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Katalyse „oberflächlich“ betrachtet Advances in Catalysis. Vol. 45. Achievements, Failures and Pro- spects During Fifty Years of “Advances in Catalysis”. Von Bruce C. Gates und Helmut Knö- zinger. Academic Press, San Diego 2000. 448 S., geb. 150.00 $. —ISBN 0-12-007845-7 Vor 52 Jahren erklärte Sir Eric Rideal, der einer meiner Amtsvorgänger am Davy Faraday Research Laboratory war und zusammen mit V. I. Komarews- ky und W. G. Frankenburg den ersten Band der Serie „Advances in Catalysis and Related Subjects“ herausbrachte, dass „...in spite of (some) amazing practical successes of catalytic methods, and our increasing knowledge of bio- catalysis, only modest progress has been made in the scientific elucidation of the working mechanism and of the basic nature of catalytic action. As a conse- quence, a purely empirical approach is still the only safe way to search for efficient catalysts whenever the problem arises of carrying out a desirable and thermodynamically possible chemical transformation with the help of specific catalysts.“ „The main reason for this situation seems to be that full understanding of catalytic action would require, for any given case, a much deeper knowledge of the nature and action of atomic and molecular forces than we possess today. In addition, in the field of heterogeneous catalysis the fine structure of solid sur- faces plays a decisive role, and much more would have to be known about the qualitative and quantitative nature of solid surfaces than we know at present. In other words, a science of catalysis has to be erected on foundations which still have to be laid.“ Man kann behaupten, dass diese Fun- damente des Forschungsbereichs Kata- lyse inzwischen mit Hilfe einer beinahe verwirrenden Vielfalt an Techniken, die zur Erforschung atomarer Einzelheiten von Festkörperoberflächen zur Verfü- gung stehen, errichtet worden sind. Ebenfalls ist festzustellen, dass in Lehr- büchern der Mechanismus einiger, an Metalloberflächen ablaufender Kataly- sen detailliert beschrieben wird, da jeder Reaktionsschritt, von der Adsorption der Reaktanden bis hin zur Desorption der Produkte, exakt untersucht wurde. In Kapitel 1 des vorliegenden Buchs befasst sich Ertl mit dem Mechanismus katalytischer Reaktionen an Metallober- flächen im Allgemeinen und mit der Oxidation von Kohlenmonoxid durch Sauerstoff an Metalleinkristalloberflä- chen im Besonderen. Viele interessante Einblicke in das Reaktionsgeschehen dieser katalysierten Oxidation auf mi- kroskopischer (z.B. im Quanten- und atomaren Bereich), mesoskopischer und makroskopischer Ebene wurden gewon- nen. Wird die Oxidation beispielsweise an einer Pt(111)-Oberfläche durchge- führt, so sind die Voraussetzungen des altehrwürdigen Langmuir-Hinshelwood- Konzepts nicht erfüllt. Am Ende seiner 70-seitigen Abhandlung gibt Ertl gleich- sam die Philosophie Langmuirs aus dem Jahr 1922 wieder, wenn er erklärt: „.. .let us confine our attention to reactions on plane surfaces. If the principles in this case are well understood, it should then be possible to extend the theory to the case of porous bodies.“ Aber Ertl ist der Ansicht, dass ungeachtet der beträchtli- chen Fortschritte „the actual situation is far more complex and still offers deman- ding challenges for future research.“ Langmuirs Ratschlag, die Untersu- chungen auf ebene Oberflächen zu be- schränken („...confine our attention to plane surfaces...“), wurde von fünf der sechs weiteren Autoren beherzigt, die Beiträge zu diesem ausgezeichneten Band lieferten: King et al. beschreiben die Energetik und Bindungsverhältnisse bei der Adsorption, Somorjai und McCrea berichten über die Summenfre- quenzerzeugung bei schwingungsspek- troskopischen Veränderungen, die bei katalytischen Reaktionen an Metallein- kristalloberflächen auftreten, Wintterlin stellt rastertunnelmikroskopische Unter- suchungen heterogenkatalytischer Re- aktionen vor, Nørskov und Hammer diskutieren theoretische Modelle, Kon- zepte und Berechnungen zur Oberflä- chenforschung und Katalyse, und Freund et al. geben zahlreiche erklären- de Antworten auf die Frage, die im Untertitel ihres Beitrags gestellt wird: Welche Erkenntnisse können wir aus Untersuchungen von Clustermodellen auf Oxidträgern ableiten? Nur Barteau und Idriss beschäftigen sich in ihrem Bericht mit porösen Oxidkatalysatoren – den porösen Materialien, auf die Lang- muir schon vor beinahe 80 Jahren hin- wies. Sie beschreiben aktive Zentren in Oxidkatalysatoren, wobei sie auf die Dehydratisierung, Kupplung und Re- duktion einer Reihe von organischen Verbindungen näher eingehen. Außer- dem unternehmen sie den kühnen Versuch, die Verbindungenen zwischen Metalloxid, Einkristalloberfläche und Katalysatoren mit großen Oberflä- chen herauszustellen, um die Grundla- gen für ein Katalysatordesign zu schaf- fen. Die Grundlagen der Grenzflächenka- talyse werden in diesem Band hervor- ragend vermittelt. Dafür gebührt dem Buch ein uneingeschränktes Lob. Gates und Knözinger erklären im Vorwort des Buchs im Sinne Rideals, dass „Catalysis provided much of the driving forces for the early development of surface scien- BÜCHER Angew. Chem. 2001, 113, Nr. 11 WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim, 2001 0044-8249/01/11311-2235 $ 17.50+.50/0 2235 Diese Rubrik enthält Buchbesprechungen und Hinweise auf neue Bücher. Buchbesprechungen werden auf Einladung der Redaktion geschrie- ben. Vorschläge für zu besprechende Bücher und für Rezensenten sind willkommen. Verlage soll- ten Buchankündigungen oder (besser) Bücher an die Redaktion Angewandte Chemie, Postfach 10 11 61, D-69451 Weinheim, Bundesrepublik Deutschland senden. Die Redaktion behält sich bei der Besprechung von Büchern, die unver- langt zur Rezension eingehen, eine Auswahl vor. Nicht rezensierte Bücher werden nicht zurück- gesandt.

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Page 1: Buchbesprechung: On Quanta, Mind and Matter: Hans Primas in Context. Herausgegeben von Harald Altmanspacher, A. Amann und U. Müller-Herold

Katalyse ¹oberflächlichª betrachtet

Advances in Catalysis. Vol. 45.Achievements, Failures and Pro-spects During Fifty Years ofªAdvances in Catalysisº. VonBruce C. Gates und Helmut Knö-zinger. Academic Press, SanDiego 2000. 448 S., geb. 150.00 $.ÐISBN 0-12-007845-7

Vor 52 Jahren erklärte Sir Eric Rideal,der einer meiner Amtsvorgänger amDavy Faraday Research Laboratorywar und zusammen mit V. I. Komarews-ky und W. G. Frankenburg den erstenBand der Serie ¹Advances in Catalysisand Related Subjectsª herausbrachte,dass ¹...in spite of (some) amazingpractical successes of catalytic methods,and our increasing knowledge of bio-catalysis, only modest progress has beenmade in the scientific elucidation of theworking mechanism and of the basicnature of catalytic action. As a conse-quence, a purely empirical approach isstill the only safe way to search forefficient catalysts whenever the problemarises of carrying out a desirable andthermodynamically possible chemicaltransformation with the help of specificcatalysts.ª

¹The main reason for this situationseems to be that full understanding ofcatalytic action would require, for anygiven case, a much deeper knowledge ofthe nature and action of atomic andmolecular forces than we possess today.In addition, in the field of heterogeneouscatalysis the fine structure of solid sur-

faces plays a decisive role, and muchmore would have to be known about thequalitative and quantitative nature ofsolid surfaces than we know at present.In other words, a science of catalysis hasto be erected on foundations which stillhave to be laid.ª

Man kann behaupten, dass diese Fun-damente des Forschungsbereichs Kata-lyse inzwischen mit Hilfe einer beinaheverwirrenden Vielfalt an Techniken, diezur Erforschung atomarer Einzelheitenvon Festkörperoberflächen zur Verfü-gung stehen, errichtet worden sind.Ebenfalls ist festzustellen, dass in Lehr-büchern der Mechanismus einiger, anMetalloberflächen ablaufender Kataly-sen detailliert beschrieben wird, da jederReaktionsschritt, von der Adsorptionder Reaktanden bis hin zur Desorptionder Produkte, exakt untersucht wurde.

In Kapitel 1 des vorliegenden Buchsbefasst sich Ertl mit dem Mechanismuskatalytischer Reaktionen an Metallober-flächen im Allgemeinen und mit derOxidation von Kohlenmonoxid durchSauerstoff an Metalleinkristalloberflä-chen im Besonderen. Viele interessanteEinblicke in das Reaktionsgeschehendieser katalysierten Oxidation auf mi-kroskopischer (z.B. im Quanten- undatomaren Bereich), mesoskopischer undmakroskopischer Ebene wurden gewon-nen. Wird die Oxidation beispielsweisean einer Pt(111)-Oberfläche durchge-führt, so sind die Voraussetzungen desaltehrwürdigen Langmuir-Hinshelwood-Konzepts nicht erfüllt. Am Ende seiner70-seitigen Abhandlung gibt Ertl gleich-sam die Philosophie Langmuirs aus demJahr 1922 wieder, wenn er erklärt: ¹.. .letus confine our attention to reactions onplane surfaces. If the principles in thiscase are well understood, it should thenbe possible to extend the theory to thecase of porous bodies.ª Aber Ertl ist derAnsicht, dass ungeachtet der beträchtli-chen Fortschritte ¹the actual situation isfar more complex and still offers deman-ding challenges for future research.ª

Langmuirs Ratschlag, die Untersu-chungen auf ebene Oberflächen zu be-schränken (¹...confine our attention toplane surfaces.. .ª), wurde von fünf dersechs weiteren Autoren beherzigt, dieBeiträge zu diesem ausgezeichnetenBand lieferten: King et al. beschreibendie Energetik und Bindungsverhältnissebei der Adsorption, Somorjai undMcCrea berichten über die Summenfre-quenzerzeugung bei schwingungsspek-troskopischen Veränderungen, die beikatalytischen Reaktionen an Metallein-kristalloberflächen auftreten, Wintterlinstellt rastertunnelmikroskopische Unter-suchungen heterogenkatalytischer Re-aktionen vor, Nùrskov und Hammerdiskutieren theoretische Modelle, Kon-zepte und Berechnungen zur Oberflä-chenforschung und Katalyse, undFreund et al. geben zahlreiche erklären-de Antworten auf die Frage, die imUntertitel ihres Beitrags gestellt wird:Welche Erkenntnisse können wir ausUntersuchungen von Clustermodellenauf Oxidträgern ableiten? Nur Barteauund Idriss beschäftigen sich in ihremBericht mit porösen Oxidkatalysatoren ±den porösen Materialien, auf die Lang-muir schon vor beinahe 80 Jahren hin-wies. Sie beschreiben aktive Zentren inOxidkatalysatoren, wobei sie auf dieDehydratisierung, Kupplung und Re-duktion einer Reihe von organischenVerbindungen näher eingehen. Auûer-dem unternehmen sie den kühnenVersuch, die Verbindungenen zwischenMetalloxid, Einkristalloberfläche undKatalysatoren mit groûen Oberflä-chen herauszustellen, um die Grundla-gen für ein Katalysatordesign zu schaf-fen.

Die Grundlagen der Grenzflächenka-talyse werden in diesem Band hervor-ragend vermittelt. Dafür gebührt demBuch ein uneingeschränktes Lob. Gatesund Knözinger erklären im Vorwort desBuchs im Sinne Rideals, dass ¹Catalysisprovided much of the driving forces forthe early development of surface scien-

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Angew. Chem. 2001, 113, Nr. 11 � WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim, 2001 0044-8249/01/11311-2235 $ 17.50+.50/0 2235

Diese Rubrik enthält Buchbesprechungen undHinweise auf neue Bücher. Buchbesprechungenwerden auf Einladung der Redaktion geschrie-ben. Vorschläge für zu besprechende Bücher undfür Rezensenten sind willkommen. Verlage soll-ten Buchankündigungen oder (besser) Bücher andie Redaktion Angewandte Chemie, Postfach1011 61, D-69451 Weinheim, BundesrepublikDeutschland senden. Die Redaktion behält sichbei der Besprechung von Büchern, die unver-langt zur Rezension eingehen, eine Auswahl vor.Nicht rezensierte Bücher werden nicht zurück-gesandt.

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2236 � WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim, 2001 0044-8249/01/11311-2236 $ 17.50+.50/0 Angew. Chem. 2001, 113, Nr. 11

ce.ª Dies stimmt noch immer, sogar indem Maûe, dass viele Forscher, die sichoptimistisch daranmachten, die Geheim-nisse der heterogenen Katalyse aufzu-decken, letzendlich ihre Erfüllung darinsahen, ¹nurª Oberflächenstrukturenoder die Phänomene der Adsorption,Wanderung und Desorption zu untersu-chen. Es ist unbestreitbar, dass die Ober-flächenforschung weiterhin zum Fort-schritt der Katalyseforschung beitragenwird. Der Skeptiker könnte einwenden,dass man, so brilliant die Beiträge zurOberflächenphysik und der Oberflä-chenchemie während der letzten 50Jahre auch waren, herzlich wenig Bei-spiele anführen kann, wo eine reineGrundlagenforschungsstudie über Ober-flächen neue Festkörperkatalysatorenhervorgebracht hat. Dennoch ist eineArbeit, die das angesammelte chemischeWissen verfeinert oder erweitert (impraktischen und theoretischen Bereich),für die Entwicklung neuer oder dieOptimierung vorhandener Katalysato-ren sehr nützlich. In diesem Zusammen-hang sind folgende Worte des verstor-benen Charles Kemball von Bedeutung,der ein Pionier auf diesem Gebiet war:¹I would add here a plea to those whoare fascinated by ultrahigh vacua andwork with single crystals to rememberthat there is a danger they may becomeimprisoned in their own ivory towers.ª

Ungeachtet dieser Vorbehalte habendie Autoren, ohne Ausnahme ausgewie-sene Experten in ihrem Forschungsge-biet, hervorragende Beiträge verfasst.Den zusammenfassenden Bericht vonNùrskov und Hammer über die Verwen-dung der Dichtefunktionaltheorie zurBeschreibung von Oberflächenreaktio-nen zähle ich zu den besten, die bisherüber dieses Thema veröffentlicht wor-den sind.

Zum ersten Mal haben sich die He-rausgeber der ¹Advancesª ausschlieû-lich auf ein Thema konzentriert. Es ist zuhoffen, dass dies in Zukunft öfter ge-schieht. Es bieten sich viele Themen an:z. B. die Bildung neuer Biokatalysatorennach der Methode der gerichtetenEvolution[1, 2] oder chemisch modifi-zierte, mutierte Enzyme[3] oder der Ein-fluss der Festkörperchemie auf die Ka-talyse, ein Thema, das zwar nicht sohochaktuell ist wie die oben erwähnten,das ich persönlich jedenfalls sehr inter-essant finde. Wir verlassen uns heutzu-

tage nicht mehr auf eine rein empirischeAnnäherung, wie es Rideals Zeitgenos-sen vor 50 Jahren taten.

[1] M. T. Reetz, Angew. Chem. 2001, 113, 292 ± 320;Angew. Chem. Int. Ed. 2001, 40, 284.

[2] F. H. Arnold, Nature 2001, 409, 253.[3] J. B. Jones und G. de Santis, Acc. Chem. Res.

1999, 32, 99.

Sir John Meurig ThomasDavy Faraday Research Laboratory

Royal Institution of Great Britain,London

Silicon-Containing Polymers. TheScience and Technology of TheirSynthesis and Applications. VonRichard G. Jones, Wataru Andound Julian Chojnowski. KluwerAcademic Publishers, London2000. 768 S., geb. 315.00 $.ÐISBN0-412-83110-4

Endlich ist es soweit! Das von R. G.Jones, W. Ando und J. Chojnowski he-rausgegebene, knapp 800 Seiten umfas-sende Buch ist nun bei Kluwer Acade-mic Publishers erhältlich. Über die neues-ten Entwicklungen bis einschlieûlich1999 auf dem fürdie Industrie sowichtigen Gebietder Siliciumche-mie wird in 28Übersichtsartikeln(4 Themengrup-pen: ¹Polysiloxa-neª, ¹Polycarbosi-lane und Polysila-zaneª, ¹Polysilaneund verwandtePolymereª sowie ¹Aktuelle Entwicklun-genª) kompetent referiert. Alle Beiträgesind von international ausgewiesenenAutoren bzw. den Pionieren der jewei-ligen Arbeitsgebiete selbst verfasst. Da-her bereitet das Lesen ausnahmslosVergnügen, und man erhält eine Füllevon Informationen über die erstaunlichvielfältigen neuen Entwicklungen. Dieseumfassen neben der Polysiloxansynthesezahlreiche Themenbereiche bis hin zumgezielten Maûschneidern von modifi-zierten (Co)Polymeren, Elastomeren,interpenetrierenden Netzwerken, Poly-silsesquioxanen oder modifiziertenOberflächen. In allen Kapiteln wird stets

groûer Wert auf eine Liste wichtigerÜbersichtsartikel sowie die Präsentationaktueller, noch nicht referierter Arbei-ten gelegt. Dies erlaubt dem wissen-schaftlich interessierten Leser einen ra-schen Zugriff auf Informationen.

Polycarbosilane, Polysilazane undPolysilane besitzen praktische Bedeu-tung, z. B. als Keramikvorstufen, in derLithographie oder als potentielle Mate-rialien für Leuchtdioden (LEDs). Dieswird durch verschiedene Beiträge ausführenden Industrielabors belegt. Wei-tere wichtige Entwicklungszweige sinddie gezielte Induktion von Chiralität(helicale Polymere), komplexe Über-strukturen und Topographien (z.B. Den-drimere, Meso- und Nanostrukturen,Sol-Gel-Verfahren, Silikate mit definier-ter Porosität) sowie das Abstimmen vonOrbitalenergien und Bandlücken (Fest-körper). Die Kombination neuer physi-kalischer Methoden (z.B. Untersuchun-gen zur Ladungsträgerinjektion in festePolymere, Flugzeitspektroskopie) mitausgefeilter Synthesetechnik führt letzt-endlich bis zum Design ganzer Bauele-mente für die Mikroelektronik. Flüssig-kristalline siliciumhaltige Polymere bil-den ein weiteres Highlight in der Paletteder Anwendungen. Berichte über diePlasma-Abscheidung von siliciumhalti-gen Polymeren auf Oberflächen sowieüber die für die Mikroelektronik wichti-gen neuen Entwicklungen auf dem Ge-biet der ¹trockenenª sub-mm-Lithogra-phie mit siliciumhaltigen Polymeren run-den das Buch ab.

Insgesamt betrachtet bietet die Che-mie der siliciumhaltigen Polymere einMaû an Interdisziplinarität und Band-breite wie kaum ein anderes Gebiet.Infolgedessen ist davon auszugehen,dass erst ein Teil des Anwendungspo-tentials ausgeschöpft und in naher Zu-kunft mit einer deutlichen Zunahmeneuer Anwendungen für diese ¹SmartMaterialsª, z. B. in der Medizintechnikoder Nanotechnologie, zu rechnen ist.Einige Neuentwicklungen aus der Che-mie der siliciumhaltigen Polymere wer-den sicher auch auf kohlenstoffhaltigePolymere übertragen werden. Es er-schien also dringend geboten, die Fülleneuer Forschungsergebnisse zu bündelnund so interessierten Wissenschaftlerneinen schnellen Einstieg in das raschexpandierende Fachgebiet zu ermögli-chen.

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Angew. Chem. 2001, 113, Nr. 11 � WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim, 2001 0044-8249/01/11311-2237 $ 17.50+.50/0 2237

Alle Beiträge sind generell aus derSicht des Synthesechemikers verfasst.Die Türen zur Physikalischen Chemie,Festkörperphysik und zu den Anwen-dungen sind jedoch weit geöffnet. Diesmacht das Buch so interessant und wert-voll. Silicon-Containing Polymers istkein bunt bebildertes Sammelsuriumwissenschaftlicher Eitelkeiten, sondernein eher einfach, aber systematisch ge-staltetes Werk, das den weltweiten ¹sta-te-of-the-artª der Chemie der silicium-haltigen Polymere vorzüglich dokumen-tiert. Für ein Lehrbuch ist es vielleichtetwas zu kompakt, aber als Informa-tionsquelle für fortgeschrittene Studie-rende und Wissenschaftler ausgezeich-net geeignet. Druck und Satz sind prak-tisch fehlerfrei. Bedauerlich ist nur, dasskeine deutschen Autoren und auchkaum Zitate deutscher Quellen gefun-den werden. Trotzdem ist dieses Buchein Standardwerk, das in jeder Biblio-thek seine Platz haben muss. Silicon-Containing Polymers ist eine Pflichtlek-türe für Arbeitsgruppen, die sich mit derPolymer- und Festkörperchemie vonSiliciumverbindungen befassen. Da-rüber hinaus ist die Lektüre dieses inter-disziplinären und geistig anregendenWerks allen an Materialwissenschafteninteressierten Wissenschaftlern drin-gend zu empfehlen.

Christian ZybillPhysik-Department

Technische Universität MünchenGarching

On Quanta, Mind and Matter: HansPrimas in Context. Herausgegebenvon Harald Altmanspacher, A.Amann und U. Müller-Herold.Kluwer Academic Publishers, Dord-recht 1999. VIII� 398 S., geb.112.00 £.ÐISBN 0-7923-5696-9

Laut Bucheinband handelt es sich umeine inspirierende Wissensquelle für je-den, der ernsthaft an Grundlagenfor-schung in der Physik und der Chemiesowie an deren philosophischen Aspek-ten interessiert ist. In Wirklichkeit ist eseine Festschrift anlässlich des 70. Ge-burtstags von Hans Primas, dessen Ar-beit diese Gebiete lange Zeit mitgestal-tet hat.

Für alle, die generell oder sogar bes-tens mit den Themen seiner Schriftenvertraut sind, wird es eine Überraschungsein, daû sich unter seinen frühestenArbeiten die vollständige Entwicklungeines der ersten Schweizer NMR-Spek-trometer mit einer sagenhaften Arbeits-frequenz von 25 MHz findet. Das viel-leicht wichtigste und beständigste Er-gebnis dieser frühen Auseinander-setzung mit der magnetischen Kernreso-nanz war, Richard Ernst als Doktoran-den anzunehmen und ihm das experi-mentelle und theoretische Hintergrund-wissen zu vermitteln, welches dieser soerfolgreich ausgebaut hat. In der Tat isteines der gelungensten Essays in dieserSammlung die ausführliche Würdigungvon Richard Ernsts Zeit bei Primas inZürich. Darin beschäftigt sich Ernst mitder Frage, ob es die Ansicht von Primas,NMR sei zu begrenzt und banal fürseinen scharfsinnigen Kopf, gewesen sei,die ihn weg von der Technik und ihrenAnwendungen hin zum spekulativen Be-reich der Theorie geführt habe, demseine bekanntesten Arbeiten zugehören.Ohne Primas persönlich zu kennen,frage ich mich, ob nicht gerade dasGegenteil die Wahrheit wäre. Die Theo-rie der NMR-Spektroskopie ist einzig-artig, weil sie schrittweise aufgebautwerden kann und mit der Weiterent-wicklung experimenteller Techniken inneue Anwendungsbereiche mitzuwach-sen imstande ist. Für Anhänger desReduktionismus, die von der Entstehungauûerordentlicher Komplexität aus ein-fachen Grundlagen fasziniert sind, istNMR ein ideales Modellsystem. Primaswar immer an den Fundamenten derChemie gelegen, und man kann Analo-gien zwischen seinen Interessen und derausgeprägten Grundlagenforschung, dieseine späteren Schriften kennzeichnet,erkennen.

Der Groûteil des Buches dreht sichum diese eher abstrusen Betrachtungenmit Beiträgen zur C*- und W*-Algebra,temporären Nichtlokalität, Geometrievon Quantenwahrscheinlichkeiten imAbschnitt über Materie und über Holis-mus, relative Onticität, zu Rationalis-mus, Determinismus und Freiheit. Zuden Autoren gehören W. Thirring,E. C. G. Sudarshan und C. P. Enz imersten Abschnitt sowie B. d�Espagnatund C. F. von Weizsäcker im zweiten.Jeder dieser technischen Artikel (vor

denen gewarnt sei, denn sie sind für gutgerüstete Mathematikfanatiker ge-schrieben und keineswegs im Vorbeige-hen zu lesen) beginnt mit ein paar hilf-reichen Seiten, die den Bezug zum Kon-text herstellen und die die allgemeineAusrichtung der Argumentation aufzei-gen. Das Buch endet mit einer Aufli-stung von Primas� Veröffentlichungenbis 1998, an der man dessen ungebro-chene Schaffenskraft zu erkennen ver-mag.

Das Buch wird für alle diejenigen vonerheblichem Wert sein, die der Meinungsind, dass Primas einen beträchtlichenBeitrag zu unserem Verständnis derphysikalischen Grundlagen unsererWirklichkeit geleistet hat. Man hieltihn sicherlich für provokativ, was be-wundernswert ist (und wie es auch imRahmen einer Festschrift festzustellengestattet ist). Die Grundlagen der Quan-tenmechanik sind das Schlachtfeld fürPhysiker und Philosophen (welches dieerstgenannten natürlich zu gegebenerZeit als prädestinierte Sieger verlassen),und es ist richtig, dass Wissenschaftlerihre beträchtlichen mathematischen Fä-higkeiten aufbieten. Solche Leser wer-den viele Anregungen in diesem Buchfinden. Die Argumentation und derFormalismus werden weniger technischversierte Leser, so fürchte ich, ehererschlagen.

Peter AtkinsUniversity of Oxford (Groûbritannien)

Calixarenes in Action. Herausgege-ben von Luigi Mandolini undRocco Ungaro. Imperial CollegePress, London 2000. 271 S., geb.35.00 £.ÐISBN 1-86094-194-X

Nach Information aus CAS-Onlinestanden 1989, als C. David Gutches an-erkanntes Werk Calixarenes veröffent-licht wurde, 63 Artikel zur Verfügung,die sich mit diesen cyclischen Phenolde-rivaten befassten. Zehn Jahre später,1999, wurden mit den gleichen Suchbe-fehlen 450 Publikationen ermittelt (34 %Zunahme pro Jahr). Offensichtlich gibtes keine Anzeichen für ein schwinden-des Interesse an diesen faszinierendenMolekülen aus dem Bereich der supra-molekularen Chemie. Warum auch? Umdie Calixarenchemie aus dem ¹Unter-

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2238 � WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim, 2001 0044-8249/01/11311-2238 $ 17.50+.50/0 Angew. Chem. 2001, 113, Nr. 11

grundª auf einen ihr gebührenden Platzim sich rasch entwickelnden Gebiet derNanotechnologie, des ¹Megatrendsª, zuheben, bleibt noch viel zu tun. Wir sindnoch einiges davon entfernt, Moleküleund Materialien mit maûgeschneidertenphysikochemischen Eigenschaften imNanometerbereich routinemäûig her-stellen zu können.

Wie dem auch sei, ein flüchtiger Blickauf einige der 3219 Publikationen überCalixarene in der CAS-Datenbank lässterahnen, welch aufregende Möglichkei-ten die Nanotechnologie bietet. Dasvorliegende Buch über Calixarene (unddie ungewöhnlichen Resorcinarene) gibtAuskunft darüber, wie weit die Entwick-lung auf diesem Gebiet vorangekommenist oder, unter einem anderen Blickwin-kel gesehen, was noch zu tun ist. Calixa-renes in Action, das die unzähligen Ver-wendungen dieser Verbindungen zusam-menfasst, ist der aktuellste Beitrag in derkleinen, aber wachsenden Reihe vonNachschlagewerken zu diesem Thema.Wie der Titel schon andeutet, ist diesesBuch vorrangig den oft einzigartigenphysikalischen und chemischen Eigen-schaften der Calixarene gewidmet. Es isteine willkommene Ergänzung von Cali-xarene Revisited, des zweiten Buchs vonGutsche, das hauptsächlich die Ge-schichte und die Synthese der Calixare-ne behandelt.

Jedes einzelne Kapitel hier detailliertvorzustellen, scheint mir überflüssig,denn alle behandeln das Thema unterdem Aspekt der supramolekularen Che-mie. Die einzige Überraschung (zumin-dest für den Rezensenten) beim Lesendes Inhaltsverzeichnisses ist die auffal-lende Dominanz europäischer Beiträge.Ich bitte dies nicht falsch zu verstehen,wahrscheinlich ist diese Tatsache daraufzurückzuführen, dass der gröûte Teil der

Calixaren-Forschung in Europa betrie-ben wird. Aber beim Lesen hatte ichmehrmals den Eindruck, dass zusätz-liche Beiträge, beispielsweise von deranderen Seite des groûen Teiches, rechtnützlich gewesen wären. Dieses Gefühlwirkt umso stärker, wenn man zu einer¹unterdrückten Minderheitª auf diesemGebiet gehört, z. B. zu den Resorcin-aren-Chemikern. Ich werde noch einmalauf diesen Punkt zurückkommen.

Was die ¹Actionª der Calixareneanbetrifft, so ist diese im Allgemeinenauf nichtkovalente Anziehungskräftezwischen identischen (oder zumindestnahezu identischen) Molekülen, mit an-deren Worten auf Selbstorganisation,sowie auf nichtkovalente Wechselwir-kungen zwischen zwei (generell) ver-schiedenen Molekülen wie bei den Wirt/Gast-Verbindungen zurückzuführen.Nach einem kurzen einleitenden Kapi-tel, in dem auf die Konformation und dieNomenklatur eingegangen wird, folgenneun Kapitel, die den beiden obengenannten Grundthemen gewidmetsind: In zwei davon werden bestimmtemolekulare oder supramolekulare Ge-bilde vorgestellt, die durch Selbstorga-nisation entstanden sind. Über die Bil-dung von Systemen wie dünnen Filmendurch Selbstorganisation wird in weite-ren Kapiteln berichtet. Die Wirt/Gast-Chemie der Calixarene ist das Thema ineinem Übersichtsartikel über MolecularModeling von Calixaren/Gast-Komple-xen. Die Wirt-Eigenschaften in der Gas-phase, der festen Phase und in Lösungwerden diskutiert, wobei im letzt ge-nannten Fall das Verhalten gegenüberMetallionen, quaternären Ionen, Ani-onen und neutralen Species beschriebenwird. Das Buch schlieût mit einem Be-richt über katalytische Systeme mit Ca-lixarenen, ein Gebiet der Calixarenche-

mie, das sehr schwer zusammenzufassenist, aber in der Zukunft sicherlich einebedeutende Rolle spielen wird.

Irgendwelche Probleme beim Lesendes Textes? Gelegentlich gibt es schonMomente, in denen Druckfehler undgrammatikalische Holprigkeiten dieLektüre verleiden. (Doch halt; Sie soll-ten mal mein Italienisch, Holländischoder Deutsch lesen.) Um auf das obenerwähnte Problem der ¹unterdrücktenMinderheitenª zurückzukommen: Ichvermisse die Behandlung bestimmterThemen wie Strongins Zucker-bindendeResorcinarene, um nur ein Beispiel zunennen. Aber aus Gründen der Fairnessgegenüber den Autoren muss man ein-gestehen, dass das Problem der Grenz-ziehung zwischen Calixarenen und Re-sorcinarenen seit jeher besteht und wohlauch nicht so schnell gelöst wird. Des-halb ist es vielleicht die beste Lösung,dass jemand ein Buch über Resorcin-arene schreibt. Einer von uns ¹Unter-drücktenª sollte dies in Angriff nehmen.Nach einer CAS-Recherche ist die Re-sorcinarenchemie zurzeit ungefähr indem Stadium, in dem sich die Calix-arenchemie befand, als Gutsche seinBuch Calixarenes verfasste. Aber ichschweife ab.

Das vorliegende Buch ist eine nütz-liche Erweiterung des Angebots an be-stehenden Büchern über Calixarene. Eskann als ausführliches Nachschlagewerksowohl für auf diesem Gebiet Forschen-de als auch für Einsteiger dienen, dieeinen Beitrag zur weiteren Entwicklungdieses Forschungsgebiets leisten wollen.

Bruce GibbDepartment of Chemistry

University of New OrleansNew Orleans, LA (USA)