bis(trimethylsilyl)-diimin: zur reduktion mit...

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz. 512 N. WIBERG UND WAN-CHUL JOO Sphäre um die Americium-Zentralatome im Gitter. Als Zwischenprodukt tritt möglicherweise ein Oxid- formiat AmO(HCOO) auf. Die Ausdeutung der Abbaukurven wird erschwert durch eine nach Art eines B o u d o u a r d - Gleich- gewichtes erfolgende Disproportionierung von pri- mär bei der Pyrolyse freigesetztem CO in Kohlen- stoff (Graphit) und C0 2 , wodurch häufig ein zu hoher C0 2 -Pegel vorgetäuscht wird. Die beobachteten Mechanismen entsprechen im wesentlichen denjenigen, die beim Abbau der ent- sprechenden Lanthanidensalze aufgefunden wurden. Dem Bundesministerium für Bildung und Wissen- schaft, der Kommission für Transuranforschung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, der Deut- schen Forschungsgemeinschaft und dem Fonds der Che- mischen Industrie danken wir für die finanzielle Unter- stützung dieser Arbeit. Der Stiftung Volkswagenwerk sind wir für die Bereitstellung eines Atlas CH 4-Mas- senspektrometers zu Dank verpflichtet. Unser besonde- rer Dank gilt ferner den Herren Obermedizinaldirektor Dr. S CHNEIDER, Obermedizinalrat Dr. Z IMMER und Dipl.-Chem. P HILLIPP für die in ihren Laboratorien während einer Umbauperiode gewährte Gastfreund- schaft. Den Herren Dr. R. A. P ENNEMAN, Dr. C. E. H OLLEY und Dr. E. L. H EAD, alle Los Alamos Scien- tific Laboratory, danken wir für wertvolle Diskussio- nen. Bis(trimethylsilyl)-diimin: Zur Reduktion mit Lithium 1 Bis(trimethylsilyl)-diazene: Reduction with Lithium NILS WIBERG und WAN-CHUL JOO Institut für Anorganische Chemie der Universität München (Z. Naturforsch. 26 b, 512—516 [1971] ; eingegangen am 12. März 1971) Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. mult. E. WIBERG zum 70. Geburtstag gewidmet Bis(trimethylsilyl)-diazene (BSD) is reduced by lithium at low temperatures to LiBSD3 (sol- vent: diethyl ether), LiBSD (solvent: tetrahydrofurane) or Li2BSD (solvent: diethyl ester/few tetrahydrofurane). Unlike the stable Li2BSD the compounds LiBSD3 and LiBSD decompose ther- mally at —15 respectively —78°. At this, LiBSD reacts to nitrogene and lithium-bis (trimethyl- silyl)-amide, the latter of which forms an adduct with LiBSD, relatively stable at —45°. Das unterste elektronenleere, antibindende n- Molekülorbital des ungewöhnlich reaktiven, hell- blauen Bis (trimethylsilyl)-diimins (BSD) 2 liegt energetisch sehr niedrig 3 . BSD sollte hiernach ge- Tatsächlich läßt sich BSD durch Lithium (bzw. auch Natrium, Kalium 5 ) zum Radikalanion und zum Di- anion reduzieren. Der Reduktionserfolg wird dabei durch das Reaktionsmedium bestimmt: eine Reak- Sonderdruckanforderungen an Dr. N. WIBERG, Institut f. Anorgan. Chemie d. Univ. München, D-8000 München. 1 12. Mitt. über Verbindungen des Siliciums; 11. Mitt.: N. WIBERG U. W.-C H . Joo, J. Organometal. Chem. 22, 349 [1970]. Zugleich 6. Mitt. über Derivate des Diimins; 5. Mitt.: N. WIBERG U. W. UHLENBROCK, Angew. Chem. 82, 47 [1970]. 2 N. WIBERG, W.-C H . J OO U. W. UHLENBROCK, Angew. Chem. 80, 661 [1968]. genüber starken Elektronendonatoren wie den Alkalimetallen als Elektronenacceptor wirken und ein bzw. zwei Elektronen in sein 7i*-Orbital aufneh- men können 4 : (1) tion von BSD mit Lithium beobachtet man beispiels- weise in Äthern wie Diäthyläther oder Tetrahydro- furan, nicht dagegen in Pentan 6 . Auch der Reduk- tionsverlauf hängt vom Reaktionslösungsmittel ab: 3 N. WIBERG U. M . VEITH, unveröffentlicht. 4 Hier und nachfolgend steht für CH3 die Abkürzung R. 5 U. KRYNITZ , F. GERSON, N . WIBERG U. M . VEITH, Angew. Chem. 81,745 [1969]. 8 Das für Reduktionen des Typs (1) bevorzugte Lösungs- mittel Monoglyme reagiert mit ungeladenem BSD und scheidet deshalb aus. + e e +e © G R 3 Si-N = N-SiR 3 R 3 Si-N-N-SiR 3 ^^^ R 3 Si-N-N-SiR 3 . BSD -e BSD© -e BSD 2G

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.

Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.

512 N. WIBERG UND WAN-CHUL JOO

Sphäre um die Americium-Zentralatome im Gitter. Als Zwischenprodukt tritt möglicherweise ein Oxid-formiat A m O ( H C O O ) auf.

Die Ausdeutung der Abbaukurven wird erschwert durch eine nach Art eines B o u d o u a r d - Gleich-gewichtes er fo lgende Disproport ionierung von pri-mär bei der Pyro lyse freigesetztem CO in Kohlen-stoff (Graphit) und C 0 2 , wodurch häufig ein zu hoher C 0 2 - P e g e l vorgetäuscht wird.

Die beobachteten Mechanismen entsprechen im wesentlichen denjenigen, die be im A b b a u der ent-sprechenden Lanthanidensalze aufgefunden wurden.

Dem Bundesministerium für Bildung und Wissen-schaft, der Kommission für Transuranforschung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, der Deut-schen Forschungsgemeinschaft und dem Fonds der Che-mischen Industrie danken wir für die finanzielle Unter-stützung dieser Arbeit. Der Stiftung Volkswagenwerk sind wir für die Bereitstellung eines Atlas CH 4-Mas-senspektrometers zu Dank verpflichtet. Unser besonde-rer Dank gilt ferner den Herren Obermedizinaldirektor Dr. S C H N E I D E R , Obermedizinalrat Dr. Z I M M E R und Dipl.-Chem. P H I L L I P P für die in ihren Laboratorien während einer Umbauperiode gewährte Gastfreund-schaft. Den Herren Dr. R . A. P E N N E M A N , Dr. C. E. H O L L E Y und Dr. E. L. H E A D , alle Los Alamos Scien-tific Laboratory, danken wir für wertvolle Diskussio-nen.

Bis(trimethylsilyl)-diimin: Zur Reduktion mit Lithium1

Bis(tr imethylsi lyl ) -diazene: Reduct ion with Li th ium

NILS WIBERG u n d W A N - C H U L J O O

Institut für Anorganische Chemie der Universität München

(Z. Naturforsch. 26 b, 512—516 [1971] ; eingegangen am 12. März 1971)

Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. mult. E. WIBERG zum 70. Geburtstag gewidmet

Bis(trimethylsilyl)-diazene (BSD) is reduced by lithium at low temperatures to LiBSD3 (sol-vent: diethyl ether), LiBSD (solvent: tetrahydrofurane) or Li2BSD (solvent: diethyl ester/few tetrahydrofurane). Unlike the stable Li2BSD the compounds LiBSD3 and LiBSD decompose ther-mally at —15 respectively —78°. At this, LiBSD reacts to nitrogene and lithium-bis (trimethyl-silyl)-amide, the latter of which forms an adduct with LiBSD, relatively stable at —45°.

Das unterste elektronenleere, antibindende n -Molekülorbital des ungewöhnlich reaktiven, hell-blauen B i s ( t r imethyls i ly l ) -d i imins ( B S D ) 2 liegt energetisch sehr n i e d r i g 3 . BSD sollte hiernach ge-

Tatsächlich läßt sich B S D durch Lithium (bzw. auch Natrium, Kal ium 5 ) zum Radikalanion und zum Di-anion reduzieren. Der Reduktionserfolg wird dabei durch das Reaktionsmedium bestimmt: eine Reak-

Sonderdruckanforderungen an Dr. N. WIBERG, Institut f. Anorgan. Chemie d. Univ. München, D-8000 München.

1 12. Mitt. über Verbindungen des Siliciums; 11. Mitt.: N. WIBERG U. W . - C H . J o o , J. Organometal . Chem. 2 2 , 3 4 9 [1970]. Zugleich 6. Mitt. über Derivate des Diimins; 5. Mitt.: N. WIBERG U. W. UHLENBROCK, Angew. Chem. 82, 47 [1970].

2 N . WIBERG , W . - C H . JOO U. W . UHLENBROCK , A n g e w . Chem. 80, 661 [1968].

genüber starken Elektronendonatoren wie den Alkalimetallen als Elektronenacceptor wirken und ein bzw. zwei Elektronen in sein 7i*-Orbital aufneh-men können 4 :

( 1 )

tion von B S D mit Lithium beobachtet man beispiels-weise in Äthern wie Diäthyläther oder Tetrahydro-furan, nicht dagegen in Pentan 6 . Auch der Reduk-tionsverlauf hängt v o m Reaktionslösungsmittel a b :

3 N . WIBERG U. M . VEITH , unveröffentlicht. 4 Hier und nachfolgend steht für CH3 die Abkürzung R. 5 U . K R Y N I T Z , F . GERSON , N . WIBERG U. M . VEITH , A n g e w .

Chem. 81,745 [1969]. 8 Das für Reduktionen des Typs (1) bevorzugte Lösungs-

mittel Monoglyme reagiert mit ungeladenem BSD und scheidet deshalb aus.

+ e e +e © G R 3 S i - N = N - S i R 3 R 3 S i - N - N - S i R 3 ^ ^ ^ R 3 S i - N - N - S i R 3 .

BSD - e BSD© - e BSD 2 G

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BIS (TRIMETHYLSILYL) -DIIMIN: REDUKTION MIT LITHIUM 5 1 3

die BSD-Reduktion erfolgt , wie nachstehend gezeigt sei, in Diäthyläther, Tetrahydrofuran bzw. in einem Diäthyläther/Tetrahydrofuran-Gemisch bei — 6 0 ° zunehmend vollständiger zu L i B S D 3 , L i B S D bzw. L i 2 BSD.

Bildung und Zerfall der Verbindung „ L i B S D 3 "

BSD setzt sich im Reaktionsmedium Diäthyläther unter Luft- und Wasserausschluß bei — 6 0 ° langsam mit Lithium um, wobei die zunächst hellblaue BSD-Lösung eine tief dunkelbraune Farbe annimmt. Im Zuge dieser nach einigen Stdn. beendeten Reaktion wird pro Mol BSD 1 /3 Mo l Lithium verbraucht (z. B. 43 ,1 m M o l BSD eingesetzt, 14 ,7 m M o l Li ver-braucht) . Es muß sich mithin eine Verb indung der Summenformel „ L i B S D 3 " gebildet haben. Unter den vorliegenden Reaktionsbedingungen erfo lgt formal eine Reduktion von B S D um 1/s Oxidations stufe.

Die bei — 6 0 ° von Äther befreite dunkelbraune Verbindung L iBSD 3 läßt sich bei tiefen Temperatu-ren in Pentan Umkristallisieren. Sie zersetzt sich bei — 1 5 ° im Hochvakuum unter A b g a b e von 2 /3 des ge-bundenen B S D zu mehreren nicht näher untersuch-ten Produkten:

LiBSD3 ^ 2 BSD + (LiBSD) . (2) T

Folgeprodukte Läßt man eine LiBSD 3 -Diäthylätherlösung bei Zim-mertemperatur zerfallen, so findet man erwartungs-gemäß die Thermolyseprodukte der nach ( 2 ) frei-gesetzten zwei Mole B S D (hauptsächlich Stickstoff und Tetrakis (trimethylsi lyl) -hydrazin 2 ' 7 ) sowie an-dere, o f fenbar auf eine Zersetzung von L i B S D in Anwesenheit von BSD zurückgehende Produkte ( u . a . Stickstoff und Lithium-bis (trimethylsilyl) -amid sowie etwas Li th iumazid) .

Der Reaktionsablauf (2) hat erwartungsgemäß audi zur Folge, daß sich BSD mit Lithium in Diäthyläther bei —15° im Molverhältnis 1 : > 0,33 umsetzt, wobei man als Reaktionsprodukte im Falle eines Ansatzes im Molverhältnis 1 : 1 nur noch LiBSD-Zerfalls-produkte findet. Die Umsetzung führt, da das Reak-tionsgemisch zunächst eine tief dunkelbraune Farbe an-nimmt, wohl über L iBSD 3 , das sich unter allmählicher „Aufhellung" der Reaktionslösung und Stickstoff-entwicklung weiter mit Lithium umsetzt.

Das ESR-Spektrum einer Lösung von L iBSD 3 in Äther liefert ein für BSD-Radikalanionen typisches 5

7 N. WIBERG U. W . UHLENBROCK, Angew. Chem. 82, 47 [ 1 9 7 0 ] .

Signalquintett mit dem geforderten relativen Inten-sitätsverhältnis der Linien von 1 : 2 : 3 : 2 : 1 (a$ = 6 ,13 Gauss; A b b . l ) . Es erscheint unter Berück-sichtigung der Zerfallsreaktion ( 2 ) mithin möglich, daß LiBSD 3 aus einem BSD-Radikalanion sowie einem Lithiumkation mit zwei koordinativ gebun-denen BSD-Molekülen aufgebaut ist:

[ L i ( B S D ) 2 ] ®BSD® ( 1 )

I IQGauss

Abb. 1. ESR-Spektrum von LiBSD3 in Äther bei - 6 0 ° .

Für den Formelvorschlag 1 spricht audi das Ver -bindungsmassenspektrum: man findet einen sehr intensiven Peak der Masse des Li ( B S D ) 2®-Kations bei m / e = 3 5 5 .

Bildung und Zerfall der Verbindung „ L i B S D "

Untersuchungen zum Reaktionsverlauf

Im Reaktionsmedium Tetrahydrofuran setzt sich BSD unter Luft- und Wasserausschluß bereits bei — 7 8 ° langsam mit Lithium um, wobei die zunächst hellblaue BSD-Lösung eine tief dunkelgrüne Farbe annimmt. Im Zuge der nach mehreren Stdn. beende-ten Reaktion wird pro Mol BSD 1 Mol Lithium ver-braucht (z. B. 16,7 mMol BSD eingesetzt, 17 ,0 m M o l Li verbraucht) . Es muß sich mithin eine Verbin-dung der Summenformel „ L i B S D " gebildet haben. Unter den vorliegenden Reaktionsbedingungen er-folgt eine Reduktion von BSD um 1 Oxidations stufe.

Zum Unterschied von Diäthyläther kann Tetrahydro-furan offensichtlich koordinativ gebundenes BSD vom Lithiumkation verdrängen und dadurch der Elektronen-reduktion durch Lithium bei —78° zugänglich machen. Die Verdrängungsreaktion läßt sich an LiBSD3-Diäthyl-äther-Lösungen optisch verfolgen: die tief dunkel-braune Farbe des Reaktionsgemischs verschwindet so-fort nach Zugabe von viel Tetrahydrofuran.

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5 1 4 N. WIBERG UND WAN-CHUL JOO

Die thermisch sehr instabile Verb indung L iBSD konnte bisher nicht in Substanz isoliert werden. Sie zersetzt sich bereits bei — 7 8 ° langsam unter Stick-stoffentwicklung zum Lithium-bis (trimethylsilyl) -a m i d :

2 LiBSD - > N , + 2 LiN (SiR3) 2 . (3)

L i B S D läßt sich aus diesem Grunde nicht in „ re iner " F o r m gewinnen. Etwa 1 0 % von gebildetem LiBSD zerfallen schon während der Darstellung.

Die bei Temperaturen zwischen — 5 0 bis — 4 0 ° nach 1. Reaktionsordnung ( A b b . 2 ) mit einer Halb-wertszeit von etwa einer Stde. erfolgende LiBSD-Thermolyse führt zunächst nur zu 50-proz. Zer-setzung v o n L iBSD gemäß ( 3 ) (Primärthermolyse).

-1.2 |

/ -0.8 /

/

-OA Y 1.44-10'4 sec''

A / + Xl/2 = 80,4 Min.

0 100 200 300 Min.

Abb. 2. Zeitabhängigkeit der Stickstoffentwicklung während der Primärthermolyse von LiBSD ( + : aus Li -f- BSD; A :

aus Li,BSD + BSD).

Dieser Be fund zwingt zu der Annahme, daß ge-bildetes Lithium-bis (trimethylsi lyl ) -amid noch un-zersetztes L iBSD durch Bildung eines Adduktes L i B S D - L i N ( S i R 3 ) 2 zu stabilisieren vermag, so daß die Primärthermolyse von L iBSD insgesamt nach fo lgender Gleichung verläuft ( z . B . 11,5 mMol L i B S D eingesetzt, 2 ,4 m M o l e N 2 freigesetzt) :

2 LiBSD V* N 2 + LiBSD • LiN (SiR s) 2 . (4)

In der Tat zerfällt frisch bei — 7 8 ° dargestelltes L i B S D bei - 4 0 ° nicht, wenn man der Reaktions-lösung zuvor eine der LiBSD-Menge entsprechende M o l m e n g e an LiN (S iR 3 ) 2 zusetzt.

8 Die Geschwindigkeit der Sekundärthermolyse nimmt we-gen des Gleichgewichts (6), das durch gemäß (5) ent-stehendes LiN(SiR3)2 zunehmend nach links verschoben wird, sehr stark ab.

Das gebildete Addukt L i B S D - L i N ( S i R 3 ) 2 zer-setzt sich bei Temperaturen zwischen — 5 0 bis — 4 0 ° mit einer Halbwertszeit von etwa einer Woche sehr langsam ausschließlich zu Stickstoff und Li-thium-bis (trimethylsilyl) -amid (Sekundärthermo-lyse) :

LiBSD • LiN (SiR3) 2 V* N 2 + 2 LiN (SiR3) 2 . (5)

Offensichtlich ist demnach die Konzentration der Verbindung L i B S D , über die die Thermolyse ( 5 ) wohl abläuft (vgl . Reaktion ( 3 ) ) , i m Gleichgewicht mit dem Addukt L i B S D L i N ( S i R 3 ) 2 k l e i n 8 :

LiBSD • U N (SiR,) 2 LiBSD + LiN (SiRa) 2 . (6)

Letztlich zersetzt sich aber alles zunächst gebildete L iBSD auf dem W e g e ( 4 ) , ( 5 ) entsprechend Reak-tion ( 3 ) , so daß die Reduktion v o n B S D mit Li-thium in Tetrahydrofuran insgesamt nach fo lgender Summengleichung abläuft :

Li + BSD - > V* N2 + LiN (SiR s) 2 . (7)

( Z u m Beispiel lieferten 30 ,6 m M o l e L iBSD bei „er -höhter" Temperatur ( 2 0 ° ) insgesamt 14 ,5 m M o l N 2 und 30 ,3 m M o l L i N ( S i R 3 ) 2 . )

ESR-spektroskopische Untersuchungen

( In Zusammenarbeit mit Dr . D . NÖTHE von der T U München) 9

Zur Klärung der Strukturen von „ L i B S D " und „ L i B S D - L i N ( S i R 3 ) 2 " sowie des Verlaufs der Pri-märthermolyse ( 4 ) wurden ESR-spektroskopische Untersuchungen durchgeführt. Das ESR-Spektrum einer Lösung v o n L i B S D in Tetrahydrofuran besteht zu Beginn der Thermolyse erwartungsgemäß aus einem Signalquintett (a^ = 6 ,63 Gauss; A b b . 3 a ) , welches das Vor l i egen von BSD-Radikalanionen an-zeigt. Es erscheint jedoch recht unwahrscheinlich, daß die Tetrahydrofuranlösung L iBSD in mono -merer F o r m enthält, da der LiBSD-Zerfal l ( 4 ) streng nach der 1. Reaktionsordnung erfo lgt ( A b b . 2 ) .

Ahnlich wie bei den mit LiBSD verwandten Metall-ketylen 10 sind wohl auch im Falle von LiBSD Gleich-gewichte zwischen monomeren sowie dimeren para-magnetischen und dimeren diamagnetischen Molekülen

9 Herrn Dr. D. NÖTHE sind wir für die Aufnahme der ESR-Spektren (EPR-Spektrometer Firma AEG Typ 20 X (Fre-quenz ca. 9,3 GHz), EPR-Spektrometer Firma Varian Typ E3 (Frequenz ca. 9,3 GHz)) und wertvolle Diskussionen dankbar.

1 0 N . H I R O T A , i n : R a d i c a l Ions, von E . T . KAISER u n d L . KEVAN, Interscience Publishers, 1968.

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BIS (TRIMETHYLSILYL) -DIIMIN: REDUKTION MIT LITHIUM 515

10 Gauss

Abb. 3. ESR-Spektren von LiBSD (a), teilweise zersetztem LiBSD (b) und LiBSD-LiN (SiR3)2 (c) in Tetrahydrofuran

bei - 6 0 ° .

zu berücksichtigen:

2 R 3 S i - N ~ N - S i R 3 ^ = ± V Li

2 a

R3Si SiR3 R3Si SiR. \ / \ / '

N — • N N — N i / \ ^ /

Li Li , — — Li / Li \ / /

N — N N — N / \ / \

R3Si SiR3 R3Si SiR;

2 b 2 c

Dabei ist eine wesentliche Konzentration des Mono-meren 2 a aufgrund der kinetischen Daten für den Zerfall (4) auszuschließen. Darüberhinaus halten wir

11 Eine auf die Wechselwirkung mit Lithiumkernen zurück-gehende Hyperfeinaufspaltung wurde nicht beobachtet.

das diamagnetische Dimere 2 c wegen der Anhäufung negativer Ladungen im Molekül für wenig wahrschein-lich (auch das mit BSD® verwandte Superoxidion, 0 2 e , liegt in der paramagnetischen und nicht der diamagne-tischen Form vor) . Über das Dimere 2 c verläuft aber wohl der Zerfall (4) von LiBSD in Stickstoff und Li-thium-bis (trimethylsilyl) -amid.

Das ESR-Spektrum des am Ende der Primärther-molyse vorl iegenden Addukts L i B S D - L i N ( S i R 3 ) 2

( A b b . 3 c ) liefert ein Signaltriplett mit drei inten-sitätsgleichen Linien (a^ = 14,5 Gauss ) . Jede der drei Triplettlinien zeigt eine Hyperfeinaufspaltung in fünf Linien mit den relativen Intensitäten 1 : 2 : 3 : 2 : 1 (a^N = l , 4 Gauss) n . Das Aufspaltungsbild entspricht einer Elektronenwechselwirkung mit drei Kernen von Stickstoffatomen, von denen zwei gleich-artig gebunden sind.

Aufgrund dieses Befunds schlagen wir unter Berück-sichtigung der für LiBSD wahrscheinlichen Struktur (2 b) für das Addukt LiBSD • LiN (SiR3) 2 vorläufig die Struktur 3 vor. Daß Lithium-bis (trimethylsilyl)-amid bereitwillig lithiumverbrückte Komplexe bildet, folgt

R3Si SiR3

\ / N — N

\ Li • Li

aus der Verbindungsdimerisierung in unpolaren Lö-sungsmitteln 12 sowie auch im Gaszustand 13 und der Verbindungs-Trimerisierung im Festzustand12. Bin-dungsstärken und -winkel in (LiN (SiR3) 2) n (n = 2,3) deuten dabei auf Li — N — Li-Zweielektronen-Dreizen-tren-Verbrückungen 12.

Wahrend der Primärthermolyse von L iBSD ver-schwindet zunächst das Quintettsignal von L iBSD im ESR-Spektrum ( A b b . 3 a ) . Es macht einem komplizierten Viell inienspektrum Platz ( A b b . 3 b ) 1 4 , aus welchem dann zunehmend das für L i B S D - L i N ( S i R 3 ) 2 gefundene ESR-Aufspaltungs-bild hervortritt. Wahrend der Sekundärthermolyse bleibt das Signal v o n L i B S D - L i N ( S i R 3 ) 2 erhalten, um zum Reaktionsende erwartungsgemäß zu ver-schwinden.

12 U. WANNAGAT, Pure and Applied Chemistry 19, 329 [1969].

13 Massenspektroskopisch nachgewiesen.

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5 1 6 BIS (TRIMETHYLSILYL) -DIIMIN: REDUKTION MIT LITHIUM 516

Bildung der Verbindung , , L i 2 B S D u

Im Reaktionsmedium Diäthyläther/wenig Tetra-hydrofuran setzt sich BSD unter Luft- und Wasser-ausschluß bei — 6 0 ° langsam (bzw. in Diäthyläther bei — 3 0 ° sehr langsam (3 T a g e ) ) mit Lithium im Molverhältnis 1 : 2 um (z. B. 2,7 m M o l BSD einge-setzt, 5 ,2 mMol Li verbraucht) . Dabei nimmt die zu-nächst hellblaue BSD-Lösung während der ersten Umsetzungsstunden eine braune Farbe an. Im wei-teren Reaktionsverlauf wird das Reaktionsgemisch farblos , und es fällt die Verb indung Li 2 BSD, ein thermisch stabiler, nicht schmelzender und nicht sub-limierbarer, in Pentan sowie Diäthyläther unlös-licher, tetrahydrofuranlöslicher, selbstentzündlicher Festkörper aus. Unter den vorl iegenden Reaktions-bedingungen erfolgt mithin eine Reduktion von B S D um 2 Oxidations stufen.

Die auch aus Bis (trimethylsi lyl) -hydrazin und Li-thiumbutyl in Äther erhältliche Verb indung L i 2 BSD entsteht dabei nicht direkt aus Lithium und BSD, sondern indirekt aus LiBSD durch Redoxd i spropor -t ionierung:

2 Li + 2 BSD - > 2 LiBSD . (9)

Et 2 0 2 LiBSD T * Li2BSD + BSD . (10)

THF

14 Aufgrund der großen Ähnlichkeit des ESR-Spektrums einer Lösung von teilweise zersetztem LiBSD (Abb. 2 b) mit dem ESR-Spektrum von NaBSD (vgl. 1. c. 5) ist anzu-nehmen, daß letzteres ebenfalls auf teilweise zersetztes NaBSD zurückgeht.

Für diese Reaktionshypothese sprechen insbesondere zwei Gründe: Einerseits erfolgt bei — 6 0 ° die Um-setzung von BSD mit Lithium nur bis zu einem maxi-malen Molverhältnis von 1 : 0,33 in Diäthyläther bzw. 1 : 1 in Tetrahydrofuran, so daß eine über das Mol-verhältnis 1 : 1 hinausgehende Lithiumaufnahme in Di-äthyläther/Tetrahydrofuran-Gemischen ausgeschlossen werden muß. Andererseits entsteht die Verbindung LiBSD in Tetrahydrofuran besonders einfach und rasch auch aus Li2BSD und BSD 15 und läßt sich umge-kehrt nach Ersatz des Lösungsmittels Tetrahydrofuran durch Pentan oder Diäthyläther wieder in BSD und pentanunlösliches Li2BSD spalten. Dem Gleichgewicht (10) , dessen Einstellung im Zuge einer Vereinigung zweier Moleküle LiBSD bzw. je eines Moleküls Li2BSD und BSD sicher leicht erfolgt (vgl. Strukturformel ( 2 b ) ) , kommt demnach Realität zu: es liegt in Tetra-hydrofuran auf der linken und in Diäthyläther auf der rechten Seite.

BSD setzt sich hiernach in einem aus viel Diäthyl-äther und wenig Tetrahydrofuran bestehenden Lö-sungsmittelgemisch bei — 6 0 ° bzw. in Diäthyläther bei — 3 0 ° zunächst unter Bildung von LiBSD., um. Das aus der Komplexverbindung LiBSD ; }

durch T H F bei — 6 0 ° verdrängte bzw. mit L iBSD 3

bei — 3 0 im Gleichgewicht stehende BSD (vgl. Re-aktion ( 2 ) ) reagiert hierauf mit Lithium weiter zu LiBSD. L iBSD disproportioniert dann gemäß ( 1 0 ) in die Verb indung Li 2 BSD, die ausfällt, und in die Verb indung BSD, welche wiederum von Lithium zu L iBSD reduziert wird usf.

15 Daß die Reaktion von Li und BSD bzw. von Li2BSD und BSD in Tetrahydrofuran zum gleichen Produkt LiBSD führt, folgt aus dem übereinstimmenden Verlauf der Ver-bindungsthermolyse (vgl. Abb. 2).