verglich.

Als bundesweit bedeutsam galt auch die Entscheidung des Landes NRW, im neuen Abfall-gesetz den Kommunen bei der Festlegung ihres Gebührensystems Freiräume zu belassen.Insbesondere sollte weiterhin eine weitgehende Finanzierung aller Entsorgungsleistungenüber die Restmüllgebühr wie z.B. die Quersubvetionierung der Bio-Tonne möglich sein.

Kritik lösten einzelne Vorschriften des Gesetzes bei der privaten Entsorgungswirtschaft undden Wirtschaftsverbänden aus, die das Prinzip der örtlichen Nähe und die Pflicht, Abfälle amAnfallort getrennt zu halten, ablehnten. Beide Regelungen würden aus ihrer Sicht die Betäti-gung von Entsorgungsunternehmen behindern. Die niederrheinische IHK in Duisburg sahhierin den Versuch der Landesregierung, der von der CDU/FDP-Bundesregierung beabsich-tigte Liberalisierung der Abfallwirtschaft durch Landesrecht entgegenzusteuern (IHK-NRW1998). Insgesamt erkannten Vertreter der Entsorgungswirtschaft das Gesetz allerdings alsausgewogen an (Cosson 1999a).

Resümee

Die Entsorgungsinfrastruktur der Stadt wird von der gemeinsam mit Nachbarstädten betrie-benen Verbrennungsanlage bestimmt. Infolge der seit 1996 verringerten Gewerbemüllmen-gen und erheblicher Investitionen für die Modernisierung der Anlage sind die Kosten für dieMüllentsorgung in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen.

Als Reaktion auf die in den achtziger Jahren gestiegenen Müllmengen und das veränderteUmweltbewußtsein hat die Stadt 1991 ein Abfallwirtschaftskonzept entwickelt, das nebeneinen deutlichen Ausbau der Wertstofferfassung zahlreiche abfallpolitische Modernisierun-gen vorsah.

In den folgenden Jahren wurden die in dem Konzept entwickelten Maßnahmen umgesetzt,wobei die Stadt allerdings die vorgesehene Kompostierung biologischer Abfälle nicht ver-wirklichte. Während die Stadt dies mit den Bedingungen der großstädtischen Siedlungs-strukturen begründete, sehen Umweltschützer hierin die Wirkung einer auf die Müllverbren-nung ausgerichteten Beseitungsphilosophie. Aufgrund veränderter politischer Mehrheitsver-hältnisse in der Stadt wurde inzwischen die Durchführung eines Modellversuchs vereinbart.

Die Erfassung des Biomülls ist dabei auch in anderen Kommunen Nordrhein-Westfalens um-stritten: während insbesondere im Ruhrgebiet zahlreiche Städte die Einführung diesesSammelsystems ablehnen, versuchen vor allem Politiker der GRÜNEN auf der Ebene desLandes und der Kommunen seine Einführung durchzusetzen.

Page 57: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

57

Das Gebührensystem in Duisburg wurde von einer reinen Anschlußgebühr auf einen auf dasBehältervolumen bezogenen Maßstab umgestellt, von dem eine moderate Steuerungswir-kung ausgeht.

Bei der Entwicklung der Entsorgungsbetriebe bestand die in der Duisburger Kommunalpolitikmaßgebliche SPD bislang auf der Beibehaltung öffentlich-rechtlicher Rechtsformen, um derStadt die politische und wirtschaftliche Kontrolle über diese Versorgungsleistung zu erhalten.Auch in diesem Rahmen waren bei den städtischen Entsorgungsbetriebe erhebliche Ratio-nalisierungen möglich.

Die Müllverbrennung wird dagegen bereits seit Mitte der achtziger Jahre in privater Rechts-form betrieben, wobei die Gesellschaftsanteile bislang vollständig in kommunaler Hand wa-ren. Gegenwärtig wird aufgrund der Auslastungsprobleme der Anlage eine Beteiligung pri-vater Entsorgungsunternehmen angestrebt.

Page 58: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

58

Frankfurt

Die Stadt Frankfurt am Main bildet als Banken- und Dienstleistungszentrum das wirtschaftli-che Herz der Rhein-Main-Region. Bei 646.753 Einwohnern (1997) bot die Stadt 452.363 Be-schäftigten einen Arbeitsplatz, davon über 70% im Dienstleistungssektor (Pohlan 1997). DieRegion ist nach Rhein-Ruhr und Berlin der drittgrößte deutsche Ballungsraum und gilt alseines der führenden Wirtschaftszentren Europas (Heinz 1997: 76). Diese hervorgehobeneStellung als Oberzentrum hat immer wieder zu Überlegungen geführt, die Stadt mit ihremUmland zu einer Region zusammenzuführen. 1974 wurde der Umlandverband Frankfurt(UVF) geschaffen, der mit dem Verbandstag über ein demokratisch legitimiertes Parlamentverfügt.

Einer der Arbeitsbereiche der Region war dabei die Abfallwirtschaft, für die die Zuständigkeitzwischen 1987 und 1999 beim UVF angesiedelt war. Aufgrund fortwährender Konflikte zwi-schen den beteiligten Kommunen und dem UVF wurde die Zuständigkeit vom Land Hessenzum 1.1.1999 aber wieder auf die kreisfreien Städte und Landkreise übertragen, die seitdemeinen gemeinsamen Abfallwirtschaftsbetrieb in privater Rechtsform betreiben.

Außerdem gehört die Stadt Frankfurt zu den ersten deutschen Großstädten, die Anteile ihresEntsorgungsbetriebes an private Unternehmen verkauft haben.

Sowohl die Entwicklung der regionalen Kooperation als auch die Privatisierung der Abfall-wirtschaft als Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH (FES) haben die Diskussionen inanderen Städten stark beeinflußt. Diese beiden Themenfelder werden daher bei der Dar-stellung der Entwicklung der Abfallwirtschaft in der Stadt Frankfurt im Vordergrund stehen.

Da die Entwicklung der Entsorgungssituation vor 1994 für den Raum Frankfurt gut dokumen-tiert wurde, soll Frankfurt auch als Beispiel für die langfristige Veränderung von Entsor-gungsstrategien dienen.

Entsorgungssicherheit als Dauerbrenner

Ab 1855 vereinbarte die wachsende Stadt mit Bauern aus dem Umland eine regelmäßigeAbfuhr der häuslichen Abfälle. Das gesammelte Gemisch aus Speiseresten, Pferdekot undAsche ließ sich problemlos als Dünger verwenden, weshalb das „Kehrrichtkonsortium“ derStadt für die Erlaubnis zum Sammeln sogar Geld zahlte – rund 15.000 Gulden jährlich (Wei-kert 1998). Aufgrund der Unzuverlässigkeit des Konsortiums richtete die Stadt 1873 einstädtisches Fuhramt ein. Die Straßenreiniger brachten die Hinterlassenschaften der Bürgernun zu einem Acker am Stadtrand, von dem sich die Bauern die Jauche abholen konnten.Um 1900 war jedoch der Anteil von unverwertbaren Abfällen im Hausmüll derart gestiegen,daß eine neue Lösung für die Abfallbewirtschaftung gesucht werden mußte. Ab 1902 erhobdie Stadt von den Bürgern Gebühren nach der Größe der Wohnungen, wobei Wohnungenunter einem Mietwert von jährlich 300.- Mark befreit blieben (Busch 1909: 163).

Seit 1901 strebten wichtige städtische Entscheidungsträger den Bau mehrerer Müllverbren-nungsanlagen an, um das Problem wie bei der Abwasserentsorgung durch den Einsatz mo-

Page 59: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

59

dernster Großtechnologie zu lösen (Gather 1991: 361ff.). 1905 wurde die Anlage von derStadtverordnetenversammlung beschlossen und bis 1909 in Niederrad errichtet. Von nun anwurden jährlich mit 40.000t bis 45.000t rund 60% des Frankfurter Hausmülls verbrannt. Dieverbleibenden Mengen sollten in einer zweiten Anlage im Osthafen verbrannt werden, diejedoch nie gebaut wurde. Diese Abfälle wurden nach wie vor auf den offenen Kehrrichtplät-zen abgeladen, gegen die die Anwohner seit langem protestierten.

Die Müllverbrennungsanlage mußte infolge des ersten Weltkrieges ihren Betrieb einstellen,weil der durch den kriegsbedingten Mangel gesunkene Heizwert des Müll eine wirtschaftlicheVerbrennung nicht mehr zuließ. Nach weiteren Problemen wurde die Anlage 1923 endgültigstillgelegt.

Die ungeregelte Deponierung wurde damit in den folgenden Jahren wieder zur einzigen Ent-sorgungsmöglichkeit für die Stadt, was zunehmend hygienische Probleme verursachte. Ab1929 begann das Fuhramt ohne Bestätigung durch die Stadtverordnetenversammlung damit,im Stadtwald auf zunächst 2 ha einen Müllberg aufzuschütten. Voraussetzung hierfür war dieModernisierung der Müllabfuhr mit Kraftfahrzeugen ab 192526 und die Einführung einheitli-cher Mülltonnen ab 1926. Die Deponierung sollte ursprünglich nur eine Übergangslösungbleiben, bis ein Konzept für eine Sortierung und Verwertung der Abfälle entwickelt wordenwäre. Bis zu ihrer Schließung im Jahre 1968 bliebt die Deponie jedoch die zentrale Entsor-gungseinrichtung der Stadt Frankfurt und wuchs zum „Monte Scherbelino“ mit einer Höhevon über 40m auf einer Grundfläche von 28 ha heran.

Als nach dem zweiten Weltkrieg mit zunehmenden Wohlstand der Bevölkerung die Müllmen-gen wieder deutlich wuchsen und auch der Heizwert der Abfälle wieder anstieg, begann dieStadtverwaltung mit der Planung einer neuen Müllverbrennungsanlage. 1961 beschloß dieStadtverordnetenversammlung einstimmig, die neue MVA als Heizkraftwerk zur Energiever-sorgung der neuen Siedlung Frankfurt-Nordweststadt mit 25.000 Einwohnern zu errichten.1965 wurde die Anlage mit einer Kapazität von 525.000 t/a in Betrieb genommen.

Neben der Verbrennungsanlage war jedoch die Schaffung von Deponiekapazitäten für nicht-brennbare Müllfraktionen und die MVA-Schlacke notwendig. Hierfür wurde ab 1968 eine Kie-sabbaufläche bei Buchschlag im benachbarten Landkreis Offenbach genutzt. Gather (1991)beschreibt, wie die Nutzung der ursprünglich als Übergangslösung bis zur Inbetriebnahmeeiner anderen Mülldeponie gedachte Deponie mehrfach durch Ausnahmengenehmigungendes Regierungspräsidiums Darmstadt verlängert wurde, da alternative Entsorgungsmöglich-keiten fehlten. Bei ihrer Schließung im Mai 1990 blieb die mittlerweile größte Deponie Konti-nentaleuropas ohne Ersatz.

Gather interpretiert die Entwicklungen der Frankfurter Entsorgungsstrukturen als Fortschrei-bung von Provisorien, die nicht zu einer dauerhaften Lösungen des Müllproblems geführthätten (Gather 1991: 368f.). Vor allem aber hätte auch die Präferenz für großtechnische Lö-sungsansätze verhindert, daß die Entwicklung einer an Verwertung orientierten Abfallwirt-schaft ernsthaft begonnen worden wäre.

26 Pferdefuhrwerke prägten jedoch noch bis nach dem zweiten Weltkrieg das Erscheinungsbild der FrankfurterMüllabfuhr (Weikert 1998).

Page 60: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

60

Die Region als Entsorgungsträger

Seit Beginn der 70er Jahre haben Vertreter der Kommunal- und Landespolitik die unter-schiedlichsten Vorstellungen entwickelt, wie Gebietskörperschaften und Verwaltungsstruktu-ren aussehen sollten, um den starken ökonomischen und funktionalen Verflechtungen in derRegion zu entsprechen. Einfluß hatten dabei vor allem

• das Regionalstadt-Modell des damaligen Oberbürgermeisters Möller, das die Bildungeiner Großkommune mit etwa 1,4 Millionen Einwohnern vorsah;

• das Stadtkreis-Modell der CDU, das einen Großkreis mit 15 selbständigen politischenEinheiten anstrebte sowie

• der von den Landräten und dem Hessischen Gemeindetag favorisierte Stadtverband, dereine freiwillige Zusammenarbeit von Kommunen ohne Veränderung der Verwaltungsein-heiten vorschlug (Heinz 1997: 82).

Aus den Diskussionen entwickelte sich als Kompromiß die Bildung eines Mehrzweckpflicht-verbandes. Damit sollte die Selbständigkeit der bestehenden Gebietskörperschaften ge-währleistet und gleichzeitig die Kooperation in wichtigen Bereichen der Regionalentwicklungsichergestellt werden. Der Umlandverband Frankfurt wurde im September 1974 durch Lan-desgesetz geschaffen und begann 1975 mit seiner Arbeit.

Der UVF besitzt ein direkt gewähltes Regionalparlament (Verbandstag). Da sich die Herkunftder Abgeordneten nach den Bevölkerungsanteilen der beteiligten Wahlkreise richtet, stellenFrankfurt und Offenbach fast die Hälfte der 105 Abgeordneten. Neben dem Verbandstagexistiert eine Gemeindekammer, in der alle 43 beteiligten Kommunen unabhängig von ihrerGröße direkt vertreten sind. Neben den zwei beteiligten Großstädten wurden auch die kreis-angehörigen Kommunen dreier Landkreise Mitglieder im UVF.

Als Aufgaben wurden dem UVF vor allem die überörtliche Planung für die Bereiche Flächen-nutzung, Landschaft, Verkehr und Abfallwirtschaft zugewiesen. Als weitere Tätigkeitsgebietewurden die Mitwirkung und Koordination in den Bereichen ÖPNV, Umweltschutz und Wirt-schaftsförderung bestimmt. Finanziert wird die Tätigkeit des UVF vor allem aus der Verband-sumlage, die von den beteiligten Kommunen erhoben wird. Aufgrund ihrer Wirtschaftskraftträgt die Stadt Frankfurt dabei mehr als die Hälfte des Verbandshaushaltes (Heinz 1997:83f.).

Der UVF hatte damit den Charakter einer eigenständigen Gebietskörperschaft bekommen,die zwischen der Ebene des Regierungspräsidenten und der Landkreise bzw. kreisfreienStädte existierte.

Ab 1987 wurde der UVF zudem mit der direkten Wahrnehmung der Entsorgungsaufgabenfür das Verbandsgebiet betraut. Hierzu sollte der UVF zukünftig neben anderen Einrichtun-gen auch die Abfallbeseitigungsanlagen der Region betreiben.

Page 61: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

61

Mit der beschriebenen Aufgabenzuteilung war der UVF ab 1987 für die Sicherung der Mül-lentsorgung in Frankfurt zuständig. Während die Stadt auch weiterhin für die Abfall-Einsammlung zuständig blieb und die Müllabfuhr in eigener Regie betrieb, sollten alle Ent-sorgungsanlagen zukünftig vom Umlandverband errichtet und betrieben werden. Neben derMüllverbrennungsanlage in der Frankfurter Nordweststadt (AVA Nordweststadt) waren diesdie MVA Offenbach sowie die Deponien Buchschlag, Wicker und Brandholz.

Um den mit der sich abzeichnenden Verfüllung der Deponie Buchschlag absehbaren Entsor-gungsnotstand in der Stadt Frankfurt abzuwenden, begann der UVF mit Überlegungen, imFrankfurter Osthafen eine weitere MVA zu errichten. Die Anlage sollte ursprünglich 1987ihren Betrieb aufnehmen und 320.000t Siedlungsabfälle jährlich verbrennen. Zusammen miteiner angeschlossenen Recyclinganlage sollte so die im UVF-Gebiet bestehende Entsor-gungslücke von 400.000t Hausmüll, Sperrmüll und hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen ge-schlossen werden (Müller, H.-J. 1987).

In der Stadt Frankfurt entwickelte sich jedoch zunehmend politischer Widerstand gegen die-ses Projekt. Bereits 1981 nahm die Stadt im Raumordnungsverfahren gegen die geplanteAnlage Stellung „zur Wahrung der Interessenlage Frankfurts“ (zitiert nach Gather 1991: 368),womit sich ein Konflikt zwischen der Stadt und dem Umlandverband andeutete. Unter Druckgeriet auch die SPD-Fraktion im Verbandstag, in der auf Initiative Frankfurter AbgeordneterKritik an dieser Anlage geübt wurde. Als 1987 über 2300 Einwendungen gegen die Planun-gen eingereicht wurden, wurde auch ein positiver Planfeststellungsbeschluß durch das Re-gierungspräsidium fraglich. Als 1989 nach Kommunalwahlen sich im Verbandstag des UVFeine große Koalition zwischen CDU und SPD herausbildete, einigten sich die beiden großenParteien in den Koalitionsvereinbarungen daher auf den Verzicht auf die Anlage (Gather1991).

Damit waren allerdings für die Stadt Frankfurt ab 1990 keine ausreichenden Entsorgungska-pazitäten mehr vorhanden und der befürchtete Entsorgungsnotstand wurde akut. Um dieAbfallbeseitigung sicherzustellen, ließ der UVF die Frankfurter Abfälle deshalb auf die Depo-nien Flörsheim-Wicker und Brandholz bringen. Um die Entsorgungsprobleme zudem langfri-stig zu lösen, beschloß der UVF eine Reihe von abfallpolitischen Maßnahmen (Rautenberg1991):

So wurde mit dem außerhalb des Verbandsgebietes gelegenen Landkreis Limburg-Weilburgvereinbart, daß auch Frankfurter Abfälle zukünftig dort deponiert werden sollten. Um denTransport zur dortigen Deponie und auch zu anderen Entsorgungsanlagen außerhalb desVerbandgebietes bewältigen zu können, wurde 1991 im Frankfurter Osthafen für 45 MillionenDM eine Abfall-Umladestation errichtet, in der jährlich bis zu 250.000 t Müll für den Eisen-bahntransport vorbereitet werden sollten.

Im Einvernehmen mit der Stadt Frankfurt begann der UVF damit, eine neue Deponie im An-schluß an den „Monte Scherbelino“ zu planen. Außerdem sollte die bestehende DeponieBrandholz erweitert werden.

Um die politische Frontstellung zwischen MVA-Befürwortern und den Vertretern von Vermei-dungskonzepten aufzubrechen, wurde ab 1990 ein flächendeckendes Bioabfall-Konzept vor-

Page 62: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

62

bereitet, das die Kompostierung von bis zu 155.000 t/a in acht Kompostierungsanlagen vor-sah.

Als bereits kurzfristig erfolgreiche Maßnahme erwies sich der veränderte Umgang mit unbe-lastetem Bauschutt und Erdaushub. Nachdem die Preise für die Entsorgung dieser Müllfrak-tionen 1989 bereits deutlich auf 80.- DM/t angehoben wurden, wurden sie ab 1990 vollstän-dig von der Entsorgung ausgeschlossen. Die Entsorgung dieser Mengen sollte zukünftigüber private Recyclinganlagen und Bauschutt-Deponien erfolgen. Auch Klärschlamm solltevorwiegend landwirtschaftlich verwertet werden27. Im Vergleich zu 1989 verringerte sich dieMüllmenge 1990 so um 711.000 t (Rautenberg 1991: 748) von 2,2 Millionen auf 1,5 Millionent. Bis 1997 verringerte sich die Menge des vom UVF entsorgten Bauschutts und Erdaushubsauf 1% der Menge von 1989.

Als die neue Abfall-Umladestation 1991 eingeweiht wurde, war die Entsorgungssituation be-reits soweit entspannt, daß die Repräsentanten des UVF zusammen mit Journalisten ver-geblich auf Müllwagen warteten, die ihre Fracht nach Limburg-Weilburg verladen lassenwollten.

Kampf um Kompetenzen zwischen Kommunen und UVF

Seit 1987 die Abfallentsorgung von den kreisfreien Städten und Landkreisen auf den UVFübertragen wurde, verblieb den Kommunen nur die Möglichkeit, bei grundsätzlichen Ent-scheidungen im Verbandstag wie der Ausweisung neuer Entsorgungskapazitäten im Rah-men von begrenzten Mitspracherechten mitzuwirken. Aus diesem Kompetenzverlust entwik-kelten sich in der Folge tiefgreifende Interessengegensätze zwischen den zur Zusammenar-beit gezwungenen Gebietskörperschaften, die auf dem Gebiet der Abfallwirtschaft zu einerweitgehenden Handlungsunfähigkeit führte (Gather 1993:18).

Von großer Bedeutung für das Verhältnis zwischen dem UVF und der Stadt Frankfurt solltendie unterschiedlichen Vorstellungen zwischen und innerhalb der großen Parteien zur Ent-wicklung der Region Frankfurt werden. Auch nach der Gründung des UVF stellten sich Teileder SPD in der Region die Weiterentwicklung des Verbandes zur Regionalstadt vor. Hierübergab es jedoch weder mit dem von 1977 bis 1987 von Walter Wallmann (CDU) geführtenFrankfurter Magistrat noch mit Wallmanns Nachfolgern Brück (CDU), Schöller (SPD) undHauff (SPD) eine gemeinsame Auffassung. Der vom Verbandsdirektor Alfons Faust (CDU)und dem für Abfallwirtschaft zuständigen SPD-Politiker Thomas Rautenberg geführte UVFwurde von den Repräsentanten seiner wichtigsten Mitgliedsgemeinde als Zwangskörper-schaft wahrgenommen.

In den Jahren bis 1992 entwickelte der UVF einen Abfallwirtschaftsplan, dessen wichtigsteMaßnahmen bereits dargestellt wurden. Sein zentrales Ziel blieb, die Abfallentsorgung imVerbandsgebiet durch eigene Entsorgungsanlagen sicherzustellen.

27 Die mit den einzelnen Alternativen der Klärschlamm-Beseitigung verbundenen ökologische0n Probleme sollenim Rahmen dieser Arbeit nicht thematisiert werden.

Page 63: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

63

Nachdem jedoch bereits die Planung der MVA im Frankfurter Osthafen am Widerstand derörtlichen Gegner der Verbrennungstechnologie gescheitert war, stieß auch die Verwirkli-chung des Bioabfall-Entsorgungskonzeptes auf Hindernisse. So entwickelte sich gegen dieStandorte der geplanten Kompostierungsanlagen Widerstand durch örtliche Bürgerinitiativen.Außerdem wehrten sich auch einige Kommunen gegen die Einführung der Biomüll-Erfassung, weil sie befürchteten, daß die Kosten eines neuen Sammelsystems zu höherenMüllgebühren für ihre Bürger führen könnte. Als Reaktion auf diese Haltung versuchte derUVF, für die Kommunen, die sich nicht an der Biomüll-Sammlung beteiligten, die Entsor-gungsgebühren für den Hausmüll zu erhöhen, um die Kompostierung der Bioabfälle lohnendzu machen. Diese Initiative wurde von den großen Fraktionen im UVF-Verbandstag jedochnicht mitgetragen.

Als Ergebnis der vielfältigen Widerstände wurde bis 1997 nur eine der geplanten Kompostie-rungsanlagen in der Stadt Maintal tatsächlich gebaut.

Ab 1991 begann in diesem Zusammenhang die Stadt Frankfurt mit Pilotprojekten für dieSammlung und Verwertung von Bioabfällen, die sich bis 1998 jedoch auf wenige Stadtteilebeschränkten. 1997 schloß die Stadt Frankfurt im Auftrag des UVF mit der Firma Rethmanneinen Vertrag über die Errichtung und den Betrieb eines Kompostwerkes mit einer Kapazitätvon 30.000t/a in Frankfurt. Gleichzeitig beantragte die Stadt, die Zuständigkeit für die Ent-sorgung der Bioabfälle zurück übertragen zu bekommen. Dieses Verfahren wurde jedochdurch die vollständige Rückübertragung der Zuständigkeit für die Abfallwirtschaft gegen-standslos.

Strittig blieb zwischen dem UVF und den Verbandsmitgliedern auch die durch die Landesge-setze vorgesehene Übertragung der Entsorgungsanlagen auf den Verband. Während Offen-bach seine MVA und der Hochtaunuskreis die Deponie Brandholz auf den Eigenbetrieb desUVF übertrugen, verweigerten Frankfurt und der Main-Taunus-Kreis die Übertragung ihrerAnlagen AVA Nordweststadt und Deponie Wicker, um sich den Zugang zu kostengünstigenEntsorgungsmöglichkeiten und zusätzlichen Einnahmen durch die Beseitigung weiterer Ab-fallmengen aus anderen Kommunen zu erhalten. Kommunen zu erhalten. Dabei zeigte sich,daß der UVF zwar aufgrund von Vereinbarungen die Abfallmengen für diese Anlagen dispo-nieren konnte, aber keine rechtlichen Mittel hatte, um die gesetzlich vorgesehene Übernah-me der Anlagen auch faktisch durchzusetzen. Der Regierungspräsident als Kommunalauf-sicht griff in diesen Konflikt nicht ein.

Der UVF war daher gezwungen, diese Anlagen gegen Zahlung von Entgelten an die StadtFrankfurt und den Main-Taunus-Kreis mit Müll aus dem Verbandsgebiet zu beliefern. DieMitgliedskommunen sammelten den Müll also in eigener Zuständigkeit ein und übergabenihn dann zur Entsorgung an die Abfallwirtschaft des UVF, der die Abfälle in eigenen oderfremden Anlagen beseitigen ließ. Hierfür zahlten die Kommunen an den UVF eine mengen-abhängige Gebühr. Verfügten sie wie Frankfurt und der Main-Taunus-Kreis noch über eigeneBeseitigungsanlagen, zahlten sie dem UVF erst für die Beseitigung und stellten dem Ver-band anschließend die Nutzung ihrer Anlagen in Rechnung.

Dabei kam es zwischen dem Verband und den beiden Gebietskörperschaften zu Auseinan-dersetzungen über die Höhe dieser Zahlungen. So warf der UVF der Stadt Frankfurt vor, inden Preis für die in der AVA Nordweststadt verbrannten Müllmengen überhöhte Verwal-

Page 64: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

64

tungs- und Personalkosten eingerechnet zu haben. Vom Main-Taunus-Kreis verlangte derUVF, die Einnahmen aus der Deponierung von Erdaushub auf der Deponie Wicker an denVerband weiterzugeben, damit diese Mittel dem Gebührenhaushalt zufließen könnten. DerMain-Taunus-Kreis betrachtete diese Gelder dagegen als dem Kreis zustehende Gewinneder als GmbH betriebenen Deponie.

Ab 1995 führte der Umlandverband für alle Mitgliedskommunen einheitliche Beseitigungsge-bühren ein, die sich ab dem 1.1.1995 auf 205.- DM je Tonne Hausmüll beliefen. Hiergegenprotestierten der Main-Taunus-Kreis und seine Mitgliedskommunen, da diese Gebührendeutlich über die durch die Deponierung in Wicker verursachten Kosten hinausgingen.

Mitte 1997 schlug der für die abfallwirtschaftlichen Aufgaben zuständige Eigenbetrieb desUmlandverbandes dem Verbandstag vor, die Entsorgungsgebühren für 1998 von 230.- DM/tauf 340.- DM/t anzuheben, um die Sanierung der MVA Offenbach, die gescheiterten Planun-gen für die Biomüll-Kompostierung sowie Einnahmeausfälle durch verringerte Gewerbemüll-Anlieferungen zu finanzieren.

Inzwischen hatten elf Kommunen des Main-Taunus-Kreises auf Anraten des Landkreisesgegen die Gebühren des UVF Klage eingereicht, um nur die niedrigeren Kosten für die Ent-sorgung auf der kreiseigenen Deponie Wicker zahlen zu müssen. Diese Klage wurdeschließlich im August 1998 vom zuständigen Gericht abgewiesen, weil es das Recht desUVF als Entsorgungsträger sei, aus den Kosten aller Entsorgungsanlagen einen Durch-schnittswert zu bilden.

Als Folge der verschiedenen Konflikte zwischen den „Kooperationspartnern“ waren Ende1997 etwa 70 Gerichtsverfahren anhängig.

Auch in der Stadt Frankfurt formulierten die politischen Akteure in scharfer Form den Wider-stand gegen die Entsorgungspolitik des UVF: die FDP-Fraktion im Stadtrat forderte die Ab-geordneten des Verbandstages auf, der Erhöhung die Zustimmung zu verweigern. DerFrankfurter Umweltdezernent Koenigs erklärte, die Frankfurter Gebühren könnten stabil ge-halten werden, wenn die Stadt mit allen juristischen Mittel den Ausstieg aus der Gebühren-abhängigkeit vom UVF betreibe. Damit war die Zuständigkeit des UVF für die Abfallwirtschaftin der Region öffentlich in Frage gestellt.

Die politische Mehrheit im Verbandstag aus CDU und SPD stimmte im Oktober 1997 derGebührenerhöhung zwar zu, um die entstandenen Kosten aufzufangen. Als Reaktion auf diewechselseitige Blockade zwischen den Gebietskörperschaften hatten die beiden Fraktionenjedoch zuvor gegen den Widerstand ihrer UVF-Führungsmitglieder Faust und Rautenbergbeschlossen, die Zuständigkeit für die Abfallwirtschaft an die Landkreise und kreisfreienStädte zurück zu geben. Zahlreiche Politiker aus den Kommunen im Verbandsgebiet rea-gierten auf diesen Beschluß umgehend mit der Forderung, die Neuverteilung der abfallwirt-schaftlichen Kompetenzen durch die Änderung der entsprechenden hessischen Landesge-setze abzusichern.

Page 65: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

65

Vom UVF zur RMA: Die Neuordnung der regionalen Abfallwirtschaft

Bereits wenige Wochen nach dieser Veränderung in der regionalpolitischen Landschaft initi-ierte das hessische Umweltministerium eine Besprechung mit allen beteiligten Akteuren. Da-bei wurde deutlich, daß außer den Spitzenfunktionären der UVF-Verwaltung niemand an derZuständigkeit des UVF für die Abfallwirtschaft festhielt.

Die rot/grüne Landesregierung begann im Konsens mit allen vier Landtagsfraktionen, diegesetzliche Grundlage für eine Rückübertragung der abfallpolitischen Zuständigkeiten aufdie kreisfreien Städte und Kreise zum 1.1.1999 zu schaffen. Gleichzeitig wurde den Kommu-nen jedoch signalisiert, daß die Entsorgungsträger auch zukünftig auf dem Gebiet der Ab-fallwirtschaft eng zusammen arbeiten und die Übergangsprobleme innerhalb eines Jahreslösen sollten.

Die Landkreise Offenbach, Hochtaunus und Main-Taunus bildeten zusammen mit den Städ-ten Frankfurt, Offenbach und Maintal daraufhin eine Arbeitsgemeinschaft, die für die Abfall-wirtschaft zügig eine neue regionale Lösung erarbeiten sollte. In den folgenden Monateneinigten sich die beteiligten Kommunen auf die Grundzüge einer neuen Kooperationsform,die bis Ende 1998 in ein Vertragswerk umgesetzt wurde.

Diese Einigung sah die Gründung einer Rhein-Main Abfall GmbH (RMA) durch die Landkrei-se und kreisfreien Städte vor, die zukünftig die Abfallentsorgung übernehmen sollte. Die be-teiligten Gebietskörperschaften sollten jeweils ca. 19% (Stadt Maintal 4%) der GmbH-Anteileübernehmen28. Die bislang zum Eigenbetrieb des UVF gehörenden EntsorgungsanlagenMVA Offenbach und Deponie Brandholz wurden jedoch nicht von der RMA übernommen,sondern an die zuständigen Unternehmen der Gebietskörperschaften zurückgegeben.

Die RMA schloß mit den Gebietskörperschaften Entsorgungsverträge zur Nutzung der Kapa-zitäten der einzelnen Anlagen ab, die dann auf die nachfolgenden Unternehmen übertragenwurden:

• der zur Stadt Frankfurt gehörenden Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH (FES),die Betreiberin der AVA Nordweststadt ist;

• der von den Kreisen Main-Taunus und Hochtaunus getragenen Rhein-Main DeponieGmbH (RMD), die die Deponien Wicker und Brandholz besitzt sowie

• der Energieversorgung Offenbach AG (EVO) als Betreiberin der MVA Offenbach.

Im Besitz der RMA verblieben vorerst nur die Abfall-Umladeanlage im Frankfurter Osthafenund die Kompostanlage Maintal, die beide als unwirtschaftlich galten und eventuell ge-schlossen oder verkauft werden sollten.

28 Außerdem wurde der Stadt Bad Vilbel (Wetteraukreis) und der Stadt Kelsterbach (Kreis Groß-Gerau) der Bei-tritt offengehalten, da diese Kommunen bislang ebenfalls zum Entsorgungsgebiet des UVF gehört hatten, obwohldie beiden Kreise als Ganzes nicht Teil des Umlandverbandes sind.

Page 66: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

66

Abbildung 2: Struktur der Rhein-Main Abfall GmbH (RMA)

Die beschlossene Lösung sah zudem die Verteilung des bisherigen Personals auf die ein-zelnen Gesellschaften und die RMA sowie die außergerichtliche Beilegung der zahlreichenRechtsstreitigkeiten vor. Aus den von den Gebietskörperschaften gezahlten Entgelten wurdeaußerdem ein Sanierungsfonds geschaffen, aus dem die Verbindlichkeiten des UVF-Abfallwirtschaftsbetriebes innerhalb von fünf Jahren abgebaut werden sollen. Hätte Frankfurtseine Ankündigung wahr gemacht, sich mit allen Mitteln an diesen finanziellen Belastungennicht zu beteiligen, hätten diese Verbindlichkeiten über die Verbandsumlage und damit ausSteuermitteln beglichen werden müssen.

Die beteiligten Kreise und Städte einigten sich auch, an einer einheitliche Gebühr für dasgesamte Entsorgungsgebiet festzuhalten, die jedoch schon kurzfristig deutlich unter die vomUVF festgesetzten 340.- DM/t gesenkt werden sollten. Mit dem Festhalten an einer Einheits-gebühr kamen Frankfurt und der Main-Taunus-Kreis den anderen Partnern deutlich entge-gen, die über keine kostengünstigen Entsorgungsanlagen verfügten. So profitierte beispiels-weise die Stadt Maintal von der Fortsetzung der Kooperation, da sie bei einer Entsorgungüber den Kreis Main-Kinzig 568.- DM/t zahlen müßte.

Entsorgungs-pflichtige Gebiets-körperschaften

Regionale Entsorgungs-gesellschaft

Sanierungsfonds

Entsorgungs-anlagen undderen Betreiber

Abfallbesitzer/-Erzeuger

Abfallsatzung

Gesellschafts-und Grundvertrag

RMA GmbH

Liefer- und Leistungsverträge

Abfallsatzung/Verträge

Kommunal verbürgter Vertrag

Sanierungsfonds

SammelpflichtigeStädte und Gemeinden

Sonstige Abfall-erzeuger und -besitzer

Frankfurt OffenbachHochtaunus-

kreisMain-Taunus-

KreisLandkreisOffenbach

MVA Frankfurt

FES

51%Frankfurt

49%Fa. Rethmann

MVA Heusenstamm

EVO

Offenbach

Deponie Wicker/Brandholz

RMD

50% Hoch-taunuskreis

50% Main-Taunus-Kreis

Page 67: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

67

Die Gesellschafter der RMA versuchten 1998 intensiv, den Kreis Main-Kinzig und die StädteMainz und Wiesbaden in die Kooperation einzubeziehen, die eigene neue Müllverbren-nungsanlagen planten. Der Main-Kinzig-Kreis beschloß allerdings im Sommer 1998 trotzfreier Kapazitäten in Offenbach und Frankfurt eine eigene Anlage mit 90.000t Jahreskapazi-tät zu errichten.

Damit blieb den MVA-Betreibern Frankfurt und Offenbach das Problem, ihre Anlage vollstän-dig auszulasten. Die Vereinbarung zwischen der RMA und der FES und EVO sah vor, daßdie RMA den beiden Verbrennungsanlagen ein Grundkontingent an Müllmengen zusicherte.Die verbleibenden Kapazitäten sollten die Betreiber frei vermarkten und aus den Erlösen beider MVA Offenbach einen Betrag von 110.-DM/t und bei der AVA einen Betrag von 46.- DM/tin den Gebührenhaushalt einzahlen, um die Fixkosten zu decken. Der AVA Nordweststadtsicherte die RMA eine Auslastung von 350.000 t/a von insgesamt 430.000 t/a Verbren-nungskapazität, der MVA Offenbach eine Auslastung von 140.000 t/a bei einer Gesamtkapa-zität von 200.000 t/a.

Diskutiert wurde zwischen den politischen Vertretern der an der RMA beteiligten Gebietskör-perschaften vor allem über die anzustrebende Rechtsform der neuen regionalen Kooperati-on: Während etwa die über den Frankfurter Umweltdezernenten Thomas Koenigs an denVerhandlungen beteiligten GRÜNEN zuerst einen Zweckverband anstrebten, um eine politi-sche Kontrolle über die Abfallwirtschaft sicherzustellen, votierten vor allem Vertreter der CDUvon Anfang an für eine GmbH. Aus ihrer Sicht sprach gegen einen Zweckverband vor allemdie erneute Gefahr einer Bürokratisierung von Entscheidungen; zugleich habe die Erfahrungmit der Zuständigkeit des UVF gelehrt, daß allein die Existenz eines politischen Gremiumsnoch keine Garantie für eine demokratisch legitimierte Kontrolle von Managemententschei-dungen biete.

Als Nachteil einer privatrechtlich verfaßten Abfallwirtschaftsgesellschaft wurde angeführt,daß die GmbH nicht Träger der Entsorgungspflicht sei. Wichtige Beschlüsse wie die Gebüh-rengestaltung müßten deshalb erst von den Räten aller beteiligten Städte und Kreise ratifi-ziert werden, bevor sie gültig werden könnten. Andererseits seien die Gremien einer GmbH(Aufsichtsrat mit 26 Mitgliedern und Gesellschafterversammlung mit 5 Mitgliedern) gegen-über den Gremien eines Zweckverbandes erheblich flexibler.

Insbesondere der bislang für die Abfallwirtschaft zuständige Dezernent des UVF, Rauten-berg, wies darauf hin, daß allein durch die Restrukturierung der regionalen Kooperation inder RMA die Interessengegensätze zwischen den beteiligten Entsorgungsträgern keines-wegs gelöst seien. Das wird von Vertretern der RMA zwar bestätigt; allerdings sei die RMAmit ihren Gremien von vornherein auf Kompromiß angelegt, während der UVF hoheitlichüber die Belange der Kommunen im Verbandsgebiet entschieden habe.

Kommunale Kooperation statt Region

Mit der Zuständigkeit für die Abfallwirtschaft hatte der UVF sein wichtigstes Aufgabengebietverloren, so daß ab Ende 1997 die Diskussion über die Zukunft des Verbandes selbst undder Formen für eine Regionalisierung neu entbrannte. Noch von den gerade erst formuliertenPositionen der CDU- und SPD-Verbandstagsfraktionen gezeichnet erklärte der UVF-

Page 68: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

68

Umweltdezernent Rautenberg (SPD), daß er nunmehr mittelfristig auch mit einer Auflösungder parlamentarischen Gremien des UVF rechne, denn „man wird sehr schnell merken, daßman keine 105 Abgeordneten braucht, um Gutachten zu diskutieren“ (Frankfurter Rundschauvom 8.10.1997).

Im Vorfeld der hessischen Landtagswahlen 1999 begannen die einzelnen Parteien ab 1998damit, ihre Absichten über die Entwicklung der Region in der Öffentlichkeit zu entwickeln. Soformulierte eine Arbeitsgruppe um den SPD-Politiker Jörg Jordan für die Rhein-Main Regionals langfristiges Ziel die Bildung eines Regionalkreises, die die Funktionen der Landkreise,des UVF und weitgehend auch des Regierungspräsidiums übernehmen könnte. Dagegenforderte der hessische SPD-Innenminister Gerhard Bökel Zweckverbände und Kooperatio-nen in der Rechtsform der GmbH.

Auch Vertreter der GRÜNEN aus Frankfurt und der Landtagsfraktion forderten die Auflösungdes UVF spätestens zu den Kommunalwahlen im März 2001 und eine neue Form der Re-gionalisierung.

Vertreter der CDU sprachen sich demgegenüber für eine Stärkung der Kommunen und Krei-se gegenüber den „Mittelbehörden“ aus.

Als aus den Landtagswahlen eine Koalition von CDU und FDP hervorging, vereinbarte dieseim Koalitionsvertrag die Auflösung des UVF, da dieser die in ihn gesetzten Erwartungen nichterfüllt habe. Für überörtliche Aufgaben sollten zukünftig Zweckverbände oder Gesellschaftengebildet werden. Lediglich für die gemeinsame Landschafts- und Flächennutzungsplanungsoll ein Regional-Gremium fortbestehen, das aus direkten Abgesandten der Kreise undKommunen besteht. Als Ergebnis dieser Überlegungen stellte der neue Innenminister VolkerBouffier (CDU) im Juli 1999 ein neues Kommunalwahlgesetz vor, in dem die Wahl einesneue UVF-Verbandstages nicht mehr vorgesehen war. Im Juni 2000 beschloß der Landtagmit den Stimmen von CDU und FDP die Auflösung des UVF zum 31.3.2001.

Die Auseinandersetzungen um die Zuständigkeit für die Abfallwirtschaft haben somit letztlicheiner als eigenständige Gebietskörperschaft verfaßten umfassenden regionalen Kooperationdie Grundlage entzogen.

Regionale Entsorgungspolitik in privater Rechtsform

Nachdem die RMA ab dem 1.1.1999 die Geschäfte des UVF-Abfallwirtschaftsbetriebesübernommen hatte, standen die beteiligten Kreise und Städte als Entsorgungsträger unterdem Druck, möglichst schnell die Entsorgungskosten zu senken, um ihr wichtigstes Argu-ment gegen die Abfallwirtschaftspolitik des UVF zu stützen. Bereits im Juni senkten sie da-her die Entsorgungsgebühren von 340.- DM pro Tonne Hausmüll auf 310.- DM/t. Dabeistützten sich die Gesellschafter der RMA auf ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesell-schaft, die auch über mehrere Jahre für die Prüfung des UVF-Eigenbetriebes zuständig war.

Page 69: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

69

Diese Gebührensenkung wurde von einigen der beteiligten Kommunen öffentlichkeitswirk-sam zur Senkung der Müllgebühren genutzt29. In Frankfurt dagegen sorgte eine trotz dieserKostensenkung notwendige Gebührenanhebung für politische Auseinandersetzungen.

Die Geschäftsführung der RMA widmete sich vor allem dem Ziel, die bestehenden Entsor-gungsanlagen auszulasten und insbesondere die freien Kapazitäten der beiden Verbren-nungsanlage zu vermarkten. Dabei versucht sie insbesondere, einer weiteren Verringerungder gewerblichen Abfallmengen entgegen zu treten, die nach Auffassung der Abfallerzeugerals Abfall zur Verwertung nicht mehr der Andienungspflicht unterliegen und zunehmend denkostengünstigeren Weg in privatwirtschaftliche Sortieranlagen mit anschließender Deponie-rung nehmen. Zwischen 1994 und 1998 waren die Mengen der im Verbandsgebiet angelie-ferten hausmüllähnlichen Gewerbeabfälle von 244.570t auf 81.800t zurückgegangen.

Die RMA kritisierte zwar öffentlich die Existenz qualitativ minderwertiger Verwertungsange-bote, die lediglich dazu dienten, bestehende Deponien bis zum endgültigen Inkrafttreten derTASi zu verfüllen, wobei Gewerbemüll zu Niedrigstpreisen angenommen „ein paar mal um-geladen, hin- und hergefahren, dann kleingehäckselt wird und schließlich als Füllmaterial imBraunkohletagebau landet“ (FR vom 12.10.1999). Dennoch entschied sich die RMA, nichtden Weg anderer kommunaler Entsorger zu gehen und mit den Abfallerzeugern den Konfliktin der Frage zu suchen, ob Abfälle zur Beseitigung oder zur Verwertung vorliegen würden.Als Angebot an die regionale Wirtschaft schloß die RMA deshalb Verträge mit regionalenSortieranlagen-Betreibern und bot für Sortiereste aus diesen Anlagen einen günstigen Ent-sorgungspreis von 150.- bis 160.- DM/t an30, um damit die gewerblichen Abfallströme überden Preis statt über Kontrollen auf unsicherer Rechtsgrundlage wieder in die eigenen Ent-sorgungseinrichtungen zu lenken.

Die Unsicherheiten bei der Akquierierung gewerblicher Abfälle macht jedoch zunehmenddeutlich, daß die langfristige Stabilisierung der regionalen Abfallentsorgung nur durch dieAusweitung der Kooperation der Entsorgungsträger bei der Hausmüllbeseitigung realistischist. Hier erzielte die RMA durch Vereinbarungen mit der Stadt Wiesbaden einen ersten Er-folg.

Ab August wurden die Rahmenbedingungen für kommunale Kooperation jedoch durch denEntwurf des neuen Abfallwirtschaftsplanes für Siedlungsabfälle neu gefaßt: Der noch in derVerantwortung der im Februar 1999 abgewählten rot/grünen Landesregierung entstandenePlan sah vor, die Auslastung der bestehenden Müllverbrennungsanlagen sicherzustellen,indem Entsorgungsträger ohne eigene Verbrennungskapazitäten zur Zusammenarbeit mitkonkret benannten bestehenden Anlagen verpflichtet werden. So sollte beispielsweise derMain-Kinzig-Kreis auf eine eigene Verbrennungsanlage verzichten und seinen Hausmüll andie MVA Offenbach liefern.

29 Beispielsweise nutzte der Hochtaunuskreis die Verringerung der Entsorgungskosten zu einer Gebührensen-kung für die Bürger von etwa drei bis vier Prozent, da Deponierungs- und Verbrennungskosten neben Personal-und Transportkosten nur etwa ein Drittel der Gesamtkosten ausmachen (FR vom 26.81999).30 Stand Oktober 1999. Bei Marktpreisen von etwa 120.- DM/t sieht die RMA die Grenze, bei der eine weiteremarktwirtschaftliche Betätigung der RMA auch aus ihrer Perspektive nur noch auf Kosten der Gebührenzahlermöglich wäre (FR vom 12.10.1999).

Page 70: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

70

Damit wurden Kooperationspläne der Entsorgungsträger problematisch, soweit sie dem vonder Landesregierung vorgesehenen Verbindungen widersprechen. Vertreter der hessischenStädte und Landkreise nahmen deshalb im Herbst 1999 zum neuen AbfallwirtschaftsplanStellung und kritisierten, daß die neue Landesregierung die Spielräume der Kommunen beider Wahl ihrer Kooperationspartner einenge, obwohl im Koalitionsvertrag von FDP und CDUmehr Wettbewerb in der Abfallwirtschaft vorgesehen sei. Das hessische Umweltministeriumwies dagegen auf die ebenfalls im Abfallwirtschaftsplan vorgesehene Möglichkeit hin, abwei-chende Lösungen zu finden, solange die Vorgaben der TA Siedlungsabfall erfüllt würden.Insofern würden den Kommunen ausreichend Spielräume zur Gestaltung der eigenen Ab-fallwirtschaft erhalten bleiben.

Die Privatisierung der Frankfurter Abfallwirtschaftsbetriebe

Bereits ab 1993 wurden in Frankfurt erste Überlegungen angestellt, ob die Rechtsform einesRegiebetriebes für die Abfallwirtschaft noch angemessen sei. Nach Einschätzung vom Um-weltdezernenten Tom Koenigs (Bündnis 90 / Die GRÜNEN) würde der in der Verpackungs-verordnung deutlich werdende Trend zur Liberalisierung den städtischen Abfallwirtschafts-betrieb zu einer erheblichen Steigerung seiner Wirtschaftlichkeit und zur Ausweitung seinerGeschäftstätigkeit zwingen. Die Stadtverwaltung gab daher bei einem Frankfurter Bankhausein Gutachten in Auftrag, daß den effektivsten und kostengünstigsten Weg für die Bewälti-gung der zu lösenden Entsorgungsaufgaben ermitteln sollte. Das Gutachten schlug im Mai1993 die Umgründung des Amts für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung in eine GmbH vor.

Dabei wurde von Anfang an ein Verkauf von Anteilen der Gesellschaft an private Entsor-gungsunternehmen erwogen, um angesichts der schwierigen Haushaltslage der Stadt durchden Verkauf Einnahmen zu erzielen31. Außerdem sollte die Stadt von zukünftig notwendigenInvestitionen für die Sanierung der MVA zumindest teilweise entlastet zu werden. Parallel zurUmgründung der Abfallwirtschaft sollten auch die bislang als Eigenbetrieb organisiertenStadtwerke in eine GmbH umgewandelt werden.

In der auf die Veröffentlichung des Gutachtens folgenden politischen Diskussion bildete sichzwischen den politischen Akteuren schnell ein Konsens über die Umgründung heraus, demsich im Frühjahr 1994 auch bedingt der Frankfurter Kreisverband der ÖTV anschloß.

Die ÖTV kam ebenfalls zu dem Schluß, daß zur langfristigen Sicherung der bislang in denFrankfurter Abfallwirtschaftsbetrieben bestehenden ca. 1600 Arbeitsplätze die Bildung einerGmbH einem Eigenbetrieb vorzuziehen sei. Diese Position war innerhalb der ÖTV durchausumstritten; letztlich dominierte aber die Befürchtung, daß ohne die Umgründung die gewerb-lichen Abfälle mit dem Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ausbleiben würden.Neben der Absicherung der sozialen Position der Beschäftigten verlangte die ÖTV allerdingsauch für die Zukunft eine politische Kontrolle über die Abfallwirtschaft, was nur durch denVerbleib der Mehrheit an den Gesellschaftsanteilen im Besitz der Stadt möglich sei. Zudem

31 Mit einem Schuldenbestand von ca. 8 Mrd. DM war die Stadt Frankfurt Ende 1994 die höchstverschuldeteStadt Deutschlands (Daten: Entsorga-Magazin 11-95: 71; Zur Haushaltssituation Frankfurts generell siehe Pohlan1997: 218ff.)

Page 71: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

71

müßten an einen privaten Minderheitsgesellschafter hohe Anforderungen in Hinblick auf Bo-nität und den Umgang mit Arbeitnehmerrechten gestellt werden.

Im Herbst 1994 beschloß die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung, die Umgründungvorzubereiten. Hierzu gehörte auch eine Einigung mit der ÖTV, die die Überleitung des Per-sonals in die neue Gesellschaft regelte. Dabei wurde den Beschäftigten die Absicherungihrer Besitzstände, die Weitergeltung der bestehenden Tarifverträge auch für neue Beschäf-tigte und der Ausschluß betriebsbedingter Kündigungen bis zum 31.12.1998 zugesichert.

Mit der neuen Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH (FES) wurden Leistungsverträgeüber die einzelnen Aufgaben der Abfallentsorgung und Stadtreinigung abgeschlossen, die fürdie hoheitlichen Aufgabenfelder eine Laufzeit von 20 Jahren haben, um den Vertragspart-nern eine angemessene Investitions- und Entsorgungssicherheit zu gewährleisten. WeitereLeistungsverträge wurden über eine Laufzeit von drei Jahren abgeschlossen.

Im Juni 1995 beschloß die Stadtverordnetenversammlung auf dieser Grundlage die Bildungeiner GmbH, die zum 1.1.1996 ihre Geschäfte aufnahm. Beschlossen wurde auch, die AVANordweststadt in eine von der Stadt zu gründende Besitzgesellschaft einzubringen, an dersich zukünftig ebenfalls private Entsorgungsunternehmen beteiligen sollten.

Sowohl aus der Sicht der ÖTV als auch der Geschäftsführung der FES entwickelte sich diewirtschaftliche Situation des Entsorgungsbetriebes in den folgenden zwei Jahren sehr posi-tiv. Schneller als geplant konnten die erwarteten Defizite abgebaut und die Erträge verbes-sert werden. Während ursprünglich für die ersten drei Geschäftsjahre mit Verlusten gerech-net wurde, wurden bereits 1997 Gewinne erzielt. Mitte 1997 erklärte der Geschäftsführerüber den beabsichtigten Verkauf von Gesellschaftsanteilen gegenüber einer Fachzeitschrift,„inzwischen denke ich, daß wir keinen Dritten im Bunde mehr benötigen“ (Was lange währt... 1997: 41). Zu befürchten sei vielmehr, daß der Stadt für einen kurzfristig erwartbaren Ge-winn langfristig höhere Einnahmen entgehen würden.

Im Februar 1997 wählte eine Arbeitsgruppe des Magistrats aus den Kaufinteressenten fürAnteile an der FES vier Unternehmen aus, die ernsthaft als Partner für die Stadt in Betrachtgezogen werden sollten. Neben den deutschen Firmen Edelhoff und Rethmann waren diesdie belgische Gesellschaft Watco. S.A. sowie die französische CGEA/ONYX. Im weiterenVerlauf des Verfahrens wurde schließlich die Firma Rethmann ausgewählt. Dabei spieltenneben dem Kaufpreis auch die Vorstellungen des Unternehmens über die Entwicklung derFES eine wichtige Rolle. So soll die FES zukünftig alle wichtige Abfallentsorgungsleistungenfür die Stadt anbieten und gleichzeitig als privater Anbieter weitere Einnahmen erzielen. DaRehtmann in der Region bislang nicht aktiv war, sei nicht zu befürchten, daß ein öffentlichesMonopol zum Nachteil der Bürger durch ein privates ersetzt werde. Die Rethmann-Gruppegilt in Fachzeitschriften mit einem Umsatz von 3,4 Mrd. DM und 14.000 Beschäftigten (1998)als mittelständisch.

Mitte Dezember 1997 stimmten die Gremien der Stadt dem Verkauf von 49% der FES-Gesellschaftsanteile an die Firma Rethmann zu einem Preis von 75 Mio. DM zu. ZusätzlicheEinnahmen von ca. 140 Mio. DM erzielte die Stadt durch den Verkauf von Betriebsgrund-stücken und Geschäftsausstattung an die FES. Außerdem verpflichteten sich Rethmann unddie Stadt Frankfurt, daß Eigenkapital der FES um jeweils 2 Mio. DM aufzustocken. Die ope-

Page 72: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

72

rative Führung der FES wurde dem privaten Entsorger übertragen. Bereits vorher war ver-einbart worden, daß Rethmann für die Stadt eine Kompostanlage errichten und betreibensoll.

Betrieben wurde der Verkauf maßgeblich vom Umweltdezernenten Tom Koenigs (Bündnis90 / Die GRÜNEN), der von 1995 bis Mitte 1997 zugleich das Amt des Stadtkämmererswahrnahm. Während die Beteiligung privater Entsorger an der FES zwischen den maßgebli-chen politischen Akteuren unstrittig war, entwickelten sich unterschiedliche Auffassungenüber den Umfang der Privatisierung. Die SPD und die GRÜNEN verfolgten das Ziel, derStadt auch zukünftig über eine Mehrheitsbeteiligung maßgeblichen Einfluß auf die Gestal-tung der Abfallwirtschaft zu bewahren. Während die SPD damit die Stellung der Beschäftig-ten sichern wollte, stand für die GRÜNEN vor allem die politische Kontrolle über ökologischeZielsetzungen im Vordergrund. Die CDU dagegen konnte sich anfangs auch einen Verkaufvon mehr als 50% der FES-Anteile vorstellen.

Seit nach dem Ende der rot-grünen Zusammenarbeit zwischen 1995 und 1997 in der Stadt-verordnetenversammlung wechselnde Mehrheiten die Politik bestimmt hatten, bildete sichnach den Kommunalwahlen im März 1997 eine „Große Koalition“ aus SPD und CDU, die denVerkauf in der ursprünglich beabsichtigten Form mit trug.

Kritik am Verkauf der FES-Anteile wurde vor allem von der ÖTV formuliert, die die Rechteder Beschäftigten bedroht sah. Sie forderte deshalb die Absicherung der bestehenden Tarif-verträge nach BAT sowie die Verlängerung des Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungenbis 2005, die sich jedoch nur bis Ende 2000 durchsetzen ließ. Die ÖTV kritisierte außerdem,daß die Stadt den Verkaufserlös zur Sanierung des Haushalts nutzen wollte, statt die Ein-nahmen in die Gebührenrückstellungen einzustellen. Damit würde sich die Stadt zum einenaus Gebühren finanziertes Vermögen aneignen; zum anderen werde deutlich, daß der Ver-kauf im wesentlichen vom kurzfristigen Interesse am Erlös motiviert sei.

Während die Arbeitnehmer-Vertretung jedoch bei der Umwandlung des städtischen Abfall-wirtschaftsamtes in eine GmbH in einer starken Verhandlungsposition war, konnte der Ver-kauf von Gesellschaftsanteilen ohne die direkte Beteiligung der Personalvertretung oder derÖTV vollzogen werden.

Nach dem Verkauf wurden die bereits mit der Gründung der FES begonnenen Anstrengun-gen fortgesetzt, die Rentabilität des Betriebes zu erhöhen. Zwischen 1996 und 1999 kam esaus Sicht der Arbeitnehmervertretungen zu erheblichen Leistungsverdichtungen für die Be-schäftigten, die sich insbesondere bei den Zusatzgeschäften mit der Einsammlung der DSD-Verpackungsabfälle und den Containerdiensten bemerkbar machen würden. Die Zahl derBeschäftigten nahm von Anfang 1996 bis Ende 1999 um fast 4% zu, wobei es eine Um-schichtung innerhalb der Belegschaft zu qualifizierteren Tätigkeiten gibt: Während im Bereichder Arbeiter 86 Arbeitsplätze abgebaut wurden, wurden gleichzeitig im Verwaltungsbereich118 zusätzliche Beschäftigte als Angestellte eingestellt. Die neue Geschäftsführung nahmmit den Arbeitnehmervertretern 1999 Verhandlungen darüber auf, ob die vereinbarten Absi-cherungen verlängert werden sollten. Als Gegenleistungen wurden eine Flexibilisierung derArbeitszeit und die Einführung von leistungsbezogenen Lohnbestandteilen erwartet.

Page 73: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

73

Die FES entwickelt sich unter der unternehmerischen Führung des Rethmann-Konzerns zu-nehmend zu einem der wichtigsten Entsorgungsunternehmen im Rhein-Main-Gebiet. Nebender Sammlung und Entsorgung des Restmüll, der DSD-Verpackungsabfälle und des Biomüllfür die Stadt Frankfurt spielen auch Leistungen für Unternehmen und andere Kommuneneine immer größere Rolle. Als Ziel verkündete die Geschäftsleitung gegenüber der Presse,neben den 200 Mio. DM Umsatz mit der Stadt weitere 200 Mio. DM Umsatz mit anderenKunden zu erzielen (FAZ vom 28.1.1998).

Die privaten Entsorgungsunternehmen der Region bekamen die Konkurrenz des privatisier-ten städtischen Unternehmens zu spüren, das zunehmend dieselben Kunden wie sie um-wirbt. Die privaten Entsorger sehen dabei in der Geschäftspolitik der FES einen Mißbrauchder nach wie vor bestehenden Monopolstellung des Betriebes. Sie kritisierten zudem, daßdie FES immer weniger Aufträge an andere Entsorgungsunternehmen vergab und statt des-sen mit den vom ehemaligen Amt übernommenen Kapazitäten einen wachsenden Teil derLeistungen selbst erbringt.

Auch für benachbarte städtische Entsorgungsbetriebe haben sich durch die Privatisierungder FES die Rahmenbedingungen verändert. So überlegt als Reaktion auf die Aktivitäten derFES inzwischen die Stadt Offenbach, die Abfallwirtschaft als GmbH zu führen, um auf demGebiet der Container-Dienste der FES gewachsen zu sein.

Die FES löst sich gleichzeitig immer stärker aus ihrer Verflechtung mit der Verwaltung derStadt Frankfurt. In der Vergangenheit stellte die Stadt dem Entsorgungsbetrieb jährlich bis zu20 Mio. DM für verschiedene Dienstleistungen wie Personal- und Lohnverwaltung in Rech-nung. Aus der Sicht der FES ergaben sich hier erhebliche Einsparpotentiale. So wurde z.B.1996 als wichtigste Teilleistung die Lohnkosten-Abrechnung an ein Dienstleistungsunter-nehmen vergeben, das nur ca. 0,75 Mio. DM jährlich berechnete. Seit 1998 führt die FES dieLohnkosten-Abrechnung mit einem eigenen System selbst durch.

Gebührenpolitik

Die Abfallgebühren der Stadt Frankfurt wurden nach einer Anhebung zum 1.1.1994 erst imApril 1998 wieder erhöht. Die Erhöhung um ca. 27% folgte dabei auf die Mitte 1997 vom UVFbeschlossene Anhebung der Beseitigungskosten um 50%, die von der Stadt Frankfurt nurmit deutlicher Verzögerung an die Gebührenzahler weitergegeben wurde. Die Ratsmehrheitaus CDU und SPD beschloß, die Kostensteigerung nicht im vollen Umfang an die Bürgerweiterzugeben, sondern vorher die noch bestehenden Rücklagen in Höhe von ca. 20 Mio.DM aufzubrauchen. Bereits im Sommer 1999 war allerdings offensichtlich, daß im Jahr 2000eine weitere Erhöhung der Gebühren von bis zu 10% notwendig sein würde, um die Entste-hung weiterer Defiziten zu verhindern.

Die jährlichen Gebühr für die wöchentliche Leerung einer 120l-Tonne stieg damit von 360.-DM über 457,20 DM (1999) auf 484,80 DM (ab Juli 2000) oder von 5,8 Pf. pro Liter entleerterMülltonne über 7,3 Pf./l. auf 7,8 Pf./l. . Die Nutzung der bis 1999 flächendeckend eingeführteBiotonne wird den Bürgern nicht gesondert in Rechnung gestellt, sondern aus den Gebührenfür den Restmüll finanziert.

Page 74: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

74

Die Gebührensteigerungen wurden von allen Parteien kritisiert. Die FDP forderte, den Erlösaus dem Verkauf der FES-Anteile in den Gebührenhaushalt einfließen zu lassen. Diese For-derung wurde auch von den GRÜNEN aufgestellt, obwohl Tom Koenigs in seiner Funktionals Stadtkämmerer ebenfalls den vollständigen Verkaufserlös als Einnahme für den allge-meinen Haushalt der Stadt vorgesehen hatte.

Nach der Gebührenerhöhung im Juli 2000 kündigte der Magistrat für das Jahr 2002 eineweitere Erhöhung an, um das aufgelaufene Defizit ausgleichen zu können.

Resümee

Die Kompetenzverlagerung für die Abfallwirtschaft auf den Umlandverband UVF hat sichnicht als tragfähig erwiesen, weil das zentrale Interesse der betroffenen Kommunen an derGestaltung ihrer Belange bei der Gebührenfestsetzung und der Errichtung von Entsorgungs-anlagen nicht berücksichtigt wurde. Zudem wurde die 1974 geschaffene Konstellation vonden kommunalen Akteuren stets als vom Land aufgezwungen empfunden. Die bestehendenDifferenzen wurden durch persönliche Gegensätze zwischen führenden Vertretern der betei-ligten Institutionen so verschärft, das eine funktionierende Kooperation nicht mehr möglichschien. Die Konflikte um den UVF wurden in der Folge in der raumplanerischen Fachliteraturbereits als „traditionell“ bezeichnet (z.B. Boeschen, Gather, Pfaff-Simoneit 1996) und habendie politischen Diskussionen um Gebietsreformen in anderen deutschen Ballungsräumendeutlich beeinflußt.

Gleichzeitig ist erkennbar, daß gegenüber der kommunalen Öffentlichkeit problematischeEntwicklungen in der Abfallwirtschaft häufig dem UVF angelastet wurden.

Die Rückübertragung der Zuständigkeiten und die Bildung der RMA haben zu einer Lösunggeführt, die die Interessen der kommunalen Akteure besser berücksichtigt, da sie einen di-rekteren Einfluß auf die Gestaltung der Kooperation haben. Die privatwirtschaftliche Rechts-form erweist sich dabei im Urteil der Beteiligten als flexibler sowohl in Hinblick auf die Kom-promißbildung zwischen den Gesellschaftern als auch auf die Gestaltung der wirtschaftlichenTätigkeit.

Die Interessengegensätze zwischen den beteiligten Entsorgungsträgern um die Kostenun-terschiede bei den einzelnen Entsorgungsanlagen sind nicht grundsätzlich aufgehoben. Da-mit wird deutlich, welchen Stellenwert symbolische Lösungen für die Wahrnehmung vonHandlungsbedarf durch die politischen Akteure haben. Gleichzeitig entsteht ein gemischt-wirtschaftlicher Bereich an der Grenze zwischen hoheitlicher und privatwirtschaftlicher Betä-tigung, dessen Aktivitäten zunehmend von wirtschaftlichen Erwägungen bestimmt werdendürften.

Auch die Privatisierung der Frankfurter Entsorgungsbetriebe und der anschließende Verkaufvon Gesellschaftsanteilen an ein privates Entsorgungsunternehmen haben einen solchengemischtwirtschaftlichen Bereich entstehen lassen. Damit werden die Kommunalpolitikerzukünftig zwischen dem Interesse der Öffentlichkeit an der Kontrolle der FES beziehungs-weise der von ihr erbrachten Leistungen und dem Wohl des mehrheitlich in städtischen Be-

Page 75: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

75

sitz befindlichen Unternehmens abzuwägen haben. Die Regulierung der Beziehungen ge-schieht dabei im wesentlichen durch das vereinbarte Vertragswerk.

Die Privatisierung hat im Urteil aller Akteure erkennbar zu deutlichen Rationalisierungsef-fekten geführt und der Stadt einen spürbaren Verkaufserlös erbracht. Gleichzeitig ist derEntsorgungswirtschaft in der Rhein-Main-Region aus einer ehemals öffentlichen Einrichtungein starker Konkurrent erwachsen.

Während in den Jahren vor 1994 heftige öffentliche Debatten um die Errichtung und den Be-trieb von Entsorgungsanlagen geführt wurden, besaßen diese Themen in den folgenden Jah-ren keine besondere Bedeutung. Auch die Gebührenerhöhungen wurden von der Öffentlich-keit schnell akzeptiert. Zu spürbaren Unmutsäußerungen führte am ehesten noch die Einfüh-rung der Biotonne, die von einem Teil der Bevölkerung anfangs abgelehnt wurde.

Page 76: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

76

Hannover

Die Stadt Hannover ist Hauptstadt und wirtschaftliches Zentrum des Bundeslandes Nieder-sachsen. Nach einer Phase der Abwanderung ins Umland in den achtziger Jahren hatte sichdie Bevölkerung der Stadt nach 1990 durch Zuwanderung aus den neuen Bundesländernund aus Osteuropa vorübergehend bei einem Stand von ca. 525.000 Einwohnern stabilisiert(Hannover 1996a: 1). Seit der zweiten Hälfte der neunziger Jahre geht die Einwohnerzahlwieder in geringem Umfang zurück.

Die auf die Eigenständigkeit der Stadt ausgerichtete Entsorgungspolitik stützt sich auf eineZentraldeponie, deren Fortführung von Hannover auch unter den Bedingungen der TASi an-gestrebt und durchgesetzt hat. Dabei hat die von einer rot-grünen Ratsmehrheit regierteStadt im Konsens mit anderen Akteuren ein Entsorgungskonzept entwickelt, das den Baueiner mechanisch-biologischen Behandlungsanlage (MBA) vorsieht und eine weitgehendeTrennung der Müllfraktionen zur Voraussetzung hat.

Der Entsorgungsbetrieb der Stadt wurde kontinuierlich modernisiert, wobei die Mehrheits-fraktionen die Beibehaltung hoheitlicher Rechtsformen angestrebt haben.

Seit 1999 haben die Verhandlungen zur Bildung einer „Region Hannover“ aus der StadtHannover und dem sie umgebenden Landkreis Hannover (594.000 Einwohner) zu erstenkonkreten Plänen geführt, die auch die Zuständigkeiten für die Abfallwirtschaft verändernwürden.

Bei der Betrachtung der Abfallwirtschaft in der Stadt Hannover sollen vor allem die Ausein-andersetzungen um das auf die Fortführung der Deponie mit einer MBA ausgerichtete Ent-sorgungskonzept im Mittelpunkt stehen.

Die Deponie als Dauerlösung

Seit 1936 betreibt die Stadt Hannover im Altwarmbüchener Moor (Stadtteil Lahe) eine Depo-nie, die alle Siedlungsabfälle der Stadt aufnimmt. Von 1936 bis 1980 wurde der sogenannteNordberg mit 9 Mio. m³ aufgeschüttet. Die Deponie versetzte die Stadt in die Lage, ihre Ent-sorgungssicherheit ohne Abhängigkeiten vom Umland eigenständig zu gewährleisten. Be-reits früh wurde dabei davon ausgegangen, daß die vorhandene Fläche „für eine Müllablage-rung noch für die nächsten 50 Jahre ausreicht“ (Faust 1962: 618). Zwischen 1980 und 1999wurden der Südost-Körper der Deponie mit insgesamt 13,5 Mio. m³ verfüllt. In den achtzigerJahren nahm die Deponie auch über 1 Mio. t Abfälle aus dem benachbarten Landkreis Han-nover auf, der zu dieser Zeit über keine geeignete Beseitigungsanlage verfügte. Auch nachder Verfüllung des zweiten Deponiekörpers könnte die Deponie noch um einen weiteren Ab-schnitt mit ca. 8 Mio. m³ erweitert werden, so daß die Stadt theoretisch ihre Entsorgung nochlangfristig auf die Zentraldeponie Hannover (ZDH) stützen könnte (Meyer, Schneider, Wiegel1996: 519).

Page 77: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

77

Angesichts der 1993 von der Bundesregierung in der TASi formulierten Anforderungenmußte sich die Stadt allerdings in den neunziger Jahren auf eine Entsorgungsstrategie fest-legen, die entweder auf eine Fortführung der Deponie hinauslaufen oder die Errichtung einerMVA anstreben könnte. Die Anforderungen der TASi wurden von der Bezirksregierung Han-nover als zuständiger Aufsichtsbehörde Mitte 1995 erwartungsgemäß per Anordnung an dieStadt Hannover weitergegeben. Danach erhielt die Stadt die Genehmigung, den weitgehendvon biologisch abbaubaren Bestandteilen befreiten Restmüll ausnahmsweise bis 2005 aufder ZDH zu deponieren. Anschließend müßte der Restmüll entweder verbrannt werden oderdurch eine nachgewiesenermaßen gleichwertige Behandlungsform ein Gehalt an Restorga-nik von höchstens 5% erreicht werden.

Seit 1986 wurde die Politik im Stadtrat in mehreren Phasen wiederholt durch eine Zusam-menarbeit von SPD und GRÜNEN bestimmt. Mit Hans Mönnighoff stellten die gegen eineMüllverbrennungsanlage gestimmten GRÜNEN seit 1988 auch den Umweltdezernenten, indessen Zuständigkeit seit Herbst 1992 auch die Abfallwirtschaft fällt.

Der Abfallwirtschaftsbetrieb Hannover (AWB) gab 1994 bei einem Ingenieurbüro die Erar-beitung eines Konzeptes in Auftrag, bei dem die Vor- und Nachteile der unterschiedlichenBehandlungsstrategien gegeneinander abgewogen werden sollten. Die aus dem Planungs-prozeß hervorgehende Variante sollte dann in der Nähe der ZDH als neues Abfallbehand-lungszentrum (ABZ) verwirklicht werden.

Ein Ziel der Stadt war es dabei ausdrücklich, eine autarke Lösung für die Abfallbehandlung inHannover sicherzustellen und nicht auf die Entsorgungseinrichtungen anderer Entsorgungs-träger zurückgreifen zu müssen.

Um von vornherein einen möglichst weitgehenden Konsens über die auszuwählende Strate-gie zu erzielen, richtete der Abfallwirtschaftsbetrieb im Juli 1994 eine „projektbegleitendeArbeitsgruppe“ (PBA) ein, in der Vertreter der Ratsfraktionen, der Wirtschaftsverbände, Um-weltschutzgruppen und Nachbarkommunen die Arbeit am Konzept begleiteten. Die Arbeits-gruppe beschäftigte sich dabei mit den Programmzielen, den Entscheidungskriterien und denbetroffenen Belangen der verschiedenen Interessenvertreter und setzte sich kritisch mit denFortschritten der Konzeptstudie auseinander. In der Studie wurden zuerst Kriterien für dieBewertung der Umweltrelevanz, der Technik und der Kosten erarbeitet, an denen die einzel-nen Anlagen-Varianten gemessen werden sollten. Danach wurden in einem zweistufigenAuswahlprozeß sechs Varianten ermittelt, von denen zwei vertiefend untersucht wurden. InAbstimmung mit der PBA wurden dabei aufgrund der positiven Kostenbewertung eine MBAin Kombination mit der Verbrennung der heizwertreichen Grobfraktion und die rein mecha-nisch-biologische Variante favorisiert (Meyer, Schneider, Wiegel 1996; Hannover 1996a:101ff.).

Nach der vertiefenden Prüfung dieser beiden Varianten empfahl die Studie die Errichtungeiner mechanisch-biologischen Restabfallbehandlungsanlage mit direkter Deponierung. Dieenergetische Verwertung der heizwertreichen Grobfraktion wurde grundsätzlich als sinnvollangesehen und sollte weiter geprüft werden. Entscheidend war dabei, daß sich die MBA-Variante als kostengünstig und flexibel gegenüber Mengenveränderungen erwies.

Page 78: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

78

Das Ergebnis dieses Auswahlprozesses wurde sowohl von allen Fraktionen als auch vonden anderen an den Planungen beteiligten Akteuren akzeptiert. Damit hatte der Umweltde-zernent Mönnighoff für die insbesondere von den GRÜNEN bevorzugte Entsorgungsstrate-gie die Zustimmung aller relevanten Akteure der Stadt gewonnen, obwohl diese Entsor-gungsstrategie in einer Auseinandersetzung mit den Aufsichtsbehörden durchgesetzt werdenmußte. Auf der Basis des erarbeiteten Konzeptes stellte die Verwaltung deshalb Ende 1995ein Abfallbehandlungskonzept zur Abstimmung, daß die Errichtung der entsprechenden An-lagen vorsah und einstimmig angenommen wurde (Hannover 1995).

Gebaut werden sollten im ABZ insbesondere

• ein Kompostwerk mit einer Durchsatzleistung von 40.000t/a (2. Ausbaustufe: 80.000t/a),um die flächendeckende Erfassung und Verarbeitung der Bioabfälle zu gewährleisten,die eine wichtige Voraussetzung für die Reduzierung des Organik-Anteils im Hausmüllwar (zur Biomüll-Sammlung siehe unten).

• eine mechanische Aufbereitungsanlage mit einer Kapazität von 220.000t/a Haus- undGewerbeabfällen und ca. 30.000t/a Sperrmüll. Die Anlage würde jährlich etwa 115.000tFeinmüll mit einen hohen Anteil an organischen Stoffen von 100.000t heizwertreichenMaterialien (Grobfraktion) trennen.

• eine Restabfall-Rotteanlage zur biologischen Behandlung der 115.000t/a Feinmüll undvon 15.000t/a Klärschlamm, wenn die Bezirksregierung für die anschließende Deponie-rung des behandelten Materials eine Genehmigung erteilen würde. Sollte diese Geneh-migung bis 1999 nicht vorliegen, müßte über den Umgang mit dieser Müllfraktion neuentschieden werden.

Damit hatte sich die Stadt Hannover grundsätzlich für die weitere Nutzung der ZDH ausge-sprochen. Gleichzeitig hatte sich die Stadt gegen die von der Bundesregierung durch dieTASi angestrebte thermische Behandlung des Restmülls entschieden und sich in die bun-desweite Debatte um die Veränderung der zentralen Parameter der TASi eingeschaltet.

Die Stadt Hannover war für die Verwirklichung ihres Abfallbehandlungskonzeptes auf einedauerhafte Genehmigung der Deponierung des in der MBA behandelten Restmülls durch dieBezirksregierung Hannover angewiesen, die sich hierfür unter anderem auf die TASi als gül-tige Rechtsgrundlage beziehen mußte. Jedoch hatte die Bezirksregierung für die Ablagerungnach 2005 im Juni 1995 den Nachweis verlangt, daß die angewandte Verfahrenstechnik denOrganikgehalt auf höchstens 5% der abgelagerten Masse reduziert, was zu diesem Zeit-punkt nicht möglich war, da keine entsprechenden Untersuchungen vorlagen. Hiergegenhatte Hannover umgehend Widerspruch eingelegt und bei der Beratung des Abfallbehand-lungskonzeptes angekündigt, im Falle einer Ablehnung dieses Widerspruchs zu klagen. DenWiderspruch hatte die Stadt mit den Ergebnissen der Untersuchung zu den einzelnen mögli-chen Varianten des Abfallbehandlungszentrums begründet, die die von einer MBA ausge-henden ökologischen Belastungen im Vergleich zu den anderen Varianten als am geringstenbeurteilte, obwohl der Wert von 5% Rest-Organik nicht erreicht werden könne. Die Stadt be-antragte deshalb eine nach Ziffer 2.4. der TASi mögliche Ausnahmegenehmigung mit abwei-chenden höheren Zuordnungswerten.

Page 79: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

79

Damit bezog sich die Stadt auf eine Regelung in der TASi, nach der in begründeten Einzel-fällen auch andere als die festgelegten Zuordnungswerte genehmigt werden könnten. Aufder Basis dieser Regelung hatte das niedersächsische Umweltministerium bereits im August1993 einen Erlaß formuliert, der den Kommunen Hinweise für die Formulierung ihrer Abfall-wirtschaftsstrategie gab, falls sie eine Müllverbrennung vermeiden wollten.

Das Land Niedersachsen hat in der Zeit der rot-grünen Koalition zwischen 1990 und 1994aufgrund entsprechender Forderungen der GRÜNEN das Ziel verfolgt, eine möglichst um-weltverträgliche Abfallpolitik zu betreiben, zu der auch der Verzicht auf die Verbrennung vonSiedlungsabfällen gehörte. Das Land stoppte nach dem Amtsantritt der neuen Regierung diediesbezüglichen Planungen und Voruntersuchungen und begann statt dessen ein Deponie-standortsuchprogramm. Damit ging die Landesregierung Konflikte sowohl mit der auf dieDurchsetzung der Verbrennungstechnologie zielenden Politik der Bundesregierung als auchmit Kommunen ein, die sich für MVAs entscheiden wollten.

Allerdings war spätestens mit dem im August 1992 von der Bundesregierung vorgelegtenersten Entwurf der TASi deutlich geworden, daß die Regelungsmöglichkeiten der Landesre-gierung für die Durchsetzung dieses Zieles begrenzt bleiben würden. 1993 hatten die Bun-desländer zudem durch das Investitionserleichterungsgesetz die Möglichkeit verloren, Müll-verbrennungsanlagen durch Landesplanung zu verhindern, da Müllverbrennungsanlagennunmehr nur noch immisionsschutzrechtlich genehmigt werden mußten.

Als Ergebnis der Auseinandersetzungen um die „richtige“ Entsorgungstechnologie verän-derte Niedersachsen seine Abfallpolitik zusehends: bis Anfang der neunziger Jahre machtendie Landesbehörden den Kommunen durch die Abfallwirtschaftsplanung noch verbindlicheVorgaben für ihre Entsorgungsstrukturen und wurden hierdurch insbesondere in den öffentli-chen Auseinandersetzungen um Verbrennungsanlagen zum Beteiligten. Angesichts desUmbruchs in der Abfallwirtschaft, in der statt fehlender Kapazitäten ein Überangebot an Be-handlungsanlagen drohte und gleichzeitig das Land durch Regelungen auf EU- und Bundes-ebene Kompetenzen verlor, nahmen die Landesbehörden zunehmend die Haltung ein, denEntsorgungsträgern lediglich die Rahmenbedingungen vorzugeben und Abstimmungspro-zesse zu unterstützen (Oest 1999: 127ff.).

Die Landesregierung hat daher nach dem Erlaß der TASi in erster Linie versucht, den Kom-munen Gestaltungsoptionen für eine Abfallpolitik ohne Müllverbrennung offenzuhalten, in-dem sie mit dem angesprochenen Erlaß die Bedingungen für die in der TASi vorgeseheneAusnahmeregelungen konkretisierte. Außerdem förderte sie Pilotanlagen für eine mecha-nisch-biologische Abfallbehandlung, auf die die TASi nicht anwendbar ist32. Diese Haltungwurde nach 1994 auch von der SPD-Alleinregierung eingenommen, obwohl einzelne Ver-treter der SPD forderten, die Verbrennung nicht mehr zu tabuisieren (Lamping, Lauer-Kirschbaum, Plaß 1996: 173ff.).

32 Von dieser Möglichkeit machten in Niedersachsen drei Entsorgungsträger Gebrauch. Außer in Hannover wurdein Niedersachsen noch die Fortführung der Deponien von drei weiteren Landkreisen in Verbindung mit der Er-richtung einer MBA als Einzelfallentscheidungen genehmigt (UBA 1999: 8), was von den Befürwortern der Ver-brennung als unverantwortliche Förderung von „Billigdeponien“ kritisiert wurde (Staeck 1999c: 18).

Page 80: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

80

Das niedersächsische Umweltministerium hat sich zwar direkter Stellungnahmen zu dem vonder Stadt Hannover angestrengten Widerspruchsverfahren enthalten, stand jedoch dem Vor-gehen der Stadt mit Wohlwollen gegenüber, da sich hier die Möglichkeit bot, die Möglichkeitder Öffnungsklauseln in der TASi für die Genehmigung mechanisch-biologischer Verfahrenauszuloten (ebenda: 185).

Im Juni 1997 genehmigte die Bezirksregierung Hannover die Deponierung von 100.000t/a inder MBA behandelten Materials zu den von der Stadt beantragten Zuordnungskriterien bisMitte 2020. Dabei begründete die Bezirksregierung ihre Entscheidung ausdrücklich mit der inHannover gegebenen Entsorgungssituation, bei der angesichts der detaillierten Kenntnisseüber die Verhältnisse auf der ZDH davon ausgegangen werden könne, daß die Unterschiedeim Emissionsverhalten zwischen den Produkten einer thermischen und einer mechanisch-biologischen Behandlung bedeutungslos seien. Zur „Gleichwertigkeit“ der beiden Entsor-gungstechnologien äußerte sich die Bezirksregierung nicht.

Die Stadt erhielt außerdem die Auflage, die bei der Sortierung anfallende heizwertreicheGrobfraktion in einer Verbrennungsanlage thermisch behandeln zu lassen und begann 1999mit der Vorbereitung einer entsprechenden Ausschreibung. Für den Fall der Errichtung einereigenen MVA wurde als Standort die ZDH angestrebt und die Kapazität auf 200.000t/a be-grenzt. Diese Variante wurde auch von den GRÜNEN akzeptiert, soweit dabei hohe ökologi-sche Standards gewährleistet würden.

Kooperation mit dem Landkreis Hannover

Auch für die Verbrennung der heizwertreichen Fraktion hat und hatte die Stadt mehrere Op-tionen zur Auswahl. So bot der Landkreis Hannover der Stadt bereits 1994 die Errichtungeiner gemeinsamen MVA an, was von der städtischen Umweltverwaltung jedoch abgelehntwurde, da dies aus ihrer Sicht auf einen Standort in Hannover hinauslaufen würde und dervon einer CDU/FDP-Mehrheit geführte Landkreis in der Anlage unbehandelten Restmüll ver-brennen wollte, was der Zielsetzung der Abfallwirtschaftspolitik der Stadt widerspreche.

1996 vereinbarten der Oberkreisdirektor des Landkreises, der Oberbürgermeister der Stadtund Regierungspräsident des Bezirks Hannover jedoch einen gebietsübergreifenden Entsor-gungsverbund in der Region Hannover, in der die beiden Entsorgungsträger die bestehen-den und zukünftigen Anlagen gemeinschaftlich nutzen sollten und in der auch die Einzugsbe-reiche für die Anlagen wechselseitig geöffnet werden sollte.

In der Debatte um die Nutzung der Entsorgungseinrichtungen bestanden vor allem zwischender CDU/FDP-Mehrheit im Kreistag und den GRÜNEN in der Stadt und im Landkreis erheb-liche Meinungsverschiedenheiten, die zu öffentlich ausgetragenen Konflikten führten. 1998lehnte der Landkreis eine Beteiligung an der hannoverschen MBA ab und entschied stattdessen, daß die Restabfälle des Landkreises ab 2001 in dem zur Müllverwertungsanlageumgebauten Kraftwerk Buschhaus bei Braunschweig beseitigt werden sollten.

Damit waren in der Entsorgungspolitik der beiden benachbarten Entsorgungsträger Grund-satzentscheidungen getroffen worden, die dem Aufbau gemeinsamer Strukturen entgegen-standen.

Page 81: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

81

Die Entsorgungssituation

1989 wies die Abfallbilanz der Stadt 1 Mio. t an Abfällen und Wertstoffen aus, die in den Ent-sorgungseinrichtungen erfaßt wurden. Dabei stellten Bauschutt und Bodenaushub mit ca.600.000t die größte Teilmenge dar, gefolgt von 338.000t Gewerbemüll. Von den Haushaltenwurden insgesamt rund 192.000t Abfälle und Wertstoffe eingesammelt. Insgesamt wurdenca. 869.000t Abfälle auf der ZDH deponiert – von den restlichen Mengen wurden insbeson-dere unbelasteter Boden und Baurestmassen verwertet und beispielsweise für den Deponie-bau eingesetzt. Daneben wurden etwa 31.000t Papier, Glas und Metalle gesammelt.

Obwohl die Abfallmengen für die Stadt aufgrund langfristig sicherer Deponiekapazitäten keinaktuelles Problem darstellten, stellte diese Form der Entsorgung angesichts geringer freierund geeigneter Flächen im Gebiet der Stadt doch eine endliche Lösung dar, die zudem mitlangfristigen Risiken verbunden war.

In den Abfallwirtschaftsprogrammen 1991-1995 und 1996-2000 wurden daher zahlreicheMaßnahmen beschlossen, die zu einer Verringerung der deponierten Abfallmengen führensollten (Hannover 1996a). So wurde 1991 eine Annahmegebühr für Bodenaushub einge-führt, die zu einer deutlichen Verringerung der angelieferten Mengen um 75.000t führte. FürBoden und Bauschutt wurde die vollständige Verwertung der angelieferten Mengen ange-strebt, wodurch der Anteil der deponierten Bauabfälle von etwa 25% der angelieferten Men-gen (1989) bis 1995 auf 3% verringert werden konnte. Auch Klärschlamm sollte nicht mehrdeponiert, sondern zunehmend in der Landwirtschaft verwertet werden. Wurden 1989 nochüber 50.000t Klärschlamm deponiert, waren es 1995 nur noch 15.000t. In den folgendenJahren erfolgte eine Deponierung nur noch in Notfällen. Eine weitere Maßnahme war diezunehmende Kompostierung von gewerblichen, öffentlichen und privaten Grünabfällen, dievon rund 11.000t in 1989 auf über 36.000t in 1997 gesteigert werden konnte. Daneben wur-de auch die Menge der getrennt von den Haushalten erfaßten Wertstoffe bis 1995 auf54.000t gesteigert.

Insgesamt sank das Abfallpotential der Stadt bis 1995 auf rund 675.000t, von denen noch390.000t abgelagert wurden. Damit kam den aus Haushalten und Gewerbe stammendenAbfällen auch mengenmäßig eine steigende Bedeutung zu.

Insbesondere die GRÜNEN hatten für die Haushalte eine größeres Angebot zur Sortierungvon Wertstoffen gefordert. Neben der Einführung der getrennten Erfassung von Bio-Abfällen(siehe unten) standen dabei insbesondere die Einrichtung von Recyclinghöfen und die weite-re Steigerung der klassischen Wertstoffe Glas, Papier und Metall im Vordergrund. Die er-faßten Wertstoff-Mengen stiegen insbesondere nach der Einführung des DSD-Sammelsystems deutlich an und erreichten 1998 einen Stand von 75.000t.

Der Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) erhielt im Abfallwirtschaftsprogramm 1996 auch den Auf-trag, aus den steigenden Sperrmüll-Mengen den Anteil an unbelastetem Holz auszusortierenund auch für belastetes Holz Aufarbeitungsmöglichkeiten zu prüfen. Dabei ging das Abfall-wirtschaftsprogramm von einem Mengenpotential von 30.000t/a in Bauabfällen und Sperr-müll aus. Die Versuche in diese Richtung wurden jedoch später aufgegeben. Statt dessen

Page 82: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

82

sollte für die getrennt erfaßten Holzmengen eine thermische Verwertung ausgeschriebenwerden, was bisher allerdings nicht verwirklicht wurde.

Neben der zunehmenden Verwertung der Abfälle, die durch die getrennte Erfassung der ein-zelnen Abfallfraktionen möglich wird, forderten insbesondere die GRÜNEN und die Umwelt-verbände, daß auch die Abfallvermeidung im Abfallwirtschaftsprogramm 1996 einen hohenStellenwert einnehmen sollte. Die Umweltverbände forderten insbesondere von der Stadt-verwaltung eine auf Abfallvermeidung ausgerichtete Beschaffungspolitik und eine striktereAufsicht über das Abfallverhalten von Gewerbebetrieben. Aus Sicht der Verwaltung warendiese Forderungen mit den Aufgaben der einzelnen städtischen Ämter nicht vereinbar undhätten unvertretbare Aufwendungen zur Folge gehabt. Die im Programm beschlossenenModellvorhaben für einzelne Ämter und Angebote an ausgewählte Branchen wurden in denfolgenden Jahren zum Teil eingestellt.

Die rot-grüne Ratsmehrheit versuchte, daß Ziel der Abfallvermeidung durch Modellprojektean Schulen und durch die Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer zu verfolgen.Bei der insbesondere von der IHK kritisierten Verpackungssteuer orientierte sich die StadtHannover dabei an dem von der Stadt Frankfurt ausgearbeiteten Modell. Die Steuer mußtenach dem 1998 ergangenen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes jedoch wieder abge-schafft werden. Das vorgesehene Modellprojekt „abfallarme Schule“ wurden dagegen 1997beschlossen und als Kooperation zwischen dem AWB mit einzelnen Schulen umgesetzt undspäter auf alle Schulen ausgeweitet. Dabei erhielten die Schulen die Möglichkeit, durch Sor-tierung des Mülls eingesparte Müllgebühren anteilig für ihre eigenen Zwecke verwenden zukönnen. Gleichzeitig sollten diese Bemühungen mit einem pädagogischen Konzept verbun-den werden.

Getrennte Erfassung von Bio-Abfällen

Die getrennte Erfassung von Bio-Abfällen von Haushalten wurde in zwei Versuchsgebietenbereits zwischen 1990 und 1993 erprobt. Darauf beschloß der Rat, die gesamte Stadtschrittweise an die Bio-Tonne anzuschließen. Da die getrennte Erfassung der biologischenAbfälle eine wichtige Voraussetzung für die Verringerung des Organikgehaltes der depo-nierten Müllmengen ist, wurde eine allgemeine Anschlußpflicht für alle Haushalte vorgese-hen, von der sich Eigenkompostierer befreien lassen können. Der AWB rechnete dabei da-mit, daß etwa 20% der erfaßten Mengen aufgrund von Verunreinigungen nicht kompostiertwerden könnten (Hannover 1996a: 12).

Nachdem bis 1994 etwa 50.000 Einwohner an die Biomüll-Erfassung angeschlossen wur-den, waren es 1998 bereits 374.000. Anfang 2000 waren alle 525.000 Einwohner an dasneue Sammelsystem angeschlossen. Die erfaßten Mengen an Bio-Abfällen stiegen dabeivon 2.000t in 1994 auf 13.500t in 1998. Dabei stellte der AWB insbesondere in den verdich-teten innerstädtischen Wohngebieten einen höheren Anteil von Fehlwürfen und Verunreini-gungen fest. Außerdem kam es in diesen Wohngebieten häufiger zu Problemen mit Stell-plätzen. Die Ursache für den höheren Anteil an Fehlwürfen sahen der AWB vor allem in dergrößeren Anonymität in verdichteten Wohngebieten und in den mit einem höheren Anteilausländischer Einwohner verbundenen Sprachproblemen. Als Reaktion auf die bestehenden

Page 83: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

83

Probleme intensivierte der Abfallwirtschaftsbetrieb die Beratung der Haushalte in den be-treffenden Stadtteilen, die auch über die Einführungsphase hinausgehen soll (Schneider,Bier, Nowc 1999). Insgesamt sieht der AWB jedoch eine hohe Akzeptanz für die Sammlunggewährleistet.

Durch diese Maßnahmen verringerte sich die Menge der erfaßten Mengen an Abfällen ausHaushalten von 157.000t in 1989 über 155.600t (1992) und 147.000t (1995) auf 134.500t in1998.

Rückgang der gewerblichen Abfälle

Um auch im Bereich der gewerblichen Abfälle die auf der Deponie angelieferten Mengen zureduzieren und die Betriebe verstärkt zu einer Sortierung von Wertstoffen zu bewegen, kün-digte das Umweltdezernat im Sommer 1994 an, die auf die Verwertung von Abfällen zielendeneue Abfallwirtschaftssatzung der Stadt vom 1.1.1994 verstärkt auch auf Gewerbebetriebeanzuwenden.

Das Umweltdezernat benachrichtigte im Juli die Abfall-Transporteure und wenige Wochenspäter auch die Abfallbesitzer, daß ab September des Jahres bei der Deponie angelieferteRein-Fraktionen verwertbarer Abfälle von den AWB auf Kosten des Abfallbesitzers zu einemVerwertungsbetrieb umgeleitet werden würden. Auch vermischte Gewerbeabfälle, für dieeine Pflicht zur getrennten Erfassung verwertbarer Bestandteile bestehe, sollten ab der drit-ten Anlieferung auf Kosten des Abfallbesitzers zu einer von der Stadt bestimmten Sortieran-lage umgeleitet werden. Insbesondere für Baustellenabfälle sollten die Vorschriften für dieVorsortierung der Abfälle am Anfallort verschärft werden. Gleichzeitig bot der AWB in Koope-ration mit den Handwerkskammern einzelnen Branchen gezielt Beratungen an.

Die Entsorgungskosten für die Deponierung von Gewerbeabfällen lagen bis Ende 1995 bei102.- DM/t und wurden zum 1.1.1996 auf 167.- DM/t angehoben, um den Betrieben einenAnreiz zur Verwertung von Wertstoffen zu geben. Für Baustellenabfälle betrug die Gebührseitdem 224.- DM/t, wobei nach Einschätzung der AWB erst ab einer Schwelle von etwa250.- DM/t ein Anreiz zur Verwertung bestehen würde. Rechtlich gerechtfertigt wurden dieGebührensteigerungen mit den Investitionen für den Ausbau der Deponie und das ABZ, dienach Einschätzung der AWB auch weitere Gebührensteigerungen nach sich ziehen würden.Für die Zukunft erwartet der AWB deshalb, daß die höheren Gebühren zu einem Rückgangbei den Gewerbeabfällen beitragen würden, was von den hannoverschen Akteuren durchausgewünscht wurde.

Nach dem Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsgesetzes veränderte sich die Haltung derUmweltbehörden zu den Gewerbeabfällen. In einer Beurteilung der möglichen Auswirkungendes KrWG auf die abfallwirtschaftliche Situation in Hannover (Hannover 1996b) stellte dieVerwaltung dar, daß in Hannover wie bei anderen Entsorgungsträgern auch mit einem er-heblichen Einbruch bei den zu entsorgenden Gewerbemüll-Mengen zu rechnen sei. Bedeut-sam für die von der Deponie bestimmte Abfallwirtschaft in Hannover sei dabei vor allem auchdie Möglichkeit der energetischen Verwertung von Gewerbemüll, die zu einem Abwandernvon Gewerbemüll zu Betreibern von MVAs führen könne, falls diese niedrigere Gebühren

Page 84: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

84

berechnen würden. Dadurch müsse auch Hannover mit geringeren Einnahmen für die Ab-fallwirtschaft rechnen, die zu zusätzlichen Belastungen für die privaten Haushalte führenwürden. Eine praktikable Möglichkeit, Betriebe durch eine Vorhaltegebühr an den Entsor-gungskosten zu beteiligen, sah die Verwaltung aus rechtlichen Gründen nicht33.

In dieser Situation müsse die Stadt Hannover klären, ob sie wie durch das KrWG beabsich-tigt die Abfallwirtschaft privaten Entsorgern überlassen wolle oder sie als Aufgabe der Da-seinvorsorge für ihre Bürger auch zukünftig wahrnehmen wolle. Angesichts der bestehendenEinrichtungen der Abfallentsorgung werde der AWB seine Position auf dem Entsorgungs-markt offensiv verteidigen, um die Wirtschaftlichkeit der Anlagen sicherzustellen: „Ziel einersolchen Handlungsstrategie ist es, möglichst alle Abfälle zu bekommen, die der Auslastungder ausgebauten oder geplanten Entsorgungsanlagen dienen“ (Hannover 1996b: 8). Für dasGewerbe sollten deshalb auf den Ausschluß von Abfällen von der Entsorgung verzichtetwerden, der AWB auch die Verwertung von Abfällen anbieten und die Abfallberatung alsKundenberatung für Entsorgungsleistungen verstanden werden.

Aus der Sicht von Umweltverbänden wurde damit von einer auf Mengenreduzierung ausge-richteten Strategie zur Akquise von Abfallmengen übergegangen.

Zum 1.1.1998 wurden die Deponiegebühren für einzelne Abfallarten von 361.- DM/t auf 198.-DM/t gesenkt, wobei die Gebühr für normale hausmüllähnliche Gewerbeabfälle weiterhin167.- DM/t betrug. Zum 1.1.1999 wurde dieser Betrag nur für Sortierreste aus genehmigtenSortieranlagen auf 129.-DM/t gesenkt. Kritisiert wurden die Gebühren für gewerbliche Abfällevor allem von der CDU, nach deren Auffassung die niedrigen Gebühren eine Sortierung vonAbfallgemischen in den von privaten Entsorgern betriebenen Sortieranlagen unrentabelmachten und dabei gleichzeitig auch dem selbstgesetzten Ziel einer Reduzierung der Depo-nierung von verwertbaren Abfällen zuwider liefen.

Gebühren und Entsorgungskosten

Die Müllgebühren für die Haushalte sind nach der Behältergröße und der Zahl der Leerunggestaffelt. Dabei konnten die Bürger ihre bisher üblichen 110l-Behälter zwischen ein- undfünfmal pro Woche oder auch nur einmal alle zwei Wochen abholen lassen. In einigen erst1974 eingemeindeten Stadtteilen wurde zudem der Hausmüll überwiegend noch per Sack-abfuhr eingesammelt. Da die Stadt keine Mindestbehältergröße vorschreibt, ergibt sich durchdiese Wahlmöglichkeiten für die Haushalte eine Annäherung an eine verbrauchsabhängigeGebührengestaltung.

Das als sehr unübersichtlich geltende System wurde mit der Einführung der Bio-Tonneschrittweise vereinheitlicht. Danach können die Haushalte noch zwischen einer wöchentli-chen und einer zweiwöchentlichen Leerung ihrer Behälter wählen und haben dabei die Aus-wahl zwischen drei Behältergrößen (80l-, 120l- oder 240l- Roll-Tonnen). Der Biomüll wirdzweiwöchentlich abgeholt.

33 Siehe hierzu die Überlegungen und Auseinandersetzungen in Stuttgart und anderen baden-württembergischenEntsorgungsträgern, die in Hannover nach Auskunft der AWB aufmerksam beobachtet werden.

Page 85: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

85

Neben den kleineren Müllgefäßen werden auch Großbehälter von 660l bis 4.500l eingesetzt,an die etwa 60% der Haushalte angeschlossen sind.

Für 1994 betrugen die Müllgebühren für die 110l-Tonne bei wöchentlicher Leerung 279,60DM im Jahr (bei zweiwöchentlicher Leerung: 140,40 DM). Zum 1.1.1995 wurde diese Gebührauf 253,20 DM im Jahr gesenkt (zweiwöchentliche Leerung: 127,20 DM). Als Folge derdurch das KrWG zurückgegangenen Gewerbemüllmengen kündigten die Umweltbehörden1997 für das folgende Jahr Gebührenerhöhungen von rund 28% an. Ab dem 1.1.1998 wur-den damit für eine 110l-Tonne 332,40 DM im Jahr bei wöchentlicher und 165,30 DM beizweiwöchentlicher Leerung berechnet. Für die in den Gebieten mit der Bio-Tonne aufge-stellte 120l-Tonne wurden 362,40 DM im Jahr erhoben (zweiwöchentliche Leerung: 181,20DM). Zum 1.1.2000 wurden die Gebühren aufgrund der Investitionen in das Abfallbehand-lungszentrum wiederum angehoben. Für einen 120l-Behälter werden nun bei wöchentlicherLeerung 400,80 DM im Jahr erhoben (zweiwöchentliche Leerung: 200,40 DM).

Die Gebühr für die zweiwöchentlich geleerte Bio-Tonne betrug ab dem 1.1.1998 für eine 80l-Tonne 120.- DM im Jahr. Zum 1.1.2000 wurde dieser Betrag auf 139,20 DM im Jahr ange-hoben.

Mit dieser Gebührengestaltung gehört die Stadt Hannover nach einem von ihr vorgenomme-nen Vergleich der Abfallgebühren in allen Städten über 400.000 Einwohner weiterhin zu denGroßstädten mit den niedrigsten Müllgebühren.

Um die Entsorgungskosten niedrig zu halten, unternahm die Stadt Anstrengungen, die Be-triebsführung des Abfallwirtschaftsbetriebes möglichst rationell zu gestalten. Mit der Über-nahme der DSD-Sammlung durch die städtische Abfallwirtschaft ergab sich zudem die Not-wendigkeit, diese nicht zur hoheitlichen Aufgabenerfüllung gehörenden Leistungen von dendurch Gebühren finanzierten Aufgaben getrennt abzurechnen. 1993 wurde das Amt für Ab-fallwirtschaft und Abfallentsorgung auf Antrag der CDU und mit Zustimmung der rot-grünenRatsmehrheit und der Arbeitnehmervertreter in einen Eigenbetrieb umgewandelt. Dabeistand für die Arbeitnehmervertreter im Vordergrund, durch die Einführung betriebswirtschaft-licher Elemente in die Betriebsführung einer weitergehenden Diskussion um eine Privatisie-rung der Abfallwirtschaft zuvor zu kommen.

Das 1995 beschlossene Abfallbehandlungszentrum sollte allerdings aufgrund steuerlicherVorteile von einer GmbH im Besitz der Stadt (ABZ Hannover GmbH) errichtet und anschlie-ßend von den Abfallwirtschaftsbetrieben betrieben werden. Dabei hatte insbesondere dieIHK gefordert, für die geplante MBA auch eine private Trägerschaft zu prüfen.

In den folgenden Jahren wurde das Personal des bisherigen Amtes für Abfallentsorgung undStadtreinigung schrittweise auf den Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) übertragen. Ab 1995 wur-den nach entsprechenden Veränderungen in Landesgesetzen auch die Deponie und dieStraßenreinigung in den Eigenbetrieb integriert. Dabei beabsichtigte der AWB eine Verringe-rung der Beschäftigtenzahl von 1079 (1993) um 100 Personen bis 1996. 1998 waren 977Personen beim AWB beschäftigt. Nach Einschätzung aller beteiligten Akteure gelang es demAWB dabei erfolgreich, im Rahmen der gewählten Rechtsform erhebliche Einsparpotentialezu verwirklichen. So lobte die CDU-Fraktion anläßlich der von ihr kritisierten Gebührenerhö-hungen zum 1.1.1998 in 1997 die Leistungen des AWB ausdrücklich. Der Eigenbetrieb er-

Page 86: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

86

wirtschaftete in den meisten Geschäftsjahren aus den nicht durch die Gebühren finanziertenGeschäftsbereichen Gewinne, von denen regelmäßig Beträge zwischen 0,5 Mio. DM (1996)und 2 Mio. DM (1998) an den städtischen Haushalt abgeführt wurden, was von der CDU-Fraktion kritisiert wurde, die diese Gelder zur Stabilisierung der Gebühren verwendet sehenwollte.

Die Region Hannover

Bereits seit 1962 bilden die Stadt Hannover und der die Stadt umgebende Landkreis Hanno-ver den Kommunalverband Großraum Hannover (KGH), der durch Landesgesetz die Zu-ständigkeit für den öffentlichen Nahverkehr im Verbandsgebiet erhalten hat. Der KGH istaußerdem Träger der Regionalplanung und nimmt weitere Aufgaben wie die Tourismusför-derung mit Zustimmung der beiden Verbandsmitglieder wahr (ARL 1998:46f.).

Sowohl das Land Niedersachsen als auch die beiden Gebietskörperschaften haben seit lan-gem versucht, die Kooperationsbeziehungen auszubauen und auch eine neue Form der In-stitutionalisierung zu finden, um die Entwicklung der Großstadtregion Hannover zu fördern.Eine freiwillige Zusammenarbeit fand zwischen den beiden Gebietskörperschaften bereits inzahlreichen Bereichen statt. Wie für die Abfallwirtschaft dargestellt, kam es dabei allerdingsaufgrund unterschiedlicher Interessen und verschiedener politischer Kulturen auch zu Kon-flikten, die gemeinsame Lösungen verhinderten.

Ab Ende 1996 hat sich zwischen den regionalen Akteuren ein Konsens für die Bildung einerRegion Hannover entwickelt, in der die Aufgabenverteilung zwischen den beteiligten Ge-bietskörperschaften grundlegend neu geregelt werden soll. Einen wichtigen Impuls für dieDiskussion in Hannover gab dabei das Jordan-Papier, das ein Arbeitskreis um den hessi-schen SPD-Politiker Jörg Jordan 1996 für die Diskussion um die Region Frankfurt formulierthatte.

Nach langwierigen Vorgesprächen kündigte das niedersächsische Innenministerium imHerbst 1999 einen ersten Gesetzesentwurf über den zukünftigen Aufbau der Region an. Da-nach sollen der Landkreis Hannover und der KGH aufgelöst werden und die Stadt Hannoverden Status der Kreisfreiheit verlieren. Neben Aufgaben, die bislang vom Landkreis und derLandeshauptstadt wahrgenommen wurden, soll die neue als Regionalkreis konzipierte Kör-perschaft auch von der Bezirksregierung Zuständigkeiten übernehmen. Dem Regionalkreiswürden dann 21 Städte und Gemeinden mit mehr als 1 Mio. Einwohnern angehören. Ziel desKonzeptes wäre nach Ansicht des niedersächsischen Innenministers Bartling eine „Kommu-nalpolitik aus einer Hand“ (Frankfurter Rundschau vom 26.08.1999).

Ausschlaggebend für die grundsätzliche Bereitschaft der einzelnen Kommunen und Gebiets-körperschaften zu Beteiligung an der Region war nach Darstellung von Priebs, daß die ver-schiedenen Interessen in vielfältigen Kompromissen sorgfältig gegeneinander abgewogenwurden (1999: 625ff.). So soll die Region auch die Zuständigkeit für die Sozial- und Jugend-hilfe übernehmen, wodurch insbesondere die Stadt Hannover deutlich entlastet wird. Gleich-zeitig werden kommunale Aufgaben jedoch auch weiterhin soweit wie möglich bei den Städ-

Page 87: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

87

ten und Gemeinden angesiedelt. Die Bezirksregierung behält ihre staatlichen Kernaufgabenund wird daher durch die Region nicht in ihrem Bestand gefährdet.

Nach der Veröffentlichung des Entwurfs wurde deutlich, daß die beteiligten Körperschaftenüber die Veränderungen bei den Zuständigkeiten in vielen Fragen noch sehr unterschiedli-che Positionen vertraten. So wäre neben anderen Bereichen nach dem Entwurf auch dieAbfallwirtschaft von den kommenden Veränderungen betroffen, für die nach einer Über-gangsfrist auch die Region zuständig sein soll. Dabei wurde deutlich, daß die unterschiedli-che Haltung zu verschiedenen Fragen der Abfallentsorgung zu Konflikten führen könnte. Vorallem blieb neben der Länge der Übergangsfrist noch offen, ob bei einer Zusammenführungder beiden Abfallwirtschaftsbetriebe der neue Betrieb als GmbH geführt werden würde, dadie Abfallwirtschaft des Landkreises bereits seit der Gebietsreform 1974 in dieser Rechts-form besteht.

Im Mai und Juni 2000 kam es über die Zukunft der Abfallwirtschaft in der Region zu einemöffentlich ausgetragenen Konflikt, in dessen Verlauf in der Presse Zweifel an der Zustim-mung der Stadt Hannover zur Bildung der Region aufkamen: Im Mai legte das niedersächsi-sche Innenministerium eines Gesetzesentwurf zur Region vor, in dem die Zuständigkeit fürdie Abfallwirtschaft und die Krankenhäuser mit einer Übergangsfrist von 18 Monaten auf dieRegion übertragen werden sollte. Hierauf reagierten sowohl die Personalvertretung des AWBzusammen mit der ÖTV als auch Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg (SPD) mit scharferKritik. Die Arbeitnehmervertretung befürchtete, daß der AWB in die Abfallentsorgungsgesell-schaft des Landkreises eingefügt und anschließend privatisiert werden könnten. Dabei ver-wies sie auf Privatisierungsdiskussionen, die im Landkreis einige Jahre zuvor bereits geführtworden waren. Außerdem würde der Verbund aus Straßenreinigung und Abfallwirtschaftzerschlagen, da die Straßenreinigung als Aufgabe bei den Kommunen verbleiben solle.Schmalstieg unterstützte die öffentlichen Proteste der Belegschaften und forderte von derSPD-Landesregierung eine Verlängerung der Übergangsfristen bis 2006, wie sie bereits ver-einbart gewesen sei. Als Ziel einer Einigung nannte er für die Abfallwirtschaft eine öffentlich-rechtliche Trägerschaft etwa als Anstalt des öffentlichen Rechts, worin er auch von denRatsfraktionen von SPD und GRÜNEN unterstützt wurde.

Die Landesregierung und der Landkreis Hannover sahen dagegen die Gestaltung der Ab-fallwirtschaft als zukünftige Aufgabe der Region an und sahen es nicht als Problem, daß dieStadt Hannover ihren direkten Einfluß auf den Gestaltungsprozeß nach dem Ablauf derÜbergangsfrist verlieren werde, da das Regionalparlament schließlich auch von der hanno-veraner Bevölkerung gewählt werde. Dabei wurde von Vertretern des Landkreises gegen-über der Presse nahegelegt, der Stadt ginge es auch darum gehen, städtische Schulden aufden Abfallwirtschaftsbetrieb auszulagern und damit langfristig auf die Region zu übertragen.

Die Landesregierung hat bislang keine Bereitschaft gezeigt, die Forderungen der Stadt zuerfüllen und bereitet die Region auf der Basis des angekündigten Gesetzesentwurfs weitervor.

Page 88: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

88

Resümee

Die Entsorgungspolitik der von einer rot-grünen Ratsmehrheit regierten Stadt Hannoverzielte mit dem Mitte der neunziger Jahre erarbeiteten Entsorgungskonzept auf die weitereNutzung der Zentraldeponie in Verbindung mit einer MBA, die im Konsens mit allen politi-schen Akteuren der Stadt beschlossen wurde. Obwohl die Stadt sich dabei auf eine rechtli-che Konfrontation mit den Aufsichtsbehörden einlassen mußte, konnte sie sich doch auf dievon einer rot-grünen Landesregierung formulierten Grundsätze stützen, die in der bundespo-litischen Auseinandersetzung um die Grenzwerte der TASi den niedersächsischen Kommu-nen Spielräume für eine Abfallpolitik ohne Verbrennungsanlagen offenhalten wollte. DieseMöglichkeit wurde von der Stadt Hannover für ihre Entsorgungsstrategie genutzt.

Bei der Entwicklung der städtischen Abfallpolitik setzt die Stadt bislang auf die Beibehaltunghoheitlicher Rechtsformen, die im Urteil der beteiligten Akteure dieselben Möglichkeiten bie-ten wie privatrechtliche Rechtsformen. Infolge des KrWG hat der Abfallwirtschaftsbetriebseine auf eine Reduzierung der deponierten Abfallmengen ausgerichtete Haltung verändertund versucht nunmehr auch, die Entsorgungsanlagen auszulasten, um die Belastungen fürdie Gebührenzahler durch hohe Fixkosten gering zu halten.

Eine gemeinsame Abfallpolitik mit dem die Stadt umgebenden Landkreis Hannover kambislang nicht zustande. Im Verlauf des Jahres 1999 konkretisierten sich jedoch die bereitsseit längerem verfolgten Pläne zur Bildung einer Region Hannover, in der auch die Zustän-digkeit für die Abfallwirtschaft neu geregelt werden wird. Dabei erweisen sich die bestehen-den Unterschiede in den Entsorgungsstrategien nach wie vor als wichtiges Hindernis. Strittigist dabei insbesondere, ob sich die Abfallwirtschaft zukünftig weiterhin in hoheitlicher Träger-schaft befinden soll.

Page 89: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

89

Nürnberg

Die Stadt Nürnberg stellt mit ca. 490.000 EinwohnerInnen das wirtschaftliche Zentrum derRegion Mittelfranken mit ungefähr 1,6 Mio. EinwohnerInnen dar34.

Ab Mitte der achtziger Jahre hat Nürnberg unter dem Eindruck insgesamt wachsender Müll-mengen bei der Entwicklung ökologischer Ziele in der kommunalen Abfallwirtschaft eine imBundesgebiet stark beachtete Vorreiterstellung eingenommen35. Gleichzeitig wurde trotzpolitischer Widerstände die Müllverbrennung durch die Planung einer neuen Anlage alsGrundlage der Entsorgungspolitik langfristig festgeschrieben.

Aufgrund neuer politischer Mehrheiten und der veränderten Rahmenbedingungen in der Ab-fallwirtschaft haben sich die Schwerpunkte in der Abfallwirtschaftspolitik der Stadt ab 1996deutlich verschoben. Neben einer möglichen Privatisierung der Abfallentsorgung wurde auchdie Auslastung der Verbrennungskapazitäten zum beherrschenden Thema. Dabei entwik-kelte sich eine ausgeprägte Konkurrenzsituation zu der in der Nachbarstadt Fürth geplantenVerbrennungsanlage, die sich jedoch im Verlauf dieser Untersuchung durch die technischbedingte Stillegung der Fürther Anlage auflöste.

In der Darstellung der Entwicklung der Abfallwirtschaft in Nürnberg werden der Wechsel inden politischen Zielsetzungen sowie der Umgang mit einem von Konkurrenz geprägten Um-feld in der Abfallwirtschaft im Vordergrund stehen.

Kommunale Abfallpolitik als rot-grünes Vorzeigeprojekt

Seit den Kommunalwahlen in 1984 gab es im Rat der bis dahin von einer SPD-Mehrheit re-gierten Stadt Nürnberg die Möglichkeit einer rechnerischen Ratsmehrheit aus SPD undGRÜNEN, die zu einer Zusammenarbeit der beiden Parteien führte.

Da die neue Ratsmehrheit in der Umweltpolitik deutliche Akzente setzen wollte, wurde dieVerwaltungsstruktur der Stadt verändert und ein Umweltdezernat eingerichtet, dem auch dasAmt für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung – Reinigungs- und Fuhramt (RF) unterstand. Dasneue Ressort wurde ab 1987 von Rolf Praml (SPD) als Referent geleitet.

Bereits in den achtziger Jahren hatte die Stadt Nürnberg zahlreiche ökologisch orientierteMaßnahmen vorbereitet, die vor allem auch zur Verminderung der zu entsorgenden Abfall-mengen beitragen sollten. So bestand bereits eine dichtes Netz an Glas- und Papiercontai-nern; die Schlacke der Verbrennungsanlage wurde in einer Anlage aufbereitet. Außerdemwurde mit dem Recycling von Bauschutt und Straßenaufbruch begonnen sowie erste Versu-che mit der Erfassung von Bioabfällen durchgeführt. 1986 lag die Recyclingquote beimHausmüll aufgrund der vielfältigen Aktivitäten bei 18% der Gesamtmenge (Pohle 1987).

34 Sitz des Regierungspräsidiums des Bezirks Mittelfranken ist Ansbach.35 Siehe beispielsweise den Bezug der Bremer GRÜNEN auf die Projekte in Nürnberg (Die GRÜNEN (Bremen)1991)

Page 90: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

90

Für die GRÜNEN stellte die Abfallentsorgung ein wichtiges Politikfeld dar, auf dem durchkommunale Initiativen wichtige ökologische Veränderungen angestoßen werden sollten. Dierot-grüne Ratsmehrheit beschloß daher in der Folgezeit eine Reihe von Maßnahmen, die zueinem ökologischen Umbau der Abfallwirtschaft beitragen sollten:

• Schrittweiser Aufbau der flächendeckenden Erfassung von Bioabfällen, die in einer zuerrichtenden Biogasanlage verwertet werden sollten;

• Einrichtung von insgesamt sieben Recyclinghöfen im gesamten Stadtgebiet;

• Erlaß neuer Satzungen 1989, die einem linearen volumenbezogenen Tarif für die Müll-gebühr einführte; zahlreiche Recyclingmaßnahmen festschrieb und für öffentliche Veran-staltungen die Verwendung von Mehrweggeschirr vorschrieb (Ebert 1992);

• Aufbau einer Abfallberatung für Gewerbebetriebe, die mit den Betrieben zusammenMöglichkeiten zur Abfallvermeidung prüfen sollte. Hierfür wurden unter anderem Kon-zepte für einzelne Branchen sowie ein EDV-gestütztes Informationssystem für gewerbli-che Abfälle entwickelt.

• sowie Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer (1993/94), die insbesondere derVerwendung von Einweggeschirr in Restaurants entgegenwirken sollte.

Insgesamt war die abfallwirtschaftliche Situation Ende der achtziger Jahre von jährlich stei-genden Müllmengen geprägt, denen nur begrenzte Entsorgungskapazitäten gegenüberstan-den. 1987 hatten die Abfallmengen mit ca. 275.000 t Haus- und Gewerbemüll einen Höchst-stand erreicht. Gleichzeitig war absehbar, daß die seit 1968 betriebene und seitdem mehr-fach modernisierte Müllverbrennungsanlage mit einer Kapazität von ca. 260.000 t/a in vierKesseln die Emissionsgrenzwerte der neuen Bundesimmisionsschutzverordnung (17.BImSchV) nicht einhalten würde. Zudem führte das Alter der Anlage zunehmend zu ver-schleißbedingten Betriebsausfällen. Da eine Nachrüstung der Anlage aufgrund baulicherBedingungen nicht möglich schien, rechnete das RF nicht mit einer Verlängerung der bis1996 befristeten Betriebsgenehmigung. Auch die Reststoffdeponie Nürnberg-Süd war 1990fast vollständig verfüllt. Erst ab Ende 1991 sollte eine Erweiterung der Deponiekapazität um800.000 Kubikmeter zur Verfügung stehen.

Damit ergab sich Anfang der neunziger Jahre die Notwendigkeit, grundlegende Entschei-dungen über die Entsorgungspolitik zu treffen, die die Stadt langfristig festlegen würden.

Ende der achtziger Jahre gab es in den Städten und Landkreisen Mittelfrankens Überlegun-gen, die sich abzeichnende Entsorgungsprobleme gemeinsam zu lösen. Insbesondere zwi-schen den Städten Nürnberg, Fürth und Erlangen sowie dem Landkreis Fürth wurde eineKooperation zum Bau und Betrieb einer Verbrennungsanlagen diskutiert. Aufgrund der kriti-schen Haltung der Öffentlichkeit gegen die Müllverbrennung wollte jedoch keine der Kom-munen einen Standort für eine gemeinsame Anlage zur Verfügung stellen. In der Folgezeitbegannen jedoch alle genannten Körperschaften mit der Planung eigener Verbrennungsan-lagen, wobei Fürth und der Landkreis Fürth kooperierten.

Page 91: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

91

Vor dem Hintergrund sich verknappender Entsorgungskapazitäten forderte insbesondere dieWirtschaft, vertreten durch die regionale Industrie- und Handelskammer (IHK), zügig klarepolitische Entscheidungen, die die Entsorgungssicherheit garantieren und damit den Wirt-schaftsstandort stabilisieren sollten (IHK 1990: 2).

In Nürnberg war die Art der zukünftigen Entsorgung zwischen den politischen Akteuren je-doch strittig:

Die GRÜNEN kritisierten, daß eine MVA nicht nur eine unkontrollierbare Menge an Schad-stoffen ausstoßen würde, sondern auch alle zur Verfügung stehenden Ressourcen bindenund damit eine ökologisch orientierte Weiterentwicklung der Abfallentsorgung blockierenwürde. Statt dessen sollte der zu entsorgende Restmüll durch die Abtrennung aller Wertstoff-Fraktionen reduziert und für die verbleibende Menge alternative Entsorgungsmöglichkeitengeprüft werden. Auch einer Kooperation mit anderen bayerischen Kommunen beim Betriebvon Entsorgungsanlagen standen die GRÜNEN eher kritisch gegenüber, da sie einen un-kontrollierbaren „Mülltourismus“ befürchteten.

Aus Sicht der SPD und der CSU blieb der Bau einer neuen MVA jedoch für die GroßstadtNürnberg unverzichtbar, um die anfallenden Abfallmengen bewältigen zu können.

Die öffentliche Debatte um die Zukunft der Abfallentsorgung führte zu zwei Hearings, in de-nen der Bau einer neuen Verbrennungsanlage thematisiert wurde. Als Ergebnis der öffentli-chen Diskussion sahen sich die Verbrennungsbefürworter in ihrer Ansicht bestärkt, daß esfür die Stadt Nürnberg keine realistische Alternative zum Bau einer MVA gebe. Die Gegnerder Müllverbrennung bestanden allerdings darauf, daß eine Verbrennungsanlage nur unterEinhaltung hoher ökologischer Standards akzeptiert werden könne. Insbesondere der BUNDNATURSCHUTZ kritisierte die Planungen für die MVA jedoch weiterhin, da sie im Vergleichzu einer Mechanisch-Biologischen-Anlage (MBA) größere ökologische Risiken aufweise undgleichzeitig aufgrund ihres hohen Preises spätere Kurskorrekturen erschwere.

Bedeutsam war in dieser Situation auch, daß die bayerische Landesregierung sich massivfür den Ausbau der Verbrennungskapazitäten aussprach und eine strenge Handhabung dernoch in Vorbereitung befindlichen TASi ankündigte.

1991 beschloß der Stadtrat einstimmig den Bau einer neuen MVA mit einer Kapazität von300.000t/a, die modernsten technischen und ökologischen Anforderungen gerecht werdensollte. So wurde unter anderem eine Vorbehandlung des Mülls geplant, die eine Aussortie-rung aller noch enthaltener Wertstoffe und damit eine schadstofffreiere Verbrennung ermög-lichen sollte. Auf diese Sortieranlage wurde später jedoch verzichtet, weil der Ausbau dergetrennten Sammlung einzelner Müllfraktionen eine Vorbehandlung des Restmülls aus tech-nischen und ökologischen Gründen nicht mehr notwendig machte.

Die GRÜNEN trugen die Entscheidung für den Bau der Verbrennungsanlage vor dem Hin-tergrund der abfallwirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit, kritisierten allerdings nach wievor, daß angesichts erheblicher Recyclingpotentiale die geplante Kapazität als überdimen-sioniert.

Page 92: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

92

1992 wurde die Thermische Abfallbehandlung Nürnberg GmbH (TAN) gegründet, die dieneue MVA im Auftrag der Stadt planen und errichten sollte. Die private Rechtsform wurde fürdie Gesellschaft gewählt, um die beim Bau der Anlage zu zahlende Umsatzsteuer als Vor-steuer wiederzubekommen. Der Aufsichtsrat der TAN verringerte während der Planung derAnlage angesichts der verringerten Restmüllmengen die Kapazität der neuen Verbren-nungsanlage auf 205.000t/a. Der Betrieb der bestehenden Anlage sollte bis zur Fertigstel-lung der neuen MVA fortgeführt werden, wofür allerdings eine Ausnahmegenehmigung desRegierungspräsidiums Mittelfranken erforderlich war, da die alte Anlage die verschärfteBImSchV nicht mehr erfüllte.

Bei der Auswahl der Technologie für die Anlage wurde auch das Schwelbrenn-Verfahrenerwogen, daß von dem in der Region ansässige Konzern Siemens den Kommunen massivanboten wurde. Die Nürnberger Ratsparteien entschieden sich 1996 jedoch für den Bau ei-ner herkömmlichen Rostfeuerungsanlage.

Bereits 1991 verließ der Umweltreferent Praml (SPD), der im Urteil der örtlicher Akteuredurch sein Engagement die Umsetzung umweltpolitischer Ziele in der Abfallwirtschaft geför-dert hatte, aus beruflichen Gründen seine Stellung und wechselte zu einem Ministerium desebenfalls von einer rot-grünen Mehrheit regierten Landes Hessen. Unter seinem aus der ört-lichen SPD-Fraktion stammenden Nachfolger Frank Schmidt (1991-1997) wurden die be-gonnenen Veränderungen fortgeführt und um einige weitere Maßnahmen ergänzt. So 1995begann das RF beispielsweise in der Erwartung einer auf Bundesebene diskutierten Elektro-nikschrottverordnung mit der Erfassung und Verwertung von Elektronikschrott36.

Als sich mit dem Inkrafttreten der Verpackungsverordnung 1993 die zunehmende Liberalisie-rung der Abfallwirtschaft durch die Bundesgesetzgebung abzeichnete, formulierte der Um-weltreferent das Ziel, die Beseitigung von Abfällen als hoheitlichen Bereich von der Stadtvorhalten zu lassen, während alle Verwertungsaktivitäten von Privatunternehmen betriebenwerden sollen. Die Stadt überließ daher die vom Dualen System finanzierte Sammlung undVerwertung der Verpackungsabfälle regionalen Unternehmen, die sich zur Arbeitsgemein-schaft Nürnberger Abfallentsorgung (a.n.a.) zusammenschlossen. Auch die Kompostierungder in Nürnberg erfaßten Bioabfälle wird von einem Privatunternehmen durchgeführt, wobeidie Sammlung allerdings durch die städtische Müllabfuhr erfolgt. Die ursprünglich geplanteVerwertung in einer Biogasanlage wurde aufgegeben, nachdem sich kein privater Betreiberfür eine derartige Anlage gefunden hatte.

Bei der Einführung der Verpackungsverordnung versuchte sich die Stadt Nürnberg wie zahl-reiche andere Städte anfangs gegen die Einbeziehung in das DSD-Vertragssystem zu weh-ren, das als überflüssige Parallelorganisation zur kommunalen Abfallwirtschaft mit sehr ge-ringem Zusatznutzen gesehen wurde.

36 Nach einer Umfrage der ARGUS-Gruppe führten Mitte 1995 über 95% aller befragten ÖRE in Vorgriff auf diedamals erwartete Elektronikschrottverordnung die getrennte Erfassung von elektrischen Haushaltsgeräten ein(vgl. Halstrick-Schwenk/Löbbe 1999: 616).

Page 93: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

93

Privatisierungsinitiativen der CSU

Aus den Kommunalwahlen im März 1996 ging die CSU mit 43,1 % der Stimmen als stärkstePartei hervor, die seit 1997 mit Michael Webersinn auch den Umweltreferenten stellt.

Die neue Ratsmehrheit schaffte 1997 die von ihr abgelehnte Verpackungssteuer ab, da die-se nach der Rechtsprechung zu der von der Stadt Kassel eingeführten Verpackungssteuerihre Wirkung als abfallpolitisches Steuerungsinstrument eingebüßt hatte.

1996 machte die zum Energiekonzern Bayernwerk gehörende Firma GFA-ReCon der Stadtdas Angebot, die neue MVA als Privatunternehmen zu errichten und zu betreiben. Der Preisfür die Verbrennung sollte anfangs bei 375.- DM/t liegen.

Die CSU und die FDP befürworteten eine privatwirtschaftliche Lösung für die Verbrennungs-anlage und legten sich auf Annahme des Angebotes fest. Dagegen kritisierten die SPD unddie GRÜNEN das Abrücken von der bisherigen Entsorgungspolitik. Die SPD wies insbeson-dere darauf hin, daß die städtische TAN bereits über ein ausgearbeitetes Konzept verfüge,daß mit drei Verbrennungslinien gegenüber den von der GFA-ReCon vorgeschlagenen zweiLinien eine höhere Entsorgungssicherheit biete. Zudem handele es sich bei dem Vorschlaglediglich um einen groben Entwurf, der noch nicht umgesetzt werden könne. Da aufgrundeiner Gleitklausel außerdem bereits Preiserhöhungen vorhersehbar seien, wäre eine privat-wirtschaftliche Lösung für die Bürger teurer als der Bau der Anlage durch die Stadt37.

Im Januar 1997 stimmte der Stadtrat auf Antrag der SPD mit einer Stimme Mehrheit gegendie Stimmen der CSU-Fraktion und der FDP für einen Verbleib der Verbrennungsanlage beider Stadt. Ausschlaggebend waren dabei die Stimmen der Abgeordnetem von Wählerge-meinschaften und Republikanern.

Die Diskussion um das Eigentum an der MVA hat nicht nur zu einer Entscheidung über dieBesitzverhältnisse an dieser Anlage geführt, sondern auch die Entsorgungskosten gegen-über den bislang die Debatte um die Müllverbrennung dominierenden Umweltaspekten inden Vordergrund gerückt. So waren sich die großen Fraktionen in der Diskussion einig, daßdie Abfallentsorgung erheblich effektiviert werden müsse.

Mitte 1997 beschloß der Rat der Stadt, die Rechtsform der bislang als Amt geführten Abfall-wirtschaft zu überprüfen. Als Alternativen erwogen die Ratsparteien dabei die Gründung ei-nes Eigenbetriebe oder eines selbständigen Kommunalunternehmens (sKU). Die nach derbayerischen Kommunalverfassung seit März 1998 mögliche Rechtsform eines sKU weist imVergleich zu einem Eigenbetrieb eine größere rechtliche Eigenständigkeit auf. Damit standenweder privatwirtschaftliche Rechtsformen noch eine tatsächliche Privatisierung der Abfall-wirtschaft zur Diskussion.

Bei der Prüfung der beiden Rechtsformen standen insbesondere der Umgang mit den Be-schäftigten des bisherigen Regiebetriebes, eventuelle Kostensteigerungen durch eine Um-satzsteuerpflicht der Leistungen und die Möglichkeit der politischen Kontrolle der Unterneh-

37 Nach Ansicht der SPD hätten sich die Mehrkosten nach heutigem Kenntnisstand über die Laufzeit von 20 Jah-ren auf bis zu 400 Mio. DM summiert.

Page 94: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

94

men im Vordergrund. 1998 kamen die politischen Gremien zu dem Schluß, daß der Stadtratmit großer Mehrheit nicht auf die Verantwortung für die in der öffentlichen Wahrnehmungsensiblen Bereiche „Sauberkeit“ und „gesicherte Abfallentsorgung“ verzichten wollte – einemögliche Übertragung der Rechtssetzungsbefugnis an ein sKU schied damit aus. Gleichzei-tig würden bei einem sKU größere Beträge an Umsatzsteuer fällig werden. Die hohe Prioritätder politischen Kontrolle über die Abfallwirtschaft führte in der Folge zur Umwandlung desAmtes für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung in den städtischen Eigenbetrieb ASN (Abfall-wirtschaft und Stadtreinigungsbetrieb Nürnberg) zum 1.1.1999.

Nachdem es aufgrund der Veränderungen am Konzept der neuen MVA und den Debattenum die Privatisierung der Anlage mehrfach zu einer Verschiebung des Baubeginns gekom-men war, sollte die Anlage ab Mitte 1998 endgültig gebaut werden.

Im Frühjahr 1998 machten die Stadtwerke München der Stadt Nürnberg jedoch den Vor-schlag, ihren Restmüll zu einem niedrigeren Tonnenpreis als die von der TAN kalkuliertenrund 300.- DM/t in München verbrennen zu lassen. Aufgrund der veränderten Rahmenbe-dingungen in der Abfallwirtschaft hatte die Stadt München erhebliche Probleme, ihre Ver-brennungskapazitäten auszulasten, so daß sie inzwischen eine der beiden Münchener MVAsstillgelegt hat und weitere Kapazitäten durch die Kooperation mit anderen Kommunen ausla-sten will38. Angesichts der Schwierigkeiten, langfristig die Auslastung einer MVA sicherzu-stellen, wurde das Münchener Angebot von allen Parteien ernst genommen. Insbesonderedie GRÜNEN sahen eine letzte Möglichkeit, den Bau einer MVA in Nürnberg schließlich dochnoch abzuwenden. CSU und SPD bevorzugten demgegenüber eher eine regional bedeut-same Investition mit sicheren Arbeitsplätzen in der Stadt. Als die Stadt München das Ange-bot auf Nachfrage nicht weiter konkretisierte und auch andere Anlagenbetreiber wie die StadtAugsburg keine günstigeren Angebote vorlegten, wurde der Bau der neuen MVA im Herbst1998 schließlich begonnen. Die neue Anlage soll bis 2001 für insgesamt 480 Mio. DM er-richtet werden.

Infolge von deutlich gesunkenen Gebühreneinnahmen (siehe unten) waren nach einer lan-gen Phase stabiler Gebührensätze 1998 und dann bereits wieder zum 1.1.1999 deutlicheSteigerungen der Abfallgebühren notwendig: Zwischen 1993 bis zum 31.12.1997 hatten dielinear für alle Behältertypen pro Leerung und pro Liter Rauminhalt berechneten Gebührenstabil bei 0,06 DM gelegen. Zum 1.1.1998 wurden sie um 20% auf 0,072 DM und zum1.1.1999 um weitere 36% auf 0,098 DM angehoben. Für eine 60l Restmüll-Tonne wurdendamit beispielsweise bis zum 31.12.1997 187,20 DM für 52 Leerungen pro Jahr berechnet,bis zum 31.12.1998 224,64 DM und seit dem 1.1.1999 306.- DM.

Als Reaktion auf diese Preisentwicklung forderte die CSU Ende 1998 ein Kostensenkungs-programm bis Mitte 1999, um zukünftig etwa 5% der Entsorgungskosten abbauen zu kön-nen. Die CSU setzte in ihren Überlegungen für die Abfallwirtschaftspolitik dabei vor allem aufeine stärkere Privatisierung von Entsorgungsaufgaben. So konnte sich die Partei privatwirt-schaftliche Lösungen auch für die Müllsammlung selbst vorstellen und beantragte die Verga-be eines Sammelgebietes an ein privates Unternehmen, um ein Kostenvergleich möglich zumachen. Außerdem wurde auf den Bau einer Schlackeaufbereitungsanlage für die neue

38 Zur abfallwirtschaftlichen Situation in München siehe beispielsweise Welsch 1998 oder Friderich 1999a

Page 95: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

95

MVA verzichtet, um statt dessen die bereits bestehende Anlage eines privaten Entsorgungs-unternehmens zu nutzen. Insgesamt hofft die CSU für das Wahljahr 2002 eine geringfügigeSenkung der Müllgebühren zu ermöglichen.

Ab April 2000 begann zwischen den Ratsparteien eine Diskussion, ob eine Fusion der ASNmit der ebenfalls als Eigenbetrieb organisierten Stadtentwässerung finanzielle Vorteile brin-gen würde. Auf Antrag der CSU war bereits Ende 1999 eine Arbeitsgruppe der Verwaltungeingerichtet worden, die eine Zusammenlegung der beiden Einheiten prüfen sollte. Als Er-gebnis stellte die Verwaltung fest, daß eine Fusion zwar Einsparungen von ca. 1 Mio. DMjährlich möglich machen würde, aber ebenfalls finanzielle Risiken in sich trage. Insbesondereaus der Belegschaft wurden angesichts der Absichten der CSU Befürchtungen geäußert, einfusionierter Großbetrieb könnte leichter privatisiert werden. Die SPD wehrte sich außerdemdagegen, daß die im Zuständigkeitsbereich des von einem SPD-Politiker geführten Baurefe-rats liegende Stadtentwässerung zukünftig zum von der CSU geführten Umweltreferat gehö-ren sollte. Aufgrund der völlig verschiedenen Aufgabenbereiche seien auch keine Vorteile fürdie Bürger erkennbar. Die CSU bestritt Privatisierungsabsichten und wies auf die Verände-rungen auf dem Entsorgungsmarkt hin.

Angesichts des Widerstandes der SPD und der Risiken einer Fusion beantragte die CSU imzuständigen Ausschuß Mitte 2000 jedoch nur, eine Kooperation der beiden Eigenbetriebeeinzuleiten und griff damit einen Vorschlag der SPD auf. Die CSU setzte dabei durch, daßdie Werksleitung der Stadtentwässerung ab 2002 nach dem Ende der Amtszeit des SPD-Baureferenten und dem Abschluß von Bauprogrammen dieses Eigenbetriebes auf den Um-weltreferenten übergehen soll.

Rückgang der zu beseitigenden Abfallmengen und der Gebühreneinnahmen

Nach dem Höchststand von etwa 145.000t Hausmüll und etwa 130.000t Gewerbeabfällen imJahre 1987 führten die abfallwirtschaftlichen Projekte der Stadt in den folgenden Jahren zueiner Verringerung der zu beseitigenden Müllmengen:

Bei den Haushalten konnten durch den Aufbau der verschiedenen Sammelsysteme fürWertstoffe die getrennt erfaßten Wertstoffe von 73.250t in 1990 über 105.560t (1992) und131.180t (1994) auf 143.220t in 1997 gesteigert werden.

So wurde die Biomüll-Sammlung kontinuierlich ausgebaut. Dabei wurde das Sammelsystemzuerst in den dicht bebauten Innenstadtbezirken eingerichtet. In den angeschlossenen Bezir-ken besteht dabei eine Anschlußpflicht, so daß eine nahezu hundertprozentige Beteiligunggewährleistet ist. Ab 1997 verlangsamte sich die Ausweitung der Biomüll-Sammlung, da dieASN für die aufgelockert bebauten Außenbezirke von einer höheren Quote von Eigenkom-postierern ausgehen und sich die Anschlußkosten gleichzeitig deutlich erhöhen.

Obwohl das Gesamtaufkommen an Abfällen aus Haushalten kontinuierlich von 214.340t(1990) über 233.460t (1992) und 258.769t (1994) auf über 270.000t wuchs, konnte der Anteildes in der MVA zu beseitigenden Mülls dadurch seit 1992 auf konstant 127.500t begrenztwerden. Die Recyclingquote stieg damit seit 1986 von dem damals vergleichsweise hohenWert von 18% über 34,2% in 1990 und 45,2% (1992) auf 50,7% (1994) und 53% in 1997.

Page 96: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

96

Während der Aufbau der Wertstoff-Sammelsysteme die Kosten für die Abfallentsorgung er-höhte, bildete die konstante Restmüllmenge die Bemessungsgrundlage für die Abfallgebüh-ren der Haushalte. Zudem reagierten die Bürger zunehmend auf durch die linear auf dasBehältervolumen bezogene Gebühr gegebenen Anreiz und ersetzten ihre bisherigen Müll-tonnen durch kleinere Gefäße. Damit verringerte sich das in der Stadt aufgestellte Behälter-volumen in der ersten Hälfte der neunziger Jahre kontinuierlich um ca. 1,5% jährlich. Diehieraus resultierenden niedrigeren Gebühreneinnahmen wurden von der Verwaltung für1998 auf über 2 Mio. DM geschätzt.

Bereits 1992 stellte die Verwaltung Überlegungen an, diesem Effekt durch ein verändertesGebührensystem entgegen zu wirken, das anstelle einer streng volumenabhängigen Gebühraus einer konstanten Grundgebühr und einem volumenbezogenen Leistungsanteil bestehensollte (vgl. Ebert 1992). Diese Vorstellungen wurden jedoch nicht verwirklicht, da sich nachAuffassung der Abfallbehörden bei der Prüfung aller Gebührenmaßstäbe verschiedene For-men von Ungerechtigkeiten ergeben und der Aufwand für die Einführung einer Grundgebührunvertretbar erscheint.

Bei den Abfällen aus Gewerbebetrieben gingen bereits ab 1989 sowohl die an der MVA an-gelieferten als auch die zur Deponie gebrachten Abfallmengen drastisch zurück:

Während 1990 noch 129.000t deponiert wurden, wurden 1993 nur noch 21.000t und 1998noch 8.500t auf der Deponie angeliefert, was einen Rückgang um mehr als 93% bedeutet.Neben gewerblichen Abfällen sind in diesen Mengen allerdings auch stark schwankendeAbfallmengen aus öffentlichen Einrichtungen sowie Klärschlämme enthalten, für die zuneh-mend andere Entsorgungswege aufgebaut wurden. Bei den gewerblichen Abfällen im ei-gentlichen Sinne stellten lange Zeit Baurestmassen die wichtigste Teilmenge dar, die inzwi-schen nach Ansicht der Verwaltung zunehmend verwertet werden.

Der an der MVA angelieferte Gewerbemüll ging von 103.550t in 1990 über 53.800t (1993),39.900 (1996) auf 15.300t in 1998 zurück. Die Ursachen für den deutlichen Rückgang zwi-schen 1990 und 1993 wurden vom für die Abfallwirtschaft zuständigen RF in den Abfallwirt-schaftsberichten nicht thematisiert. Auf der Basis der von den Betrieben erhobenen Datenging das RF allerdings davon aus, daß die Betriebe verstärkt Wertstoffe aus ihren Abfällenaussortieren ließen und hierzu auch Verwertungsanlagen außerhalb Nürnberg nutzten. Auchin Nürnberg selbst nahm der Anteil von Sortierresten aus einer gewerblichen Sortieranlageam gesamten Gewerbemüll ständig zu: Seit 1992 betrieb die Nürnberger Gewerbemüllver-wertung GmbH & Co. KG (NGV) eine Sortieranlage für Gewerbemüll und für die mit dem„gelben Sack“ gesammelten DSD-Verpackungsabfälle. 1995 machten die von ihr an die MVAangelieferten Sortierreste mit 30.350t bereits 63% aller gewerblichen Abfälle aus.

Nach dem Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsgesetzes im Oktober 1996 stellte das RF ei-nen deutlichen Rückgang der von der NGV angelieferten Sortierreste fest, da die Gewerbe-betriebe von der „irrigen Annahme, nunmehr frei in der Anlagenwahl für die Beseitigung vonAbfällen zu sein“ (Stadt Nürnberg 1997) ausgingen. Die Nürnberger Abfallbehörden gingendagegen davon aus, daß auch nach dem KrWG Abfälle mit nicht verwertbaren Bestandteilender Stadt als Entsorgungsträger zu überlassen seien und hielten eine Aufklärung der Abfall-besitzer mit Informationsveranstaltungen und Anschreiben für ausreichend. Allerdings sollteauch die Abfallwirtschaftssatzung der Stadt überarbeitet werden.

Page 97: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

97

1997 und 1998 gingen die von Gewerbebetrieben angelieferten Abfälle zur Beseitigung den-noch weiter zurück. 1998 kam es mit der NGV zum Rechtsstreit über die Andienungspflichtvon Abfallgemischen, die nach Ansicht der NGV Abfälle zur Verwertung darstellen würden.Die Stadt verlangte auf der Basis ihrer überarbeiteten Abfallwirtschaftssatzung jedoch eineVorbehandlung, um beispielsweise ein Abfallgemisch zur energetischen Verwertung durchdie Erhöhung des Brennwertes aufzubereiten. Vor allem aber seien Abfälle bereits am Ent-stehungsort zu trennen, um als Abfälle zur Verwertung gelten zu können. Außerdem vertratdie Stadt die Ansicht, daß nur die Durchsetzung der Andienungspflicht eine tragbare Gebüh-rengestaltung für die Bürger sicherstellen könne.

Mit beiden Ansichten setzte sich Nürnberg in diesem Rechtsstreit durch, da die NGV ihreKlage zurückzog. Dennoch schätzte die Stadt in ihrem Abfallbericht 1998 (Nürnberg 1999:8ff.) die Rechtsentwicklung zum KrWG als auf eine weitere Vermarktlichung der Abfallwirt-schaft gerichtet ein, was es den Kommunen nahezu unmöglichen mache, mit hoheitlichenMitteln Gewerbeabfälle in ihre Behandlungsanlagen zu lenken. Einen ähnlichen Rechtsstreitwürde die Stadt nach ihrer eigenen Einschätzung daher inzwischen verlieren.

Um vor diesem Hintergrund einen weiteren Rückgang der angelieferten gewerblichen Abfälleentgegenzutreten, bot das RF nach einem entsprechendem Beschluß des städtischen Um-weltausschusses ab Anfang 1998 die energetische Verwertung von Abfällen an, bei denenallerdings eine auf die Steigerung des Brennwertes gerichtete Vorsortierung erfolgt seinmüsse. Der Preis für die energetische Verwertung wurde auf 235.- DM/t festgelegt, währenddie Gebühr für die Verbrennung gewerblicher Abfälle bis Ende 1998 498.- DM/t betrug. Zum1.1.1999 wurden auch die Verbrennungsgebühren gesenkt und auf 298.- DM/t festgesetzt,„um so den noch verbleibenden Gewerbemüll in Nürnberg zu halten und einen Anreiz fürweitere Anlieferungen zu schaffen“ (Nürnberg 1999: 10).

Während die Menge der als Abfälle zur Beseitigung angelieferten gewerblichen Abfälle in1998 im Vergleich zu 1997 um weitere 57% zurückging, wurden 1998 Müllmengen in ähnli-cher Größenordnung von Betrieben zur energetischen Verwertung angeliefert, wobei dergrößte Nutzer dieses Angebotes wiederum die NGV war. Gegenüber den vorher prognosti-zierten Gebühreneinnahmen gingen der Stadt Nürnberg dabei durch den Rückgang der Ge-werbemüllmengen in 1998 Einnahmen von über 16 Mio. DM verloren.

Die Senkung der Verbrennungsgebühren für Gewerbeabfälle, die einer weitere Verringerungder Anlieferungen entgegenwirken sollte, erfolgte gleichzeitig mit der dargestellten Erhöhungder Hausmüllgebühren um 36% zum 1.1.1999, mit der die entstandenen Defizite aufgefan-gen werden sollten. Insbesondere die SPD lehnte diese Preisgestaltung als unsozial ab, dadie privaten Haushalte damit die finanziellen Lasten der Abfallentsorgung allein tragen wür-den. Dieser Zusammenhang wurde von der Verwaltung zwar gesehen, jedoch befürchtetesie ohne finanzielle Zugeständnisse an die gewerblichen Abfallerzeuger weitere Einnahme-einbußen.

Page 98: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

98

Nürnberg als Akteur in der bayerischen Entsorgungspolitik

1996 und 1997 spiegelten die Stellungnahmen der Verwaltung zur Abfallwirtschaft noch dieHaltung wieder, daß das Ausbleiben der Gewerbeabfälle auf ein mißverständliche Auslegungdes neuen Abfallrechts zurückzuführen sein und die Anwendung des KrWG sich nicht we-sentlich vom bisherigen Abfallrecht unterscheiden werde. Ab 1998 machte sowohl die Ver-waltung als auch die politischen Gremien der Stadt die im KrWG und der TASi bestehendenRegelungslücken für die Kostenprobleme in der Abfallwirtschaft verantwortlich, die im Er-gebnis dazu führe, „daß die Finanzierung des abfallwirtschaftlichen Systems zunehmend aufden Schultern der privaten Haushalte liege“ (Nürnberg 1999: 9). Zusammen mit Vertreternbenachbarter Städte und Landkreise untersuchten Mitarbeiter des RF die Folgen des KrWGfür die regionale Abfallwirtschaft und erarbeiteten eine gemeinsame Stellungnahme, bei derdie Probleme mit dem Ausbleiben der gewerblichen Abfälle im Vordergrund standen (AGKreislaufwirtschaftsgesetz 1998).

Außerdem befürwortete die Stadt im Herbst 1998 mit Zustimmung des Rates eine Resolutionaller bayerischen Städte und Landkreise, die als Betreiber von Müllverbrennungsanlagen vonder Landesregierung als Konsequenz aus der TASi eine zügige Schließung der vorhandenenRestmülldeponien forderten. Die Stadt schloß sich damit einer von der Stadt München be-gonnenen Initiative an, die vom bayerischen Umweltministerium eine Unterstützung bei derAuslastung ihrer freien Verbrennungskapazitäten anmahnte und für das Land ein verbindli-ches Entsorgungskonzept mit klarem Vorrang der Verbrennung forderte. Angesichts bereitsexistierender Überkapazitäten gebe es für die von den Landesbehörden für Restmülldeponi-en erteilten Ausnahmegenehmigungen keine Rechtfertigung mehr. Damit machte sich einevon einer rot-grünen Koalition bestimmte Stadtregierung zur Fürsprecherin einer auf Müllver-brennung ausgerichteten Entsorgungspolitik (Friderich 1999a). Eine ähnliche Haltung nahmbereits im Juni 1997 der bayerische Städtetag ein.

Das bayerische Umweltministerium verwies in seinen Antwortschreiben auf die langjährigebayerische Entsorgungspolitik, bei der der Ausbau der thermischen Behandlungskapazitätenstets im Vordergrund stand. Die Betreiber von Deponien würden von der bayerischen Regie-rung angehalten, mit den Betreibern von Verbrennungsanlagen zu kooperieren. Ablagerun-gen von Restmüll auf Deponien wären nur noch für eine Übergangszeit möglich.

Während die MVA-Betreiber damit auf eine Zuweisung von Verbrennungskapazitäten anÖRE ohne Müllverbrennungsanlagen zielten, setzte die Landesregierung auf eine Förderungder Kooperation in den einzelnen Regionen.

Die bayerische Landesregierung versuchte auch bei anderen Themen, die in der Abfallwirt-schaft bestehenden Konflikte zwischen den verschiedenen Akteuren durch einen Interes-senausgleich beizulegen und gleichzeitig die Liberalisierung dieses Sektors zu fördern. Umdie Aufgabenbereiche zwischen der kommunalen und der privaten Entsorgungswirtschafteindeutiger voneinander abzugrenzen, moderierte das Umweltministerium eine Gesprächs-runde aus Vertretern von Wirtschaftsverbänden und der IHKs, der öffentlichen Entsorgungs-wirtschaft sowie der kommunalen Spitzenverbände, die im Frühjahr 1999 den Entwurf einerVereinbarung erarbeitete. Danach sollen die Kommunen im wesentlichen für die Restmül-lentsorgung zuständig sein, während die übrigen Aufgaben von der Privatwirtschaft wahrge-nommen werden. Die Vereinbarung wurde im Mai 1999 als „Entsorgungspakt Bayern“ unter-zeichnet; lediglich der bayerische Städtetag beteiligte sich nicht, da er im Interesse seiner

Page 99: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

99

Mitglieder nicht auf die Wahrnehmung gemischtwirtschaftlicher Betätigungen verzichtenwollte, während die private Entsorgungswirtschaft keinerlei Verpflichtungen eingehe. Fride-rich kritisierte zudem, daß sich die Landesregierung einer rechtlichen Regulierung diesesProblemfeldes durch einen „runden Tisch“ entziehen wolle (Friderich 1999: 14f.).

Während die abfallwirtschaftliche Situation in Nürnberg von diesen landespolitischen Initiati-ven nur mittelbar betroffen war, stellte die Auslastung der Nürnberger Verbrennungsanlagedurch die Kooperation mit anderen bayerischen Entsorgungsträgern für die Stadt ein zentra-les Problem dar:

Nachdem sich die ÖRE in Mittelfranken seit dem Ende der achtziger Jahre nach mehrerenAnläufen nicht auf eine Zusammenarbeit bei der Errichtung von Müllverbrennungsanlageneinigen konnten, ergab sich 1999 überraschend eine neue Möglichkeit zu einer regionalenZusammenarbeit. Im August 1998 kam es in der Nürnberger Nachbarstadt Fürth beim Pro-bebetrieb der neuen Schwelbrennanlage (SBA) zu einer schweren Störung, bei der 73 Men-schen durch die Abgase Verletzungen erlitten. In den ersten Monaten nach dem Unfall wur-de noch erwogen, die SBA wieder in Stand zu setzen und die technischen Probleme zu be-heben, doch aufgrund der unkalkulierbaren Risiken entschieden die im Zweckverband Ab-fallentsorgung Rangau (ZAR) zusammengeschlossenen Vertragspartner der Anlage Anfang1999, die für über 250 Mio. DM errichtete SBA stillzulegen und für die Abfallentsorgung eineneue Lösung zu finden.

Nürnberg bot dem ZAR freien Kapazitäten der Nürnberger MVA zur Nutzung an und er-reichte mit Stadt Fürth, dem Landkreis Fürth sowie dem Landkreis Neustadt / Aisch – BadWindesheim eine Einigung über die Verbrennung der im Gebiet des ZAR anfallenden ca.60.000t/a Restabfälle. Dabei vereinbarte Nürnberg mit den Mitglieder des ZAR, daß der Ver-brennungspreis gelten solle, der auch für die Kalkulation der eignen Entsorgungskosten zu-grunde gelegt wird (zur Zeit 298.- DM). Außerdem sollten von 15 bis 20 Mitarbeitern der still-gelegten Fürther Anlage durch die Nürnberger MVA übernommen werden. Für den Vertragwurde zunächst eine Laufzeit von 20 Jahren vereinbart. Die Vereinbarung wurde als „öffent-lich-rechtliche Zweckvereinbarung“ abgeschlossen, um die Entstehung einer umsatzsteuer-pflichtigen Leistungsbeziehung zu vermeiden39.

Nachdem die Stadt Nürnberg 1997 bereits mit dem Landkreis Nürnberg die seit längerembestehende Zusammenarbeit bei der Müllentsorgung durch eine Zweckvereinbarung abgesi-chert hatte, konnte die Stadt damit 1999 eine langfristig abgesicherte nahezu vollständigeAuslastung ihrer MVA und damit einen betriebswirtschaftlich optimalen Anlagenbetrieb errei-chen. Sollte die Anlage vollständig ausgelastet sein, könnte die Stadt nach einer Pressemel-dung auch auf die Annahme von Gewerbemüll zur energetischen Verwertung verzichten, daes für die Verbrennung dieser Mengen keine vertraglichen Verpflichtungen gebe und sie sichaufgrund der Konkurrenz von „Billigverbrennern“ auch nicht rechne.

39 Zu den verschiedenen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Kooperationsformen zwischen Kommunenbzw. Gebietskörperschaften siehe BBR 1999: 43ff.

Page 100: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

100

Resümee

In Nürnberg ist es zu einem Umschwung von einer in erster Linie auf die Verwirklichung um-weltpolitischer Zielsetzungen in der Abfallwirtschaft gerichteten Politik zu einer vorwiegendan den Entsorgungskosten orientierten und auf eine Vermarktlichung zielende Politik ge-kommen. Hierin spiegeln sich neben den grundlegenden Veränderungen der Rahmenbedin-gungen für die kommunale Abfallwirtschaft auch wichtige Unterschiede zwischen den politi-schen Strategien der bis 1996 bestehenden rot-grünen Ratsmehrheit und der seitdem vonder CSU bestimmten Ratspolitik wieder.

Als Ergebnis der umgesetzten abfallpolitischen Maßnahmen hat Nürnberg lange Zeit eineVorreiterstellung bei der ökologischen Modernisierung der kommunalen Müllentsorgung ein-genommen. Mit einer Recyclingquote von inzwischen über 50% können die kommunalenHandlungsspielräume allerdings als weitgehend ausgeschöpft gelten.

Gleichzeitig haben die gestiegenen Entsorgungskosten, die Investitionen in eine neue Ver-brennungsanlage und die Folgen des Kreislaufwirtschaftsgesetzen die finanziellen Möglich-keiten der Stadt eingeengt. Vor diesem Hintergrund hat die Senkung der Entsorgungskostenin der politischen Diskussion erheblich an Bedeutung gewonnen.

Durch den Rückgang der an den Entsorgungsanlagen der Stadt angelieferten gewerblichenAbfallmengen ist insbesondere die MVA zu einer reinen Hausmüll-Verbrennungsanlage ge-worden. Obwohl der diese Entwicklung bereits seit Ende der achtziger Jahre von der Stadtwahrgenommen wurde, ist sie erst ab etwa 1998 aufgrund der zurückgehenden Gebühren-einnahmen der Stadt als problematisch thematisiert worden. In der ersten Hälfte der neunzi-ger Jahre wurde der Rückgang der gewerblichen Abfallmengen von der Stadt angesichtsbefürchteter Engpässe bei den Entsorgungskapazitäten positiv bewertet.

Im Umgang mit der Durchsetzung der Andienungspflicht gegenüber einzelnen Gewerbebe-trieben sind die Abfallwirtschaftsbehörden der Stadt dabei zu der Einschätzung gelangt, daßihnen als Folge des Kreislaufwirtschaftsgesetzes keine ausreichenden Mittel gegen die Ent-stehung eine Marktes für Entsorgungskapazitäten zur Verfügung stehen. Gleichzeitig läßtsich gerade am Fall Nürnberg erkennen, daß bislang in der MVA beseitigte Abfälle inzwi-schen vom selben Abfallerzeuger an dieselbe Verbrennungsanlage zur Verwertung angelie-fert werden. Die veränderte rechtliche Behandlung der Abfälle hat also real zu keinem ande-ren Umgang mit den Stoffmengen geführt.

Sowohl der Umgang mit dem Rückgang des Gewerbemüll als auch der Umschwung in derKooperation mit den benachbarten Gebietskörperschaften spiegelt damit die Entwicklungvom Mangel an Entsorgungskapazitäten zu drohenden Überkapazitäten wieder.

Durch die Vereinbarungen mit den benachbarten Entsorgungsträgern konnte die Stadt einelangfristige Auslastung ihrer MVA mit Hausmüll sicherstellen und ihre zukünftige Einnahme-situation deutlich verbessern. Hierdurch wird das Interesse der städtischen Abfallwirtschaftan der Anlieferung gewerblicher Abfälle nachlassen. Ob die veränderte Situation Einfluß aufdie politische Diskussion um die Privatisierung von Entsorgungsaufgaben haben wird, bleibtabzuwarten.

Das große Angebot an Entsorgungskapazitäten hat zwischen den einzelnen Kommunen undEntsorgungsträgern zu erheblichen Interessengegensätzen geführt, die sich in den Forde-

Page 101: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

101

rungen der Betreiber von Verbrennungsanlagen nach einer frühzeitigen Schließung der be-stehenden Restmülldeponien an die Landesregierung widerspiegeln. Die Landesregierungversuchte, das aus den bestehenden Regelungslücken im Kreislaufwirtschaftsgesetz undaus TASi resultierende Konfliktpotential im wesentlichen durch die Moderierung von freiwilli-gen Übereinkünften zwischen den Beteiligten zu entschärfen. Neben der Anbahnung regio-naler Kooperationen zwischen Entsorgungsträgern kann hierfür insbesondere der „Entsor-gungspakt Bayern“ als Beispiel dienen.

Page 102: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

102

Stuttgart

Die Stadt Stuttgart mit ca. 560.000 EinwohnerInnen (1997) ist Hauptstadt des BundeslandesBaden-Württemberg und eines ihrer wirtschaftlichen Zentren. Sie ist auch Zentrum des Ver-bandes Region Stuttgart (VRS) mit ca. 2,6 Millionen EinwohnerInnen, die 1994 durch Lan-desgesetz geschaffen wurde und über eine gewählte Regionalversammlung legitimiert wird.

Die Entsorgungsinfrastruktur wird durch die Weiterentwicklung der Verbrennungskapazitätenin der Stadt und den benachbarten Landkreisen bestimmt, mit denen Stuttgart kooperiert.Die Stadt hat damit Anfang der neunziger Jahre auf Engpässe bei den Entsorgungskapazi-täten reagiert, die durch Ausfälle der Abfallverbrennungsanlage (AVA) verursacht wurdenund sie zu überregionalen Müllexporten in erheblichem Umfang gezwungen haben.

Durch die Veränderung der Rahmenbedingungen stehen den finanziellen Belastungen ver-ringerte Einnahmen gegenüber, die zu Interessenkonflikten mit Wirtschaftsverbänden geführthaben. Auch bei den Debatten um abfallwirtschaftliche Maßnahmen werden Kosten immerstärker zum zentralen Argument. Dieser Kostendruck soll bei der Betrachtung der Entwick-lung der Abfallwirtschaft in Stuttgart im Vordergrund stehen.

Anhand der Situation in Stuttgart wird für diese Untersuchung auch der Interessengegensatzzwischen den Kommunen und der Wirtschaft in der sich liberalisierenden Abfallwirtschaftnachgezeichnet.

Die Entsorgungsinfrastruktur

Seit 1965 gibt es in Stuttgart die Abfallverbrennungsanlage Stuttgart-Münster (AVA Stuttgart-Münster) mit drei Kessel und bis 1994 mit einer Kapazität von 280.000t/a. Die Anlage wird imAuftrag der Stadt von den Neckarwerken Stuttgart AG (NWS) betrieben, die diese Aufgabevon den Technischen Werken der Stadt Stuttgart AG (TWS) übernommen hat, als die imBesitz der Stadt Stuttgart befindlichen TWS mit anderen regionalen Energieversorgern zum1.1.1997 zu den NWS 1996 fusioniert sind40.

Zusätzlich zu dieser Anlage hat sich Stuttgart seit 1990 am Bau einer neuen Verbrennungs-anlage im benachbarten Landkreis Böblingen beteiligt, die im Mai 1999 von dem hierfür ge-bildeten Zweckverband als Restmüllheizkraftwerk in Betrieb genommen wurde.

Der Aufbau von Verbrennungskapazitäten besaß für die politische Führung der Stadt Endeder achtziger Jahre eine hohe Priorität, weil für etwa ein Drittel der zu entsorgenden Abfall-mengen von 300.000 t/a keine Kapazitäten in der AVA Stuttgart-Münster vorhanden waren.Da die Stadt auch nicht über eigene Deponien verfügte und die Nachbarkreise nicht helfenkonnten, mußten über mehrere Jahre erhebliche Müllmengen nach Frankreich und in dieDDR exportiert werden (Stuttgart 1998a). Als Reaktion auf die knappen Entsorgungskapazi-täten planten die ÖRE im Gebiet des VRS Anfang der neunziger Jahre insgesamt sechs

40 An der NWS AG hat die Stadt Stuttgart gegenwärtig einen Anteil von 42,5%.

Page 103: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

103

Abfallverbrennungsanlagen, von denen jedoch schließlich nur die Anlage in Böblingen tat-sächlich gebaut wurde.

Dabei gab es gegen die neue Anlage in Böblingen erhebliche politische Widerstände: DiePlanungen und der Bau der Anlage in Böblingen führten zu Protesten von Anwohnern undUmweltschützern. Etwa 50.000 Einwendungen wurden bei den Planungsbehörden einge-reicht, gegen den Baubeginn demonstrierten 1994 beinahe 40.000 Bürger. Neben der Ver-brennungstechnologie selbst stand dabei auch der Standort in einem Waldgebiet im Zentrumder Kritik. Bei der Einweihung der fertiggestellten Anlage im Mai 1999 kamen jedoch nurnoch wenige Protestierende zu einer Kundgebung. Die Kritik an der Verbrennungstechnolo-gie wurde allerdings weiterhin von den Umweltschutzverbänden und Vertretern der GRÜ-NEN in ihre abfallpolitischen Zielen einbezogen. So forderten die Umweltschutzverbände imRahmen des AGENDA 21 – Prozesses 1998 die Stillegung eines Teils der regionalen Ver-brennungskapazitäten und formulierten die biologische Behandlung des Restmülls als Ziel.Lediglich die heizwertreiche Fraktion solle verbrannt werden. Die GRÜNEN wiesen bei ver-schiedenen Gelegenheiten auf ihre ablehnende Haltung gegenüber der Abfallverbrennunghin.

Die ursprünglich in Böblingen geplante Verbrennungskapazität von 205.000 t/a wurde 1995den veränderten Abfallmengen der beteiligten Kommunen angepaßt und auf 140.000 t/areduziert. 1998 wurde der Landkreis Calw in den Zweckverband aufgenommen, der seit1999 jährlich 31.000 t in der Anlage verbrennen läßt. Zum 1.1.2000 trat auch der LandkreisFreudenstadt in den Zweckverband und übernahm einen Anteil von 3,57% (5.000 t/a). DasKontingent der Stadt Stuttgart verringerte sich dadurch auf 25.600 t/a, was einen Anteil von18,29% entspricht. Bei Vollauslastung der für 335 Mio. DM errichteten Anlage liegt der Ver-brennungspreis bei ca. 284.- DM/t.

Die AVA Stuttgart-Münster war Anfang der neunziger Jahre nach mehr als 20 Betriebsjahrendringend modernisierungsbedürftig, wobei die kostengünstigste Lösung der Bau eines neuenKesselhauses mit Müllbunker neben der bestehenden Anlage gewesen wäre. Hierfür wärejedoch ein neues Planfeststellungsverfahren notwendig gewesen. Angesichts der hierbei zuerwartenden Schwierigkeiten entschied sich die Stadt für die aufwendigere schrittweise Er-neuerung der vorhandenen Anlage. Nach dem Einbau einer modernen Abgasreinigungsan-lage 1993 wurde bis 1994 ein alter Kessel für 140 Mio. DM ersetzt. Zwischen 1994 und 1997wurde ein neuer Müllbunker errichtet, der weitere Kosten von 130 Mio. DM verursachte. BisMitte 1997 hatte die Modernisierung der AVA insgesamt ca. 520 Mio. DM verschlungen. Diedanach berechneten Entsorgungskosten von rund 500.- DM/t (Stuttgart 1998a:3) gehören zuden höchsten in der Bundesrepublik41. Die Ausgaben für die Sanierung wurden von den poli-tischen Parteien im wesentlichen mitgetragen. Die FDP thematisierte 1994 allerdings die imBundesvergleich hohen Kosten für den neuen Müllbunker, setzte eine externe Begutachtungder Planungen durch und forderte, die Kapazitäten der AVA nicht über den tatsächlichenBedarf hinaus zu planen.

41 Kalkulation des Amtes für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung (AfAS) für die tatsächlich in der AVA anfallendenKosten. Selbstanliefernden Gewerbebetrieben wurden ab 1996 Gebühren in Höhe von 687.- DM/t in Rechnunggestellt (seit.1.1.2000 480.- DM).

Page 104: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

104

Die Sanierung der beiden verbliebenen alten Kessel aus den Jahren 1965 und 1971 war fürdie folgenden Jahre ebenfalls vorgesehen, verzögerte sich jedoch mehrfach. Die andauern-den Betriebsstörungen in diesen beiden Kesseln führten dazu, daß Abfälle wiederholt vor-übergehend deponiert und teilweise anschließend zur Verbrennung geholt werden mußten,wodurch zusätzliche Kosten entstanden. Die durchschnittliche Verfügbarkeit der Anlage wur-de von der Verwaltung deshalb als „sehr schlecht“ beurteilt (Stuttgart 1998a).

1998 hatte der Stuttgarter Gemeinderat auf Vorschlag des zuständigen Amtes für Abfallwirt-schaft und Stadtreinigung (AfAS) noch erwogen, einen der beiden älteren Kessel nur nochals Reserve zu nutzen, um die Betriebskosten zu senken. Die Störanfälligkeit der Anlage ließdiese Maßnahmen jedoch nicht zu.

Im Sommer 1999 wurden die beiden alten Kessel in der Presse als „technisch .K.O.“ be-zeichnet und eine Entscheidung über die Bestellung neuer Kessel angekündigt. Ob aller-dings ein oder zwei neue Kessel zu jeweils 100 Mio. DM angeschafft werden, sollte davonabhängig gemacht werden, ob die modernisierte Anlage durch Verträge mit privaten Entsor-gungsunternehmen ausgelastet werden könnte. So berichteten Vertreter der NWS der Pres-se wiederholt von Verhandlungen mit den im Bereich Entsorgung aktiven Tochterunterneh-men von RWE und EnBW. Sollten entsprechende Verträge zustande kommen, könnte dieAnlage eine Gesamtkapazität von 400.000 t/a erhalten, von denen etwa 150.000 t von denEntsorgungsunternehmen genutzt würden.

Neben den für die Restmüllentsorgung vorgesehenen Verbrennungskapazitäten nutzt dieStadt Stuttgart noch die in Stuttgart-Hedelfingen gelegene Deponie Einöd, die insbesonderemineralische Abfälle und verunreinigten Bodenaushub aufnimmt. Jährlich werden ca. 47.500Kubikmeter erwartet, die infolge einer Kooperation mit dem VRS aus dem gesamten Neckar-raum stammen. Die Deponie wird außerdem zur Zwischenlagerung für Abfälle aus der AVAStuttgart-Münster genutzt.

Bis 1965 hat Stuttgart die Deponie Erbbachtal im Rems-Murr-Kreis genutzt, die inzwischenerhebliche Sanierungsanstrengungen erfordert (Stuttgart 1996). Diese Deponie wird z.T.noch zur Ablagerung von Erdaushub genutzt.

Die Entsorgungssituation

1988 erreichte die Menge des in Stuttgart anfallenden Restmülls einen Höchstwert von305.000 t (1965: 170.600t), wobei der Hausmüll mit 158.000t und die Gewerbeabfälle mit127.000t die größten Fraktionen darstellten. Seit 1990 gehen insbesondere diese beidenFraktionen kontinuierlich zurück:

Der Restmüll aus Haushalten verringerte sich seit 1990 um jährlich 2.000 bis 3.000t über142.000t im Jahre 1995 auf 133.000t in 1997. Diese Entwicklung ist Ergebnis des ständigenAusbaus der getrennten Erfassung von Wertstoffen aus privaten Haushalten.

1988 wurden insgesamt 38.000t Glas, Papier, Schrott und Grünabfälle erfaßt. Diese Mengenwurden bis 1992 auf 71.000t gesteigert. Mit dem Inkrafttreten der Verpackungsverordnungwurde ab 1993 mit dem Aufbau des Wertstofferfassungssystems „Gelber Sack“ begonnen.

Page 105: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

105

Die hier erfaßten Mengen wurden von knapp 3.000t in 1993 auf fast 13.000t in 1997 gestei-gert werden. Außerdem wurde in einigen Stuttgarter Stadtteilen ab 1992 die Sammlung vonBiomüll erprobt. Ende 1996 wurde mit der flächendeckenden Einführung der Biomüll-Sammlung begonnen42. Während 1997 5.000t Bioabfälle getrennt erfaßt wurden; soll dieseMenge bei einer Teilnahme von etwa 40% der Stuttgarter Haushalte auf ca. 16.000t/a bisEnde 2000 gesteigert werden. Bis 1997 stieg die Summe aller gesammelten Wertstoffe da-mit auf ca. 90.000t.

Noch deutlichere Rückgänge als beim Hausmüll gibt es bei den durch die Stadt erfaßtenGewerbeabfällen. Seit 1990 verringerte sich diese Menge von 122.000t um jährlich 10.000tbis 20.000t über 71.000t (1993) auf 19.000t in 1997. Die direkt von Gewerbebetrieben ange-lieferte Abfallmenge ist dabei sogar von 109.000 t (1988) auf 8.000t zurück gegangen. Wäh-rend die Stadt die Erfolge vieler Betriebe bei der getrennten Erfassung von Wertstoffen wäh-rend der Betriebsabläufe feststellt (vgl. Stuttgart 1996: 61ff.), hält sie gleichzeitig die kosten-günstige Entsorgung unsortierter Abfallgemische als „Abfälle zur Verwertung“ nach demKrWG für die Hauptursache dieses Rückganges (Stuttgart 1996: 81; Stuttgart 1998a: S.1 derAnlage 1). Dabei stellen die im bundesweiten Vergleich sehr hohen Entsorgungsgebühren inder Stadt einen besonders starken finanziellen Anreiz dar, auf billigere Entsorgungsanlagenauszuweichen. Ähnliche Gründe sieht die Stadt als Ursache für die Verringerung der inStuttgart zu entsorgenden Baurestmassen an, die sich nach einem Höchststand von 1,26Mio. Kubikmeter in 1988 bis 1995 auf 155.000 Kubikmeter verringert haben.

An den in 1997 zu beseitigenden Restmüll-Mengen von rund 180.000t machte damit derHausmüll mit seinen 133.000t einen Anteil von über 70 % aus. Hinzu kommen noch die vonden Haushalten eingesammelten rund 19.000t Sperrmüll (11%). Damit haben sich insgesamtdie Gewichte in der Abfallwirtschaft deutlich verschoben.

Verringerte Abfallmengen führen zu Einnahmeproblemen

Während der Rückgang der wichtigsten Abfallfraktionen aus umweltpolitischer Sicht einenErfolg darstellt, bedeutet er für die finanzielle Situation der städtischen Abfallwirtschaft einegroße Belastung:

Der Betrieb der AVA Stuttgart-Münster verursachte seit der Modernisierung der Anlage Ko-sten von über 100 Mio. DM jährlich. Zudem waren ab 1999 auch die neuen Kapazitäten im„Restmüllheizkraftwerk“ Böblingen (RMHKW) zu finanzieren. Damit machen die Kapitalko-sten für die Verbrennungsanlagen ca. 50% der jährlichen Gesamtkosten von etwa 200 Mio.DM in der Abfallentsorgung aus (Stuttgart 1998a: 3). Der hohe Fixkostenanteil dieser Formder Abfallbeseitigung führt dazu, daß die Verbrennung von 300.000t Abfall nach einer Be-rechnung der Stuttgarter Verwaltung bei Gesamtkosten von über 118 Mio. DM gegenüberder Verbrennung von 250.000t lediglich Mehrausgaben von 3.000.- DM zur Folge hat. DiePersonalkosten für die 450 im Bereich der Abfallwirtschaft tätigen Angestellten, Arbeiter und

42 In Baden-Württemberg sind die ÖRE durch das Landesabfallgesetz von 1996 zur getrennten Erfassung vonkompostierbaren Abfällen verpflichtet (Baden Württemberg 1999)

Page 106: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

106

Beamten des AfAS (1997) haben demgegenüber mit etwa 37 Mio. DM lediglich einen Anteilvon 18,4% an den Gesamtkosten.

Gleichzeitig haben sich durch den Rückgang der angelieferten Gewerbeabfälle die Einnah-men des AfAS nachteilig verändert: während 1992 die Einnahmen aus der Entsorgung ge-werblicher Abfälle noch 23% aller Kosten deckten, sank dieser Anteil bis 1998 auf unter 10%(Stuttgart 1998a: 4). Bezogen auf die 1988 angelieferten Höchstmengen an Gewerbemüllrechnet die Stadt die Einnahmeverluste bei den Gebühren für hausmüllähnliche Gewerbe-abfälle für 1999 auf 75 Mio. DM hoch. Damit hat sich der von den anschlußpflichtigen priva-ten Haushalten zu tragende Anteil an den gesamten Entsorgungskosten zwischen 1992 und1999 von etwa 75% auf über 90% erhöht.

Dabei haben die Veränderungen in der Abfallwirtschaft allerdings auch bei den Privathaus-halten zu einem geringeren Gebührenaufkommen geführt:

Seit 1991 werden die Abfallgebühren in Stuttgart in Abhängigkeit von der Behältergröße undder Häufigkeit der Leerungen berechnet. Die Nutzer können dabei zwischen einem wöchent-lichen und einem zweiwöchentlichen Abholrythmus wählen, wobei eine Mindestgröße desAbfallbehälters je Haushaltsmitglied nicht vorgeschrieben ist. Seitdem die Sammelsystemefür Wertstoffe spürbar ausgebaut werden, machen die Haushalte verstärkt von der Möglich-keit Gebrauch, ihre Müllgebühren zu reduzieren, indem sie kleinere Gefäße nutzen und die-se seltener leeren lassen. Das AfAS registrierte zwischen 1995 und 1998 einen Rückgangder für die Gebührenkalkulation maßgeblichen Gebühreneinheiten um ca. 15%.

Neben der Einführung des „Gelben Sackes“ hat vor allem die flächendeckende Sammlungder Bioabfälle in eigenen Behältern das Sammelsystem verändert. Die Teilnahme an derBiomüll-Sammlung ist freiwillig, allerdings wird in den angeschlossenen Stadtgebieten dieRestmüll-Sammlung nur noch zweiwöchentlich durchgeführt. Die auf Antrag mögliche wö-chentliche Leerung der Restmüllbehälter, die die Grundlage für die bisherige Gebührenerhe-bung war, ist damit zum Ausnahmefall geworden. Für die wöchentlich geleerte Biotonne wirdzwar eine Gebühr erhoben, die jedoch nicht kostendeckend ist und vorwiegend eine Len-kungsfunktion erfüllen soll (1996: 44,40.- DM für eine 60l-Tonne; Stuttgart 1996: 48ff.). Biszum Sommer 2000 hatten sich 33% aller Haushalte zur Nutzung einer Biotonne entschlos-sen.

Die veränderte Kosten- und Einnahmesituation hat dazu geführt, daß die Abfallgebühren fürprivate Haushalte seit 1992 kontinuierlich gestiegen sind. Für einen Standard-Abfallbehältervon 120l wurden die Gebühren für die wöchentliche Leerung von 399.- DM (1991) über662,40 DM (1993) auf 841,20 DM in 1997 angehoben. Für die zweiwöchentliche Leerung der120l-Restmüllbehälter stiegen die Gebühren von 199,80 DM (1991) über 331,20 DM (1993)auf 467,40 DM in 1997.

Seit die mit der Verringerung der Abfallmengen verbundene Unterauslastung der AVA für dieVerwaltung 1995 erkennbar wurde, wurden mit den umliegenden Landkreisen Verhandlun-gen über die Verbrennung ihrer Siedlungsabfälle in der Stuttgarter Anlage geführt.

Kooperationsverträge wurden mit den Landkreisen Esslingen (November 1995), Enz (April1996), Rottweil (Dezember 1996) und Rems-Murr (Februar 1997) abgeschlossen. Der Land-

Page 107: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

107

kreis Ludwigsburg als letzter möglicher Kooperationspartner im näheren Umland hielt sicheine endgültige Entscheidung über seine zukünftige Entsorgungspolitik noch offen. 1997wurden von den Kooperationspartnern ca. 74.000t angeliefert, wobei das vereinbarte Entgeltfür langfristig zugesicherte Abfallmengen 498.- DM/t und für Optionsmengen 300.- DM/t be-trug. Insgesamt nahm Stuttgart 1997 etwa 42 Mio. DM durch diese Kooperationen ein (Stutt-gart 1998a: 2).

Ab Ende 1997 versuchte das AfAS auch, Abfallmengen für die AVA Stuttgart-Münster zur„energetischen Verwertung“ zu Marktpreisen von 180.- DM/t zu akquirieren, um eine Voll-auslastung der Anlage zu erreichen. Ab 1998 sollten auf diesem Wege Kapazitäten von20.000 t/a vergeben werden.

Ende 1998 kündigte die Verwaltung an, daß zur Deckung der für die folgenden Jahre zu er-wartenden Entsorgungskosten eine erneute Anhebung der Müllgebühren erforderlich sei(Stuttgart 1998a), was erhebliche Widerstände bei den politischen Parteien hervorrief (sieheunten). Gleichzeitig äußerte das Stuttgarter Amt für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung dieAnsicht, daß ein beinahe ausschließlich auf das Volumen des Restmüll-Behälters von Pri-vathaushalten zielendes Gebührenmodell zu Fehlentwicklungen führe, da die gestiegenenLeistungen über eine immer geringere Abfallmenge finanziert werden müßten. Für Ende1999 sollten deshalb Vorschläge für ein verursachergerechteres Gebührenmodell und füreine angemessene Beteiligung des Gewerbes an den Entsorgungskosten erarbeitet werden.

Entsorgungspolitik unterm Kostendiktat

Nachdem die Abfallgebühren für die Stuttgarter Haushalte bereits für 1998 nur durch dieVerwendung von Rückstellungen stabil gehalten werden konnten, waren aus Sicht der Ver-waltung für 1999 Gebührensteigerungen unvermeidlich geworden. Die Verwaltung stelltedaher dem Gemeinderat die Situation der Abfallwirtschaft ausführlich dar (Stuttgart 1998a)und schlug eine Anhebung um 10% vor. Gleichzeitig wurden zahlreiche Maßnahmen ange-kündigt, mit denen eine Kostenreduzierung bei der Abfallbeseitigung erreicht werden sollte.

Die bereits lange angekündigte Gebührenanhebung stieß bei allen Parteien auf Unwillen. DieFDP sah eine Bestrafung der Vermeidungsbemühungen der Bürger, die für immer wenigerAbfall immer mehr bezahlen müßten und lehnte eine Erhöhung ab.

Die Mehrheitsfraktion CDU warf der städtischen Abfallwirtschaft vor, nicht rechtzeitig nachMöglichkeiten gesucht zu haben, effizienter zu arbeiten. Sie forderte, die Erhöhung durchweitere Einsparungen bei der Abfallbeseitigung auf 5% zu begrenzen und für das Jahr 2000eine weitere Erhöhung auszuschließen. Gleichzeitig sollten Gutachten Vorschläge für einewirtschaftlichere Führung der Abfallwirtschaft machen. Auch die Rechtsform der bislang alsstädtisches Amt geführten Abfallwirtschaft sollte untersucht werden. Dabei nannte die CDUausdrücklich eine Privatisierung nach dem Vorbild der Städte Frankfurt/Main und Freiburgals mögliches Ergebnis. Die betreffenden Gutachten sollten nach den Kommunalwahlen imOktober 1999 bis Ende 1999 vorliegen.

Page 108: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

108

Als wichtigstes Ziel ihrer Politik in der Abfallwirtschaft nannte die CDU-Fraktion neben derEntsorgungssicherheit und ökologischen Aspekten die Begrenzung der Gebührenlast für dieBürger.

Bereits 1996 hatte die CDU durchgesetzt, daß im Rahmen der Einführung der Biotonne dieSammlung dieser Abfallfraktion in einem Stadtbezirk probeweise von einem privaten Entsor-gungsbetrieb erfolgen sollte, um einen Vergleichswert für die Kosten der städtischen Abfall-wirtschaft zu erhalten. Diese bislang aus organisatorischen Gründen noch nicht umgesetzteMaßnahme wurde für die nähere Zukunft angemahnt.

Die SPD wies demgegenüber darauf hin, daß die Kosten nicht durch die Art der Betriebsfüh-rung des AfAS verursacht sei, sondern durch die veränderten abfallwirtschaftlichen Rah-menbedingungen. Die Stadt solle sich deshalb stärker gegenüber dem Land für eine Ver-besserung der rechtlichen Position der ÖRE einsetzen. Neben der Durchsetzung der TASigegenüber Landkreisen mit unzureichenden Entsorgungsanlagen wären dafür vor allem ge-setzliche Grundlagen für eine Beteiligung des Gewerbes an den Kosten der Abfallbeseiti-gung nötig. Die SPD einigte sich in der Folge mit der CDU über die Erhöhung der Abfallge-bühren um 5%, wobei der endgültige Kompromiß außerdem vorsah, daß die Belastung derBürger durch eine Senkung der Grundsteuer ausgeglichen werden sollte.

Die GRÜNEN lehnten diese Gestaltung ab und forderten eine kostendeckende Erhöhung.Gleichzeitig kritisierten sie die aus ihrer Sicht unnötige Beteiligung am RMHKW Böblingen,die mit für die Kostensteigerungen verantwortlich sei.

Infolge der Gebührenanhebung sollte die wöchentliche Leerung eines 120l-Behälters ab dem1.1.1999 1030,80 DM jährlich kosten, die zweiwöchentliche desselben Gefäßes 490,80.- DM(60l-Gefäß: 638,40 DM / wöchentlich bzw. 285.- DM / zweiwöchentlich). Für eine 60l-Biotonne wurden nun 49,20 DM berechnet.

Nach dieser Debatte, die sich über verschiedene Ratssitzungen bis Ende 1998 hinzog, standdie städtische Abfallwirtschaft unter einem erheblichen Druck, ihre finanzielle Situation zuverbessern. Im Zusammenhang mit der Gebührenanhebung waren bereits zahlreiche Maß-nahmen beschlossen worden, die von der Verwaltung selbst vorgeschlagen worden waren:

• Die Abschreibungsdauer für die Investitionen in die AVA Stuttgart-Münster wurden abdem 1.1.1999 von 20 auf 25 Jahre verlängert. Hierdurch verringerten sich die Verbren-nungskosten um jährlich 10 Mio. DM.

• Ein älterer Kessel der AVA Stuttgart-Münster sollte bei fehlender Auslastung nur noch alsReserve genutzt werden, um 6 Mio. DM Betriebskosten zu sparen. Diese Maßnahme er-wies sich später jedoch aus technischen Gründen als nicht durchführbar (siehe oben).

• Durch eine veränderte Organisation der Abfallsammlung und modernere Fahrzeugesollten weitere Einsparungen bei den Personalkosten und im Fahrzeugbestand möglichwerden, nachdem bereits bei den mit der Biomüll-Sammlung verbundenen Veränderun-gen die Personalkosten um jährlich 2,2 Mio. DM reduziert wurden. In den folgenden Monaten erarbeitet das AfAS weitere Vorschläge zur Kostensenkung,die im Vergleich zu 1996 insgesamt jährliche Einsparungen von 4,8 Mio. DM ergeben

Page 109: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

109

sollten. Die Zahl der Mitarbeiter bei der Abfallsammlung sollte dabei von 319 (1996) auf272 (in 2000) verringert werden (Stuttgart 1999). Insgesamt hatte sich die Zahl der Be-schäftigten aller Bereiche beim AfAS von 1045 (1994) bis 1999 auf 891 verringert.

• Weitere Kostensenkungen sollten durch die Verringerung der Betriebsstellen von 12 auf7 erzielt werden. Die dabei erreichbaren Einsparungen sollten sich zukünftig auf jährlich0,5 Mio. DM belaufen.

Die Verwaltung wies allerdings gleichzeitig darauf hin, daß bei den mit benachbarten Land-kreisen vereinbarten Kooperationen Verhandlungen über Preisnachlässe geführt werdenmüßten, weil es insbesondere im Rems-Murr-Kreis angesichts von Marktpreisen von ca.200.- DM/t Initiativen für eine Kündigung des erst ab 1999 in Kraft tretenden Vertrages gebe.Die Stadt wäre zwar in einer guten Rechtsposition, sollte aber wenigsten die durch die Ver-längerung der Abschreibungszeiträume erreichte Reduzierung der Verbrennungskosten aufca. 450.- DM/t an die Vertragspartner weitergeben. Mit dieser auf die langfristige Sicherungder regionalen Kooperation zielenden Haltung setzte sich die Verwaltung im Sommer 1999gegen Stimmen aus der CDU-Fraktion durch, die eine Aussetzung der Verhandlungen vor-schlugen, um die Einnahmen kurzfristig zu halten.

Im Sommer 1999 besuchten Vertreter der Stuttgarter Verwaltung und der Parteien dieFrankfurter Entsorgungsbetriebe, um sich über die Auswirkungen der Privatisierung zu in-formieren. Neben den durch den Verkauf erzielten Einnahmen hielt die Delegation als Er-gebnis auch fest, daß die Bildung der GmbH nicht zu einer Gebührensenkung geführt habe.Aus Sicht der Verwaltung war die durchschnittliche Gebühr pro Einwohner mit 221.- DM inStuttgart nach wie vor niedriger als in Frankfurt (263,25 DM).

In Presseartikeln, die auch Stellungnahmen von Vertretern des AfAS enthielten, wurde imSommer 1999 wiederholt über eine neue Rechtsform für die Abfallwirtschaft spekuliert. Da-bei wurden die Repräsentanten der Stadt mit skeptischen Äußerungen über die langfristigenWirkungen einer Privatisierung wiedergegeben. Als Option wurde auch die Bildung einesEigenbetriebes ins Spiel gebracht. Gleichzeitig wurde auch über eine mögliche Kooperationmit privaten Entsorgungsunternehmen berichtet, die sowohl eine direkte Beteiligung als auchein langfristiger Liefervertrag für die Verbrennungsanlage sein könnte.

Im Oktober 1999 fanden in Baden-Württemberg Kommunalwahlen statt, aus denen die CDUdeutlich gestärkt hervorging. Während bislang die bürgerlichen Parteien gegenüber der SPDund den GRÜNEN gleich stark waren und für Mehrheiten gegen diese beiden Parteien aufdie Abgeordneten der Republikaner angewiesen gewesen wären, verfügte die CDU jetzt zu-sammen mit der FDP und weiteren bürgerlichen Abgeordneten über eine eindeutige Mehr-heit.

Im Dezember 1999 legte die Verwaltung den Ratsgremien einen Entwurf für ein neues Ge-bührensystem vor, daß neben der Aufspaltung der Müllgebühren in eine grundstücksbezo-gene Grund- und eine Leistungsgebühr auch die Einführung einer Gebühr für die Papierab-fälle vorsah, um die aus diesem Bereich her rührenden Defizite aufzufangen und den Druckauf die Restmüllgebühren zu verringern. Außerdem sollte der Kostendeckungsgrad für dieBio-Tonne von 18,5% auf 40% angehoben werden. Insgesamt sei für das Jahr 2000 zudemeine Gebührenanhebung von rund acht Prozent erforderlich.

Page 110: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

110

Der Verwaltungsvorschlag stieß bei den Ratsfraktionen auf entschiedene Ablehnung. Vorallem die CDU und die FDP lehnten neben der Einführung einer auch für Unternehmen gülti-gen Grundgebühr die Gebührenerhöhung ab und forderten deutlichere Bemühungen derVerwaltung, die Kosten zu senken. So sei der im Vorjahr erteilte Auftrag, die Kostenstruktu-ren zu untersuchen, nicht umgesetzt worden. Die CDU hielt nach den Gebührensteigerungender Vorjahre lediglich eine Anhebung von 3% für akzeptabel. Auch die Verbände der Wirt-schaft kritisierten die Vorschläge für das neue Gebührensystem scharf.

Die GRÜNEN forderten, auf die Anhebung zu verzichten, bis die Stadt ihre Anteile an denNWS tatsächlich an ein Energieversorgungsunternehmen verkauft habe und über die finan-zielle Situation in der städtischen Abfallentsorgung Klarheit bestehe. Auch die SPD wandteich gegen eine weitere Gebührenerhöhung.

Obwohl die Verwaltung darauf hin wies, daß das Kommunalabgabengesetz kostendeckendeGebühren vorschreibe und die entstehenden Defizite nicht dauerhaft aus dem städtischenHaushalt finanziert werden könnten, wurden die Vorschläge der Verwaltung von den politi-schen Gremien abgelehnt. Beschlossen wurde zum 1.1.2000 lediglich eine Erhöhung derRestmüll-Gebühr um 3%, so daß ein 60l-Behälter bei zweiwöchentlicher Leerung nunmehr239,40 DM kosten soll. Für einen 120l-Behälter wurden jetzt 505,20 DM berechnet. Derdurch die Gebührenerhöhung nicht abgedeckte Fehlbetrag von ca. 6,4 Mio. DM soll durchzukünftige Einsparungen erwirtschaftet werden.

Im Juni 2000 legte die mit einer Untersuchung der Betriebsstrukturen beauftragte Unterneh-mensberatung ein Gutachten vor, in dem sie weitere Rationalisierungsmaßnahmen, Lei-stungseinschränkungen und eine Veränderung der Rechtsform vorschlug. So forderten dieGutachter (vgl. Stuttgart 2000)

• Veränderungen bei der Abfallogistik (Fuhrpark, Zahl der Betriebsstellen, Arbeitszeitmo-delle),

• eine Neustrukturierung der Organisation mit einer stärkeren vertriebsorientierten Aus-richtung,

• die Gründung eines Eigenbetriebes mit der Option, diese später in eine GmbH umzu-wandeln sowie

• die Stabilisierung der Gebühreneinnahmen durch ein neues Gebührensystem und dieVerringerung der Leistungsangebotes (u.a. längere Abfuhrrythmen für die Biotonne,Sperrmüllsammlung auf Abruf).

Durch die verschiedenen Maßnahmen sollte nach Angaben des Gutachters ein Einsparpo-tential von jährlich 8,9 Mio. DM über die von der Verwaltung bereits beabsichtigten Rationali-sierungen hinaus realisiert werden. Dabei würde der Hauptteil der Einsparungen auf die Per-sonalausgaben entfallen.

Die Umwandlung des Amtes in einen Eigenbetrieb war zwischen allen Akteuren unstrittigund wurde von den Ratsparteien bereits kurzfristig zum 1.1.2001 gewünscht. Die Verwaltungwurde beauftragt, mit externer Unterstützung die Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnah-

Page 111: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

111

men vorzubereiten. Insbesondere für die CDU und die FDP sollte ein Eigenbetrieb dabeijedoch ausdrücklich als Zwischenschritt zur Bildung einer GmbH verstanden werden, für diedann auch ein privater Partner gesucht werden sollte. Hiervon erwartete beispielsweise derFinanzbürgermeister Klaus Lang (CDU) eine positive Wirkung auf die Gebührenstabilität,falls ein privater Partner zur Auslastung der Verbrennungskapazitäten beitragen könne. DieSPD, die GRÜNEN und die Freien Wähler forderten dagegen, dem Eigenbetrieb „eine Chan-ce zu geben“ (Stuttgarter Nachrichten, 15.6.2000). Die SPD wies darauf hin, daß auch derEigenbetrieb die Sparziele erreichen können und bei der Gründung einer GmbH die Kom-munalpolitik ihren unmittelbaren Einfluß auf die Abfallwirtschaft verlieren werde.

Die Personalvertretung lehnte die beabsichtigte Gründung einer GmbH ab und kritisierteauch die beabsichtigten Veränderungen der Arbeitsbedingungen bei der Müllabfuhr.

Aus der Diskussion um eine Veränderung der Kostensituation war damit eine Diskussionüber eine zukünftige Privatisierung der Abfallwirtschaft geworden.

Nur wenige Wochen nach der Debatte um die zukünftige Rechtsform der Abfallwirtschaft gabdie Verwaltung bekannt, daß sie nach langen Verhandlungen eine unterschriftsreife Verein-barung mit einem privaten Entsorgungsunternehmen erreicht habe, für die sie den Stadtratum Zustimmung bitten wollte. Vertragspartner sollte die Firma T-Plus werden, die dem Ener-gieversorger EnBW gehört, der auch an den NWS mehrheitlich beteiligt ist. Die T-Plus beab-sichtigt, in der AVA Stuttgart-Münster ab Mitte 2005 für mindestens 25 Jahre jährlich185.000t Hausmüll mehrerer baden-württembergischer Landkreise und Zweckverbände zuverbrennen. Die NWS und T-Plus sollen nach der Vereinbarung eine gemeinsame Besitzge-sellschaft für die AVA gründen, die die Erneuerung für zwei neue Verbrennungskessel finan-ziert. Der Betrieb der Anlage soll ab 2005 jährlich 122,4 Mio. DM kosten, wovon 88,3 Mio.DM auf die Stadt entfallen werden. Gegenüber der bisherigen Situation ohne privaten Part-ner ergab sich hierdurch für die Stadt eine Einsparung von jährlich 18 Mio. DM ab 2006, waseine Reduzierung der Verbrennungskosten von 486.- DM/t auf 417.- DM/t bedeutet.

Politische Initiativen zur Sicherung der AVA-Auslastung

Während sich die Debatte in Stuttgart mit den Folgen der durch die Sanierung der AVAStuttgart-Münster entstandenen hohen Entsorgungskosten beschäftigt, unternimmt die Stadtgleichzeitig Versuche, gegenüber dem Land Baden-Württemberg und der Wirtschaft eineVerbesserung der Rahmenbedingungen für ihre kommunale Abfallwirtschaft zu erreichen.

In der Anhörung zum neuen Abfallwirtschaftsplan des Landes Baden-Württemberg, der imSommer 1999 erschien, erhielt die Stadt Ende 1998 Gelegenheit, zur Abfallwirtschaftspolitikdes Landes Stellung zu nehmen. Die Stadt forderte dabei, daß das Land die Deponierungunbehandelten Restmülls nicht bis zum Ablauf der Übergangsfristen der TASi im Jahre 2005genehmigt. Die ÖRE ohne eigene thermische Behandlungsanlagen müßten vielmehr diefreien Kapazitäten in Verbrennungsanlagen nutzen, weil die ausschließlich finanziellen Inter-essen dieser Entsorgungsträger an der möglichst vollständigen Verfüllung ihrer Deponieka-pazitäten bis 2005 keine Ausnahmegenehmigung rechtfertige. Begrüßt wurde, daß das Land

Page 112: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

112

die mechanisch-biologische Vorbehandlung von Restmüll nicht als ein der TASi gerechtesBehandlungsverfahren anerkannte.

Außerdem forderte die Stadt, daß angesichts ungenutzter Kapazitäten in bestehenden Anla-gen die Planungen für zwei weitere AVAs in Baden-Württemberg eingestellt werden sollten.

Die Stadt hatte sich angesichts der Probleme mit den bestehenden Rahmenbedingungen1997 mit den anderen Betreibern von Verbrennungsanlagen in Baden-Württemberg zu einerInteressengemeinschaft zusammengeschlossen, die die Interessen der Betreiber gegenüberdem Land vertreten sollte. Als wichtigsten Erfolg verbuchte die Stadt, daß der Abfallwirt-schaftsplan das „Autarkieprinzip“ für verbindlich erklärte, nachdem Restabfälle nicht mehraußerhalb des Landes entsorgt werden dürfen. Um diese Form von Lobby-Arbeit zu verbes-sern, hat sich die Stadt außerdem mit 50 anderen Betreibern von Verbrennungsanlagen inDeutschland zur Interessengemeinschaft thermischer Behandlungsanlagen in Deutschland(ITAD) zusammengeschlossen, die angesichts der immer stärkeren Europäisierung der Ab-fallwirtschaft eine Geschäftsstelle in Brüssel eingerichtet hat, um auf die Entwicklung derabfallwirtschaftlichen Rahmenbedingungen besser Einfluß nehmen zu können.

Während diese Initiativen vor allem auf eine Regelung der Konkurrenz zwischen den Betrei-bern von Verbrennungsanlagen und Deponien zielten, unternahm die Stadt auch Versuche,die Wirtschaft wieder stärker an der Finanzierung der Abfallwirtschaft zu beteiligen:

Anfang 1998 gründeten die ÖRE der Region Stuttgart eine Arbeitsgruppe, die nach Möglich-keiten suchte, eine Grundgebühr für Gewerbebetriebe einzuführen. Damit wollten die betei-ligten Kreise und Städte verhindern, daß die Lasten der Abfallwirtschaft allein von den pri-vaten Haushalten getragen werden müßten. Die Grundgebühr sollte nach den Vorstellungender Arbeitsgruppe die Fixkosten der Abfallwirtschaft auf die Gebührenpflichtigen verteilen.Die Gebühren sollten zukünftig außerdem einen Leistungsanteil enthalten, der aufgrund derGrundgebühr niedriger ausfallen könnte. Mit einer derartigen Gebührengestaltung würdendie ÖRE nicht nur zusätzliche Einnahmen über die Grundgebühr erzielen, sondern auch denfinanziellen Anreiz für Gewerbebetriebe verringern, Abfallgemische als Abfälle zur Verwer-tung zu deklarieren und der öffentlichen Abfallentsorgung zu entziehen.

Als schwierig erwies sich dabei die Formulierung eines geeigneten Maßstabes, der der Ge-bührenermittlung zugrunde gelegt werden könnte. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe hieltendeshalb ein umsetzbares Konzept frühestens für das Jahr 2000 für möglich.

Außerdem forderten die beteiligten Kreise und Städte vom Land Baden-Württemberg, durcheine Änderung des Kommunalabgabengesetzes oder des Landesabfallgesetzes die Rechts-grundlagen für eine „Vorhaltegebühr“ zu schaffen, da die bisherige Rechtslage eine Grund-gebühr lediglich bei einem tatsächlich bestehenden Benutzungsverhältnis zulassen würde.Die Arbeitsgemeinschaft verwies dabei auf entsprechende Regelungen in bayrischen Geset-zen.

Die Initiative der ÖRE der Region Stuttgart wurde von weiteren Landkreisen und den kom-munalen Spitzenverbänden begrüßt. Das Umweltministerium des Landes kündigte seineUnterstützung für die Einführung einer Grundgebühr für das Gewerbe an. Bislang ist eineentsprechende Umgestaltung des Landesrechts allerdings noch nicht konkret beabsichtigt.

Page 113: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

113

Die Wirtschaftsverbände und insbesondere die Industrie- und Handelskammer der Regionübten an diesen Vorschlägen dagegen scharfe Kritik. Eine Grundgebühr würde eine weitereBelastung für die regionale Wirtschaft und damit einen Wettbewerbsnachteil gegenüber an-deren deutschen und europäischen Regionen darstellen. Außerdem werde die Wirtschaftdamit für die verfehlten abfallwirtschaftlichen Planungen der Kommunen verantwortlich ge-macht.

Ob sich die Stadt Stuttgart und andere Entsorgungsträger mit ihren Vorstellungen gegen dieWirtschaft durchsetzen werden, wird erst absehbar sein, wenn die ersten Kommunen Abfall-wirtschaftssatzungen in Kraft setzen, die eine Grundgebühr vorsehen. Im April 2000 be-schloß der Kreistag des Landkreises Esslingen als erster Entsorgungsträger der Region dieEinführung einer Grundgebühr für Gewerbebetriebe zum 1.1.2001, bei der die erhobenenGebühren von der Firmenfläche abhängig sein sollten. Im Juni 2000 erließ auch der KreisBöblingen eine Satzung, die bei der die Betriebe für jeweils 400 qm Nutzfläche jährlich 387.-DM Grundgebühr für den anfallenden Restmüll zahlen sollen.

Bereits im Juli 2000 entschied jedoch das Bundesverwaltungsgericht in Berlin in einem ande-ren Rechtsstreit, daß Betriebe nicht verpflichtet seien, den Restmüll getrennt von den anfal-lenden Wertstoffen zu erfassen. Damit wurde nach Ansicht der ÖRE auch die Pflicht zurÜberlassung von betrieblichen Restmüll an die Kommunen ausgehöhlt. Mit Ausnahme desLandkreises Böblingen gaben die ÖRE deshalb noch im Juli 2000 die beabsichtigte Grund-gebühr auf und forderten von der Bundesregierung eine Überarbeitung des Kreislaufwirt-schaftsgesetzes.

Neben der Frage einer Grundgebühr für Gewerbebetriebe hat auch der Interessengegensatzum die Andienung von gewerblichen Abfällen an die öffentlichen Entsorgungseinrichtungenin der Region Stuttgart eine besondere Zuspitzung erfahren:

Die Stadt Stuttgart machte den Rückgang der gewerblichen Abfallanlieferungen um100.000t/a zwischen 1988 und 1997 zwar für die schwierige finanzielle Situation mitverant-wortlich, sah aber keine praktikablen Möglichkeiten, gegenüber den Gewerbebetrieben ihreAuffassung über die Abgrenzung von Wertstoffen und Restabfällen durch eine stärkereÜberwachung durchzusetzen. Die Doppelfunktion als untere Abfallrechtsbehörde und öffent-lich-rechtlicher Entsorgungsträger mache eine derartige Überwachung zudem rechtlich pro-blematisch (Stuttgart 1998a).

Andere Kreise in der Region versuchten dagegen, eine Einstufung von gewerblichen Abfäl-len als andienungspflichtige Abfälle zur Beseitigung durch Auflagen und eine verstärkteÜberwachung durchzusetzen. Hieraus entwickelte sich insbesondere zwischen dem Land-kreis Esslingen und der IHK der Region Stuttgart ein langwieriger Konflikt:

1997 beschloß der Kreis Esslingen eine neue Abfallwirtschaftssatzung, in der alle gewerbli-chen Abfälle, die nicht durch das abfallerzeugende Unternehmen vorsortiert wurden, als an-dienungspflichtige Abfälle zur Beseitigung nach dem KrWG einstufte. Mit dieser Vorschriftwollte der Kreis einem weiteren Rückgang der gewerblichen Abfallmengen entgegentreten,die sich seit 1990 um mehr als 66% verringert hatten. Aus der Sicht des Landkreises war dieHauptursache für diesen Rückgang nicht in erster Linie eine stark erhöhte Verwertung vonWertstoffen durch die Gewerbebetrieb, sondern der Versuch, statt der hohen Entsorgungs-

Page 114: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

114

gebühren von fast 800.- DM/t des Landkreises günstigere Entsorgungsmöglichkeiten in an-deren Landkreisen zu finden. Um diese Vorschrift gegenüber Gewerbebetrieben durchzuset-zen, ließ der Landkreis unter anderem Betriebe ermitteln, die ihre Abfälle zur energetischenVerwertung bei der Verbrennungsanlage des benachbarten Landkreises Göppingen zu Ge-bühren von knapp 300.- DM/t anlieferten. Hauptgrund für die hohen Gebühren im LandkreisEsslingen war, daß bis zur Schließung der kreiseigenen Deponie bei Inkrafttreten der TASiausreichend Rückstellungen zur Deponienachsorge gebildet werden sollten.

Die IHK strengte gegen die Abfallsatzung eine Normenkontrollklage zusammen mit drei vonden Maßnahmen des Kreises betroffenen Unternehmen beim Verwaltungsgerichtshof desLandes an. Um ein Grundsatzurteil mit bundesweiter Wirkung zu verhindern, änderte derLandkreis daraufhin einige Vorschriften der Abfallsatzung.

Die IHK warf dem Landkreis vor, mit seinen Maßnahmen die Vorschriften des KrWG zu un-terlaufen, die ausdrücklich auf eine Liberalisierung der Abfallwirtschaft zielten. Dabei stütztesich die IHK auf eine Stellungnahme der Bundesregierung, die sich ausdrücklich gegen dieVersuche mehrerer Bundesländer und von Kommunen wandte, gewerbliche Abfallgemischeals Abfälle zur Beseitigung einzustufen (Deutscher Bundestag 1997: 7ff.).

Um zu einer marktgerechten Lösung zu kommen, forderte die IHK von den Entsorgungsträ-gern der Region einheitliche Entsorgungsgebühren, die den Anreiz zu Abfallverschiebungenverringern und so den Konflikt entschärfen würden. Deshalb solle die Region auch verstärktabfallwirtschaftliche Aufgaben von den ÖRE übernehmen.

Um für die örtlichen Gewerbebetriebe Rechtssicherheit zu schaffen und neue Möglichkeitenaufzuzeigen, wie das Wegbrechen weiterer Mengen von Gewerbeabfall vermieden werdenkönnte, traf eine Arbeitsgemeinschaft Göppinger Gewerbebetriebe auf Initiative der IHK mitdem Landkreis Vereinbarung, in der Göppinger AVA eine garantierte Menge von Gewerbe-abfällen zu einem über dem Marktpreis liegenden Preis energetisch verwerten zu lassen.Bislang hatte der Landkreis nur Anlieferern von außerhalb die Möglichkeit einer energeti-schen Verwertung angeboten. Die IHK sieht diese „Bring-or-pay“-Lösung als ein möglichesModell, um vor dem Hintergrund der bestehenden Rahmenbedingungen einen Interessen-ausgleich zwischen den ÖRE und der lokalen Wirtschaft zu erreichen.

Regionalisierung der Abfallwirtschaft?

Stuttgart ist seit 1994 als Teil des Verbandes Region Stuttgart (VRS) in eine enge Kooperati-on mit seinem Umland eingebunden. Neben der Stadt Stuttgart gehören dem Verband 178weitere Kommunen in sechs Landkreisen an. Der per Landesgesetz eingerichtete VRS ver-fügt über ein gewähltes Parlament und stellt eine Erweiterung der 1973 geschaffenen RegionMittlerer Neckar dar (Dierks, Kirchner 1989). Finanziert wird der Verband durch nach Ein-wohnerzahlen gestaffelte Umlagen bei den Mitgliedskommunen.

Insbesondere die Stadt Stuttgart hat ein großes Interesse an einer engen Kooperation mitihrem Umland, um die zunehmenden Disparitäten zwischen der Kernstadt und den wohlha-benderen Randgemeinden zu überbrücken. Eine enge Zusammenarbeit zwischen den Ge-bietskörperschaften der Region scheint aus ihrer Sicht unumgänglich, um den Anforderun-

Page 115: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

115

gen der wachsenden sozioökonomischen und kulturellen Verflechtungen im Verdichtungs-raum Stuttgart gerecht zu werden.

Die wichtigsten Aufgabenbereiche des VRS sind der öffentliche Personennahverkehr(ÖPNV) und die Flächennutzungsplanung. In der Abfallwirtschaft ist der VRS für Teile dermineralischen Abfälle und des Bodenaushubs zuständig. Diese Aufgabe wurde beim VRSangesiedelt, um die Probleme der Stadt Stuttgart mit der Entsorgung der Baurestmassen zulösen. Da die zum VRS gehörenden Landkreise jedoch eine enge Kooperation ablehnten,wurde vereinbart, daß die Kreise die Deponien weiterhin betreiben sollten, mineralische Ab-fälle jedoch innerhalb des VRS-Gebietes frei verbracht werden dürfen. Infolge der zwischenden beteiligten Kreisen sehr unterschiedlichen Gebühren ist damit in gewissem Umfang einMarkt für Entsorgungskapazitäten entstanden. Im Februar 2000 hat sich die Regionalver-sammlung des VRS schließlich entschlossen, die Entsorgung der in die Zuständigkeit desVRS fallenden rund 25.000t/a mineralische Abfälle und Bodenaushub direkt auf die Verwer-tungsgesellschaften der Landkreise zu übertragen, die diese Aufgabe bislang im Auftrag desjeweiligen Kreises durchführten. Die Tarife für die Deponierung sollen dabei im Rahmen die-ser nach § 17 KrWG möglichen Beauftragung zukünftig von den Verwertungsgesellschaftenselbst festgelegt und nicht mehr in öffentlich-rechtlichen Satzungen festgeschrieben werden.Anlaß für diese Entscheidung war ein Antrag der Abfallverwertungsgesellschaft des Land-kreises Ludwigsburg (AVL) beim Regierungspräsidenten, zu dem der VRS als bisher zu-ständiger Rechtsinhaber Stellung nehmen mußte.

1998 begann in Baden-Württemberg eine längere Debatte, ob noch vor den Kommunalwah-len im Oktober 1999 der Aufgabenzuschnitt des VRS verändert werden sollte. Die bisherigeEntwicklung des VRS wurde von allen landes- und kommunalpolitischen Akteuren als insge-samt erfolgreich eingeschätzt, wobei es allerdings im Detail Interessengegensätze um dieZuordnung von finanziellen Lasten gab43.

Neben einer Erweiterung der Kompetenzen im ÖPNV und in der Flächennutzungsplanungwurde auch ein Übertragung von Zuständigkeiten für die Abfallwirtschaft an den VRS disku-tiert. Zudem wurde eine Übertragung weiterer Verwaltungs- und Aufsichtsfunktionen von denRegierungspräsidien auf den Verband überlegt. Während Vertreter der meisten Landtags-fraktionen sich für eine deutliche Aufwertung des Verbandes aussprachen, befürchtete dievon einer CDU/FDP-Koalition geführte Landesregierung ein Ungleichgewicht in der Gliede-rung der Verwaltungsebenen. Außerdem nahm die CDU Rücksicht auf die ebenfalls von ih-rer Partei bestimmten Führungen der beteiligten Landkreise, die sich gegen einen Macht-verlust an den Verband und gegen ein stärkere Position der Kernstadt gegenüber dem Um-land wehrten.

Außer den Landtagsfraktionen der SPD und der GRÜNEN sowie den Wirtschaftsverbändenforderte vor allem die Stadt Stuttgart eine Übertragung der Abfallwirtschaft auf den VRS.Hierdurch erhoffte sich die Stadt eine tragfähige Lösung für den Umgang mit den in der Re-gion vorhandenen Entsorgungskapazitäten.

43 Beispielsweise zwischen dem VRS und der Stadt Stuttgart um Aufwendungen und Zuständigkeiten für denÖPNV. Dennoch wurde auch die Regionalisierung dieses Aufgabenfeldes von der Stadt Stuttgart begrüßt.

Page 116: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

116

Die beteiligten Landkreise lehnten dagegen überwiegend einen „Müllmonopolisten“ ab undverwiesen auf die Erfahrungen mit den Konflikten im Umlandverband Frankfurt. Insbesonde-re Kreise mit bereits gebildeten Deponie-Rücklagen befürchteten, bei der Einrichtung eineseinheitlichen Entsorgungsgebietes die abfallwirtschaftlichen Probleme anderer Entsorgungs-träger finanzieren zu müssen und den Einfluß auf die Gebührengestaltung sowie die Kon-trolle über die jeweiligen Abfallmengen zu verlieren. Eine Regionalisierung der Abfallwirt-schaft sollte aus ihrer Sicht in Form einer freiwilligen Kooperation zwischen den beteiligtenEntsorgungsträgern, der Wirtschaft und dem VRS stattfinden. Eine weitere Möglichkeit kön-ne auch ein Zweckverband aus diesen Akteuren sein.

Im Ergebnis sah die im Juli 1999 als Landesgesetz verabschiedete Reform des VRS nureine vorsichtige Erweiterung von Befugnissen des Verbandes vor, der auch weiterhin keineeigene Verwaltungsebene darstellte. In der Abfallwirtschaft wurde dem VRS lediglich zuge-standen, bei Planungen der Entsorgungsträger angehört zu werden.

Konkrete Initiativen zu einer anderen Form von Regionalisierung der Abfallwirtschaft wurdenbislang nicht unternommen. Obwohl damit nach wie vor keine koordinierende Instanz für dieAbfallentsorgung in der Region existiert, besteht doch ein auf eine regionale Abfallwirtschaftgerichtetes Politikfeld: So arbeitet etwa die in der Abfallwirtschaftspolitik einflußreiche IHKregional. Auch die ÖRE arbeiten in einzelnen Fragen regional zusammen, wie die beschrie-bene Arbeitsgemeinschaft zur Frage einer Grundgebühr für das Gewerbe belegt. Außerdembestehen zwischen den Gebietskörperschaften auf dem Gebiet der Abfallentsorgung zahlrei-che Einzelverträge (siehe oben).

Resümee

Die Verbrennungskapazitäten der Stadt Stuttgart wurden als Reaktion auf ernste Entsor-gungsengpässe in den achtziger Jahre unter großem Aufwand kontinuierlich modernisiert,was infolge der veränderten Rahmenbedingungen in der Abfallwirtschaft zu kostspieligenÜberkapazitäten geführt hat. Entsprechende Argumentationen von politischen Gegnern derVerbrennungstechnologie fanden angesichts erkennbarer Alternativen zu dieser Zeit keinGehör. Die vom Betrieb der Verbrennungsanlagen ausgehenden Sachzwänge werden auchzukünftig erhebliche Kosten verursachen. Die Entsorgungskosten in der Stadt Stuttgart ge-hören daher seit Mitte der neunziger Jahren zu den höchsten in der Bundesrepublik.

Die bis 2000 als Amt geführte Abfallwirtschaft der Stadt steht deshalb unter einem erhebli-chen politischen Druck, die Entsorgungskosten zu senken. Dabei wurden in den letzten Jah-ren erkennbare Erfolge bei den Betriebsaufwendungen und den Personalkosten erzielt. DerKostendruck führte auch zu politischen Forderungen nach der Veränderung der Rechtsform.Für das Jahr 2001 wurde deshalb die Umwandlung des Amtes in einen Eigenbetrieb be-schlossen. Dieser Schritt soll nach den Vorstellungen der CDU Vorstufe für eine möglichePrivatisierung der Abfallwirtschaft sein, die jedoch von anderen Ratsparteien und der Perso-nalvertretung abgelehnt wird.

Insbesondere in den letzten zwei Jahren ist es zu deutlichen Gegensätzen zwischen denVorstellungen der Verwaltung und den politischen Parteien über die Gebührengestaltung und

Page 117: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

117

die Umsetzung von Einsparmaßnahmen gekommen. Dabei lehnen alle Parteien die von derVerwaltung gemachten Vorschläge ab, wobei sich vor allem die Mehrheitsparteien FDP undCDU gegen eine von der Verwaltung angestrebte stärkere Einbeziehung des Gewerbes indie Finanzierung der Abfallentsorgung stellen.

Gleichzeitig hat die Stadt versucht, die Verbrennungskapazitäten in einen regionalen Ver-bund mit den umliegenden Landkreisen einzubinden, konnte jedoch bislang nur Einzelver-einbarungen erreichen. Während bis zum Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsgesetzes dieSicherung von Entsorgungskapazitäten wichtigster Grund für Regionalisierungsbestrebun-gen war, wurde danach die Auslastung der bestehenden Anlagen Anlaß für die Zusammen-arbeit. Eine Kooperation mit einem Entsorgungsunternehmen soll ab 2005 die Auslastungder Verbrennungskapazitäten sicherstellen.

Zusammen mit den andere Entsorgungsträgern der Region nimmt die Stadt zudem Einflußauf das Land Baden-Württemberg, um die abfallwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für dieKommunen z.B. durch die Möglichkeit einer Grundgebühr für Gewerbebetriebe zu verbes-sern. Die auf freiwilliger Basis stattfindende Zusammenarbeit in der Region wird dabei bis-lang nicht durch direkte Interessengegensätze zwischen den Beteiligten behindert. Die Regi-on ist dabei durch die Aktivitäten regional arbeitender Akteure wie der IHK auch zu einemrelevanten Politikfeld geworden.

Insgesamt wurde die Entsorgungspolitik der Stadt in den neunziger Jahren in erheblichemUmfang durch die von den Verbrennungskapazitäten ausgehenden finanziellen Belastungengeprägt. Diese Sachzwänge haben die Haltung der Stadt zu wichtigen Fragen wie der Re-gionalisierung oder der Privatisierung der Abfallwirtschaft bestimmt.

Page 118: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

118

Der Umbau der kommunalen Abfallpolitik in den neunziger Jahren

In den vorangegangenen Abschnitten wurde für die in diese Untersuchung einbezogenStädte nachgezeichnet, wie sich die Abfallwirtschaft jeweils entwickelt hat. Dabei wurde vorallem die Bereiche betrachtet, die zuvor als wichtigste Handlungsfelder für die Gestaltungeiner kommunalen Entsorgungspolitik durch die lokalen Akteure bestimmt wurden:

• das Entsorgungssystem aus den Entsorgungsanlagen und den Sammelsystemen derMüllabfuhr,

• die Entwicklung der Rechtsform der Entsorgungsbetriebe,

• die Ausgestaltung der Kooperation zwischen den Entsorgungsträgern einer Region sowie

• die Gestaltung der Gebührensysteme.

Während in den Darstellungen der einzelnen Fallbeispiele jeweils der innere Zusammenhangder Entwicklung in den Städten im Vordergrund stand, sollen im Folgenden die wichtigstenVeränderungen der vergangenen 10 Jahre heraus gearbeitet werden. Dabei werden Ge-meinsamkeiten und Unterschiede hervorgehoben, die die Wirkung veränderter Rahmenbe-dingungen erkennen lassen. Gleichzeitig wird deutlich, wo die Akteure in den Kommunenund den Städten als Ganzes Handlungsspielräume besitzen und wie sie diese nutzen.

Dort, wo in den Städten Diskussionen zwischen den Akteuren stattfanden, wurden in derDarstellung der einzelnen Entwicklungen die unterschiedlichen Sichtweisen und Positionender beteiligten Akteure kenntlich gemacht, soweit dies auf der Basis der ausgewerteten Do-kumente und Interviews möglich war.

Das Entsorgungssystem

Bei der Betrachtung des Entsorgungssystems wurde für die einzelnen Städte nachgezeich-net, wie die Städte seit dem Ende der achtziger Jahre im Bereich der Müllabfuhr ihre Sam-melsysteme verändert haben. Außerdem wurde dargestellt, wie in den Städten über die ver-schiedenen Entsorgungsanlagen diskutiert und entschieden wurde und wie die Entsorgungs-kapazitäten weiterentwickelt wurden. In diesem Zusammenhang wurde auch gezeigt, wiesich die Abfallmengen seit dem Ende der achtziger Jahre entwickelt haben.

Ein Blick auf die in den Städten gesammelten Restmüllmengen zeigt (Abbildung 3), daß inallen Städten in den neunziger Jahren eine deutliche Veränderung der Entsorgungssituationeingetreten ist. Bis zum Ende der achtziger Jahre wuchsen die Abfallmengen kontinuierlichan und erreichten in den letzten Jahren der achtziger oder den ersten Jahren der neunzigerJahre ihren Höchststand44.

44 Die Werte wurden auf volle 10.000t gerundet. Bei einer vergleichbaren Bevölkerungszahl der Städte waren dieerfaßten Abfallmengen dabei zu jedem Zeitpunkt sehr unterschiedlich. Wichtige Gründe hierfür dürften die Art undder Umfang des ansässigen Gewerbes und die Sozialstruktur der Bevölkerung sein. Bedeutsam ist u.a. der Anteil

Page 119: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

119

Dieses Anwachsen der Müllmengen führte in einigen Städten zu einem offenen Entsor-gungsproblem: Frankfurt und Stuttgart hatten Anfang der neunziger Jahre keine ausreichen-den Entsorgungskapazitäten zur Verfügung und waren auf die Nutzung fremder Anlagenangewiesen. In beiden Fällen hat auch die kritische Haltung der Öffentlichkeit gegenüberMVAs und Deponien den Bau weiterer Entsorgungsanlagen verzögert.

Abbildung 3: Haus-, Sperr- und Gewerbemüll 1990 und 199745

In den anderen Städten bestanden ausreichend Entsorgungskapazitäten, die bestehendenAnlagen oder geplante Ersatzanlagen waren jedoch umstritten, da sie als umweltgefährdendgalten. In der Folge wurden in der ersten Hälfte der neunziger Jahre in Bremen, Hannoverund Nürnberg Entscheidungen über zukünftige Entsorgungsanlagen und die damit verbun-denen Entsorgungsstrategien von den Abfallwirtschaftsbetrieben und den Ratsfraktionengemeinsam mit weiteren Akteuren wie Umweltschutzgruppen vorbereitet. Diese Aushand-lungsprozesse wurden in allen Fällen begonnen, nachdem Politiker für die Abfallwirtschaftzuständig wurden, die als Vertreter des „umweltkritischen Diskurses“ bezeichnet werdenkönnen. Die wichtigste Differenz in diesen Aushandlungen bestand jeweils in der unter-schiedlichen Bewertung des von Müllverbrennungsanlagen ausgehenden Gefährdungspo-tentials. Dabei bildeten sich in Hannover und Dresden – in der letztgenannten Stadt ohneeine neben den politischen Gremien geführte Aushandlung – ein breiter Konsens für einen

der Ein- und Zwei-Personen-Haushalte an der Gesamtbevölkerung. Die gewerblichen Abfälle einiger Städte wer-den von wenigen Betrieben beeinflußt – im Falle Bremens z.B. von einem Stahlwerk, dessen Produktion starkkonjunkturabhängig ist.45 Eigene Berechnung auf Basis von Angaben der Städte und Abfallwirtschaftsbetriebe. Die in der Übersicht ge-nannten Restmüllmengen sollen lediglich die Entwicklung illustrieren. Für einen direkten Vergleich sind die Datennur bedingt geeignet, da in den verschiedenen Städten die einzelnen Abfallfraktionen nicht immer gleichartigdargestellt werden. Für diese Aufstellung wurden der erfaßte Haus- und Geschäftsmüll, der Sperrmüll und dervon den Städten erfaßte Gewerbemüll zusammengerechnet.

0

100000

200000

300000

400000

500000

600000

Bremen Duisburg Dresden Frankfurt a.M. Hannover Stuttgart Nürnberg

t

1990 1997

Page 120: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

120

Verzicht auf eine eigene Verbrennungsanlage und eine differenzierte Behandlung einzelnerAbfallfraktionen heraus. In beiden Fällen mußte diese Strategie gegen Vorbehalte der Auf-sichtsbehörden der Länder durchgesetzt werden. Gleichzeitig ist festzustellen, daß sich inden beiden Städten alle beteiligten Akteure sehr mit den beschlossenen Entsorgungsstrate-gien identifizierten. In Nürnberg nahm der politische Widerstand gegen eine Verbrennungs-anlage als Ergebnis der Aushandlungen ab.

Lediglich in Duisburg ist die gemeinsam mit Oberhausen betriebene Verbrennungsanlage zukeinem Zeitpunkt ernsthaft in Frage gestellt worden.

Zu beobachten ist, daß die Konflikte um die Müllverbrennung in den letzten Jahren überall anBedeutung verloren haben. Die wichtigste Ursache ist nach Einschätzung von Umwelt-schutzgruppen wie Abfallwirtschaftsbetrieben, daß aufgrund der verschärften Abgasvor-schriften46 Investitionen in modernere Filteranlagen vorgenommen wurden. Die Umweltge-fährdung über die Abluft als dem bislang wichtigstem ökologischen Problem wird deshalbweitgehend als beseitigt angesehen. Die Kritik an den bestehenden Verbrennungsanlagengilt inzwischen überwiegend den bestehenden Überkapazitäten.

Als Reaktion auf die gestiegenen Abfallmengen wurden in allen Städten nach 1990 zahlrei-che Maßnahmen ergriffen, um verschiedene Abfallfraktionen getrennt erfassen und an-schließend verwerten zu können. Eine wichtige und öffentlich weitgehend unbeachtete Maß-nahme war dabei die Wiederverwertung von Baurestmassen. Die Umlenkung von Boden-aushub weg von den öffentlichen Deponien und das Recycling von Bauschutt haben die mitden gewaltigen Mengen verbundenen Probleme in allen Städten innerhalb weniger Jahre alsadministratives Problem gelöst. Beinahe zeitgleich haben alle Städte die Gebühren für dieseStoffe angehoben, unbelasteten Erdaushub von der Deponierung ausgeschlossen oder mitder Vermittlung dieser Stoffe an Nachfrager begonnen. Das hiervon in erster Linie betroffeneBaugewerbe hat sich in kurzer Zeit auf die neue Situation einstellen können. Allerdings istinzwischen in vielen Kommunen eine Zunahme der Fälle von umweltgefährdender Abfallbe-seitigung zu beobachten, bei denen beispielsweise Erdaushub gemeinsam mit anderenReststoffen zur Aufschüttung von Bauflächen verwendet wird47.

Auch beim Haus- und Gewerbemüll ergriffen alle Städte zahlreiche Initiativen. Dabei ver-folgten einzelne Städte ausdrücklich das Ziel, durch kommunale Aktivitäten die Abfallbe-handlung als Umweltproblem zu lösen. Aus der Vielzahl der in allen Städten durchgeführtenPilotprojekte wurde in diesen Städte aus eigener Initiative Strategien entwickelt, um die Ab-fallmengen zu reduzieren, Wertstoffe getrennt zu erfassen und die Abfallvermeidung zu för-dern. In der Abbildung 4 wurden verschiedene Merkmale des Entsorgungssystems zusam-mengestellt, die die Veränderungen der abfallwirtschaftlichen Rahmenbedingungen illustrie-ren (Entwicklung der Müllmengen) oder die als Indikatoren für die bei der Entwicklung derkommunalen Abfallwirtschaft gewählten Strategie gelten können (Wertstoffquoten undBiomüll-Sammlung).

46 Insbesondere die 17. BImSchV47 So wird beispielsweise in Bremen erwogen, eine Aufschüttung im Gewerbegebiet „Hemelinger Marsch“ nach-träglich wie eine Deponie gegen Sickerwasser abzudichten. In der Kriminalstatistik des Landes Schleswig-Holstein ist umweltgefährdende Abfallbeseitigung inzwischen zum wichtigsten Umweltdelikt geworden (Die Weltvom 16.7.1999).

Page 121: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

121

Bremen Duisburg Dresden Frankfurt Hannover Stuttgart Nürnberg

Haus-, Sperr- undGewerbemüll:

Rückgang 1990 – 1997 in %

33 29,7 Nichtbe-

kannt

41,4 37,6 41,5 33,6

Jahr der höchstenMüllmenge

1993 1990 1992 1989

(UVF)

1989 1988 1987

Wertstoffe und Biomüllim Verhältnis zu Haus- und

Sperrmüll 1992 in %

10,6 7,3 15,1 16 17,3 26,5 33,3

(1993)

Wertstoffe und Biomüllim Verhältnis zu Haus- und

Sperrmüll 1997 in %

33,8 26,5 38,5 25,4 30 36,6 39,9

Einführung derBiomüll-Sammlung

(Pilotversuch in Klammern)

1993 (2000) 1995 (1991)

1998

(1990)

1994

(1992)

1996

(1988)

1990

MVA ja Ja nein ja nein Ja ja

Deponie / MBA nein Nein ja nein ja Nein nein

Abbildung 4: Eckdaten des Entsorgungssystems in den untersuchten Städten48

Betrieben wurde diese Politik besonders dort, wo die GRÜNEN zusammen mit der SPD dieRatsmehrheit stellten wie in Hannover, Nürnberg und Frankfurt oder mit weiteren Parteien indie Ratspolitik eingebunden waren wie in Dresden. Vor allem für die GRÜNEN stellte dieAbfallwirtschaft dabei ein wichtiges kommunales Politikfeld dar, auf dem sie sich umweltpoli-tisch profilieren wollten. In drei Städten stellten sie daher für längere Zeit den für die Abfall-wirtschaft zuständigen Umweltdezernenten49, in einer weiteren Stadt haben sie nach einerVeränderung der Mehrheitsverhältnisse dieses Amt erst kürzlich zugesprochen bekommen.Im Stadtstaat Bremen haben die GRÜNEN in der Zeit ihrer Regierungsbeteiligung an derLandesregierung den Umweltsenator gestellt.

Festzuhalten ist allerdings, daß die grünen Politiker vor allem dort die Abfallwirtschaftspolitikprägten, wo sie im Konsens mit den anderen politischen Kräften einschließlich der CDUagieren konnten, was insbesondere in Dresden und Hannover der Fall war. Ein wichtigerGrund für die Zustimmung aller politischen Akteure zu diesen Entsorgungsstrategien wardabei, daß diese Strategien auch die geringsten Kosten verursachten.

Stellvertretend für andere Initiativen kann der Versuch, über eine kommunale Verpackungs-steuer die Abfallvermeidung zu fördern, als Indikator für eine hohe Bedeutung der Abfallwirt-schaft als kommunalem Politikfeld gelten. Entsprechende Satzungen wurden in Dresden,Hannover, Frankfurt und Nürnberg erlassen50.

48 Eigene Berechnung auf der Basis von Angaben der Städte und Abfallwirtschaftsbetriebe49 In Bayern: Umweltreferent50 In allen diesen Städten wurde die Verpackungssteuer nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom7.5.1998 wieder abgeschafft.

Page 122: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

122

Insbesondere in Nürnberg führte diese Strategie bereits vor der Einführung des DSD durchdie Verpackungsverordnung (1992) zu einer Steigerung der Wertstoff-Mengen. Auffällig hochwar der Anteil der gesammelten Wertstoffe aber auch in Stuttgart, obwohl hier die Verände-rungen in der Abfallwirtschaft angesichts einer von wechselnden Mehrheiten geprägtenRatspolitik nicht Bestandteil einer umweltpolitischen Profilierung der politischen Akteure war.Im Falle Frankfurts wurde ein umfassendes Programm zur Verringerung der Abfallmengenvom zuständigen Umlandverband UVF ebenfalls aufgrund der knappen Entsorgungskapazi-täten formuliert, dessen Umsetzung allerdings durch die Auseinandersetzungen innerhalbdes UVF behindert wurde.

In anderen Städten hatte die getrennte Erfassung von Wertstoffen bis zur Einführung desDSD eine geringere Bedeutung. Mit dem Inkrafttreten der von der Bundesregierung erlasse-nen Verpackungsverordnung 1992 begann in allen Städten ein Ausbau der getrennten Er-fassung der Wertstoffe. Gleichzeitig nahm die Bedeutung kommunaler Initiativen und abfall-wirtschaftlicher Maßnahmen ab. Die Förderung der Abfallverwertung war seit 1992 keinwichtiges kommunalpolitisches Handlungsfeld mehr.

Differenzierter ist die Entwicklung bei der getrennten Erfassung biologischer Abfälle zu se-hen: Für einige Städte ist die Sammlung und Kompostierung der Bio-Abfälle inzwischen zueinem unverzichtbaren Bestandteil ihrer Entsorgungsstrategien geworden, weil sie entwederwie Hannover und Dresden nur mit der Verwertung dieser Müllfraktion eine TASi-gerechteEntsorgung sicherstellen können oder wie Nürnberg ihre Verbrennungskapazitäten entspre-chend geplant haben. In diesen Städten ist die getrennte Erfassung der Bio-Abfälle deshalbauch nicht umstritten. In Städten, die über erhebliche freie Verbrennungskapazitäten verfü-gen, erscheint den Abfallwirtschaftsbetrieben und verschiedenen politischen Akteuren dage-gen die Sammlung und Verwertung der Bio-Abfälle als eine Maßnahme, die unnötige Kostenverursacht und erhebliche organisatorische Probleme schafft.

In einigen Bundesländern wie Baden-Württemberg und Hessen sehen jedoch die Landes-abfallgesetze inzwischen eine getrennte Erfassung der biologischen Abfälle vor und engenden Handlungsspielraum der Kommunen auch auf diesem Feld ein (Baden-Württemberg1999: 59f.; Hessen 1994: 20). In Nordrhein-Westfalen dagegen blieb diese Frage zwischender grünen Umweltministerin des Landes und zahlreichen Großstädten mit Verbrennungs-anlagen strittig. So hat sich auch in Duisburg der Abfallwirtschaftsbetrieb zusammen mit derMehrheitsfraktion lange gegen eine Einführung der Bio-Abfallsammlung entschieden und erstnach einer Veränderung der politischen Mehrheitsverhältnisse der Forderung der örtlichenGRÜNEN nachgegeben und die Durchführung eines Pilotversuchs beschlossen. Die Frageder Bio-Abfallverwertung hatte dabei in Nordrhein-Westfalen eine große symbolische Be-deutung erlangt, da dieser Teil des Entsorgungssystems inzwischen einer der letzten Berei-che ist, der noch kommunal gestaltet werden kann.

Der in allen Städten zu beobachtende Umbau des Abfuhrsystems war nur in einem Fall –Bremen – von öffentlicher Kritik begleitet, die sich an Umständen entzündete, die durch einepolitisch gewollte kurze Umstellungszeit hervorgerufen wurden. In den anderen Städten istdie allmähliche Umgestaltung des Abfuhrsystems nicht politisiert worden.

Sehr deutlich sind in allen untersuchten Städten die Rückgänge bei den gewerblichen Ab-fallmengen (Abbildung 5). Dabei sind die von den Betrieben selbst in den Entsorgungsanla-

Page 123: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

123

gen angelieferten Mengen in der Zeit vor dem Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsgesetzeszwischen 1990 und 1995 stärker zurückgegangen51 als nach dem 7.10.1996.

Vor 1996 ist die Reduzierung gewerblicher Abfallmengen in allen Städten von den Abfallwirt-schaftsbetrieben und den Räten durch erhöhte Annahmegebühren, gezielte Abfallberatungoder Abfallkataster gefördert worden. Als Ursache für den teilweise erheblichen Rückgangwurden in dieser Zeit Vermeidungs- und Verwertungsbemühungen des Gewerbes angese-hen, die durch die gestiegenen Entsorgungskosten gefördert worden seien. Diese Entwick-lung wurde in den Kommunen von allen Akteuren begrüßt. Eine mögliche Umlenkung derAbfälle zu billigeren Entsorgungsanlagen anderer Kommunen wurde nicht thematisiert.

Abbildung 5: Rückgang der gewerblichen Abfallanlieferungen in %52

Mit dem Inkrafttreten des KrWG hat sich die Wahrnehmung dieser Entwicklung durch dieAbfallwirtschaftsbetriebe und die kommunalen Politiker jedoch verändert. Spätestens seit1997 haben die meisten Abfallwirtschaftsbetriebe den Rückgang der gewerblichen Abfall-mengen aufgrund der verringerten Gebühreneinnahmen als Problem angesehen. Nur in we-nigen Städten haben die Abfallwirtschaftsbetriebe nach außen die Auffassung vertreten, daßunsortierte gewerbliche Abfälle weiterhin als Abfall zur Beseitigung über die kommunalenEntsorgungsanlagen beseitigt werden müßten. Den Versuch, diese Auffassung gegenüberBetrieben auch rechtlich durchzusetzen, hat aus den untersuchten Städten nur eine unter-nommen.

51 Die in Duisburg in diesem Zeitraum gestiegenen gewerblichen Abfallmengen lassen sich nur die unterschiedli-che Zusammensetzung von Gewerbe und Industrie sowie durch konjunkturelle Einflüsse in einzelnen Branchenerklären.52 Eigene Berechnung auf der Basis von Angaben der Städte und Abfallwirtschaftsbetriebe

-80,00

-60,00

-40,00

-20,00

0,00

20,00

40,00

Bremen Duisburg Dresden Frankfurta.M.

Hannover Stuttgart Nürnberg

%

1990-1995 1995-1997

Page 124: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

124

Die Entwicklung der Rechtsform

Eines der Ziele dieser Arbeit ist zu untersuchen, ob sich tatsächlich eine Privatisierung derkommunalen Abfallentsorgung beobachten läßt, wie und mit welchen Motiven diese in deneinzelnen Städten von den Akteuren betrieben wird und welche Folgen hier bereits erkenn-bar sind.

Für die einzelnen Städte wurde deshalb jeweils gezeigt, wie die Diskussionen um dieRechtsform der Abfallwirtschaftsbetriebe verliefen und welche Entscheidungen getroffenwurden. Um über die einzelnen Kommunen hinausgehende Trends benennen zu können, istes sinnvoll den Bereich der Müllabfuhr von den Entsorgungsanlagen getrennt zu betrachten.Schon seit den siebziger Jahren haben Kommunen begonnen, insbesondere die kapitalin-tensiven Verbrennungsanlagen organisatorisch von dem sehr personalstarken Bereich derMüllabfuhr zu trennen. Dieser Trend hat sich im Untersuchungszeitraum verstärkt. Dabeihaben sich diese beiden Bereiche in den vergangenen Jahren zunehmend auseinander ent-wickelt:

Die Müllabfuhr wurde zu Beginn der neunziger Jahre in allen untersuchten Großstädten alsTeil der städtischen Verwaltung angesehen und in der Rechtsform eines Amtes geführt. Dieeinzige Ausnahme – Dresden – kam zustande, weil der Stadt der AbfallwirtschaftsbetriebSRD von der Treuhand bereits in der Rechtsform einer GmbH übertragen wurde. Zehn Jahrespäter haben alle Städte ihre Abfallwirtschaftsämter in eine andere Rechtsform überführtoder bereiten dies gegenwärtig vor – als letzte der untersuchten Städte hat Stuttgart dieUmwandlung zum 1.1.2001 beschlossen. Als neue Rechtsform wurde in den meisten Fällender Eigenbetrieb gewählt. Die Umwandlung sollte überwiegend einer Modernisierung derbetrieblichen Strukturen dienen, ohne die Zugehörigkeit zur öffentlichen Hand zu gefährden.

In zwei Fällen (Duisburg und Hannover) war der Abschied von den bisherigen Ämterstruktu-ren notwendig geworden, um ab 1992/1993 als kommunaler Abfallwirtschaftsbetrieb die„gelber Sack“-Sammlungen für das DSD durchführen und getrennt abrechnen zu können.Hieran hatten vor allem die Arbeitnehmervertretungen und die Belegschaften ein großes In-teresse, um die Beschäftigung bei den kommunalen Arbeitgebern abzusichern. Gleichzeitighaben auch die politischen Akteure – insbesondere die SPD-Fraktionen – ein deutliches In-teresse an einer politischen Kontrolle über diesen Aufgabenbereich bekundet. Diese Interes-senkoalition hat zu diesem Zeitpunkt eine grundsätzliche Entscheidung für einen Verbleibder Abfallwirtschaft in der öffentlichen Hand unterstützt. Diese Fälle können damit als Bei-spiele für Reformprozesse gelten, die durch die Veränderung der gesetzlichen Rahmenbe-dingungen angestoßen wurden.

In allen kommunalen Abfallwirtschaftsbetrieben wurden bei der Müllabfuhr in den vergange-nen Jahren umfangreiche Rationalisierungsprozesse durchgeführt, die zu erheblichen Ein-sparungen geführt haben. Dabei haben die Abfallwirtschaftsbetriebe vor allem die Müll-sammlung reorganisiert, die sich durch den Aufbau neuer Sammelsysteme sehr veränderthatte. Während nach Aussagen betrieblicher Akteure vor allem die Arbeitsbedingungen undArbeitsplätze der Müllwerker von diesen Veränderungen betroffen waren, haben sich für An-gestellte zum Teil neue Beschäftigungsmöglichkeiten im Bereich der EDV, der Abfallbera-tung und des Controlling ergeben.

Page 125: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

125

In der Wahrnehmung der städtischen Akteure erscheint die Müllabfuhr dabei als ein Bereich,in dem sich noch Kostensenkungen erzielen lassen, während die hohen Kapitalkosten für dieEntsorgungsanlagen und die Einnahmerückgänge bei den Gebühren als kaum beeinflußbargelten. Die Rationalisierungsmaßnahmen wurden von den Personalvertretungen und derÖTV überall weitgehend hingenommen, um Forderungen nach einer Privatisierung der Müll-abfuhr die Berechtigung zu nehmen. Deutlich wird, daß die Akteure mit der öffentlich-rechtlichen Unternehmensform des Eigenbetriebes bislang gute Erfahrungen gemacht ha-ben. So haben sich in dieser Rechtsform spürbare Kostensenkungen und eine stärkere be-triebswirtschaftliche Ausrichtung erreichen lassen.

Nur in zwei Städten wurde entschieden, die gesamte Abfallwirtschaft einschließlich der Müll-abfuhr in eine private Rechtsform umzuwandeln und anschließend teilweise an ein privatesEntsorgungsunternehmen zu verkaufen. Dabei war sowohl in Bremen als auch in Frankfurtder erwartete Verkaufserlös ein wichtiger Grund für die Privatisierung. In beiden Städtenstand der Verkauf in einem Zusammenhang mit der Privatisierung weiterer Infrastrukturbe-reiche. Während in Frankfurt die Privatisierung gleichzeitig als Vorbereitung auf die sich ab-zeichnende Liberalisierung des Entsorgungsmarktes angesehen wurde, kann für Bremenauch als bedeutsam gelten, daß wichtige politische Akteure trotz einer positiven Entwicklungder wenige Jahre zuvor in einen Eigenbetrieb umgewandelten Abfallwirtschaft das Vertrauenin die Modernisierungsfähigkeit dieses Bereiches verloren hatten.

In beiden Fällen wurde die Privatisierung gegen den starken Widerstand der Belegschaftenund der ÖTV durchgesetzt. Während in Bremen die Privatisierung im wesentlichen von derCDU und dem SPD-Bürgermeister politisch durchgesetzt wurde, wurde sie in Frankfurt vomUmweltdezernenten der GRÜNEN betrieben. In den übrigen Städten, die sich bislang gegeneine Privatisierung der Abfallwirtschaft entschieden haben, äußern insbesondere einige Ak-teure aus dem Spektrum der CDU und der FDP die Absicht, zu gegebener Zeit eine Privati-sierung in die Diskussion einzubringen. Davon versprechen sich diese Politiker weitere Ko-stensenkungen und damit eine langfristige Gebührenstabilität.

In den Städten, die ihre Abfallwirtschaftsbetriebe zum Teil verkauft haben, haben die betei-ligten privaten Entsorgungsfirmen die Führung der Abfallwirtschaftsbetriebe übernommen.Eine direkte politische Einflußnahme auf die Leistungserbringung ist damit nicht mehr mög-lich. Die Leistungen der Entsorgungsunternehmen sind jeweils in langfristigen Verträgen de-finiert, deren Einhaltung von der Verwaltung überprüft werden muß. Obwohl hierbei von denAkteuren von einem im Alltagsgeschäft spürbaren Interessengegensatz zwischen Anbieterund Auftraggeber gesprochen wird, kann bislang kein meßbarer Leistungsrückgang durchdie private Leistungserbringung belegt werden, wie er von Kritikern der Privatisierung oftbefürchtet wurde.

Erkennbar ist, daß die beiden Privatisierungsfälle Bremen und Frankfurt eine große Signal-wirkung für andere Städte und Landkreise haben. So haben mehrfach andere ÖRE entwederExperten dieser Städte zu Diskussionen eingeladen oder mit Delegationen (beispielsweiseaus Stuttgart) die Entsorgungsbetriebe einer dieser Städte aufgesucht.

Anders stellt sich die Situation bei den Entsorgungsanlagen dar, bei denen ein Trend zuprivatwirtschaftlichen Unternehmensformen unverkennbar ist und sich zunehmend ein Marktfür Entsorgungskapazitäten herausbildet.

Page 126: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

126

Alle neuen Entsorgungsanlagen werden inzwischen von GmbHs errichtet. In dieser Rechts-form können die Kommunen für die Investitionen Kredite aufnehmen, die über die Gebüh-reneinnahmen finanziert werden und nicht Teil der öffentlichen Haushalte sind. Außerdembekommen die Kapitalgesellschaften bei Investitionen in neue Anlagen oder Anlagenteile dieUmsatzsteuer auf die ausgegebenen Beträge sofort als Vorsteuer gutgeschrieben. Die Anla-gen werden dann über langfristige Verträge den Abfallwirtschaftsbetrieben zur Verfügunggestellt und die GmbH bleibt eine reine Besitzgesellschaft ohne eigenes Personal.

Diese Form eines Unternehmens in kommunaler Hand ist zwischen den Akteuren in keinemFall strittig gewesen, da die finanziellen Vorteile für die Kommune eindeutig sind und dieRechte der kommunalen Akteure kaum eingeschränkt werden. Betroffen sind hier in ersterLinie die Kontrollrechte der Kommunalpolitiker, die von der GmbH nur noch in vermindertemUmfang Informationen verlangen können. Für diese Akteure stand jedoch jeweils im Vorder-grund, die Kosten für die neuen Anlagen möglichst gering zu halten.

In zwei Städten – Duisburg und Stuttgart – werden Müllverbrennungsanlagen bereits seitlangem auch als Kapitalgesellschaft betrieben. Während in Stuttgart die MVA seit ihrer Er-richtung im Auftrag der Stadt vom städtischen Energieversorger betrieben wurde, nutzt dieStadt Duisburg eine GmbH als Dach, um eine MVA gemeinsam mit benachbarten Kommu-nen zu betreiben (GMVA Oberhausen). Sowohl in Duisburg als auch in Stuttgart waren dieseVerbrennungsanlagen in den letzten Jahren nicht vollständig ausgelastet. Gleichzeitig muß-ten erhebliche Investitionen über die Gebühren refinanziert werden. Beide Städte habendeshalb 1999 für die Betreibergesellschaften private Partner gesucht. Die Stadt Stuttgartreagierte damit zwar in erster Linie auf die Liberalisierung des Energiemarktes, allerdingshaben die lokalen Akteure ausdrücklich die Möglichkeit begrüßt, gleichzeitig die wirtschaftli-chen Risiken der Verbrennungsanlage zu verringern. Im Falle der GMVA Oberhausen sollder private Partner das Auslastungsrisiko für einen Teil der gegenwärtig freien Kapazitätentragen. In diesen Fällen erleichtert die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft sowohl die Ko-operation mit einem privaten Partner als auch den vollständigen oder teilweisen Verkauf derEntsorgungsanlagen erheblich.

In Bremen und Frankfurt wurden die Müllverbrennungsanlagen nach der grundsätzlichenEntscheidung für die Privatisierung der Abfallwirtschaftsbetriebe in GmbHs umgewandelt.Während in Bremen die MVA als Teil der Privatisierung bereits an die privaten Partner ver-kauft wurde, steht dieser Schritt in Frankfurt noch an.

Dresden ging für die Errichtung und den Betrieb der neuen Trockenstabilat-Anlage von vorn-herein eine Partnerschaft mit einen privaten Unternehmen ein. Der private Partner war dabeiaußerdem für die Beschaffung kostengünstiger Verbrennungskapazitäten auf dem Entsor-gungsmarkt zur Verwertung der heizwertreichen Abfallfraktion zuständig. Die Stadt trat damitals Nachfrager auf dem Entsorgungsmarkt auf.

Von den untersuchten Städten wurden damit nur die Entsorgungsanlagen Hannovers undNürnbergs von den kommunalen Entsorgungsbetrieben auch betrieben. Dabei ist im FalleNürnbergs die Diskussion über die Beteiligung eines privaten Investors sehr knapp zugun-sten einer kommunalen Lösung ausgegangen. In Hannover wird für eine zukünftige Ver-brennung der heizwertreichen Abfallfraktion bereits jetzt über Verträge mit privaten Unter-nehmen nachgedacht.

Page 127: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

127

Insgesamt hat sich im Untersuchungszeitraum damit für die Entsorgungsanlagen eine Situa-tion herausgebildet, in der die Anlagen immer seltener Teil der städtischen Infrastruktur sind,sondern sich zunehmend im Besitz von Kapitalgesellschaften befinden. Insbesondere beiden Verbrennungsanlagen ist erkennbar, daß die Kapazitäten in zunehmenden Umfang vonprivaten Unternehmen aufgekauft und einen nach Angebot und Nachfrage funktionieren Ent-sorgungsmarkt zur Verfügung gestellt werden. Allerdings wird ein erheblicher Teil dieser Ka-pazitäten durch langfristige Vereinbarungen von den Kommunen genutzt. Für die politischenAkteure in den Kommunen steht dabei die Begrenzung der finanziellen Risiken gegenüberanderen Faktoren zur Zeit im Vordergrund.

Kooperationen zwischen Entsorgungsträgern

Als die zu beseitigenden Abfallmengen am Ende der achtziger Jahre und zu Beginn derneunziger Jahre ihre höchsten Werte erreichten, begannen in zahlreichen Städten undLandkreisen Diskussionen über eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen einzelnen Ge-bietskörperschaften, um die sich abzeichnenden Probleme zu lösen. Im Rahmen der disku-tierten Kooperationen sollten beispielsweise Städte gemeinsam mit benachbarten Landkrei-sen neue Müllverbrennungsanlagen errichten oder sich über Standorte für Großdeponieneinigen. Ziel der Kooperationen sollte es also zum einen sein, die hohen Kosten für neueGroßanlagen auf mehrere Entsorgungsträger zu verteilen. Zum anderen sollten die Konflikteum die Standorte dieser Anlagen dadurch entschärft werden, daß die Städte nicht mehr dar-auf angewiesen waren, Standorte auf ihrem eigenen Gebiet durchzusetzen. Die Abfallwirt-schaft galt vor allem in der raumplanerischen Literatur daher als ein typisches Feld, auf demsich im Stadt-Umland-Verhältnis durch regionale Lösungen Vorteile für alle Beteiligten erge-ben würden53.

Als Handlungsfeld bezog sich die Kooperation zwischen Kommunen damit im wesentlichenauf Entsorgungsanlagen und die mit ihnen verbundenen Akzeptanz- und Finanzierungspro-bleme. Dabei haben die Kommunen meist auch das Ziel verfolgt, die Abfallströme durchkommunale Politik zu steuern und Transporte in andere Gebietskörperschaften weitgehendzu vermeiden.

Zwischen mehreren der untersuchten Städte und anderen Kommunen haben sich tragfähigeKooperationen in öffentlich-rechtlichen Formen entwickelt:

So betreibt Stuttgart zusammen mit benachbarten Landkreisen die MVA Böblingen54 in derRechtsform eines Zweckverbandes. Die Stadt hat zu Beginn der neunziger Jahre mit derEntscheidung für die Beteiligung an dieser MVA auf einen Mangel an Entsorgungskapazitä-ten reagiert. Da die anfallenden Abfallmengen die Kapazitäten in der bestehenden AVAStuttgart-Münster nicht ausreichten, nutzte die Stadt damals sogar Deponien in Frankreichund in der DDR. Diese in der Öffentlichkeit als „Mülltourismus“ kritisierte Form der Beseiti-gung sollte durch die Schaffung neuer Entsorgungskapazitäten soll schnell wie möglich be-

53 Siehe beispielsweise mit Bezug auf Nürnberg Adam, Metzmacher 199854 Der offizielle Namen dieser Verbrennungsanlage lautet Restmüllheizkraftwerk (RMHKW) Böblingen

Page 128: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

128

endet werden. Inzwischen bemüht sich die Stadt wie beschrieben (siehe oben), die Verbren-nungsanlage Münster durch eine Kooperation mit einem privaten Partner auszulasten.

In Nürnberg ist die von der Stadt inzwischen neu errichtete Verbrennungsanlage durch öf-fentlich-rechtliche Zweckvereinbarungen mittelfristig fast vollständig ausgelastet. Damit istdie Stadt zum regionalen Entsorgungszentrum geworden, was sich zu Beginn der Planungenkeinesfalls abzeichnete. Anfang der neunziger Jahre scheiterten Verhandlungen zwischenmehreren Städten und Landkreisen der Region über eine gemeinsame Beseitigungsanlagean der Frage nach den Standorten. Als Reaktion auf diese gescheiterte Kooperation began-nen vier Städte und Landkreise mit Planungen für eigene Verbrennungsanlagen, deren Bauinfolge des Rückganges der Müllmengen zu erheblichen regionalen Überkapazitäten undeiner scharfen Konkurrenz zwischen den Anlagen geführt hätte. Zwei dieser Vorhaben wur-den allerdings bereits in der Planungsphase aufgegeben, die fertiggestellte Anlage im be-nachbarten Fürth konnte ihren Betrieb nach einem schweren Störfall nicht aufnehmen undmuß abgerissen werden. Inzwischen hat sich die Mehrzahl der Landkreise und Städte derRegion zu einer Kooperation mit der Stadt Nürnberg entschlossen. Bis kurz vor Baubeginnhat es allerdings auch in Nürnberg Überlegungen gegeben, statt einer eigenen Anlage Ka-pazitäten in einer fremden Anlage zu nutzen.

Hannover dagegen hat bei der Weiterentwicklung ihrer Großdeponie ausdrücklich das Zielverfolgt, von fremden Entsorgungsanlagen unabhängig zu bleiben und Handlungsspielräumefür kommunale Politik zu bewahren. Mit der Bildung der „Region Hannover“ wird die Zustän-digkeit für die Abfallwirtschaft zukünftig auf die Region übergehen, die in dieser Hinsicht wie-derum auf Kooperationen mit anderen Kommunen verzichten kann. Allerdings plant dieStadt, für die durch Auflagen der Landesbehörden notwendig gewordene Verbrennung derheizwertreichen Abfallfraktion Kapazitäten auf dem Entsorgungsmarkt nachzufragen.

Die Stadt Dresden ist wie die meisten sächsischen Entsorgungsträger Mitglied eines Zweck-verbandes, deren Bildung zu Beginn der neunziger Jahre von der sächsischen Landesregie-rung angeregt wurde. Diese Verbände sollten in der Lage sein, neue Abfallbeseitigungsanla-gen auf westlichem Standard auszulasten und zu finanzieren. Im Konflikt mit dem Zweckver-band und der Landesregierung hat die Stadt Dresden jedoch eine unabhängige Entsor-gungsstrategie durchgesetzt, bei der sie für den Großteil ihrer Abfälle Kapazitäten auf demEntsorgungsmarkt nachgefragt hat.

Duisburg kooperiert mit der Nachbarstadt Oberhausen beim Betrieb einer MVA in Form einerGmbH, für die aufgrund von Überkapazitäten ein privater Partner gesucht wird.

Bremen und Frankfurt haben im Zuge der Privatisierung ihrer Abfallwirtschaft wie dargestelltauch ihre MVAs an private Entsorgungsunternehmen verkauft bzw. bereiten einen Verkaufvor. Damit ist auch die Auslastung der Anlagen Teil unternehmerischer Entscheidungen ge-worden und unterliegt nicht mehr einer kommunalpolitischen Kontrolle. Noch zu Beginn derneunziger Jahre hatte Bremen das Ziel verfolgt, Transporte von Abfällen über die Grenzender Stadt zu verhindern. Ab 1996 wurden mit umliegenden Landkreisen einzelne Vereinba-rungen über die Lieferung von Abfällen in die Bremer MVA abgeschlossen. Im Falle Frank-furts hatte der als Gebietskörperschaft verfaßte Umlandverband die Zuständigkeit für dieBeseitigung der Frankfurter Abfälle übernommen und diese auf Anlage in der Region verteilt.Diese echte regionale Lösung ist jedoch an Interessengegensätzen zwischen den beteiligten

Page 129: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

129

Kommunen und dem Umlandverband gescheitert. Inzwischen kooperieren die Kommunen inder Rechtsform einer GmbH miteinander, wobei die GmbH für die Verteilung der Abfälle ausder Region auf die einzelnen kommunalen und privaten Entsorgungsanlagen zuständig ist.Diese Kooperation in privater Rechtsform hat nach Ansicht der Beteiligten für die Kommunenden Vorteil, daß sich die Zusammenarbeit flexibler gestalten läßt als etwa in öffentlich-rechtlicher Form oder gar in Form einer Gebietskörperschaft.

Insgesamt hat sich in den neunziger Jahren die Situation auf dem Handlungsfeld der Koope-ration zwischen Kommunen grundlegend gewandelt. Zu Beginn des untersuchten Zeitraumsbestand in allen Kommunen der Anspruch, die Beseitigung aller auf dem eigenen Gebietentstandenen Abfälle in eigener Zuständigkeit oder in einer politisch gestalteten Kooperationmit weiteren Kommunen zu organisieren. Durch die Schaffung rechtlich eigenständiger Be-treibergesellschaften für die Entsorgungsanlagen in einigen Städten sind zunehmend selb-ständige Akteure entstanden, die gegenüber den Städten in erster Linie für ein zufrieden-stellendes betriebswirtschaftliches Ergebnis der Entsorgungsanlagen verantwortlich sind.Der Verkauf von Entsorgungsanlagen und die Auslastung von Anlagen durch Verträge mitprivaten Entsorgungskonzernen haben diese Verselbständigung weiter vorangetrieben. Die-se ursprünglich von den Städten errichteten Anlagen agieren inzwischen mit einem erhebli-chen Teil ihrer Kapazitäten als unabhängige Akteure auf einem Entsorgungsmarkt, auf demMengen und Preise die zentralen Größen von Lieferbeziehungen sind (siehe auch die Zu-sammenstellung in der Abbildung 6).

Auch bei Kooperationsbeziehungen zwischen Kommunen hat der Entsorgungspreis einegroße Bedeutung erlangt. So waren wiederholt in einzelnen Landkreisen öffentliche Diskus-sionen zu beobachten, bestehende Kooperationen zu kündigen, wenn sich aufgrund vonMarktentwicklungen bei anderen Entsorgungsanlagen niedrigere Entsorgungspreise ab-zeichneten.

Die Kommunen haben mit diesen formellen und materiellen Privatisierungen darauf reagiert,daß ihnen schrittweise die Zuständigkeit für die auf ihrem Gebiet anfallenden Abfälle entzo-gen wurden. Mit der Verpackungsverordnung wurde ab 1992/93 der Großteil der im Haus-müll enthaltenen Wertstoffe aus den kommunalen Entsorgungsanlagen in die vom DSD fi-nanzierten privaten Sortier- und Verwertungsbetriebe verlagert. Seit dem Inkrafttreten desKrWG am 7.10.1996 haben die Kommunen auch zunehmend ihre Ansprüche auf die Zu-ständigkeit für die gewerblichen Abfälle aufgeben müssen (s.o.).

Mit dem Wegfall dieser Abfallmengen hat sich gleichzeitig auch die Substanz für eine ge-meinsame Abfallbeseitigungspolitik von Kommunen stark verringert.

Die Kooperationen zwischen Kommunen wird damit immer weniger politisch ausgehandeltund gestaltet sondern immer stärker vom im Entstehen begriffenen Entsorgungsmarkt koor-diniert. Diese Entwicklung läßt sich auch für die in diese Untersuchung einbezogenen Städteund ihre Kooperationspartner belegen.

Page 130: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

130

Ausgangssituation (1994) Situation 1998/1999

Bremen Keine Kooperation 1 MVA MVA verkauft

Dresden Zweckverband Alle Anlagen Eigene Anlagen & Kauf vonVerbrennungskapazitätenauf dem Markt

Duisburg GmbH mit Nachbarstadt 1 MVA Beteiligung eines privatenEntsorgers und einerweiteren Stadt beabsichtigt

Frankfurt Region zuständig Alle Anlagen Regionale GmbH

MVA-Verkauf beabsichtigt

Hannover Keine Kooperation Deponie „Region Hannover“ zukünf-tig ÖRE

Stuttgart 1 x Zweckverband

1 x Energieversorger alsBetreiber

1 MVA

1 MVA

Zweckverband

Beteiligung eines privatenPartners ab 2005beschlossen

Nürnberg Keine Kooperation -gemeinsame MVA-Planung mitanderen ÖRE gescheitert 1 MVA

Kooperation mit anderenÖRE - Anlage ausgelastet

Abbildung 6: Regionale Kooperationen der untersuchten Städte im Bereich Entsorgungsanlagen

Ein wichtiges Merkmal dieses Entsorgungsmarktes ist, daß die Abfallströme von den Kom-munen immer weniger politisch kontrolliert oder gesteuert werden. Für die gewerblichen Ab-fälle wird die Aufsicht über diese Mengenströme aufgrund der Rechtsprechung zum KrWGimmer stärker aufgegeben. Auch die aussortierten Wertstoffe und der Großteil der Baurest-massen nehmen als Wirtschaftsgut wieder am überregionalen Warenverkehr teil.

In einigen der in diese Untersuchung einbezogenen Städten und der zu ihnen gehörendenUmlandregionen hatten sich in den vergangenen Jahren Formen der regionalen Zusammen-arbeit entwickelt, bei denen kommunale Aufgaben auf die unterschiedlichste Weise gemein-sam wahrgenommen oder auf regionale Gebietskörperschaften übertragen wurden. Einrich-tungen wie der Umlandverband Frankfurt (UVF), der Verband Region Stuttgart (VRS) unddie im Entstehen begriffene Region Hannover haben sowohl die wissenschaftlichen als auchdie kommunalpolitischen Diskussionen der vergangenen fünfzehn Jahre mitgeprägt und ha-ben mit ihrer positiven oder negativen Entwicklung einen erheblichen Einfluß auf die Bereit-schaft kommunaler Akteure, sich auf ähnliche Prozesse einzulassen. Dabei galt die Abfall-wirtschaft stets als einer der Aufgabenbereiche, der am effektivsten von einer regionalenGebietskörperschaft – als weitreichendster Form einer kommunalen Kooperation – wahrge-nommen werden könnte.

Page 131: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

131

Die zunehmende Bedeutung eines privatwirtschaftlich organisierten Marktes für Entsor-gungskapazitäten und von marktförmigen Kooperationsbeziehungen zwischen kommunalenEntsorgungsträgern könnte die Diskussion um die Regionalisierung der Abfallwirtschaft be-enden und den Forderungen nach Schaffung regionaler Strukturen die Grundlage entziehen.So war die Auflösung des UVF daher nach der Rückübertragung der abfallwirtschaftlichenAufgaben auf die Kommunen nach Ansicht vieler Beobachter nur folgerichtig, denn „manwird sehr schnell merken, daß man keine 105 Abgeordneten braucht, um Gutachten zu dis-kutieren“ (UVF-Umweltdezernent Rautenberg (SPD), zitiert nach Frankfurter Rundschau vom8.10.1997).

Losere Formen der Kooperation haben sich zwischen den Entsorgungsträgern bei der Lob-byarbeit herausgebildet. Diese Interessenvertretung wurde dabei sowohl über regionaleGremien der kommunalen Spitzenverbände als auch über spezialisierte Interessenverbän-de55 betrieben. Beispielsweise haben einige Städte mit Verbrennungsanlagen zusammenmit anderen Anlagenbetreibern während des Untersuchungszeitraumes Versuche unter-nommen, ihre jeweilige Landesregierung zu Maßnahmen zu bewegen, die die Auslastungder Müllverbrennungsanlagen sicherstellen sollen. Insbesondere wurde gefordert, mecha-nisch-biologische Behandlungsverfahren nicht zuzulassen oder die Betriebsgenehmigungenfür Deponien nicht bis zum endgültigen Inkrafttreten der TASi zu verlängern.

Gebühren

Die von den Städten für die Abfallbeseitigung erhobenen Gebühren bilden ein Handlungs-feld, auf dem die Verwaltungen und die Kommunalpolitiker mit einem hohen Maß an öffentli-cher Aufmerksamkeit rechnen können. Bei den Abfallgebühren waren in vielen Städten undLandkreisen in den neunziger Jahren Steigerungen zu beobachten, die von vielen Bürgerimmer stärker als finanzielle Belastungen wahrgenommen wurden und zu kritischen Reak-tionen geführt haben.

Die als Preis für eine öffentliche Leistung empfundenen Gebühren wurden in der öffentlichenDebatte oft als Indikator für die Effektivität öffentlicher Verwaltungen und die Qualität staatli-cher Leistungserbringung behandelt. Veränderungen des Gebührensystems sind damit fürdie kommunale Politik und die Stadtverwaltungen zu sensiblen Themen geworden.

Dabei sollen die Gebühren gleichzeitig die Kosten abdeckende Einnahmen sicherstellen, füreine allseitig akzeptierte, „gerechte“ Verteilung dieser Kosten auf verschiedene Nutzergrup-pen sorgen und zunehmend weitere Funktionen wie eine Steuerung des Nutzerverhaltenserfüllen. In diesem Abschnitt wird deshalb zuerst auf wichtige Kostenfaktoren eingegangen,dann die aus Sicht der Kommunen für die Gebühreneinnahmen zunehmend problematischeSituation bei den gewerblichen Abfällen dargestellt, bevor anschließend die Entwicklung Ge-bührensysteme für die privaten Haushalte thematisiert wird.

Auf der Seite der Entsorgungskosten stellen die Ausgaben für Entsorgungsanlagen denwichtigsten Grund für steigende Gebühren dar: In allen Städten sind in den vergangenen

55 Als Beispiel kann die Interessengemeinschaft thermischer Behandlungsanlagen in Deutschland (ITAD) gelten,an sich u.a. die Betreibergesellschaft der AVA Stuttgart-Münster beteiligt.

Page 132: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

132

zehn Jahren erhebliche Investitionen in die Entsorgungsanlagen notwendig geworden, diesich auf die Gebühren ausgewirkt haben. Eine wichtige Ursache hierfür waren bundesrechtli-che Regelungen wie die 17. Bundesimmisionsschutzverordnung (17. BImSchV), die von denBetreibern der Verbrennungsanlagen spätestens ab 1996 verbesserte Abgaswerte verlangte.Diese Vorschriften machten bei vielen Anlagen eine teure Nachrüstung erforderlich. Im FalleNürnbergs konnten die Auflagen sogar nur durch den Bau einer neuen MVA erfüllt werden.Gleichzeitig hatten einige der in der Mitte der sechziger Jahre errichteten ersten Generationvon Verbrennungsanlagen ab Anfang der neunziger Jahre auch das Ende ihrer Nutzungs-dauer erreicht und mußten aufwendig modernisiert werden. Sowohl für die Anlage Stuttgart-Münster als auch für die von der Stadt Duisburg mit genutzte GMVA Oberhausen warendeshalb innerhalb weniger Jahre Ausgaben von über 500 Millionen DM notwendig geworden.Im Falle Stuttgarts machen die Kapitalkosten für diese Investitionen mehr als die Hälfte dergesamten Entsorgungskosten aus.

Hannover und Dresden, die sich für eine Entsorgungsstrategie ohne eine eigene MVA ent-schieden haben, wurden durch die TASi gezwungen, ebenfalls in neue Entsorgungsanlagewie Kompostanlagen und MBAs zu investieren und Vertragspartner für die thermische Be-handlung der heizwertreichen Abfallfraktion zu suchen. Da die Planungen für die neuen An-lagen jedoch an die zurückgehenden Abfallmengen angepaßt werden konnten, haben dieseStädte keine Überkapazitäten zu finanzieren. Die Belastungen sind in diesen Fällen wesent-lich geringer als die der meisten Städte mit Verbrennungsanlagen.

Ein weitere Faktor, der zusätzliche Kosten im Entsorgungsbereich verursacht hat, war dieEinführung neuer Sammelsysteme und differenzierter Entsorgungsleistungen, denen dieStädte durch die Reorganisation ihrer Abfallwirtschaftsbetriebe zu begegnen suchen (sieheoben).

In allen Städten wirken sich diese Ausgaben auf die Abfallgebühren aus. Ein direkter Ver-gleich der Gebühren zwischen den einzelnen Städten verbietet sich dabei allerdings, da sichdiese Modernisierungsphase über einen Zeitraum von sieben bis acht Jahren erstreckt hat:Während beispielsweise Stuttgart und Duisburg bereits Mitte der neunziger Jahre in ihreVerbrennungsanlagen investiert und die Belastungen an die Gebührenzahler weitergegebenhaben, ist in Nürnberg und Dresden erst in den kommenden Jahren mit Gebührensteigerun-gen zu rechnen, weil die verschiedenen Anlagen 1998/99 begonnen wurden.

Ein anderer Aspekt, der die finanziellen Rahmenbedingungen der Abfallwirtschaft in denKommunen entscheidend prägt, ist der Rückgang der Einnahmen aus gewerblichen Abfal-lanlieferungen an die städtischen Entsorgungsanlagen. Allen Städten ist hierdurch ein erheb-liches Einnahmeproblem entstanden. Wurde der Rückgang der gewerblichen Abfälle zwi-schen 1990 und 1995 von den Städten noch als abfallpolitischer Erfolg begrüßt, änderte sichdie Bewertung durch die Verwaltungen und Abfallwirtschaftsbetriebe nach dem Inkrafttretendes Kreislaufwirtschaftsgesetzes ab dem 7.10.1996 sehr schnell.

In Memoranden, Stellungnahmen für Landesregierungen und Ratsvorlagen wiesen die Ver-waltungen fast aller Städte darauf hin, daß die Einnahmen aus den gewerblichen Abfälleninnerhalb weniger Jahre auf eine Restgröße zusammengeschrumpft seien und nur noch ingeringen Umfang zur Finanzierung der städtischen Abfallentsorgung beitragen würden. ImFalle Stuttgarts sanken die Einnahmen aus der Entsorgung der gewerblichen Abfälle bei-spielsweise von 23% (1992) auf unter 10% in 1998. Aufgrund dieser Entwicklung würden die

Page 133: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

133

privaten Haushalte die Entsorgungskosten zunehmend alleine tragen, obwohl die städtischeInfrastrukturen auch für die gewerblichen Abfallmengen geplant und errichtet worden seien.Außerdem wiesen die Städte darauf hin, daß die Betriebe nach wie vor von Leistungen profi-tieren würden, die aus Gebühren finanziert würden.

Bis 1996 hatten die Städte die Gebühren für selbstanliefernde Gewerbebetriebe entspre-chend der Entwicklung der Hausmüllgebühren erhöht und in einigen Fälle sogar ausdrücklichdas Ziel formuliert, über höhere Gebühren den Betrieben einen Anreiz zur Abfallvermeidungund zum Recycling zu geben. In den Jahren ab 1996 haben die Städte die Gebühren fürdiese Abfallarten allerdings nicht weiter erhöht, um den Anreiz für die Betriebe zur Nutzungprivater Entsorgungsunternehmen nicht zusätzlich zu verstärken. In Nürnberg wurden dieGebühren für die gewerblichen Abfallanlieferer ausdrücklich gesenkt, um die verbliebenenMengen Gewerbemüll zu halten. Inzwischen ist das Ziel der Abfallwirtschaftsbetriebe „mög-lichst alle Abfälle zu bekommen, die der Auslastung der ausgebauten oder geplanten Ent-sorgungsanlagen dienen" (Hannover 1996b:8).

Die Betreiber von Verbrennungsanlagen haben außerdem begonnen, vorsortierte gewerbli-che Abfälle zur Verwertung im Sinne des KrWG „energetisch zu verwerten“. Die Preise hier-für orientieren sich zunehmend an den auf niedrigem Niveau schwankenden Marktpreisen.

Insgesamt läßt sich nach dem Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsgesetzes damit ein Rück-gang der Entsorgungskosten für Großanlieferer von Abfällen beobachten.

Nur eine der untersuchten Städte – Nürnberg – hat den Versuch unternommen, gegenübergewerblichen Betrieben eine Einstufung von Abfällen als andienungspflichtige Abfälle zurBeseitigung mit Rechtsmitteln durchzusetzen. In den anderen Städten wurde ein derartigesVorgehen von vornherein als aussichtslos bewertet und auch die Nürnberger Verwaltungsieht trotz eines gerichtlichen Erfolges in 1998 aufgrund der aktuellen Rechtsprechung inzwi-schen keine Möglichkeit mehr, Abfälle mit hoheitlichen Mitteln in öffentliche Entsorgungsan-lagen zu lenken.

Die Verwaltung der Stadt Stuttgart hatte Ende 1999 einen Vorschlag erarbeitet, für gewerbli-che Betriebe eine Grundgebühr zu erlassen, um die Finanzierung der Abfallbeseitigung si-cherzustellen und der alleinigen Belastung der privaten Haushalte entgegenzuwirken. DieseVorstellungen wurden allerdings von den regionalen Wirtschaftsverbänden entschieden zu-rückgewiesen und von der Ratsmehrheit aus CDU und FDP abgelehnt. Andere Städte hattenBedenken, ob eine Einbeziehung der Wirtschaft in die Finanzierung der öffentlichen Abfall-entsorgung über eine Grundgebühr rechtlich möglich sei und beobachten die Entwicklung beiverschiedenen baden-württembergischen Entsorgungsträgern deshalb mit Interesse.

Insgesamt hat sich damit das „Preisgefüge“ für die Gebührenzahler deutlich verändert, wieam Beispiel Stuttgarts illustriert werden soll: Für Haushalte hat sich wöchentliche Leerungeines Standard-Behälters von 120l zwischen 1991 und 1999 um 170% verteuert. Berück-sichtigt man allerdings, daß infolge des Leistungsumbaus inzwischen die vierzehntägigeLeerung des 120l-Behälters sowie die wöchentliche Leerung der Biotonne als Standardlei-stung anzusehen ist, beträgt die Gebührensteigerung in diesem Zeitraum 41%. Bis 1996 sindauch die Gebühren für selbstanliefernde Gewerbebetriebe von 260,50 DM/t auf 687.- DM/tgestiegen, was einer Steigerung von 164% entspricht. Auf diesem Niveau sind die Gebührenfür die gewerblichen Abfälle seitdem stabil.

Page 134: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

134

Sowohl die gestiegenen Entsorgungskosten als auch die Einnahmerückgänge bei den ge-werblichen Abfallanlieferungen wirken sich auf die Gebührenpolitik der Städte gegenüberden privaten Haushalten beziehungsweise den Bürgern aus. Bei einem Vergleich der Ge-bührenpolitik der hier untersuchten Städte zeigt sich, daß es trotz aller Unterschiede der Ge-bührensysteme wichtige Gemeinsamkeiten gibt:

In allen Fällen haben die Städte auf die steigenden Abfallmengen mit einer Veränderung derGebührenstruktur reagiert, bei der die Bürger über den Preis zur Sortierung von Müll undWertstoffen angehalten werden sollten. Dabei wurden die Gebühren für die Restmülltonne soverändert, daß die Haushalte bei einer geringeren Nutzung der Restmüllbehälter niedrigereGebühren zahlen, während vor der Veränderung des Systems in den meisten Städten dieMüllbehälter nach Haushaltsgröße zugeteilt und berechnet wurden. Mit der alten Gebühren-struktur sollte vor allem sichergestellt werden, daß allen Haushalten ausreichend Behälter-volumen zur Verfügung stand und damit alle Abfälle auch tatsächlich über die öffentlicheMüllabfuhr erfaßt wurden.

Diese einheitliche Gebührenstruktur wurde in den untersuchten Städten seit dem Beginn derneunziger Jahre durch sehr verschiedene Maßnahmen ergänzt oder verändert. In einigenStädten wie Nürnberg, Dresden oder Hannover können die Haushalte zwischen verschiede-nen Größen der in den vergangenen Jahren eingeführten modernen Rollbehälter frei wählenund so ihre Müllgebühren beeinflussen. In Hannover, Duisburg und Stuttgart können dieHaushalte zudem zwischen einem wöchentlichen und einem zweiwöchentlichen Leerungs-rythmus wählen. Für die Haushalte bedeutete die Abschaffung der handlichen kleineren Ab-fallgefäße von 35l (im Falle Bremens) und die Verringerung der Leerungsrythmen einenVerlust an Komfort. Bremen und Dresden haben sich für die Einführung eines computerge-stützten Systems entschieden, das für jeden Haushalt die Zahl der Leerungen ermittelt.Während in Dresden die Haushalte jedoch neben einer niedrigen Mindestgebühr nur die tat-sächlichen Leerungen bezahlen, sieht das Bremer Gebührensystem mehr Leerungen vor,als die Haushalte durchschnittlich nutzten und berechnet für die darüber hinausgehendenLeerungen eine Nachgebühr.

Diese erhebliche Vielfalt unter den Gebührensystemen wird noch dadurch vergrößert, daßeinige Städte weitere Entsorgungsleistungen vollständig über die Restmüllgebühren finanzie-ren, während andere zusätzliche Gebühren erheben. Dies gilt insbesondere für die Biotonne,die in den meisten Städten inzwischen zu einem flächendeckenden Sammelsystem ausge-baut worden ist. So ist in Bremen die Nutzung der Biotonne freiwillig und gebührenfrei. Stutt-gart, Dresden und Hannover dagegen erheben für die Biotonne eine eigene Gebühr, die je-doch nicht kostendeckend ist, während Nürnberg und Frankfurt die Erfassung und Verarbei-tung der Bioabfälle ebenfalls über die Restmüllgebühren finanzieren. In Dresden, Nürnbergund Hannover können sich Haushalte nur ausnahmsweise von der Nutzung der Biotonnebefreien lassen. In diesen Städten ist die getrennte Behandlung der biologischen Haushalts-abfälle inzwischen ein integraler Bestandteil des kommunalen Entsorgungskonzeptes ge-worden.

Bei aller Unterschiedlichkeit im Detail ist diesen Gebührenstrukturen gemeinsam, daß sieden Versuch unternehmen, über die Staffelung der Gebühren den Umgang der Haushaltemit Abfällen zu verändern. Dabei läßt sich in allen Städten beobachten, daß die Haushalteauf die Anreize der Gebührenstruktur reagieren und zunehmend zu kleineren Müllbehältern

Page 135: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

135

wechseln oder die Behälter seltener zur Leerung bereitstellen. Ein immer größerer Anteil desHausmülls wird sortiert und den verschiedenen getrennten Sammelsystemen zugeführt.

Insgesamt verringert sich daher in allen Städten das von den Abfallwirtschaftsbetrieben be-reitgestellte Gefäßvolumen. Diese Entwicklung verläuft in Städten mit einer gemäßigt nut-zungsabhängigen Gebührenstruktur langsamer als in Städten, deren Gebührensystem starkauf die Nutzung der Behälter abstellt und die beispielsweise wie Bremen und Dresden „co-dierte Tonnen“ verwenden.

Mit dem Rückgang des aufgestellten Volumens an Restmüllgefäßen gehen allerdings auchdie von den Haushalten gezahlten Gebühren zurück, während die Kosten für die Müllsamm-lung sich nicht verringern und aufgrund der vielfältigen Sammelsysteme sogar eher steigen.Unter anderem um diese Einnahmeverluste auszugleichen, haben die Städte mit einer ge-wissen zeitlichen Verzögerung wiederholt die Abfallgebühren angehoben, was viele Bürgerals Bestrafung für ihre Bemühungen um Abfallvermeidung wahrnehmen. Besonders deutlichwar diese Reaktion, als noch während der Einführung der „codierten Tonne“ in Bremen 1994die Gebühreneinnahmen zurückzugehen drohten und das Gebührensystem nochmals ver-ändert wurde.

Um die Kosten für die Müllabfuhr zu begrenzen, schränken die Abfallwirtschaftsbetriebegleichzeitig die kostenlosen zusätzlichen Leistungen für die Haushalte ein. So wurde in eini-gen Städten das bislang übliche Raustragen der Tonnen auf die Straße aufgegeben bezie-hungsweise den Haushalten in Rechnung gestellt. Auch die Zahl der möglichen Leerungender Müllgefäße wurde in den meisten Städten erheblich verringert. Gleichzeitig setzt die Sor-tierung der einzelnen Abfallfraktionen Vorleistungen der Haushalte voraus. Damit zeichnetsich in vielen Städten eine Entwicklung zu Minimalleistungen ab, die durch die Gebührennoch abgedeckt sind.

Auch die Finanzierung aller abfallwirtschaftlichen Leistungen über die Restmüllgebühren wirdvon einigen Stadtverwaltungen zunehmend als Problem angesehen. So hat die Stadt Stutt-gart Ende 1999 den Ratsparteien den Vorschlag gemacht, auch für die Altpapiersammlungeine eigene Gebühr einzuführen, um den Kreislauf immer neuer Sparanreize und folgenderGebührenerhöhungen zu unterbrechen. In einigen Bundesländern leitet die Rechtsprechungaus den Landesabfallgesetzen immer stärker eine Pflicht zu „verursachergerechten“ Gebüh-renstrukturen ab, bei denen die wichtigsten Einzelleistungen durch entsprechende Einnah-men finanziert werden müssen. Die Möglichkeiten für sogenannte Quersubventionierungenwerden dadurch eingeschränkt. In anderen Landesabfallgesetzen ist wie im Falle Nordrhein-Westfalens dagegen diese Möglichkeit ausdrücklich vorgesehen, um den Kommunen ausökologischen Gründen Spielräume für die Förderung der getrennten Müllerfassung zu ver-schaffen56.

Neben den politischen Konflikten um Gebührenerhöhungen und den rechtlichen Problemenenthält die Gestaltung der Gebührensysteme auch eine soziale Dimension: die finanziellenAnreize zur Trennung der einzelnen Abfallfraktionen wirken vor allem auf Haushalte, die inEin- und Zweifamilienhäusern wohnen. In diesen Wohnhäusern können die Abfallgebührentatsächlich den einzelnen Haushalten zugerechnet werden. In größeren Mietshäusern und in

56 Zur Diskussion über die Entwicklung des Gebührenrechts vgl. ausführlich SRU 1998: 189ff.

Page 136: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

136

den sogenannten Großwohnanlagen benutzt eine große Zahl von Haushalten jedoch teilwei-se gemeinsam größere Müllbehälter oder sogenannte Großbehälter mit einem Volumen von660l bis 1100l. Die Kosten für die Nutzung dieser Behälter werden von den Wohnungsver-waltungen über rechtlich zulässige Verteilungsschlüssel wie die Wohnfläche oder die Zahlder Haushaltsmitglieder auf die einzelnen Haushalte umgelegt. Ein einzelner Haushalt kannunter diesen Bedingungen seine Gebührenbelastungen durch sein Abfallverhalten kaumbeeinflussen.

Da zudem die räumlichen Voraussetzungen für die Trennung einzelner Abfallfraktionen inden in größeren Mietshäusern gelegenen Wohnungen oft sehr eingeschränkt sind, bleibendie Sammelergebnisse der einzelnen Wertstofffraktionen in diesen Wohngebieten dahermeist unter dem Durchschnitt der jeweiligen Städte (vgl. etwa MURL 1999: 17). Das Platz-angebot in der Wohnung und die Stellmöglichkeiten auf dem Grundstück sind für das Abfall-verhalten wichtige Rahmenbedingungen (MURL 1999). Beide Faktoren hängen nachweislichwiederum eng mit der sozialen Situation der Haushalte zusammen (Kirk/Petrowsky 2000).Wie groß der Anteil der Haushalte ist, die bei der Abfallentsorgung auf Gemeinschaftstonnenangewiesen sind, läßt sich aus statistischen Daten nicht eindeutig erschließen – als Anhalts-punkt57 können die aus diesen Großbehältern erzielten Gebühreneinnahmen dienen. In eini-gen Städten mit stark verdichteter Bebauung liegt ihr Anteil am gesamten Gebührenauf-kommen bei etwa 50%.

Städte Haushalte(1998)

Anteil der Wohnungenin EFH / ZFH

Anteil der Woh-nungen in MFH

Gebührenauf-kommen aus

Großbehältern

Bremen 281.000 36% 64% 21%

Dresden 227.244 9% 91% nicht bekannt

Duisburg 256.000 21% 79% 55%

Frankfurt 359.200 13% 87% nicht bekannt

Hannover 282.000 15% 85% nicht bekannt

Nürnberg 253.871 19% 78% 53%

Stuttgart 288.369 16% 84% 47%

Abbildung 7: Siedlungsstrukturen in den untersuchten Städten58

Damit existieren insbesondere in den Großstädten faktisch zwei Gebührensysteme neben-einander. Oft kann nur eine Minderheit von Haushalten über das Abfallverhalten ihre Gebüh-ren verringern. Die übrigen Haushalte bezahlen nicht nur im Einzelfall ein zu großes Behäl-tervolumen - da ihr Anteil am gesamten Gebührenaufkommen steigt, findet auch eine Um-

57 Da auch kleinere Betriebe und Geschäfte diese Behälter nutzen, können diese Daten lediglich als Hinweis aufdie Größenordnung des beschriebenen Effektes für Privathaushalte verstanden werden.58 Quellen: Haushalte und Wohnungen nach Angaben der Städte; Gebührenaufkommen aus Großbehältern:eigene Berechnungen auf der Basis von Angaben der Städte und Abfallwirtschaftsbetriebe.

Page 137: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

137

verteilung von finanziellen Lasten zugunsten von Ein- und Zweifamilienhaus-Bewohnernstatt. Unabhängig vom tatsächlichen Abfallverhalten geht von den „ökologischen“ Gebühren-systemen also eine erhebliche Verteilungswirkung zugunsten von einkommensstärkerenHaushalten aus.

Dieser Zusammenhang wird von den Akteuren in den meisten der untersuchten Städte nichtthematisiert. Lediglich in den beiden Städten Bremen und Dresden, die nach der Einführungcomputergestützter Abrechnungssysteme über besonders wirksame Mittel für die nutzungs-abhängige Gebührengestaltung verfügen, ist die Ausdehnung dieser Abrechnungsform aufdie Großwohnanlagen wiederholt zum öffentlichen Thema geworden und von Parteien auf-gegriffen worden.

In einzelnen Städten gibt es insbesondere in den zuständigen Verwaltungen Überlegungen,eine Grundgebühr mit Gebühren für einzelne Leistungen miteinander zu kombinieren. Voreiner grundlegenden Umgestaltung des Gebührensystems schrecken jedoch vor allem diepolitischen Akteure zurück.

Kommunale Handlungsspielräume in einem liberalisierten Umfeld?

Für sieben deutsche Großstädten wurde untersucht, wie in den 90er Jahren auf vier zentra-len Handlungsfeldern die Abfallpolitik gestaltet wurde. Auf der Basis der in diesem Zusam-menhang entstandenen Fallstudien, die als erstes Ergebnis des Forschungsprojektes in die-sem Zwischenbericht vorgestellt wurden, wird in der kommenden Forschungsphase die Fra-ge beantwortet, ob die durch rechtliche Vorgaben der EU, des Bundes und der Länder ver-änderten Rahmenbedingungen zu einer Vermarktlichung in der Abfallwirtschaft geführt ha-ben und ob sich für diesen kommunalen Aufgabenbereich eine De-Kommunalisierung städti-scher Infrastrukturen erkennen läßt. Bei dieser Auswertung wird auch der Frage nachgegan-gen, wie sich die Handlungsspielräume der Kommunen verändern.

Die zusammenfassende Darstellung der in den einzelnen Städten untersuchten Handlungs-felder in den vorhergehenden Abschnitten läßt bereits deutlich erkennen, daß die Beziehun-gen in der Abfallwirtschaft in immer stärkerem Umfang zu Marktbeziehungen werden, wäh-rend die politische Aushandlung und Gestaltung dieser Beziehungen an Bedeutung verliert.Dies gilt besonders für den Betrieb von Entsorgungsanlagen und die regionale Zusammen-arbeit in der Abfallwirtschaft, die sich bislang im wesentlichen auf diese Anlagen bezog.

Dabei reagieren die Städte und die einzelnen Akteure in diesen Städten sehr unterschiedlichauf diese Entwicklung: In einigen Kommunen wurden (oder werden gegenwärtig) die Ent-sorgungsinfrastrukturen bereitwillig oder aufgrund starker ökonomischer Zwänge an denwachsenden überregionalen und privatwirtschaftlich organisierten Entsorgungsmarkt abge-geben. In anderen Kommunen haben die Akteure den Ausbau neuer Entsorgungsinfrastruk-turen nach politischen Gesichtspunkten gestaltet und hierfür sogar Konflikte mit anderenstaatlichen Ebenen in Kauf genommen.

Auch im Bereich der Entsorgungsleistungen selbst gewinnen private Anbieter zunehmend anBedeutung. Dabei entscheiden sich jedoch die Kommunen in sehr unterschiedlichem Um-fang dafür, keine, einzelne oder alle Abfuhrleistungen durch städtische Einrichtungen wahr-nehmen zu lassen. Trotz der zunehmenden Verrechtlichung dieses Aufgabengebietes gibt

Page 138: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

138

es auch im Umfang der angebotenen Entsorgungsleistungen sowie bei den kommunalenGebührensystemen sehr verschiedenartige Schwerpunktsetzungen.

Die Vielfalt der Strategien auf den untersuchten Handlungsfeldern der kommunalen Abfallpo-litik zeigt, daß die Kommunen auch in einer zunehmend liberalisierten und gleichzeitig durchrechtliche Vorgaben immer stärker bestimmten Abfallwirtschaft Handlungsspielräume besit-zen. Dabei ergeben sich aus den unterschiedlichen finanziellen und politischen Zwänge inden einzelnen Städten für die an diesem Politikbereich beteiligten Akteure jeweils andereMöglichkeiten, ihre Interessen bei der Gestaltung der kommunalen Abfallwirtschaft einzu-bringen.

Die verschiedenen abfallwirtschaftlichen Strategien, die sich in den Fallstudien widerspie-geln, sollen deshalb im weiteren Verlauf der Forschungsarbeit abgrenzbaren Typen zuge-ordnet werden, die sich sowohl durch die finanzielle, politische und abfallwirtschaftliche Aus-gangssituation als auch durch die an der Umgestaltung der Abfallwirtschaftspolitik in den90er Jahren maßgeblich beteiligten Akteurskonstellationen unterscheiden.

Page 139: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

139

Abkürzungen

AbfG Abfallgesetz

ABM Arbeitsbeschaffungsmaßnahme

ABZ Abfallbehandlungszentrum Hannover

AfAS Amt für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung (Bezeichnung in mehrerenStädten)

AFB „Arbeit für Bremen“ (politische Gruppierung)

AG Aktiengesellschaft

A.n.a. Arbeitsgemeinschaft Nürnberger Abfallentsorgung

ANO Abfallbehandlung Nord (Teil der HBE)

ARL Akademie für Raumordnung und Landesplanung, Hannover

ASA Amt für Stadtentwässerung und Abfallwirtschaft (Bremen)

ASN Abfallwirtschafts- und Stadtreinigungsbetrieb Nürnberg

AVA Abfallverbrennungsanlage

AWB Abfallwirtschaftsbetrieb Hannover

AWIKO Abfallwirtschaftskonzept (Sachsen)

BEB Bremer Entsorgungsbetriebe

BImSchV Bundesimmisionsschutzverordnung

BUND Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland

DDR Deutsche demokratische Republik

DSD Duales System Deutschland

EDV Elektronische Datenverarbeitung

EGAB Erstes Gesetz zur Abfallwirtschaft und zum Bodenschutz des Frei-staates Sachsen vom 12. August 1991

ENO Entsorgung Nord (Teil der HBE)

EU Europäische Union

EVO Energieversorgung Offenbach

FES Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH

Page 140: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

140

FR Frankfurter Rundschau

GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GMVA Gemeinschaftsmüllverbrennungsanlage (Oberhausen)

HBE Holding Bremer Entsorgung

IHK Industrie- und Handelskammer

ITAD Interessengemeinschaft thermische Behandlungsanlagen inDeutschland

ITU Ingenieurgemeinschaft technischer Umweltschutz

KG Kommanditgesellschaft

KGH Kommunalverband Großraum Hannover

KNO Kompostierung Nord (Teil der HBE)

KrWG-/AbfG Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz vom 6. Oktober 1994, im Textauch als KrWG abgekürzt.

LAbfG Landesabfallgesetz (Bezeichnung in mehreren Bundesländern)

MABA Mechanisch –biologische Behandlungsablage (Dresden)

MBA Mechanisch-biologische Behandlungsanlage; in Bremerhaven wirddie Abkürzung für die als Müllbehandlungsanlage bezeichnete Ver-brennungsanlage verwendet.

Mio. Millionen

MURL Ministerium für Umwelt und Raumordnung Nordrhein-Westfalen

MVA Müllverbrennungsanlagen

NGV Nürnberger Gewerbemüllverwertung GmbH & Co. KG

NRW Nordrhein-Westfalen

NWS Neckarwerke Stuttgart AG

ÖPNV Öffentlicher Personen Nahverkehr

ÖRE Öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger

ÖTV Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Transport und Verkehr

PBA Projektbegleitende Arbeitsgruppe

RABA Restabfallbehandlungsanlage

RF Amt für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung – Reinigungs- und Fuhr-amt (Nürnberg)

Page 141: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

141

RMA Rhein-Main Abfall GmbH

RMD Rhein-Main Deponie GmbH

RMHKW Restmüllheizkraftwerk (Böblingen)

SBA Schwelbrennanlage (Fürth)

SEN Schadstoffzwischenlager Nord (Bremen)

SERO Sekundärrohstoff-Annahmestellen

sKU Selbständiges Kommunalunternehmen (Bayern)

s.o. Siehe oben

SRD Stadtreinigung Dresden GmbH

SVZ Sekundärrohstoffverwertungszentrum „Schwarze Pumpe“

TA Luft Technische Anleitung Luft

TAN Thermische Abfallbehandlung Nürnberg GmbH

TASi Technische Anleitung Siedlungsabfälle

TAZ Tageszeitung

TWA Technische Werke der Stadt Stuttgart AG

t/a Tonnen pro Jahr / Jahrestonnen

UBA Umweltbundesamt

UVF Umlandverband Frankfurt

VEB Volkseigener Betrieb

VRS Verband Region Stuttgart

ZAOE Zweckverband Abfallwirtschaft Oberes Elbtal

ZAR Zweckverband Abfallentsorgung Rangau

ZDH Zentraldeponie Hannover

Page 142: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

142

Literatur

Abfallwirtschaft Dresden 1992: Städtisches Amt für Abfallwirtschaft und StadtreinigungDresden: Abfallbilanz 1992, Dresden 1992.

Adam, Metzmacher 1998: Adam, B.; Metzmacher, M.: Siedlungsentwicklung und Arbeits-teilung in Agglomerationen, Bonn 1998.

Amt für Abfallwirtschaft Frankfurt 1995: Amt für Abfallwirtschaft und StadtreinigungFrankfurt a.M.: Einführung von Prämiensystemen am Beispiel des Amts für Abfallwirt-schaft und Stadtreinigung Frankfurt am Main Aus: Hauptverwaltung der ÖTV, Fachbe-reich Entsorgung (Hrsg.): Zukunft der Entsorgungswirtschaft Dokumentation der Tagungin Niedersfeld (12.06.95 - 14.06.95), Stuttgart 1995. S. 214-224.

Apitz 1999: Apitz, Bernd: Auswirkungen der verursachergerechten Abrechnung von Abfall-gebühren in Großwohnanlagen am Beispiel der Stadt Dresden Aus: Gallenkemper, B.;Bidlingmaier, W.; Doedens, H.; Stegmann, R. (Hrsg.): 6. Münsteraner Abfallwirtschafts-tage Münster 1999. (=Münsteraner Schriften zur Abfallwirtschaft. 2) S. 449-456.

ARGUS/AWB 1998: Hausmüllanalyse 1995 – 1998, Hannover 1998.

ARL 1998: Benz, Arthur; Schmitz, Gottfried; Scholich, Dietmar; Schramm, Werner: Regio-nale Verwaltungs- und Planungsstrukturen in Großstadtregionen Hannover 1998. (=Forschungs- und Sitzungsberichte der Akademie für Raumordnung und Landesplanung)

Baden-Württemberg 1999: Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg: Ab-fallwirtschaftsplan Baden-Württemberg - Teilplan Siedlungsabfälle, Stuttgart 1999.

Bandemer u.a. 1998: Bandemer, Stefan von; Blanke, Bernhard; Nullmeier, Frank; Wever,Göttrik (Hrsg.): Handbuch zur Verwaltungsreform, Opladen 1998.

Batley, Stoker (Hrsg.) 1991: Batley, Richard; Stoker, Gerry (Hrsg.): Local Government inEurope Trends and Developments London (Macmillan Education) 1991. (= Governmentbeyond the Centre)

Bayern 1998: Bayrisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen: Jah-resbericht der Abfallwirtschaft 1998 - Bayern In: Wasser und Boden, 50. Jg. (1998), H.6, S. 36-40.

BBR 1998: Bausteine einer nachhaltigen Raumentwicklung Bonn 1998. (= Bundesamt fürBauwesen und Raumordnung: Forschungen. 88)

BBR 1999: Spannowsky, Willy: Verwirklichung von Raumordnungsplänen durch vertraglicheVereinbarungen Bonn 1999. (= Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung: For-schungen. 93)

Page 143: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

143

BEB 1995a: Bremer Entsorgungsbetriebe: Geschäftsbericht 1995 Bremen 1995.

BEB 1995b: Bremer Entsorgungsbetrieb: Restabfallbehandlungsanlage (RABA) Methodenund Kriterien der bedarfsorientierten Technikauswahl Bremen 1995.

BEB 1996: Bremer Entsorgungsbetriebe: Geschäftsbericht 1996, Bremen 1996.

BEB 1998a: Bremer Entsorgungsbetriebe: Das Codierte System, Bremen 1998.

BEB 1998b: Bremer Entsorgungsbetriebe: Vom Amt zum Dienstleister, Bremen 1998.

BEB 1998c: Bremer Entsorgungsbetriebe: Abfallwirtschaftskonzept 1998, Bremen 1998.

BEB 1998d: Bremer Entsorgungsbetriebe: Müllverbrennungsanlage der Bremer Entsor-gungsbetriebe. Umwelterklärung auf Grundlage der Umweltdaten des Jahres 1997Bremen 1998.

Benedickt 1968: Benedickt, Walter: Entwicklung der Müllabfuhr im stadtbremischen GebietIn: Der Städtetag, 21. Jg. (1968), H. 4, S. 217-220.

Bezirksregierung Düsseldorf 1998: Köster, Karl-Hermann; Epping, Christoph; Loose, Ul-rich: Abfallwirtschaftsplan. Teilplan Siedlungsabfälle für den Regierungsbezirk Düssel-dorf, Düsseldorf 1998.

Bezirksregierung Hannover 1999: Bezirksregierung Hannover: Abfallwirtschaftsplan fürden Regierungsbezirk Hannover. Teilplan Siedlungsabfall Hannover 1999.

Bilitewski, Aptiz 1997: Bilitewski, Bernd; Apitz, Bernd: Abfallgebühren - ein Schraube ohneEnde? In: Entsorgungspraxis, Jg. 1997, H. 10, S. 28-32.

Bilitewski, Urban 1999: Bilitewski, Bernd; Urban, Arnd I.: Prognose der Entsorgungssituati-on für Siedlungsabfälle in der BRD im Jahre 2005 Aus: Gallenkemper, B.; Bidlingmaier,W.; Doedens, H.; Stegmann, R. (Hrsg.): 6. Münsteraner Abfallwirtschaftstage Münster1999. (=Münsteraner Schriften zur Abfallwirtschaft. 2) S. 107-112.

Boeschen, Gather, Pfaff-Simoneit 1996: Boeschen, Ulrich; Gather, Matthias; Pfaff-Simoneit, Wolfgang: Kooperation in der Abfallwirtschaft Ende eines Stadt-Umland-Konfliktes? In: Informationen zur Raumentwicklung, Jg. 1996, H. 4/5, S. 241258.

Börner 1992: Börner, Susanna: Erkundungs-, Sicherungs- und Sanierungsplan der Deponi-en Hammerweg und Radeburger Straße in Dresden In: Wasserwirtschaft - Wasser-technik, Jg. 1992, H. 1, S. 33-36.

Bornhalm, Mönnich, Popp 1997: Bornhalm, Wilhelm; Mönnich, Ernst; Popp, Michael: Öf-fentliche und private Betriebe Lerneinheit 5, Hagen 1997.

Bremen 1993: Der Senat der Freien Hansestadt Bremen: Mitteilung des Senates vom 9.November 1993. Entwurf eines Ortgesetzes zur Änderung der Gebührenordnung für dieBenutzung der öffentlichen Abfallentsorgung in der Stadtgemeinde Bremen, Bremen1993.

Page 144: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

144

Bremen 1995: Der Senator für Umweltschutz und Stadtentwicklung: Jahresberichte der Ab-fallwirtschaft 1994 - Bremen In: Wasser und Boden, 47. Jg. (1995), H. 6, S. 37-39.

Bremen 1996: Senator für Frauen, Gesundheit, Jugend, Soziales und Umweltschutz 1995:Jahresberichte der Abfallwirtschaft 1995 - Bremen In: Wasser und Boden, 48. Jg.(1996), H. 6, S. 32-34.

Bremen 1998a: Der Senator für Frauen, Gesundheit, Jugend, Soziales und Umweltschutz -Bereich Umweltschutz und Gesundheit: Bericht zur Abfallmengenentwicklung 1997/98,Bremen 1998.

Bündnis 90 / Die Grünen (Bremen) 1995: Hackstein, Elisabeth: Bremer Abfallwirtschaft undaktuelle Gebührendiskussion - Bündnisgrüne Bilanz und Positionen - Bremen 1995.

Busch 1909: Busch, August: Die Betriebe der Stadt Frankfurt am Main In: Schriften desVereins für Socialpolitik, Jg. 1909, H. 129, S. 160-165.

Cosson 1999a: Cosson, Rainer: Ausgewogen Neues Abfallgesetz NRW auf den Weg ge-bracht In: Entsorga-Magazin, Jg. 1999, H. 1-2, S. 24-25.

Cronauge 1999a: Cronauge, Ulrich: Kommunale Wirtschaft zwischen Recht und Realität In:Archiv für Kommunalwissenschaften, Jg. 1999, H. 1, S. 24-44.

Deutscher Bundestag 1997: Bundesregierung: Vollzug des Abfallrechts in DeutschlandAntwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der CDU/CSU, Bonn 1997.

Die Grünen (Bremen) 1987: Fraktion Die Grünen in der bremischen Bürgerschaft: Vermei-den - Verwerten - Entgiften Ein alternatives Hausmüllkonzept für das Land Bremen,Bremen 1987.

Die Grünen (Bremen) 1989: Die Fraktion der Grünen in der Bürgerschaft: Der Abfallwirt-schaftsplan 1988 - Kritik und Gegenkonzept Vermeiden, verwerten, entgiften - Teil II,Bremen 1989.

Die Grünen (Bremen) 1991: Fraktion Die Grünen in der bremischen Bürgerschaft: Müll 91 -die 3. Grüne Müllbroschüre, Bremen 1991.

Dierks, Kirchner 1989: Dierks, Lutz; Kirchner, Hans: Der regionale Koordinierungsbedarfwächst - aber wer koordiniert? Infrastrukturplanung im Verdichtungsraum am Beispielder Region Mittlerer Neckar In: Informationen zur Raumentwicklung, Jg. 1989, H. 1, S.13-26.

DIW 1998: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Öffentlicher Dienst: Starker Perso-nalabbau trotz moderater Tarifanhebung. Entwicklungstendenzen in den neunziger Jah-ren In: DIW-Wochenbericht, 65. Jg. (1998), H. 5/98, S. 87-93.

Doedens 1999: Dordens, Heiko: Stand der mechanisch-biologischen Restabfallbehandlung:Technologien, bestehende Anlagen sowie Möglichkeiten zur Genehmigung Aus: Gal-lenkemper, B.; Bidlingmaier, W.; Doedens, H.; Stegmann, R. (Hrsg.): 6. Münsteraner

Page 145: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

145

Abfallwirtschaftstage Münster 1999. (=Münsteraner Schriften zur Abfallwirtschaft. 2) S.271-279.

Dückert (Hrsg.) 1996: Privatisierung kommunaler Aufgaben? Beiträge einer Diskussions-veranstaltung vom 6. Dezember 1995, Oldenburg 1996.

Ebert 1992: Ebert, Werner: Nürnberg: Abfallsatzung als Vermeidungsinstrument In: Demo-kratische Gemeinde, Jg. 1992, S. 70-72.

Ebner 1999: Ebner, Wolfgang: Praktische Erfahrungen mit automatischer Behälterdatenauf-nahme, insbesondere für die Tourenplanung aus dem Identifikationssystem Aus: Gal-lenkemper, B.; Bidlingmaier, W.; Doedens, H.; Stegmann, R. (Hrsg.): 6. MünsteranerAbfallwirtschaftstage Münster 1999. (=Münsteraner Schriften zur Abfallwirtschaft. 2) S.385-391.

Entsorgungsbetriebe Duisburg 1994: Entsorgungsbetriebe der Stadt Duisburg: Abfallbi-lanz 1994, Duisburg 1994.

Entsorgungsbetriebe Duisburg 1995: Entsorgungsbetriebe der Stadt Duisburg: Abfallbi-lanz 1995, Duisburg 1995.

Entsorgungsbetriebe Duisburg 1996a: Entsorgungsbetriebe der Stadt Duisburg: Abfallbi-lanz 1996, Duisburg 1996.

Entsorgungsbetriebe Duisburg 1996b: Entsorgungsbetriebe der Stadt Duisburg: Wirt-schaftsplan 1996, Duisburg 1996.

Entsorgungsbetriebe Duisburg 1997: Entsorgungsbetriebe der Stadt Duisburg: Abfallbi-lanz 1997, Duisburg 1997.

Entsorgungsbetriebe Duisburg 1998: Entsorgungsbetriebe der Stadt Duisburg: Wirt-schaftsplan 1998, Duisburg 1998.

Faust 1962: Faust, Artur: Zur Betriebstechnik von Müllkippen In: Der Städtetag, 15. Jg.(1962), S. 618-620.

FIDES 1996: FIDES Treuhandgesellschaft Reifenrath & Co.: Stellungnahme zum Gutachten"Zur Bewertung der Organisationsform der Bremer Entsorgungsbetrieb (BEB)" von Prof.Dr. Ernst Mönnich (Dezember 1995), Bremen 1996.

Frankfurt 1999: Amt für Statistik, Wahlen und Einwohnerwesen der Stadt Frankfurt amMain: Statistisches Jahrbuch Frankfurt am Main 1999, Frankfurt a.M. 1999.

Freund 1999: Freund, Edgar: Trockenstabilat - Ersatzbrennstoff oder getrockneter Haus-müll? Aus: Gallenkemper, B.; Bidlingmaier, W.; Doedens, H.; Stegmann, R. (Hrsg.): 6.Münsteraner Abfallwirtschaftstage Münster 1999. (=Münsteraner Schriften zur Abfall-wirtschaft. 2) S. 258-263.

Friderich 1999: Friderich, Gabriele: Private versus öffentliche Entsorgungswirtschaft Abfall-wirtschaft im Spannungsfeld In: Der Städtetag, Jg. 1999, H. 6, S. 12-15.

Page 146: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

146

Friderich 1999a: Friderich, Gabriele: Deregulierung gefährdet lokale Erfolge Eine Standort-bestimmung zur Münchener Abfallpolitik In: Alternative Kommunalpolitik, Jg. 1999, H. 5,S. 49-52.

Friedrich 1999: Friedrich, Harald: Abfallwirtschaftsplanung Nordrhein-Westfalen Aus: Gal-lenkemper, B.; Bidlingmaier, W.; Doedens, H.; Stegmann, R. (Hrsg.): 6. MünsteranerAbfallwirtschaftstage Münster 1999. (=Münsteraner Schriften zur Abfallwirtschaft. 2) S.132-167.

Gammelin 1999: Gammelin, Cerstin: Eile mit Weile. Noch zögern manche ostdeutsche Bun-desländer beim MVA-Bau, In: Entsorga-Magazin, Jg. 1999, H. 6, S. 18-22.

Gandy 1994: Gandy, Matthew: RECYCLING and the POLITICS OF URBAN WASTE NewYork (St. Martins Press) 1994.

Gandy 1997: Gandy, Matthew: The making of a regulatory crisis: restructuring New YorkCity`s water supply In: Transactions of the Institute of British Geographers, Jg. 1997, S.338-358.

Gather 1991: Gather, Matthias: Hundert Jahre Müllnotstand - Der lange Weg wiederkeh-render Ratlosigkeit in Frankfurt am Main, In: Die alte Stadt, Jg. 1991, H. 4, S. 358-369.

Gather 1993: Gather, Matthias: Dezentrale Entsorgungskonzepte für Siedlungsabfälle: EineProblemanalyse am Fallbeispiel Frankfurt am Main In: Zeitschrift für Wirtschaftsgeogra-phie, 37. Jg. (1993), H. 1, S. 14-24.

Guy, Marvin 1996: Guy, Simon; Marvin, Simon: Wasser als Ware Die Privatisierung derWasserversorgung in Großbritannien In: PROKLA, 26. Jg. (1996), H. 102 der Ge-samtfolge, S. 37-61.

Hannover 1995: Landeshauptstadt Hannover: Abfallbehandlungskonzept für die Landes-hauptstadt Hannover Beschlußdrucksache 1015/95, Hannover 1995.

Hannover 1996a: Abfallwirtschaftsbetrieb Hannover: Abfallwirtschaftsprogramm 1996-2000,Hannover 1996.

Hannover 1996b: Landeshauptstadt Hannover: Auswirkungen des Kreislaufwirtschafts- undAbfallgesetzes (KrW-/AbfG) auf die kommunale Abfallwirtschaft Informationsdrucksache1114/96, Hannover 1996.

Hannover 1998: Landeshauptstadt Hannover: Abfallsatzung in der Fassung vom01.01.1998, Hannover 1998.

Hannover 1998a: Landeshauptstadt Hannover: Satzung über die Abfuhr von Bioabfällen inder Landeshauptstadt Hannover Fassung vom 04.06.1998, Hannover 1998.

Hannover 1998b: Abfallwirtschaftsbetrieb Hannover: Jahresbericht 1997, Hannover 1998.

Häußermann, Siebel 1987: Häußermann, Hartmut; Siebel, Walter: Neue Urbanität, Frank-furt a.M. (edition suhrkamp) 1987.

Page 147: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

147

Heinz 1997: Heinz; Werner: Ansätze interkommunaler Kooperation: Frankfurt und die Rhein-Main-Region In: Archiv für Kommunalwissenschaften, Jg. 1997, H. 1, S. 73-97.

Hennerkes 1992: Hennerkes, Jörg: Kommunale Abfallwirtschaft - Zuständigkeit ohne Kom-petenz In: Demokratische Gemeinde, Jg. 1992, S. 8-16.

Hessen 1994: Hessische Landesanstalt für Umwelt: Abfallentsorgungsplan Hessen, Wies-baden 1994.

IHK 1990: Industrie- und Handelskammer Nürnberg: Memorandum der Industrie- und Han-delskammer Nürnberg zur Lage der Abfallentsorgung in Mittelfranken, Nürnberg 1990.

IHK-NRW 1998: Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen: Stellungnahmeder Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen zum Entwurf der Landesre-gierung zum `Gesetz zur Änderung des Landesabfallgesetzes und damit in Zusammen-hang stehender Vorschriften´, Drucksache 12/3143 vom 10.6.1998, Düsseldorf 1998.

Jüttner 1999: Jüttner, W.: Thesen zur Abfallwirtschaft Vortrag auf dem 11. Kasseler Abfallfo-rum, 20. bis 22. April 1999, Kassel 1999.

Kirk, Petrowsky 2000: Kirk, Matthias; Petrowsky, Werner: Sozialstudie Bremerhaven Grün-höfe, Bremen 2000.

Knemeyer 1999: Knemeyer, Franz-Ludwig: Gemeindeverfassungen Aus: Wollmann, Hell-mut; Roth, Roland (Hrsg.): Kommunalpolitik Politisches Handeln in den Gemeinden.2.neubearbeitete Auflage Opladen (Leske und Budrich) 1999. S. 104-122.

Kröger 1996: Kröger, Hans Jürgen: Keine Gebührenerhöhung bei Abwasser und Abfall ohneGebührentransparenz. Untersuchung der Auswirkungen der angekündigten Preissteige-rungen auf Arbeitnehmerhaushalte in Bremen, Bremen 1996.

Lahl 1993: Lahl, Uwe: Bremen stellt um - Ein neues Müllgebührenkonzept In: Müll und Ab-fall, Jg. 1993, H. 9, S. 660-664.

Lamping, Lauer-Kirschbaum, Plaß 1996: Lamping, Wolfram; Lauer-Kirschbaum, Thomas;Plaß, Stefan: Die politische Gestaltung der Entsorgungsinfrastruktur durch die TA Sied-lungsabfall Aus: Arbeitsgemeinschaft Sozialwissenschaftliche Technikforschung Nie-dersachsen (Hrsg.): Ergebnisse, Zwischenergebnisse und neue Projekte Göttingen1996. S. 161-195.

Landeshauptstadt Dresden 1994: Landeshauptstadt Dresden: Satzung zur Abfallwirtschaftin der Landeshauptstadt Dresden - Teil: Abfälle aus Haushalten und hausmüllähnlicheAbfälle - vom 9. März 1994 (Abfallwirtschaftssatzung) In: Dresdner Amtsblatt, Jg. 1994,H. 16, S. 10-16.

Landeshauptstadt Dresden 1995: Landeshauptstadt Dresden: Satzung der Landeshaupt-stadt Dresden über die Erhebung von Gebühren für die Abfallwirtschaft (Abfallwirt-schaftsgebührensatzung) In: Dresdner Amtsblatt, Jg. 1995, H. 51/52, S. 21-22.

Page 148: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

148

Landeshauptstadt Dresden 1996: Landeshauptstadt Dresden: Umwelt in Dresden Umwelt-bericht 1994/95, Dresden 1996.

Landeshauptstadt Dresden 1997: Landeshauptstadt Dresden: Satzung der Landeshaupt-stadt Dresden über die Erhebung von Gebühren für die Abfallwirtschaft vom 9. Dezem-ber 1997 (Abfallwirtschaftssatzung) In: Dresdner Amtsblatt, Jg. 1997, H. 51/52, S. 20-21.

Landeshauptstadt Dresden 1998: Dezernat Umwelt und Kommunalwirtschaft: Abfallwirt-schaftskonzept "Kreislaufwirtschaft" 2. Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzeptesder Landeshauptstadt Dresden, Dresden 1998.

Landeshauptstadt Dresden 1999: Landeshauptstadt Dresden: Satzung der Landeshaupt-stadt Dresden über die Erhebung von Gebühren für die Abfallwirtschaft (Abfallwirt-schaftsgebührensatzung) vom 25. November 1999 In: Dresdner Amtsblatt, Jg. 1999, H.50, S. 21-22.

Landeshauptstadt Dresden 1999a: Kommunale Statistikstelle der Landeshauptstadt Dres-den: Bevölkerung 1998 Auszug - Bestand und Haushalte Dresden 1999.

Landeshauptstadt Dresden 1999b: Kommunale Statistikstelle der Landeshauptstadt Dres-den: Gebäude mit Wohnungen 1998 Dresden 1999.

Lorrain, Stoker (Hrsg.) 1996: Lorrain, Dominique; Stoker, Gerry (Hrsg.): The privatisation ofurban services in Europe, London 1996.

Mayntz, Scharpf (Hrsg.) 1995: Mayntz, Renate; Scharpf, Fritz W. (Hrsg.): GesellschaftlicheSelbstregelung und politische Steuerung Frankfurt, New York (Campus) 1995. (=Schriften des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung, Köln. 23)

Meyer, Schneider, Wiegel 1996: Meyer, Udo; Schneider, Theo; Wiegel, Ulrich: Auswahl-prozeß für eine Restabfallbehandlungsanlage am Beispiel der Landeshauptstadt Han-nover In: Müll und Abfall, Jg. 1996, H. 8, S. 519-529.

Mönnich 1995: Mönnich, Ernst: Zur Bewertung der Organisationsform der Bremer Entsor-gungsbetriebe (BEB). Gutachten für den Personalrat der Bremer Entsorgungsbetriebe,Bremen 1995.

Mönnich 1997: Mönnich, Ernst: Projektbericht Eigenbetriebe, Bremen 1997.

Moss 1998: Moss, Timothy: Neue Managementstrategien in der Ver- und Entsorgung euro-päischer Stadtregionen - Perspektiven für den Umweltschutz im Zuge der Kommerziali-sierung und Neuregulierung Aus: Kujath, Hans Joachim; Moss, Timothy; Weith, Thomas(Hrsg.): Räumliche Umweltvorsorge Wege zu einer Ökologisierung der Stadt- und Re-gionalentwicklung, Berlin (edition sigma) 1998. S. 211-240.

Müller, H.-J. 1985: Müller, Hans-Joachim: Recyclingforschung für die Praxis In: Der Städte-tag, 38. Jg. (1985), H. 4, S. 291-295.

Page 149: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

149

Müller, H.-J. 1994: Müller, Hans-Joachim: Neues aus der Deponielandschaft In: Der Städ-tetag, 47. Jg. (1994), H. 5, S. 379-382.

MURL 1998: Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft Nordrhein-Westfalen: Jahresbericht der Abfallwirtschaft 1997 - Nordrhein Westfalen In: Wasserund Boden, 50. Jg. (1998), H. 6, S. 68-72.

MURL 1999: Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft Nordrhein-Westfalen: Statusbericht der Siedlungsabfallwirtschaft in Nordrhein-Westfalen 1997Düsseldorf 1999.

Müter-Zwisele, Stuhr 1995: Müter-Zwisele, Barbara; Stuhr, Reinhardt: Mülltourismus durchdie Einführung eines Gebührenanreizsystems in Bremen In: Müll und Abfall, Jg. 1995,H. 8, S. 572-580.

Niedersächsisches Umweltministerium 1998: Niedersächsisches Umweltministerium:Jahresbericht der Abfallwirtschaft 1997 – Niedersachsen In: Wasser und Boden, 50. Jg.(1998), H. 6, S. 64-68.

Nürnberg 1995: Stadt Nürnberg: Abfallwirtschaftsbericht 1994, Nürnberg 1995.

Nürnberg 1996: Stadt Nürnberg: Abfallbericht 1995, Nürnberg 1996.

Nürnberg 1997: Stadt Nürnberg: Abfallbericht 1996, Nürnberg 1997.

Nürnberg 1998: Stadt Nürnberg: Abfallbericht 1997, Nürnberg 1998 .

Nürnberg 1999: Stadt Nürnberg: Abfallbericht 1998, Nürnberg 1999.

Oest 1999: Oest, Wolfgang: Landesplanung für die Restabfallbehandlung - Beispiel Nieder-sachsen Aus: Gallenkemper, B.; Bidlingmaier, W.; Doedens, H.; Stegmann, R. (Hrsg.):6. Münsteraner Abfallwirtschaftstage Münster 1999. (=Münsteraner Schriften zur Abfall-wirtschaft. 2) S. 127-131.

Painter 1995: Painter, Joe: Regulation Theory, Post-Fordism and Urban Politics Aus: Judge,David; Stoker, Gerry; Wolman, Harold (Hrsg.): Theories of Urban Politics, London, NewDehli (Thousand Oakes) 1995. S. 276-295.

Pieske 1987: Pieske, Ursula: Öffentliche Abfallbeseitigung in Berlin, Hamburg und Bremen1975 bis 1984 In: Statistische Monatsberichte Bremen, 39. Jg. (1987), H. 2, S. 39-51.

Pohlan 1997: Pohlan, Jörg: Entwicklungsunterschiede der Finanzlagen deutscher Städtezwischen 1979 und 1990, Bremen 1997. (= Forschungsberichte der ZWE "Arbeit undRegion". 6)

Pohle 1987: Pohle, Rolf: Abfallwirtschaft in Nürnberg In: Der Städtetag, Jg. 1987, H. 8, S.485-486.

Page 150: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

150

Priebs 1998: Priebs, Axel: Neubau der Region Aus: Bandemer, Stefan von; Blanke, Bern-hard; Nullmeier, Frank; Wever, Göttrik (Hrsg.): Handbuch zur Verwaltungsreform, Opla-den 1998. S. 122-131.

Priebs 1999: Priebs, Axel: Die Region ist die Stadt! Ein Plädoyer für dauerhafte und verbind-liche Organisationsstrukturen für die Stadtregion In: Informationen zur Raumentwick-lung, Jg. 1999, H. 9/10, S. 617-628.

Projektgruppe Verwaltungsreform 1997: Verwaltungsstrukturen und Bürgernähe am Bei-spiel der kommunalen Müllentsorgung der Stadtgemeinde Bremen Projektbericht Bre-men 1997.

Püttner 1999a: Püttner, Günter: Zur Lage der Gemeinden in Deutschland In: Archiv fürKommunalwissenschaften, Jg. 1999, S. 175 -186.

Rautenberg 1991: Rautenberg, Thomas: Abfallkonzept der Rhein-Main-Region In: Wasserund Boden, Jg. 1991, H. 12, S. 748-752.

Sachsen 1999: Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landesentwicklung: Jahres-bericht für Abfallwirtschaft 1997 - Sachsen In: Wasser und Boden, 50. Jg. (1998), H. 6,S. 77-82.

Sachsen 1999a: Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landesentwicklung: Ent-wurf des Abfallwirtschaftsplans für das Land Sachsen, Dresden 1999.

Schäfer, T. 1998: Schäfer, Thomas: Die deutsche Selbstverwaltung in der EuropäischenUnion Stuttgart (Kohlhammer) 1998. (= Neue Schriften des deutschen Städtetages. 74)

Schimmack 1990: Schimmack, Susanne: Feste feiern ohne Müll. Mit Mehrweggeschirr re-duziert die Stadt Nürnberg den Müllberg bei öffentlichen Veranstaltungen In: Müllmaga-zin, Jg. 1990, H. 4, S. 26-29.

Schlüter, Küch, Hennig 1998: Schlüter, Sabine; Küch, Gabi; Hennig, Jacqueline: Verpak-kung - Recycling – Perspektiven. Systemvergleich des Verpackungsrecyclings auf euro-päischer Ebene am Beispiel Deutschland, Frankreich, Niederlande Hannover 1998.

Schneider, Bier, Nowc 1999: Schneider, Theo: Bier; Frank; Nowc, Ingrid: Bioabfallerfas-sung in verdichteten Gebieten der Stadt Hannover Aus: Gallenkemper, B.; Bidlingmaier,W.; Doedens, H.; Stegmann, R. (Hrsg.): 6. Münsteraner Abfallwirtschaftstage Münster1999. (=Münsteraner Schriften zur Abfallwirtschaft. 2) S. 427-434.

Schneider, H. 1997: Schneider, Herbert: Stadtentwicklung als politischer Prozeß Stadtent-wicklungsstrategien in Heidelberg, Wuppertal, Dresden und Trier Opladen (Leske &Budrich) 1997. (= Städte und Regionen in Europa. 2)

Schreve-Liedke 1999: Schreve-Liedke, Gerhard: Lösungen für Großwohnanlagen - Beispiel"kleine Gefäße" Bremen Neue Vahr Aus: Gallenkemper, B.; Bidlingmaier, W.; Doe-dens, H.; Stegmann, R. (Hrsg.): 6. Münsteraner Abfallwirtschaftstage Münster 1999.(=Münsteraner Schriften zur Abfallwirtschaft. 2) S. 435-441.

Page 151: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

151

SRD 1998: Meusinger, Uta: Die Dresdner Stadtreinigung in Geschichte und Gegenwart 1873bis 1998 - 125 Jahre geordnete Müllabfuhr in Dresden, Dresden 1998.

SRU 1998: Der Sachverständigenrat für Umweltfragen: Umweltgutachten in ausgewähltenPolitikbereichen, Bonn 1998.

Stadt Duisburg 1991: Amt für Stadtentsorgung und Wasserwirtschaft der Stadt Duisburg:Abfallwirtschaftskonzept für Duisburg, Duisburg 1991.

Stadt Duisburg 1994: 7. Änderung der Abfallentsorgungsgebührensatzung Beschlußvorlagefür den Rat der Stadt Duisburg - Drucksache Nr. 212 vom 30.11.1994, Duisburg 1994.

Stadt Duisburg 1995a: Oberstadtdirektor der Stadt Duisburg: Der optimierte Regiebetriebals Alternative zu "privatwirtschaftlichen" Unternehmensformen Aus: Hauptverwaltungder ÖTV, Fachbereich Entsorgung (Hrsg.): Zukunft der Entsorgungswirtschaft Doku-mentation der Tagung in Niedersfeld (12.06.95 - 14.06.95) Stuttgart 1995. S. 63-70.

Stadt Duisburg 1995b: 8. Änderung der Abfallentsorgungsgebührensatzung Beschlußvor-lage des Rates der Stadt Duisburg - Drucksache Nr. 1669 vom 16.11.1995, Duisburg1995.

Stadt Duisburg 1996: 9. Änderung der Abfallentsorgungsgebührensatzung Beschlußvorlagefür den Rat der Stadt Duisburg - Drucksache Nr. 3237 vom 2.12.1996, Duisburg 1996.

Stadt Duisburg 1997: Beteiligungsbericht 1996/97, Duisburg 1997.

Staeck 1999: Staeck, Florian: Die kalte Rotte mit heißem Vorspiel. BMU skizziert seine Vor-stellungen zur Novellierungen der TASI In: Entsorga-Magazin, Jg. 1999, H. 4, S. 12-18.

Stuttgart 1996: Amt für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung der Landeshauptstadt Stuttgart:Abfallwirtschaftskonzept 1996 der Landeshauptstadt Stuttgart, Stuttgart 1996.

Stuttgart 1997: Technisches Referat der Landeshauptstadt Stuttgart: Abfallgebühren 1998Verteilung des Überschusses aus der Abfallentsorgung 1996 in die Gebührenkalkulatio-nen 1997 und 1998, Stuttgart 1997.

Stuttgart 1998: Amt für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung der Landeshauptstadt Stuttgart:Satzung über die Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen - Abfallwirt-schaftssatzung - Stuttgart 1998.

Stuttgart 1998a: Technisches Referat der Landeshauptstadt Stuttgart: Entwicklung und der-zeitige Situation in der Abfallwirtschaft und Beschlüsse zu notwendigen Maßnahmen,Stuttgart 1998.

Stuttgart 1998b: Technisches Referat der Landeshauptstadt Stuttgart: Neufestsetzung derAbfallgebühren zum 1. Januar 1999, Stuttgart 1999.

Stuttgart 1998c: Statistisches Amt der Landeshauptstadt Stuttgart: Statistisches Jahrbuchder Stadt Stuttgart 1997, Stuttgart 1998.

Page 152: Die De-Kommunalisierung der Abfallwirtschaft in den Städten

Winfried Osthorst: Die De-Kommunalisierung der städtischen Infrastruktur am Beispiel der Müllentsorgung

152

Stuttgart 1999: Technisches Referat der Landeshauptstadt Stuttgart: Abfallwirtschaft - In-formationen und Beschlüsse zu kurz- und mittelfristigen Maßnahmen, Stuttgart 1999.

Stuttgart 1999a: Statistisches Amt der Landeshauptstadt Stuttgart: Angaben zur Zahl derHaushalte 1998, Stuttgart 1999.

Stuttgart 2000: Technisches Referat der Landeshauptstadt Stuttgart: Gutachterliche Über-prüfung des Amts für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung Beschlußvorlage, Stuttgart2000.

Tabasaran 1997: Tabasaran, Oktay: Thermische Behandlung bei sich verändernden Abfall-strömen Aus: Gallenkemper, Bernhard; Bidlingmaier, Werner.; Doedens, Heiko.; Steg-mann, Rainer (Hrsg.): 5. Münsteraner Abfallwirtschaftstage Münster 1997.(=Veröffentlichungen des LASU. 10) S. 101-101g.

UBA 1999: Umweltbundesamt: Bericht zur "Ökologischen Vertretbarkeit" der mechanisch-biologischen Vorbehandlung von Restabfällen einschließlich deren Ablagerung, Berlin1999.

van Wickeren 1997: van Wickeren, Helmut: Kostensenkungsmöglichkeiten am Beispiel ei-ner Kommune Aus: Gallenkemper, Bernhard; Bidlingmaier, Werner.; Doedens, Heiko.;Stegmann, Rainer (Hrsg.): 5. Münsteraner Abfallwirtschaftstage Münster 1997.(=Veröffentlichungen des LASU. 10) S. 385-392.

Was lange währt... 1997: Was lange währt... Abfallentsorgung in Frankfurt privatisiert In:umwelttechnik, Jg. 1997, H. 6, S. 40-42.

Wehling 1998: Wehling, Hans-Georg: Kommunalpolitik, Bonn 1998.

Weikert 1998: Weikert, Eva: Mit Holzkloben durch den Fäkalienbrei In: Frankfurter Rund-schau vom 8.5.1998

Welsch 1998: Welsch, Georg: Das Kreislaufwirtschaftsgesetz und seine Folgen für diekommunale Abfallentsorgung In: Der Städtetag, Jg. 1998, H. 7, S. 530-535.

Wiedemann, Karger, Claus u.a. 1994: Wiedemann, Peter M.; Karger, Cornelia R.; Claus,Frank; Gremler, Dieter: Umweltkonflikte und Konfliktmittlung Das Beispiel Standortsuchefür eine Hausmülldeponie in Bremen In: Müll und Abfall, Jg. 1994, H. 11, S. 739-748.

Wilke 1992: Wilke, Helmut: Ironie des Staates: Grundlinien einer Staatstheorie polyzentri-scher Gesellschaften, Frankfurt / Main (Suhrkamp) 1992.