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FRITZ STIER : BEHIND THE MIRROR

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Medienskulpturen und -installationen von Fritz Stier

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FRITZ STIER : BEHIND THE MIRROR

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fritz stier : inside_outside / in between

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Kunstverein Leimen

FRITZ STIER : BEHIND THE MIRRORMedienskulpturen und -installationen

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Dr. Martin Stather ( Kunstverein Mannheim)zu den Arbeiten von Fritz Stier

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Zeitarbeit

A lot of ghosts in a lot of houses / Look over there! A dry ice factory!Good place to get some thinking done (Talking Heads: Cities)

Zwei nackte Menschen sind an den Fußknöcheln gebunden und kopfunter aufgehängt. Wie Schlachtvieh drehen sie sich langsam gegenläufig. Was Menschen Menschen antun, ob im täglichen Leben, im Krieg oder in der Beziehung, oder was Menschen scheinbar zufällig zustößt, illustriert zunächst immer die Fragilität der menschlichen Existenz („Rotes Rau-schen“). Dabei bleiben die Arbeiten jedoch nicht stehen. Das Dasein als Ganzes, Unteilbares, ist das Thema, Wechsel und Brüche ebenso wie Kontinuitäten. Daraus resultiert eine dialektische Weltsicht – das Eine bedingt das Andere. In der Videoinstallation „In Between“ hängen Menschen in der Luft wie am Trapez in der Zirkuskuppel. Irgendwann lassen sie los und fallen – in einer eleganten Langsamkeit, die den Gedan-ken an den Aufprall, der niemals erfolgt, verdrängt. Jeder von uns ist schon einmal mitten in der Nacht hochgeschreckt, weil er im Traum ins Bodenlose gefallen ist, ein Gefühl, das dem Körpergedächtnis angehört und das wir sofort nachvollziehen können, den Moment des Loslassens. Was für den einen die Katastrophe schlechthin bedeutet, den Fall ins Unendliche, ist für den Anderen zwingend – das Loslassen, das Verändern der Position, die Einsicht in den Fluss des Lebens, in dem wir nichts festzuhalten vermögen.Fritz Stiers Videoarbeiten sind von einer verstörenden Quali-tät, die den Betrachter niemals unbeteiligt lassen. Es handelt sich immer um inszenierte Vorgänge, in denen jedoch vorder-gründig so gut wie nichts geschieht; die Zeit wird gedehnt,

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jede noch so kleine Bewegung festgehalten, offenbar Unspek-takuläres wird zum Zentrum der Darstellung. Traum- oder oft eher Alptraumsequenzen werden ins Bild umgesetzt und wie im Traum bewegt sich die Wahrnehmung aufs Äußerste ge-schärft wie durch eine in Zeitlupe versetzte zähe Flüssigkeit. Das Medium Video wird von Stier gezielt als Medium mit eige-nem Zeitablauf und größtmöglicher Vermittlung von Wirklich-keitssimulation genutzt. Die Fokussierung und Konzentration auf ein aller Zutaten beraubtes Bild schärft die Wahrnehmung zusätzlich.Aus der Physik kennen wir verschiedene Aggregatzustände von Materie. Die Übergänge vom einen zum anderen erfolgt durch plötzliche, qualitative Sprünge. Eis wird oberhalb etwa 4° flüssig, oberhalb etwa 100° gasförmig. Fritz Stier interessiert sich für solche Veränderungen, die er auf eine menschliche Ebene projiziert. Träumen und Wachen sind zwei solcher Zu-stände, im übertragenen Sinn auch das Erwachen aus einer Lethargie etwa, die das Leben zu lähmen droht. Wir alle erle-ben immer wieder radikale Veränderungen in unserem Leben, manchmal von uns selbst ausgelöst, dann wieder durch äu-ßere Einflüsse bewirkt. Indem der Künstler den Mikrokosmos solcher Zustände und ihrer Veränderung beobachtet und do-kumentiert, schärft er unseren Blick für das Wesentliche im Le-ben – das Leben selbst in all seinen Ausdrucksformen und Un-wägbarkeiten. Seine Arbeiten feiern das Wunder des Lebens, berühren zentrale Schnittstellen im Leben eines Jeden.

Had a love affair but it was only paper / Some rays they passed right through(Talking Heads: Paper)

Fritz Stiers Videoarbeiten wirken auf den ersten Blick seltsam statisch – und in der Tat ist der Faktor Zeit eine wesentliche Konstituierende seiner Werke. Der veränderte, verlangsamte Zeitablauf entrückt die dargestellte Szenerie genau so weit von unserem Leben, dass wir eine Außenposition dazu einnehmen können, ohne den Bezug zur Wirklichkeit gänzlich zu verlieren. Eine unmerkliche Veränderung, die qualitativ urplötzlich um-springt, steht im Zentrum der Betrachtung. Wir verfolgen den Moment der Veränderung und wieder trifft er uns unvorberei-tet. Was eben noch eingefrorene Bewegung war, ist flüssig ge-worden und strebt der nächsten Verwandlung zu. Scheinbare Kleinigkeiten werden hier bedeutsam – die Welt erklärt sich in ihrem geringsten Zeitquant. Als weiteres Moment tritt der Ton zum Bild hinzu. Ob nur Rauschen oder ein Schuss – mit subti-len Mitteln wird die Aufmerksamkeit gesteigert.

In der Arbeit „Inside – Outside“ wird das Leben auf unmerkli-che Gesichtsregungen reduziert; der Weg des Sehens führt an der Oberfläche vorbei ins Innere, in eine Versenkung, die das Wesentliche, aber auch das Unwesentliche des Seins berührt. Der Moment des Erwachens, des Erschreckens, führt zurück an die Oberfläche und wieder zurück in einer endlosen Schleife. Stiers Arbeit ist ein meditatives sich Nähern an eine äußere und innere Form der Existenz ohne diese trennen zu wollen. Auch wenn Spannungsmomente ohne Zweifel eine gewich-tige Rolle in den Arbeiten spielen, ist ihnen dennoch eine ab-geklärte Form der Gelassenheit zu eigen, die Dinge zulässt, sie ruhig beschreibt und ein Bild des Menschen schafft, das ihn mit sich selbst versöhnt – wenn wir das für uns zulassen.

DR. MARTIN STATHER

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Dr. Dietmar Schuth (Kunstverein Worms)zu „inside_outside“

Wir sehen 5 Monitore, die durch Sockel auf normale Augenhö-he gebracht wurden und ein identisches Videoband abspielen, chronologisch leicht versetzt. Wir sehen jeweils eine Schleife von insgesamt 10 verschiedenen Porträts: Gesichter, die dem Künstler in die Kamera geschaut haben bzw. eben nicht hin-eingeschaut haben. Wir sehen vor allem geschlossene Augen, scheinbar schlafende, träumende Gesichter, die nach einiger Zeit erst aufgeweckt werden. Es sind 10 Freunde und Freun-dinnen des Künstlers, die vom Künstler mit ruhigen Worten gebeten wurden, ihm zu vertrauen, sich hinzusetzen und zu meditieren. Eine gute Viertelstunde etwa dauerte jede Sitzung und Fritz Stier zeigt uns lediglich die letzten Minuten - in einer Zeitlupe, und damit die Phase der tiefsten Entspannung.

Wir sehen überbelichtete Porträts, die jenen Gesichtern fast alle Lebens- und Altersspuren überblenden. Die Menschen erscheinen schöner als in Wirklichkeit. Ihre Haut erinnert an Porzellan oder Marmor, jenem Material, das seit über zwei-einhalbtausend Jahren in der Kunst Menschen zu zeitlosen Menschenbildern und Ideenträgern stilisierte. Wir sehen ei-nen starken Blaustich, der die Haare tönt und die Gesichter in ein kaltes Licht rückt. Das allein macht bereits deutlich, dass Fritz Stier hier keine rein realistische Studie vorführt, sondern stilisiert und transzendiert. Das Inkarnat wirkt blutleer und dadurch lebensfern, die Wangen scheinen bläulich wie bei byzantinischen Ikonen, wo die Unsterblichen mit einer ähnli-chen Anämie dargestellt wurden.

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inside_outside

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Konkordienkirche Mannheim 2002

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08 Ja man kann sogar an Totenmasken denken, wie der Künstler mir gesagt hat, diese weißen Gipsabdrücke, die die irdische Sterblichkeit jedes auch noch so berühmten Menschen do-kumentieren, wie auch das Hoffen auf ein Weiterleben ihres Geistes.

Wir sehen also ein sehr nachdenkliches und ästhetisch reiz-volles Schauspiel von Porträts, die zunächst mehr zur Gattung des Stillebens gehören und über Vanitas, Vergänglichkeit me-ditieren. Eine Kunst, die unter die Haut geht, unter die Haut unserer eigenen Augenlider, denn je länger man schaut, desto hypnotischer wird diese somnambule Kunst. So wie ein Lachen ansteckend sein kann, können auch diese Schlafgesichter wir-ken. Man schaut selbst in sich hinein, beginnt selbst zu medi-tieren, mit der Gefahr allerdings, dass man den Film verschläft, das Erwachen der Gesichter auf den Monitoren verpasst.

Fritz Stier beschäftigt sich seit langer Zeit mit Buddhismus, je-ner Religion, die eigentlich - wie er selbst sagt - eine Lebens-phiosophie darstellt, eine Erlösungslehre, die den Menschen auf ein Nirwana vorbereitet, auf das Erlöschen allen Leids, auf die Vernichtung aller körperlichen Bedürfnisse und der - so westlichen - Lebensgier. Ja, was ist das Leben? möchte ich mit leicht pastoralem Pathos fragen. Doch genau diese Frage beschäftigt den Künstler, wie unser Gespräch vor kurzem sehr deutlich gemacht hat. Ist es die Welt der offenen Augen, die Welt der Taten? Oder ist es die Welt der geschlossenen Augen, die geistige Welt der Kontemplation?

Wo ist die wahre Wirklichkeit? Inside oder outside?Solche Fragen muss sich jeder selbst stellen und beantworten. Diese Videoinstallation mag hierfür eine philosophische Anre-gung geben. Wer auf diese Gesichter schaut und nur ungedul-dig und schnell gelangweilt darauf wartet, dass etwas passiert, dass einer vielleicht zwischendurch ein Auge öffnet, mit dem Mund zuckt oder in der Nase bohrt, gehört sicher primär zur Welt der Taten und mag eine gewisse Enttäuschung erfahren.Natürlich zwingt uns die Welterfahrung, erst einmal zu schau-en und zu sehen, was um uns geschieht. Ich denke, jeder Be-trachter schaut zunächst ganz realistisch. Kenne ich den Men-schen oder würde ich ihn vielleicht gerne kennen lernen, weil er sympathisch ist, weil er interessant ausschaut? Ich überlege, wer oder was hinter dieser Schlafmaske steckt, welcher Beruf, welche Lebensgeschichte. Man wird zum Voyeur, denn diese Menschen befinden sich in einer intimen Situation, sind hilf-los wie ein schlafendes Kind unseren Blicken schamlos ausge-setzt.

Doch plötzlich erwachen diese Gesichter, ertappen und be-schämen den Voyeur, sind erschreckt und erschrecken glei-chermaßen den Betrachter. Es ist etwas geschehen. Das Kunst-werk hat ja doch ´ne Handlung, obgleich diese sehr einfach, asketisch und sehr allegorisch ist. Nach jenen 15 Minuten nämlich wurden die Probanden erweckt, erschreckt, durch ein lautes Händeklatschen oder gar durch eine Wasserpistole. Die-ses Erwachen hat Fritz Stier in Zeitlupe aufgenommen und wir sehen, wie sich ein Gesicht verändert, wie es erschreckt oder

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wie friedlich es in den Tag zurückfi ndet, wie es dem wachen Le-ben wieder entgegen lächelt oder mit welchem Unmut es auf das Licht des Tages - oder auf jene Wasserpistole - reagiert.

Ja, man kann hier sehr schöne psychologische Studien treiben und überlegen, wie man sich wohl selbst verhalten hätte, ob man seine eigenen Tage eher mit Freude oder mit Angst und Skepsis begrüßt. Wer allerdings nur ungeduldig darauf war-tet, bis jene Gesichter endlich erwachen und - wie bei einem Spielautomaten - überlegt, in welchem Monitor zuerst die Augen aufgehen, muss, oder sagen wir lieber, kann hier noch etwas lernen.

Dieser zeitliche Versatz entspricht nämlich jenem Nirwana, das wörtlich übersetzt „Verwehen“ bedeutet. Und Buddha bedeutet wörtlich übersetzt der „Erwachte“, der „Erleuchte-te“. Jeder Proband wird so selbst zu einem buddhistischen Mönch, dessen Existenz verweht wird und in zeitlich getrenn-te Existenzformen überführt wird. Man könnte auch von einer Art Seelenwanderung sprechen. Diese Menschen fi nden sich plötzlich durch dieses Kunstwerk in einem zyklischen Zeitkon-tinuum wieder - jenseits unserer rationalen Auff assung einer logisch-linearen Zeit, wie sie unsere westliche Kultur- und Geistesgeschichte propagiert.

Es ist eine feine, schöne, kluge und nachdenkliche Arbeit, die - nicht wie sonst fast alle Künste - gierig nach Beachtung schreit, sondern sich eher durch ein Schweigen und ein Wegschauen

erfahren lässt. Es ist ein Kunstwerk, das sich selbst entmateri-alisiert, womit der Künstler sein östlich inspiriertes Gedanken-gut sehr konsequent umsetzt.

Dabei will Fritz Stier sicherlich niemanden zu irgendeiner Welt-anschauung bekehren. Sein Frage - Sie erinnern sich - war: wo fi ndet das wahre Leben statt? In der Welt der geschlossenen oder der off enen Augen? Inside oder outside? Ich denke - es liegt genau dazwischen.

DR. DIETMAR SCHUTH

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Kunstverein Worms Andreasstift 2004

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Videoinstallation

Im Sakralraum des Wormser Museums Andreasstift sind in ca. 8 m Höhe fahnenartige Leinwände montiert. Überlebensgroß sind Menschen zu sehen, die an eisernen Verstrebungen hän-gen. In unterschiedlichen Zeiträumen fallen die Menschen, beglei-tet vom Klang eines Thai-Gongs, verlangsamt in die Tiefe. Aber unmittelbar gefolgt von der Einblendung einer neuen Person, die jetzt an gleicher Stelle hängt, aber unausweichlich einige Minuten später auch loslassen muss.

Kunstverein Worms/Andreasstift„In_Between“ 2004

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In Between

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Kunstverein Worms/Andreasstift„In Between“ 2004

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Wir sehen drei Fahnen unter den acht Meter hohen Querstan-gen im Mittelschiff der ehemaligen Stiftskapelle, unter dem spätromanischen Kreuzrippengewölbe. Drei Videobeamer blenden ihre Bilder auf Leinwände in luftiger Höhe. Menschen sind zu sehen, die wie Turner an der Reckstange herabhängen. 12 verschiedene Menschen schweben so zwischen Himmel und Erde, zwischen Hängen und Fallen, Halten und Loslosen - „in between“.

Meine erste Reaktion war eine Art Schwindel, eine Höhenangst und die damit verbundene Furcht, herabzustürzen. Ich selbst wollte nicht da oben hängen und in den Abgrund schauen, spüren, wie schnell meine Kraft versagt, wie schnell die Hände der Schwerkraft nachgeben müssen. Nein, niemand von uns will ins Bodenlose stürzen, wie immer man das auch interpre-tieren mag. Niemand will in die Arbeitslosigkeit, Armut oder Einsamkeit stürzen, niemand will zu früh sterben. Solche exis-tentiellen Gedanken vermitteln sich mit dieser Videoinstallati-on auf eine beängstigende Art und Weise.

Doch wir sind hier in einer ehemaligen Kirche, wo viele tau-send Menschen seit Jahrhunderten ähnliche Ängste empfun-den haben mögen und deshalb in dieser Kirche nach einem Halt, nach einer Reckstange gesucht haben. So lässt sich auch an Himmelfahrt und Höllensturz denken, jenen Sinnbildern, die die Menschen an ihre Vergänglichkeit auf Erden erinnern. Auch an Christus selbst lässt sich denken, der für viele Men-schen ein Halt, ein Glaubensanker, eine Reckstange bedeutet,

Dr. Dietmar Schuth (Kunstverein Worms)zu „In Between“

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weil gerade er am Kreuz - halb Mensch, halb Gott - zwischen Himmel und Erde schwebte, zwischen Diesseits und Jenseits - „in between.“

Diese religiösen oder philosophischen Gedanken, so finde ich, vertreiben die ursprüngliche Angst vorm Höllensturz, die ich und manche von Ihnen zu Anfang empfunden haben. Es gibt - so lässt sich hoffen - noch eine andere Welt. Diese andere spi-rituelle Welt findet sich freilich nicht im Kaufhaus oder unter einem übervollen Weihnachtsbaum, sondern erst, wenn man seine irdischen Anhaftungen überwindet. Den sehr westlichen Materialismus und seine Konsumsucht zum Beispiel, auch die Gier nach Macht und Erfolg, die Dominanz der Vernunft und das ausgeprägte Sicherheitsdenken, worüber manche weise lächeln würden.

Ab und zu fällt einer der abgebildeten Menschen ins schein-bar Uferlose, begleitet vom Klang eines asiatischen Gongs. Aber der Künstler versteht es, die Szenerie des Fallens so zu in-szenieren, dass der Sturz nicht als dramatisches Ende, sondern nur als Veränderung und Wandlung erlebt wird.

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Kunsthalle Mannheim 2012

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Videoinstallation 2003

In unterschiedlich langen Zeitabständen (ca. 5-15 min) er-scheint die Projektion eines gewaltigen Feuerstrahls, der von lautstarkem Getöse begleitet wird. Wie das urplötzliche Auf-tauchen eines feuerspeienden Drachens.

Nach wenigen Sekunden ist der Spuk vorbei, um sich erst Mi-nuten später wieder zu zeigen.

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Firebug / Springteufel

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Firebug / Springteufel

Kunstverein Worms „worms“ Drachenausstellung 2003

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B-Seite „Festival für visuelle Kunst und Jetztkultur“ 2006

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Videoskulptur 2005

Die Seiltänzerin in dem Video von Fritz Stier führt lineare Be-wegungen aus. Sie muss sich linear auf dem Seil bewegen, um sich nicht selbst in Gefahr zu bringen. Stiers Video ist raum-bezogen. In einem abgedunkelten räumlichen Areal wird die Seiltänzerin projiziert, die, auf schwarzem Hintergrund auf-genommen, als freigestellte Figur erscheint. Sie balanciert vorsichtig und - bedingt durch den Videoloop - ununterbro-chen. Hier und da beginnen ihre Bewegungen zu straucheln, es scheint Gefahr im Verzug und die Spannung für den Be-trachter wächst. Der Titel der Arbeit „in_secure“ spielt mit den Begriffen secure (sicher), insecure (unsicher, haltlos) und in_ secure (in sicherem/n...).

Dr. Ulrike Lehmann (Wilhelm-Hack-Museum)

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in_secure

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Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen/Rh. 2005

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Videoinstallation 2005

Sprache auf nonverbaler Ebene, also mittels Gestik, Mimik und Verhaltensmustern, zu artikulieren, ist Gegenstand von Fritz Stiers Videoinstallation „Talkshow“. Er hat für diese Arbeit mehrere Personen zu unterschiedlichen Zeiten gefilmt. Eine Interaktion zwischen den Personen findet nicht statt, wohl aber wird der Betrachter der Videoinstallation zur Reaktion auf eine unmittelbar verständliche Körperspra-che herausgefordert: durch eine bestimmte Haltung, ein Lä-cheln oder Zunicken, einen interessierten oder gleichgültigen Gesichtsausdruck. Unmittelbar kommunizieren können sie mit dem Publikum nicht und insofern ist der Titel der Arbeit „Talkshow“ zumin-dest ironisiert, wenn nicht ad absurdum geführt.

Doch Vorsicht! Kommunikation - communis: Das ihnen und uns Gemeinsame ist die Körpersprache, die wir zeitversetzt aufgreifen, vergleichbar einem Briefschreiber, dessen Bot-schaft den Empfänger zu einer anderen Zeit, an einem ande-ren Ort erreicht. Nicht zu kommunizieren ist dem Menschen unmöglich. Fritz Stier fragt mit seiner Arbeit: „Sind die Dinge, über die man spricht, überhaupt wesentlich? Liegt das Spannende nicht ge-rade in einem Bereich jenseits der Sprache ... in dem weiten und unbekannten Feld der Sprachlosigkeit?“

Dr. Martina Wehlte (Kunsthistorikerin)

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Talkshow

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Uni-Bibliothek Mannheim „Talkshow“ 2005

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Videostallation 2007

In der Videoarbeit „Floating Cherubim“ beherrschen imaginä-re schwebende Figuren die Bildchoreographie, die zwischen Schein und Sein flanieren.

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Floating Cherubim

The Supper Artclub Strümpfe Mannheim 2011

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Floating Cherubim

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MENSCHEN IM HOTELDr. Christian Blass (Kunsthistoriker)zu „Floating Cherubim“ im Kunstverein Bellevuesaal Wiesbaden

Zauberbergatmosphäre muss geherrscht haben, vor gut 100 Jahren, als der heutige Bellevue-Saal in Wiesbaden noch Spei-sesaal eines noblen Luxushotels war. Elegante Damen in taft-raschelnden Roben, eilfertige Serviermädchen und vornehme Oberkellner belebten die Szenerie. Man kann die Belle Epoque dieser illusteren Räumlichkeit heute noch ahnen. Seit einigen Jahren ist der Saal Ausstellungsraum des Kunstverein Belle-vuesaal.

Fritz Stier verwandelt nun den Raum in ein spirituelles Er-lebnisfeld. Ergänzt durch überlebensgroße Roben aus glän-zend-weissem Steppstoff von Angeli K., seiner künstlerischen Mitstreiterin, lässt er Menschen nahezu rundum im Raum behutsam fallend schweben. An der oberen Deckenkante tauchen sie auf, um nach ihrem sanften Weg nach unten, kurz vor der Berührung am Boden, langsam auszublenden bzw. sich aufzulösen. Wie bei engelhaften Erscheinungen bleiben einzig Erinnerungsspuren, wie es bei den vergangenen „Men-schen im Hotel“ wohl ist. Aber in in diesem Fall schweben in steter Wiederkehr neue Menschen herab. Ihre rudernden Be-wegungen werden zu Metaphern intuitiver Orientierung, zu Symbolen des Verlorenseins und zugleich der Geborgenheit im Zustand der Suche. Letztlich zu Allegorien von Vergäng-lichkeit.

„Floating Cherubim“ nennt der Künstler seine Videoarbeit. Das heißt übersetzt so ungefähr wie „schwebende Engel“, wobei der Begriff „floating“ eher der aktuellen Jugendsprache ent-

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nommen scheint, wo man den „Flow“ als angenehmes, flie-ßendes Eintauchen in Musik, z.B. bei Chillouts, kennt. Damit entschärft der Künstler ein mögliches spirituelles Pathos und transformiert die Arbeit couragiert ins Hier und Jetzt. Fritz Stier nutzt sozusagen die Techniken der Realzeit, die alles – den nahen Alltag, wie die fernsten Ereignisse – unmittelbar verbinden.

Wie er mir in einem Vorgespräch erzählte, sind die herabse-gelnden Figuren für ihn auch Ausdruck von virtueller Realität. Und in der Tat, diese schwebend taumelden Gestalten muten an, als seien sie direkt der simulierten Wirklichkeit der Video-spiele entsprungen.Damit vereinigt seine Kunst auf spannende Art und Weise Spiritualität mit Virtualität, beides Wirklichkeitsebenen, die sich parallel zur tatsächlichen Realität verhalten, sie aber auch gleichzeitig hinterfragen. Konsequenterweise tragen seine Protagonisten auch Alltagskleidung von heute. Jeans, Kapu-zenshirt und Turnschuhe als Dresscode für Cherubim, jene Wesen, die, halb Mensch, halb Engel, als Mittler zwischen Him-mel und Erde fungieren.

Zum ersten Mal tauchen sie in der Genesis auf, wo sie nach dem Sündenfall und der Vertreibung von Adam und Eva aus dem Garten Eden von Gott als Wächter vor dem Zugang zum Paradies aufgestellt wurden. Die Beschreibung im Buch Eze-chiel (1,4-19 EU) zeigt sie als menschenähnliche Wesen, die einen himmlischen Wagen (Merkaba) begleiten.

35Darüber hinaus erinnert die Videoarbeit im Kunsterein Belle-vuesaal auch an die Aussagen des zeitgenössischen Philoso-phen Paul Virilio, der, wie kein anderer, Technik, Physik und Metaphysik zu einer gemeinsamen Ästhetik der Wahrneh-mung verschränkt. »Die Menschheit muss sich wieder ihrer Endlichkeit bewusst werden, dazu braucht sie Glauben, Religion, jedenfalls Me-taphysik, denn nur der Blick für das Transzendente kann die Hoffnung aufrechterhalten“, wie er in einem seiner Essays for-muliert.

Natürlich verweist die Szenerie auch auf eine Traumwirklich-keit, wie wir sie alle, vielleicht sogar so, wie hier gezeigt, ken-nen. Schweben und Fliegen stellen letztendlich sogar eine der am häufigsten genannten positiven Traumerfahrungen dar. Wie weit die Deutungen von Sexualität über Freiheitsgefühle bis zur Glücksverheißung, hier greifen, sei jedoch jedem selbst anheim gegeben. Mögliche Interpretationen von Fritz Stier´s „Floating Cheru-bim“ werden so für jeden Betrachter zu einer eigenen kogniti-ven Orientierungskarte zusammengesetzt, die es ermöglicht, einen jeweils ganz spezifischen Weg durch das Chaos der di-vergierenden Weltbilder zu finden.

Es lohnt sich jedenfalls sehr, sich mit dieser intelligenten Kunst auf den Weg zu machen.

DR. CHRISTIAN BLASS

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Kunstverein Bellevuesaal, WiesbadenDoppelausstellung mit Angeli K. 2007

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Videoinstallation 2007

In der Arbeit „BODHI“ ( sanskrit: Erwachen, Erkennen, Wissen) geht es um äußere Gewalt und innere Stärke, die Sehnsucht nach metaphysischer Heimat und vielleicht sogar um den Wunsch nach Unsterblichkeit. Die Heiterkeit der vermeintli-chen Opfer verweist, wenn man z.B. der japanischen Ikonogra-fie folgt, auf einen vollkommen erleuchteten Geist.

Im Zentrum der Arbeit sieht man Gesichter, die in einen schlaf-ähnlichen, kontemplativen Zustand versunken sind. Die Ge-sichter sind weißbläulich gefärbt, fast wie antike Marmorbüs-ten erscheinend, was durch die Projektion auf mattschwarze Leichtschaumplatten noch verstärkt wird. Rechts bzw. links ist jeweils eine Pistole auf die Schläfe ge-richtet. Durch sichtbar leichte Bewegungen der Hand er-scheint die Situation so, als würde in wenigen Momenten abgedrückt. Tatsächlich dauert es jedoch minutenlang, bis die Schüsse fallen. Die Menschen sinken aber nicht getroffen zu-sammen, sondern erwachen aus ihrem komatösen Schlaf, auf-geschreckt, aber meist befreit lachend. Das lachende Gesicht wird nach wenigen Sekunden ausgeblendet und macht Platz für eine neue „Hinrichtung“.

Der Begriff „Bodhi“ wird auch mit dem Moment der Erleuch-tung in Verbindung gebracht. Im Zen-Buddhismus sagt man, dass Erleuchtung auf zwei unterschiedliche Arten entstehen kann. Zum einen durch langjährige disziplinierte Meditation oder zum anderen schlagartig und plötzlich. Letzteres kann auf verschiedene Art und Weise geschehen. Manchmal auch durch einen lauten kräftigen Schlag mit einem Stock, den der Meister im rechten Augenblick dem Schüler zufügt... ähnlich dem Schuss in der Installation.

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Bodhi

Hochbunker Mannheim „artscoutone“ 2010

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Hochbunker Mannheim „artscoutone“ 2010

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Hochbunker Mannheim „artscoutone“ 2010

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Rotes Rauschen

Videoskuptur 2011

„Rotes Rauschen“ zeigt an den Füßen aufgehängte Leiber, die kopfunter im Raum baumeln. Der Titel spielt auf das Blut an, das die Köpfe zu sprengen droht, und verweist zugleich auf das vom Bildschirm her vertraute „Weiße Rauschen“, das flim-mernde Leere bedeutet, Abwesenheit jeglicher Information und die Unendlichkeit statischer Bewegung. Die Skala mög-licher Assoziationen reicht von hängenden Schweinehälften im Schlachthaus über Horrorbilder von Foltermethoden bis hin zum Nervenkitzel modischer Extremsportarten und der in Angst- und Wunschträumen erlebten Schwerelosigkeit.

Kunstfabrik Darmstadt 2011

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Monitorarbeit 2012

Auf fünf Monitoren werden parallele Aufnahmen einer Kon-torsionskünstlerin (Schlangenfrau), wie man sie aus Zirkus und Varieté kennt, gezeigt, die in extremer Zeitlupe ihren Körper verbiegt. Die Szenen wurden mit einer Highspeedkamera auf-genommen, was die Verbiegungen ins schier Endlose dehnt.

„con torso“ thematisiert Extreme des Körpers und der Seele und macht sich gleichzeitig auf die Suche nach einer Wirklich-keit hinter den Dingen.

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con torso

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„Seestück“ Videoinstallationlinks + rechts oben: Nachtwandel Mannheim 2009rechts Mitte: Inseln und Archipele Mannheim 2008rechts unten: Bluebanana Landau (Franken) 2010

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„INTERFACES“ Videoinstallation Kunstraum Heidelberg 2003

KunstraumHeidelberg „Interfaces“ Videoinstallation 1997links: unterer Raum - rechts: oberer Raum

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Kunstraum Heidelberg „Exhibitionist“ Videoinstallation 2004

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SWR3-Party Heidelberger Schloß „Electronic Shower“ Videoinstallation 2003

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Simone Kraft (Kunsthistorikerin) im Gespräch mit Fritz Stier 2011

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Interview

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SIMONE KRAFT / FRITZ STIER

Warum eigentlich Video? Welche Möglichkeiten bietet Dir die Arbeit mit Video?Video ist für mich zwischen Film, Theater, Fotografie, eventu-ell sogar Malerei angesiedelt. Diese Schnittstellen faszinieren mich schon immer sehr.Vielleicht haben deshalb viele meiner Arbeiten einen szeni-schen, inszenierten Charakter, andererseits sind sie oft sehr langsam, fast bis zur Bewegungslosigkeit. Eigentlich sind meine Arbeiten wie Bilder, die sich langsam verändern. Das heißt der Faktor Zeit ist eine wichtige Größe für mich. Deshalb verwende ich auch oft Zeitlupen oder szenische Endlosloops. Bei der Arbeit con_torso habe ich z.B. eine Highspeed-Kamera eingesetzt, die die Bewegungen einer Kontorsionskünstlerin (Schlangenfrau) nahezu ins Unendliche dehnt.

Das bedeutet aber auch, dass ein Betrachter sehr viel Geduld mitbringen muss, wenn er sich auf Deine Arbeiten einlassen will?Ja das stimmt. Die Zeit gibt mir aber auch die Möglichkeit, wie bei einer Choreographie, meine Arbeit zu strukturieren und den Betrachter durch die Arbeit zu führen.

Und welche Themen interessieren Dich am meisten? Besonders in meinen Videoinstallationen zeige ich meine Pro-tagonist/innen (Modelle) häufig in Situationen, die bei uns allen in einer Art kollektivem Gedächtnis verankert sind. So z.B., wenn Menschen sich in schwindelnder Höhe kaum noch halten können (In Between), nackt an den Füßen auf-

gehängt baumeln (Rotes Rauschen) oder langsam durch den Raum schweben (Floating). Es sind quasi Szenerien, die zwi-schen Traum und Wirklichkeit angesiedelt sind. Auch wenn die meisten von uns die Situationen selbst nie erlebt haben, kon-turieren sie meines Erachtens unser unbewußtes Weltbild. Dabei arbeite ich in der Regel nicht einfach nur dokumenta-risch, sondern interveniere zusätzlich inhaltlich oder formal.

Wie sehen diese Interventionen aus?Einen wichtigen Aspekt habe ich schon genannt: Die Zeit. D.h. sehr oft dehne ich die Takes oder auch Pausen minuten-lang aus. Und wenn man denkt, das ist es eigentlich, kommt manchmal eine überaschende Wendung (Bodhi, Firebug). Ansonsten projiziere ich auch gerne auf tiefschwarze Leicht-schaumplatten, das ergibt meines Erachtens noch einen an-deren Bildeindruck und hebt das typisch cineastische Element bei Projektionen auf.

Soweit ich weiß, hast Du bereits sehr früh angefangen mit Video zu arbeiten, stimmt das?Ja das ist wahr. In den frühen 80er Jahren leitete ich mit mei-ner damaligen Frau, Antje Böttger, die auch Künstlerin ist, eini-ge Jahre einen Kunstraum in Mannheim, das „ART NOW“. Das Ausstellungsprogramm bestand in erster Linie in Perfor-mance- und Videokunst. Da war es naheliegend, dass ich auch begann, mit Video zu arbeiten.Das war damals nicht einfach, da die notwendigen Geräte noch sehr teuer, bzw. schwierig auszuleihen waren.

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Meine erste Videoarbeit hieß „Cogito ergo sum“ und war noch sehr performant. Die habe ich auf einem s/w-Halbzollspulen-recorder auf Audio-Magnetband aufgenommen, da richtige Bänder zu kostspielig gewesen wären.

Damals habe ich dann mit ein paar Freunden das „Halbzollge-biet“ gegründet. Zusammen haben wir dann einige interes-sante Arbeiten gemacht.

schweben (Floating). Es sind quasi Szenerien, die zwischen Traum und Wirklichkeit angesiedelt sind. Auch wenn die meis-ten von uns die Situationen selbst nie erlebt haben, konturie-ren sie trotzdem unser Weltbild. Dabei arbeite ich in der Regel nicht einfach nur dokumentarisch, sondern interveniere zu-sätzlich inhaltlich oder formal.

Später, als die Punkbewegung von England hierher schwapp-te, habe ich dann viel mit Sound in Verbindung mit Video ex-perimentiert. Sehr bald war ich dann auch Mitinitiator von

„Videocongress“, einer bundesweiten Vereinigung von Video-künstler/innen. Da waren Leute wie Axel Brand aus Köln, Wal-ter Gramming aus Berlin, 235 aus Düsseldorf, Fun+Art Mün-chen, Zero One aus der Schweiz usw. dabei.

1982 warst Du glaube ich der erste, der hier im Raum auch ein Kunstvideofestival auf die Beine gestellt hat?Ja, das war im Mai 1982. Wir hatten einen der allerersten Vi-deoprojektoren, der noch auf eine gebogene Spezialleinwand projiziert hat. Damals waren Arbeiten von allen vertreten, die Rang und Namen hatten. Von Nam June Paik bis Joseph Beuys und Marcel Odenbach bis Yoko Ono.

Hast Du nicht auch die ersten Punkkonzerte veranstaltet?Die ersten waren es bestimmt nicht, aber zumindest hier in der Rhein-Neckar-Region war Punk etwas Neues. Es gab auch enge Verbindungen zum „Ratinger Hof“ in Düsseldorf oder zum „SO36“ in Berlin. Damals gab es eine enge Verbindung zwischen Bildender Kunst und Punkmusik. Einige Bands ha-ben wir ohne polizeiliche Anmeldung spontan unter Brücken im Hafengebiet präsentiert. Nicht selten um Mitternacht. Schnell aufbauen, spielen und dann nichts weg, bevor die Po-lizei kam. Später habe ich dann, diesmal offiziell, „Abenteuer unter Tage“ in der Borelligrotte, einer großen Fußgängerunterführung in Mannheim, veranstaltet. Mit Kiev Stingl, der Plan, Schwefel und vielen anderen. Das ging drei Tage rund um die Uhr mit vielen Performances, Ausstellungen und Konzerten.

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Cogito ergo sum 1977

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Du hast Deine eigene künstlerische Arbeit aber weiter verfolgt und warst auch Mitglied verschiedener Künstler-gruppen?Ja eine Zeit lang war ich Mitglied beim „Neoist Research Pro-ject“. Das war eine europaweite Vereinigung, die dem Neo-dadaismus sehr nahe stand und mit denen ich verschiedene Aktionen gemacht habe. Später dann hat mich Christoph Ries, ein Schweizer Installa-tionskünstler in ein Projekt geholt, dass Künstler/innen aus unterschiedlichen Sparten vereint hat. Außer Christoph waren da noch James Saunders (Choreograph und Tänzer), Maria de

SIMONE KRAFT / FRITZ STIER

Abenteuer unter Tage Borelligrotte Mannheim 1982

Alvear (Komponistin neuer Musik), Martin Schilken (Maler)und eben ich als Videokünstler. Wir nannten uns „Tafelrunde“ und hatten tolle Planungen und Ideen, u.a. die Kreation ei-nes gemeinsamen Parfums, ein unterirdisches Haus usw. Das Kultusministerium Nord-Rhein-Westfalen hat uns eine Menge Geld gegeben und wollte allerdings so eine Art spartenüber-greifendes Crossoverfestival. Wir wollten aber unsere Ideen verwirklichen. Das Ende vom Lied war schließlich, dass wir das Geld zurückgegeben haben. Dummerweise konnten wir aller-dings unsere Planungen dann auch nicht finanzieren.

Neuerdings arbeitest Du auch wieder mit Sound?Ja! Allerdings sind die Arbeiten, z.B. John_Recall, viel konzep-tueller geworden und haben mehr einen installativen Charak-ter. Damit ähneln sie auch mehr meinen Videoarbeiten.

Neoist Research Project1982

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www.simonekraft.com

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Partizipatorisches Soundpiece 2010mit Barbara Hindahl und Andreas Wolf

„Pssst“ ist Aufforderung zur Ruhe, als auch ein leiser Zuruf, der Aufmerksamkeit sucht. 1000 CD´s mit selbst eingespochenen Pssst-Lauten wurden in der Innenstadt von Mannheim, ver-teilt. Eine Anleitung fordert die Bewohner/innen auf, zu einem bestimmtem Termin den Soundfile am geöffneten Fenster über Lautsprecherboxen abzuspielen.

Es entstand eine Art Konzert, bei dem der Zufall des leicht ver-setzten Zeitpunktes, an dem die Teilnehmer/innen den Ton-träger starteten, sowie die Reaktionen von nicht beteiligten Anwohnern, die freie Partitur der Komposition bildeten.

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Pssst!

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Soundpiece 2012[*_Wiederaufruf]

Soundpiece anlässlich eines Happenings zum 100. Geburtstag von John Cage. In der Zeitklammer von 8 Stunden ist der Name „John“, von einer männlichen Stimme eingesprochen, zu hören. Die Into-nation der Stimme ist eher zurückhaltend … fragend… unsi-cher… zweifelnd.

Der kompositorischen Intention von Cage entsprechend, wer-den die Zeitabstände des Rufens, sowie die Lautstärke, ausge-würfelt, unterliegen also einer Zufallsoperation, wie sie John Cage in seinen Arbeiten häufig eingesetzt hat.

Technik: Audio/DVD-Player mit mehreren Lautsprechern, die in allen Räumen verteilt sind. Dadurch werden auch mikroto-nale Intervalle forciert.

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John_Recall*

ZeitraumExit Mannheim „John_Recall“ 2012

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BIOGRAPHIEgeb. 1951 in Mannheim; Kunststudium in Berlin und Mann-heim; Kunst- und Gestaltungstherapeut; 1980-85 Kunstraum „art now“, Mannheim; Mitinitiator von „Videocongress“ (in-dependent media artists); Mitglied der Künstlergruppe „Ta-felrunde“; seit 1989 Realisation und Organisation von div. Ausstellungen und Festivals u.a. „Abenteuer unter Tage“ Mannheim, „Künstler an die Macht“ Köln, „Internationale Vi-deotage“ Mannheim/Heidelberg; seit 1999 Ausstellungsleiter des Kunstverein Viernheim; seit 2006 Künstlerischer Leiter des Kunsthaus Viernheim; 2010 Mitinitiator von KING KONG Con-temporary Art Project; lebt und arbeitet in Mannheim und Viernheim.

AUSSTELLUNGEN (AUSWAHL)2013 Kunstverein Leimen (E); 2012 „Deltabeben“ Kunstverein Mannheim (G)(K); 2011 Kunstfabrik Darmstadt (E); „Getting Physical“ 25 Bilder/sec, Videospace Mannheim; 2010 „Regiona-le“ Wilhelm-Hack-Museum (G)(K); 2009 „Bluebanana“ Landau/Isar (G); „artscoutone“ Mannheim (G); 2008 „Inseln und Archi-pele“ Uni Mannheim (G)(K); 2007 Kunstverein Bellevuesaal, Wiesbaden (G); „Bodhi“ PENG-Raum für Kunst, Mannheim (E)(K); 2004 „In Between“ Kunstverein Worms (E)(K); 1997 Hei-delberger Kunstverein (G); 1990 Galerie Eins, Speyer (G); In-dependent Art Gallery, Schwetzingen (E); 1986 Kunstverein Mannheim (G); Art Basel (G); 1985 Galerie Odem, Hannover (G); „Wellenlängen“ Moltkerei Werkstatt, Köln (G)(K); 1983 Vi-deocongress München (G); Performancefestival Würzburg (G); 1982 Kunstraum Oey Tjeng, Amsterdam (E); 1981 Galerie Kunoldstraße, Kassel (E); 1980 „Diaspora“Multi Media Festival, Würzburg (G).

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Vita / Ausstellungen

BIBLIOGRAPHIE1980 Diaspora, Musikhochschule Würzburg (Katalog)1982 Internationale Videotage Mannheim (Katalog)1982 European Neoist Training Camp (Katalog)1983 Luigi Nicoletti; Llaut - Zeitschrift f. Musik + Kunst1984 World Wide Video, Stockholm (Katalog)1986 Wellenlängen, Verlag Walther König, Köln2005 In Between, Kunstverein Worms (Katalog)2005 spüren-aufspüren ... Wilhelm-Hack-Museum (Katalog)2006 Talkshow (Katalog)2007 Bodhi (Katalog) 2007 PENG - Raum für Kunst (Katalog)2008 Bellevuesaal 2008-2009 (Katalog)2008 Seestück (Katalog)2010 Regionale, Wilhelm-Hack-Museum (Katalog)2010 Fremde Heimat, Kunsthalle Mannheim (Katalogbuch)2011 Inseln und Archipele, Uni Mannheim (Buch)2012 Atelier und Künstler, Kreiskulturwoche (Katalog)2012 10 Jahre Kunstverein Worms (Katalog)2012 Deltabeben, Kunstverein Mannheim (Katalog)

AUSZEICHNUNGENKunstpreis Nordrhein-Westfalen; Jurypreis Nürnberger Kurz-filmtage; Silberne Pyramide ITVA Festival; Auszeichnung Cor-porate TV & Videofestival.

E=Einzelausstellung; G=Gruppenausstellung; K=Katalog

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Ich möchte allen danken, die mich bei der Erstellung dieses Katalogs unterstüzt haben. Besonders meiner Frau Angelika Fischer-Stier, weiterhin Dr. Christian Blass, Dorothea Burk-hardt, Ekaterina Demina, Prof. Hans Gercke, Gertraud Hassel-bach, Barbara Hindahl, Simone Kraft, Sabine Kress, Dr. Ulrike Lehmann, Frank Rossi, Dr. Dietmar Schuth, Michael Schwartz-kopff, Dr. Martin Stather, Prof. Wolf Stegmann, Benedikt Steg-mayer, Karin Gelse-Voigt, Dr. Martina Wehlte, Andreas Wolf, sowie dem Kulturamt der Stadt Mannheim, kunststueckchen und dem Kunstverein Leimen.

Danksagung

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© edition comselha, Mannheim, 2013© Texte: Dr. Martin Stather (S. 4 ff), Dr. Dietmar Schuth (S. 6, 16 ff), Dr. Ulrike Lehmann (S. 24), Dr. Martina Wehlte (S. 28), Dr. Christian Blass (S. 34 ff), Simone Kraft (S. 60 ff), Prof. Hans Gercke (Katalogrückseite), Fritz Stier© Fotos: Dorothea Burkhardt, Heidelberg (S. 2, 40, 47 ), Micha-el Schwarzkopff, Mannheim (S. 7), Sabine Kress, Mannheim (S. 13, 14, 18 ), Anika Wind, Mannheim (S. 17), Matthias Withopf, Alsheim (S. 24, S. 26) Gertraud Hasselbach, Wiesbaden (S. 36), Andreas Wolf, Mannheim (S. 64), Fritz Stier

edition comselha, Mittelstraße 5, 68169 Mannheim, Tel. +49 (621) 30 7272-4, Fax +49 (621) 30 72 72-5; www.comselha.comFritz Stier, M7-22, 68161 Mannheim, Tel. +49 (621) 4 54 90 80 E-Mail: [email protected]; www.fritzstier.de

Herausgeber: Kunstverein LeimenPostfach 1467, 69169 Leimen: www.kunstverein-leimen.de

Druck & Bindung: LASERLINE Druckzentrum, Scheringstr. 1, 13355 Berlin-Mitte; www.laser-line.de

1. Auflage 01/2013, 1000 Stk.

ISBN 978-3-00-040999-8

Gefördert durch das Kulturamt der Stadt Mannheim und kunststueckchen Medienagentur Viernheim.

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70 Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Ab-bildungen, auch auszugsweise, ist ohne die schriftliche Zu-stimmung des Verlags oder der jeweiligen Autoren urheber-rechtswidrig und daher strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elekt-ronischen Systemen.

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kunst.stueckchen

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fritz stier : inside_outside / in between

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„Die große Kraft der Kunst“, so ist in einem Interview mit Anselm Kiefer zu lesen, „liegt in ihrer Uneindeutigkeit. Wenn sie versucht, eindeutig zu sein, schafft sie sich selbst ab.“Dies gilt in hohem Maße auch für die auf sehr spezifische Weise zwischen meditativer Poesie und irritierender Beklemmung irisierenden Videoarbeiten von Fritz Stier. Sie wurzeln ebenso in der Beschäftigung des Künstlers mit fernöstlicher Mystik wie in seiner persönli-chen Erfahrung und handeln von existentiellen Grundfragen, von Leben und Tod, und von der Grauzone, die sich zwischen Schmerz und Lust auftut, von allgegenwärtiger Bedrohung und dem Hunger nach extremer Erfahrung. (Prof. Hans Gercke)