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1 3 Gefangene Elementarteilchen Mehr Informationen: www.deutsches-museum-bonn.de Das elektrische Massenfilter von Wolfgang Paul und Helmut Steinwedel war extrem leicht und kompakt. Um auch die finanzielle Ernte ihrer geistigen Früchte einbringen zu können, meldeten sie ihre Erfindung 1953 in der Bundesrepublik Deutschland zum Patent an. Unternehmen wie Philips und Siemens erkann- ten inzwischen das große Potential dieses Instru- ments für die industrielle Analysetechnik. Siemens übernahm das deutsche Patent und machte Paul eine Anzahlung. Die Firma vergab aber nie Lizenzen an andere Hersteller und Konkurrenten. Sie produzierte die Massenfilter ausschließlich für ihren eigenen Gebrauch. Deshalb hielt sich der persönliche Gewinn für Wolfgang Paul in bescheidenen Grenzen. Das »beflügelte« Patent Zur Tragikomödie entwickelte sich der Versuch, das Massenfilter auch in England und den USA patentrechtlich schützen zu lassen. Dem von Paul beauftragten Patentanwalt unterlief bei der Anmeldung eine Fristüberschreitung, da er sich über die aktuellen Bestimmungen nicht hinlänglich informiert hatte. Die Patentanmeldung war ungültig, weil zwischen der ersten Veröffentlichung und der Anmeldung zuviel Zeit verstrichen war. Paul konnte den Anwalt allerdings nicht mehr belangen, da dieser in der Zwischenzeit verstorben war. Obwohl Wolfgang Paul damit vermutlich sehr viel Geld verloren hatte, nahm er das Missgeschick mit Humor. Die Anzahlung von Siemens »war grad so viel, dass ich mir einen Konzertflügel kaufen konnte und für meine Frau eine Waschmaschine.« Die Patentschrift für das elektrische Massenfilter.

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3Gefangene Elementarteilchen

Mehr Informationen: www.deutsches-museum-bonn.de

Das elektrische Massenfilter von Wolfgang Paul und Helmut Steinwedel war extrem leicht und kompakt. Um auch die finanzielle Ernte ihrer geistigen Früchte einbringen zu können, meldeten sie ihre Erfindung 1953 in der Bundesrepublik Deutschland zum Patent an.

Unternehmen wie Philips und Siemens erkann-ten inzwischen das große Potential dieses Instru-ments für die industrielle Analysetechnik. Siemens übernahm das deutsche Patent und machte Paul eine Anzahlung. Die Firma vergab aber nie Lizenzen an andere Hersteller und Konkurrenten. Sie produzierte die Massenfilter ausschließlich für ihren eigenen Gebrauch. Deshalb hielt sich der persönliche Gewinn für Wolfgang Paul in bescheidenen Grenzen.

Das »beflügelte« Patent

Zur Tragikomödie entwickelte sich der Versuch, das Massenfilter auch in England und den USA patentrechtlich schützen zu lassen. Dem von Paul beauftragten Patentanwalt unterlief bei der Anmeldung eine Fristüberschreitung, da er sich über die aktuellen Bestimmungen nicht hinlänglich informiert hatte. Die Patentanmeldung war ungültig, weil zwischen der ersten Veröffentlichung und der Anmeldung zuviel Zeit verstrichen war. Paul konnte den Anwalt allerdings nicht mehr belangen, da dieser in der Zwischenzeit verstorben war.

Obwohl Wolfgang Paul damit vermutlich sehr viel Geld verloren hatte, nahm er das Missgeschick mit Humor. Die Anzahlung von Siemens »war grad so viel, dass ich mir einen Konzertflügel kaufen konnte und für meine Frau eine Waschmaschine.«

Die Patentschrift für das elektrische Massenfilter.

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Gefangene Elementarteilchen

Mehr Informationen: www.deutsches-museum-bonn.de

Die Möglichkeiten der Ionenfalle in der physika-lischen Forschung zeigte Pauls ehemaliger Schüler Peter Toschek in Heidelberg auf spektakuläre Weise.

Mit der hier ausgestellten Ionenfalle gelang es ihm und seinem Team 1979 erstmals, ein einzelnes geladenes Atom des Elements Barium einzufangen und zu fotografieren. Das war damals eine Sensation, denn so waren zum ersten Mal wiederholbare Beobachtungen und Messungen einzelner Atome möglich.

Zuvor konnten, etwa in Nebelkammern, nur indirekte Nachweise ihrer Existenz erbracht werden. Heute lassen sich Atome durch das Rastertunnel- mikroskop sichtbar machen. Beide Verfahren sind hier im Museum zu sehen.

Die Analysetechnik nutzt die Ionenfalle seit den 1980er Jahren. Im hier gezeigten Massenspektro-meter »ESQUIRE« der Firma Bruker können auch schwere Moleküle, etwa Eiweiße, analysiert und in ihrer Struktur aufgeklärt werden. Im Zentrum des Ionenkäfigs bündeln elektrische Wechselfelder zuvor elektrisch aufgeladene – ionisierte – Atome oder Moleküle (Ionen). Die zu untersuchenden Teilchen werden nach Massen sortiert und einzeln aus dem Ionenkäfig geschleudert. Ein Ionendetektor misst die ankommenden Teilchen in Sekundenbruchteilen.

Mobile Massenspektrometer erlauben Messungen vor Ort auch unter extremen Umgebungsbedingun-gen. Organische Schadstoffe in Wasser, Luft und Boden können auf diese Weise schnell und zuverläs-sig nach Art und Menge bestimmt werden.

Vom Nutzen in Forschung und Industrie

Das geringe Gewicht der Massenfilter ermöglichte auch ihren raketengestützen Einsatz bei der Untersuchung der Zusammensetzung der Atmosphäre.

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Wolfgang Paul‘s and Helmut Steinwedel‘s electric mass filter was extremely light and compact. In order to be able to reap the financial benefits of the fruits of their intellect they patented their invention in the Federal Republic of Germany in 1953.

Companies such as Philips and Siemens had in the meantime recognised the great poten-tial of this instrument for industrial analy-sis technology. Siemens acquired the Ger-man patent and made a payment to Paul. However, the company never granted li-cences to other manufacturers and competi-tors. It produced the mass filters exclusively for their own use. This was why Wolfgang Paul’s personal profit from his invention was rather limited.

The attempt to register patents for the mass filter in England and the USA developed into a kind of tragicomedy. The patent attor-ney engaged by Paul missed a deadline when registering the patent because he was not sufficiently aware of the provisions prevail-ing at the time. The registration was invalid because too much time had elapsed between the initial publication and the registration. Wolfgang Paul was no longer able to sue the attorney, however, since the attorney had passed away in the meantime.Although this had cost Wolfgang Paul a great deal of money he was still able to see the funny side of the mishap. The payment from Siemens “was just enough to pay for a grand piano for myself and for a washing machine for my wife”.

The possibilities opened up by the ion trap in physics research were demonstrated spec-tacularly by Paul‘s former student Peter Toschek in Heidelberg.Using the ion trap on display here Toschek and his team were able, in 1979, to capture and photograph a single barium ion for the first time. At the time this was a sensation since it was the first time that it had been possible make repeated observations and measurements of single atoms.Prior to this, it had only been possible, in cloud chambers, for example, to indirectly prove their existence. Nowadays atoms can be visualized by means of scanning tunnel microscopes. Both processes are on display here in the museum. Analysis technology has been using the ion

Captive elementary particles

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Paul’s Patent – No Penthouse, Just a Piano Benefits in Research and Industry

trap since the 1980s. The ESQUIRE mass spectrometer on display here, manufactured by the company Bruker, enables heavy mol-ecules such as proteins to be analysed and their structure researched. At the centre of the ion trap/cage, alternating electrical fields bundle previously electrically charged – or ionised – atoms or molecules. The particles to be examined are sorted according to their mass and accelerated individually out of the ion trap/cage. An ion detector measures the incoming particles in fractions of a second.Mobile mass spectrometers enable measure-ments to be done on the spot in extreme conditions and environments. Organic contaminants in water, in the air or in the ground can thus be identified and measured quickly and reliably.

Picture Captions: The patent document for the electric mass filter

The light weight of the mass filter also enabled its rocket-borne deployment in investigat-ing the composition of the atmosphere