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Prof. Dr. Manuel Puppis & Prof. Dr. Werner A. Meier
Atelier «Medien und Demokratie»
Manuel Puppis
Departement für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung DCM
Werner A. Meier
AGK
Tagung «Reclaim Democracy»
Basel, 03.02.2017
Prof. Dr. Manuel Puppis & Prof. Dr. Werner A. Meier
Programmvorschlag
1. Einleitung: Wovon sprechen wir, wenn wir von Medien sprechen?
2. Grundlagen: Medien und Demokratie
3. Probleme I: Medienkrise
4. Probleme II: Service public
5. Probleme III: Digitale Plattformen
6. Aufbruch I: Neue philosophische Grundlagen für Medienpolitik
7. Aufbruch II: Auswege aus der Krise
Reclaim Democracy: Atelier Medien und Demokratie
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Prof. Dr. Manuel Puppis & Prof. Dr. Werner A. Meier
1. Einleitung: Wovon sprechen wir, wenn wir von Medien sprechen?
Reclaim Democracy: Atelier Medien und Demokratie
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Massenmedien sind mehr als der übertragene Inhalt und die benutzte
Technologie: Medienorganisation
Medienstrukturen haben Einfluss auf Medienleistung
- Medienorganisationen prägen Arbeit von Journalist/innen
- Medienorganisationen selbst geprägt von Mediensystem
Journalismus ist nicht nur das Ergebnis individueller Arbeit sondern von
Organisationen
- Strukturen von Medienorganisationen mit bestimmten Rollen
- Routinen der Nachrichtenproduktion und «news policies»
- Geschäftsmodelle und zur Verfügung stehende Ressourcen
Was sind Medien?
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Und was ist mit «Neuen Medien»?
«Neue Medien», «Social Media» und «Web 2.0»:
neue Kommunikationstechnologien
Potenzial für Demokratie
- ermöglichen zahlreiche neue Möglichkeiten zur Information, Diskussion und
Partizipation
- können für demokratische und undemokratische Zwecke genutzt werden
Potenzial für Journalismus
- bieten selbst keinen Journalismus: keine publizistischen Medien, sondern verbreiten
Inhalte, die von Medienorganisationen erstellt wurden
- Medienorganisationen können «Social Media» aber für Austausch mit Bürgerinnen
und Bürgern nutzen
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Ist Medienpolitik zulässig?
Mainstream-Ökonomen akzeptieren nur Marktversagen als Grund für
staatliche Eingriffe
- «Die Diagnose eines Marktversagens ist … notwendige Bedingung, um einen
Staatseingriff … zu erwägen» (Roth 2011)
- aber: ein funktionierender ökonomischer Wettbewerb garantiert nicht publizistische
Qualität und Vielfalt
Alternative Sichtweise: Medien sind nicht nur Wirtschafts- sondern auch
Kulturgüter
- politische, soziale, kulturelle Bedeutung von Medien
- Herstellung von Öffentlichkeit, Produktion von Meinungsvielfalt und Herausbildung
gesellschaftlicher Normen sperren sich gegen Marktbewertung
- rechtfertigt Regulierung im öffentlichen Interesse («public interest»), die über
ökonomische Aspekte hinausgeht
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2. Grundlagen: Medien und Demokratie
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Wovon sprechen wir, wenn wir von Demokratie sprechen?
Es gibt nicht DIE Demokratie
- Unterschiedliche Modelle von Demokratie (z.B. USA vs. Schweiz: präsidentielles
System vs. Konkordanz)
- Idealität vs. Realität
relevant für das Funktionieren von Demokratien ist ein öffentlicher Diskurs:
Voraussetzung für kollektive Entscheidungsprozesse
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Die Bedeutung von Journalismus für die Demokratie
Journalismus als Voraussetzung für Demokratie
- in modernen Gesellschaften wird Öffentlichkeit durch Massenmedien hergestellt
- Medien vermitteln zwischen Bürgerschaft und Politik
auch in der digitalen Gesellschaft bleibt Journalismus wichtig
- auf «Social Media» geteilte Inhalte werden von traditionellen Medienorganisationen
erstellt
- die Auswahl von Inhalten auf «Social Media» basiert auf geheim gehaltenen
Algorithmen, nicht professioneller journalistischer Selektion («Filter Bubble»)
- auf «Social Media» werden journalistische Inhalte gleichwertig neben PR und
ungeprüfter Information («Fake News») angezeigt
- trotz den Leistungen von Bloggern etc.: die kontinuierliche Produktion von
Journalismus setzt eine Organisation voraus
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Kommerzielle, öffentliche und alternative Medien
kommerzielle Medienorganisationen:
gewinnorientierte Unternehmen
öffentliche Medienorganisationen:
Service public
alternative Medienorganisationen:
Community-Medien
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Kritik I: Kommerzielle Institutionalisierung
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«Die Redaktion ist für kapitalistische
Erwerbsunternehmungen nichts
weiter als lästiger Kostenbestandteil,
der gebraucht wird, um Annoncen
vor die Augen der Menschen zu
bringen […]. Also ist die Zeitung ein
Erwerbsunternehmen, das
Annoncenraum als Ware erzeugt,
die nur durch einen redaktionellen Teil
verkäuflich wird» (Karl Bücher 1926)
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Kritik II: Eigeninteressen der Medieneigentümer
Eigentümer von Medien haben kein Interesse an progressiver und
emanzipatorischer Medienpolitik
Möglichkeiten zur Einflussnahme weitaus grösser als in anderen Branchen
- Lobbying
- bewusste Nicht-Berichterstattung oder verzerrte Darstellung (media policy
silence/bias)
- Ideologieproduktion
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Kritik III: Professioneller Journalismus
unter kommerziellen Bedingungen produzierter Journalismus erfüllt die
geforderten demokratiegerechten Leistungen nur fallweise
professioneller Journalismus
- entwickelt Handwerksregeln und ethische Grundsätze
- ist aber nicht inkompatibel mit «news policies» und kommerzieller Ausrichtung
- und weist Elitenorientierung auf
«Trump’s candidacy may not be good for America, but it’s damn good for CBS»
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Thesen Medien und Demokratie
1. Medien brauchen keine Demokratie,
aber Demokratie braucht Medien
2. aber welche Medien?
- die meisten Medien sind kommerziell institutionalisiert – und haben dadurch ein
konfliktives Verhältnis zur Demokratie
- auch Service-public-Medien und Community-Medien sind nicht notwendigerweise
demokratieaffin
3. demokratiesensibler Journalismus ist alles andere als ein Selbstläufer
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3. Probleme I: Medienkrise
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Source: newspaperlayoffs.com
Medienkrise in den USA…
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Prof. Dr. Manuel Puppis & Prof. Dr. Werner A. Meier
1.5 3.5
2004 2014
Digital
1.5 3.5
46.7
16.4
2004 2014
Digital
US-Zeitungen: Werbeeinnahmen in Mia. US$
Quelle: Newspaper Association of America 2015
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… und in der Schweiz
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Quelle: medienspiegel.ch
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Schweizer Kaufzeitungen: Werbeeinnahmen in Mio. CHF
Quelle: Stiftung Werbestatistik Schweiz 2016
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Pressekonzentration (I)
2013 zwar noch 105 Tageszeitungen, aber nur 27 «publizistische Einheiten»
(Hauptausgaben)
Dominanz einiger weniger Verlage
Marktanteile Tageszeitungsauflage 2012
Deutschschweiz Romandie
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Tamedia44%
Ringier22%
NZZ Medien-gruppe
14%
AZ Medien5%
Somedia3%
Andere9% BaZ
3%
Tamedia66%
Hersant13%
St-Paul 6%
Ringier4%
Andere12%
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Pressekonzentration (II)
Konzernumsätze der Medienkonzerne (2015)
Tamedia 1064 Millionen
Ringier 946 Millionen
NZZ-Gruppe 456 Millionen
AZ-Medien 243 Millionen
Somedia 131 Millionen
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Pressekonzentration (III)
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Tageszeitung Wochenzeitung Anzeiger
AG 1968 6 18 16
2013 1 9 22
SO 1968 5 0 8
2013 0 6 9
JU 1968 2 4 0
2013 1 2 1
VD 1968 7 21 12
2013 3 13 3
ZH 1968 21 13 12
2013 4 8 23
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«Das Schlimmste liegt nicht
hinter uns.»
Pietro Supino
(Schweiz am Sonntag, 24.09.2016)
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Medien-, Journalismus-, Demokratie-Krise?
Finanzierungsschwierigkeiten des Journalismus beeinträchtigen Möglichkeiten,
umfassend über Gesellschaft und Politik zu berichten
- «As journalists are laid off and newspapers cut back or shut down, whole sectors of
our civic life go dark»
(Nichols/McChesney 2009)
- «You do less with less and more with more. That’s why they call it more» (Simon in
Lanahan 2008)
ob nun online oder offline:
Journalismus benötigt eine
Redaktion und das ist teuer
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Empirische Resultate: Medienorganisationen im Wandel
Finanzierungskrise des Journalismus
- Werbeeinnahmen eingebrochen: Entlassungen, Schliessungen, Kooperationen
- Digitalisierung des Kerngeschäfts bei rückläufigen Einnahmen
- Notwendigkeit hoher Investitionen führt zu Ressourcenumverteilung: «Ingenieure
statt Journalisten»
Konflikt publizistischer und ökonomischer Ziele
- Diversifizierung in neue Geschäftsfelder
- Verwischung der Grenze zwischen Content und Commerce
Neue Kooperationen notwendig
Dominanz digitaler Plattformen: Gefahr für das Überleben von
Medienunternehmen
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Empirische Resultate: Der Mediendiskurs über die Medienkrise
öffentlicher Diskurs dominiert von ressourcenstarken Verlagshäusern
Medienentwicklung v.a. durch wirtschaftliche Brille betrachtet
Ursachen der Krise werden externalisiert
als Lösung wir nur über Sparen und unternehmerische Strategien gesprochen,
nicht über aktive Medienpolitik
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Thesen Medienkrise
1. Wir haben eine Finanzierungskrise kommerzieller Medien
mit Folgen für Journalismus und Demokratie
- Abbau in den Redaktionen, mehr Konzentration und damit weniger Vielfalt
- Vernachlässigung der für die Demokratie erforderlichen Leistungen
- organisierten Interessen fällt es einfacher, konzentrierte Medien zu
instrumentalisieren
2. eine Lösung für die Finanzierungskrise haben kommerzielle
Medienorganisationen nicht gefunden
- Journalismus lässt sich auf dem Markt nicht mehr finanzieren
- publizistische und ökonomische Interessen werden immer mehr vermischt
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4. Probleme II: Service public
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Digitalisierung und Service public
Digitalisierung
- Zeitungen und Rundfunk gehen ins Internet: plötzlich Wettbewerb um Publikum
und (potenziell) um Werbung zwischen Service public und Zeitungsverlagen
- stellt traditionelles Gebührenmodell in Frage
führt zu medienpolitischen Debatten über Legitimation und Auftrag des
Service public im digitalen Zeitalter
- Entwicklung von Public Service Broadcasting zu Public Service Media erlaubt?
- Schutz der Zeitungsverlage nötig?
führt zu Diskussionen über die künftige Finanzierung des Service public
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Wie lässt sich Service public definieren?
Inhalt vs. Organisation vs. Beziehung zur Gesellschaft
- Inhalt: Definition über Programmleistung
- Organisation: Kopplung an nicht-kommerzielle Organisation
- Beziehung zur Gesellschaft: Rechenschaft und Legitimation
Politische Diskussion über Service public in der Schweiz fokussiert auf die
unfruchtbare inhaltliche Dimension
- Mehr als sehr allgemeine Definition des Auftrags nicht möglich (Medienfreiheit!)
- Service public darf jedes Genres machen, aber er muss sie anders machen
Sinnvolle politische Vorgaben nur möglich über
- stabile nicht-kommerzielle Finanzierung
- Rechenschaftspflichten
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Finanzierung des Service public
Konvergenz verändert Nutzung: Empfang von TV/Radio über zahlreiche
Geräte möglich
Konsequenz: Gebühr auf Besitz eines Radio-/TV-Geräts zur Finanzierung des
Service public nicht mehr zeitgemäss
Möglichkeiten zur Reform
- Ausweitung der Gebühr auf weitere Geräte
- Haushaltsabgabe
- individuelle Mediensteuer
- Finanzierung aus dem Staatshaushalt
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Kritik: Service public als bürgerliches Medium
Die wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeiten der kommerziellen und
öffentlichen Medienorganisationen im ersten und zweiten Sektor fördern die
Aufrechterhaltung der bestehenden Machtverhältnisse und die Sicherstellung
der eigenen partikulären unternehmerischen Zielsetzungen
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Thesen Service public
1. Service public bleibt auch im digitalen Zeitalter wichtig
- nicht-kommerzielle Institutionalisierung entscheidend
- in Anbetracht der Finanzierungskrise kommerzieller Medien umso wichtiger
2. SRG muss online uneingeschränkt tätig sein dürfen
3. auch die SRG ist nicht gefeit vor Paternalismus, Populismus,
Kommerzialisierung, Nähe zu organisierten Interessen und Kritikunfähigkeit
- Bedeutung von Rechenschaftspflichten
- Einbezug der Bürgerinnen und Bürger
- Verzicht auf Werbung
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5. Probleme III: Digitale Plattformen
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«Neue Medien» verändern die Demokratie
«Social Media» in der politischen Kommunikation
- ermöglichen den BürgerInnen Zugang zur Öffentlichkeit
- aber: auch auf «Social Media» Dominanz etablierter politischer Akteure und
Vorteil von ressourcenstarken Akteuren
- Journalistische Medien sorgen für Ausgewogenheit
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Plattformen als mächtige Akteure
Medienkonsum also stark über neue Plattformen
- Nachrichten über Facebook, Google, Snapchat & Co.
- Filme, Serien, Musik über Netflix, Spotify & Co.
«Social Media» übernehmen Distribution und Selektion von Inhalten
- nicht nach journalistischen Kriterien: Algorithmen nicht transparent
- unklar, wie sich Medienhäuser künftig finanzieren können
- neben Journalismus auch ungefilterter Zugang von politischen Akteuren und PR
Streaminganbieter produzieren v.a. Unterhaltung und keine Inhalte für den
kleinen Schweizer Markt
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Kritik I: «Filter Bubble» und «Fake News»
«Fake News»: falsche Informationen im Netz, die starke Beachtung und
Verbreitung finden (z.B. geteilt auf Facebook)
Geht davon aus, dass es «Filter Bubble» oder «Echokammer» gibt:
Austausch nur noch mit Personen, die gleiche Meinung haben
- empirische Befunde nicht eindeutig: vor allem an den Rändern des politischen
Spektrums
- Problem könnte mit Artificial Intelligence grösser werden: bessere
Personalisierungsfunktionen
- Algorithmen aber geheim: Regulierungsbedarf?
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Kritik II: Ausbeutung und Gratisarbeit
Plattformen machen Geld mit Inhalten, die anderen produzieren
- Medieninhalte
- User Generated Content: Gratisarbeit
Pattformen machen Geld mit Daten der NutzerInnen
- Ausbeutung
- Überwachung
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Die grössten Medienkonzerne (2016)
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1. Alphabet Inc. (Mountain View / USA) EUR 67.588 Mia.
2. Comcast (NBC Universal) (Philadelphia / USA) EUR 67.156 Mia.
3. The Walt Disney Company (Burbank / USA) EUR 47.287 Mia.
4. News Corp. Ltd. / 21st Century Fox (New York / USA) EUR 33.907 Mia.
5. AT&T Entertainment Group (DirectTV) (El Segundo, USA) EUR 31.811 Mia.
6. Time Warner Inc. (New York / USA) EUR 25.343 Mia.
7. Viacom Inc./CBS Corp. (New York / USA) EUR 24.474 Mia.
8. Sony Entertainment (Tokyo / JP ) EUR 22.917 Mia.
9. Apple Inc. (Cupertino / USA) EUR 17.944 Mia.
10. Altice Group (Amsterdam / NL) EUR 17.495 Mia.
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Thesen Digitale Plattformen
1. Die Macht von Plattformen nimmt zu
2. Wir brauchen eine Governance von «Social Media»:
Regeln, Transparenz und Rechenschaft
- Datensammlung, -verarbeitung, -verwendung
- Funktionsweise von Algorithmen
3. Medienkompetenz: Bürgerinnen und Bürger müssen Geschäftsmodell und
Selektion durch Plattformen verstehen
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6. Aufbruch I: Neue philosophische Grundlagen für Medienpolitik
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Von Utilitarismus zu Gerechtigkeit
traditionell basiert Medienpolitik auf dem Utilitarismus
- bestes Medienangebot erreichen für das Aggregat: fehlender Fokus auf Individuen
und Verteilungsfragen
- Grund: früher waren technisch nur Massenmedien möglich
- Antwort in Europa: öffentlicher Rundfunk
doch die Welt hat sich geändert: mit den «Neuen» Medien ist auch eine Neue
Medienpolitik (für alte und neue Medien) möglich (Schejter/Tirosh 2017)
- Rawls Theorie der Gerechtigkeit: Grundfreiheiten für alle Individuen
- Sens Befähigungsansatz: Freiheit, selbstbestimmt zu Leben (d.h. u.a. faire und
gleiche Verteilung der Mittel, um am demokratischen Prozess teilzunehmen)
“We propose that policy should focus on putting media in the hands of the least
advantaged members of society and enabling such people to make use of the media in
a way that meets their needs and allows them to make their voices heard”
(Schejter/Tirosh 2017: 4)
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Ideen für eine Neue Medienpolitik (I)
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Zugang zu Medien sicherstellen
- Universal Access
- Schliessung des «Digital Divide»
Demokratische Partizipation mittels Medien
- Beibehaltung eines nicht-kommerziellen Service public
- Medienförderung für private Medien
- Vielfaltsgarantien durch Eigentumsbeschränkungen, Zugang zu Plattformen,
inhaltliche Regulierung etc.
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Ideen für eine Neue Medienpolitik (II)
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Inhaltliche Partizipation (Medienproduktion)
- Unterstützung für «Community Media» und Anreize für alternative Eigentumsformen
(Mitarbeitereigentum, Genossenschaften)
- Dialog der Medienorganisationen mit Nutzern über Social Media und Onlineforne;
«User Generated Content»
Strukturelle Partizipation in Medienorganisationen
- Publikumsrat bei öffentlichen und privaten Medien
- Publikumsbeteiligung im Management von Medienorganisationen («Community
Media» und professionelle Medien)
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Ideen für eine Neue Medienpolitik (III)
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Strukturelle Partizipation in der Medienpolitik
- Publikumsräte bei Regulierungsbehörden und Ministerien
- Stärkung des Einflusses der BürgerInnen im politischen Prozesse
Partizipation fördern: Fähigkeiten
- Medienkompetenz, die über die Bedienung von Geräten hinaus geht: Journalismus,
Eigentum, Datenverwendung verstehen
- Medienproduktionskompetenz: verstehen, wie man in der Medienproduktion aktiv
werden kann
- Medienpolitikkompetenz: Relevanz von Medienpolitik und Möglichkeiten zur
Einflussnahmen verstehen
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7. Aufbruch II: Auswege aus der Krise
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Anstehende Konflikte in der Medienpolitik
1. Zukunft kommerzieller Medienorganisationen
2. Zukunft der SRG SSR
3. Rolle von Plattformen
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Zukunft der Presse
2011:
- zahlreiche Forschungsprojekte im Auftrag des Bundes dokumentieren Medienkrise
in der Schweiz
- Bundesrat teilt die Besorgnis, verzichtet 2011 aber auf Massnahmen
2014:
- Parlament zwingt Bundesrat, mehr zu tun, weshalb neue Forschung in Auftrag
gegeben wurde
- Eidgenössische Medienkommission (EMEK) empfiehlt Stiftung zur Förderung von
Start-ups und herausragendem Journalismus, Abschaffung der
Posttaxenverbilligung (2014)
- Bundesrat teilt die Besorgnis, will Lage in 5-7 Jahren erneut evaluieren (und erst
dann ggf. etwas unternehmen)
- ab 2016 Diskussion im Parlament
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Zukunft der SRG
SRG unter Druck
- Abstimmung über Haushaltsabgabe hat Grundsatzdebatte über Service public
ausgelöst
- Verlage fühlen sich durch Onlineangebot der SRG bedroht
- No-Billag-Initiative ist zustande gekommen
- EMEK und Bundesrat haben Berichte zur Zukunft des Service public vorgelegt
wie geht es weiter?
- Diskussion der Berichte Parlament: Ständerat folgt Bundesrat; im Nationalrat
stärkere Kritik an der SRG
- Bundesrat (und wohl auch Parlament) lehnt No-Billag-Initiative ab
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Schlussfolgerungen: wie weiter?
Medien und Journalismus sind nur dann unverzichtbar,
wenn sie sich in den Dienst der Demokratie stellen
1. Kommerzielle Medien
- technologieneutrale, konvergente direkte Medienförderung (Print und Online)
- Förderung von Projekten (Gründung) und dauerhaftem Betrieb
2. Service public
- Entwicklung von Public Service Broadcasting zu Public Service Media
- Regulierung durch stabile nicht-kommerzielle Finanzierung und
Rechenschaftspflichten
3. Community-Medien: konzernunabhängige, innovative Projekte und
Infrastrukturen fördern
4. Medienkompetenz, die über Bedienung von Geräten hinausgeht
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